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Full text of "Neue Jahrbücher für Philologie und Paedogogik"

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JAHNSCHER 
JAHRBÜCHER  FÜR 
PHILOLOGIE  UND 
PAEDAGOGIK 


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Harvard  College 
Library 


FROM  THE  FUND  GIVEN  BT 

StepKen  Salisbury 

Otttaf  ltl7 

OF  WORCB8TBR,  MASSACHUSETTS 

For  Oreek  and  Latin  Litentnre 


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NEUE  JAHMÜCHEß 


FÜB 


PHILOLOGIE  UND  PAEDAGOGIK. 


aEGENWiüEma  hebaüIbgegeben 


VON 


ALFfiED  FLECmSEN  wn>  HERMANN  MASIOS 

nonmoB  nr  »Ba8i»ir  nomso»  n 


ACHTUNDVIERZIGSTEB.  JAHBGANG. 
EDTHUNDERTUNDAGHTZEHNTEB  BAND. 


LEIPZIG 

BBUOK  UND  VEBLAQ  VON  B.  G.  TEUBNEB.y^ 


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JAHRBÜCHER 

FÜR 

PHILOLOGIE  üw)  PAEDAGOGIK. 

ZWEITE  ABTEILUlie. 


HERAU80£0£B£M 
TOM 

HEBMANN  MASIÜS. 


VIERUNDZWANZIQSTER  JAHMANe  1878 

ODIft 

DSm  JAHMSOHEir  JAHUlGOHBR  fOb  FBILOLOOIB  UHD  PASDAOOOIK 

XUIJlUflDBBTinn>AOHTZBBllTBR  BAIID. 


LEIPZIG 

I>BIJCK  UND  YEBLAG  YOK  B.  G.  TEÜBNES. 


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HARVARD  COLLEeE  LIBRAI 


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ZWEITE  ABTEILUNG 
FÜK  GYMNASIALPiDAGOGIK  UND  DIE  CßRIGEN 

MIT    AU8SCULU8Z  DKU  CLASälBCliKN  PUILULOOIK 

HBRAUSOBOBBBN  VOV  PROF.  DB.  UbBMAMH  MaSIUS. 


1. 

ALTES  ÜND  KEUES  AUS  DEB  SCHULE. 


1.  Ffir  die  Uhrer. 

Es  wird  nioht  ttberflflssig  sein,  einselne  aohnlfragen  naeh  den 
leUuiften  erSrterungen,  welche  sie  in  der  jfingeteojrergangenheit  ge- 
fimdeB,  von  neaem  einer  eingehenden  pritfung  zu  unterwerfen,  um 
sie  Ton  der  einseitigkeit  einer  meistenteils  dnreh  das  interesse  einge- 
gebenen hetraehtung  zn  befreien  und  die  erentnell  gefundene  lOsiing 
▼on  einem  allgemeinen  standpunote  ans  sn  erproben,  pftdagogisohe 
fragen  soUen  beantworet  werden  nach  dem  standponcte,  den  die 
schnle  im  rechtsstaate  einnehmen  moss.  da  das  ISngst  erwartete 
preuszische  onterrichtsgesetz  noch  nicht  erschienen  und  somit  anch 
der  gesetzHche  abschlnsz  fOr  viele  zweifelhafte  pnncte  noch  nicht  ge- 
fiinden  ist,  so  dUHU)  es  wol  noch  an  der  zeit  sein,  fttr  manche  dersel- 
ben das  rechte  wort  an&nsachen,  das  wort,  welches  den  schein  yon 
der  wahrhttt,  die  snflülige  erscheinnng  von  der  wirklichen  Wesenheit 
zn  trennen  vermag,  wenngleich  wenig  hoffiiimg  vorhanden  ist,  dnrch 
eine  fernere  besprechnng  in  den  gnmdanschaunngen  der  verschie- 
denen stimmftthrer  ttndenmgen  zn  erzielen,  welche  eine  versdhnnng 
der  weit  auseinandergehenden  richtyngen  bewirken  kOmiten,  wenn- 
gleich immer  wieder  an  den  ausspmch  erinnert  werden  mnsz 

'Der  Worte  siDd  genug  gewechselt,  * 
80  liiwt  uns  endlieb  einmal  tbaten  sehn!' 

so  gilt  es  dennoch,  stets  zn  mahnen  und  anzuregen,  stets  das  ^irrende, 
schweifende'  abzuweisen  nnd  das  notwendige  und  wahre  so  lange  zn 
betonen,  bis  es  zur  vollen  erscheinung  gekommen  ist 

N.  Jahik  r.  phU. «.  pid.  n.  abt.  1S7S.  hft  1.  1 


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2 


Altes  uud  neues  aus  der  scbole, 


Herr  dr.  Schwartz,  director  des  Friedrich-Wilbelmsgymnasium 
in  Posen  leitet  seinen  im  vorigen  jähre  erschienenen  ^Organismus  der 
gymnasien  in  seiner  praktischen  gestaltung'  (Berlin  bei  Hertz  1876) 
also  ein:  'wenn  in  frühern  naturwüchsigen  Zeiten  der  charakter 
einer  gelehrten  schule  sich  im  ganzen  bestimmte  nach  den  au  der- 
selben harschenden  traditionen  und  den  an  derselben  wirkenden 
persönlichkeiten,  so  hat  sich,  je  einheitlicher  und  selbstbewuster  sich 
alle  culturverhältnisse  des  preuszischen  Volkes  entwickelten ,  auch 
notwendiger  weise  ein  gemeinsamer  typus  der  beireffenden  anstaltea^ 
getragen  von  der  allgem^einen  schulgesetzgebung  (?)  herausgebildet, 
was  einzelne  gymnasien  dabei  an  individualität  und  gleichsam  un- 
mittelbarer frische  eingebüszt,  ist  der  allgemeinheit  an  Sicherheit  in 
den  resultaten  zu  gute  gekommen,  die  bei  den  bestimmten  formen, 
innerhalb  deren  auch  die  höheren  schulen  sich  fortan  zu  entwickeln 
angewiesen  waren,  mehr  unabhängig  von  den  gerade  wirkenden  per- 
sönlichkeiten durch  die  macht  der  institutionen  an  sich  erzielt  wur- 
den, man  kann  jenes  im  einzelnen  bedauern,  ohne  sich  doch  dem 
segen,  den  die  Umwandlung  in  weiten  kreisen  hervorgebracht  hat, 
zu  verschlieszen,  ganz  abgesehen  davon,  dasz  die  gesamtentwicklung 
der  culturverhJiltnisse  wie  überall  so  auch  auf  diesem  gebiete  natur- 
gemäsz  darnach  trachtet,  alles  zufällige  möglichst  zu  verbannen,  und 
statt  desselben  eine  rationelle  gestaltung  anzustreben.'  diese  dar- 
ßtellung  ist  im  allgemeinen  zutrefiend,  sie  darf  jedoch  nicht  ohne 
ergänzung  bleiben,  es  ist  keine  frage,  dasz  das  naturwüchsige,  die 
individuelle  entwicklung  der  einzelnen  anstalten  sich  zu  lange  breit 
gemacht,  dasz  eine^unsumme  von  anordnungen,  erwägungen,  regle- 
mentierungen  im  laufe  der  letzten  fünfzig  jähre  dem  schnell  schrei- 
tenden gange  der  culturentwicklung  in  allen  gebieten  des  theoreti- 
schen und  praktischen  lebens  nicht  hat  folgen  können,  dasz  die  durch 
Könne  und  Wiese  versuchten  codiücierungen  der  die  schulverhältnisse 
regelnden  Verordnungen  den  evidentesten  nachweis  geliefert  haben, 
wie  beim  mangel  feststehender  allgemeiner  gesichtspunkte  —  nennen" 
wir  sie  mit  der  jetzt  beliebten  bezeichnungnormativbestimmungen  — 
die  ausgestaltung  gerade  des  preuszischen  Schulwesens  in  üftlsche 
bahnen  gerathen  ist  und  dem  subjectiven  belieben  der  gende  Imten- 
den  persönlichkeiten  allzulange  hat  folge  leisten  müstren ;  keine  frage 
ist  es,  dasz  der  jetzt  herschende  stürm  und  drang  endlich  durch  eine 
wirkliche  gesetzgebung  zu  heendigen  ist,  eine  gesetzgebung,  welche 
bis  jetzt  nur  selten  emstlich  versucht  ist  und  YOn  -vielen  an  der  Bchnl* 
Verwaltung  beteiligten  personen  in  hezug  auf  ihre  ersprieszlichkeit 
oder  notwendigkeit  verneint  wird.  . 

Gehen  wir  nach  diesen  allgemeinen  hemerkongen  zanftohst  auf 
die  frage  näher  ein,  welches  die  Stellung  der  lehrer  an  höhem  nnter- 
richtsanstalten  sein  mnsz,  wenn  weder  die  personen  noch  die  sache, 
also  der  nnterricht  und  die  schule  geschSdigt  werden  soll. 

1.  Die  Stellung  des  lehrers  zu  den  behOrden,  speciell  zum  direc- 
tor, die  zum  publicum  und  zu  den  schtüem,  sein  verhalten  in  und 


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Altos  und  neues  aus  der  schule. 


3 


auszerhalb  der  schule,  seine  teilnähme  an  öffentlichen  angelegenhei- 
ten,  sein  leben  in  der  familie  und  in  der  gesellschaft,  sein  äuszeres 
erscheinen  in  kleidung  und  tracht,  und  wer  weisz,  was  alles  sonst 
noch ,  sind  von  jeher  und  auch  noch  heute  gegenständ  der  wunder- 
samsten anforderungen  gewesen:  in  summa  summarum  schob  man 
dem  lehrer  eine  ausnahmestellung  zu  und  ist  selbst  zur  zeit  noch 
wenig  geneigt,  ihm  dasselbe  volle  recht  zuzuerkennen,  wie  andere 
menschen  oder  sagen  wir  lieber,  beamte,  in  denselben  natürlichen 
fonnen  des  innern  seins  und  des  äuszem  erscheinens  zu  leben  und 
zu  wirken,  ausnahmestellnngen  verschieben  aber  immer  den  schwer- 
pnnct  der  davon  betroffenen,  und  wer  mit  bewustsein  immer  und 
Überall  den 'Zöglingen  ein  ^leuchtendes  vorbild'  sein  soll,  fUUt  zum 
mindesten  so  häufig  durch  unnatur  und  Sonderbarkeiten  auf,  dasz 
der  Übermut  der  Jugend  volles  genüge  findet,  sich  durch  Eulenspie- 
geleien für  den  druck  zu  entschädigen,  den  ein  musterschulmonarch 
sehr  gegen  ihren  willen  anf  sie  ausübt,  man  wolle  doch  ja  von  der 
thatsacbe  notiz  nehmen,  dasz  der  schüler  mit  dem  lehrer  einen  klei- 
nen krieg  führt,  weil  er  es  nnliebsam  empfindet,  wenn  er  zar  Ord- 
nung, zum  gehorsam,  zum  fleisze,  knrz  zu  allen  schnltngeiiden  ange- 
halten wird,  dasz  er  nicht  gerade  den  lehrer,  sondern  die  auszerhalb 
der  sohole  stehenden  eitern,  freunde  und  bekannten  zu  Vorbildern 
wfthlt  mid  jene  nach  diesen  beurteilt,  lehrer,  bei  denen  die  schüler 
etwas  lernen  und  bei  denen  die  kleinen  versnobe  zu  täuschungen  und 
betrügereien  nicht  angebracht  sind,  lehrer,  welche  stets  strenge  ge* 
rechtigkeit  üben  und  in  den  urteilen  über  ibre«sohttler  sich  keine 
wunderlichen  Ufeszen  geben  —  kommt  öfter  vor  als  man  meinen 
soUte  —  lehrer  endlich ,  die  ihre  amtspflichten  unentwegt  erfüllen 
nnd  auch  im  Öffentlichen  leben  ansehen  nnd  acbtnng  sich  zn  erwerben 
vermögen,  die  allein  sind  den  schülem  genehm  und  stellen  auch  noch 
nach  den  Schuljahren  bei  denselben  in  piettttsvoUer  erinnerung,  wfth* 
rend  die  pedanten  nnd  sonstigen  mustermenschen  in  dem  ebenge- 
daehten  kleinen  kriege  mehr  als  6ine  wnnde  davontragen  und  nach 
der  Schulzeit  bald  vergessen  oder  aber  zum  objecte  eines  nicht  immer 
gotmütigen  witzes  werden. 

Andrerseits  ist  aber  das  streben  eines  lehrers,  sich  seinen  mit- 
bürgem  in  öffentlichen  angelegenheiten  zu  nähern,  an  wählen  nnd 
wahlvereinen  sich  in  angemessener  weise  zu  beteiligen,  zur  mehnmg 
des  Tolkswohls  und  der  Tolkssitte,  so  viel  an  ihm  liegt,  beizutragen, 
sein  wissen  und  können  durch  den  lebendigen  pulsachlag  der  gegen* 
wart  frisch  und  eigenartig  zu  erhalten,  von  nicht  zu  unterschttteender 
bedeut-samkeit  und  rttckwirkung  anf  seine  lehrerthätigkeit.  nnr  der- 
jenige |  welcher  eine  ganze  volle  persönlichkeit  aus  sich  herauszubil- 
den vermag,  ist  berufen  und  geeignet,  lehrer  und  führer  der  jugend 
zu  sein ;  man  musz  selbst  erst  ein  eharakter  geworden  sein,  ehe  man 
zu  Charakteren  erziehen  kann,  man  musz  selbst  wahr  und  wahrhaftig 
sein  und  diese  eigensehaften  im  kämpfe  mit  dem  leben  erprobt  iaben, 
ehe  «man  verlangen  kann,  dasz  die  jugend  vertrauensvoll  zu  einem 

1» 


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4  ,       Altes  und  neues  aas  der  schule. 

herantrete,  damit  soll  nun  nicht  gesagt  sein ,  dasz  jeder  lehrer  im 
Öffentlichen  leben  sich  thätig  erweisen  müsse ,  es  soll  nur  die  mah- 
nung  angedeutet  werden ,  dasz  einem  lehrer,  eben  weil  er  lehrer  ist, 
in  solcher  thätigkeit  keine  unnützen  hindernisse  entgegengetragen 
werden  dürfen,  dasz  es  dem  lehrer  gestattet  sein  musz,  die  alte  mei- 
nung  durchbrechen  zu  helfen,  er  sei  nur  für  den  umgang  mit  der  Ju- 
gend und  das  scepter  in  der  schule  geschaffen,  und  darum  für  andere 
lebensverhältnisse  unvorbereitet  und  untauglich. 

2.  Man  hat  oftmals  nach  einem  passenden  ausdrucke  verlangt, 
der  die  zielpuncte  für  die  äuszere  und  mehr  persönliche  Stellung  der 
lehrer  klar  und  bestimmt  definiere:  vielleicht  gentigt  das  wort:  die 
lehrer  an  höheren  Unterrichtsanstalten  sind'in  allem 
und  jedem  den  richtern  erster  instanz  gleichzuBtell en. 
was  dieses  wort  in  sich  faszt,  mag  vorerst  genauer  dargelegt  werden, 
nach  dem  abiturientenexamen  besucht  der  angehende  jurist  sechs 
Semester  die  Universität,  absolviert  dann  ein  erstes  ziemlich  leichtes 
examen,  wird  darauf  vereidigt  und  erhält  damit  amtlichen  Charakter, 
durchläuft  eine  mehrjährige  praktische  einführung  in  die  speciellen 
richterlichen  dienstgeschäfte,  legt  dann  ein  zweites  examen  ab',  wel- 
ches die  allseitige,  theoretische  wie  praktische,  brauchbarkeit  des 
rechtskundigen  festzustellen  hat  und  erhält  dann  eine  feste  anstel- 
lang an  einem  gerichte  erster  instanz ,  die  ein  festes  mit  den  dienst- 
jahren  steigendes  diensteinkommen  sichert,  eine  freie  individuell 
geartete  amtsthätigkeit  gestattet  und  nur  in  rein  administrativen 
angelegenheiten  eiaem  unmittelbaren  vorgesetzten,  dem  kreisge- 
richtsdirector,  verantwortlich  und  untergeordnet  is^*.  die  amtliche 
thätigkeit  des  richters  ist  von  äuszeren  einflüssen  möglichst  unab- 
hängig, entbehrt  aber  keineswegs  der  sichern  und  ausreichenden 
controleund  Unterstützung,  letztere  durch  die  Plenarsitzungen,  erstere 
durch  die  apellinstanz  und  die  regresspflicht.  diesen  momenten  tritt 
die  einrieb tung  zur  seite,  dasz  das  gesamte  richterliche  personal  eines 
appellgerichtes  einen  einzelverband  repräsentiert,  welcher  nicht  zu 
enge  ist,  um  eine  ausreichende  und  immer  notwendige  bewegung 
der  personen  zu  gestatten,  aber  auch  nicht  zu  weit,  dasz  darüber 
die  für  diese  bewegung  notwendige  personalkenntnis  verloren  gehen 
konnte,  der  tag  der  eidesleistung  wie  der  der  absolvierung  des 
assessorexamens  regelt  innerhalb  eines  solchen  Verbandes  die  ge- 
baltsbesttge  der  art,  dasz  das  dienstalter  entscheidet,  während  die 
Verwendung  der  personen  resp.  deren  aufsteigen  nach  sitte  der  be- 
amtenhierarchie  von  begabung,  fleisz  und  dienstlicher  brauchbarkeit 
abhängig  bleibt,  endlich  ist  nicht  zu  übersehen,  dasz  ein  aus  dem 
staatlichen  justizressort  ausgeschiedener  nur  schwer  in  dasselbe 
seinen  rückzag  findet,  und  dasz  er  mit  seltenen  ausnahmen  in  diesem 
falle  seine  ancien&it&t  verliert,  das  rechtsprechen  selbst  verlangt 
kenntnis  des  innern  und  äuszem  lebens  der  rechtsuchenden,  erfor- 
dert olJiective  beurteilung  der  civiten  and  politischen  parteiverhält- 
nisse  vnd  gestattet  deshalb  nur  in  einem  geringen  grade  eine  ab- 


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Altes  und  neues  aus  der  schule. 


6 


Sperrung  von  der  auazenwelt.  es  gewährt  auch  in  concreto  und  in 
abstracto  diejenige  Unabhängigkeit ,  die  das  wahre  glfick  einer  in 
sich  selbst  gefestigten  Persönlichkeit  ausmacht,  so  ist  es  gekommen, 
dasz  der  richterstand  nicht  nur  die  grOttmOglichste  achtung  aller 
aiiszer  ihm  stehenden  genieszt,  sondern  Moh,  dasz  andere  kreise  sich 
fast  aiisscblieszlich  ans  ihm  ergBnsen,  wie  auch,  dasz  in  fernerer 
Wechselwirkung  nur  junge  lente  aus  den  besseren  lebens-  nnd  bevöl- 
kerungskreisen  sich  ihm  zuwenden,  woduroh  nicht  am  wenigsten  die 
würde  des  Standes  gewahrt  bleibt. 

3.  Fast  entgegengesetzt  sind  die  Verhältnisse  im  lehrerstande. 
der  schulamtscandidat  soll  nach  a})3olviening  seiner  nniversitäts- 
studien  sofort  sein  hauptexamen  ablegen,  damit  ist  denn  von  ▼cm 
herein  eine  grosze  Ungleichheit  in  der  Vorbereitung  zum  amte gegeben, 
der  eine  studiert  6,  der  andere  8,  der  dritte  10  und  mehrere  Semester 
und  zwar  aus  den  verschiedensten  gründen,  hier  treten  junge  männer 
ins  amjb  mit  der  ganzen  arbeitskraft  und  idealen  energie  der  jagend» 
dort  ältere  herren,  die  das  erste  feuer  der  begeisterung  lange  schon 
im  präoeptoren-  nnd  hauslehrertum  verloren  haben,  bald  findet  be- 
gabang nnd  gewandtbeit  sich  in  leichter  weise  mit  den  Schwierigkeiten 
des  examens  ab,  bald  scheut  wissenschaftlicher  ernst  längere  zeit  und 
Uber  dieselbe  hinaus  vor  demselben  zurück:  in  jedem  falle  aber  sind 
die  ergebnisse  dieser  Staatsprüfung,  wie  das  allseitig  constatiert  and 
anders  kaom  möglich  ist,  samal  da  7— 8  verschiedene  prttfongscom- 
missionen  verschiedene  masse  der  milde  und  strenge  und  versohie- 
dene  Interpretationen  des  prQfnng&reglements  für  sich  in  ansprach 
nehmen,  nicht  nur  durchaus  ungleichartig,  sondern  auch,  was  noch 
mehr  sagen  will,  kaum  ausreichend,  ein  arteil  der  dienstbehörde  über 
die  qualification  der  candidaten  darauf  zu  grOnden.  doch  gehen  wir 
weiter !  der  amtlich  beschäftigte  schulamtscandidat  wird  nicht  ver- 
eidigt, erhält  somit  keinen  amtlich«i  Charakter,  auch  wenn  er  jähre 
lang  ordentliche  lehrsteilen  verwaltet,  er  hat  also  somit  durchaos 
keine  garantie  der  definitiven  anstellang,  sondern  ist  für  diese  einzig 
and  aüein  anf  die  rücksiohtnahme  des  betreffenden  departemente- 
rathes  angewiesen,  dessen  ganst  and  teilnähme  er  also  am  jeden 
preis  gewinnen  muss,  Yorzagsweise  in  selten,  in  denen  der  ström  der 
bewerber  reichlicher  flieszt.  ebenso  wenig  wie  die  anstellang  ist  aach 
das  aufrücken  in  hühere  gehaltsqnoten  siäergestellt.  im  allgemeinen 
rfickt  der  lehrer  an  der  anstalt,  der  er  snnlehst  überwiesen  worden, 
in  höhere  stufen  and  besoldangen  aof ,  aber  dieser  kreis  der  gestat- 
teten bewegnng  ist  einmal  viel  za  Uein,  and  sodann  dardi  Vor- 
kommnisse nodb  mehr  eingeengt,  die  einen  einmaligen  oder  Qftem 
einsdbab  im  Interesse  des  dienstes  onamgUnglich  nothwendig  maeben. 
schon  der  amstand,  dasz  für  dieses  oder  jenes  spedalfaeh  in  einem 
bestimmten  faUe  vorgesorgt  werden  masz,  macht  oftmab  die  bera- 
fnng  einer  lehrkraft  nOtig,  die  in  den  gegebenen  rahmen  einer  ein- 
zigen anstalt  nicht  hineinpaszt,  es  sei  denn,  dasz  filtere  berecbtigungen 
für  hühere  gehaltsbezttge  oder  hühere  stellen  geschädigt  werden. 


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Altes  uud  oeueu  aus  der  äcbule. 


an  städtischen  anstalten  contrahiert  man  überhaupt  nur  von  fall  zu 
fall,  und  dieses  beispiel  wird  oftmals  an  anstalten  staatlichen  patro- 
nats  nachgeahmt,  auch  die  Pensionierungen  sind  nicht  ausreichend 
geregelt  und  bringen  noch  mehr  Verwirrung  in  die  unklaren  zu- 
stände, städtische  behörden  suchen  im  interesse  ihrer  communen, 
denen  sie  die  belästigung  der  pensionen  fern  halten  möchten,  vor- 
zugsweise junge  lehrkräfte  zu  gewinnen  und  bringen  dieselben  in 
verhältnismäszig  sehr  hohe  stellen,  nun  ist  an  einer  königl.  anstalfc 
eine  stelle  vacant,  für  die  ein  lehrer  passt,  der  jüngst  von  einer 
städtischen  gemeinde  in  eine  den  umständen  nach  hohe  stelle  ge- 
wählt wurde;  weil  aber  der  schulrath  ihn  zurücknehmen  will,  musz 
er  ihm  nun  eine  oberlehrerstelle  geben  und  alle  altersverhältnisse 
durchbrechen,  so  kommt  es,  dasz  junge  luhrer  mit  27  lebensjahren 
oberlehrerstellen  bekleiden,  während  ihre  ebenso  tüchtigen  alters- 
genossen,  die  zudem  im  unmittelbaren  Staatsdienst  verblieben  sind, 
noch  in  einem  decennium  nicht  eine  solche  stelle  erhalten. 

4.  Die  fernere  amtliche  thätigkeit  des  lehrers  ist  ebenfalls  im 
gegensatze  zur  richterlichen  wenig  geeignet,  liebe  zu  einem  berufe 
zu  erwecken,  der,  wie  wir  zugeben  müssen,  von  eminent  hoher  be- 
deutung  für  den  staat  wie  für  die  familie  ist,  wenn  wir  auch  weit 
entfernt  sind,  der  weinerlich  frommen  manicr,  die  den  lehrerberuf 
als  den  denkbar  höchsten  preist,  einige  aufmerksamkeit  zu  schenken, 
zumal  sie  nur  bei  leuten  zu  finden  ist,  die  die  schwere  des  berufes 
eben  so  wenig  sich  aufbürden  möchten  als  sie  geneigt  sind,  den  mate- 
riellen bedürfnissen  des  lehrerstandes  rechnung  zu  tragen,  die  lehrer 
haben  ihres  hohen  berufes  halber  die  Verleihung  eines  bestimmten 
rangverhältnisses  nicht  notwendig,  sagt  die  bekannte  Verfügung  des 
ministers  Eichhorn  vom  jähre  1847 ,  und  wenn  man  dieselbe  gegen- 
wärtig auch  nicht  mehr  gutheiszen  will,  so  läszt  man  sie  nichtsdesto- 
weniger theoretisch  und  praktisch  bestehen,  auf  grund  dieses  nicht 
verliehenen  rangverhältnisses  entzieht  man  den  ordentlichen  lehrem 
an  höheren  unterrichtsanstalten  den  höhem  wohnungszuschusz  der 
richter  und  gibt  ihnen  den  der  Subalternbeamten  —  eine  gleiche 
herabminderung  hat  auch  bei  dem  gesetze  über  die  umzugskosten 
der  beamten  stattgefunden  —  und  diese  schroffe  materielle  Verletzung 
hat  man  späterhin  durch  den  umstand  zu  motivieren  gesucht,  dasz 
zu  wenig  lehrer  als  Oberlehrer  qualificiert  seien,  ja  nach  einer  uns 
mitgeteilten  Versicherung  sollen  noch  über  die  hälfte  aller  angestell- 
ten lehrer  nicht  die  facultSten  für  den  Unterricht  in  der  prima  haben, 
doch  sehen  wir  von  diesen  verstimmenden  momenten  ab,  und  lenken 
wir  unsere  aufmerksamkeit  auf  die  mit  der  amtlichen  lehrerthätig- 
keit  verbundenen  Schwierigkeiten,  so  musz  man  gestehen,  dasz  im 
laufe  langer  jähre  wenig  geschehen  ist,  um  dieselben  zu  heben  oder 
weniger  schroff  hervortreten  zu  lassen,  wie  oft  man  auch  die  kranken 
stellen  aufgezeigt  und  geeignete  heilmittel  nachgewiesen  hat.  ich 
will  hier  die  anschauungen  des  director  Sohwartz  —  Organismus 
p.  81,  64  ff.  —  mitteilen,  welehe  ergeben,  wie  es  sein  mttste,  wie 


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Altes  und  neoM  aua  der  lobule. 


7 


€S  aber  leider  nicht  ist ,  und  somit  negativ  das  erweisen ,  was  direct 
nicht  mehr  von  mir  ausgesprochen  zu  werden  braucht,  weil  ich  mich 
«  zu  oft  wiederholen  müste.  hr.  Schwartz  sagt:  'der  einheitliche  Cha- 
rakter einer  anstalt  beruht  neben  der  Organisation  in  letzter  instans 
auf  dem  director.  er  musz  alle  fäden  in  pädagogik  und  me- 
thodik  zusammenzufassen  und  zu  einen  trachten,  unbe- 
schadet der  freien  entwicklung  und  bethfttigang  der 
einzelnen  coUegen  iniierhalb  der  durch  die  Organisa- 
tion gesogenen  grenzen,  wie  die  jCfesetzgebnng  (?)  auch  ihm 
nnr  gewisse  schranken  setzt,  innerhalb  deren  er  finei  gestalten  kann, 
so  mnss  er  auch  dasselbe  pnndp  den  lehrem  seiner  anstalt  gegen- 
über zum  ziele  seines  handelns  machen,  nur  da  positive  forderungen 
stellen,  wo  allgemeine  gesetzliche  oder  in  den  conferenzen  festge* 
stellte  grundsätze  oder  der  einheitliche  Charakter  der  anstalt  es  un- 
bedingt zum  besten  der  sohüler  fordern,  im  übrigen  aber  nnr  colle- 
gisUsch  anregend  oder  ausgleichend  zu  wirken  trachten,  die  sichtbar 
jedem  sich  aufdrängende  Wahrnehmung,  dasz  je  einheitlicher  der 
Charakter  der  anstalt  sich  gestaltet ,  desto  leichter  die  disciplin  und 
sicherer  sowie  allgemeiner  anoh  die  fortschritte,  wird  jenes  streben 
fördern  helfen,  sobald  er  nur  möglichst  objecti?  and  ruhig  ans* 
dauernd  dabei  verführt  und  durch  die  that  beweist,  dasz  er 
selbst  auch  eigene  subjective  ansiohten  zum  besten  des 
allgemeinen  unterzuordnen  oder  localen  eigentümli cb- 
keiten  gleichgiltiger  art  zu  fügen  bereit  ist.'  das  sind  in 
der  that  goldene  werte,  mir  ganz  aus  der  seele  gesprochen,  nur 
schade ;  dasz  sie  so  selten  befolgt  werden  1  an  einer  andern  stelle 
heiszt  es :  'worin  besteht  aber  die  durdiftthrung  nach  unten  hin  oder 
Tidmehr  das  geistige  hinfuhren  zu  diesem  ziele  —  dem  abiturienten- 
examen  —  insoweit  es  in  der  Organisation  der  anstalt  zum  ausdruck 
kommen  kann?  vor  aUem  in  einer  homogenen  entwicklung  der 
classenexamina  in  einer  zu  dem  abiturientenexamen  aufsteigenden 
linie  (siehe  auch  Fahle,  haus  und  schule  [Jahrb.  1869  II  abt.  hft  5] 
und  an  manchen  andern  orten),  wie  dieses  müssen  jene  auf  allen 
stufen  schriftlich  und  mündlich  zugleich  sein  und  sich  relativ  auf 
alle  gegenstitaide  erstrecken ,  wenngleich  in  einigen  schriftliche  ten- 
tamina  genügen. . . .  denn  in  diesen  examinibus  beruht  recht  eigent- 
lich die  feste  gliederung  und  die  einzig  wirksame  controle  des  fest« 
baltens  der  pensen  (und,  setze  ich  hinzu,  die  mOglichkeit  des  Zusam- 
menwirkens mehrerer  lehrer  in  derselben  classe,  vrie  auch  die  einzig 
zulässige  weil  ganz  ausreichende  controle  der  amtUcfaen  tliStigkeit 
jedes  einzelnen  lehrers).  wie  dem  lehrerooBsgium  zur  praktischen 
anschanung  kommt^  dasz  die  pensen  sich  stufenfi^rmig  aufbauen,  der 
einzelne  lehrer  nur  immer  die  sorge  und  verantworfoig  fttr  seinen 
teil  habe,  und  der  kern  der  pensen  überall  in  den  yordeignmd  ge- 
stellt wird,  so  macht  sich  der  regulierende  einfluss,  den  das  abitu- 
rientenexamen im  allgemeinen  ftbr  die  gymnasien  hat,  durch  die 
dassoiexamina  j&hrüch  resp.  halbjShrlidi  für  alle  elassen  in  gleicher 


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Altes  lind  neues  aus  der  schule. 


weise  geltend,  sie  müssen  eben  nur  so  eingerichtet  werden,  dasz  es 
als  aufgäbe  des  lehrers  erscheint,  zur  anscbauung  zu  bringen,  ob  der 
Schüler  sich  das  pensum  angeeignet  hat  oder  nicht,  denn  so  wird 
indirect  für  den  lehrer  auch  das  ziel  vor  die  äugen  gestellt,  dem  er 
in  betreff  jedes  einzelnen  schülers  nachzustreben  und  von  dem  er 
nicht  abzuweichen  habe.'  ich  setze  diesen  bemerkungen  noch  eines 
hinzu,  wenn  das  abiturientenexamen  der  regulator  des  gymnasial- 
unterrichts  sein  soll,  und  ich  stimme  darin  mit  brn.  Scb.  ganz  über- 
ein, so  wird  es  auch  notwendig  sein,  dieses  ziel  durch  fernhaltung 
aller  schüler,  welche  dasselbe  ziel  nicht  erreichen  können  oder  wol- 
len, möglichst  sicher  zu  stellen,  wehn  ein  lehrer  in  einer  klasse 
mehr  als  die  hälfte  von  schülern  hat,  die  andere  zielpuncte  ins  auge 
fassen,  so  ist  es  unmöglich,  den  an  ihn  gestellten  anforderungen  zu 
genügen,  dieses  moment  ist  schon  häufig  hervorgehoben  worden, 
auch  mittel  sind  in  Vorschlag  gebracht,  den  in  der  that  kaum  zu  be- 
seitigenden tibelstand  in  engere  grenzen  einzudämmen,  aber  man 
wird  nicht  eher  zum  ziele  gelangen ,  bis  man  sich  entschlieszt ,  dem 
gymnasium  nur  für  sein  schluszexamen  einzig  und  allein  besondere 
rechte  zu  verleihen,  entlassungen  aus  der  secunda  zum  einjährigen 
dienst  und  aus  der  prima  zu  gewissen  subalterncarrieren  und  der- 
gleichen mehr  stören  den  Organismus  der  anstalt  und  raachen  die 
Verantwortlichkeit  des  lehrers  illusorisch,  über  die  einrichtung  der 
classenexamina  wäre  auch  noch  ein  besonderes  wort  zu  sprechen, 
doch  verzichte  ich  an  dieser  stelle  darauf,  da  es  mir  nur  auf  die  mo- 
tivier ung  der  in  dem  folgenden  paragraphen  zu  entwickelnden  the- 
sen  ankommt. 

5.  Ich  kehre  zu  dem  scheinbar  verlassenen  gegenstände  zurück, 
nachdem  ich  die  laufbahn  des  richters  erster  instanz  kurz  charakteri- 
siert und  nachgewiesen,  dasz  die  des  lehrers  an  höheren  unterrichts- 
anstalten  eine  ganz  andere,  mithin  wesentlicher  aufbesserung  be- 
dürftige sei,  dasz  sie  namentlich  durch  feste  normen  geregelt  werden 
müsse,  will  ich  nun  diese  normen  in  kurzen  Sätzen  zur  anschauung 
bringen. 

I  1)  wer  sich  dem  höhern  lebrfach  widmen  will,  hat  das  gymna- 
sium zu  durchlaufen,  und  sich  nach  einem  dreijährigen  universitäts- 
studium  einem  ersten  leichtern  examen,  dem  sogenannten  practi- 
cantenexamen ,  zu  unterziehen  vor  einer  prüfungscommission,  die  aus 
universitäts-  und  gymnasial lehrern  gleichmUszig  zusammengesetzt 
ist.  in  dieser  prüfung  musz  der  candidat  nachweisen,  dasz  er  seine 
Studienzeit  wol  benutzt  hat  und  be&higt  ist,  höhem  Studien  selb* 
ständig  nahe  treten  zu  können. 

2)  der  practicant  wird  von  einem  königl.  provincialschulkoUe- 
gium  einer  höhem  lehranstalt  zugewiesen,  von  dem  betreffenden 
anstaltsdirigenten  vereidigt  und  musz  unter  dessen  persönlicher  lei- 
tung  ein  jähr  lang  grundsätzlich  ohne  remuneration  etwa  nach  der 
weise  der  probecandidaten  beschäftigt  werden,  darauf  wird  er  auf 
Verfügung  der  provincialbehörde  weiter  amtlich  derart  beschältigty 


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Altes  und  neues  aas  der  schule. 


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dasz  er  in  den  untern  und  mittlem  classen  nicht  allein  aelhstftndig 
unterrichtet,  sondern  auch  lehrsteilen  unter  eigener  Verantwortlich- 
keit verwaltet  und  für  geleistete  dienste  aaereichend  remmieriert 
wird. 

3)  am  anfange  des  fünften* und  spfttestens  am  ende  des  sechsten 
jahres  nach  absolyiemng  des  trienniums  hat  der  practicant  oder 
coUaborator  die  staatsprflfnng  vor  einer  immediatprttfiingBCommis- 
sion  abzulegen  und  in  derselben  den  nachweis  seiner  theoretischen 
und  praktischen  beffthignng  für  Verwaltung  eines  lehramts  in  den 
höheren  classen  zu  führen,  der  praktische  nachweis  wird  annSchst 
durch  die  Zeugnisse  erschlossen,  welche  dem  candidaten  über  seine 
bisherige  thfttigkeit  ausgeätzt  sind  und  diederprilfungsconunission 
vorher  eingehSndigt  waren,  dieses  ezamen  kann  nur  einmal  wieder- 
holt werden,  wenn  nicht  die  erlaubnis  des  ministers  eine  zweite  Wie- 
derholung gestattet. 

4)  auf  grund  der  abgelegten  prttfüng  und  des  darüber  erhal- 
tenen Zeugnisses  erfolgt  die  definitive  ans^nng  des  «ihnlamtsean- 
didaten  nach  dem  alter  des  Zeugnisses  und  innerhalb  der  gesetzlich 
angeordneten  fachlehrerkategorieen. 

5)  jeder  lehrer  rückt  nach  dem  von  der  ersten  anstellung  da- 
tierenden dienstalter  ohne  berücksichtigung  der  fachlehrerkategorieen 
in  höhere  gehaltsquoten  auf,  so  dasz  innerhalb  des  Verwaltungs- 
bezirkes eines  provincialschulcoUegiums  bestimmte  gehaltsbezüge  für 
bestimmte  dienstaltersclassen  gesetzlich  sich  herausstellen,  das  pen- 
sionsf&hige  dienstalter  datiert  von  der  Vereidigung,  das  dienstver- 
hältnis  der  lehrer  wird  durch  den  titel  'oberlehrer'  bezeichnet  und 
das  rangverhältnis  dem  der  richter  erster  ins  tanz  gleichgestellt. 

6)  die  administration  einer  höhern  lehranstalt  wird  einem  di- 
rector  als  ständigem  localcommissarius  des  provincialschulcoUegiums 
unterstellt ,  und  ihm  zur  seite  treten  je  nach  der  grösze  der  anstalt 
ein  oder  zwei  prorectoren,  die  als  ständige  Vertreter  des  directors 
gelten  und  diesen  in  festabgegrenzten  dienstzweigen,  namentlich 
nach  scientifischer  seite  und  als  dirigenten  der  einzelnen  fachlehrer- 
gruppen  unterstützen,  die  prorectoren  sind  den  abteilungadirigenten 
der  gerichte  erster  instanz  gleich  zu  erachten. 

7)  die  innere  Organisation  der  anstalt  wird  in  Plenarsitzungen 
berathen  und  festgestellt,  durch  den  director  und  die  prorectoren  zu 
bestimmten  lectionsplänen  verarbeitet  und  in  dieser  gestalt  den  leh- 
rem  zur  ausführung  und  maszgeb enden  nachachtung  übermittelt, 
die  controle  über  die  amtsthätigkeit  der  lehrer  wird  durch  classen« 
examina  und  versetzungsconferenzen  gehandhabt,  alle  übrigen  mittel 
und  wege  einer  controUerenden  thfttigkeit  haben  zu  entfallen.  ' 

8)  die  eitern  und  pfleger  der  zOglinge  verkehren  in  erster  in- 
stanz sunftdist  und  ausschliesxUoh  mit  den  elassenordinarien,  die 
sweite  instanz  bildet  der  director:  sie  darf  aber  nie  eher  als  die  erste 
beschritten  werden. 


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Altes  und  neues  aus  der  schule, 


9)  regelmäszige  fachlehrer-  und  allgemeine  conferenzen  ver- 
mitteln dem  director  wie  jedem  lehrer  die  geaaue  einsieht  in  den 
Organismus  der  ganzen  anstalt. 

10)  als  regulator  der  anstalt  dient  das  abiturientenexamen,  das 
unter  dem  Vorsitze  eines  commissarius  der  provincialbehörde  abge- 
halten wird ;  dasselbe  kann  nur  einmal  nach  einem  ersten  miserfolge 
wiederholt  werden;  für  eine  zweite  Wiederholung  ist  die  erlaubnis 
der  provincialbehörde  beizubringen. 

6.  Es  ist  nicht  nötig,  diesen  dekalog  in  seinen  einzelnen  bätzen 
näher  zu  begründen,  wer  vorurteilsfrei  an  ihn  herantritt  und  ge- 
neigt und  befähigt  ist,  selbst  entgegengesetzte  anschauungen  mit 
liebe  und  aufmerksamkeit  zu  verfolgen,  für  den  sind  weitere  erörte- 
rungen  überflüssig,  andere  aber  werden  durch  solche  erörterungen 
weder  belehrt,  noch  bekehrt,  nur  einige  puncte  sind  noch  vor  mög- 
lichen misverständnissen  zu  schützen,  man  wird  gegen  nr.  5  die 
yerschiedenheit  der  einzelnen  anstalten  hinsichtlich  ihrer  patronats- 
Verhältnisse  einwenden  und  aus  denselben  die  Unmöglichkeit  der 
ausführung  dieses  Vorschlages  herleiten  wollen,  hr.  dr.  Henke,  pro- 
rector  zu  Höxter,  hat  eine  Statistik  der  höheren  unterrichtsanstalten 
Deutschlands,  speciell  Preuszens  aufgestellt,  aus  welcher  ich  fol- 
gende Zusammenstellung  entnehme,  von  den  732  höheren  unter- 
richtsanstalten, welche  das  deutsche  reich  ende  1875  zählte,  kommen 
auf  Preuszen  449.  in  der  gesamtzahl  sind  439  gymnasien  and  293 
realschulen  enthalten,  während  in  Preuszen  auf  204  gymnasial- 
anstalten  185  realschulen  kommra,  zählt  Sachsen  auf  13  gymnasien 
22  realschulen  erster  und  zweiter  Ordnung,  von  denen  die  erster 
«  Ordnung  üiBi  ausnahmslos  vom  staato  unterhalten  werden,  von  den 
preuszischen  gjmnasialanstalten  sind  nur  138  königlich,  126  sind 
städtisch  oder  stiftisch ,  und  von«den  realschulen  sind  23  königlich, 
über  153  städtisch  und  8  stiftisch.  In  Preuszen  gibt  es  also  im  ganzen 
161  königliche,  268  städtische  und  20  stiftisebe  höhere  lehranstalten. 
von  den  evangelischen  anstalten  hat  der  staat  nur  halb  so  viel  als 
die  Städte,  während  von  den  katholischen  schulen  nahezu  drei  fünftel 
Staatsanstalten  sind,  die  zahl  der  katholischen  realschulen  in  Preuszen 
beträgt  nur  10,  und  davon  ist  eine  stiftisch,  das  sieht  in  der  that 
bunt  genug  ans  und  untersttttzt  zunächst  einige  stttze^  die  ich  schon 
in  früheren  abhandlungm  aufgestellt  habe,  wenn  die  anzahl  der 
königlichen  anstalten  verhältnismftszig  gering  ist,  so  geht  daraus 
hervor,  dasz  der  staat  in  frttheren  Zeiten  dem  nnterrichtswesen  zu 
wenig  aufmerksamkeit  oder  sagen  wir  lieber  zu  geringe  mittel  zaga- 
wendet  hat;  das  höhere  Schulwesen  ist  ihm  zumeist  aits  den  evange- 
lischen Städten  und  den  katholischen  Stiftungen  resp.  klöstern  über- 
kommen ;  die  katholisoben  schulen  kamen  nach  der  säcularisation  in 
seine  unmittelbare  Verwaltung,  während  die  evangelischen  ihren  be- 
sonderen patronaten  unterstellt  blieben,  daher  die  überwiegende 
zahl  der  katholischen  staatsanstalten.  Preuszen  hat  ferner  mehr  als 
billig  das  realschulwesen  bei  seite  gesetzt  und  die  namentlioh  in  den 


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Altes  and  neues  aus  der  schule.  II 

reichen  evangelischen  städten  gegründeten  lehranstalten  dieser  kate- 
gorie  sind  aus  Opposition  gegen  die  Unterrichtsverwaltung  der  herron 
Raumer  und  Mühler  hervorgegangen,  in  bezug  auf  eigenartige  ent- 
Wicklung  ist  aber  die  bedeutung  der  städtischen  und  btiftsanstalten 
in  jüngster  zeit  bedeutend  herabgegangen,  die  staatliche  orgauisa- 

,  tion  ist  auch  in  diese  schulen  eingedrungen,  und  die  privatpatrone 
haben  ihren  alten  einflusz  mehr  oder  minder  ganz  verloren,  zumal 
dort,  wo  die  anforderungen  der  neuen  zeit  nicht  mehr  mit  den  alten 
dotationen  befriedigt  werden  konnten,  und  der  staat  ergänzende  Zu- 
schüsse leisten  muste ,  denn  es  ziemt  sich ,  dasz  der,  welcher  herscht 
uud  befiehlt,  auch  die  mittel  gewährt,  welche  seine  anordnungen  er- 
fordern, städtische  und  stiftsanstalten  werden  allmählich  in  den  be- 
sitz und  die  Verwaltung  des  Staates  ungeteilt  übergehen,  um  so 
mehr  als  die  städte  hinlängliche  veranlassung  haben,  mit  ihren  gel* 
dern  haus  zu  halten  resp.  für  eine  würdige  ausgestaltung  des  ele- 
mentarschul wesens  zu  verwenden,  die  schlieszliche  Organisation 
wird  hoffentlich  darauf  hinauskommen ,  dasz  sämüiohe  Unterrichts« 
anstalten,  welchen  namen  sie  auch  führen  mögen,  einem  beeondem 
Unterrichtsministerium  unterstellt  werden,  dasi  anivefsitftteni  poly- 
technische und  kunstakademische  anstalten  sowie  gymnasien  und 
realschalen,  aneh  höhere  landwirthschaftliche  schulen  einer  directen 
Staatsverwaltung  untergeordnet  und  mit  staatlichen  roitteln  unter- 
halten werden,  dasz  elementarschulen ,  foilbildungsschulen  und  nie- 
dere landwirthschaftlichti  anstalten  unter  die  obhut  der  kreis-  nnd 
besirksYefbftnde  kommen,  während  specielle  Fachschulen  orta- nnd 
oorporativgenoflsenschaftlichen  verbänden  überantwortet  werden. 

Ob  diese  Organisation  sich  bald  oder  erst  nach  längerer  zeit 
vollziehen  wird,  kann  ioh  natürlich  nicht  entscheiden  und  doch 
niQSi  der  gegenwärtige  notstand  abhilfe  finden,  selbstverständlich 
ist  es  wol ,  dasz  die  lehrer  der  unmittelbaren  staataanstalten  unter 
sich  verbftnde  bilden,  in  denen  die  gehaltsascensionen  gesetzlich  ge- 
ordnet werden  können,  wer  aus  diesen  verbänden  heraustritt  und 
om  irgend  eines  Vorteils  oder  irgend  einer  annehmlichkeit  halber 
eine  communale  lehrerstelle  annimmt,  verzichtet  auf  die  berührten 
vorteile  der  staatsanstellong  nnd  geht  auch  beim  eventuellen  rttck- 
tritt  der  alten  ascensionsansprüche  verlustig,  so  findet  nemlieh 
rechnung  und  gegenrecbnung  überall  gleiohmttssig  statt,    wer  als 

I  jnstizbeamter  zur  rechtsanwaltschaft  oder  zum  communaldienst  oder 
gar  in  den  privatdienst  Übertritt,  wird  selten  vom  justizminister  su- 

I  rttckgenommen  und  wenn  aneh,  doch  nicht  mit  benachteiligung 
anderer  ascensionsberechtigungen.  wird  nicht  in  die  lehrerweit  ähn- 
liefaes  eingeführt,  so  ist  der  wiUkfir  thür  nnd  thor  geöffiiet,  so  neh- 
men die  persönlichen  Schädigungen  der  unmittelbaren  staatslehrer 
^ein  ende  nad  die  streberei  junger  leute  wirft  alle  schranken  einer 
bescheidenen  mftszignng  nieder,  der  27jährige  Oberlehrer,  dessm 
ich  oben  erwähnt,  gibt  doch  wahrlich  jedem  unbefangenen  zu  denken. 
^  ist  aneh  noch  ein  zweites  möglich,  die  einseinen  gemeinden  können 


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Altes  und  neues  ans  der  schule. 


für  ihre  lehrer  den  anschlusz  an  staatsverbände  suchen,  da  der  mo- 
dus, unter  dem  solches  geschehen  kann,  nicht  unschwer  sich  finden 
lassen  dürfte,  ich  schliesze  diesen  teil  meiner  erörterungen  mit  der 
unmaszgeblichen  meinung,  dasz  es  mit  den  lehrern  erst  dann  wirk- 
lich besser  werden  wird,  wenn  eine  gleichmäszige  ausbildung  neben 
fester  regelung  der  gehaltsbeztige  wirkliche  Sicherheit  für  die  mög- 
lichkeit  des  persönlichen  behagens  im  berufe  gewährt,  dasz  damit 
auch  der  mangel  an  qualificierten  lehrern  für  höhere  unterrichts- 
anstalten  beseitigt  sein  und  junge  leute  aus  den  bessern  ständen 
nicht  mehr  anstosz  nehmen  dürften,  dem  schulfache  sich  zuzuwenden. 

7.  Die  nr.  6  meines  dekalogs  führt  neben  den  directoren  sog. 
prorectoren  ein,  ähnlich  den  abteilungsdirigenten  bei  den  gerichten 
erster  instanz.  diese  forderung  ist  wo!  ziemlich  neu  und  vielleicht 
wie  hier  und  dort  eingewendet  werden  dürfte,  in  zu  abhängiger 
durch  Führung  der  gleichheit  der  lehrer  mit  den  richtern  aufgenom- 
men, allein  sie  ist  doch  auch  implicite  in  der  westfälischen  directoren- 
Instruction  enthalten ,  die  ich  zum  öftem  habe  abdrucken  lassen, 
weil  sie  ihrer  vorzüglichkeit  halber  eine  weitere  Verbreitung  ver- 
dient, nach  bisheriger  Observanz  ist  der  director  selbst  eines  kleinen 
gymnasiums  überlastet,  so  tiberlastet,  dasz  er  gewissen,  ihm  vorge- 
schriebenen dienstverpfliehtungen  unmöglich  nachkommen  kann, 
um  lehren  und  unterrichten  zu  können,  rausz  man  stets  und  überall 
von  einem  höhern  wissenschaftlichen  standpunct  aus  die  augenblick- 
lich notwendigen  mittel  und  bedürfnisse  zu  ermessen  im  stände 
sein;  wer  das  nicht  vermag,  erzielt  keine  bildung,  sondern  blosze 
dressur.  es  gibt  keinen  schlagendem  beweis  für  diese  behauptung 
als  den  streit  um  die  Curtiussche  granunatik.   als  niehtphilologe 
habe  ich  mich  stete  anszerhalb  desselben  befimden,  aber  doch  die 
bemerkang  macken  müssen ,  dasz  die  gegner  den  wissensobafUicben 
standpnnet  derselben  nicht  zu  scbStzen  wnsten,  dasz  sie  daher 
pttdagogiscbe  Schwierigkeiten  erblickten  oder  vorsöhtttzten ,  die  die 
yertheidiger  spielend  ftberwanden,  und  ans  der  gedttchtnismSszigen 
aneignung  broohstückweise  aneinander  gereihter  kenntnisse  weder 
in  der  tertia  noch  in  der  secondannd  prima  heraustraten,  wenigstens 
nirgends  der  einzigen  fordemng  wahrer  bildung,  das  besondere  im 
allgemeinen  aufgehen  zu  lassen,  sich  nSherten.  ja  noch  mehr!  ich 
habe  die  bemerkang  gemacht,  dasz  anftngliche  gegner  die  grOsten 
anh&nger  der  neaen  lehrmethode  geworden  sind ,  sobald  sie  für  sich 
selbst  die  ersten  wissenschaftlichen  Schwierigkeiten  überwunden 
hatten,  stete  fortbildung  ist  also  jedem  lehrer  notwendig,  wenn  er 
nicht  nach  10  bis  15  jähren  auf  einem  veralteten  wissenschaftliöhen 
standpuncte  stehen  will ,  und  was  Ton  dem  lehrer  gilt ,  das  gilt  erst 
recht  Ton  dem  scientifisohen  leiter  einer  wissenschaftlichen  bildungg- 
anstalt,  das  gilt  yom  director  im  vollen  masze,  welcher  nicht  nur 
sehtÜem,  sondern  auch  lehrern  und  nicht  selten  lehrern  von  nmfas* 
senden  kenntnissen  und  umfassender  bildung  gegenübersteht ,  der 
alle  zu  leiten  hat,  damit  aus  den  einzelnen  atomen  ein  lebendiger 


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Altet  uncl  neues  aus  der  schule. 


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körper  entstehe,  seit  nun  vollends  das  fachlehrersystem  in  die  höbem 
bildongsaastalten  hat  eingeführt  werden  mttssen,  ist  die  höhe  der 
anfordemugen  nnendlioh  gestiegen,    der  director  von  heute  musz 
vielleicht  phüologe  sein  (I)  und  ist  dann  auch  wahrscheinlich  be- 
fähigt, den  historisch-geographischen  Unterricht  ausreichend  flber- 
wachen,  übermäszige  ausschreitungen  surttckdrängen  und  unter  dem 
mass  bleibende  leistungen  durch  energisches  eingreifen  höher  stellen 
zu  können,  auch  in  der  mathematik  hat  er  manches  gelernt,  so  dasz 
er  über  die  pftdagogische  bedeatung  und  den  zusammenbang  dieser 
disciplin  mit  den  übrigen  lebrgegenständcn  der  scbulanstfdt  wol 
orientiert  ist ,  aber  in  das  einzelne  der  metbodik  kann  er  nicht  mehr 
eindringen,  ein  gerechtes  abwägen  der  leistungen  verschiedener  lehrer 
ist  ftlr  ihn  nicht  mehr  möglich,  und  nun  vollends,  was  kümmern 
ihn  physik,  Zoologie,  botanik  oder  mineralogie,  was  das  so  wichtige 
zeichnen,  was  das  physikalische  cabinet,  was  die  naturbistorischen 
Sammlungen,  was  die  ausreichende  ausstattung  der  bibliotbek  für 
diese  lehrföcher?  ich  will  das  bild  nicht  weiter  ausmalen,  wenn 
andere  fachmänner  als  philologen  zur  leitung  einer  höbern  lehr- 
anstalt  berufen  würden,  da  es  dem  vorigen  nur  ähnlich  sein  könnte, 
aber  weiter!  der  director  von  beute  soll  der  wissenschaftliche  mit- 
telpunct  der  anstalt  auch  insofern  sein,  als  er  durch  häufige  besuche 
der  lebrstunden  seiner  untergebenen  lehrer  sieh  in  voller  kenntnis 
der  Persönlichkeiten  derselben  wie  auch  womöglich  der  ganzen  an- 
stalt erhalten  soll,  das  ist  in  der  tliat  ein  sublimer  gedanke,  doch 
nicht  so  sublim,  dasz  er  nicht  von  dem  noch  sublimem  über- 
troffen wäre,  nach  welchem  der  director  allein  befähigt  sein  soll,  am 
Schlüsse  des  gymnasialcursus  auf  grund  seiner  personlicben  kenntnis- 
nahme  allein  den  abgehenden  schülern  ein  maturitätszeugnis  aus- 
zustellen, so  dasz  es  einer  reife-  oder  abiturientenprüfung  nicht  mehr 
bedarf,  ich  verzichte  hier  auf  irgend  welche  Opposition  und  glaube 
am  besten  zu  thun,  wenn  ich  auf  die  Vorschläge  des  hrn.  director 
Schwartz  zurückgreife,  der  sich  wesentlich  aut  classenexamina  und 
Tersetzungsprüfungen  beschränkt,  selbst  in  dieser  beschränkung 
T^ird  dem  director  noch  eine  kaum  zu  bewältigende  arbeitslast  zu- 
gemutet, indem  derselbe  bei  groszen  anstalten  etwa  70  solcher  exa- 
mina  im  laufe  des  jahres  abhalten  musz.  endlich  soll  der  director 
auch  Schulmann  bleiben  und  wenigstens  einen  hauptlebrgegenstand 
in  der  band  behalten,  damit  seine  lehrer  an  seiner  behandlungsweise 
«inen  sichern  Wegweiser  haben  und  nicht  auf  unsichern  wegen  berum- 
tappen,   so  spricht  alles  dafür,  dasz  der  director  weder  des  rathes 
noch  der  wirklichen  hilfe  seiner  ältern  collegen  wird  entbehren 
können,   dem  director  gehört  die  äuszere  leitung  der  anstalt  allein 
üud  auöschlieszlicb,  ein  guter  und  in  der  selbstbeschränkung  erst 
recht  als  solcher  erkennbarer  director  wird  für  die  innere  leitung 
ier  anstalt,  sagen  wir  die  wissenschaftliche  Organisation  nach  masz- 
gabe  der  allgemeinen  Vorschriften,  des  rathes  und  der  hilfe  seiner 
Bieren  fachgenossen  nicht  entbehren  wollen,  das  ist  natürlich  und 


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Altes  und  neues  aus  der  schule. 


selbstverständlich :  ich  fordere  nur  die  gesetzliche  anerkennung  die- 
ses thatsächlichen  zustandes  an  gut  geleiteten  anstalten,  damit  nicht 
eigensinn  und  überhebung  auf  der  einen  oder  der  andern  seite  die 
anstalt  gefährde,  jeder,  der  sich  mit  dem  gedanken  meiner  pro- 
rectoren  näher  vertraut  gemacht  hat,  wird  erkennen  mtissen,  dasz 
mit  dieser  einrichtung  ein  ganzes  heer  von  unzuträglichkeiten ,  Un- 
zufriedenheiten und  persönlichen  übergriflfen  beseitigt  sein  wird. 

Und  hierbei  kann  ich  einige  andere  gedanken  nicht  unter- 
drücken, man  scheint  in  verschiedenen  Zeiten  verschiedene  grund- 
sätze  bei  emennung  der  directoren  befolgt  zu  haben,  dasz  der 
director  ein  mann  sein  müsse,  der  allen  Obliegenheiten  und  erfor- 
demissen  des  amtes  in  gleichem  masze  gerecht  werden  könne,  ist 
wol  nicht  gut  zu  verlangen,  denn  solcher  männer  zahl  dürfte  eine 
allzu  geringe  sein,  dasz  er  aber  einige  Vorzüge  vor  andern  voraus 
habe,  dasz  er  nicht  zu  jung  sei,  um  sich  die  nötigen  erfahrungen  ge- 
sammelt zu  haben  und  uns  nicht  auf  dem  directorenstuhle  die  er- 
zieh ungsexperimente  junger  lehrer  vorführe  oder  durch  seine  Jugend- 
lichkeit älteren  lehrem,  die  zu  jeder  zeit  das  ihrige  geleistet  haben, 
ein  stiller  Vorwurf  werde,  dasz  er  endlich  in  einem  fache  mindestens 
meister  sei ,  das  scheinen  mir  ganz  selbstverständliche  forderungen 
zu  sein,  die  in  den  letzten  jähren  allerdings  nicht  immer  befolgt  sein 
sollen ,  und  Verstimmungen  erregt  haben ,  welche  das  amt  zu  schä- 
digen und  die  leistungen  einzelner  lehrer  in  nicht  geringem  grade 
herabzudrücken  vermögen,  der  lehrer  bedarf  für  seinen  beruf  nun 
einmal  eines  idealen  hintergrundes,  um  sich  vor  der  handwerks- 
mäszigen  ausübung  seiner  pflichten  zu  schützen;  wer  ihm  diesen 
idealen  hintergrund  raubt  und  zu  der  ansieht  verleitet,  dasz  nicht 
innere  und  äuszere  tüchtigkeit  zugleich,  dasz  nicht  eine  zum  vollen 
Charakter  ausgebildete  persönlichkeit  unter  allen  umständen  an- 
spruch  auf  beforderung  erheben  könne,  der  profaniert  das  heilige 
und  verdi  ent  aus  dem  tempel  der  schule  hinausgejagt  zu  werden. 

8.  Es  ist  vielleicht  notwendig,  auf  die  von  mir  geforderten 
zwei  examina  zurückzukommen,  da  in  jüngster  zeit  ebenfalls  zwei 
examina  von  vielen  selten  verlangt  werden,  ohne  meiner  idee  dabei 
auch  nur  im  geringsten  gerecht  zu  werden,  viele  meinen  nemlich 
ein  erstes  theoretisches  und  ein  zweites  practisches  examen  genüge 
dem  bedürfnisse,  andere  verwerfen  die  immediatprüfungscommis- 
sion,  und  noch  andere  endlich  halten  das  zweite  examen  für  über- 
flüssig, weil  es  durch  die  praxis  sich  selbst  eingeführt  habe,  indem 
noch  viele  angestellte  lehrer  um  wünschenswerthe  facultaten  iu 
einem  zweiten  oder  dritten  examen  ambierten.  dasz  diese  letztere 
weise  sich  leider  allzusehr  eingebürgert  hat,  ist  ein  wahrer  jammer, 
weil  sie  nur  das  zeichen  einer  rein  handwerksmäszigen  anschauung 
ist  und  allzu  deutlich  die  absieht  des  sichemporbringens  an 
sich  trägt  und  der  ansieht  von  der  Wissenschaft  als  einer  melkenden 
kuh,  die  uns  mit  butter  versorgt,  entspricht,  weil  eben  einer  nicht 
alles  kann,  auch  nicht  einmal  sJles  können  soll,  deshalb  haben  sich 


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Altes  und.  neues  aus  der  schule. 


die  fachlehrergruppen  als  notwendig  erwiesen ;  darum  soll  ein  lehrer 
auch  nur  in  seinem  fache  tüchtig  sein,  womit  sich  dann  von  selbst 
ergibt,  dasz  er  für  die  andern  lehrgegenstände  eine  ausreichende  hi- 
storische kentitnisnahme  nicht  verabsäumen  wird,    was  nun  aber 
ein  zweites,  und  wie  man  zu  sagen  pflegt,  ein  mehr  praktisches  exa- 
men  anlangt,  so  weisz  ich  mit  demselben  herzlich  wenig  anzufangen, 
wer  ein  guter  lehrer  werden  will ,  der  musz  sich  erstens  volle  wis- 
senschaftliche bildung  angeeignet  haben,  der  musz  einiges  lehrge- 
schick  von  hause  aus  mitbringen,  der  musz  sich  der  guten  eigenen 
lehrer  erinnern  und'  ihr  beispiel  nachahmen  oder  vielmehr  noch  der 
schlechten,  um  es  anders  zu  machen  als  diese,  der  musz  durch  das 
glück  begünstigt  werden  und  in  eine  gut  geleitete  und  von  guten 
Traditionen  begleitete  anstalt  eintreten  und  endlich  alle  seine  erfah- 
rungen  durch  theoretische  Studien  und  scharfe  selb.^^tprüfung  be- 
festigen und  vertiefen,  von  theoretischen  Vorlesungen  auf  der  Uni- 
versität halte  ich  herzlich  wenig,  denn  sie  entbehren  der  praktischen 
anschauung  —  ein  häufiger  fehler  philosophischer  Vorlesungen,  die 
meist  in  dogmatischer,  weniger  in  exemplificierend -genetischer  me- 
thode  vorschreiten ;  noch  viel  weniger  halte  ich  von  pädagogischen 
Seminaren,  auf  die  man  in  neuerer  zeit  so  viel  gewicht  legt,  wissen- 
schaftliche Seminare  auf  Universitäten  haben  eine  durchaus  notwen- 
dige arbeit  zu  verrichten,  die  ich  durch  keine  andere  verkümmert 
sehen  möchte,  nemlich  die  jungen  studierenden  mit  derjenigen  praxis 
zu  heti'auen,  welche  eigene  selbständige  wissenschaftliche  Unter- 
suchungen möglich  macht,  praktit^che  Übungen  im  unterrichten  sind 
nur  zu  geeignet,  die  hier  angedeutete  ernste  arbeit  zu  unterbrechen, 
daneben  entbehren  sie  des  sichtbaren  erfolges,  mithin  der  notwen- 
:  digen  probe  auf  die  geleistete  arbeit,  da  im  grnnde  nur  mehre  probe- 
lectionen  statt  einer  abgehalten  werden  und  die  daran  geknüpften 
bemerkungen  der  anwesenden  älteren  und  erfahrenem  lehrer  im 
!  besten  falle  nur  augenblickliche  Ungeschicklichkeiten  zur  spräche 
bringen  können,  alle  diese  und  ähnliche  Vorschläge  sind  in  der  that 
nur  palliativmittel  gegen  einen  übelstand ,  der  um  jeden  preis  ganz 
und  gar  beseitigt  werden  musz,  nemlich  die  ungleiche  Vorbildung  der 
schulamtscandidaten ,  welche  den  behörden  für  definitive  anstellung 
im  schulfache  zu  geböte  stehen,  wenn  es  wahr  ist,  was  aus  gutem 
glauben  mitgeteilt  und  schon  oben  erwähnt  worden,  dasz  zwei  drittel 
derselben  oder  wenigstens  die  hälfte  nicht  für  den  Unterricht  in  der 
prima  qualificiert  ist,  dann  darf  man  sich  in  der  that  nicht  wundern, 
dasz  materielle  hintansetzungen  wie  beim  wohnungszuschusz  und 
bei  den  Umzugskosten  beliebt  sind  dahin ,  dasz  man  die  Oberlehrer 
von  den  ordentlichen  lehrern  streng  geschieden  hat.    eine  solche 
Ungleichheit  wird  durch  nachfolgende  examina  nicht  wett  gemacht, 
sondern  höchstens  formell  verschleiert,  und  nach  der  bisherigen 
norm  musz  die  zahl  der  minder  tüchtigen  lehrer  zumal  bei  dem  stei- 
genden bedürfnisse  ins  maszlose  wachsen,    unsere  zwei  examina 
I  schlieszen  sich  nicht  nur  äuszerlich  an  die  praxis  der  Juristen  an, 


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Altes  und  neues  aus  der  schule. 


sondern  sie  werden  auch  die  innere  arbeit  leisten  und  den  in  rede 
stehenden  übelstand  iu  kurzer  zeit  ganz  entfallen  lassen,  gleich 
nach  den  Universitätsstudien  ein  endgiltiges  examen  abzulegen,  ist 
kaum  zu  fordern ,  wenn  dasselbe  mehr  als  angeeignete  kenntnisse 
constatieren  soll,  wenn  es  darauf  losgehen  will,  geist,  begabung  und 
wissenschaftlichen  sinn  zu  erproben,  man  wendet  ein,  der  junge 
lehrer  habe  nicht  zeit,  sich  während  der  collaboratur  mit  der  Vor- 
bereitung zu  seinem  zweiten  examen  zu  beschäftigen,  doch  scheint 
der  einwand  wenig  mehr  als  eine  ausrede  zu  sein,  wenigstens  wiegt 
dieser  übelstand  weit  geringer  als  derjenige ,  welcher  sich  ergibt, 
wenn  ein  junger  lehrer  sich,  in  kleinen  städten  namentlich,  von  den 
Studien  abwendet  und  leerer  Vergnügungssucht  anheimfällt,  zeit, 
etwas  ordentliches  zu  leisten,  ist  immer  vorhanden,  wenn  nur  der 
gute  wille  nicht  fehlt,  es  ist  ja  auch  nicht  nötig,  dasz  der  collabo- 
rator  überbürdet  werde,  andrerseits  gibt  aber  die  praktische  arbeit 
die  nächste  und  beÄe  veranlassung  zu  tüchtigen  leistungen:  erst 
beim  docieren  merkt  der  junge  lehrer,  was  und  wo  es  fehlt,  und  er 
wird  manche  lücke  in  seinen  kenntnissen  entdecken,  die  er  ohne 
selbständiges  unterrichten  nicht  würde  wahrgenommen  haben. 

Viele  stimmen  sind  gegen  die  examina  überhaupt,  man  behaup- 
tet, dieselben  hätten  nur  einen  negativen  werth  und  entfernten  nur 
die  ganz  und  gar  untauglichen  candidaten.  daher  genüge  ein  examen 
alsbald  nach  den  universitätsjahren ,  man  könne  daraus  wol  die  wis- 
senschaftliche befähigung  des  jungen  mannes  erschlieszen.  man  be- 
hauptet femer,  manche  candidaten  mit  geringen  facultäten  geben 
die  besten  lehrer  ab;  für  die  schule  sei  die  praktische  dienstleistung 
die  hauptsache,  und  die  kann  durch  directoren  und  gymnasiallehrer 
ausreichend  festgestellt  werden,  was  an  diesen  behauptungen  wahr 
sein  mag,  soll  hier  nicht  näher  untersucht  werden,  es  sind  jedenfalls 
abstractionen ,  die  einzelnen  fällen  entnommen  sind,  und  deszhalb 
für  eine  aufzustellende  norm  nicht  verwendet  werden  dürfen,  gerade 
die  grosze  zahl  der  candidaten  ,  welche  in  dem  jetzigen  examen  nur 
geringe  facultäten  erhalten,  scheint  anzuzeigen,  dasz  dieses  examen 
zu  grosze  anforderungen  stellt,  dasz  es  also  bei  weitem  besser  sein 
dürfte,  dem  fähigen  jungen  manne  eine  längere  zeit  ernster  Vorbe- 
reitung zu  gestatten  und  ihm  dabei  durch  eröffnung  der  collaboratur 
und  gewährung  ausreichender  remuneration  für  im  öffentlichen 
dienste  geleistete  arbeit  willkommene  und  zweckmässige  Unter- 
stützung darzubieten. 

Dasz  die  über  die  praktische  lehrthätigkeit  der  candidaten  aus- 
gestellten Zeugnisse  und  atteste ,  die  bisher  jeglicher  controle  ent- 
behrten, der  prüfungscommission  im  zweiten  examen  vorgelegt 
werden,  spricht  an  und  für  sich  selber,  ebenso  wie  dasz  die  prü- 
fungscommission nur  eine  einzige  ist,  damit  auch  einheit  in  der  Ver- 
leihung der  zu  erteilenden  prädicate  statthat. 

Wir  stellen  somit  viel  strengere  anforderungen  als  bisher  an 
alles  jj^j^^K^^  lehrer  höherer  Unterrichtsanstalten  und  zwar  deszhalb, 


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Die  ehemalige  KarlMohuIe. 


17 


weil  wir  der  ansiebt  sind,  dasz  jede  besserang  von  demjenigen  selbst 
ausgehen  mass,  welche  besserung  erhoffen,  die  ebenbürtigkeit  mit 
andern  beamten  derselben  vorbildiing  und  derselben  stelliing  mnss 
im  interesse  des  hohem  büdiingswesens  tun  jeden  preis  erkämpft 
werden,  und  daher  gibt  es  zweierlei  fordemngen:  strenge  erfullung 
der  dienstpfiiohten  und  innerhalb  derselben  freie  nnd  unabhängige 
steUnng  lUkdi  oben  und  naoh  unten,  daneben  aber  zam  teil  im  an- 
sehlasz  an' diese  errangenschaft,  nnabhttngige  und  geachtete  Stellung 
dem  grossen  publicum  gegenflber  und  dem,  was  man  geseUschaft  su 
nennen  pflegt,  erst  wenn  beides  slcherge8tellt.ist,  dann  werden  auch 
die  besseren  kreise  dem  lehrerstande  nahe  treten,  und  einmangel  an 
brauchbairen  lehrem  wird  kaum  mOglich  sein,  denn  dann  wird  das 
bis  jetst  nur  phrase  gebliebene  wort:  Mer  lehrerstand  ist  der  ver- 
dienteste stand'  voUe  geltung  erhalten,  der  idealen  momente  halber, 
auf  denen  der  lehrerstand  beruht,  werden  vielleicht  die  bessern  de- 
mente aus  den  besser  situierten  ständen  sich  demselben  zuwenden, 
denn  es  ist  eine  grosse  sache,  unmittelbar  durch  lehre  und  Unter- 
weisung an  den  fortschritten  der  menschheit  zu  arbeiten,  so  lange 
aber  der  bettelstab  und  die  geistige  gedracktheit  herscht,  wird  nie- 
smand  nach  lorbeem  lust  tragen,  die  nidit  einmal  im  verborgenen  bltthn. 

Ich  bin  mit  dem  capitel  'fl&r  die  lehrer'  noch  nicht  zu  ende,  ich 
musz  noch  von  grossen  überbtürdungen  spredien,  die  manchen  unter 
uns  bdasten  und  ftlr  eine  freudige  thitigkeit  untauglich  machen, 
diese  llberbttrdungen  entspringen  nicht  zum  wenigsten  aus  dex^or- 
reotur  der  deuts<£en  und  lateinischen  aufiifttze  unddarttber  also  das 
nächste  mal. 

.  PoanN.  Fahls. 


9 

DIE  ££L£MALIG£  KAKLSSCHÜLE. 

Eine  der  merkwürdigsten  bildungsanstalten  ist  die  Karlsschule 
in  Stuttgart  gewesen,  eine  genauere  einsieht  in  dieselbe  ist  uns  erst 
durch  die  forschungen  zu  teil  geworden,  welche  P^rof.  Elaiber  im 
Programm  des  Stuttgarter  realgymnasiums  niedergelegt  bat,  welche 
aber  noch  nicht  die  allgemeine  bekanntschaft  gefunden  zu  haben 
scheinen,  die  sie  verdienen. 

Bei  dem  namen  der  Karlsschule  gedenkt  man  vorzugsweise  des 
berühmtesten  zOglings  dieser  anstalt,  Friedrich  Schillers;  indes  das 
ist  das  merkwürdige  in  dieser  schule  gewesen,  dasz  auf  den  verschie- 
densten gebieten  ihre  Zöglinge  sich  hervorgetlian  haben,  so  Cuvier, 
so  die  kunstschOler  Dannecker,  Scheffauer,  Hetsch,  Thouret,  Zimmer- 
mann, dasz  alle  diese  neben  ihrer  fachbildung  durch  ein  bedeutendes 
masz  allgeznemer  bildung  sich  auszeichneten,  dasz  17  minister  und 
33  generale  ans  ihr  hervorgegangen  sind  und  vielseitig  gebildete 

N.  Jahrb.  f.  phU.  a.  päd.  U.  abt.  1878.  hfi.  1.  8 


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Die  ehemalige  Karlsschule. 


männer  auf  allen  gebieten,  wodurch  im  lande  selbst  in  auffälliger 
weise  die  allgemeine  bildung  vermehrt  ward,  mit  dem  namen 
Karlsschüler  verband  man  überhaupt  damals  den  begriff  einer  be- 
sonderen brauchbarkeit  im  leben  wie  eines  offenen  Verständnisses 
für  alle  geistigen  interessen,  Hoffmeister  hat  einmal  im  Romeo  ge- 
sagt, dasz  wer  einmal  in  seinem  leben  Interesse  an  philosophischea 
fragen  gefunden,  niemals  der  Wissenschaft  verloren  gehen  köntie. 
die  geschichte  der  Karlsschule  scheint  eine  praktische  bestätigung 
dieses  satzes  zu  sein;  und  die  andererseits  immer  von  neuem  auf- 
tauchenden Verfechter  des  so  oft  widerlegten  banausischen  satzes, 
dasz  die  beschäftigung  mit  den  ideen  des  wahren,  guten  und  schönen 
für  die  praktischen  zwecke  des  lebens  untüchtig  mache,  mag  man 
hinweisen  auf  die  leistungen  der  Karlsschule. 

Aus  einem  praktischen  bedürfnis  zunächst,  um  nemlich  für  seine 
zahlreichen  bauten  sich  billigere  arbeitskräfte  aus  den  landeskindem 
zu  verschaffen,  ist  bei  dem  herzog  der  gedanke  der  grtindung  der 
Karlsschule  hervorgegangen,  mit  14  knaben  wurde  sie  1770  eröffnet, 
die  zu  baudiensten  und  gartenarbciten  herangebildet  werden  sollten; 
in  den  nächsten  monaten  wuchs  die  zahl  auf  42,  und  da  diese  zum  teil 
für  die  zwecke  des  Orchesters  und  ballets  bestimmt  waren ,  die  zahl 
der  lehrgegenstände  damit  sich  mehrte,  bekam  die  anstalt  ziemlich 
das  ansehen  einer  modernen  realschule.  durch  das  mit  der  schule 
*  verbundene  militärische  Waisenhaus  stieg  die  zahl  der  Zöglinge  be- 
deutend, im  nächsten  jähre  ist  der  gedanke  einer  erziehungsanstalt 
ftlr  die  künftigen  beamten  und  officiere  reif  geworden  und  tritt  die 
militärische  pflanzschule  ins  leben,  das  latein  bildete  den  mittel- 
punet  des  Unterrichts,  25  stunden  wöchentlich  in  den  untersten,  12 
in  den  drei  oberen  abteilungen.  die  waisenhausschule  wurde  wieder 
eingezogen,  aber  die  zahl  der  andern  Zöglinge  wächst,  1772  sind  ihrer 
schon  350  da,  der  lehrer  mehr  als  30,  die  neaen  lehrer  lauter  junge 
iheologen,  dasu  18  officiere  und  inspectoren  zur  beanfeiehtigung. 
die  jugendliGhen  lehrer  braeliteu  begeistenmg  und  wissensehaitlieben 
sofawung  mit  sich,  durch  sie  erhielt  die  phüosophische  Propädeutik 
ihre  hohe  Stellung  als  allgemeine  gnmdlage  der  höheren  bera&bildung 
nnd  das  iHnTatstudium  seine  vortreffliehe  Organisation;  mit  ihren 
hohen  und  edlen  tendenzen  harmonierte  der  geistvolle  ftlrst.  bald 
genügte  ihm  das  ziel  der  schule  nieht  mehr^  er  beschlosz  die  gesamte 
gynuDAsialbildung  und  selbst  einige  akademische  ftcher  in  seine  an- 
stalt herttberzm^hmen.  sie  erhiät  1778  den  namen  einer  herzog- 
lichen militSrakademie.  die  erweiterung  der  bisherigen  einrichtung 
tritt  henror  in  der  Verschmelzung  der  wissensdiafUichen  anstalt  mit 
der  acad^mie  des  arts,  welche  die  bildenden  ktlnste  und  die  verschie- 
denen theatralföcher  (mnsik,  ballet,  schanspielerscbnle)  wnfaszte, 
dann  in  der  bildung  einer  besonderen  militSrischen  abteilnng,  einer 
andern  der  cameralisten  sowie  der  jäger,  d.  h.  forstwirthe.  wie  später 
anoh  die  handlnngswissenschfkft  als  selbstindiges  gHed  in  der  aka- 
demie  anfirat,  so  wurde  schon  1774  eine  jnristisdie  abteilnng  er- 


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Die  ehemalige  KftrlMohole.  19 

9ffiiet  und,  um  bis  anf  die  theologie  die  akademie  der  nnivenitSt 
gleich  za  machen,  1775  auch  die  mediciniBche;  und  eben  diese  war 
mit  den  besten  lehrem  aasgeaiattet  xmd  hat  am  meisten  snm  rahme 
der  akademie  beigetragen,  allen  fachstndien  Toransgehend  waren 
die  allgemein,  bildenden  ftcher  mit  der  Überwiegenden  stondenaahl 
ausgestattet;  ans  dar  seit,  wo  der  junge  Schiller  der  juristischen  ab- 
teUung  angehört,  sind  die  Zeugnisse  Ober  ihn  noch  erhalten,  sie  geben 
als  pittdicate  in  den  juristischen  vorbereitnngsfftehem  mittelmBssig, 
im  lateinischen  und  griechischen  gut,  in  der  mathematik  gut  oder 
mittelmSsng,  in  der  philosophie  mitt^Sszig,  später  recht  gut,  im 
^tanzen'  schlecht,  durch  ihre  Verlegung  von  der  solitttde  nach  Stutt- 
gart 1775  erhielt  die  anstalt  die  yortrefflichsten  rSumlichkeiten. 
zugleich  daadt  traten  bei  dem  yerbreiteten  rufe  jetzt  zahlreiche  aus- 
linder ein,  1781  wurde  sie  durch  den  kaiser  zum  ränge  einer  uni- 
versität  eihoben,  erhielt  jetzt  den  titd  hohe  Karlsschnle,  zerfiel  in 
sedis  eigene  faccdtBten  und  nahm  Ton  nun  auch  oppidaner  auf  t  was 
ficeHich  in  pecuniärer  beziehung  günstig  war,  aber  wegen  der  ver- 
mischung  fremdartiger  demente  aufdiciplin  und leistnngen nachteilig 
wirkte,  seit  dem  beginn  der  90er  jähre  zeigt  sidi  eine  solche  ab- 
nähme auch  auf  dem  gebiete  der  wissenschirflliehen  arbeit,  sie  fiel 
Schiller  auf,  als  er  1798  TOn  dem  geistig  regsamen  Jena  die  heimat 
hesndite,  und  als  der  herzog  Karl  Eugen  24  octbr.  1793  gestorben 
war,  setete  4  januar  1794  sein  bruder  und  nachfolger,  von  je  her 
kein  fi«xmd  derselben,  die  aufhebung  der  schule  fest,  von  den 
24  Jahren ,  die  sie  im  ganzen  bestanden ,  waren  die  ersten  4  jähre 
Probejahre  gewesen. 

Die  Karlsschule  steht  in  der  geschi^te  der  pSdagogik  als  einzig 
in  ihrer  art  da,  indem  sie  für  alle  altersstufen  des  lemens  berechnet 
mur  und  die  mannigfaltigsten  unterriehtsanstalten ,  bürgerschule, 
raalschule,  gymnasium,  Universität  und  alle  möglichen  fachschulen 
in  sich  vereinigte,  die  Verbindung  des  zukünftigen  staasdieners  mit 
dem  ktinstler  und  kaufmann  nährte  nicht  minder  das  gefühl  der  zu-  ' 
sammeng'ehörigkeit,  wie  der  austauseh  der  verschiedenartigsten  an- 
scbauungen  und  kenntnisse  den  jugendlichen  geist  anregte,  diese 
'Vielseitigkeit  zeigt  sich  u.  a.  bei  Schiller,  schon  in  seiner  akademischen 
dissertation  hat  er  aus  allen  gebieten  seinen  stoff  entlehnt,  die  Zög- 
linge, meist  300  bis  350,  stellen  uns  in  buntem  gemenge  die  ver- 
schiedenen nationalitäten,  confessionen,  stände,  vom  tagelöhnerskinde 
bis  hinauf  zu  den  söhnen  regierender  häuser  dar.  denjenigen,  die  alles 
von  ihm  erhielten ,  bestimmte  der  herzog  selbst  ihren  lebensberuf, 
nicht  immer  nach  ihrer  besonderen  befähigung,  wie  denn  Dannecker 
zuerst  zum  ballettänzer  bestimmt  war;  meist  entschied  das  zeitweilige 
bedürfnis  für  hofhaltung,  Orchester,  ballet,  gärten,  bauten,  für  die 
bipferstecberschule;  und  alle  diese  verschiedenen  kategorieen  waren 
n  der  rubrik  'künstler'  zusammengefaszt  und  hinter  den  andern 
iui-ückgesetzt.  die  künstler  zerfielen  in  architekten,  maier,  bildbauer, 
fitnccators,  kupferstecher,  gärtner,  musiker,  tänzer;  die  schttler  der 

2* 


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20 


Die  ehemalige  Karlsschnle. 


höheren  httnste  nahmen  an  dem  höheren  wissenschaftlichen  miteiridit 
teil,  daher  £e  ans  der  Karlssehnle  hervorgegangenen  bertlhmteii 
kOnsfler  sich  aadi  durch  allgemeine  bildnng  ausgezeichnet  haben,  den 
kansÜem  gegenfiber,  die  den  dritten  oder  Tierten  teil  ansmacbten, 
hiessen  die  andern  die  studierenden  oder  die  abteüangen.  diese  clas- 
sen  aber  waren  in  einem  stetigen  flnss,  sie  hatten  keine  feststehende 
bezeichnang,  sie  waren  von  oben  nach  nnten  dnrchnomeriert,  ohse 
nnterschied,  ob  sie  parallel  giengen  oder  aufeinander  folgten,  die  zahl 
wechselte  mit  jedem  jähre ;  es  sollte  eben  die  anstatt  als  dne  einheit 
ersdieinen,  nicht  als  eine  verbindang  verschiedener  bestandteile,  wie 
eines  oberen  nnd  unteren  gymnasiums  und  einer  universitftt.  Jahr 
f&r  jähr  wurde  nach  pi*üfnng  der  einzelnen  dessen  ein  neuer  wo»» 
fnhrlicher  unterrichtsplan  festgesetzt,  so  dasz,  wenn  z.  b.  eine  das» 
als  sdiwach  im  latein  befonden  wurde,  die  zahl  der  lateinstmubn 
f&rs  neue  jähr  vermehrt  oder  aus  der  dasse  zwd  dessen  gebSUUt 
wurden ;  jeder  einzelne  wurde  auft  sorgfitttigste  in  angenschein  ge- 
nommen, um  die  erfolge  des  untenidits  so  hoch  als  mOglich  zu 
steigern,  daher  z.  b*  in  den  philologischen  dessen  die  schtUeraabl  nur 
etwa  16  betrug,  dadurch  wuchsen  natflrlich  die  kosten  bedeutend, 
die  zahl  der  unterrichte-  und  vorberdtungsstunden  war  fttr  alle  ab- 
teilungen  täglich  8,  es  gab  keine  fireien  naehmittage,  keine  ferien  mit 
ausnähme  der  festtage ;  erst  sdt  1784  wurde  zweimal  im  jähre  ein 
adittägiger  Urlaub  gewlhrt  und  um  dch  das  arbeiten  zur  gewöhn* 
heit  zu  machen,  so  hatten  auch  die  kleinsten  ihren, achtstündigen 
Unterricht,  aber  mit  der  zunehmenden  geisteskraft  wurde  mehr  and 
mehr  die  privatarbeit  hervorgehoben,  in  der  oberen  gymnasialclasse 
nahm  sie  Y3,  auf  der  akademischen  stufe  bis  V3  der  arbeitszeit  in 
anspruch ;  in  dem  dassenzimmer  wurde  unter  steter  aufsieht  diese 
festgesetzte  privatarbeit  vorgenommen,  nach  dem  vortrefflichen 
Stundenplan  wechselten  Unterricht  und  privatarbeit,  dadurch  wurde 
der  mechanischen  abrichtung  vorgebeugt,  das  wissenschaftliche  inter- 
esse  genährt,  so  zeigt  sich  bei  den  Zöglingen  der  Karlsschule  im 
höchsten  grade  die  freudigkeit  selbstgewählter  arbeit;  in  den  er- 
haltenen Schularbeiten  aus  den  philosophischen  abteilungen  aus  jener 
zeit  zeigt  sich  ein  merkwürdiger  zug  von  Selbständigkeit  neben  der 
gewandten  Verwendung  der  rhetorischen  und  philosophischen  hilfs- 
mittel ,  ein  eigenes  empfinden  und  denken ,  eine  umfassende  an- 
schauung,  ein  bestimmtes  urteil,  nichts  von  geistiger  dressur ;  der  im- 
mer und  immer  wieder  eingeschärfte  grundsatz  des  herzogs,  kräfte  in 
den  jungen  menschen  zu  wecken,  fand  in  diesen  arbeitsstunden  das 
wirksamste  mittel,  unsere  unteren  oder  mittleren  gymnasialclassen 
entsprechen  den  philologischen  abteilungen,  früher  der  zahl  nach  wech- 
selnd, nachher  sechs,  dem  oberen  gymnasium  entsprechend,  schlieszen 
sich  dann  die  zwei  philosophischen  abteilungen  an.  auffallend  ist, 
dasz  schon  auf  der  untersten  abteilung  mit  7  bis  9jährigen  knaben 
gleichzeitig  mehrere  fremde  sprachen,  latein,  griechisch,  französisch 
angefangen  wurden,  im  lateinischen  Unterricht  traten  die  schriftlichen 


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Die  ehemalige  KarUüchule. 


Übungen  zurück  hinter  der  lectüre»  bei  der  vor  allem  eine  gute  und 
richtige  Übersetzung,  aber  auch  die  erklärung  aus  den  antiquitäten 
beachtet  ward ;  in  dem  correcten  gebrauch  der  bprache  standen  die 
Karlsschüler  andern  gymnasiasten  jener  zeit  nach,  aber  durch  den 
gegensatz  gegen  den  einseitigen  formalismus,  durch  das  princip,  das 
altertum  als  eine  der  grundlagen  unserer  bildung  aus  den  quellen 
verstehen  zu  lernen,  hat  die  Karlsschule  doch  wesentlich  annguug 
gegeben,    darnach  erhielt  auch  das  griechische  eine  besondere  be- 
deutung,  seit  1771  nahm  dasselbe  neben  dem  latein  den  bedeu- 
tendsten räum  in  dem  unterrichtsplan  ein,  es  war  obligatorisch  für 
alle,  mit  ausnähme  der  künftigen  kaufleute ;  Schiller  hat  diese  zeit 
micht  mit  durchgemacht,  dagegen  war  auch  den  bedürfnissen  des 
praktischen  lebens  rcchnung  getragen,  das  französische  begann  schon 
in  der  untersten  classe  mit  6  stunden  nnd  wurde  durch  alle  abtei- 
lungen  fortgesetzt,  dagegen  wurde  der  deutsche  Unterricht  wie  ein 
Stiefkind  betrachtet,  erst  seit  1783  wurdeesregelrnftszigerunterrichts- 
gegenstand  und  wurde  den  schriftlichen  ausarbeitungen  ein  hoher 
wert  beigelegt,  die  geographie  wurde  von  unten  an  eifrig  betrieben ; 
auch  die  geschichte  war  mit  emer  wichtigen  Stundenzahl  bedacht; 
vor  allem  aber  sollte  die  matbematik  einen  besonderen  rühm  der 
Earlsschule  ausmachen,  die  menge  der  einander  gleich  geachteten 
Unterrichtsfächer  hätte  zerstreuend  auf  die  jugendlichen  gemüter  ' 
wirken  lattssen,  wenn  nicht  einerseits  das  institut  der  arbeitsstunden 
dagewesen  wäre,  andererseits  doch  die  anstalt  ein  centrum  gehabt 
hätte,  und  dies  war  die  philosophie.  in  dieser  beziehung  steht  die 
karlsschule  in  der  geschichte  der  pädagogik  einzig  da*  die  philo- 
sophie aber,  für  welche  der  herzog  begeistert  war,  war  die  dem 
rationalistischen  zuge  der  zeit  entsprediende  philosophie  des  ge- 
sunden menschenverstandes ,  wie  sie  uns  in  Deutschland  in  den 
Schriften  eines  Garve,  Abbt,  Mendelssohn  entgegentritt,  und  so  wurde 
ein  entwurf  der  philosophie  des  gesunden  Verstandes  zur  bildung  des 
gesehmacks,  des  herzens  und  der  vemunft  zusammengestellt*  der 
entwurf  umfaszte  dann  später  psychologie,  moral,  ontologie,  kosmo- 
logie,  natürliche  theologie,  logik,  geschichte  der  philosophie,  endlich 
oae  rundschau  sämtlicher  Wissenschaften;  die  methode  aber  bestand 
in  dialektisch  prüfender  besprechung  mit  immer  erneuten  examina- 
torien  und  disputierübungen ,  in  den  arbeitsstunden  in  schriftlicher 
Wiederholung  oder  bearbeitung  von  aufgaben  oder  excerpierendem 
lesen  bedeutender  werke;  die  schfiler  sollten  gewOhnt  werden  zum 
selbstdenken,  zu  verständigem  lesen,  zum  geschickten  ausdmck,  zur 
beobachtong  des  umgebenden  lebens.  es  sollte  also  die  gymnastik 
des  geintes,,  die  sonst  als  die  firacht  einer  ernsten  betreibnng  der 
dasaischen  Stadien  gilt,  auf  dem  directesten  wege  unmittelbarer  denk- 
übungen  gewonnen  und  dabei  zugleich  der  erfo^  des  sonstigennnter- 
richts  in  der  form  von  durchdachten  begriffen  zu  einem  sicherem  und 
wertheren  besitz  gemacht,  die  verschiedenen  Wissensstoffe  aber  durch 
diese  philosophisdie  betraiohtungsweise  zur  diüieit  verbunden  werden. 


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22  ehemalige  Karlsschule. 

trnd  in  der  that,  dieser  philosophische  Unterricht  hat  bedeutendes 
erzielt;  man  rühmte  es  der  Karlsschule  nach,  dasz  sie  denkende 
menschen  erziehe;  der  das  ganze  überschauende  und  ordnende  geist 
tritt  uns  bei  den  hervorragendsten  Zöglingen  gleichmäszig  entgegen, 
bei  Schiller,  bei  den  naturforschern  und  matbematikem  Kielmayer, 
Cuvier,  den  beiden  Hartmann,  Gärtner,  Autenrieth,  Hopfengärtner, 
bei  Juristen,  cameralisten,  militärs  u.  a.  aus  den  philosophischen 
abteilungen  erhielt  die  akademische  stufe  schüler,  welche  selbständig 
zu  arbeiten  und  geordnet  zu  denken  verstanden. 

•  Was  aber  diese  höchste  abteilung  betrifft,  so  war  auch  hier  der 
geist  der  Icitung  ein  echt  wissenschaftlicher;  auch  hier  wurden  die 
studierenden  überall  zum  selbstdenken  angeleitet,  auf  (juellenfor- 
schung  hingewiesen,  bei  jeder  Wissenschaft  auf  den  wcrth  der  er- 
kenntnis  der  geschichtlichen  entwicklung  aufmerksam  gemacht,  was 
aber  die  äuszeren  Verhältnisse  der  studierenden  betraf,  so  stand  die 
Karlsschule  im  schroffsten  gegensatze  zu  den  heutigen  Universitäts- 
einrichtungen, von  akademischer  freiheit  keine  spur,  die  unausgesetzte 
arbeit  war  pflicht,  die  ferien  auch  hier  auf  zwei  wochen  jährlich  be- 
schränkt, die  achtstündige  arbeitszeit  festgehalten,  der  Unterricht  in 
Sokratischer  methode.  zur  arbeit  anzuspornen  waren  überdem  noch 
mancherlei  mittel  erdacht,  wie  die  öffentlichen  monatlichen  feierlichen 
loeationen,  die  öibniMöhen  examina  mit  ihrem  prunk,  die  festüdm 
disputatlonen,  kurz  ee  war  im  hfidiaten  grade  der  ehrgeiz  zum  moÜT 
der  arhdt  gemaeht.  das  war  die  schwadie  nnd  gefthrliehö  seite. 
und  denken  wir  iinn  dasn  die  energiaehe  und  despotische  aatmr  des 
herzogs,  welcher  mit  seiner  anatalt  ehre  einlegen  wollte,  dem  sieh 
jeder  eikizelne  beugen  mnste,  der  diese  strengste  disdplin  einführte,  so 
ist  es  erklftriich,  wie  bei  einer  so  tiefen  natur  wie  Schiller  das  mo- 
ralisdie  bewnstsein  eine  so  starke  reaetion  «nsllben  konnte,  dasz 
aber  trota  des  mangels  an  religiös  sittlichem  gnmde,  «nf  dem  die 
erziehnng  beruhen  mnsi,  aus  der  Earlsschule  so  viele  tttehtige  und 
wirklich  grosse  menschen  hervorgegangen  sind,  das  ist  ein  seugnis 
für  die  Tortrefflichkeit  des  Unterrichts,  für  den  grosiartigenschwung, 
der  das  gaase  sTStem  durehsieht,  der  die  arbeittlust  wedcte,  die  Zög- 
linge gewöhnte,  selbstSadig  zu  denken,  selbstlndig  zu  arbeiten,  mit 
philosophischem  geists  die  Wissenschaft  zu  betreiben. 

Bbrford.  Hölscher. 


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Bemerkuiigen  zur  Ut  grammaiik  von  EUendt-Seyffert.  23 

3.  ' 

BEMEBKÜNGEN  ZÜB  LATEINISCHEN  GRAMMATIK 

VON  ELLENDT-SEYFPERT. 

^WEITER  TEIL. 


Die  ia  diesen  jabrb.  1877  heft  2  mitgeteilten  bemerkungen 
zur  laL  gnmmatik  beschäftigten  sieh  mit  dem  pensuol  der  Unter- 
tertia, eine  eingehendere  bescbäftigung  mit  dem  In  der  obertertia 
behandelten  teile  der  gratnmatik  ergab,  dasz  die  aawendnng  der  dort 
anfgestelltea  grundsätze  auch  hier  mancherlei  Verbesserungen  wfln- 
schenswerth  macht,  dieselben  sind  das  ergebnis  eines  langjtthrigen 
Unterrichts,  es  schien  dem  verf.  der  mühe  werth  xa  sein,  dieselbtti 
bekannt  und  für  die  sohole  nutzbar  zu  machen,  dasz  die  gewonnenen 
lesultate,  im  anschlusz  an  die  bekannte  Ellendt-Seyifertsche  gram- 
matik  gegeben,  auch  für  jede  andere  schalgrammatik  verwendet 
werden  können,  bedarf  keines  beweises. 

Zu  der  lehre  vom  supinum  ist  als  einleitung  nicht  zu  ent- 
behren: das  sapinum  ist  ein  substantivum  verbale,  im  aoe.  auf  tem, 
im  abl.  anf  u,  zu  sagen:  'das  erste  supinum  auf  um'  und:  'das 
zweite  supinum  auf  u'*  ist  mindestens  ungenau  ftlr:  supinum  (auf 
um)  und  supinum  (auf  u).  überhaupt  ist  Mas  erste'  und  ^das  zweite' 
m  überflüssiger  zusatz,  der  wol  wegbleiben  kann. 

Da  in  der  anmerkung  kgaH  penerunt  paeem  petenies  als  beispiel 
fltehti  80  durfte  legati  missi  sunt^  lU  {qui)  pacempäerent^  pacispeten- 
dae  causa  y  aä  paeem  petendam  in  der  schulgrammatik  nicht  fehlen, 
jenes  genieezt  sonst  nach  dem  bekannten  'littera  scripta  ipanet'  einen 
ganz  ungerechtfertigten  Vorzug. 

In  §  342  steht:  das  zweite  supinum  anf  u  steht  nach  den  snb- 
stuitivis  fas  und  mfa»^  aelten  nach  cpuSy  femer  nach  den  adjeetivie 
gnt  oder  aoUedtt  ngw.  fibersichtUeher  wSre  snnftdist:  1)  nadi  den 
sabstanüvis,  2)  nach  den  adjjectivis.  fidseh  iat  geradezu:  nach 
den  a^*ectivi8  gut  oder  schlecht,  statt:  nach  den  aiiyeettvis,  welche 
bedeuten:  gut  oder  schlecht,  oder:  nach  Aones^,  uirpia  usw.  wenn 
int  von  dem  schüler  die  grbste  genauigkeit  im  ausdrucke  verlangen, 
80  fflttesen  wiif  selbst  auch  im  kleinsten  genau  sein,  man  halte  also 
diesen  tadel  nicht  filr  pedanterie,  jene  schreckliche,  weil  unvermeid- 
liche Schulmeisterkrankheit!  sie  hat  hier  ihre  volle  liereohtigung. 

Eine  auswahl  der  gebrttnchlichsten  supina  auf  u  ist  s<£wierig. 
wer  wollte  s.  b.  entscheiden ,  ob  fttr  die  ÄDhulgnunmatik  tupeitfu, 
Memoraiw,  oder  aiütu^  irmie^  wichtiger  sind?  ebenso  verhAlt  es 
fiidh  mit  den  a^ectivea.  Zumpt  (lat.  gramm.  1860)  zählt  deren  eine 
gnse  menge  anf,  Lattmaan-MtUler  ^«t  sdiulgramm.  1872)  nennt 
gsr  keins.  da  nnn  das  zweite  supinum  sich  weniger  häufig  findet, 
(•Dm.  1.)  und,  da  bei  einigen  der  a4jectiva  andere  constructionen 
vorgezogen  werden,  so  6ind  nur  die  am  bftufigsten  gebrauchten 
nnd  supina  anzugeben. 


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24        Bemerkungen  zur  lat.  grammatik  von  EUendt-Seyffert. 

Wir  verfallen  sonst  in  den  fehler  mancher  herausgeber  von 
Übungsbüchern  zum  übersetzen  aus  dem  deutschen  in  das  lateinische, 
welche  Übersetzungen  verlangen,  die  gar  kein  latein  sind,  das  sind 
die  grammatischen  fanatiker,  die  nicht  Überlegen,  dasz  das  höchste 
ziel  alles  grammatischen  Unterrichtes  schlieszlich  doch  nichts  anderes 
sein  kann,  als  dasz  der  unterrichtete  genau  so  spricht,  wie  die 
mustergültigen  autoren  gesprochen  haben,  wie  viel  wird  wol  in 
diesem  puncte  in  den  schulen  von  sexta  bis  prima  gesündigt !  was 
werden  für  entsetzliche  sätze  gebildet,  um  dieses  oder  jenes  Substan- 
tiv oder  verbum  in  exercitien  oder  extemporalien  anzubringen !  und 
was  für  ungeheuer  von  perioden  entstehen,  wenn  man  so  manches 
Übungsstück  zur  erlernung  der  syntax  übersetzt!  man  bemühe  sich 
doch,  in  grammatik  und  Übungsbuch  nur  das  zu  geben,  was  wirk- 
liches latein  ist!  und  der  lehrer  verlange  von  dem  schüler  keine 
Übersetzung,  die  dieser  nicht  jeden  tag  in  den  in  der  schule  gelesenen 
autoren  mutatis  mutandis  finden  kann,  der  tertianer  in  seinem  Caesar 
usw.  vor  allem  vergesse  man  nicht,  da&z  es  neben  der  grammatik 
auch  die  lectüre  gibt ! 

Einen  nötigen  hinweis  auf  §  177,  3  vermissen  wir  auszerdem  in 
diesem  paragrapb.  der  ablativ  des  supinum  enthält  ja  offenbar:  eine 
nfihere  bestimmung  oder  bescbrftnkung  (abl.  limitationis)  zum  aus- 
drook  des  deutschen :  Vonseiten,  in  isinsehung,  was  betrifft,  nach, 
an')  wozn  wir  noch :  rücksichtlich,  hinsichtlich  fügen  möchten,  und 
iuomäum  audUu  läszt  sich  leicht  an  grandis,  maior  natu  anknüpfen« 
dasz  aber  überall  in  der  mannigfaltigkeit  die  einheit  aufzusuchen 
nnd  dem  schaler  klarzulegen  ist,  kann  nicht  oft  genug  wiederholt 
Wehrden.  • 

In  der  lehre  vom  gernndium  und  ^erundivum,  einem 
deshalb  so  schwierigen  puncto,  weil  über  manches  die  ansichten 
unserer  grammatiker  weit  auseinandergehen  (vergl.  z.  b.  Gossrau 
[lat.  Sprachlehre  1869]  §  441  mit  Lattmann  s.  207)  lassen  sich  im 
Interesse  der  Übersichtlichkeit  leicht  folgende  yerftndemngen  her- 
stellen:  wenn  §  331:  das  gerundium  vertritt  die  casus  obliqui  des 
substantivierten  inf.  praes.  act.  und  §  332:  das  gerundivum,  d.  h.  die 
passive  construction  mit  dem  part.  fut.  zunSchst  unverändert  blie- 
ben, so  müste  doch  das  ^passive'  mehr  hervorgehoben  werden,  wir 

weiden  aber  sehen,  dasz  eine  andere  fassung  wünsdienswerth  ist. 
• 

Es  werden  femer  in  demselben  paragraphen  die  fUle  aufge- 
zählt, wo  das  gerundium  sieht  in  das  gerundivum  verwandelt  wird* 
in  einer  anmerkung  folgt:  ^namentlitii  nach  einer  prl^M>8itS(m,  so- 
wie beim  dativ  des  gerundium  mit  dem  aoousativ  eines  Substantivs 
ist  stets  ditö  gerundivum  zu  setzen^  zunächst  kann  unter  den  drei 
fiflkn  wegbleiben:  zur  Vermeidung  der  schwerfälligen  genetivformen 
auf  omm,  crom*  das  beweist  säion  der  zusatz:  doäi  finden  sick 
hierfttr  (?)  aueh  bdspiele  vom  gegentnl.  auszerdem  aber  gibt  es 
wol  keine  regel,  welche  sich  der  Zuneigung  der  schüler  so  erfreute, 


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Bemerkongeii  snr  lat  gnunmatik  Ton  fiUeadt-Seyflfert  25 

^  als  gerade  diese,  mögen  andere  dies  psychologische  rSthsel  erklären, 
m  der  sohulgraxnmaük  ist  der  satz  überflOssig,  dem  sohlller  zu  über- 
lassen zu  beurteilen,  wie  viel  genetive  auf  anm^  orum  nötig  sind, 
um  sebwerfHUig  va  erscheinen,  ist  ein  unding.  es  bleibt  dann  übrig: 
1)  wenn  (nicht:  wenn  1)  der  obj.  accusat.  beim  genmdiumdas  neu- 
trum  eines  pronomen  oder  acyeotiv  ist  2)  wenn  der  verbttlb^griff, 
nicht  der  olgeetsaceosativ  berroigeboben  werden  soll. 

Dem  entsprechen  dann  genau  zwei  fälle,  in  denen  stets  das  ge- 
rondiT  steht,  deshalb  sind  diese  nicht  in  einer  anmerkung  unterzu- 
bringen, sondern  fortznÜB^ren  in  §  332  hinter:  *object  neben  sich 
bat',  namentUoh  ist  das  genmdiv  zu  setzen  1)  nach  allen  prftposi- 
üonen,  ausgenommen  Mer,  vergl.  §  336,  2  (dieser  susats  fehlt), 
2)  statt  des  dativ  das  gemndium  mit  dem  aoons.  eines  snbsl,  z.  b. 
impar  oneri  feremh  statt. «mjpor  ferendo  onus,  (die  fsssung:  'beim 
daÜY  des  gerondium  mit  dem  acc.  eines  Substantiv  ist  das  gemndi* 
vum  zu  setzen'  ist  nicht  recht  yerstftndlich.)  hat  so  der  schfiler 
sichere  anhaltspnncte,  die  auch  dem  ange  ansohanlich  nnd  Imeht  ein- 
niprägen  sind,  so  wird  ihm  der  unterschied  des  genindinm  nnd  ge- 
randiviim  wenig  Schwierigkeiten  machen. 

Ist  nun  aber  der  ansdmök:  'das  gerondiTum,  dh.  die  passive 
oonstruction  mit  dem  partic.  faV  für  £e  schnlgrammatik  geeignet, 
wenn  noch  gar  nicht  ausgemacht  ist,  dasz  diese  verbalform  ein  part. 
fiit  pass.  au  nennen  ist?  wenn  auch  im  Seyffert  §  316  zugestanden 
werden  muss,  dasz  dieselbe  zum  ersatz  fttr  das  fehlende  psrt.  praes. 
psss.  dient?  das  musz  doch  wol  esster  gmndsats  einer  schnlgram- 
mstik  sein,  nur  da^enige  als  regel  aufzustellen,  was  unzweifelhaft 
feststeht,  bekanntlidi  gehen  abmr  die  ansichten  der  grammatiker 
Uber  diesen  punet  weit  auseinander,  mit  unrecht  bezeichnet  man  die 
fem  auf  anduSy  endus  als  part.  fiit.  pass.  sagt  der  eine;  der  andere, 
es  ist  nicht  genau,  das  zu  thun  und  geradezu  ftlschlich,  zu  behaup- 
ten, das  gernndiv  vertrete  das  part.  praes.  pass.  hier  ist  nicht  zu  er- 
Ortem»  wer  recht  hat,  aber  tit  die  schulgrammatik  das  richtige  zu 
finden,  und  da  scheint  im  anscUnsz  an  §  243  und  283  das  einfachste, 
n  unterscheiden  ein  part.  actionis  infectae  pass.  und  ein  part.  actio- 
usperfectae  pass.  (will  man  aber  am  alten  gebrauch  festhalten,  so 
nge  man  wenigstens:  dhs  sogenannte  part.  fet.  pass.).  das  eine 
bezeichnet  eine  unvollendete  haadlung,  die  erst  geschehen  soll 
(nicht  geschehen  wird),  das  andere  eine  vollendete  haadlung.  dann 
Isntet  §  316,  2:  das  part.  aet.  infect,  welches  im  nominat»  die  not- 
wendi^eit,  dasz  eine  haadlung  verrichtet  werden  musz,  als  dauernd 
beseichnet,  ist  in  den  caaibns  obliquis  oft  remes  part.  praes.  pass. 
(dies  es  mM  zum  ersatz  des  fehlenden  part  praes.  dient,  wie 

steht,  daraber  vergl.  Gossrau  s.  520.  *die  Lstteiner  haben  kein 
pari  praes.  pass. ;  aber  es  fehlt  ihnen  nicht,  und  so  haben  sie  denn 
sndL  keinen  mangel  zu  ersetzen;  sie  haben  es  eben  nieht  nötig  ge- 
labt, so  wenig  wie  wir  Deutschen'.)  danach  ist  also  §  332  zu  ver- 
beRsem. 


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26        Bamerkungeu  zur  lät,  grammäitik  yoq  JSIlcndt-Seyffert. 


§  333  lautet  im  anfang:  ^das  gerundivum  bezeichnet  vermöge 
seiner  bedeutung  eine  handlung,  die  erst  gescbeben  soll,  also  noch 
unvollendet  iat.'  das  ist  sehr  ungenau  ausgedrückt,  und  der  schüler 
wird  darnach  keine  in  der  Vergangenheit  geschehene  handlung  in 
das  gerundiv  setzen  können,  es  musz  aber  heiszen:  das  gerundivum 
bezeichnet  eine  handlung,  die  der  schriftsteiler  als  noch  unvollendet 
sieb  dachte,  oder  als  noch  unvollendet  aufgefaszt  wissen  will.  vgl. 
§  272,  3  a.  b.  dadurch  unterscheidet  es  sich  vom  part.  perf.  pass. 

In  §  324  wttre  besser  für:  der  genetiv  nach  causa  und  gratia 
zu  sagen:  der  genetiy  vor,,  oder  abhängig  von  cattsa  und  gratia. 

In  anmerkung  1  beiszt  es:  zn  den  genetivis  der  persönlichen 
pronomhia  mei,  tui^  aui^  nostri,  vestri  wird  das  gerundiv  ebenfalls  im 
genetiv  auf  i  gesetzt,  ohne  rlicksieht  auf  numerus  und  genus,  die 
erklftrung  dieser  nnregelmäszigkeit  aus  den  zu  gründe  liegenden 
neutris  metmi,  tmm  usw.  mag  richtig  sein.  &Bzlicher  ist  jedenfalls 
folgende  lesart:  nach  §  352  sagt  man  nicht  a^viäm  üudiendi  te^  son- 
dern cupiduB  M  mukndh  nicht  po^esto^  refidendise^  sondern  jMMfesto 
aui  refickmdL  aber  auch  in  beziehnng  auf  ein  fen^ninnm  ist  dieser 
genetiv  gerundivi  auf  %  im  Singular  und  im  plnral  zur  regel  gewor- 
den (assimilation  an  das  •  des  pronomen),  z*  b.  me»,  tm,  sui^  nostri, 

Wenn  anmerkung  2  von  phraseu  spricht,  die  den  infinitiv  statt 
des  genetiv  des  gwnndivum  verlangen,  so  ist  der  ausdruck  ^phrase* 
für  den  scfafller  nicht  passend  gewfthlt.  es  empfiehlt  sich  zu  sagen: 
snhstantiva^  die  sonst  den  genetiv  des  gerundiv  veriangen ,  mit  est 
oder  einem  andern  verbom  verbunden,  können  auch  den  infinitiT 
oder  eine  andere  oonstruction  erfordern,  wenn  nicht  das  Substantiv 
allein  durch  das  folgende  verbum  nfiher  bestimmt  wird,  sondern 
wenn  Substantiv  und  verbum  zusammen  einen  begriff  bilden,  also 
einem  einzigen  verbum  gleichstehen  (dessen  constouction  dann  an- 
znwMiden  ist).  s.b.  tempus  äbeundi  est  es  ist  die  zeit  des  Weggehens, 
aber  iempus  est  iMre  es  ist  zeit  wegzugehen,  im  deutschen  bildet 
oft  der  artikel,  gesetzt  oder  weggelassen,  ein  bequemes  hilfoiittel, 
das  richtige  zu  finden. 

In  §  337  anm«  2  ist  nach  dem  oben  gesag^n  statt:  der  ablativ 
des  gerundivum  vertritt  die  stelle  des  fehlenden  part  praes. 
pass.  zu  sohmben:  der  abl  des  gerundiv  ist  auch  abL  part  praes. 
pass.  dazu  eine  hinw^ung  auf  §  316,  die  leider  fehlt. 

In  §  339  wird  vom  persönlichen  und  unpersönlichen  gerundiv 
gehandelt,  es  fehlt  idier  die  genaue  angäbe,  welche  verba  das  erstere, 
welche  das  letztere  bilden,  und  doch  ist  hier  gerade  die  quelle  der 
.  tollsten  fehler  zu  suchen,  deshalb  ist  nicht  ftberfittssig«  hinter  ßger 
cdknäua  est  foriinifehren:  diese,  die  persönliche  constrttcticai  ist  aber 
nur  von  verbis  traasitivis  (auch  den  deponentibus)  zu  gebranchwa. 
dagegen  kann  von  intransitiven  verbis  auch  nnr  ein  unpersönlidies 
gerundiv  (im  neutro  mit  est)  gebildet  werden,  wenn  vorbor  der  name 
persönliche  oonstruction  noch  gar  nicht  genannt  ist,  und  hinter  ager 


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Bemerktmgeii  sur  lai.  gnunmafeik  toh  EUendi-Seyffert  27 

eoiendus  est  fortgefahren  wird:  *auf  diese  weise  (?)  kann  auch  (?) 
von  intiansitiven  verben  ein  unpersönliches  gerundiv  gebildet  wer- 
den%  so  wird  dem  sehüler  die  saebe  nicht  reeht  klar  werden. 

Hier  mag  nun  aoch  in  dner  anmerkung  stehen«  dasz  die  verba 
vkr,  fruar,  fimgor,  potior  auch  ein  persönliches  gerundiyum,  aber 
nur  in  den  casibus  obliquis  (nicht  im  nominat.)  haben,  das- 
selbe schon  vorher  §  382.  anm«  2  zn  sagen  ist  nicht  nOtig.  dagegen 
ist  auszer  dem  hin  weis  auf  §  186.  anm.  2  die  bemerkunggewis  nicht 
Ubeiflttsaigi  dasz  diese  ferba  ursprttnglioh  den  accusatiy  nach  sich 
hatten,  die  sich  leider  weder  hier  noch  dort  findet  (der  fall  Cic.  de 
fin.  1, 3  «opMMfia  paranda,  frumäa  hebt  nnsere  ftssnng  der  regel 
niciht  an!  wenn  man  die  betr.  stelle  liest,  ist  es  sache  des  lehrm, 
sie  dem  scht&ler  zu  erkiftren.) 

In  §  340  wSre  vielleicht  den  verbis  evro,  do,  trade  u.  s.  f.  eine 
sazshi  deutscher  Zeitwörter,  vielleicht:  geben,  nehmen,  kommen, 
schicken,  überlassen  zur  leichtem  einprSgmig  hinznsnfttgen;  oder 
zn  si^gim,  also  bei  den  verben  des  beanftragens  und  abemshmens, 
um  anzugeben,  was  mit  dem  gegenstände  gesehehen  soll  (Oossran). 
dssz  sieb  öfter  dalttr  ad  c.  genmd.  finde,  wie  in  anm.  2  steht,  ist 
w^gsnlaasen.  die  wenigen  beispiele,  welche  liberhanpt  für  diesen 
fall  angeftthrt  werden  können,  beweisen  nur,  dasz  diese  constmetion 
lediglidi  dann  eintritt,  wenn  der  zweck  nachdrttdklich  hervorgehoben 
werden  soll,  oder  wenn,  vergl.  §  332,  3,  der  verbalbegriff  als  das 
hai^tsäclilichste  hingestellt  wird,  ist  nun  diefassung:  statt  des 
genmdiv  Iftszt  sich  öfters  auch  ad  c.  genind.  setzen,  fttr  die  schnl- 
grammatik  braachbar?  nein;  weil  geeignet,  den  schfilmr  im  zn 
fthren;  der  schlimmste  fehler  jedes  Schulbuchs. 

In  dem  capitel,  welches  vom  ablativns  absolutns  handelt, 
wflrde  sich  empfehlen,  die  fiUle,  in  denen  der  abl.  abs.  in  der  regel 
nicht  gesetzt  wird,  ebenso  zu  behandeln,  wie  die,  in  denen  er  regel 
ist,  da  sie  fOr  den  schttler  diesen  an  Wichtigkeit  gleichkommen,  es 
irire  also  hinter  §  326,  welcher  die  bedingungen  angibt,  unter  denen 
ein  abl.  abs.  gesetzt  wird,  sofort  ein  andever  paragraph  zu  setaen, 
weldier  mit  den  werten  b^g^innt:  der  abL  abs.  findet  dann  keine  an- 
wdung,  wenn  u.  s.  f.  iSaet  wir  werden  zunächst  untersuchMi  mfls- 
sai,  wie  weit  hier  die  regel  geht ,  und  ob  sich  nicht  ebenso  viel  am* 
aabneflUle  finden  als  regelrechte. 

Seyffert  behauptet  also  §  327^  anm.  2.:  die  constmeticB  findet 
la  der  regel  keine  anwendung  in  nebensätzen ,  deren  verbum  mit 
msai  prädicatsnomen  verbunden  ist ;  Lattmann  gerade  das  gegen- 
tiil  s.  183 :  'in  der  construction  des  abl.  abs.  tritt  anch  das  nominale 
prttdicat  in  den  ablativ.'  Zumpt  71,  7,  anm.  2  sagt:  ^beim  part. 
piBS.  geht  die  Übereinstimmung  der  casus  des  subjects  und  des  prä- 
dieats  selten  über  den  nom.  und  acc.  hinaus,  wenigstens  nicht  für 
die  gewöhnliche  spräche,  doch  findet  sie  sich  für  den  ablativ  na- 
mentlich in  ablativ is  absolutis  z.  b.'  Gossrau  endlich  s.  534  sagt: 
*zum  particip  tritt  oft  noch  ein  attributiver  begriff,  wie  ein  prädi- 


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28        Bemerkungen  zur  iat.  grammatik  von  Ellendt-Seyffert 

catsbegriff,  doch  ist  dies  selten  und  wird  oft  hart,  die  fälle  selbst 
auch  verschieden.'  (?)  wenn  wir  nun  die  bekannten  fälle  genauer 
betrachten,  so  stellt  sich  folgendes  als  regel  heraus:  da  sehr  leicht 
Zweideutigkeiten  durch  die  Verbindung  des  abl.  abs.  mit  einem  prä- 
dicatsnomen  entstehen,  so  wurde  diese  Verbindung  vermieden  und 
nur  dann  ausnahmsweise  angewendet,  wenn  kein  zweifei  über  den 
sinn  entstehen  konnte,  (auch  schon  im  §  160,  verba  mit  doppeltem 
acc,  iat  also  eine  bemerkung  einzuschalten:  der  doppelte  acc.  steht 
nicht,  wenn  Zweideutigkeit  entstehen  könnte,  z.  b.  ist  falsch  honum 
malum  iudicat.)  demnach  wäre  fOr  den  schüler  die  regel,  wie  sie 
Seyfifert  hat,  hinzastellen.  allein  68  schlidszt  sich  sofort  der  zweite 
fall  an. 

Nach  Seyflfert  darf  2)  der  abl.  abs.  nicht  gesetzt  werden  in 
nebensätsen,  deren  yerbum  noch  mit  einem  Substantiv  als  appositioo 
oder  mit  einem  appositionellen  adjectiv  verbunden  ist.  Lattnmn 
fahrt  dagegen  als  beispiele  an:  diäatare  habente  camüia  Caesare, 
Exankm  stante  PraenestkiOf  AUero  ex  iuvenihus  oh.nde  retento  ,  Dis 
patriae  uUoribus  poenas  repäentihus.  (Zumpt  hält  obside  fälschlich 
fQr  ein  prädicatsnomen.)  bei  Gossrau  §  136  iat  der  fall  überhaupt 
nicht  erwähnt,  auch  §  254, 3  handelt  nur  von  den  oben  besprochenen 
prädicatsnomen«  wir  bemerken  dies,  um  die  Wichtigkeit  (?)  der  sache 
für  die  schulgrammatik  anzudeuten. 

Leicht  ergibt  sich  auch  hier,  dasz  nur  ausnahmsweise  der  oder 
jener  schrifsteller  sich  diese  freiheit  gestattet  hat.  deshalb  ist  kein 
sehttler  berechtigt,  sie  nachzuahmen,  will  also  die  schulgrammatik 
dftTon  kenntnis  nehmen,  so  sage  sie,  indem  sie  beide  fälle  ganz  kon 
zusammenfaszt:  der  abl.  abs.  ist  nicht  gestattet  in  nebensätsen,  deren 
Terbum  mit  einem  declinierbaren  zusatz  versehen  ist. 

§  329  gibt  an,  dasz  substantiva  und  ac^eotiva  im  abl.  abs.  die 
stelle  der  participia  vertreten  können,  solche  snbstantiva  und  ad- 
jectiva,  heiszt  es  dann  weiter,  werden  mit  auslassung  des  bilfsverbum 
eaae  in  den  ablativ  gesetzt,  wenn  dies  richtig  ist,  so  darf  hier  eine 
hinweisung  auf  §  130  (prädicatsnomen)  nicht  fehlen,  aber  richtiger 
sagt  Znmpt  §  644:  'fttr  das  particip  k(Snnen  auch  gewisse  snbstaa- 
tiva  stehen;  welche  die  handlang  des  Terbi  aosdrOcken'  und  Latt- 
maan  s.  168,  präoiser  als  Seyffsrt,  es  kann  statt  des  part.  auch  ein 
prädieatiTes  sobstantiv  stehen.  Gossran  endlich  hält  die  er- 
gänanng  von  sum  für  unnötig,  da  die  bedehung,  die  das  part  von 
aum  noch  ausdrttcken  konnte,  hinreichend  in  dem  casus  liegt. 

fierUcksiehtigen  wir  die  schnlgrammatik,  so  ist  entschieden 
niehte  gefährlicher,  als  dem  8<Afller  öfter  an  sagen:  hier  ist  etwas 
zu  ergfozen.  denn  dieser  ausweg  ist  sehr  oft  aas  beqaemliohksit 
entsprangen,  im  gegenteil|  es  kann  dem  schlller  nicht  oft  genog 
gesagt  werden:  was  zam  Verständnis  nötig  ist,  das  besitst  die  latei- 
nische spräche  ansreidiend,  was  darttber  ist,  das  ist  vom  ttbeL  es  ist 
also  nichts  zu  ergänzen  und  nichts  überflüssig,  anch  hier  liegt  die 
erklftrang  1)  in  der  yerbalen  natnr  des  sabstantiv,  2)  in  der  be- 


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Bemerkangen  zur  lat.  graimnatiik  yon  EUendt-äeyffiart  29 

deutung  des  casus  an  und  für  sich;  in  den  mebten  fUlen  (verg!. 
§  196)  in  der  Zeitbestimmung  auf  die  frage:  wann?  die  regel  laute 
also :  statt  der  partidpia  können  auch  Substantive  gesetzt  werden, 
welche  eine  person  als  thätig  bezeichnen,  oder  adjecUva  (abl.  der 
Zeitbestimmung  u.  s.  f.,  vergl.  §  195),  und  dort  ist  hinzuzufügen: 
substantiva,  die  die  amtliche  würde  oder  die  altersstufe  bezeichnen, 
und  viele  a^jeetiTay  verbunden  mit  einem  Substantiv,  stehen  ebenfalls 
auf  die  frage:  wann?  oder:  innerhalb  welcher  zeit?  so  viel  über 
den  ablativus  absolutus ,  bei  dem  man  (vergl.  Caes.  b.  g.  5,  40)  in 
Versuchung  kommt ,  zu  fragen :  ist  das  ein  einfacher  abl.  der  zeit, 
des  grundes  u.  s.  f.  oder  ein  abl.  abs.? 

In  §  321  heisztes:  das  participium  conjunctum  kann  au^elOst 
werden  durch  causale,  condicionale,  concessive  conjunctionen-  nach 
dem  SU  §  263  bemerkten  wfirde  es  danach  in  §  317  genauer  heiszen 
mllssen:  die  partidpia  stehen,  wo  im  deutsohen  nebensfttze  des 
grundes,  der  bedingung,  des  zugestttndnisses.  aber.besser,  es  bleibt 
dort  ganz  weg,  da  §  320  sonst  dasselbe  bringt,  was  §  317  bereits 
gesagt  hatte. 

Ferner  aber  wftre  wol  der  ausdruck:  das  particip  wird  an- 
gewendet st  att  eines  ooigunctionalen  nebensatzee  (oder  relativsaties 
§  320)  und  kann  aufgelOet  werden  durch  eine  temporale  u.  s.  f* 
coigmietion  (gut,  guoe^  SIMnI),  im  interesse  der  schttler  zu  verftndem. 
was  heiszt  denn  aufgelöst  werden?  und  was  bedeutet  gar:  dnreh  eine 
ooignnotion.  der  sinn  ist  offenbar:  das  partidp  ist  ein  coiqunetional- 
oder  relatiTsatz,  oder  steht,  wo  im  deutschen  ooigunotional«  oder 
relativsStze  stehen,  demnaeh  laute  also  §  321 :  das  part  coignnetum 
steht  statt  emes  deutschen  eoigonctionaiien  nebensatses  der  zeit,  des 
grundes,  des  zugestSndnisses  nnd  der  bedingung,  oder  statt  eines 
relatiTsatses.  meinetwegen  werde  lunsngefllgt :  (indem,  während,  als, 
da»  nachdem  —  da,  weil  —  obiG^eieb,  ungeachtet,  trotzdem,  wenn 
such — wenn),  ob  aber  dem  schttler  ans  dem  deutschen  unterriehte 
die  betr.  coignnctionen  nicht  bekannt  sein  mfisteni  ist  noch  eine 
andere  frage. 

Wenn  m  §  316,  anm.  1  gesagt  würd:  arbUraim^  rahUf  um», 
«eräns,  fisus,  oonfisus,  diffisus^  müiüus  hfttten  nicht  selten  auch  die 
hedeutuDg  des  part.  praes.,  so  ist  das  eine  gewagte  behauptung. 
eme  genaue  beobachtnng  dttrfte  ergeben,  dasz  der  begriff  der  actio 
perfecta  auch  in  den  sdtenen  fUlen  diesen  partidpien  nicht  ab- 
zosprechen  ist.  anszer  den  darauf  folgenden  part.  perf.  einiger 
dsponentia  mit  passiver  bedeutung  waren  auch  die  part.  perf.  pass. 
coenatHSj  peius,  prarm»^  mraim  mit  activer  bedeutung  aus  §  85, 
siun.  4  hier  anzuführen. 

S  314.  Hauptregel:  $u%,  8%h%^  se  stehen  in  s&tzen  mit  dem 
«ee.  c.  in£,  in  abdchtssStzen,  abhängigen  fragesfttzen  und  ttberhaupt 
m  solchen  nebensitzen,  die  aus  dem  sinne  des  subjects  im  regieren- 
den Satze  gesprochen  sind,  zunttchst  ist  das  letzte  zuerst  zu  sagen, 
demi  es  ist  das  genus ,  das  vorhergehende  die  spedes,  die  ganz  weg- 


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30        BemeikuDgea  zur  lat.  jgrammatik  von  EUendt-Sejffert. 

"bleiben  könnte,  wie  wir  gleich  sehen  werden,  dann  aber  folgt  in 
einer  anmerkung:  in  folgesätzen,  sowie  in  zeitsätzen  mit  cum  wird 
is  gebraucht,  warum  steht  denn  das  in  der  anmerkung?  ist  es 
vielleicht  weniger  wichtig?  soll  es  als  eine  ausnähme  von  der  regel 
aufgefaszt  werden  ?  doch  wol  nicht,  es  gehört  also  in  die  hauptregel, 
unmittelbar  hinter:  gesprochen  sind,  das  in  anm.  2  gesagte:  'wo 
man  sonst  das  pronomen  is  (besser :  wenn  man  in  abhängigen  Sätzen) 
statt  des  reflexivum  findet,  ist  die  abhängigkeit  von  dem  gedanken 
des  subjects  des  regierenden  satzes  aufgegeben',  beweist  nur  indireet 
das,  was  wir  eben  angedeutet  haben,  dasz  nemlich  als  das  wichtigste 
voranzustellen  war:  aus  dem  sinne  des  subjectes  im  regierenden 
Satze  u.  s.  f.  wie  einfach  läszt  sich  dann  diese  dem  schüler  so 
schwer  einzuprägende  regel  hinstellen,  sie  lautet  (vergl,  zu  §  269): 
in  allen  aus  dem  sinne  des  regierenden  subjects  gesprochenen  ab- 
hängigen Sätzen  werden  für  dieses  die  pronomina  sui,  sihi,  se  gesetzt, 
alles  andere  bleibt  weg,  da  der  schüler  wissen  musz,  dasz  z.  b.  folge- 
sätze  nur  zeitsätze,  nicht  gedanken  des  regierenden  subjectes  enthalten. 

Da  nach  §  310  die  oratio  obliqua  von  einem  verbum 
sentiendi  oder  declarandi  oder  von  einem  diesen  verbis  gleich- 
bedeutenden ausdrucke  abhängt,  so  ergibt  sich  für  die  hauptsätze, 
die  eine  aussage,  behauptung,  erzählung  enthalten  (besser :  die  etwas 
enthalten  was  geschieht,  geschehen  ist,  geschehen  wird, 
nicht,  dasz  etwas  geschehen  soll)  von  selbst  der  acc.  c.  inf.,  auf  die 
regel,  die  dies  enthält,  §  291,  1,  und  2,  muste  also  hingewiesen 
werden,  noch  besser  ist  die  ganze  oratio  obliqua  mit  dem  acc.  c.  inf. 
vollständig  zu  verbinden,  oft  besteht  ja  die  ganze  oratio  obliqua 
aus  einem  einzigen  acc.  c.  inf.,  oder  conjunctivsatze,  für  den  man 
nur  den  ausdruck  cx  usu  nicht  anwendet,  oder  ist  cgo  ne  utüent 
quidem  arbifror  esse  nohis  futurarum  reriim  scientiam  keine  oratio 
obliqua,  weil  das  regierende  verbum  in  der  ersten  person  steht? 
oder  Caes.  b.  g.  6,  7:  liberum  se,  liberaeque  esse  civitatis ,  weil  M. 
kurz?  für  den  schüler  bilden  solche  Sätze  unbedingt  den  bequemsten 
Übergang  zur  oratio  obliqua. 

Ebenso  ergibt  sich  für  hauptsätze,  die  eine  aufforderung,  befehl, 
bitte,  rath,  wünsch  enthalten,  also,  dasz  etwas  geschehen  soll  oder 
geschehen  möge,  sofort  der  conjunctivus.  auch  hier  i^t  also  «ne 
hinweisung  auf  §  291,  anm.  1  geboten,  speciell  ist  dann  zu  dem  im- 
perativ und  conj.  hortativus  der  conjunct.  imperativus  hinfimifttgeii. 
auszerdem  aber  die  bemerkung :  meist  ohne  ut,  da  ja  die  genaimteil 
sfttse  zum  gröszten  teile  mit  tU  eingeleitet  werden  (wiederum  fttr  den 
schüler  als  Übergang  zur  oratio  obliqua  nicht  unbenatit  za  laBm* 
yergl.  Caes.  b.  g.  5,  34).  daran  schlieszt  sidi:  Terneint  mit  ne, 
dessen  fortsetzung  neve  ist.  so  wird  zunttdist  der  lange  snsatz  2 
überflüssig  und  die  sache  ansdianlidier,  weil  anf  bekanntes  snrttok- 
geführt. 

(sehlnts  folgt.) 

Spandau.  C.  Vbnbdigbb. 


* 


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I 


H.  Seyifert  und  B.  Habenicht:  p&laeatra  mumurum.  31 

PALAE8TRA  MU8ARUK.  XATBBIALIBN  ZUR  BDlOBima  DBR  OBWÖBR- 
LICHEBBN  JCBTBA  UHD  EBLBBttmiG  DBB  P0BTI80HEM  8PBA0RB 
DEBBÖUBB.  BBARBBITBT  VON  PROF*  DB.  MOBITZ  8BYPFBBT, 
FOBTOB8BTZT  TOB  DR«  RICHARD  BABBNIOBT.  BR8TBR  TBSL  : 
DBB  HEXAMETER  UND  DA8  DI8l4CHOll.   AOHTB  AUFLAOB.  Bm31% 

Terlag  «Ter  bncUiaiidlaiig  des  wabenliaiiie«.  1877.  X  u.  164 1.  gr.  8. 

Es  ist  uns  eine  aufrichtige  freude  den  werthen  collepen  im 
lieben  deutschen  reich  die  raitteilung  raachen  zu  dürfen ,  dasz  von 
dem  bekannten  'palaestra  musarura'  materialien  zur  einUbuni<  der 
gewöbnVicberen  metra  usw.  des  unvergeszlichen  prof.  >foritz  Seyffert 
nunmehr  der  erste  teil,  den  hexaineter  und  das  di^tichon  umfassend, 
in  neuer,  der  8.  aufl.,  erschienen  ist.  wer  mit  dem  ref.  die  ansieht 
teilt,  dasz  der  prosodische  Unterricht  auf  dem  ^'vmnasium  nur  dann 
ersprieszlich  und  für  das  ganze  gymnatialer  bildung  nutzbringend 
gegeben  werden  kann,  wenn  regelmäszige  Übungen  im  versiticieren 
damit  verbunden  sind  und  ihm,  sei  es  auch  in  mäszigem  umfange  be- 
trieben, bis  in  die  obersten  classen  hinauf  folgen,  der  wird  sich  schon 
der  bloszen  thatsache  herzlich  freuen,  dasz  das  schöne  büchlein, 
dieser  hauptsächlichste,  wo  nicht  einzige  trüger  und  Vermittler  drr 
betreffenden  Übungen  an  der  mehrzahl  der  gymnasien  Deutschlands, 
abermals  erschienen  ist.  doppelt  erfreulich  ist  es  aber,  dasz  die  ver- 
ehrliche Verlagshandlung,  buchhandlung  des  Waisenhauses  in  Halle, 
in  der  person  des  hm.  dr.  Habenicht,  Oberlehrer  am  gymnasium  zu 
Plauen  in  Sachsen,  einen  neubeaibeiter  gefunden  hat,  wie  er  glück* 
lieber  wol  kaum  hätte  gedacht  werden  können. 

Hr.  Habenicht  ist  durch  seine  inhaltreiche  abhandlung  'probe 
eines  neuen  gradus  ad  Purnassum',  die  dem  Zittauer  programm  von 
1859  beigegeben  ward,  und  anderes,  namentlich  durch  seine 'grund- 
zuge  der  lat.  prosodie  und  metrik  usw.*,  die  schon  längst  in  2r  aufi. 
erschienen,  neuerdings  auch  in  das  italienische  übersetzt  worden 
sind  (principi  di  prosodia  e  metrica  latina  etc.  Padova  1874),  als 
gewissenhafter  und  fieisziger  forscher  auf  diesem  sonst  wenig  An- 
gebauten gebiete  bekannt,  so  durfte  man  von  vorn  herein  erwarten, 
dasz  durch  ihn  des  seligen  Seyffert  werk  eine  zweckentsprechende 
lerision  und,  wo  nötig,  wirkliche  bereicherung  und  besserung  er- 
fi|]iK0n  würde,  und  in  der  that  ist  der  gewinn ,  den  durch  ihn  das 
badi  erfahren,  gar  nicht  unbedeutend,  ja  viel  gröszer  als  man  auf 
dBR  ersten  blick  wol  meinen  sollte,  denn  obwol  der  hr.  verf.  in  an- 
Mkeim«n8we)rther  pietät  zunftohst  und  im  äuszem  nur  wenig  hat  Ba- 
dem wcdlen,  also  dasz  z.  b.  die  gruppierung  des  Stoffes  durchweg 
imd  dieser  selbst  in  der  haupteache  derselbe,  auch  die  Seitenzahl  des 
bnches  miFer&ndert  geblieben  ist,  so  hat  doch  im  einselBeB  oft  gentig 
geludert  werden  müssen,  sollte  anders  endlioh  auch  hier  nnd  in 
diesem  sonst  so  braoehbaren  werk  mit  dsm  prosodlselieii  sehlendriaa 
«uunsl  gründlich  anfgerftumt,  alles  seltene,  späte  nnd  darum  nicht 


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32  M.  Seyö'ert  und  R.  üabeuicht:  palaefltra  musaruzp. 

nachahmenswerthe,  alles  inelegante  in  bau  und  behandlung  der 
spräche  und  des  verses  endgiltig  beseitigt  werden. 

Eine  genaue  vergleichung  der  neuen  aufläge  mit  der  frühern 
zeigt  über  70  stellen,  wo  geändert  werden  muste,  damit  der  aufbau 
des  verses  im  einklang  mit  den  strengeren  prosodischen  regeln,  wie 
sie  neuere  forschungen  fordern  und  wie  sie  insbesondere  denn  auch 
in  Habenichts  'grundztigen'  aufgestellt  worden  sind^  geschehen 
könnte,  und  zahlreiche  andere  änderungen,  namentlich  auch  in  den 
anmerkungen ,  betreÖ'eu  grammatisches  und  lexicalisches  beziehent- 
lich die  Orthographie. 

Es  würde  zu  weit  führen  einzelnes  hier  zu  besprechen  und  ist 
wol  bei  anzeigen  dieser  art  im  allgemeinen  wenigstens  nicht  üblich,* 
zudem  wird  jeder,  der  das  büchlein  in  gebrauch  zu  nehmen  Veran- 
lassung hat,  den  unterschied  leicht  finden,  doch  dürfen  wir  ahbti- 
sonders  verdienstlich  wenigstens  folgendes  wol  hervorheben. 

Dem  0  der  verbalen  und  nominalen  endung,  wo  es  ohne  not 
und  gegen  die  regel  kurz  gebraucht  erschien,  ist  sein  recht  geworden 
durch  eine  solche  Umgestaltung  der  werte,  die  die  silbe  in  richtiger 
quantität  anzuwenden  erlaubte  oder  das  wort  ganz  entfernte,  die 
sogenannte  positio  debilis  ist  als  minder  gut  entfernt,  auch  die  folge 
eines  mit  zwei  consonanten  oder  einem  doppelconsonanten  anlauten- 
den Wortes  in  fällen,  wo  die  endsilbe  des  vorhergehenden  Wortes 
kurz  bleiben  sollte,  nicht  gestattet  worden,  das  pro  in  Zusammen- 
setzungen hat,  wie  das  re,  seine  rechte  behandlung  erfahren  (vgl. 
grundzüge  §  6,  a  und  c),  nicht  minder  das  it  in  den  aufgelösten 
formen  des  perf.  der  composita  von  ire.  entfernt  ist  die  inelegante 
diärese  z.  b.  siiäve  und  cmi,  das  falsche  eucülus  ist  endlich,  und  zwsr 
in  nicht  weniger  als  10  stellen,  dem  richtigen  eucülus  gewieben, 
wie  anderswo  acüleiLS  dem  acüleus.  endlich  hat  hr.  Habenicht  durch 
ein  anderes  arrangement ,  beziehentl.  wähl  anderer  werte ,  dafür  ge- 
sorgt, dasz  nicht  der  schüler  sich  gezwungen  sehe ,  gelegentlich  ein- 
mal eine  elision  falsch  anzuwenden,  einen  dreisilbigen  ausgang  iin 
Pentameter,  einen  viersilbigen  im  hexameter  sich  zu  erlauben,  wenn 
nim  noeh  dazu  konunt,  dasz  auch  der  grammatik  und  dem  lexicon 
in  nicht  wenig  fallen  zu  ihrem  rechte  Terholfen  worden  ist,  so  dasz 
z.  b.  nicht  mehr  centupla  (wofCUr  ja  nur  centumplex  und  centuin- 
plicatus  sich  findet)  ein  sive  yeniat,  formen  wie  Laertis  und  Haje 
(für  Laert^e  und  Mai)  oder  gar  der  der  coxg.  imperf.  nach  postquam 
parallel  mit  dem  indicativ  perf.  oder  plusquamperf.  vorkommen 
n  3,  46,  80  wird  die  warme  anerkennung,  die  wir  am  Schlüsse  un- 
serer Zeilen  dem  yerdienten  neubearbeiter  auszusprechen  uns  ge- 
drangen fühlen,  gewis  gerechtfertigt  erscheinen  und  nicht  minder  der 
wünsch,  es  möge  sich  recht  bald  eine  gelegenheit  für  hm.  Habenicht 
finden,  aaeh  dem  landesüblichen  und  leider  jetzt  wol  noch  weniger 
als  ehedem  entbehrlichen  gradus  ad  Pamassom  endlich  einmal  auf 
die  beine  zu  helfen. 

Cbbmnitz.  Stbaobb* 


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W.  Geaenius:  hebräisches  und  chaldäischea  handwörterbuch.  33 

irilfBBLM  OBSSNIUS,  HBBRÄISOHBS  UXD  OHALDÄIBOHSS  HAND- 
WÖBTSBBUOB  ÜBIB  DAB  ALTB  TBBTAIIBMT.  AOHTB  ÄOVLAOS, 
HBV BBABBSITKr  TOH  F.  MÜHLAV  UND  B.  VOLOK,  ORDENTLICHE 
PROFESSOREN  DER  THEOLOGIE  IN  DORPAT.    ERSTE  HÄLFTB  (fit  BIB 

rvtffta)*  Leipog,  F.  C.  W.  VogeL  1S77.  s.  1-512.  lez.-8. 

Habent  sna  fata  libeUi.  so  manches  treffliche  werk,  welches  für 
die  entwicklung  der  Wissenschaft,  der  es  diente,  von  weit  tragender 
•bedentnng  gewesen  ist,  hat  das  Schicksal  gehabt  den  Schriften  spS- 
terer  autoren,  die  auf  dem  neugewonnenen  boden  weiter  arbeiteten, 
welchen  sn  mtlssen  nnd  nach  mehr  oder  weniger  kurzem  dasein  nnr 
nocb  der  geschichte  ansngehören  nnd  nur  noch  in  der  'litterarischen 
einleiton^  angeftthrt  zn  werden« — Ein  besseres  loos  ist  dem  ^hebrfti* 
sehen  nnd  chiddttischen  handwSrterbnch  über  das  alte  testamrat*  von 
Wilhelm  Oesenins  gefall^,  im  jähre  1815  erschien  es  zum 
ersten  male  unter  dem  titel  'nenes  hebrSisch-deutsches  handw9rter- 
bnch'  (Lpz.  1815),  als  auszug  ans  dem  gröszeren,  1810 — 12  publi- 
cierten  ^hebräisch-deutsches  handw5rterbuch  über  die  schrifttti  des 
alten  testaments'  (dessen  zweite  aufläge  der  jeden  forscher  bekannte 
und  werthvolle  tbesaurus  ist  [1829 — 1858]).  schon  die  zweite  auf- 
läge, vom  jähre  1823,  trug  den  noch  jetzt  beibehaltenen,  in  der  Über- 
schrift dieser  anzeige  angegebenen  titel.  die  letzte  vom  Verfasser 
selbst  veranstaltete  aufläge  war  die  vierte  (1834).  die  fünfte  auf- 
läge (1857),  welche  erst  15  jähre  nach  Gesenius  tode  erschien ,  ist 
gleich  der  sechsten  (1863)  und  siebenten  (1868)  von  dem  durch  seine 
'abhandlungen  für  semitische  Wortforschung'  (Lpz.  1844)  und  'ab- 
handlungen  zur  hebräischen  grammatik'  (Lpz.  18  46)  rühmlich  be- 
kannten Marburger  prof.  FranzEd. Chr.  Dietrich  bearbeitet,  so 
sehr  nun  auch  anzuerkennen  ist,  dasz  der  genannte  gelehrte  in  sehr 
vielen  einzelheiten  Gesenius  Wörterbuch  berichtigt  und  bereichert 
hat,  so  konnte  doch  schlieszlich  auch  ein  milder  beurteiler,  wenn  er 
nur  der  neueren  litteratur  aufermksam  gefolgt  war,  sich  nicht  ver- 
hehlen, dasz  das  buch  mit  der  Wissenschaft  nicht  gleichen  schritt  ge- 
halten hatte  und  hielt,  und  das  war  um  so  mehr  zu  beklagen,  als 
das  inzwischen  erschienene  werk  von  Julius  Fürst  ^hebräisches 
und  chaldäisches  handwörterbuch  über  das  alte  testament'  (erste 
aufläge  1851 — 61,  zweite  aufläge  18G3)  neben  manchem  brauchbaren 
material  auch  eine  fülle  etymologischen  wüstes  brachte,  der  die  köpfe 
der  studierenden  zu  verwirren  nur  zu  sehr  geeignet  war.  *  es  ist  da- 

*  da  Pfints  w^Tterhaeh  steTeotypiert  war,  so  konnte  dieser  grund« 
fsUer  in  der  drillen  von  dr.  Viclor  Ryssel  besorgten  aufläge  (Lpsg. 

1876)  leider  nicht  beseitigt  werden,  der  licrausgeber  konnte  im  texte 
nur  viele  einzelne  irrtümer  und  flüchtigkeitsfehlcr  verbessern  und  muste 
alle  nicht  mit  hinzufügnng  oder  änderung  weniger  buchstaben  abzu- 
nischenden  'nachträge  und  berichtigungen'  in  einen  besondern  anbang 
terweisen  (hd.  II  s.  6X9—666),  besiglieh  der  elymologieen  »her  sieh 
«of  einige  «Hgemeine  udenlODgen  hescbrttnken  (U  6S9  ff.)*  der  anhang 

R.Jdirli. r.pliiL«.pid.  ILftbt.  IS78.  nn.  1.  3 


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34  M.  Duncker:  aus  der  leii  Friedrichs  d.  gr.  und  Friedr.  Wilhelms  IIL 

her  sehr  erfreulich ,  dasz  der  hr.  Verleger  des  Geseniusscheu  Wörter- 
buchs eine  gründliche  Umarbeitung  desselben  beschlossen  und  damit 
zwei  einander  befreundete,  in  derselben  stadt  wirkende  gelehrte  be- 
traut hat.  für  die  kraft  eines  einzelnen  wäre  —  man  denke  an  die 
grosze  menge  notwendiger  kenntnisse  in  sehr  verschiedenartigen 
föchern  —  die  arbeit  zu  schwierig  oder  doch  jedenfalls  zu  zeitraubend 
gewesen. 

Ferd.  Mühlau  machte  sich  bekannt  besonders  durch  heraus- 
gäbe  von  Friedr.  Bö tt eher s  'ausführliches  lehrbuch  der  hebräi- 
schen spräche'  (Lpz.  1866 — 68).  schon  vorher  verfaszte  er  eine  gute 
geschichte  der  hebräischen  Synonymik  (zeitschr.  d.  deutschen  morgenl. 
gesellsch.  XVII  [1863]  s.  324  ff.);  später  publicierte  er:  de  pro- 
yerbiomm  quae  dicuntur  Aguri  et  Lemuelis  origine  atque  indole 
(Lpz.  1869);  auszerdem  ist  er  eifriger  mitarbeiter  anEd.  Biehms 
treffliehem  *liaiidwOrterbiie!L  des  biblischen  altertums'  (1875  ff.).  — 
Prof.  W.  y  olck  [H.  auf  dem  titel  ist  druckfehler]  schrieb  auszer  xwei 
nnlTersittttsprogrammeii  Aber  Daniel  und  Hiob  besonders  einen  ans- 
fnhrlieben  commentar  zum  83n  cap.  des  deateronominms  (der  segen 
Moses,  Erlangen  1873).  lesenswerth  ist  andi  sdne  rede:  *die  be- 
dentnng  der  semitiscben  pbilologie  für  die  alttestamentliehe  ezegeae^ 
(2e  aufläge ,  Dorpat  1874). 

Bef.  bat  die  bis  jetzt  Torliegenden  82  bogen  an  zablreiehen 
stellen  geprüft  und  überall  spuren  der  bessernden  tbStigkeit  der 
beiden  harren  beransgeber  bemerkt,  eine  aasfBhrlicfae  besprecbniig 
der  neuen  aaflage  des  Geseninsschen  wOrterbnebs  denkt  er  nach  dem 
ersebdneii  der  noch  fehlenden  zweiten  hftlfte  zu  geben  imd  dabei 
andi  auf  eine  reihe  von  dnzelheiten  einzugehen,  fttr  jetzt  wollte  er 
nnr  seine  frende  darttber  aussprechen,  dasz  das  buch,  durch  welches 
unsem  T&tem  und  uns  selbst  das  Studium  des  alten  testaments  er- 
möglicht wurde,  auch  der  jetzt  lernenden  jugend,  dank  seiner  nea- 
gestaltung  durch  Mfiblau  und  Volck,  ein  zweckmSsziger  führer  sein 
kann  und  wird. 


sei  der  beacbtung  der  fachgenossen  bestens  empfohlen,  für  studierende 
ist  das  bucli  —  was  wir  ang^esichts  des  groszen  von  brn.  dr.  R.  auf  die 
neubearbeitung  verwendeten  fleiazes  nur  mit  bedaaem  aussprechen  — 
nach  wie  vor  angeeignet. 

Bbblin.    Hebmamn  L.  Stbaok. 

6. 

AUS    DER    ZEIT    FRIEDRICHS    DES    GROSZEN    UND    FRIEDRICH  WIL- 
HELMS III.    ABHANDLUNGEN  ZUR  PREU8ZISCHEN  GESCHICHTE  VON 

MAX  DUNCKER.  Leipzig,  Duncker  u.  Humblot.  1876.  580  b.  gr.  8. 

Man  ist  gewohnt,  die  bedentung  Max  Dunckers  als  historiker 
darein  zo  setzen,  dasz  er  als  geschicbtschreiber  des  altertums  zuerst 
die  resultate  der  orientalistiscben  forschnngen  sieh  angeeignet,  die 
gesehichte  der  orientalischen  reiche  in  einem  gewissen  pragmatischen 


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If.  Ihm^er:  tarn  der  zeit  FriedrichB  d.  gr.  und  Friedr.  WiUiebiiB  IIL  35 

susammenliuige  daxgestellt  und  das  interesse  fllr  dieselbe  in  einer 
art  dadnroh  erhöht  hat,  welche  hinter  dem  interesse  für  die  grie- 
ehisobe  geschichte  nieht  mehr  allza  weit  sardckbleibt  adne  alte  ge- 
sohiehte  beseiohnet  daher  mehr  oder  weniger  genaa  den  stimd 
unseres  Wissens  in  folge  der  freien  anl^Rssmig  der  semitisehen  ge- 
schidite  tind  in  folge  der  vertiefong  unserer  kenntnisse  von  den 
Indo-Europ&em.  seit  er  indessen  die  nrsprOnglidh  mehr  Tom  gebiete 
der  Philosophie  der  geschidite  aasgegangenen  Torlesongen,  ans 
denen  sein  werk  über  die  alte  historie  entstand,  durch  die  aneig- 
nnng  so  mannigfacher  Stadien  belebte  nnd  befrachtete,  wandte  er 
sich ,  Ton  der  deutschen  politik  unmittelbar  ausgehend,  gleichzeitig 
der  neueren  gesdiichte  su.  nur  aus  seinen  nachforschungen  in  den 
preussischen  ardiiven,  deren  Oberleitung  ihm  eine  seit  lang  oblag, 
insbesondere  aber  aus  der  benutrong  des  geheimen  Staatsarchivs  su 
Berlin,  ist  die  uns  vorliegende  sdirift  hervorgegangen,  sie  wShlt 
ihre  Stoffe  aus  einem  zeitrtram,  mit  dessen  bearbeitung  wir  Bänke, 
G-.  A.  Droysen,  Sybel  und  neuerdings  auch  Hommsen  beschSftigt 
sahen  und  dessen  politische  litteratur  auch  von  Bruno  Bauer  mit 
grossem  fldsze  gesammelt  sein  soll,  die  bedeutnng  der  archivarischen 
£»rschungen  der  Berliner  liegt  auf  der  band,  so  hat  Mommsen  auf 
eine  nicht  gewöhnliche  weise  den  anfang  des  culturkampfiBS  mit  bezug 
auf  die  katiiolische  kirche  schon  unter  Friedrich  II  entwickelt,  von 
Friedrich  II,  fOr  den  immer  noch  sehr  viel  zu  thun  ist,  gieng  Droysen 
und  wol  andi  Duncker  su  Friedrich  Wilhelm  III  über,  weil  auch  fdr 
diesen  sidi  partien  der  geschichte  ergaben,  deren  diplomatische 
grundlage  noch  voUstSndig  der  aufklftrung  bedurfte  und  deren  rich- 
tiges Verständnis  wegen  ihres  niflieren  Zusammenhanges  mit  der 
gegenwart  fttr  die  jetzige  politik  nötig  war. 

Dunckers  abhandlungen  aus  der  zeit  Friedrichs  des  grossen 
sind  *eine  flugschrift  des  kronprinsen  Friedrich*  (considörations  sur 
l'^t  prteent  du  corps  politique  de  FEiarope),  *die  schlacht  von 
EoUin*  und  'die  besitzergreifang  von  Westpreuszen'.  der  erste  auf- 
sats  beseitigt  fOr  immer  eine  banale  auf&ssung  jener  schrift,  in 
welcher  ein  werk  der  feinsten  berechnung  nachgewiesen  wird,  der 
dritte  greift  noch  sehr  bedeutend  in  die  jetzige  politik  ein.  bei  dem 
zweiten  ist  dies  am  wenigsten  der  fall  und  es  handelt  sieh  dabei  um 
eine  blosse  frage  der  gesofaiehte  des  siebeigShrigen  krieges,  aber  um 
einen  ttuszerst  streitigen  punct  derselben,  wir  gehen  auf  diesen  anf- 
sats  besonders  ein,  weil  wir  Dnnkers  ansidit  zu  stützen  im  stände  sind. 

Es  handelt  sich  in  bezug  auf  die  schlacht  bei  Koiin  darum, 
dasz  Friedridi  sehr  ausgezeichnete  anordnungen  getroffen,  dieselben 
aber  wfthrend  der  schlacht  vergessen  und  Moritz  von  Dessau  ge- 
zwungen haben  soll,  zu  frtth  und  an  unrechter  stelle  anzugrei^, 
wodurch  dann  auch  die  schönen  erfolge ,  die  das  nun  ohne  unter- 
stütsnng  gebliebene  regiment  Hülsen  schon  erreicht  hatte,  wieder 
verloren  giengen.  vergl.  besonders  Duncker  s.  56.  57.  81.  82.  100. 
die  hauptsftdhlich  zur  entsdiuldigung  fOr  Moritz  von  Dessau  erst 

3* 


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36  ILBoncker:  aus  der  zeit  Friedricbs  cL  gr.  und  Friedr.  Wilhelms  III. 

später  aufgestellte  auffassung  bestreitet  Duncker.  indem  er  die 
älteren  Zeugnisse  über  die  Schlacht  bei  Kollin  mit  groszer  voUst&n- 
digkeit  sammelt,  hat  er  das  von  Gleim  übersehen,  welches  rec.  schon 
1872  nach  einer  unvollständigen  abschrift  veröffentlichte,  jetzt  aber 
in  verbesserter  gestalt  nach  dem  original  hier  nochmals  abdrucken 
läszt.  Gleim  schrieb  aus  Halberstadt  den  2ö  juli  1757:  *Die  Nach- 
richten von  der  Schlacht  beiCollin  will  mit  vielen  Umständen  aus  den 
Berichten  der  hier  seyenden  Officiere  des  Hülsenschen  Regiments, 
und  des  Herrn  Dohmdechanten  vermehren,  der  König  ist  im  heftigsten 
Kartätschfeuer  gewesen  und  hat  sich  leider  all  zu  viel  gewagt.  Em 
Unterofficier  Mühlberg  von  Hülsen  hat  gesehen,  dasz  ein  Österrei- 
chischer Cürassier,  den  Säbel  in  der  Faust,  auf  ihn  losgejagt,  aber 
zween  Dragoner  haben  sich  so  lange  mit  ihm  herumgetummelt,  biss 
sie  ihn  zwischen  sich  geklemmet,  und  ihn  vor  des  Königs  Augen  vom 
Pferde  gehauen.  Sind  sie  nicht  wenigstens  Rittmeister  geworden,  so 
möchte  ich  sie  kennen,  um  mein  Glück  mit  ihnen  zu  theilen.  Des 
Königs  Plan  zum  Gewinne  der  Schlacht  mit  wenigem  Volk  ist  nicht 
weniger  fürtrefflich  gewesen  als  der  bei  Prag;  aber  die  Hitze  des 
rechten  Flügels,  oder  vielmehr  des  Prinz  Moritz,  der  den  feind- 
lichen linken  nicht  hat  angreifen,  sondern  erwarten  sollen,  biss  er 
auf  ihn  von  den  Bergen  stürzen  würde,  nachdem  der  feindliche  Rechte 
in  der  Flanke  geschlagen  wäre,  und  einige  Cavallerieregimenter,  die 
nicht  zu  rechter  Zeit  eingehauen,  sondern  Ordre  dazu  erwartet  haben, 
sind  Schuld,  dasz  Friedrich  auf  einmal  hat  weichen  müssen.  Alle,  die 
bei  der  Schlacht  gewesen,  versichern  einmüthig,  die  Unsrigen  hätten 
sich  zu  der  gewonnenen  Schlacht  glück  Gewünscht,  so  weit  wären 
sie  hinter  den  feindlichen  Batterien  gewesen.'  das  übrige  lautet  im 
original  ebenso  wie  der  brief  schon  in  der  schrift  'Friedrich  der 
grosze  und  die  deutsche  litteratur'  s.  226  —  227  nach  einer  älteren 
abbchrift  abgedruckt  war  und  kann  daher  hier  übergangen  werden, 
vergl.  auch  Lessing,  Wieland,  Heinse  s.  198.  dieser  bericht  stimmt 
mit  den  meisten  der  zahlreichen  von  Duncker  zusammengestellten, 
auch  mit  der  aussage  Friedrichs  des  groszen  selbst  überein.  er  kam 
allerdings  von  keinem  militär.  sein  werth  liegt  darin,  dasz  er  bereits 

37  tage  nach  der  schlacht  bei  Kollin  geschrieben  wurde,  er  enthält 
die  aneichten  von  Hülsens  officieren.  auszerdem  beruht  er  auf  der 
auesage  des  domdechanten  von  Spiegel,  der  als  'Schlachtenbummler', 
wie  man  jetzt  sagen  würde,  am  18  juni  in  Kollin  gewesen  war  und 
bei  seinen  vielfachen  Verbindungen  jedenfalls  die  ansielit  einer  oder 
deraadenftürstlichen  person  aus  dem  braunschweigischeUf  anhalüni- 
sehen  oder  preuszischen  hause  kannte,  offenbar  weisB  aber  Spiegel  und 
Gleim  mehts  von  der  Friedrieh  compromittiereiideB  anfAMumng  des 
Terlanfes  der  schlacht.  die  worte :  'der  kSnig  hat  sich  leider  allsu  viel 
gewagt'  bemehen  sich  nur  anf  das,  was  MttUberg  über  dessen  lebene- 
gefshr  erzfihlt  hatte.  Mtthlbergs  angäbe  Uber  die  lebensge&hr  des 
königs  ist  mis  anderweitig  noch  nicht  begegnet,  wie  wichtig  für  die 
kriegsgescAichte  die  znrllekweisnng  der  rechtfertigmig  des  prinzen 


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K.  Fries:  dr.  Johann  Christoph  von  Held.  37 

Moritz  durch  Duncker  war,  kann  man  danach  ermessen,  dasz  diese 
Verunglimpfung  Friedrichs  sogar  in  Ludwig  Hahns  preuBzische  ge- 
schichte  (3.  aufl.  s.  330)  übergegangen  ist.  dennoch  würden  wir 
Gleims  zeugnis  nicht  hervorgehoben  haben,  wenn  nicht  behauptet 
wäre ,  dasz  Duncker  hier  in  der  vertheidigung  des  küuigs  zu  weit 
gegangen  sei. 

Auf  die  arbeiten  über  die  zeit  Friedrichs  II  folgt  zunächst  der 
aufsatz  Treuszen  während  der  französischen  occupation'.  Preuszen 
wurde  nach  Duncker  (s.  282)  durch  seinen  frieden  mit  Frankreich, 
den  es  am  9  juni  1807  abschlosz,  blosz  als  zwischenmacht  oder 
"barriöre  zwischen  den  beiden  weitmächten  Frankreich  und  Russland, 
die  sich  nun  die  band  reichten,  wieder  aufgerichtet,  aber  erst  nach 
Unfällen  der  Franzosen  vom  juli  und  august  1807  in  Spanien  erhielt 
Preuszen  eine  art  eigener  existenz  zurück,  indem  sie  Preuszen  räum- 
ten (s.  288).  wie  wenig  aufrichtig  es  Napoleon  mit  Russland  geraeint 
hat,  zeigt  sich  in  seinen  Verhandlungen  über  seine  zweite  Verhei- 
ratung, durch  welche  er  die  auflösung  der  Schwierigkeiten  bei  seiner 
bewerbung  um  die  Schwester  Alexanders  nicht  abwartete ,  sondern 
die  in  Russland  gethanen  schritte  alsbald  ostentativ  benutzte,  um 
in  Wien  sich  um  eine  erzherzogin  bemühen  zu  hönnen  (s.  325).  in 
dem,  was  Duncker  dann  überdie  weitere  entwicklung  der  Verhältnisse 
unter  Friedrich  Wilhelm  III  sagt,  berührt  er  dieselben  gegenstände, 
die  seitdem  bekanntlich  auch  wieder  in  Rankes  biographie  von 
Hardenberg  behandelt  sind,  besonders  interessant  war  uns  s.  464. 
465.  468.  469,  auch  dasz  Friesen  so  weit  unter  den  diplon&aten  be- 
aohtung  fand,  wie  aus  s.  496  hervorgeht. 

Alsdann  folgt  der  aufsatz  ^eine  milliarde  kriegsentschädigung, 
welche  Preuszen  Frankreich  gezahlt  hat.'  daran  schlieszt  sich  'die 
mission  des  obersten  von  dem  Knesebeck  nach  Petersburg.'  wir 
stimmen  auch  hier  der  auffassung  Dunckers  vollkommen  zu  und 
empfehlen  das  ganze  trefQicbe  buch  auf  das  wttrmste. 

BbUOM.  •   HbUVRIOB  PnÖHLS. 


7. 

DR«  JOHAmi  OHRIBTOPH  VOM  HBLD«    BIH  L1BBR8BILD.    VO»  KABL 
VRIB8  m  BATKBUTB.  BR8TB  ABTBILimO  1874  40      BWBITB  AB- 
TBILUBG  BR8TB  HXzJTB  1876.  $7  B.  ZWBfrB  hXxJTB  187«.  68  ■.  4. 

Geboren  ZU  Nürnberg  von  bürgerlichen  eitern  am  21  dec.  1791, 
gebildet  auf  den  Universitäten  zu  Heidelberg,  Leipzig  und  Erlangen, 
bat  J.  Chr.  Held  nach  kurzer  bescbäftigung  als  hauslehrer  in  Mün- 
chen eine  anstellung  am  gymnasium  zu  Bayreuth  gefunden  und  ist, 
da  ein  ruf  nach  Frankfurt  a.  M.  abgelehnt,  der  gewünschte  lehrstuhl 
an  der  Erlanger  hochschule  nicht  erreicht  wurde,  bis  zu  seinem 
hohen  alter  bU  lefazer  und  später  such  als  leiter  an  jenem  gymnasium 
thätig  gewesen,  das  bild  dieses  am  21  märz  1873  abgeschlossenen 
lebens  hat  professor  Fries  mit  piettttsvoUem  sinne  entworfen. 


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3d  K>  Fries:  dr.  Johann  Christoph  Yon  Held. 

Denn  mehr  ein  entwurf  als  ein  fertiges  bild  wird  uns  geboten, 
zwar  erfahren  wir  genau,  welche  stellen  und  ämter,   welche  titel 
und  erden  Held  empfieng,  aber  manche  wichtigere  künde  vermissen 
wir.  die  äuszeren  Verhältnisse,  unter  welchen,  die  grundsätze,  nacli 
welchen  Held  als  schulmann  wirkte,  werden  uns  mitgeteilt:  aber 
wie  diese  principien  unter  den  obwaltenden  umständen  durch  Heids 
lebendige  persönlichkeit  verwirklicht  wurden,  wie  Held  als  lebrer 
auf  dem  katheder,  wie  er  als  erzieher  im  verkehr  mit  der  jugend 
sich  gab,  davon  erfahren  wir  nichts,  wir  lesen,  dasz  Held  in  Heidel- 
berg unter  Boeckh,  in  Leipzig  unter  Hermann  studierte :  aber  ob  er 
mit  diesen  lehrern,  den  grösten  philologen  seiner  zeit,  noch  später 
in  Verbindung  blieb,  darüber  findet  sich  keine  andeutung".  tiber- 
haupt  fragt  man  vergebens,  ob  denn  Held  mit  auswärtigen  gelehrten 
in  gar  keinem  verkehr  stand,  etwa  Döderlein,  Roth  und  Nägelsbacli 
ausgenommen,    aus  einem  briefe  Döderleins  (11  2,  26)  müssen  wir 
auf  Heids  ausgebreitete  belesenheit  sohlieszen :  aber  von  seiner  lec- 
türe  in  einem  so  langen  leben  sehen  wir  nur  die  bxiefwechsel  zwi- 
schen Goethe  und  Schiller,  Goethe  und  Zelter,  Voss  und  Jean  Paul, 
Hamanns  und  Jacobis  briefe,  das  litterar-historische  werk  von  Ger- 
vinus,  Schuberts  Selbstbiographie,  die  biographieen  von  Perthes  und 
Niebuhr,  endlich  Bankes  reformationsgeschichte  und  Mommsens 
römische  geschieh te  angegeben,  und  doch  stand  dem  verf.  durch 
die  familie  Heids  ^alles  Material'  zur  verftlgung,  und  die  (II  2,  65) 
mitgeteilte  probe  aus  einem  Vahre  lang'  fortgeseteten  tagebuch  zeigt» 
welche  umfassende  konde  von  Heids  lectüre  daraus  zu  schöpfen  war. 
wie  wichtig  bei  einem  vorwiegend  receptiven  geiste  diese  künde 
sdn  musz,  leuchtet  ein.  aus  einem  briefe  von  Creuzer  an  Held  (I  12) 
ergibt  sich ,  dasz  dieser  die  via  regia  zur  kenntnis  der  alten  littera- 
tur  eingeschlagen  hat;  denn  'das  zusammenhängende  Lesen  der 
Alten  selbst  —  das  ists  was  den  wahren  Philologen  macht',  aber 
von  80  aasgedehnten  studien  Heids  erföhrt  der  leser  weiterhin 
wenig;  nur  Pindar,  Sophokles,  Euripides,  Plato,  Isokrates  nnd  Dio- 
dor,  Terenz,  Vergil,  Horaz,  Cicero  und  Tacitus  werden  genannt, 
und  natürlich  Plutarch  und  Caesar,  die  im  mittelpnnote  des  Held- 
sohen  studienkreises  standen. 

Caesars  commentarien  über  den  bürgerkrieg  und  sp&ter  aaeh 
jene  ttber  den  gallischen  krißg  hat  Held  bekanntlich  mit  deutschen 
anmerknngen  wiederholt  herausgegeben,  auch  mit  dem  gedanken 
an  eine  gesamtausgabe  Plutarchs  hat  er  sich  getragen,  erschienen 
sind  nur  die  biographieen  des  Timoleon  und  Aemüios  Paullus  mit 
lateinischem  commentar,  ferner  einige  gelegeaheitssdiriften  Aber 
denselben  stofif.  von  diesen  ausgaben  gilt  aber,  was  von  jener  des 
Platonischen  Eriton,  Alkibiades  I,  Laohes  nnd  der  apologie  DOder- 
lein  geurteilt  hat,  dass  'die  Zahl  der  grammatisclien  Koten  zu  gross  ■ 
ist.  Held  arbeitete  gewissenhaft  nnd  nmstSndlich;  bei  der  heraus* 
gäbe  gewann  er  es  dann  nicht  über  sich,  das  erarbeitete  dnrdi 
prflgnaate  fiissnng  des  notwendigen  und  sdionnngslose  Streichung 


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K.  Fxiee:  dr.  Johann  Ghiigtoph  Ton  Held.  89 

des  entbehrlichen  in  eine  knappe  form  sa  bringen,  übrigens  ist  die 
ausgäbe  Caesars  noeh  heute  brauchbar,  zwar  iSszt  die  spttrliehe  be- 
handlung  der  realien  nicht  einen  sdiükr  von  Boeckh ,  die  uunetho- 
dische  kritik  nicht  Hermanns  jünger  ahnen ;  aber  die  grammatiBChe 
und  stilistische  erUftrang  yerrathen  den  gediegenen  spraohkenner 
und  den  erfahrenen  lehrer.  die  abhandlungen  ttber  die  Elektra  nnd 
Antigene  des  Sophokles  zeigen  Held  auch  als  meister  jener  art  von 
ezegese,  welche  passend  die  generische  genannt  worden  ist 

Üeber  den  Zusammenhang  dieser  und  der  anderen  gelegenheits- 
aohriffcen  Heids  mit  seinen  jeweiligen  Stadien  dberhaopt  wünscht 
man  andi  einige  andentongen  zu  finden,  allerdings  scheint  der 
Yorf.,  namentlidi  gegen  das  ende  seuier  schrift,  darcb  die  beschrttn- 
kong  des  raumes  been^  gewesen  zu  sein,  aber  er  konnte  rautn 
gewinnen,  wenn  er  die  an? erhlltnismiszige  ausdehnnng  der  jagend- 
gesddchte  Heids  entsprechend  begrenite,  die  mehrftichen  «ussüge 
ens  redseligen  recensionen  über  Heids  Schriften  wegliess  and  aof 
mitteihmgen,  die  nicht  in  den  rahmen  des  lebenslSldes  gehören, 
yenichtete.  was  über  den  Nürnbergs  Sprachlehrer  Pensenknffer 
ersfthlt  wird,  den  man  aaszer  den  onterrichtsstanden  nar  aof  ein- 
samen spasiezgBngen  sah,  wobei  aof  seinem  hate  eine  zahme  taube, 
*der  PenzenkväersiBhe  heilige  Geist*,  zn  sitzen  pflegte;  femer  Über 
die  enÜassangsgescfaichte  des  professors  Bezzel  in  Bayreuth  wegen 
einer  ftoszerong  über  Kotaebues  Ermordung,  Über  manche  schal- 
yerhsltnisse  und  politische  dastünde  ^  das  ist  zwar  interessant, 
würde  »aber  eher  in  ein  zeitbild  als  in  ein  lebenslnld  sich  emfSgen 
and  hfttte  wenigstens  gekürzt  werden  sollen. 

Dagegen  hat  sich  der  YvrL  durch  mSglichst  ausgedehnte  mit- 
teilungoi  aus  dem  briefwedisel  zwischen  Held  and  Düderlein  be* 
sonderen  dank  yerdient,  obsdion  Held  gerade  dadurch  mehr  in  den 
schatten  gestellt  wird,  das  geringste  dabei  ist  es,  dasz  die  yom  yerf. 
erregte  erwartnng  in  den  briefen  Heids  nicht  ganz  erfüllt  wird,  so 
wird  (H  2,  66)  die  'beneideiwwerthe  Beigabe  yon  Humor,  die  seinen 
ümgang  so  angenehm  machte'  rühmend  heryorgehoben:  aber  wo 
bleibt  dieser  humor  in  der  yierzig  jähre  umfassenden  oorrespondenz 
mit  DOderlein?  mit  DOderlein,  der  doch  wirklich  für  humor  empfibig- 
lieh  war  und  selbst  den  liebenswürdigsten  humor  in  seinen  briefen 
an  Held  spielen  liesz.  Held  wird  kaum  ein  mal  humoristiach,  wenn 
er  (H  2,  42)  erzililt,  dasz  ihm  sein  *siel»ehnter  Enkel  —  ist  aber 
«nkeUn  —  geboren'  worden,  und  beifügt:  *wenn  wir  beide  einmal 
mit  unserer  gesanounten  Desoendenz  uno  loco  beisammen  wpi  konn- 
ten, welche  Ehrwürdigkeit  würde  unsere  Häupter  umstcahlenP  — 
Wir  leinen  aas  dieser  oorrespondenz  Heids  biederes,  reines  und  auf- 
opfernd thstiges  wesen  achten,  aber  nnwiderstehlidi  fesselt  uns 
Döderlein.  in  lange  beengt  yon  dem  drocke  eines  beschrankten  ein- 
kemmens  und  yon  bnreaukratisoher  beyormnndnng  scheint  Held 
troti  echten  fhmilienglückes  und  freudiger  berufserfiillang  doch  nie 
jeae  befiriedigung  erreicht  zu  haben,  ctie  nur  ans  dem  frohen  ge- 


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40 


K.  f^ries:  dr.  Johann  Cliristoph  von  Held. 


fühle  und  der  freien  entfaltung  aller  kraft  erblüht,  ganz  anders 
Döderlein :  in  ihm  ist  sprudelnde  Originalität  und  genialität.  während 
Held  nach  dem  semesterschlusz  noch  lange  nicht  mit  seinen  amt- 
lichen Schreibereien  zu  ende  ist,  predigt  ihm  sein  allzeit  fertiger 
freund  (II  2,  49):  'Wenn  ich  in  irgend  etwas  Vorbild  sein  kann,  so 
ists  darin,  wie  man  Leichtsinn  ohne  Gewissenlosigkeit  übt'.  treflTend 
vergleicht  Döderlein  seine  redeweise  mit  der  seines  freundes,  indem 
er  an  Held  schreibt  (II  1,  22):  'mir  kommt  es  vor,  als  wenn  Deine 
Klarheit  und  Bestimmtheit  des  Gedankens  und  dessen  ernste  Ver- 
folgung gegen  mein  Herumspringen  und  Witzeln  und  meine  Pseudo- 
gedankenblitze  gewaltig  absticht.  Mein  Stil  .  .  kömmt  mir  neben 
dem  Deinen  vor  wie  ein  Springbrunnen  neben  einem  Bach.  Ich 
denke  bei  diesem  Gleichniss  mehr,  als  Du  ihm  auf  den  ersten  Fleck 
ab-  und  ansiehst,  mache  mich  auch  anheischig  es  auszuführen', 
bescheiden  vergleicht  Held  seine  Schillerreden  mit  Döderleins  be- 
rühmter festrede  auf  Schiller  (II  2,  51):  'Natürlich  ist  der  Kreis,  in 
welchem  ich  mich  bewege,  viel  beschränkter,  der  Ton  meiner  Stimme 
viel  schwächer,  der  Standpunkt,  von  dem  aus  ich  die  Dinge  be- 
trachte ,  viel  niedriger  gestellt ;  aber  gefreut  hat  mich's  doch ,  dasz 
ich  in  einem  und  dem  andern,  sonst  meines  Wissens  noch  nicht  aus- 
gesprochenen Gedanken  doch  ziemlich  nahe  mit  Dir  zusammen- 
getroffen bin',  bedeutender  und  wahrhaft  charakteristisch  ist  die 
Parallele,  welche  Döderlein  zwischen  sich  und  Held  als  redner  zieht, 
nachdem  er  die  schulreden  seines  freundes  im  manuscript  gelesen 
hatte;  sie  verdient  hier  ganz  mitgeteilt  zu  werden.  Döderlein 
schreibt  (II  2,  30):  'Vor  Allem  mein  Erstaunen,  dasz  Du  solche 
Beden  aus  dem  Ermel  schütteln  kannst.  Fast  nirgend  eine  Correc- 
tnr,  alles  von  Haus  aus  normal  und  in  seiner  Art  vollkommen.  Da 
arbeite«!  fiigienta  ealamo,  ich  eluctante,  wie  ich  auch  im  Reden  nioh 
dem  Vorbild  des  Kaisers  Tiberius  eluctantium  verbonim  bin.  Daher 
besinne  ich  mich  nach  jeder  Periode,  was  nun  flir  eine  komme,  wie 
sie  beginnen,  sieh  ansdsbnen  nnd  lauten  soll,  wShrend  Dieb  der  Ge* 
danke  fortreisst.  Damm  sind  anob  unsere  Beden  awar  gleich  vor- 
trsfili^,  aber  grandfenobiedeii,  nnd  ich  wfinaehte  sie  von  einon 
geeeheiien  Mann  parallelisirt  zu  sehen,  etwa  so:  H.  entwickelt  den 
Gedanken  voUstlndig,  D.  nimmt  einen  Anlauf  nnd  wenn  man  denkt, . 
jetzt  ktamts,  so  ist  er  schon  damit  fertig  nnd  geht  an  etwas  anderem 
Uber.  H.  hat  plus  Incis,  D.  plos  luminom.  H.  will  mehr  belehren 
nnd  Zeugniss  geben ,  D.  denkt  an  den  Bffeot  nnd  sucht  besonders 
den  Halbgebildeten  zu  gefallen:  H.  will  disertos,  D.  feeundus heissen. 
'Es  Beden  sind  zu  limg,  D.  besitst  die  Haupttagend,  auf  das  Sitz- 
fleisch des  Publicums  Bttidniofat  zu  nehmen.  Wenige  Mensohen 
haben  die  Kraft  und  Lust,  l&nger  als  Stande  zi|znhOren.  Doch 
ist  das  BUjzwther]  PubHoum  Tielleicht  durch  H.  gewOhnt  oder  Ter- 
wOhnt.  H.  spricht  meist  ein&di  und  wenn  er  sich  erhebt,  wahrhaft 
poetisch ;  D.  ist  womOg^di  immer  pathetisch,  gravitätisch,  geht  oft 
auf  Stelzen,  und  wenn  er  fliegt,  ist  es  ein  rhetorisches  Flatteni,  kein 


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K.  Fries:  dr.  Johann  Ounstopli  von  Heid.  41 

po«Ü8clier  ilug.  H.  seheai  es  nicht,  bisweilen  in  den  didactischen  Stü 
sa  verfallen  und  sogar  lateinieche  Oitate  einsuweben,  D.  Ittsst  sieh  das 
letstore  nie  sn  Schulden  kommen ;  er  citirt  lieber  untren  de  allsntren'. 

Wisaenecbaiftliche  fragen  werden  in  den  briefen  nidit  eiOrtert. 
fttt  alle  sebreiben  sind  siemlicb  knrs,  nur  bie  und  da  werden  sdinl- 
pUiie  und  ferordnnngen  der  scbulbebörden  ansfllbrlieberbespioebeii. 
doeh  erbSli  man  in  Döderkins  arbeiten  «nen  klaren  einbliek,  da 
bei  ibm  stndinm  und  litterarisebe  prodnetion  unserirennlicb  Ter- 
banden  enebeinen.  wir  kOnnen  in  den  briefen  dam  ersdieinen  der 
sieben  abteilnngen  des  grossen  etjmol<^gisob-fl7non7misehen  Werkes 
wir  bOran  von  den  bandbttidiem  der  Synonymik  und  der 
etymoiogie,  von  der  ausgäbe  des  Tacitus«  dem  dreibbidigen  Home* 
risofaen  grosser,  einer  ttbersetinng  auogewftblter  Demostbeniseher 
rsden,  von  der  Ubertrsgung  der  Germania  des  Tadtns  und  der 
Boraiisshen  episteln  und  sstuen  mit  erlftnterungen,  der  bearbeitnng 
Ton  Heindorft  ausgäbe  der  satiren  des  Horas  und  dasn  etwa  Ton 
einem  dntwnd  gymnasial-  und  universitfttsprogranunen.  inzwisdben 
bewegte  siöb  Heids  litterarisebe  thiltigkeit  in  dem  oben  beseidmeten 
famse  und  umfiuste  ausserdem  nur  noob  einige  scbulscbrilten. 

Die  musikaliscben  oompositionen,  welcbe  der  für  tonkunst  bocb- 
begabte  Held  in  dieser  seit  yerOffentliobte,  waren  niobt  sablreieh  und 
können  nicht  in  eine  reibe  mit  den  litterarisohen  werken  gerückt 
werden,  allerdings  weisen  sie  auf  ein  von  BOderlein  nicht  angebautes 
fSdd  der  thtttigkait  bin.  aber  Heids  unermttdlieher  fleiu  ist  ja  ohne- 
bin ftber  jeden  sweifel  erhaben ;  Döderlein  schreibt  einmal  (II  2, 38) : 
*hk  habe  Dich  im  Verdadit,  dass  Du  für  unsere  Jahre  su  fiel 
arbdtest  und  Dir  su  wenig  Erholung  gOnnst'.  offenbar  widmete 
Held  der  schule!,  fUr  die  er  als  lehrer,  ak  vorstand  des  gymnasiums 
und  einer  gewerbeschule,  endlich  als  mitglied  des  kreiaicholarchata 
wiri^te,  ein  grosseres  mass  von  seit  und  knft  sls  sein  leichter  leben» 
der  freund,  aber  ihm  fthlte  auch  DOderleins  geniale  pcoductiyitftt. 
denn  dass  Held  gleiche  freude  am  prodncier^  hatte,  lehren  seine 
eigenen  worte  an  Döderlein  (II  1, 13) :  ^Hamann  sagt:  *Wa8  für  eine 
Last  ist  es,  ein  Antor  su  werden,  und  wie  ist  es  möglich ,  dass  wir 
ehugen  Ehigeits,  Eitelkeit  oder  Lust  darin  finden  können?^  und  hat 
doch  bis  ans  Ende  seines  Lebens  die  Lust  behalten,  immer  wieder 
Autor  SU  werden.  Idi  denke,  es  geht  uns  Beiden  ebenso,  ich  habe 
auch  schon  wieder  Plfine.'  die  einzige  grössere  reise,  die  Held  ge- 
msdit  hat,  lieferte  gleich  den  stoff  su  einem  buch:  Briefo  aus  Paris 
gesehriebeii  in  den  Monaten  Sept.  OeL  Nov.  1830. 

Wie  rasch  Döderiein  prodiiderte  und  pnbliderte  Usst  sieh  ans 
einsm  beispiel  besonders  deutlidi  erkennen,  am  1  juli  1837  schreibt 
er  (n  2 ,  19)  an  Held:  ^Lass  Dir  Tadti  Dialogum  empfohlen  sein, 
sin  MeisteEstack'.  man  hört  aus  diesen  werten  die  freude  an  der 
neaen  bekanntsohaft  Döderleins  heraus*  iter  schon  am  28.  August 
^selben  jabres  (U  2,  21)  schreibt  er:  *Wenn  Du  was  schönes 
Hypereiceronisnisdies  lesen  willst^  so  Ues  Tadti  Dialogum«  Die  lat. 


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42 


K»  Fhes:  dr.  Johann  Chzistoph  Ton  Held. 


Literatur  hat  nichts  schöneres,  nil  Tacito  dignius.  Ich  denke  an  eine 
Edition.'  Döderlein  scherzt  selbst  über  seine  federfertigkeit;  von 
vielen  briefstellen  mag  hier  nur  eine  (II  2,  51)  stehen:  'Erschrick 
nicht!  Schon  wieder  ein  opus  von  mir,  die  jüngsten  Kinder  meiner 
Laune  (um  an  Kotzebue  sei.  zum  Plagiator  zu  werden),  die  zu  er- 
zeugen leichter  sind  als  zu  lesen',  freunde  Döderleins  mochten  bis- 
weilen Übereilung  ftlrchten;  so  erzählt  er  selbst  (II  2,  45),  dasztiber 
seine  bekannte  Interpretation  von  Hör.  sat.  II  8,  15  maris  expers 
'Freund  Nägelsbach,  homo  conservativissimus,  die  Hände  über  den 
Kopf  zusammenschlug  und  fast  eine  Wette  vorschlug,  dasz  ich  vor 
Jahresfrist  100  fl.  geben  würde,  wenn  ichs  ungeschrieben  machen 
könnte',  auch  Held,  der  im  lobe  wie  im  tadel  als  gleich  aufrichtigen 
freund  sich  bewährte,  bat  manche  etymologische  combination  oder 
synonymische  distinction  oder  kritische  conjectur  Döderleins  un- 
umwunden abgelehnt,  dieser  pflegt  darüber  zu  scherzen,  einmal  sagt 
er  (II  2,  51)  druckfertig  liege  ^ein  griechisches  Vocabular,  das  ich 
Deiner  Verachtung  nicht  besonders  zu  empfehlen  brauche',  mit 
gutem  humor  klagt  er  ein  ander  mal,  (II  2,  43) :  'Es  ist  ein  wahrer 
Fluch,  der  mich  verfolgt,  dasz  ich  statt  immerfort  zu  lernen,  immer- 
fort lehren  will ,  auf  Kathedern  und  in  Druckereien'.  Aber  schon 
früher  hat  er  dem  freunde  erklärt  (II  1,  18) :  'was  ich  nicht  wieder 
lehren  muss  oder  kann,  das  gelüstet  mich  auch  nicht  zu  lernen'. 

Kritische  urteile  Über  werke  der  litteratur  sind  in  dem  brief- 
wechsel  nicht  gar  häufig.  Held  spricht  mehr  über  neuere  bücher  ; 
doch  findet  man  keine  sonderlich  tiefen  oder  schlagenden  äusze- 
rungen.  so  bezeichnet  er  beispielsweise  (II  2,  21)  Bankes  refor- 
mationsgeschichte  kühl  als  'ein  ehrliches,  inhaltreicbes  buch  von 
grosser  bedeutsamkeit  auch  für  unsere  zeit'.  Döderlein  lebt  und 
webt  in  den  alten;  um  Montaigne  zu  charakterisieren,  nennt  er  ihn 
(II  1,  15)  'bisweilen  naiv-obscön  wie  die  Alten  z.  B.  Plato'.  doch 
imponiert  auch  bei  Döderlein  mehr  das  lebendige  eindringen  in 
wenige  meisterwerke  als  eine  ausgebreitete  belesenheit,  deren  schein 
er  gar  nicht  erstrebt,  als  Held  seinem  misfSUigwi  urteile  über 
Isokrates  entgegentritt,  gesteht  er  (II  1, 17) :  *Ich  kenne  denXBokrates 
nur  aus  dem  Panegyrikoa'.  indem  er  Terenz  ab  einem  'der  ungrosa- 
artigsten  unter  den  Alten'  beseiehnet,  seist  er  hinsn  (II  2»  20): 
«Oder  thu  ich  ihm  nnxeäit,  weil  ioh  nur  drei  Stücke  von  ihm  ordent- 
lich kenne?'  eine  erheiternde  episode  ist  es,  wenn  DOderlein  (II  1, 19) 
ttber  eine  steUe  bei  *Gaee.B.0«  V,20'  auftdiliisz  erbittet,  der  heraua« 
geber  des  Oster  aber  die  betreffenden  werte  'nicht  finden  kann',  da 
sie  ^falsch  citirt'  sind,  worauf  BSderlein  antwortet:  'Die  firagliehe 
SteUe  steht  Caes.  B*  G.  V,  19  extr.  also  ziemlich  nahe  an  Y,  20'. 

Es  ist  ein  ernstes,  edles,  wirksames  leben,  dessen  bild  deryerfl 
gezeichnet  hat.  yemüszt  der  betiachter  in  diesen  auch  naanohan 
feinem  zug,  so  kann  dies  doch  die  ireude  an  den  vom  yerf.  vor- 
gelegten umrissen  und  ausführungen  nicht  stören. 

WüBZBüBe.    Adam  fiuasiiBE. 


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Zu  Klopetocks  biiefireokuel. 


43 


S. 

Zü  KLOPSTOCKS  BRIEFWECHSEL. 


In  den  'briefen  von  und  an  Klopstock%  welche  J.  M.  Lappen- 
berg goaammelt  und  dr.  Weiland  1867  herausgegeben  hat,  dürfte 
sich  der  gesamte  für  den  litterarhistoriker  nötige  apparat  cn  einer 
Specialforschung  Uber  Klopstock  und  seine  zeit  finden,  die  Samm- 
lung ist  besonders  werthvoll  durch  das  hinzukommen  von  118  bis- 
her nngedmckten  briefen  und  durch  den  abdruck  von  briefen ,  die 
in  nur  schwer  zugänglidben  druckwerken  oder  teilweise  schon  ein- 
gegangenen Zeitschriften  sn  finden  sind,  so  ist  denn  die  stattliche 
zahl  Ton  217  briefen  entstanden,  welche  wir  dem  sammlerfleisze 
Lappenbergs  yerdanken.  eine  sehr  dankenswerthe  zugäbe  sind  die 
anmerknngen  Weilands,  welche  nnr  selten  persönliche  besiehangen 
nnbertthrfe  lassen,  gerade  diese  erlSatenmgen  haben  uns  anlass  ge- 
geben, aof  einen  brief Wechsel  Klopstooks  mit  Fnnk  aufmerksam  zu 
machen,  der  swar  nidit  sehr  lebhaft  war  —  es  sind  nnr  drei  briefe, 
darunter  nnr  einer  yon  BUopstock  — ,  aber  doch  rerdient  hfttte,  in 
die  sammlnng  aufgenommen  zu  werden,  wenn  er  auch  schon  ge- 
druckt ist.  zu  nr,  219  nemlich,  einem  briefe  Klopstooks  an  Karl 
Friedrich  Cnuner  vom  20  oct  179d,  worin  es  heisst :  *Ich  sehe  jetzt 
einen  sehr  TerdienstToUen  Franzosen,  der  mir  und  anderen  aus  mei- 
nen Oden  sehr  gut  vorliest.  Er  macht  mir  das  Vergntigen  Funk  zu 
heiszen.  Dieses  sind  uns  beyden  liebe  Erinnerungen',  bemerkt 
Wefland  s.  588 :  'das  vergnügen  Klopstooks  bestand  darin,  dasz  er 
durch  diesen  namen  an  einen  ehemaligen  Kopenhagener  fireund, 
Gottfried  Benedict  Funk,  erinnert  wurde,  der  einige  zeit  hauslehrer 
bei  J.  A.  Gramer  gewesen  war  und  als  rector  der  domschule  und 
consistorialrath  zu  Magdeburg  1814  starb.' 

Gottfried  Benedict  Funk,  am  29  nov.  1734  zu  Hartenstein  ge- 
boren, gehörte  wtthrend  seines  aufenthalts  in  Kopenhagen  dem  krdse 
von  angesehenen  dichtem  und  litterarisch  thfttigen  mftnnem  an, 
welcher  sich  1761  gebildet  hatte,  er  war  1756  der  einladnng  des 
ihm  befreundeten  ho4[»redigers  Joh.  Andreas  Cnmer  gefolgt,  teils 
um  als  lehrer  und  erzieher  in  dessen  familie  zu  wirken,  teils  um 
sdne  uuversititsstndien  namentlich  die  theologischen  fortzusetzen 
ond  zu  beenden,  sehr  bald  wurde  Fnnk  in  die  litterarische  be- 
w^gong  hineingezogen  und  beteiligte  sich  an  der  von  Gramer  ge- 
grltaideten  Wochenschrift  Mer  nordisdie  aufseher'.  auch  ftr  die  von 
H.  W.  von  Gentenberg  von  1786  an  herausgegebenen  'briefo  Uber 
sierkwflrdigkeiten  der  litteratnr*,  welche  gewöhnlich  als  *8chle6wig- 
Bche  litteraturbriefe'  bezekhnet  werden,  lietote  Funk  einen  beach- 
tenswerthen  au&atz  über  Gottscheds  probe  einee  deutsch  gramnwti- 
Uischen  wMecbudies.  Funks  aufbnthalt  in  (^Mners  banse  wihrte 
bl769,  in  welchem  jähre  er  als  subrector  an  die  domschule  zu 
Magdeburg  berufen  wurde.  1772  wurde  er  rector  der  domsdinle« 


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44 


Zu  Kiopstocks  bziefwechsel. 


1785  ernannte  ihn  der  könig  zum  consistorialrath.  der  um  die  blüte  Ij 
und  das  gedeihen  des  Schulwesens  so  hochverdiente  mann  starb  mm 
18  juni  1814  zu  Magdeburg.  » 

Der  briefwechsel  zwischen  Klopstock  und  Funk,  welcher  in  l 
G.  B.  Funks  schriften  (Berlin  1820.  1821)  II  231  —  248  abgedruckt  i 
ist,  föUt  in  das  jabr  1758.  am  18  nov.  war  Meta  gestorben.  Funk  Ii; 
sandte  dem  trauernden  freunde  ein  wort  des  trostes  und  Klopstock  m 
dankte  ihm.  Funk  schrieb  dann  noch  einen  längeren  brief ,  welcher  H 
für  die  Charakteristik  Metas  wichtig  ist.  wir  glauben,  dasz  wir  uns  Ii 
den  dank  der  litteraturfreunde  erwerben,  wenn  wir  die  briefe  lul 
dieser  stelle  zvaa  abdrock  gelangen  lassen«  V 

1.  Funk  an  Klopstock.  I 

Kopenhagen,  den  6.  December  1156,  1 

Was  laam  ich  schreiben?  Ich  will  nicht  Ton  Dem,  was  yoitilMt  I 
ist.  Sie  mOssen  meinen  Antheil  wissen.  —  Aber  was  ist  iSrnm 
gegen  Sie!  Könnte  ich  nur  Ihretwegen  mhig  sein!  Wie  bange  ist  B 
mir!  Meine  Seele  schwankt  zwischen  zwej  Oedanken,  bald  anf 
was  dahin  ist,  bald  anf  Sie,  nnd  verweilt  sich  bey  Ihnen:  Dettl 
jenes  ist  Uber  nnsre  Sorge  erhaben.  KOnnte  ich  nnr  einen  ]d«m«V 
TheU  Ihres  Knnuners  Termindem,  damit  wOrde  ich  noch  jetst  dbt 
Wünsche  eines  Engels  erftillen!  —  Liebster  Frennd,  wollen  2kw 
nicht  sn  uns  kommen?  Bleiben  Sie  ja  nicht  an  einem  Orte,  wo 
alles  nm  nnd  nm  an  Dinge  erinnert,  die  ohnediesz  allzn  tief  in  Bui  V 
Seele  eingegraben  sind.  W 

Gott  bemhige  Sie!  Gott  stärke  Sie!  Gott  segne  Sie!  vieUekMf 
ist  mein  irdischer  Geburtstag  Ihr  himmlischer  gewesen,  der  neaff 
nnd  zwanzigste  November.  Sie  haben  ihn  nicht  genannt  Wie  oft» 
waren  an  dem  Tage  meine  Gedanken  bey  Ihnen !  W 

Könnte  ich  mich  nur  anf  einige  Weise  um  Sie  verdient  machest  I 
Denn  wer  verehrt,  wer  liebt  den  S&nger  des  Messiaa,  den  Christen,  1 
den  IVennd  —  den  Verlobten  des  verklärten  Engels  mehr  als  I 

Funk.  I 

2.  Klopstock  an  Funk.  I 

Hamburg,  den  12.  December  1768. 

Ihr  Ausdruck,  mein  liebster  Funk ,  dasz  ich  der  Verlobte  eines 
Engels  bin  (vielleicht  meines  jetzigen  Schutzengels,  denn  darum  bat 
ich  Sie  zuletzt),  oder  vielmehr  dieser  stisze  Gedanke,  hat  mich  sehr 
erfrischt.  Mein  letzter  Brief  an  Gramer  ist  auch  fttr  Sie  gewcBen, 
und  also  will  ich  nichts  davon  wiederholen.  Ich  habe  Gramer  ge- 
beten, mir  ihn  abschreiben  zu  lassen.  Wollten  Sie  wohl  der  Al>- 
Schreiber  sein,  nnd  mir  ihn  bald  schicken?  Danken  Sie  unserm 
lieben  Gramer  für  seinen  Brief,  und  seiner  Gharlotte  für  ihre  Tbrä- 
nen  um  meine  Meta.  —  Wenn  mein  Bruder  in  die  Stadt  kömmt,  so 
sagen  Sie  ihm ,  dasz  ich  mich  wohl  befinde ,  und  dasz  mir  meine  ob- 
gleich ruhigen  aber  grösztentheils  schlaüosen  Nttdite  fast  nichts  i 


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Zu  Klopstoeks  biiefweehseL 


45 


geschadet  haben.  Gott  sey  auch  dafür  gepriesen.  Von  meinem 
Brader,  yon  Basedow  und  Ba vielen  will  ich  auch  Briefe  haben. 
Gramem  schreibe  ich  heute  nicht,  aber  ich  bitte  ihn,  nicht  zu  ver» 
gfessen,  mir  seine  Meinung  über  die  Absichten  Gottes  bej  dieser 
Prüfung  zu  sagen.  Schreiben  Sie  mir  bald  wieder,  mein  liebster 
Funk.  Ich  bin  der  Ihrige  Klopstock. 

3.   Fnnk  an  Klopstock. 

Kopenhagen,  den  18.  December  1758. 

Wie  gütig  ist  mein  liebster  Klopstock«  da»  er  seinem  F.  das 
^ebmtlthige  Vergnügen  macht,  sich  mit  ihm  von  seinem  Verloste 
zu  unterhalten  1    Was  für  einen  edlen  Werth  giebt  es  seinem 
Freunde  in  seinen  eigenen  Augen ,  dasz  er  durch  seinen  Brief  einen 
Stral  von  Heiterkeit  in  Klopstocks  Seele  gebracht  hat!   Sie  wollen, 
liebster  Klopstock ,  ich  soll  bald  wieder  säureiben.   Wie  könnte  ich 
es  nur  einen  Tag  auÜBcbieben,  ein  so  süszes  Verlangen  su  erfttllenl 
Was  ist  ein  Brief  gegen  das,  was  ich  für  Sie  thun  wollte,  wenn  es 
in  meinem  Vermögen  stände!    Ich  preise  Gott  mit  Ihnen,  liebster 
Freund ,  für  die  Babe,  mit  der  er  Ihre  Seele  begnadigt.   Aber  doch 
werde  ich  Ihretwegen  nicht  ganz  auszer  Sorgen  seyn ,  bis  ich  ver- 
sichert bin,  dasz  sich  Ihr  Körper  der  Erquicknng  des  Schlafes  wieder 
fiberläszt,  die  er  jetzt  verschmäht.    Wovon,  mein  liebster,  wovon 
soll  ich  mit  Ihnen  reden  ?  Ich  kann  nur  von  Einer  Sache,  wenn  ich 
ein  Recht  auf  Ihre  Aufmerksamkeit  haben  will ;  und  diese  ist  sehr 
s&rtlich.  Wie  soll  ich  Ihre  verwundete  Seele  sanft  genug  berühren, 
um  Ihnen  keinen  Schmerz  zu  vemrsachen?    Ich  will  es  versadien. 
Ich  will  dtti  Anlasz  aus  Ihrem  eigenen  Briefe  nehmen.  Sie  erinnern 
Oramer,  Ihnen  seine  Gedanken  über  die  Absichten  Gottes  bey  einer 
80  auszerordentlichen  Prüfung  mitsatheilen;  und  ob  es  mir  gleich 
nicht  in  den  Sinn  kommen  kann  zu  glauben,  ich  könnte  etwas  sagen, 
das  Sie  nicht  selbst  schon  vollkommen  wfiszten  und  empfilnden:  so 
däucht  mir  doch,  Betrachtungen  von  dieser  Art,  müssen  Ihrem 
Berxen  jetat  so  natürlich  und  angenehm  seyn,  dasz  ich  nichts  Be- 
quemeres XU  wählen  weisz.  Hier  haben  Sie  einige  meiner  Gedanken. 
Sie  war  reif  zu  ihrer  Geburt  ins  Leben  der  Engel.    Schon  Ubugst 
suchte  sie  ihre  ganae  Glückseligkeit  in  Liebe  und  Erkenntnis«,  den 
einzigen  Quellen,  woraus  Engel  ihre  Wonne  schiefen.   Die  Gnade 
ihres  himmlischen  Vaters,  der  sie  so  bald  der  ünsterbHohkeit  wttrdig 
achtete,  ohne  sie  erst  duidli  vieler  Jahre  Leiden  an  prüfen,  ist  sicht- 
bar gross  gegen  sie  gewesen.   Ohne  Zweifel  sah  Er,  dass  sie  wa 
folgsames  gehorsames  Kind  wttre;  ein  Kind,  das  sich  durdi  lauter 
Liebe  und  Qflte  von  ihm  leiten  liesz.   Denn  wie  glttoUieh  war  sie 
nicht  in  den  lotsten  Jahren  ihres  Lebens,  und  ftst  bis  an  die  Stunde 
Huer  Veridlrangt  Ihr  einziger,  bester,  liebster  Freund,  ihr  Schutz-  > 
SBgel  auf  der  iSrde,  wie  ihn  ihr  von  der  sttrtliciisten  Liebe  gegen 
ibn  Qberfliessendes  Herz  noch  in  ihren  lotsten  Augenblicken  nannte. 


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46 


Zu  Klopstocks  briefwechsel. 


war  ihr  alles ,  was  sie  hier  wünschte.  Er  empfand  es ,  und  machte 
sie  glücklich.  Und  ihr  Andenken  wird  seine  gröszte  irdische  Glück- 
seligkeit seyn,  so  lange  er  noch  hinter  ihr  zurückbleibt.  Mitten 
unter  diesen  heitern  Tagen,  ging  sie  in  die  unendlich  gröszere  Herr- 
lichkeit ihres  Vaters  und  ihres  Erlösers  ein;  und  ihr  Abschied  wird 
von  vielen  Edlen  beweint,  die  sie  liebten,  und  sich  jetzt  mit  der 
Hofliiung  aufrichten,  sie  einst  wieder  zu  sehen.  Nur  in  den  Stunden 
der  Auflösung  fühlte  sie  das  Leos  der  Sterblichkeit.  Aber  (der 
Gott  der  Barmherzigkeit  sey  dafür  gelobt)  nicht  länger,  als  die 
Sonne  ihren  täglichen  Lauf  wenige  Mal  vollendet.  —  Und  diese 
kurzen  Leiden,  in  welchen  sie  durch  ihre  standhafte  Geduld  die 
letzte  Probe  ihres  Gehorsams  gegen  ihren  himmlischen  Vater  so 
willig  und  so  erhaben  ablegte,  werden  ihren  Eintritt  in  das  Land 
der  Wonne  nur  um  so  viel  entzückender  gemacht  haben. 

Nach  den  letzten  Augenblicken 

De«  TodesBchlummers,  folgt  Entzücken, 

Folgt  Wonne  der  Unsterblichkeit  1 

So  wird  die  kurze  Entfernung  von  ihrem  Freunde  seine  Wieder- 
vereinigung mit  ihm  um  so  viel  süszer  machen.  —  Er  leidet  zwar, 
der  Ueberlebende;  aber  belohnt  ihn  nicht  daftlr  der  trOstende  Qe- 
danke,  dasz  er  gewissermaszen  an  ihrer  Statt  leidet?  Würde  sie  die 
Kräfte  gehabt  haben,  es  sn  ttberstehen,  wenn  das  Leos  ihres  hinter- 
lassenen  Freondes  das  ihrige  gewesen  wftre?  Und  unter  dem  SdUage 
eines  soleben  SeMeksels  niedersnsinken ,  w8re  «n  ihr,  welehe  aU» 
Vollkommenheiten  eines  weibliclien  Heraens  besasz,  Tagend  ge.- 
wesen.  Er  aber  ist  ein  Mann.  Lassen  Sie  mioli  nnnmebr,  mein 
Liebster,  einige  Betrachtungen  Yon  einer  andern  Art  madien.  Wenn 
Sie  einen  Thell  derselben  fttr  Fhantasieen  einer  sieb  selbst  allsn  viel 
flberlassenen  Einbildungskraft  halten  müssen,  so  kann  ich  Ibnen 
nichts  antworten ,  als  dasz  ich  sie  mit  dem  Wonsebe  anfiMhreibe,. 
dass  sie  Sie  einige  Ifinaten  lang  nicht  gans  nnangenebm  bescbSf- 
tigen  mögen.  Sie  würden  sob(taer  und  richtiger  seyn ,  wenn  sie,  in 
einer  freimdsobaftsyollen  ünterredong  mit  Urnen,  entsprungen  und 
ausgebildet  worden  wSren.  Vielleicht  bitte  ich  anch  selbst  no<^ 
einiges  daran  Terbeesem  können,  wenn  idk  nicht  eben  jetst  so  spar^ 
sam  mit  meinen  Standen  nrnzogehen  genöthigt  wSre,  dass  ich  selbst 
bej  einer  so  angenehmen,  und  mir  so  wichtigen  Beschiftignng,  al» 
diese  ist,  Beflezion  darauf  machen  muss.  Wir  beyde,  liebster  Elop« 
stock,  sind  darin  eins,  dass  das  gegenwärtige  Leben  ein  GymnasinnL 
ist,  wo  wir  durch  mannig&ltige  üebungen  und  Kämpfe  su  höheren 
Bestimmungen,  sa  höheren  Vollkommenheiten  yorbereitet  werden» 
Oder  ich  trill  es,  meinen  jetzigen  Ideen  gemäszer,  mit  den  erstem 
Scenen  eines  Schauspieles  vergleichen,  welche  das  nur  veranstalten^ 
was  sich  nachher  entwickeln  soll  Aber  ich  muss  Ihnen,  das  Fol- 
gende deutlich  zu  madien,  noch  erst  mit  ein  paar  Worten  wenig- 
stens  eine  halbe  Idee  von  einigen  sonderbaren  Hypothesen  geben,, 
die  ich  zwar  selbst  für  das,  was  sie  wirklich  sind,  halte,  die  aber 


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Zu  Klopstocks  briefwechsel.  47 


doch  meinen  gegenwärtigen  Gedanken  den  Ursprung  und  die  Ge- 
stalt gegeben  haben.  Ich  bin  aus  verschiedenen  Ursachen  geneigt 
zu  glauben,  dasz  ein  gewisser  Unterschied  zwischen  den  Seelen  bey- 
der  Geschlechter  auch  im  zukünftigen  Leben  statt  haben,  dasz  als- 
dann ihre  Verbindung  von  einer  weit  näheren  und  vollkommeneren 
Art  seyn  wird ,  und  beyde  vielleicht  nicht  so  wohl  zwey  völlig  von 
einander  getrennte  und  einander  ganz  entbehrliche  Wesen,  als  viel- 
mehr Ein  vollkommenes  Ganze  ausmachen  werden.  Man  müszte 
freylich  noch  annehmen,  dasz  die  wenigsten  Verbindungen  unge- 
ändert,  so  wie  sie  hier  getroffen  worden  sind,  fortdauern  würden. 
Denn  wie  selten  finden  sich  Seelen,  die  doch  fttr  einander  geschaffen 

Jetzo  trennet  die  Nacht  fernerer  Himmel  sie, 
Jetzo  lange  Jahrliuuderte. 

Aus  eben  diesen  Begriffen  würde  man  diejenigen  Verbindungen  für 
die  glücklichsten  halten  müssen,  wo  beyde  Theile,  jeder  in  seiner 
eigenthümlichen  Sphäre,  eine  gleich  grosze  Anlage  zor  Vollkommen- 
heit besitzen,  und  welche  den  Grund  zu  ihrer  ewigen  Freundschaft 
schon  in  diesem  Leben  gelegt  haben.  Was  für  einen  mächtigen 
£inflnsz  bejdes  auf  ihre  Glückseligkeit  haben  müsse,  Überlasse  ich 
Ihnen  selbst  zu  denken.  Sie  können  es  am  besten.  Aus  diesem 
Gesichtspuncte  müssen  Sie,  bester  Freund,  einer  der  glückseligsten 
Männer  werden.  Denn  war  sie  nicht,  wie  Gramer  vortrefflich  ge- 
sagt hat,  in  weiblicher  Schönheit  Klopstook?  Und  davon  bin  ich 
gewies,  dasz  Ihre  Verbindung  eine  von  den  wenigen  ist,  deren 
Bauer  ewig  sein  wird.  Darum  sollten  Sie  einander  noch  auf  der 
Erde  finden,  und  sich  so  lange  besitzen,  als  nötbig  war,  den  festesten 
Grund  zu  einer  ewigen ,  zu  der  zärtlichsten  und  innigsten  Freund* 
Schaft  zu  legen.  Wie  schön  haben  Sie  diesen  Zweck  erfüllt  1  Allein 
damit  andere  Absichten  gleichfalls  erhalten  werden  möchten,  muszte 
sie  eher,  als  ihr  Freund,  in  die  Welt  der  Geister  versetzt  werden» 
So  sollte  noch  eine  Seele  seyn ,  welche  von  Ihnen  entsprossen  wttre 
und  auf  welche  sich  Ihrer  beyder  Liebe  zur  Vermehrung  Ihrer 
Giflokseligkeit  vereinigte.  Damit  auch  diese  ihre  eigenthümlichen 
Vollkommenheiten  haben  möchte,  wurde  sie  hier  auf  der  Erde  nur 
ans  der  ersten  Hülle  ihrer  £zistenz  entwickelt,  und  sobald  der  zarte 
Keim  genug  gebildet  war,  ans  dem  mütterlichen  Sohoosze  hervorzu- 
brechen, in  ein  schöneres  Klima  verpflanzt,  nnd  von  seiner  mit  ihm 
Terklttrten  Mutter  nnd  den  Engeln  erzogen.  Ohne  eine  Fertigkeit 
zu  irren  und  zu  sündigen,  kommt  dieser  junge  Engel,  welcher  viel- 
leicht ein  Ebenbild  der  vereinigten  Eigenschaften  Derjenigen  ist, 
von  denen  er  entsprang,  in  den  Umgang  und  Unterricht  der  VoU- 
lEommenen,  ist  von  der  sterblichen  Hülle  frej,  und  lernt  die  Gottheit 
mit  hohem  Fertigkeiten,  nnd  die  Welt  mit  gereinigtem  und  feinem 
Organen  kennen.  Die  z8rtliche  Mnttor  whrd  vielleicht  einst  Ihren 
Armen  mit  diesem  Lieblinge  entgegenkommen,  das  hoffe  ich  gewisz 
BMhher  von  Ihnen  zn  erfehren,  wofem  ioh  nicht  vielleicht  selbst 


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48  Zu  Klopstocks  briefwechfieL 

ein  Zuschauer  dieser  himmlischen  Scene  seyn  werde.  Alle  diese 
Phantasieen  sind,  wie  mir  deucht,  wenigstens  der  Analogie  gemäsz. 
Jede  Glückseligkeit,  welche  Geschöpfen  aus  einander  zuflieszt,  ent- 
springt aus  ihrer  mannigfaltigen  Verschiedenheit  in  einigen,  und 
einer  groszen  Aehnlichkeit  oder  Sympathie  in  andern  Stücken. 
"Wenn  uns  dergleichen  Erdichtungen  angenehm  sind,  ohne  uns  wahr 
zu  scheinen,  so  lassen  Sie  uns  einen  andern  Schwung  mit  unsem 
Gedanken  nehmen.  Sind  Glückseligkeiten  von  blosz  menschlicher 
Schöpfung  so  schön:  wie  herrlich  werden  die  nicht  seyn,  welche 
Der,  dessen  Gedanken  und  Wege  unendlich  höher  sind,  als  die 
unsrigen.  Denen  bereitet  hat,  die  ihn  lieben;  Seligkeiten,  die  Baeb 
seiner  eignen  Yerheiszung  noch  in  kein  menschlich  Herz  gekommtB 
bind!  Ich  will  es  nicht  wagen,  liebster  Freond,  von  den  Absichten 
zu  reden,  welche  eigentlich  auf  Sie  ganz  allein  gehen,  ob  sie  gleich 
vielleicbt  die  wichtigsten  unter  allen  sind;  hkrOber  werden  Sie  weit 
erhabener  denken;  das  werden  Sie  weit  stSrker  empfinden,  und 
Gottes  Odst  wird  Sie  es  lehren.  Allein  ich  will  es  Tersaehenr  den 
Neben-Endsweoken  einige  Minntea  nachznhfagen ,  welehe  es  dordi 
Sie  anf  Andre  haben  kann.  Da  ich  beynahe  ttberzengt  bin,  dasz  die 
ganze  Geisterwelt  durch  gewisse  Grundgesetze  mit  einander  Te^ 
knüpft  ist,  welche  ebenso  allgemein  sind,  als  die  Annehnng  in  der 
körperlichen;  so  musz  ich  der  Meinung  seyn ,  dass  w^t  kleinere  Be- 
gebenheiten, dasz  beinahe  jedes  Wort,  ja  vielleicht  jeder  Gedankt 
seine  Folgen  auf  die  ganze  Geisterwelt,  und  nicht  nur  auf  einige 
Zeit,  son<tom  in  gewissem  Verstände  auf  die  Ewigkeit  hat.  Freylieh 
kann  jetzt  nur  die  Bede  Ton  Dem  seyn,  was  sichtbar  ist. 

Da  ich  Ihren  Messias  weniger  als  ein  Meisterwerk  des  mensch- 
lichen Genies,  denn  als  ein  Werk  zur  Verherrlichung  der  Beligion 
und. zur  Ausbreitung  der  Gottseligkeit  und  Tugend  in  mehr  als 
Einem  Menschenalter  und  unter  mehr  als  Einer  Nation  ansehe;  da 
ich  ttberzeugt  bin,  was  ittr  eine  grosse  That  Der  Tollbringt,  weldier 
nur  Einen  göttlichen  Gedanken  in  einer  menschlichen  Seele  rege 
und  wirksam  macht  (ich  weisz,  was  oftmels  eine  einzige  Stelle  in 
einem  schönen  Buche,  oder  in  einer  frommen  ünterredung  viele 
Tage  und  Monate  lang  auf  mich  gewirkt  hat,  und  ioh  werde  es 
Allen  in  Ewigkeit  danken,  denen  ich  nur  die  kleinste  Wohlthat  von 
dieser  Art  schuldig  bin):  so  halte  ich  es  nicht  fftr  eine  unerhebliche 
Kebenabsicht  dieses  Ihres  Schicksals,  wenn  es  Ihnen  nur  einige 
neue  Ideen  zeugt,  nur  einige  grosse  und  starke  Empfindxmgen,  die 
Ihnen  zuvor  fremd  waren,  in  Ihnen  rege  macht;  wenn  es  Sie  nur 
wenige  Male  in  die  glückliche  Begeisterung  setzt,  feurig  zu  denken 
und  zu  fühlen;  nur  Einmal  Ihren  Gedanken  einen  Schwung  giebt, 
der,  weil  er  aus  einer  Seele  kommt ,  welche  in  einen  auszerordent- 
lichen  Zustand  gesetzt  worden  ist,  auch  desto  fähiger  seyn  musz,  in 
die  Herzen  Derjenigen  einzudringen,  welehe  sich  in  einer  ähnlichen 
Verfassung  befinden ,  ja  wenn  es  auch  nur  noch  entferntere  Folgen, 
als  diese,  auf  die  VoÜkommenheit  und  den  ausgebreiteten  Nutzen 


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Zu  Klopstocks  briefweohML 


Ihrer  Werke  hat.    Und  diese  musz  es  haben.    Zu  diesen  Neben- 
absichten zähle  ich  auch  alle  die  Wirkungen,  welche  die  Naclnicht 
Ton  dem  Heimgange  Ihrer  nun  unsterblichen  Geliebten  auf  alle 
Freunde  dieses  Engels  machen  wird.  Und  wie  viel  edle  Freunde 
hatte  sie !    Die  Besten  müssen  zuweilen  erinnert  werden ,  dasz  sie 
gefallen  sind;  dasz  der  Tod  eine  Strafe  ist;  so  wie  sie  bisweilen 
einen  Anlasz  haben  mflssen ,  die  unendliche  Scbätzbarkeit  der  Er- 
lösung Jesu  Christi  zn  empfinden,  welcher  dieser  Strafe  ihr  Bitter- 
stes  nimmt,  nnd  sie  selbst  zn  einem  Segen  macht,  der  Gedanke  des 
Todes,  wie  man  ihn  bey  einer  solchen  Veranlassung  denkt,  ist  er- 
staanUeh  frnditbar«  Die  Besten  haben  ihre  saumseligen  Standen; 
imd  doch  steht  der  Lauf  der  Zeiten  nicht  stille.   Dieses  Leben,  die 
Zeit  der  Aussaat,  die  mit  dem  Augenblicke  des  Todes  zu  Ende  geht, 
wird  uns  durch  solche  Erwecknngen  weit  wichtiger;  man  ftthlt  weit 
krSitiger  die  Ermahnungen:  Lasset  uns  Gutes  ihun  und  ni<dit  mflde 
werden!  Denn  zu  seiner  Zeit  werden  wir  ernten  ohne  AufhOren. 
Das  Leben  scheint  uns  kürzer,  und  der  Tod  ntther,  mit  Einem 
Worte,  alle  nfltzliche  Erkenntnisz,  welche  oft  nur  Theorie  in  uns 
ist,  wild  zu  der  Zeit  Praxis.  Sie,  Uebster  Freund,  haben  das  Ver- 
dienst, dasz  alle  solche  Absichten,  wenn  ich  so  reden  darf,  gewisser- 
maszen  auf  Ihre  Unkosten  erfüllt  worden  sind.   Ich  nenne  es  ein 
Verdienst;  denn  ich  weiss,  dasz  Sie  auch  die  herrlichsten  Früchte 
davon  haben  werden.   Ich  wiederhole  es  noch  einmal,  dasz  ich  es 
nicht  wage,  die  Hauptabsichten,  welche  eigenthttmlich  und  einzig 
und  allein  auf  Sie  abzielen,  zu  berOhren.   Denn  das  kOnnnen  ^ 
selbst  am  besten  denken ,  fohlen  und  sagen.   Und  doch  werden  Sie 
hier  auch  nur  ein  kleines  Wort  davon  yemehmen.   Erst  dort  wird 
Urnen  das  volle  Licht  entgegenstrahlen.  Ich  weisz,  dasz  Sie  indessen 
die  Fflgnngen  Gottes  anbeten. 

I  Da  wijrst  ihm  dauken  mit  Deinem  Liede. 

I  Lassen  Sie  mich  einer  einzigen  erwähnen,  welche  viel  Sttszig- 
keit  für  mich  hat  Wird  Ihnen  nidit  Ihr  Tod  einst  leichter  werden?  * 
Was  ist  noch  auf  der  Erde,  das  Ihr  Herz  so  sehr  besitzt!  Kommt 
Bmen  Clanssa  in  einem  Augenblicke  grösser  vor,  als  da  sie  sich 
über  die  schrecklichste  Naduicht,  die  sie  bekommen  konnte,  mit 
dem  Gedanken  erhebt:  Qott,  der  AllmSchtige,  wolle  mich  von  kei- 
nem als  von  ihm  selbst  abhangen  lassen!  Wir  sind  zu  hohen  End- 
zwecken berufen.  Menschliche  Freundschaften  sind  von  geringem 

;  Werthe,  wenn  sie  nicht  dienen,  ein  Verlangen  nach  der  ünsterbHch- 
keit  in  uns  zu  entzttnden;  und  ohne  Zweifel  sind  sie  uns  auch  dazu 
gegeben.  Denn  wann  sehnet  sich  die  Seele  feuriger  darnach,  als  an 

I  dem  Bosen  eines  Freundes ,  den  man  ewig  zu  besitzen  wünscht ! 
^Wiaz,  mein  Geliebter,  keine  Stunden  meines  Lebens  sind  seliger 
^^vflossen,  als  die,  welche  ich  ehedem  mit  zwey  Freunden ,  deren 

;    emer  nun  schon  ein  Engel  ist,  mit  solchen  Empfindungen  hin- 

I    gebfacht  habe.    Meine  ganze  Seele  wird  heiter  und  entflammt, 

H.  jtbrb.  f.  phil.  n.  päd.  U.  abl.  187S.  hft.  1.  4 


I 


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50 


Bericht  über  die  verhaadlimgeii  der  32u  Terdammlung 


wenn  ich  das  Andenken  dieser  Stunden  zorficknife.  Aber  ich  bin 
ihrer  nun  beraubt  gewesen»  seitdem  ich  ans  Sachsen  bin.  Die 
Freundschaft  musz  bis  zu  einem  gewissen  Grade  einer  YÖlligen 
Offenherrigkeit  und  inniger  Vertraiüichkeit  gereift  sein,  ehe  sie  in 
solche  Blttthen  ausbricht,  ehe  sie  diese  ilm  schönsten  Frttchte 
durch  ihre  eigne  natürliche  Hitze  Yon  selbst  hervortreibt  hk 
solchen  Augenblicken  vergiszt  man  sich  und  seinen  Freund,  man 
sieht  nur  höhere  Dinge,  man  fliegt  Hand  in  Hand  und  in  einer  Um- 
armung dem  Himmel  zu,  und  sieht  mit  unverwandten  Augen  die 
Sonne;  man  ist  niemals  durch  die  Freundschaft  glficklidier,  ob  man 
sie  gleich  zu  der  Zeit  nicht  zu  f&hlen  scheint.  Ich  machte  mir  die 
Hoffiiung,  bald  solche  Scenen  wieder  zu  genieszen,  als  Sie  Tor 
anderthfdb  Jahren  von  uns  reisten,  und  ich,  ohne  mein  Wissen,  den 
letzten  Absdiied  von  dem  Engel  nahm,  der  jetzt  schauet  und  ge- 
nieszet,  was  wir  noch  hoffen.  Gott,  der  ins  Unendliche  siebet,  hat 
auch  dieses  geordnet.  Wollen  Sie  nicht,  mein  Geliebtester,  wollen 
Sie  nicht  bäd  zu  uns  kommen?  Seyn  Sie  mein  Ftthrer  auf  der 
Heise,  die  wir  beyde  noch  vor  uns  haben.  —  Gott,  der  Allmächtige, 
segne  den  Freund  meiner  Seele,  segne  ihn  ewig,  ewigl  p^^^. 

Die  litteraturhistoriker  haben  Funk  den  verdienten  platz  in 
der  litteratur  angewiesen.  Eoberstein  berührt  seine  teilnähme  an 
den  oben  genannten  Zeitschriften  und  würdigt  seine  Yordienste  als 
kirchenliederdichter,  in  letzterer  beziehung  rühmt  ihn  auch  Ger^ 
vinus ,  der  ihn  jedoch  als  G.  F.  Funk  (statt  G.  B.  Funk)  nennt. 
H.  Kurz  hebt  Funks  praktische  Wirksamkeit  hervor  und  führt  eine 
pSdagogische  Schrift  'kleine  beschäftigungen  für  Idnder'  (Schles- 
wig 1772)  an. 

Vbrdbn.  H.  Holstbim. 


9. 

BEEICHT  ÜBER  DIE  VEEHANDLUNGEN  DER  ZWEIUND- 
DBEISZIGSTEN  VEBSAMMLÜNG  D£UTSGH£B  PHILO- 
LÖGEN  UND  SOHÜLMlNNEB  IN  WIESBADEN, 
Yom  26  bis  SS  September  1877. 
(fortsetzung  von  Jahrgang  1876  s.  594—607.) 


Vierte  allgemeine  Sitzung,  Sonnabend  den  29  sept.  1877. 

Die  heutige  Sitzung,  in  der  hr.  prof.  dr.  Usener  den  Vorsitz  führte, 
war  sowol  auf  eine  frühere  stunde  (8  uhr  25  min.)  anberaumt,  als  auch 
nur  ein  vortrug  für  äie  angesetzt,  um  für  die  auf  den  nachmittag  in 
aussieht  genommene  fahrt  auf  den  Niederwald  Mit  zu  gewisnen.  nach- 
dem die  sitsnng  eröffnet  war,  hält  hr.  prof.  dr.  Brieger  einen  Vortrag 
über  das  wahre  und  falsche  ideal  der  fibersetsnng  antiker  dichter,  des- 
sen gedankengang  folgender  war. 

Seit  einem  vollen  Jahrhundert  haben  wir  Deutsche  uns  gerühmt, 
dau  wir  allein  unter  allea  nationen  im  stand«  seien  antike  dichter  in 


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deatacher  pbilologen  und  gduüinftiuier  in  WkMbaden. 


einer  nAohbildniig  ihrer  metrA  und  jener  anschmiegenden  treue  za  über« 
setzen,  welche  in  einer  gereimten  wiedergäbe  nicht  möglich  ist.  von 
zeit  zu  zeit  haben  »ich  allerdings  männer  gefunden,  welche  an  einer 
oachgestaltuug}  wie  wir  kurs  sagen  können,  verzweifelten  und  eine 
gereimte  nmgesteltang  Tereuebten  oder  empfahlen,   niemand  mit 
gröscerer  Wirkung  als  vor  zehn  jähren  Bad.  Westphal,  welcher  be- 
hauptete, wir  könnten  nicht  nur  diejenigen  metra  nicht  nachbilden,  in 
welchen  betonte  längen  in  doppelkürzen  aufgelöst  und  das  princip  der 
syucope  zur  auwendung  gebracht  werde,  sondern  auch  tiir  die  andern 
bitten  wir  modernen,  so  wie  wir  sie  in  unsere  spracbe  ttbertrügen, 
keinen  sinn,    dies  urteil  Westpbals,  das  100  jabre  zu  spät  kam,  fand 
beifall,  und  obfrleich  er  selbst  wenig  Verständnis  für  gereimte  lyrik 
zeigte,  fand  seine  gereimte  Catullübersetzung  liebhaber.     freie  nach- 
bUdungen  antiker  poesie  sind  nicht  an  und  für  sich  zu  verwerfen,  sie 
änd  nnr  keine  Qbersetzungen  and  sollen  diese  nicbt  Terdrftngen.  die 
sebsU  daron,  dass  man  uns  snr  anfgebanff  einer  kunst  TerleTten  will, 
die  80  fruchtbar  auf  unsere  geistescuftur  eingewirkt  und  so  tiefe  spuren 
in  unserer  nationalen  poesie  hinterlassen  hat,  liegt  vor  allem  an  den 
Übersetzern  selbst,  die  frühzeitig  verkehrte  wege  einschlugen,  gelockt 
von  dem  Irrlicht  eines  ideals,  das  einen  Widerspruch  in  sich  trägt  und 
ans  einem  inrtnm  entstanden  ist.   die  erste  ttbersetsnng  der  Odyssee 
von  J.  H.  VosSt  obgleich  enger  dem  originale  sich  anscnlieszend ,  als 
man  früher  gewagt,  wirkte  doch  durch  ihre  natürliche,  kräftige,  lebens- 
volle und  von  schöner  Vrärme  diirchstrünite  sjirache  gewaltig  auf  unser 
Volk,  sie  war  eine  erobererthat.    die  zweite,  12  jähre  jüngere  ausgäbe 
betritt  scbon,  indem  sie  grössere  worttrene  und  grössere,  dem  nrbild 
sich  anschmiegende  metrische  kunst  anstrebt,  die  falsche  babn. 
(redner  weist  dies  an  einigen  stellen  des  prooemiutns  nncli.)    daher  denn 
auch  die  aufnähme  kühler  war:  Wieland  protestierte,  auch  Fr.  v.  Schle- 
gel, und  Schiller  spricht  sich  beinahe  bitter  über  diese  'Zerrüttungen 
snserer  spraebe'  aus,  urteile,  die  ▼ollkommen  begründet  sind,  aber 
Voss  nicht  aufhielten,  auf  der  betretenen  bahn  weiter  sn  wandeln  und 
Damentlich  in  den  Übersetzungen  römischer  dichter  wahre  /.crrhilder  zu 
bieten,   (beispiel  aus  der  Übersetzung  von  Ovids  nietamorpüoseu.)  wo- 
her kommt  dies?    der  alte  dichter  geht,  wie  ihm  die  beine  gewachsen 
lind,  mit  gewaltigem  gange,  wie  Achills  scbatten  auf  der  Aspbodelos- 
iriese;  der  fibersetser,  der  kttrsere  beine  bat,  will  seine  füsze  genau  in 
die  spuren  jenes  setzen  und  musz  n6u  übermäszig  ausschreiten  oder 
gnr  «pringen,  was  unscliön,  lächerlich  oder  gar  widerwärtig  wird.   F.  A, 
Wolf  erhob  dies  nachtreteu  zum  princip  (beispiel  aus  seinen  100  muster- 
▼Wien),  so  war  das  falscbe  ideal  fertig,  die  wiedergäbe  der  rbythmen, 
gliedenmgen ,  eonstmetionen ,  Wortstellungen  des  fremdsprachigen  Ur- 
bildes in  unserer  spraehe,  was  meist  nnr  durch  {grausame  mishandlung 
dieser  abgezwungen  werden   konnte,     die  nächtiger  und  nachahmer 
Uetten  denn  auch  'die  grazien,  vua  nymphen  umfaszt,  im  wechseltritt 
mit  anmuth  den  fuszboden  schlagen',  und  machten  das  übersetzerdeutscb 
Q  einem  gegenständ  des  grauens  ffir  alle  mensehen  von  unyerbildetem 
gsichmack. 

Der  rückschlag  blieb  nicht  aus;  dem  grösten  aller  älteren  über- 
Wizer,  Herder,  folgt  Fr.  Jacobs,  Knebel,  W.  v.  Humboldt,  später  Döder- 
'•lo,  in  der  praxis  weniger  frei  als  in  der  theorie,  Th.  Heyse,  O.  Gruppe, 
Broysen,  Donner  und  xuletzt  W.  Jordan  und  E.  Geibel. 

Das  ideal  der  flbersetzungskunst  verlangt  vor  allem  genaues 
sprachliches  und  sachliches  Verständnis  des  Originals;  sodann 
musz  der  Übersetzer  wissen,  was  er  will;  er  will  und  kann  nicht  das 
origiual  ?on  allen  selten  kennen  lehren,  sondern  nur  ersetzen  für 
^»  denen  es  niobt  zugänglicb  ist;  ersats  ffir  ein  poetiscbes  werk  gibt 
>tir  ein  poetisches  werk,    ist  poesie  die  duxob  den  adel  der  form  über 

gemeine  emporgehobene,  gottgegebene  spracbe  einer  lebhaft  be- 

4» 


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52        Bericht  über  die  verhaudlungen  der  32n  yersammlung 


• 

wegteil  und  doch  gehaltenen  teele  und  einer  kräftig  und  farbenreich 

nnschanenden  phantasie,  so  ir.iisz  die  Übersetzung  in  reiner  und  edler, 
sich  in  freier  liebe  anschmiegender  spräche  das  ganze  leben  des  Origi- 
nals Husdrückeu,  eiuti  turderuug,  die  voll  und  ganz  selten  oder  nie  ver- 
wirklieht wird,  da  man  am  spröden  mannor  Immer  noch  des  schweren 
ineiselschlages  streifen  sehen  wird;  doch  kann  das  ganze  dnrdb  seine 
Sprache  wirken,  die  also  vor  allem  frei,  anmntig,  schön  sein  musz,  am 
uns  nicht  aus  allen  himmeln  zu  reiszen.  also  kein  sklavisches  wieder- 
geben aller  sprachlichen  einzelbeiten,  das  geradezu  unverständlich,  sprach- 
widrig, versenrt,  albern  oder  hSssUeh  werden  kann,  eine  besondere 
Schwierigkeit  entsteht  bei  dichtem  yon  altertümlichem  colorit,  wie  bei 
Lucrez;  eine  zweite  bereitet  die  egestas  der  lateinischen  spräche,  die 
z.  b.  kein  wort  für  pflanze  hat;  in  philosophischen  dingen  darf  unsere 
spräche  ferner  ein  wenig  abstracter  verfahren,  soweit  nemlich  unser 
allgemeines  bewnstsein  yon  Philosophie  dorehzogen  ist.  (redner  yerliest 
als  beispiel  eine  Übersetzung  von  Lucr.  I  599.)  oft  musz  der  Übersetzer, 
was  der  antike  dichter  durch  den  zauberschlag  seines  wertes  hervorrief, 
durch  einen  zusatz  zu  erreichen  suchen;  beispiele  die  worte  veuuc, 
templum,  welche  den  alten  das  bild  des  prangenden  sänlenhauses  mit 
seinem  giebel  und  statnen  wachriefen,  bei  denen  wir  der  phantasie  irgend- 
wie zu  hilfe  kommen  müssen;  ebenso  die  götternamen,  die  bei  nns  oft 
nur  'das  lied  zieren*,  bei  den  alten  lebensvolle  gestalten  waren. 

Indessen  ist  es  nicht  genug,  dass  der  eiudruck  im  allgemeinen  ein 
poetischer  sei,  es  bedarf  eines  ausgeprägten  Charakters,  wie  ihn  n.  a. 
Vossens  erste  Odyssee  und  jetst  in  noch  yiel  höherem  grade  dieJordansche 
nnd  Knebels  Lucrez  haben. 

Aber  auch  dies  genügt  nicht,  alle  poesie  enthält  etwas  undeHnir- 
bares;  so  wird  sich  eine  wahrhaft  poetische  Übersetzung  nur  bis  zu 
einer  gewissen  grenze  yerstandesmSssig  begründen  lassen,  aber  gerade 
in  dem,  was  darüber  hinaus  liegt,  was  i^r  dem  gefühle  faszbar  ist, 
beruht  ihre  macht  über  das  gemüth.  Donners  Aeschyhis  und  anc  h  sein 
Sophocles  besitzen  diesen  poetischen  duft,  bei  Geibel  ist  er  meistens. 

£ine  andere  Schwierigkeit  bieten  die  sermonisuhen  und  zum  teil  die 
komistdien  dichtungen  wegen  der  yerschiedenheit  der  seitansebanungen 
nnd  der  messe  der  Vorbedingungen  snm  yerständnis;  hier  kann  bei  zu 
starker  modernisirung  ein  sonderbares  Zwischending  entstehen,  da  doch 
das  altertum  nicht  ganz  herauszubringen  ist.  hier  hat  Droysen  in 
seinem  Aristophanes  den  richtigen  weg  gefunden;  Döderlein  war  (im 
Horas)  nicht  kühn  genug,  Hers  kommt  dem  Ideal  nahe,  hSlt  sich  nur 
SU  sehr  an  der  forderung  der  Vossianer,  die  verszahl  des  Originals  nicht 
zu  überschreiten,  welche  bei  aller  nichtstrophisclien  poesie  keinen  sinn 
hat;  es  gibt  allerdings  überall  fälle,  wo  notwendig  gedanke  und  vers 
sich  decken  müssen  (sentenzen  u.  ä.),  aber  dasz  in  der  epischen  erzäh- 
lung,  im  dialog  ein  bestimmter  gedanke  eine  bestimmte  yerszahl  bildet, 
hängt  doch  nur  von  der  nator  des  sprach  liehen  mnterials  ab,  das 
beim  Übersetzer  ein  anderes  ist,  als  im  original,  beispiel  an  den  ersten 
verseu  der  metamorphosen  nnd  Hör.  ep.  I  14;  an  letzterer  stelle  wirft 
Döderlein  süvarum  einlach  über  bord,  um  ansmkommeo,  yerdirbi  aber 
damit  den  sinn;  es  bedurfte  vielmehr  snr  yoUen  wiedergäbe  des  sinnes 
und  der  pointe  eines  snsatses,  so  dass  man  anderthalb  yerse  erhält, 
etwa  folgendes 

Vogt  meiner  sämtlichen  wälder  und  jenes  äekerchens,  welches 
mich  mir  selber  yersöhnt. 

Bei  der  strophischen  und  elegischen  poesie  steht  die  sache 
meist  anders,  hier  scheitern  oft  sonst  tüchtige  Übersetzer,  eine  schöne 
Übersetzung  ist  nur  möglich,  wenn  man  hier  sich  nicht  zu  strenge  ge- 
setze  auferlegt,  die  wie  Altsfesseln  jede  freie  bewegung  hemmen,  es 
gilt    das  richtige  grnndprinqip  der  neuhochdeutschen  metrik  in 


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dentoeher  pliilologeii  und  «ebabnliiiier  in  WiMbaden. 


&3 


seiner  anwendnng'  auf  antike  veramaiie  SO  erkeniiMi.*  in  die- 
ser beziehung^  gelten  folgende  Ȋtze: 

Der  deatöche  woriton  ist  seiner  natur  nach  dem  ictus  des  antiken 
yeraes  wesentlich  gleich,  «ntser  wo  der  letstere  «nf  doppelkflnen  f  ftUt ; 
wo  mehrere  tonsilben  sueammen  kommen,  verliert  der  «ehwlehere  den 
ictuscharakter.  daraus  folgt,  dasz  die  tonsilben,  resp.  die  silben  mit 
dem  stärkeren  tun  die  hebungen,  die  schwächeren  and  tonlosen  silben 
die  Senkungen,  beide  zusammen  aber  in  ihrem  gesetzmässigen  Wechsel 
den  rhythmas  des  deutschen  verses  bilden,  der  gereimte  vcre  knan 
eben  doreh  den  reim  f8r  gewisse  mSngel  des  rhytbmns  entschaldignng 
finden,  der  reimlose  musz  sich  streng  an  den  rhythmns  binden,  ton- 
verschiebungen  sind  unstattiiaft;  genügend  starke  basen  reichen 

aus,  um  den  vers  als  solchen  aufrecht  zu  halten,    daher  ist  z.  b.  ein 

yers  vrie 

Klopstock  hat  viele  trochä*n  statt  spondeen  in  seinem  Mestins 
immer  noch  ein  deutscher  hexameter,  nicht  aber  Platens 
Borns  nrspning,  an£iehirnag  nnd  Torfnll  und  Terfeinerte  staatskonst^ 

'Ein  iweites,  dem  ersten  nicht  gleichstehendes  gesets  ist,  dnss  ein 

stärkerer  nebenton  im  dactylus  und  anderen  vcrsen  vermieden  werden 
musz;  seine  Übertretung  bringt  den  ver»  der  prosa  um  einen  schritt 
näher;  daher  iat  im  hexameter  der  satire  ein  so  gebauter  vers  nicht 
fehlerhaft,  überall  aber  dürfen  Senkungen,  weiehe  swei  kfirten  ent- 
sprechen, durch  gewisse  zweisilbige  Wörter  gebildet  worden,  d.  h.  die 
zweisilbigen  proklitiken  und  enklitiken  (einige  pronomina  adverbia  und 
fast  alle  Präpositionen),  natürlich  nur  da,  wo  sie  wirklich  prokUtisch 
sind,  die  aber  als  spondeen  zu  gebrauchen  unerträglich  ist. 

Bin  drittes  geseti  fordert  eine  strenge  gliederung  durch  ein- 
schnitte nnd  swar  fttrs  ohr,  nicht  fürs  ange,  wie  es  bei  Platea  sieh 
oft  findet. 

Die  eigentüml  ichkeit  des  Originals  im  deutscheu  wiederzugeben 
macht  dem  Übersetzer  oft  unüberwindliche  Schwierigkeit,  doch  findet 
sich  das  TOn  selbst,  wenn  er  nnr  den  stil  des  dichters,  so  weit  es  mög- 
lich ist,  wiedergibt:  pathos  führt  vielfaeh  anf  snsammengesetsta  würter, 

die  naivität  Homers  zu  einem  übergewicht  dreisilbiger  füsze  und  zahl- 
reicher weiblicher  caesnren.  metrische  eigentümlichkeiten  an  einzel- 
nen, besonders  charakteristischen  stellen  sollen,  wenn  es  ohne  grosze 
Opfer  möglich  ist,  wenn  sie  wirklich  charakteristisch  und  dabei  wirk- 
sam sind,  nachgebildet  werden;  i.  b.  Verg.  Aen.  I  108  if. : 

Also  klagt  er  —  da  fährt  mit  gezisch  ihm  ein  stosz  des  orkanes 
jach  ins  segel  Ton  Torn  nnd  empört  sn  den  stemen  die  wogen, 
fort  kracht  mder  nnd  riem,  dann  legt  sich  der  schnabel,  dem  flntprall 

gibt  die  flanken  er  preis,  und  ein  Hutschwall  kommt,  einem  berg  gleich, 
steil  aiifhiiumend  heran,    hier  schweben  die  einen  —  der  Schiffer 
hoch  auf  dem  kämme  der  Üut,  dort  zeigt  das  gewog,  auseinander 
klaffend,  swisehen  den  wassern  den  gmnd;  wild  brandet*s  im  sande. 

Weniger  nachzumalen  sind  jene  einzig  seböneo  verse  (Od.  v  79  ff.) 
mit  welchen  Tielleicht  einst  der  alte  gesang  von  den  Irifahrton  des 
Odjsseos  endete: 

Friedlicher  Schlummer  badeckte  dem  herlichen  beiden  die  aogSBi 
nnerweeklich  nnd  süss,  gans  Ihnlich  dem  ewigen  schlafe. 


*  wegen  der  kürze  der  ihm  zugemessenen  zeit  konnte  hr.  Brieger 
die  folgraden  sitsa  in  der  üflFantlicben  sitsnng  nicht  yollstündig  dar* 
legen,  dnreh  die  firenndlichkeit  des  hm.  Präsidenten  ist  leferent  im 
Stande,  aus  dem  mannscript  des  redners  das  dort  übergangene  hier  ein- 

stuchalten. 


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54       Bericht  über  die  verhiuidlaiigeii  der  82n  TerBammfang 

und  wie  aaf  ebnem  gefild  vier  heng.<ite  am  rollenden  wagen 
alle  zugleich  anspringen,  von  sausender  geisael  getrieben, 
binlen  eieh  hoeh  aofwerfend,  und  so  dnrehttflrmett  die  UnfbabD, 
also  hob  sich  das  hioteiTerdeck,  und  es  folgte  dem  atener 
abendlich  glühend  die  wop^e  des  laut  aufrauschenden  meeres. 
so  flog  schneidig  der  kiel  durch  nnabsehliche  wellen, 
welcher  den  herliohen  mann  heimführte,  den  kiihuen,  den  klagen; 
er,  der  bither  so  Hei  herskrlnkende  leiden  erduldet , 
streitend  mit  mäunem  im  kämpf  und  ringend  mit  sehreokliehenwofM« 
schlief  nun  ruhig  nod  sanft,  nnsftgliche  leiden  Tergeseend. 

Endlieh  erhebt  sich  die  frage,  ob  wir,  um  den tdiwlerigkeiten tind 
dem  zwang  einer  Übersetzung  im  origiriHlinctrum  auszuweichen,  den 
hexameter  durch  einen  deutschen  vers  ersetzen  dürfen,  von  dem  fünf- 
füszigen  jambus  und  gereimten  versen  kann  keine  rede  sein,  wol  aber 
ist  der  vierhebungsvers,  natfirUeh  ohne  alliteration  (man  kann  flu 
den  Jordanschen  nennent  doeh  liegt  sein  Ursprung  nicht  in  dem  episciea 
verse  der  alten  Oermanen,  sondern  eher  in  Goethes  freien  rhythocn) 
ganz  geeignet;  dem  hexameter  steht  er  allerdings  darin  nach,  dasi  et 
nicht  so  lang  dahin  rollt,  übertrifft  ihn  aber  an  poetischer  rerwandlongs- 
«Ihigkeit 

Zum  beweise  dieser  letzten  eigenschalt  gibt  der  Tortragende  eiBifi 

proben  aus  einer  noch  nicht  vollendeten  übersetanng  des  gedichtes  von 
Lucrez  'über  das  wesen  der  dinge%  die  wir  iddit  Torenthalten  aadörfea 
glauben. 

Lucr.  I  62  ff.: 

SohmachTolI  rings  in  allen  landen 

lag  im  staub  das  menschenleben, 

niedergedrückt  von  der  religion, 

die  aus  wettergewölk  ihr  furchtbar  haupt 

heraböcbaun  liesz  und  ohne  rast 

mit  des  anblicks  graon  die  sterblichen  schreckte. 

da  faszte  zuerst  ein  Grieche  sich  muth, 

hob  trotzig  empor  den  sterblichen  blick 

zu  dem  Schreckensgespenst  und  trat  ihm  zuerst 

aug^  in  aug'  entgegen  zum  kämpf. 

kein  Tolksgerede  Ton  rXebenden  göttera, 

kein  zuckender  blitz,  kein  grollend  dröhnen 

des  Wetterhimmels  brach  sein  wollen: 

nur  strenger  rafft*  er  die  volle  kraft 

seines  geistes  zusammen,  voll  verlangen 

aufkusprengen,  als  erster  der  menschen, 

des  thors  der  natur  festschlieszende  riegel. 

so  brach  seines  geistes  lebendige  kraft 

sich  im  siege  die  bahn  und  er  drang  mit  gewalt 

in  der  weiten  haus,  und  mit  forschendem  sinn 

das  nnendliche  all  der  entdecker  durchmasz. 

siegreich  kehrt  er  und  bringt  uns  künde 

von  jeglichen  Werdens  beding  nnd  gesetz, 

und  er  lehrt,  wie  das  masz  der  wirkenden  kr&fte 

für  ein  jedes  bestimmt,  und  jeder  gewalt 

im  tiefsten  gegründet  ein  markstein  steht. 

00  liegt  denn  Jetst,  die  uns  niedergetreten, 

die  religion  selbst  unter  den  ffisieai 

wir  ragen  im  siege  mm  himmel  empor, 

I  220  ff.:  wehenden  windes 

rasche  gewalt  wühlt  auf  das  meer, 

dreiruderern  kehrt  er  nach  oben  den  kiel 

und  er  hetzt  das  gewölk  durch  den  himmel  dahin 


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deutsoher  philologen  und  sohulinftaiier  in  Wiesbaden.  55 


und  es  inet  oft  die  windsbraat  durch  die  feldflar  mit  gesaus'  bio 
und  bedeekt  es  mit  gewalt*gen  entworaelten  btnmen, 
and  mit  wälderzerbreehendem,  wütendem  wehen 
peitsdit  aie  die  obersten  höhn  der  gebirge. 

I  1002  ff.t 

So  weit  tbnt  sie  sieb  auf,  die  weite, 
so  bodenlos  des  raumes  abgrnnd, 
dasz  sie  die  blendenden  blitze  nimmer 
durchmessen  können  mit  ihrem  fing, 
wenn  sie  sneh  ewigkeiten  hindnron 
in  flammenspuren  zögen, 
ja  sie  vermöchten  durch  läng^sten  lanf 
auch  nicht  zu  kürzen  jene  strecke, 
welche  noch  zu  durchlaufen  bliebe, 
so  endlos  rings,  so  grensenlos 
öffnet  sich  von  allen  selten, 
öffnet  sich  nach  allen  Seiten 
jedem  fluge  freie  bahn. 

U  68  ff.: 

Alles  seh'n  seine  roasse  wir  ändern, 
erkennen  wol,  wie  in  dem  Inngen  leitlenf 
alles  flieszt,  und  dieser  fluse 

die  Torzeit  fort  trägt  aus  unserm  sehkrets, 

während  die  summe  unversehrt  bleibt  — 

deshalb,  weil  die  ursprungskörper, 

welche  einem  körper  entschweben, 

diesen  ▼ermindern,  dem  dagegen, 

zn  welchem  sie  kommen,  wai^stam  verleih*n; 

jenen  lassen  sie  greisenhaft  siegen, 

diesen  in  fröhlicher  Jugend  erblüh'n. 

aber  auch  hier  —  bleiben  sie  nicht. 

so  ernent  sich  die  snmme  der  dinge 

immerdar,  es  leben  auf  borg 

unter  einander  die  sterblichen  alle, 

zn  nehmen  die  einen  geschlechter, 

andere  schwinden  allmählich  dahin; 

die  generatlonen  beseelter  wesen 

wechseln  in  kürze  und  reichen  im  lanfe 

einer  dem  andern  des  lebens  fackel. 

Der  Vorsitzende  dankte  dem  redner  für  seinen  mit  groszem  beifall 
aufgenommenen  Vortrag  und  forderte  sodann  die  Vorsteher  der  einzelnen 
sectionen  auf,  über  die  in  diesen  gepflogenen  Verhandlungen  bericht  zu 
erstatten,  wir  ▼erweisen  fBr  dieselben  anf  die  besonderen  refemtOy 
welche  diese  Zeitschrift  bringen  wird. 

Hierauf  ergriff  der  versitzende  zweite  prftsident,  hr.  prof.  dr.  Usener, 
das  wort  und  sprach  etwa  folgendes: 

Wir  stehen  am  Schlüsse,  und  im  namen  des  Präsidiums  habe  ich 
Ar  Ihre  sahireiche  und  glftnsende  anwesenheit  an  danken ;  insbesondere 
nmss  ich  diesen  dank  allen  leitem  der  seetionen  aussprechen;  aaeh 
kann  ich  den  ausdruck  meiner  personlichen  freude  nicht  unterdrücken, 
dasz  ein  weitberühmter  mann  der  einladung  folge  geleistet,  hier  über 
die  in  Olympia  gemachten  entdeckungen  einen  durch  abgüsse  und  Photo- 
graphien erläuterten  Vortrag  zu  halten,  die  bewegnug  der  heutigen 
^ssosehaft  hat  sieh  in  unseren  Tortrigen  abgespiegelt,  keine  seit 
Itat  mehr  die  Wahrheit  des  satzes  belegt,  dass  auch  das  kleinste  die 
Weitreichendsten  ergebnisse  zu  liefern  yermag;  es  bedarf  nur  der  kunst 
des  verstehens,  des  nachdenkens  über  alles,  wa  je  gewesen,  einer  der 
redner  hat  theoretisch  über  das  wesen  der  interpretation  gesprochen; 


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56 


Bericht  über  die  verh^mdlungen  der  32ii  Tersammlung 


der  philologö  dürfte  Tlelleicht  der  Überzeugung  sein,  dass  es  nnr  im 
interpretatioD,  die  (^«mmatiscbe,  sprachliche,  gebe,   mit  rObrnng  btt 

mich  immer  der  wünsch  des  groszeo  Scaliger  erfüllt:  'atinam  eisern 
bonns  granimaticus!'  das  ist  das  A  und  Q  aller  philolopfischen  und 
historischen  Interpretation,  ich  habe  dabei  nicht  die  holländische  be- 
handlung  im  sinne,  welche  zwei  mühlsteinen  gleicht,  die  sich  gegea* 
seitig  abreiben,  das  siel  der  pbilologte  ist  die  volle  wiedererkemäsii 
des  alterturos;  dies  gilt  von  der  philologie  aller  zungen.  unsere  deatsche 
Philologie  ist  ])erafeny  überall  wahrhafte  geistesarbeiten  henrorsnbringwi 
und  zu  bcliaffen. 

Die  32e  versaromlang  dentscher  philologen  und  schulmünner  erkläre 
ieh  hiermit  für  gesehlossen;  es  lebe  die  83  versammlnng  in  Gera! 
Herr  prof.  dr.  Caesar  von  Harburg,  einer  der   senioren  der 

Versammlung,  sprach  hierauf  se.  maj.  dem  kaiser  und  könig  für  den 
schütz,  den  derselbe  als  wahrer  friedensfnrst  allen  wissenschaftlichen 
bestrebungen  angedeihen  läszt,  sowie  für  die  munihcenz,  die  er  aaeh 
dieser  8Se  versammlnng  erwieseA,  femer  den  behördeo  des  Staats, 
Stadt  Wiesbaden,  den  vereinen,  die  in  so  liberaler  weise  den  zwecken 
3er  Versammlung  flrdorlich  waren,  sodann  allen  hiesigen  einwohneni 
und  einwohnerinnen ,  die  zum  wahren  und  guten  das  schone  gefügt, 
endlich  den  beiden  Präsidenten  der  Versammlung  und  allen,  die  den- 
selben unterstützend  behilflieh  snr  seite  gestanden,  den  dank  der  ve^ 
Sammlung  aus  —  dem  hr.  prof.  Eckstein  ein  dreimaliges  hoeh  auf 
die  gastliche  Stadt  Wiesbaden  zufügte,  in  welches  alle  anwesenden  eis* 
stimmten. 

Hiermit  waren  die  wissensehaftlichen  Verhandlungen  der  diesjUhrigea 
Versammlung  beendet;  es  stand  noch  der  gemeins^aftUehe  ausflug  uach 
dem  Niederwalde  auf  dem  programm.  um  llVt  °hr  führte  ein  eztrazsg 
der  Rheinbahn  die  zahlreichen  (etwa  1000)  teilnehmer,  herren  und  damen, 
nach  dem  bahnhofc  von  Mosbach,  von  wo  man  unter  begleitung  mehrerer 
musikcorps  durch  die  lange  hauptstrasze  von  Biebrich-Mosbach  nach 
dem  Rheine  hinabzog  und  drei  bereit  stehende  dampf  er  bestieg,  es  wsr 
ein  herrlieber  herbsttag;  die  natur  selbst  schien  feierkleider  angelegt 
SU  haben,  um  sich  im  schönsten  schmucke  zu  zeigen :  keine  wölke  ver- 
düsterte den  himmel,  kein  lüftchen  regte  sich,  man  konnte  sich  im 
heitren  Sonnenschein  von  den  rasch  dahineilenden  dampfern  aus  an  dena 
herrlichen  anblicke  der  gesegneten  Auren  des  Rheingaus  und  der  sie  im 
hinterpmnde  einschliessenden  berge  des  Taunus  ungestört  und  im  kreise 
der  noch  für  kurze  zeit  vereinten  freunde  ergötzen,  schon  in  Rüdesbeim 
verlieszen  manche  die  festgesellschaft,  um  die  heimreise  anzutreten,  die 
mehrzahl  landete  erst  und  zwar  wohlltohalten  in  Assmannshausen;  denn 
das  zusammenstoszen  von  zwei  schififen  bei  dem  anfahren  veranlasste 
snm  glücke  keinen  weitren  Unfall,  als  geringe  beschüdigung  derselben, 
sofort  begann  die  wandrung  auf  den  berg;  denn  die  leibliche  Stärkung 
sollte  auf  dem  ersten  ruheplatze,  dem  Jagdschlösse,  eingenommen  werden, 
von  da  aus  besuchten  die  festfjenossen ,  in  einzelne  gruppen  aufgelöst, 
in  traulichem  gespräche  die  andern  punkte  des  Niederwaldes;  was  aolU^ 
wir  sie  einseln  aufs&hlen ,  die  jeder  kennt  oder  wenigstens  hat  nennen 
hören?  doch  nein,  den  einen  dürfen  wir  nicht  übergehen,  der  demnächst 
mit  dem  nationaldenk  mal  geschmückt  sein  wird,  der  geweiht  war  durch 
das  vor  kurzem  daselbst  gefeierte  fest  der  grundsteinlegung,  das  durch  die 
teilnähme  von  se.  maj.  dem  kaiser  seinen  besondren  glänz  erhalten 
hatte,  kein  wunder,  dass  man  hier  halt  machte  und  die  erregtere 
Stimmung  in  begeisterten  reden  sich  äuszerte,  zumal  das  für  die  sos- 
führung  des  denkmals  thätige  comit^  durch  ein  mitglied,  hm.  gnts- 
besitzer  Dilthey  von  Rüdesheim,  den  ankommenden  Wanderern  eine 
warme  und  patriotische  begrüszung  an  dieser  stelle  entgegenbrachte' 
hr.  Dilthey  sprach  seine  freude  darüber  ans,  dass  die  deutschen  philo-  . 
logen  und  schulmiUiner  diese  stelle  sum  sielpunkte  ihrer  festfährt  ge- 


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'     deatidier  pbflologen  und  sehvlmftimer  in  Wiesbaden.  57 


nomtnen  1i)ltten;  nnter  dem  atisdrack  des  dankes  und  der  anerkennunfif 
hob  er  hervor,  dasz  die  deutsche  schule  eiuen  sehr  bedeutenden  auteil 
an  den  erfolgen  sich  zuschreiben  dürfe,  denen  com  bleibenden  gedäcbtnis 
sieh  dort  dM  denkfliAl  erheben  solle;  er  schloss  mit  einem  hooh  «if  den 
ffheteD,  der  Tor  kimem  dasa  den  prnndetein  felegrt  habe,  ae.  maj.  den 
kaiser  und  könig.    die  versammelten  stimmten  in  dieses  hoch  krUftig  ein. 

Herr  dir.  Paebler  (Wiesbaden)  antwortete  hierauf  etwa  mit  fol* 
genden  werten: 

Dem  geehrten  Vorredner  sage  ich  fUr  die  freundliche  begrüMnng, 
mit  der  er  uns  eoeben  ttberrasekt,  und  die  anerkennende  art  und  weise, 
in  weleher  er  die  Wirksamkeit  der  dentsefaen  schale  gerühmt  hat,  den 
herzlichsten  dank,    wenn  es,  meine  herron,  wahr  ist,  dasz  die  schule 
mitgewirkt  hat  zu  der  siegreichen,  einmüthigen  erhebung  des  deutschen 
Volkes  in  dena  von  welscher  biuterlist  und  tUcke  heraut beschworenen 
kämpfe,  wenn  sie  anteil  bat  an  der  wiederanfiricbtnnf  des  deotsehen 
reilte,  wenn  sie  also  indirect  dazu  beigetragen,  dnsz  der  gmndstein 
tn  diesem  denkmale  gelegt  werden  konnte,  so  hat  sie  nun  auch  die 
pflicht  zu  helfen,  dasz  der  bau  vollendet  werde,  und  namentlich  die 
jngend  darauf  hinzuweisen,  dasz  es  ihr  wol  ansteht  beizusteuern,  da 
die  hohe  gostalt  der  Oermania  sieh  hier  erbeben  soll,  nm  das  heran* 
wachsende  geschlecht  zu  mahnen,  dass  es  sieh  stets  würdig  zeige  der 
helden  des  letzten  glorreichen  krieges.    und  dasz  wir  schulmiinner  diese 
als  muster  zur  nacheiferung  un.-eren  Zöglingen  hinzustellen  allen  grund 
haben,  fühlen  Sie,  verehrte  Anwesende,  gewisz  in  diesem  augeublicke 
lebhaft  mit  mir. 

Schauen  8ie  auf  die  in  den  letzten  strahlen  der  abendsonne  er» 
glühenden  höhen,  hinab  in  das  dampfende  thal,  auf  den  herrlichen 
Strom,  der  wie  ein  silberfaden  die  reizende  landschuft  durchzieht,  — 
wem  von  Ihnen  bebt  nicht  das  herz  in  stürmischer  lost,  dasz  der 
Bhein  deutsch  ist  und  deutsch  geblieben  trots  der  begehrlicheii  blieke^ 
die  man  Ton  drüben  auf  ihn  gerichtet?  freilich  hat  das  Taterland 
schwere  opfer  dafür  bringen  mfissen.  wie  mancher  seiner  söhne  hat 
Bein  blut  verspritzt  für  die  gute  sachc,  wie  mancher  einst  so  frische 
jüngling  wandelt  jetzt  siech  und  elend  umher  in  folge  der  empfangenen 
wnnden,  wie  mancher  gatte,  wie  mancher  vater  schläft  dort  auf  ferner 
an  den  ewigen  schlaf  unter  dem  kSblen  rasen?  —  gross  ist  die  sohnld 
der  dankbarkoit,  m  der  wir  den  kriegern  verpflichtet  sind,  die  auf  des 
königs  ruf  hinauszogen  in  den  heiligen  streit,  der  todten  gedenken 
wir  in  stiller  wehmuth  und  weihen  ihnen  eine  warme  thräne  pietätvoller 
erinnerung.  den  lebenden  aber  zollen  wir  deu  dank,  indem  wir  durch 
ein  hoch  tie  ehren,  das  obwol  ein  schwacher  ansdmck  unserer  erkennt- 
lichkeit  doch  mächtig  bis  zu  des  Rheines  wellen  tönen  möge,  drum 
rofcn  Sie  laut  mit  mir:  das  sieggekrönte  heer»  das  deutsche  rolk  in 
Waffen,  es  lebe  hoch! 

Es  war  ein  moment  edelster  patriotischer  begeisternng,  als  die  ver- 
•tnmelten  jubelnd  einstimmten  in  das  ausgebrachte  hoch  und  dann 
einem  plötzlichen  gemeinsnmen  Impulse  folgend  daslied:  'es  braust  ein 
mP  aus  voller  bnist  erschallen  lieszen.  ein  hoch,  welches  hr.  dir.  Classen 
(Hamburg)  der  deutschen  jugend  widmete,  schlosz  die  feierlichkeit, 
welche  so  kurz  sie  war  doch  ihre  teiinehmer  tief  ergriffen  und  das  ge- 
Ahl  der  susammengehörigkelt  nnd  des  berechtigten  nationalen  stolies 
Biehtlich  neu  belebt  hatte. 

Der  hereinbrechende  abend  vereinigte  noch  einmal  die  übrig  ge- 
bliebenen festgenossen  in  den  verschiedenen  gasthäusern  von  Rüdesheim, 
his  die  Bcheidestunde  schlug,  auch  wurde  noch  manches  patriotische 
^rt  geredet;  wir  erwShnen  namenllich  die  In  warmen  Worten  von  hm. 
w.  Spangenberg  an  die  anwesenden  schnlm&nner  gerichtete  anffordemng» 
^me  wöchentliche  pfennigsammlung  in  den  höheren  schulen  zum  besten 
dei  nationaldenkmals  einsnführen. 


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58 


Bericht  Aber  die  verhandlmigeii  der  S2n  Tersammlimg 


Obgleich  nanmebr  der  für  die  vers&mmlaiig  statutenmäszig  fest» 
geieUte  seitranm  tob  vier  tagen  aufgebraucht  wer,  und  genug  arbett 

fethan,  aach.  genug  gelegenheit  zu  geselliger  Vereinigung  gegeben  und 
enntzt  war,  so  hatte  das  präsidium  gleichsam  als  anhang  und  abschlnsz 
des  ganzen  für  den  30  sept.  einen  ausflug  nach  der  Saalburp  bei  Hom- 
burg zur  besiclitigung  der  reste  des  römercastells  vorbereitet;  hr.  obrist 
a.  d.  von  Cohaaeen,  der  eoneervator  am  mnseam  so  Wieshaden  und 
sngleich  der  conservator  der  Saalburg,  hatte  sich  freundlicher  weise 
erboten,  daselbst  die  fülirung  zu  übernehmen;  und  wer  hätte  besser 
führen  können,  als  der  ^crlmlter'  der  ruiaen?  an  dem  aosfluge  betei- 
ligten sich  noch  etwa  achtzig  herreu  und  damen. 

Um  ein  nbr,  nachdem  man  oben  angelangt  war  nnd  sieh  doieh 
körperliche  Stärkung  vorbereitet  hatte»  begann  der  rundgang  dareh  das 
castell,  dessen  einzelne  Verhältnisse,  umfang,  theile,  besatznng  usw. 
hr.  von  Cohausen  erläuterte;  dann  folgte  der  besuch  des  benachbarten 
pfahlgrabens,  des  gräberhauses  usw.  zurückgekehrt  nach  Homburg  be- 
siehttgte  man  noch  anter  leitnng  des  hm.  banmeisters  Jaoobi  von  Hom- 
burg das  Saalburgmusenm ,  um  endlich  nach  dem  gemeinsamen,  durch 
manchen  ernsten  und  heitren  trinksprnch  gewürzten  male  sich  zu  trennen. 

So  endete  die  32  versammlang  deutscher  philologen  und  Schulmänner, 
die  gewiss,  was  die  wissenschaftUche  aasbente  betriflPt,  hinter  keiner 
frfiheren  sorGoksteht,  an  genüssen  andrer  art  aber,  an  Unterhaltung 
nnd  Zerstreuung  nach  der  arbeit  in  folge  der  herrlichen  läge  der  Stadt, 
der  nähe  des  vielbesungenen  Hheinstromes  und  vor  allem  der  umsich- 
tigen anordnungen  des  präsidiums  in  aller  teilnehmer  herzen  eine  un- 
Tergängliche  erainening  snrfieklassen  whrd. 

Uns  liegt  zum  Schlüsse  noch  ob,  dem  verehrlichen  Präsidenten, 
hm.  dir.  Pähler,  auch  hier  unsern  d;ink  dafür  auszusprechen,  dasz  er 
die  benutzung  der  protocolle  und  der  für  die  'Verhandlungen'  bestimmten 
manuscripte  für  die  abfassung  dieses  berichtes  gestattete. 

Archäologische  section. 
Erste  sitsong,  mittwoch,  S6  sept.  1877. 

Der  Oberlehrer  Otto  (Wiesbaden),  welcher  bis  dahin  die  geschäfte 
der  archäologischen  section  besorgt  hatte,  eröffnete  die  erste  Sitzung 
der  fast  100  mitglieder  zählenden  section  im  groszen  saale  des  casinos 
und  schlug  den  hm.  hofrath  dr.  Urlich s  vou  Würzburg  zum  Vorsitzenden 
vor,  was  angenommen  wurde,  anf  dessen  Vorschlag  worden  die  herren 
dr.  Kohler  (Cassel)  nnd  dr.  Widmann  (Wiesbaden)  sn  seeretiren  bestellt, 
da  die  zeit  schon  zu  weit  vorgerückt  war,  so  begnügte  man  sich  für  diesen 
tag  damit,  die  tagesordnung  für  die  einzelnen  Sitzungen  zu  bestimmen; 
während  dessen  wurden  die  begrüszungsschriften  des  Wiesbadner  und 
Bonner  altertnmsvereins  von  Benter,  Stark  nnd  Bone  (s.  den  bericht 
fiber  die  allgemeinen  Sitzungen)  herumgereicht:  die  letztere  begleitete 
hr.  prof.  dr.  Stark  von  Heidelberg  mit  einigen  Worten  über  die  thätigkeit 
des  rheinischen  vereine  von  alterthumsfreunden.  darauf  wurde  die 
Sitzung  geschlossen. 

Zweite  sitsung,  donnerstag,  27  septbr.,  morgens  8 — ^10  nbr. 

Der  erste  gegenständ  der  Verhandlung  sollte  die  weitre  besprechong 
der  von  hm.  pro!  Cvrtins  in  der  ersten  ulgemeinen  sitsnng  eriänierten 

sculpturen  und  Photographien  von  Olympia  sein«  snerst  teilte  hr.  Curtius 
auf  eine  anfrage  des  versitzenden  mit,  dasz  zu  mehreren  der  aufgestellten 
köpfe  sich  noch  andre  korperteile  gefunden,  aber  noch  nicht  angefügt 
seien:  dann  fordert  derselbe  den  anwesenden  hm.  prof.  Kopf  auf,  einige 
bemerknngen  fiber  das  technische  der  seniptnren  sn  geben. 


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deatseher  philologen  und  Bohnbnanner  in  Wiesbaden. 


Herr  prof«  Kopf:  ich  kann  nicht  6n'len,  dass  die  haare  bei  irgend 
einem  köpfe  rernachlässig't  sind;  der  künstler  hätte  sie  hei  nllon  frleich- 
mäszig'  ausführen  können,  wenn  er  p^ewollt  hätte;  es  kam  ihm  darauf 
an,  durch  den  schatten  zu  wirken;  die  hauptHache  ist,  dasz  fleisch  und 
haar  sich  deatHch  teilt,  namentlich  dnrch  den  nntersehatten.  die  k5pfe 
finde  ich  überhaupt  wunderbar  sehSn  und  lehrreich,  sie  sind  des  Pbidiai 
würdig",  die  individuelle  bildunj^  von  ange  und  mnnd  bei  dem  einen 
zeugt  von  groszem  naturgefUhl,  die  sclavenköpfe  sind  von  einer  indi- 
vidualisation,  die  überraschend  ist;  der  künstler  wollte  offenbar  der 
natnr  möglichst  nahe  kommen,  das  material  scheint  penthelischer  marmor 
an  sein. 

Auf  weitre  fragen  einiger  roitglieder  über  die  haare  bemerkt  er 
ferner:  die  fnusgeführten)  haare  sind  viel  leichter  als  bossen  herzustellen, 
die  fraueuköpt'e  sind  offenbar  sorgfältiger  gearbeitet  als  die  der  sclaven, 
doch  sind  hier  die  haare  herausgearbeitet,  je  gröszer  der  schatten, 
desto  schwXrser  erseheinen  die  haare;  der  hart  des  Kentanren  eb.  Ist 
oben  weich  bearbeitet,  was  den  eindmok  von  weissgrau  macht;  an 
andrer  stelle  hat  der  künstler  tief  eingehauen,  um  schwärzeren  effect 
hervorzubringen,  überhaupt  war  bei  den  alten  das  streben  nach  maleri- 
schem effect  gröBzer  als  man  meint,  das  fleisch  des  Kentauren  ist  weich 
behandelt;  das  fleisch  am  Icnoehen  tritt  mit  teltnen  Terstindnis  herror. 

Herr  dir.  Classen  re|^  die  frage  nach  der  anfstellung  an;  erfiraf^ 
wie  das  Ttpö  des  Pausanias  verstanden  werden  müsse,  ob  im  sinne  von 
vor  einander  oder  in  gleicher  richtung,  ob  das  giebelfeld  einer  figur 
vor  den  pf erden  räum  liesz? 

Herr  Cnrtins;  hierfiber  kann  erst  der  Tertneh  einer  anfstellnng  ent- 
scheiden, mir  scheinen  die  pferde  schräg  gestanden  zu  haben;  der 
lenker  kehrte  sich  den  pferden  zu  und  hielt  die  zügel  in  der  band,  die 
köpfe  8in<l  scliön  erhalten,  einige  halb  in  relief,  andre  ganz  ausgearbeitet. 

Herr  dr.  Flasch  von  Würzburg  knüpfte  an  die  auseinandersetzuug 
des  hm.  Cnrtins  an,  namentlich  in  betreff  der  stilistisohen  behandlnng 
und  des  wohlbegründeten  rathes,  noch  mit  Fermnthnngen  inrfieksnhalten. 
wie  die  werke  des  Paionios,  ffChrt  er  fort,  zum  Vorschein  kamen,  war 
das  erste  ein  staunen  über  den  unterschied  zwischen  seinen  und  den 
Parthenonbildern,  hier  ist  das  nackte  sehr  gut  behandelt,  die  haare 
sind  sehr  konstToH  auseeführt,  die  gewandnng  seharf  markiert,  bei 
Paionios  dagegen  fehlt  der  freie  sohwnng,  an  der  gewandnng  finden  sieh 
verdrückungen  und  Unwahrheiten;  einige  fignren  freilich  wie  der  Zeus 
und  der  wagenlenker  im  ostgiebel  sind  freier  behandelt,  also  findet  sich 
fortschritt  an  dem  giebel  selbst,  es  fragt  sich :  wie  verhält  sich  Paionios 
n  Phidias?  Brunn,  dem  wir  so  viel  verdanken,  stellte  die  meinung 
auf,  Paionias  halie  einer  gani  andern  schule  angehört,  einer  nord- 
griechischen, wir  haben  jetit  gelernt,  dass  Paionios  und  Alkamenes 
sich  80  nahe  standen,  dasz,  wenn  ihre  statuen  promiscue  gefunden  wären, 
keiner  sie  unterscheiden  köLute.  von  zwei  verscbiednen  schulen  kann 
wol  nicht  mehr  die  rede  sein. 

Herr  prof.  Hagen  ans  Bern  findet  es  auffallend«  dast  auf  der  seile 
dss  Pelops  der  kleinere  flusz  des  landes,  der  Kladeos,  stehen  soll{  auf 
der  Seite  des  Siegers  sollte  doch  der  hauptflusz  sich  vorfinden,  er  fragt, 
ob  in  der  anfstellung  ein  fehler  gemacht  sei,  oder  ob  Pausanias  sich 
geirrt  habe. 

Herr  Cnrtins:  a  priori  kann  man  darfiber  nieht  urteilen.  Tiel- 
leicht  ist  proleptisch  durch  die  etellnng  die  ▼ennKhlnng  mit  Hippodameia 

angedeutet,  (heiterkeit.) 

Herr  prof.  Stark  aus  Heidelberg  lenkt  die  aufmerksamkeit  auf 
tte  deutuug  der  fignren,  insbesondere  des  grossen  kopfes  im  westgiebel 
als  Apollo,  es  ist  bedenklich ,  bemerkt  er,  Pausanias  eines  Irrtums  sn 
teihen,  namentlich  bei  sacralen  gegenständen,  die  deutung  des  kopfes 
als  Apollo  ist  mir  nicht  recht  fisssbar,  da  der  westgiebely  wie  Tortrefflioh 


I 


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60        Bericht  fiber  die  Terhandlmigeii  der  SSn  Tenammlaiig 


bemerkt  ist,  hauptsächlich  den  heroen,  der  ostgiebel  den  göttern  gehört, 
auch  hat  bis  jetzt  Apollo  keine  stelle  zu  Oljrmpia  und  auch  nicht  iu  der 
smge  der  Lapithen  und  Kentanren.  baben  lich  fragmente  der  gettsen 
•tatiie  ^fanden?  (Cartius:  nein!)  allerdinfrs  ist  der  köpf  gpröszer  als 
andre,  aber  nicht  gröszer  als  der  des  Kentanreu.  die  deutang  desselben 
als  Apollo  ist  noch  nicht  sicher,  jedenfalls  nimmt  Peiritboos  eine  herror- 
rageude  Stellung  in  der  sage  ein. 

Herr  Cur tins:  die  deutung  des  kopfes  ist  allerdings  nocb  problem; 
aber  die  mhe  desselben  pasat  schlecht  für  einen  Peiritboes^  nm  dessen 
brant  der  kämpf  entbrannt  ist. 

Herr  Ur  1  icbs:  ist  sieber,'  dasi  die  eine  fignr  als  Uestia  genommen 
werden  musz? 

Herr  Curtius:  ja.    wir  müssen  die  Ungleichheit  in  behandlang  der 

Sewandnng  darauf  snrflckfDhren,  dass  attische  und  oichtattisebe  binde 
ier  thtttig  waren. 

Da  niemand  mehr  über  diesen  gegenständ  das  wort  verlangt,  w 
ersucht  der  versitzende  hrn.  Cortios  seine  mitteilungen  über  topograpiii« 
des  alten  Athen  zu  machen. 

Herr  prof.  Gnrtins  len^^  nunmehr  eine  reibe  tou  abbildnngen  tot, 
die  er  im  yorigen  winter  unter  beihilfs  eines  höheren  officiers  des  kgl 
generalstabs  angefertigt  habe;  es  seien  zwei  aut'nalunen  von  Athen  ge- 
macht worden,  eine  im  raaszHtab  von  12,500,  die  eben  im  drucke  sei, 
eine  zweite  im  maszstab  von  4000,  fast  noch  instructiver  als  jene,  ds 
sie  die  spuren  des  lUtesten  Atben  zeige,  namentlich  seien  die  südwest- 
lichen teile  der  Stadt  wichtig  und  interessant,  die  aufzonehmen  um  so 
dringender  gewesen,  als  die  ganze  Stätte  in  fortwährender  zerstörong 
wegen  der  Steinbrüche  be^^riffen  sei;  hier  seien  die  ältesten  nieder- 
lassungon  gewesen  und  noch  wol  zu  erkennen ,  straszen ,  wohnungeD, 
altftre  u.  a.  nachdem  er  die  einseinen  abbildnngen  kurs  eriftutert, 
sehlieszt  er  mit  der  angäbe  des  inbaits  von  dem  demnltcbst  erseheinea- 
den  atlas. 

Herr  hofrath  Urlichs  dankt  hrn.  Curtius  für  die  interessanten 
mitteilungen  namens  der  Versammlung  und  zeigt  sodann  das  stück  einer 
marmorstatue,  welches  in  der  umgegend  der  Acropolis  gefunden  worden 
ist  und  jetst  in  Wlirtbnrg  unter  andern  fthnlicben  resten  aufbewahrt 
wird;  die  art  der  behandlang,  der  gegenständ  (Kentanre)  und  der  mar- 
mor  lasse  die  Vermutung  begründet  erscheinen,  dasx  das  Torgeaeigte  stück 
einer  metope  des  Parthenon  angehört  habe. 

Um  die  noch  übrige  zeit  zu  benutzen,  zeigt  hr.  prof.  dr.  Hagen 
aus  Bern  einstweilen  eine  reihe  tou  Photographien  vor,  welche  bestiniBit 
sind  zur  erläntemng  seines  aof  die  dritte  Sitzung  angesetiten  Tortrsges 
über  ATenttcum,  und  ffigt  schon  jetst  einige  erklärende  werte  binsu. 

Dritte  sitsnng,  freitag  S8  septbr.,  8  uhr. 

Zuerst  spricht  hr.  prof.  Hagen  ttber  Aventieum.* 

Nachdem  der  vortragende  im  namen  seiner  schweizer  collegen  tür 

den  Überaus  herzlichen  empfang,  der  ihnen  von  der  deutschen  philologeo- 
Versammlung  zu  teil  wurde,  warm  gedankt,  erläuterte  er  zunächst  mit 
Zugrundelegung  einiger  karten  und  pläne,  vor  allem  eines  fünf  fusi 
honen  planes  der  alten  Stadt,  die  geographischen  und  topographisebes 
▼erhiltnisse  des  heutigen  Avenches  (swei  standen  südlich  von  Marten 
gelegen)  und  des  allen  V/^  stunden  im  umkreise  hallenden  Aventicum. 
namentlich  wurde  auf  eine  zahl  eigentümlich  klingender,  räthselhafter 
namen  aufmerksam  gemacht,  welche  bestimmte  teile  des  alten  Stadt- 
gebiete heute  tragen  und  die  som  teile  als  benennungen  der  alten  iiQsr* 
ttere  oder  insulae  an  betrachten  sein  dürften. 


*  den  bericht  über  diesen  vertrag  verdanken  wir  der  freandlicbea 
mitteilung  des  hrn.  prof.  Hagen  selbst. 


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deatacher  philologen  und  ichalmAimer  in  Wiesbaden.  61 


Daran  schlosz  sich  ein  kurzer  überblick  über  die  g^esdiiehte  von 
Aventicam,  beginnend  mit  dem  Taciteiscben  bericht  (histor.  I,  67)  und 
mit  den  borgnndischen  leiten  abscblieszeod.   die  zasätze,  welche  Fre- 
degar snr  Chronik  des  Hieronj^mv«  Qber  die  geachichte  von  Aventienm 
gemacht  hat,  speciell  die  thätigkeit  der  Flavier,  Vespasian  und  Titus, 
betrcffenfl,  führten  über  zu  der  besprecbnnpf  der  noch  erhaltenen,  meist 
auf  die  Flavier  zurückzuführenden  altertümer,  zunächst  der  baulichen 
(riogmauer,  thürme,  theater,  ampbitheater,  schnlae,  forum),  dann  der 
künstlerischen  (statnen,  mosaiks  nsw.),  littararlaehen  (insehriften)  nnd 
gewerblichen  (allerlei  gegenstände  des  täglichen  gebrauohs).   der  vor- 
tragende erläuterte  diese  partie  durch  eine  zahl  von  32  groszen  Photo- 
graphien,  die  er  der  giite  des  hm,  pfarrer«  Vionnet  von  Ktoy,  kanton 
Waadt,  verdankte,  ferner  durch  eine  auf  der  Beruer  stadtbibiiotbek  be- 
fiadUche  mappe  von  handieicbnnngen  nnd  aqnarellen  des  arehitekten 
KlUer,  welcher  in  den  80er  jähren  des  vorigen  Jahrhunderts  auf  befehl 
der  Bernischen   regieruug  die  ausgegrabenen  schätze  überwachte  und 
eine  hübsche  anzahl  von  bauten,  darunter  der  herrliche  Dionysosraosaik, 
noch  kannte  und  abbildete,  welche  seither  durch  böswillige  Zerstörung 
oder  ans  sonstigen  grfiiiden  sa  gründe  gegangen  sind,  endlich  dnron 
eine  leibhaftige,  wohl  erhaltene  dattel,  welche  mit  etwa  80  vortrefflieb 
conservirten  stücken  vor  einipen  jähren  in  einer  ans  Mauretanien  stam- 
menden groszbäuchiijen  urne  (nebenan  eine  ähnliche  urne  voller  oliven) 
gefanden  worden  war.    bei.  der  besprechung  der  Inschriften  machte  der 
vortragende  darauf  anfmerksam,  dass  ein  grosser  teil  derselben  jetzt 
aosserhalb  Aveuches  anfgepflanst  ist,  so  einige  in  Mnnchenwyler,  in 
Murten,  dann  der  leugenstein  von  Sitten  und  sämtliche  Amioldinger 
inschriften,  welche  jetzt  zum  teil  in  Thun  aufgestellt  sind,    er  zeigte 
namentlich   hinsichtlich   der  Sittener  inschrift  und  derer  von  Amsol- 
dingeu  (1 stunde  von  Thun  am  f nsze  des  Stockhorns),  dasz  nicht  bloss 
innere  grttnde  (Inhalt  der  Inschriften,  namen,  die  sonst  anf  Aveneher 
inschriften  häutig  vorkommen  usw.),  sondern  auch  noch  ein  äusserer, 
darchschlagender,  nämlich  dasz  mineralogische  hestimmnnfr  des  materials 
die  herkunft  dieser  steine  aus  Avenches  zu  unzweifelhafter  Sicherheit 
erhebe,    es  ist  nämlich  weder  der  Öittener  leugenstein,  der  eine  ent- 
feraong  von  17  lengen  (8Vt  stunden)  von  Aventicnm  angibt,  aus  dort 
etnbeimischem  gestein  gehauen,  noch  der  Amsoldinger  leugenstein,  der 
7  lenken  (S'/j  stunden)  von  Aventicum  aufgestellt  gewesen  zu  sein  be- 
hauptet, ans  Strikhorngestoin  gebildet  (was  beides  Mommsen  durch  ein- 
heimische versichert  worden  war),  sondern  aus  dem  sogeuaneten  ndo- 
eomlen  oder  gelblich  weissen  juramarmory  wie  er  bei  Neuenburg  vor- 
kommt und,  was  die  hauptsache  ist,  fast  für  sämmtliche  bauten  nnd 
inschriften  von  Avenches  in  anwcndnng  gekommen  ist.  die  verscbleppunp;' 
wurde  wahrscheinlich  dadurch  veranlasst,  dasz  die  im  8 — 9jahrhundert 
gebaute  propstei  von  Amsoldingen  mit  dem  früher  in  Avenches  resi- 
oirenden  bisohof  von  Lausanne  iu  Verbindung  stand,  hier  fand  nun  der 
Tortragende  die  angenehme  Veranlassung,  der  Versammlung  kenntnis 
von  einem  neuen  (fiinften)  inschriftenstein  von  Amsoldingen  zu  geben, 
welcher  vor  zwei  jähren  bei  der  neubestühlung^  der  kirche  zum  Vorschein 
kam  und  jetzt  im  garten  des  hrn.  Tscharuer  von  Amsoldingen  aufgestellt 
ilt.  derselbe,  noch  nirgends  bisher  publicirt,  enthftlt  folgende,  vor- 
trefflich erhaltene  grabschrift: 

D  M. 

POM!'.  HOSFITAB 

FEMINAE  ÖANC 

TISSIMAE  QVAE 

VIXTT   ANK.  XXXII 

GEMIN.  VICTVJ 

LVS  CONIVG 

COMPAB.  i\  0. 


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62        Bericht  über  die  verhaudliingeu  der  32u  Versammlung 

RQeksiehtliolk  der  Übrigen  Amsoldin^^er  insehriften,  sowie  der  be* 

reicherung,  welche  die  entfernung  derselben  aus  der  früher  als  keller 
des  pfarrliauseB  dienenden,  mit  verfaulenden  kohlenstiicken  usw.  an- 
gefüllten krypte  für  die  richtige  lesung  einzelner  worte  zur  folge  hatte, 
▼erweist  der  vortragende  auf  seine  im  antiquariechen  anseiger  too 
Zürieh  seit  1874  erschienenen  nitteilanffen. 

Nachdem  hierauf  hr.  prof.  Wieieler  einige  mitteilongen  über  den  nM^ 
tun  des  schweizeriRchen  museum  an  archUolofrischen  g-egen ständen  ge 
macht  hatte,  legte  hr.  prof.  dr.  Robert  aus  Berlin  farbige  copieen  einer 
reibe  pompejanischer  Wandgemälde  vor,  die  sich  in  dem  peristjl  einet 
an  der  Stabianer  atrasse  gelegenen  hanses  befinden  und  gruppen  m 
tras^eohen  und  komischen  masken  darstellen,  auf  dem  einen  derselben 
lassen  sich  die  maakcn  des  Persens,  der  Andromeda,  des  Kepheus  und 
der  Kassiopeia  sowie  der  köpf  des  meerungeheiiers  erkennen;  es  sinil 
also  diu  masken  einer  bestimmten  den  Andromedamythus  behandelnden 
tragSdie,  nach  der  ansieht  des  Tortragenden  der  Andromeda  des  Enripide«, 
dargestellt,  somit  sind  auch  die  masken  der  übrigen  bilder  nicht  will- 
kührlieh  zusammengestellt,  sondern  bestimmten  tragödien  und  comödien 
entnommen,  die  aber  unter  den  uns  erhaltenen  oder  dem  titel  nach  be- 
kannten griechischen  stücken  nachzuweisen  bis  jetzt  nicht  gelungen  ist. 
die  bilder  werden  In  der  arehSologischen  seitung  veröffentlicht  nnd  it» 
ffihrlich  besprochen  werden.^' 

Es  folgte  der  Vortrag  des  hm.  prof.  dr.  Stark  aus  Heidelberg  über 
den  Apollo  von  Speier.  dieser  Apollo  ist  vor  einigen  nionaten  mit  andern 
broncealtertümern  in  Speier  gefunden  worden  und  erweckt  ein  hervor- 
ragendes interesse.  der  Tortragende  bespricht  snnftchst  die  Tersehiedneii 
Apolloideale  der  Griechen;  die  völlige  nacktheit  des  einen,  bemerkt  er, 
ist  nicht  das  resultat  langer  künstlerischer  Umwandlungen  älterer  be- 
kleideter cultusbilder,  sondern  schon  in  den  schulen  von  Samos,  Kreta 
u.  a.  findet  sie  sich  in  höchst  bedeutsamer  weise  bei  dem  in  voller  klar- 
heit  erscheinenden,  alle  Terhfillung  entfernenden  jugendlichen  lichtgotte 
im  gegensatse  zb.  zu  dem  im  nftchtlichen  swielieht  wandelnden  Hermsi; 
seine  attribnte  sind  bogen,  pfeif,  leier,  in  seiner  begleitung  die  Chariten, 
verschieden  davon  ist  der  pythische  Apollo  in  langem  chiton,  feierliclieru 
mantel,  mit  groszer  kithara,  oder  der  ebenfalls  bekleidete,  sühnende, 
weissagende  mit  seinen  attnbuten«  die  älteren  künstler  haben  beide  vor- 
stellnngen  anseinandergehalten,  aber  namentlich  das  nackte  Apolloideal 
mit  yorliebe  in  ers  behandelt,  in  Athen  begegneten  sie  sich  und  gliches 
sich  mehr  aus;  Skopas  nnd  Praxiteles  und  ihre  schüler  haben  dann  das 
Apolloideal  umgebildet,  wobei  sie  nacktheit  nnd  bekleidung  nach  künst- 
lerischen rücksichten  benutzten  und  abstuften,  den  jonischen  Apollo 
leicht  bekleideten,  dem  pjthlschen  das  leichtere  himation  gi^en.  ia 
Bom  war  die  sahl  ansgeseichneter  stataen  des  Gottes  besonders  durch 
Augustus  sehr  grosz,  und  es  verbreitete  sich  von  hier  aus  der  cult  nnd  die 
bildliche  darstellung  nach  den  provinzen  des  Westens,  auch  der  Apollo 
von  äpeier  weist  nach  Rom,  wo  griechische  meister,  ein  Apollomus, 
Pasiteies  n.  a.,  an  den  Slteren  tjpus  sich  anschliessend,  altertttmlieh 
angehauchte  bildwerke  schufen,  nun  ist  es  interessant,  dasx  wir  eioo 
parallele  zu  diesem  Apollo  in  einem  auf  Majorku  gefundenen  raarmor- 
bilde  mit  der  inschrift  'AtioXXiOvioc  ^7ro(€i  besitzen,  (redner  beschreibt 
die  beiden  figuren  näher.)  diese  raarmorstatue  ist  nun  sicherlich  {n&ch 
Hübner)  weder  original,  noch  ein  werk  des  Apollonlos,  sondern  naclh 
bildong  eines  bekannten,  in  Bom  von  Apollonios  angefertigten  bronce 
bildes,  von  dem  die  Speirer  bronce  gleichfalls  eine  anch  dem  Stoffe  nacii 
entsprechende  nachbildung  ist.^^ 


anch  hr.  prof.  Bobert  hatte  die  freundliehkeit,  diese  skisse  Bsuiei 

Vortrags  auf  unsere  bitte  uns  zuzusenden. 

auch  zu  diesem  bericht  durften  wir  die  gef.  mitteilung  des  vor- 
tragenden,  hm.  prof.  dr.  Ötark,  benutzen. 


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deuttcher  pliilologeu  und  «chulm&nuer  in  Wiesbaden. 


es 


Vierte  sitzang*,  freitag  28  septbr.,  nachm.  47i  uhr  im  museum. 

Nachdem  die  mitglieder  der  section  unter  leitungr  des  lirn.  obrist  h.  d. 
V.  Cohausen  die  schätze  des  miiseums  besichtigt  hatten,  erothiete  der 
Vorsitzende  in  dem  dazu  hergerichteteu  Mithrassaale  um  4^«  uhr  die 
Sitzung,  in  welcher  hr,  t.  Cohausen  mehrere  broneesftataetten ,  thon- 
gefäsze  und  andre  interessante  gegenstände  des  museums  zur  besprechung 
und  beurteilung  vorlegte;  an  die  einzelnen  knüpfte  sich  eine  mehr  fa- 
miliäre Unterhaltung  y  die  zur  klärung  der  ansichten  über  dieselben 
wesentlich  beitrug. 

Naohdem  die  leit  abgelaufen  war,  sehlon  der  vorsitsenda  die  sitauug. 

Kritisch-exegetische  section. 
(bericht  des  hrn.  prof.  dr.  Sigmund  Teuf  fei  in  Stuttgart.) 

Entsprechend  der  überaus  lebhuften  teilnähme  an  der  diesjährigen 
pbiloiogenversammlung  überhaupt  hatte  aucli  die  kritisch-exegetische 
section  eine  sehr  grosse  zahl  von  mitglieder  n  au  t  zu  weisen,  nach  der 
formellen  eröffnung  durch  prof.  Ueener  hatte  die  section  die  f^eude, 
dir.  Classen  aus  Hamburg  zu  ihrem  Präsidenten  wihlen  zu  können, 
welcher  denn  auch  das  amt  bereitwilli^j:  übernahm  und  die  thätigkeit 
der  section  sofort  eröffnete  durch  einen  Vortrag  über  die  grammatik  des 
Dionysios  Thraz,  besonders  um  dadurch  auf  eine  ueuherausgabe  dieses 
bfichleine  hinauwirken.  eine  solche  •teilte  er  als  höchst  wfinscbenswcrth 
dar,  weil  die  temdnologie  der  griechischen  grammatiker  Überhaupt  Tiel- 
fach  auf  richtigerem  Verständnis  beruhe  als  wie  der  lateinischen,  welche 
die  griechischen  bezeichnunpfen  häufig  ganz  sinnlos  übertragen  haben, 
nachdem  Classen  und  nach  ihm  prof.  Chrii^t  aus  München  noch  näher 
Uber  einzelne  dieser  beseiohnungen  gesprochen  hatte,  setste  dir.  Uhlig 
aus  Heidelberg  die  eigentämlichen  Schwierigkeiten  auseinander,  welche 
mit  der  Wiederherausgabe  des  werkchens  verbunden  seien,  dieselben 
bestehen  namentlich  darin,  dasz  die  für  die  textkritik  sehr  wichtigen 
Scholien  unter  sich  oft  einen  ganz  verschiedenen  text  voraussetzen ;  vor 
sUem  mfissen  also  die  Scholien  auf  ihre  ▼erschiedenen  quellen  anrfick- 
gefuhrt  werden,  sodann  gibt  es  eine  armenische  übersetsung  der  techne 
aus  dem  5.  jahrh.,  von  der  auch  festgestellt  werden  musz,  welcher  text 
ihr  zu  gründe  liegt,  erst  dann  läszt  sich  die  frage  nach  der  autor- 
schaft  erheben,  prof.  Kiessling  aus  Greifswald  sprach  über  die  Ho- 
rasiseke  ode  I,  20,  worin  der  dichter  den  M&ccnas  lu  einer  flasohe 
Sabiuer  eigenen  gewitchses  einlSdt.  der  redner  glaubte  das  gedieht  dem 
Horaz  absprechen  und  seinen  ursprang  vielmehr  in  die  Neronischc  zeit 
setzen  zu  müssen,  weil  einerseits  auf  Horazens  Sabinum  kein  wein 
wuchs  (vgl.  epist  I,  14,  23  f.),  andererseits  an  der  im  gedichte  voraus* 
gesetsten  stelle  in  Kom  damals  kein  theater  stand,  wogegen  PUnius 
(n.  b.  87,  19)  erwühnt,  Nero  habe  sich  In  seinen  gftrten  jenseits  des 
Tiber  eine  privatbühne  erbaut,  wo  geklatscht  werden  muste,  dass  das 
sehe  vom  Vatikan  widerhallte. 

Ein  groszer  teil  der  Sitzungen  wurde  in  anspruch  genommen  von 
der  frage  der  sceniscben  responsion  bei  den  griechischen  tragikern  und 
.  Aristophanes,  und  swar  lagen  den  TerbaniQungen  darflber  dem  in  Tü- 
Inngen  ausgesprochenen  wünsche  gemäss  gedruckte  thesen  zu  gründe 
von  proflF.  Oeri  (Schaffhausen),  Christ  (München)  und  Prien  (Lübeck), 
die  ansieht  Oerie  ging  dahin,  dasz  'die  Symmetrie  der  verszalilen  bei 
£uripide8  und  Aristophaues  nicht  blosz  in  ornamentaler  weise  zu  detail- 
gUederung  von  diälogen  und  reden,  sondern  hauptsächlich  auch  in  mehr 
constructiver  weise  zur  gliederung  gröszerer  partien  der  stücke  diene,' 
und  zwar  'entsprechen  sich  die  verszahlen  streng  mathematisch  ,  nicht 
blosz  annähernd.'  die  parallelen  partien  sind  entweder  ganze  scenen 
und  epeisodieu  oder  nur  teile  von  solchen;  parallelismus  des  inhalts  findet 


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64     Bericht  über  die  yerhandluugen  usw.  deutscher  phüologeiL 


tieb  Bwar  häufig,  ist  aber  dnrcbsua  niebt  erforderlieb.   Oer!  ^eb  ubri- 

gens  zu,  dasz  für  diese  Verhältnisse,  welche  er  als  vorhanden  sta- 
tistisch nachwies,  eine  ratio  sich  nicht  finden  lasse.  Prien  dagegen, 
welcher  speciell  für  Soph.  O.  K.  Symmetrie  der  reden  und  ganzer  epie- 
sodien  behauptete,  fand  diese  ratio  in  der  logischen  gliederang  des  In- 
halte und  den  beim  vortrage  notwendigen  mbepnneten  (pausen),  im 
gegeneatse  zu.  ihnen  war  Christ  der  roeinnng,  dasz  zwar  die  ezistens 
von  symmetrisch  gebauten  stellen  bei  den  griechischen  tragikern  und 
Aristophanes  nicht  in  zweifei  zu  ziehen  sei,  dasz  aber  an  ein  gesetz 
nicht  gedacht  werden  dürfe,  diese  erscheinung  beruhe  lediglich  auf 
dem  bei  den  Orieeben  so  hoeh  entwieicelten  sinne  ftlr  ebenmasz.  dies 
bA  der  grnnd,  weshalb  im  dialoge  sich  die  meisten,  und  xwar  zum  teil 
ganz  augenfällige  beispiele  von  symmetrischem  baue  finden,  soll  etwas 
ähnliches  für  ganze  scenen  nachgewiesen  werden,  so  ist  nach  iler  ansieht 
Christes  auch  ein  paralielismus  des  gedankeninhalcs  erforderlich,  weil 
sonst  dem  subörer  die  symmetrische  anordnnug  gar  nicht  snm  bewnstsein 
kommt,  eben  deshalb  sei  auch  ganz,  nnmöglich  was  Oeri  behauptet 
hatte,  dasz  partien  einander  entsprechen,  welche  nicht  in  dem  gleichen 
metrum  gehalten  sind,  endlich  warnte  Christ  noch  vor  athetesen  und 
annähme  von  Ificken  zur  künstlichen  herstellung  einer  übereingtimmung 
der  versaablen. 

Im  laufe  der  discussion  über  diesen  gegenständ,  an  welcher  sieh 
besonders  geh.  reg.-rath  dr.  Pirnhaber  von  Wiesbaden  und  dr.  Ascherson 
aus  Berlin  beteiligten,  wurde  einerseits  geltend  gemacht,  dasz  eine  so 
kttnsÜiehe  gliederang  bis  ins  einzelne,  wie  sie  Oeri  behauptete,  für  den 
dichter  äusserst  lästig  sein  mnste,  ohne  dass  er  sieh  doch  einen  grossen 
erfolg  davon  versprechen  konnte,  andererseits  aber  wurde  hingewiesen 
auf  analogien  hei  modernen  dichtem,  auf  ganz  ausgesprochene  responsion 
in  stücken  von  Corneille  und  in  Goethe's  'mitschuldigen',  wie  es  jedoch 
in  der  natnr  der  saehe  lag,  konnte  man  sieh  niebt  su  einer  definitiven 
lösung  der  frage  vereinigen,  sondern  mnste  dieselbe  weiterer  und  ein- 
gehender Untersuchung  anheimgeben. 

Im  weiteren  verlaufe  der  Sitzungen  sprach  dr.  Flach  aus  Tübingen 
über  das  violarium  der  kaiserin  Eudokia  und  kam  zu  dem  resultate, 
dass  die  unecbtheit  der  scbrift  bis  jetst  noeh  nicht  bewiesen  sei,  so 
schwere  verdachtsgrtinde  auch  gegen  dieselbe  zu  sprechen  scheinen, 
hingegen  war  gymnasiallehrer  Gropius  aus  Weilhurg  der  ansieht,  die 
schritt  stamme  aus  dem  ende  des  15u  oder  anfang  des  16n  Jahrhunderts, 
da  allem  anscheine  nach  Eustathius  und  ein  druck  der  Aldina  benutzt 
sei,  was  freilich  noch  genauer  nacbsaweisen  ist  —  eine  erörterang  Über 
die  bedeutnng  von  ex  eo  bei  Caes.  bell,  galt  I|  80  führte,  da  die  stelle 
nicht  vorlag,  zu  keinem  resultate. 

Den  schlusz  der  Verhandlungen  bildete  ein  Vortrag  von  prof.  Linker 
AUS  Prag  über  die  vielberuteue  Horazische  ode  I  34:  parcus  deorum  cultor 
et  infreqnens;  der  redner  hält  sie  für  seht,  zugleich  aber  aacb  für 
einiger  emendationen  höchst  bedürftig,  er  schreibt  daher  statt  des  gans 
sinnlosen  plerumque:  utrimqne;  sodann  scheinen  ihm  die  namen  v.  10 
sehr  verdächtig,  und  er  schlug  daher,  weil  der  dichter  offenbar  ost  und 
west  einander  gegenübersetzeu  will,  die  Änderung  vor:  quo  Susa  et  iu- 
visi  borrida  Aehaemeni  (letateres  als  genet.).  einen  gans  ähnlichen 
inhalt  wie  dieses  Horazische  gedieht  hat  Yerg.  Catal.  XII,  und  es  wäre 
interessant,  wenn  beide  dichter  dasselbe  ereignis  besungen  hätten. 

(der  schlusz  folgt.) 

WiBSBADBN.  F.  Otto. 


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ZWEITE  ABTEIIiUNG  (U8a  BAND), 


letU 

1.  Altes  und  neues  aus  der  schule,    von  Fahle  in  Posen     1  —  17 

2.  Die  ehemalige  Karlsschule,    von  HÖhchcr  in  Herford  .    17 — 22 

3.  Bemerkungen  zur  lateinischen  grammatik  von  EUcndt- 
Seyffert.    von  6'.  Venediger  in  i?pandau  23—30 

4.  M.  Seyfftrl  und  H.  Habenichl:  palacstra  musaruni.  ma- 
terialicn  zur  einiibung  der  gewöhnlichen  mctra  und  er- 
lernung  der  poetischen  spräche  der  Körner,  ersterteil: 
der  hexamcter  und  das  disticlion.  achte  aufläge  (Halle 

1877).    angez.  von  Straumer  in  Chemnitz  81 — 32 

ß.  W.  Gescnius:  hebräisches  und  chaldäischcs  handwürter- 
buch  über  das  alte  testameut.  achte  aufläge,  neu  be- 
arbeitet von  Mühlau  und  G.  Volck.  erste  hiilfte 
(Leipzig  1877).    angez.  von  G.  L,  Strack  in  Herlin  .    .    33 — 34 

6.  M.  Duncker:  aus  der  zeit  Friedrichs  des  groszen  und 
Friedrich  Wilhelms  HI.  abhandlungen  zur  preuszischen 
geschichte  (Leipzig  1876).  angez.  von  //.  Pröhle  in  Berlin    34 — 37 

7.  K,  Fries:  dr.  Johann  Christoph  von  Held,  ein  lebens- 
bild.    erste  und  zweite  abteilung.   angez.  von  A.  Eussner 

in  Würzburg  37—42 

8.  Zu  Klopstocks  briefwechsei.  von  //.  Ifolsiein  in  Verden  43 — 50 
^.  Bericht  über  die  Verhandlungen  der  zweiunddreiszigstcn 

Versammlung  deutscher  philologen  und  Schulmänner  in 
Wiesbaden,  vom  26  bis  29  September  1877.  von  F.  Otto 
in  Wiesbaden  50 — 64 


)OgIe 


* 


In  meinem  Verlage  ist  eben  erschienen  nnd  ist  durch  jede  Buch 
Handlung  zu  beziehen: 

Corpus 
inscriptionum  Atticarum 

consilio  et  auctoritate 
Academiae  litterariim  regiae  Borussicae 

editum. 

Yolnminis  quarti 

supplementa  complexi 

fascicttlus  prior 
Supplement or um  voluminis  primi  partem  priorem 

continens. 

gr.  4.  pag.  1 — 56.    Broschirt  5  JL 
Berlin,  den  12.  December  1877.  G.  Reimer. 

Verlag  von  B.  G.  Teubner  in  Leipzig. 

EncykloiDudie  iiiicl  Methodologie 

der 

philologischen  Wissenschaften. 

Von 

August  Boeckh. 

Herausgegeben 
von 

Emst  Bratuscheck. 

gr.  8.  Geheftet.   Preis  \1  A 


Griechiscli  -  Lateinisches 

etymologisches  Wörterbuch. 

Von 

Alois  Vanicek, 

k.  k.  Gymnasialdirector  zu  Neuhaua  iu  Böhmen. 

2  Bände,  gr.  8.  Geh.  Preis  24  A 

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ZWEITE  ABTEILUNG 

rÜE  GYMNASULPlDAGOGIK  UND  DIE  ÜBRIGEN 

LEHBFiCHEB 

KIT  AVSSCHLUn  DIS  OLABSISOBSV  FHXLOLOOIB 

HERAUSGBGEBEN  VON  PROF.  DR.  HeKMANN  MaSIüS. 


10. 

ÜBER  RELIGION,  OFFENBABUliiG ,  HEIUGC:  SGUAIFT. 

ZUR  EINLBITÜMG 

nr  ]>IB  BIBLISCHE  BELIOION8O680HICBTE  TOID  RELIQI0N8LEHRB  AUF 

DER  STUFE  DES  OBEBEN  OTHNASIUMS. 


Die  nachfolgenden  blätter  möchten ,  wie  dies  schon  früher  in 
zwei  Programmen:  Hiber  Ruth  in  latinum  versus  perpetuaque  inter- 
•pretatione  illustratus  1856',  und  'die  biblische  geschichte  in  ihren 
ersten  anfängen  1876',  von  mir  versucht  worden  ist,  eine  weitere 
probe  geben,  wie  nach  meiner,  auf  vieljähriger  erfahrung  beruhen- 
den Überzeugung  der  evangelische  religionyunterrieht  und  die  bibel- 
lectüre  im  obergymnasiura  zu  behandeln  sei.  dieser  Unterricht  hat 
gerade  auf  dieser  mittelstufe  zwischen  elementar-  und  hochschule 
seine  eigentümlichen,  nicht  leicht  zu  bewältigenden  Schwierigkeiten, 
worin  dieselben  bestehen  und  was  demgemäsz  zu  thun  und  zu  lassen 
sei,  damit  einesteils  den  bedürfuissen  der  lernenden,  andernteils  den 
aufgaben  des  lehrers  entsprochen  werde ,  sofern  dieser  die  pflicht 
hat,  ebenso  wol  durchaus  wahrhaftig  zu  sein,  und  den  berechtigten 
forderungen  unserer  jetzigen  bibelforschung  gerecht  zu  werden,  als 
einen  ^^esunden  oöenbarungsglauben  pietätvoll  zu  wahren,  wurde 
seiner  zeit  in  vier  artikeln  des  württemb.  correspondenzbl.  für  gel.- 
imd  realschulen  1873  s.  18 — 185  auseinandergesetzt,  was  dort 
theoretisch  als  notwendig  oder  wenigstens  als  wünschenswerth  auf- 
geteigt  ist,  soll  hier  in  seiner  praktischen  Verwendung  dargelegt 
werden,  wenn  dies  mittelst  der  erörtenmg  der  drei  grundbegriffe 
geschieht ,  welche  meines  erachtens  jeder  gründliche  religionsunter- 
rieht  anf  dieser  stufe  notwendig  zur  einleitung  zu  behandeln  hat, 

N.  jalurl».  f.  pUl.  a.  pU.  IL  abt  1818.  hit  S.  5 


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66 


Ueber  religiou,  Offenbarung,  heilige  schritt. 


des  begriffs  neralich  der  religion,  der  Offenbarung  und  der 
heiligen  schrift:  so  wird  jeder  sachkundige  zugestehen,  dasz 
diese  probe  jedenfalls  sich  nicht  am  leichtesten,  eher  wol  am  schwie- 
rigsten gegenstanil  dieses  Unterrichts  versucht,  wenn  überhaupt 
jeder  anfang  .schwer  ist,  so  besonders  der  anfang  dieses  Unterrichts 
auf  der  genannten  stufe,  mag  man  nun  auf  die  begriffliche  seite  oder 
auf  die  concreten  anfänge,  die  Schöpfungsgeschichte  nach  dem  bibh- 
schen  berichte,  das  hauptgewicht  legen,  mit  rücksicht  daher  auf  die 
in  jenen  artikeln  gegebene  begründung,  wie  mit  der  nachsiebt, 
welche  diese  stimme  aus  der  schule  und  für  die  schule  bei  dem  so 
schwierigen  stofFe  erbitten  darf,  möchte  dieses  bruchstück  gelesen 
und  l)eurteilt  sein,  einiges  davon  wird  freilich  manchem  zu  tief  und 
mystisch,  anderes  dagegen  allzu  keck,  gnosticierend,  heterodox  oder 
wie  man  sonst  sagen  mag,  und  deshalb  aus  beiden  gründen  ver- 
früht für  die  gymnasialstufe  erscheinen,  ich  musz  aber  vielmehr 
das  eine  wie  das  andere  für  gleich  unerläszlich  erklären,  jede  reli- 
gion, zumeist  die  christliche,  enthält  tiefe  mysterien,  und  zwar 
solche,  mit  denen  unsere  schüler  bereits  in  kirche  und  schule,  viel- 
leicht noch  zu  frühe,  bekannt  gemacht  worden  sind,  nicht  minder 
aber  verlangen  das  alter  und  die  Studien  der  über  die  knabenzeit 
hinausgeschrittenen  und  verlangt  ebenso  dringend  der  stand  der 
gegenwärtigen  biblischen  Wissenschaft  eine  genauere  klarstellung  . 
und  begründung  dieser  religiösen  begriffe,  wer  zur  Wissenschaft, 
zumal  der  theologischen ,  zu  erziehen  hat ,  musz  diesem  wie  jenem 
gerecht  werden,  musz  einerseits  die  tiefen  des  Christenglaubens 
ahnen,  andererseits  das  licht  der  Wissenschaft  leuchten  lassen,  beidas 
natürlich  nicht  mehr  und  nicht  minder,  als  es  auf  dieser  Unterrichts- 
stufe  schlechthin  notwendig  ist.  es  versteht  sich,  dasz  die  frage  evA 
offene  bleibt,  in  wie  ireit  das  einzelne  von  der  nun  folgenden  ein- 
leitungsprobe ,  insbesondere  tob  den  'erlflntemden  bemerknngen', 
in  den  ersten  oder  erst  in  den  spftteren  jähren  des  schnlcnrsns  zur 
besprechung  sich  eignet,  oder  aber  andi  als  etwas  zu  betrachten  ist» 
das  nar  der  lehrer,  dieser  aber  jeden&Us,  wissen  and  reiflich  er- 
wägen musz.  was  demnach  hier  geboten  wird,  sind  stücke  eines 
handbuchs  für  religionslehrer  an  den  oberclassen  eines 
gymnasiums,  worin  alle  wichtigen  hergehörigen  fragen  nach 
dem  bedür^is  nnserer  gegenw^  nnd  nach  dem  stand  der  jetzigen 
bibelwissenschaft  besprochen  werden  sollen,  ob  seiner  zeit  ein  in 
diesem  geiste  abgefaszter  Wegweiser  in  grösserem  nmfange,  ein  die 
ganze  bibel  (geschichte  nnd  lehre  derselben  nnd  bibelkiinde)  um- 
fassendes handbuch  für  den  lehrer  erwünscht  wäre ,  darüber  mag 
die  an&ahme  dieser  proben  entscheiden. 

Vorbemerkung. 
Die  aufgäbe  der  biblischen  religionsgeschichte  und 
religionslehre  ist  für  das  gymnasium  in  seinen  oberen 
classen:  kenntnis  der  geschichte  der  religion,  wie  diese  einerseits 


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Ueber  religioo,  ofienlMurang,  heilige  achxilt  67 


in  den  thatsachen,  penOnlichkeiten  ond  Wahrheiten  des  alten  und 
neuen  teetaments  geoffenbart,  andererseits  in  diesen  büchem  nieder- 
gelegt ist,  somit  einesteils  biblische  geschichte,  mit  inbegriif  der  in 
ibr  geoffenbarten  sittlich-religiösen  Wahrheiten',  andemteils  bibel- 
bmde.  der  gegenständ  und  Inhalt,  mit  dem  wir  es  zu  thun  haben, 
ist  also  keineswegs  ein  ganz  neuer,  sondern  es  soll  auch  hier,  wie  bei 
unserer  beschäFtigung  in  den  alten  sprachen,  das  bisher  gelernte  yer- 
ToUstSndigt,  in  Ordnung  und  Zusammenhang  gebracht,  vornehmlich 
aber  m  klikrer  einsieht  erhoben  und  gehörig  begründet  werden,  wie 
dieses  dem  evangelischen  Christen  1  Petr.  3,  16  <or  pflicht  gemacht 
ist.  diese  anfgabe  erfordert,  da  es  sich  um  die  geoffenbarte,  in 
der  belügen  schrift  niedergelegte  religion  handelt,  dasz  zu- 
yfirderst  die  drei  fragen,  nnd  zwar  durchweg  an  der  band  der  bibel, 
besprochen  werden:  von  gott  und  religion  ttberhanpt,  Ton  der 
offimbarong,  Y<m  der  heiligen  achrift. 

I.  Ton  gott  nnd  rellgton  llberlwnpt« 

Gott  ist  ein  geistiges,  über  das  sichtbare  und  alle  menschen 
erhabenes,  allgewaltiges  wesen,  Job.  4,  24.  Jes.  55,  8.  9,  das  das 
leben  in  sich  selber  hat  und  die  quelle  alles  lebens  ist,  Job.  5,  26. 
Jer.  10,  10;  darum  fort  und  fort  in  erhaltung  imd  regierung  der 
weit  sich  wirksam  zeigt,  act.  17,  27.  28,  nicht  allein  als  ein  ge- 
rechter und  heiliger,  5  Mos.  32,  4.  Ps.  III,  7.  1  Petr.  1,  16,  son- 
dern als  ein  gott,  der  insbesondere  dem  menschen  in  liebe  zuge- 
wandt ist  und  mit  ihm  6in8  werden  will  und  kann,  1  Joh.  4,  8. 
Job.  10,  30. 

Demgemäsz  beschreibt  die  bibel  die  religion  (anm.  1)  als  furcht 
gottes,  d.  i.  furcht  vor  ihm  und  ehrfurcht  gegen  ihn,  Ps.  III,  10; 
als  liebe  zu  ihm  5  Mos.  6,  5,  als  wandel  vor  ihm  d.  h.  als  gott- 
gefälliges leben  (anm.  2),  1  Mos.  17,  1,  als  einen  bund,  d.  i.  eine 
gemeinschaft  zwischen  gott  und  dem  menschen  1  Mos.  18. 

Was  dabei  im  menschen  vorgeht,  die  geistige  thiitigkeit  und 
Stimmung,  mittelst  der  er  diesen  gott  in  seinem  innern  empündet 
und  walten  läszt,  faszt  die  bibel  zusammen  im  worte  glauben,  Hebr. 
11,  1  (anm.  3).  an  der  dadurch  gewirkten  gemütsfetinimung  aber 
besitzt  der  mensch  den  festesten  halt  und  das  höchste  gut,  Ps.  73, 
*25.  26  (anm.  4). 

Somit  ist  religion  nach  der  bibel:  glaube  an  gott  und 
leben  in  gott,  oder:  geistige  gemeinschaft  des  men- 
schen mit  gott  mittelst  glaubens  und  lebens  (anm.  5). 
noch  genauer  gesagt  besteht  dieselbe  darin,  dasz  der  mensch  teils  in 
allem,  was  ist  nnd  geschieht,  gott  findet,  teils  in  allem,  was 

*  somit  soll  hier,  wenigateas  bU  auf  einen  gewiesen  ^rad, 

bibll:sc]ie  glaubens-  und  Sittenlehre  im  zusammenhange  mit  der  geschichto 
bebandelt  werden,  warum?  darüber  s.  mein  programm  über  IMos.  1 — 3 
vom  j.  1876,  8.  2.  16  u.  b.  8t. 

6* 


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68  Ueber  leligion,  offiBnbarong,  heilige  schrift.  { 

zn  thun  ist,  goties  willen  thut.  diese  zwei  bestandteile  letnn 
wir  als  diejenigen,  welche  das  wesen  der  biblisehen  religion  ans- 
machen ,  aus  dem  im  Charakter  und  leben  Jesu  gegebenen  muster*' 
bild  derselben  kennen,  in  ihm  sind  diese  beiden  Seiten  von  glauben 
und  leben  in  gott  in  vollstem  masze  verwirklicht  worden. 

Erläuternde  bemerkungen.  * 

Anm.  1.  Das  lat.  wort  religio  bedeutet  feines  gefühl  für  da: 
rechte,  anständige,  sowol  im  äuszeren,  als  besonders  im  sittlidieB 
nnd  religiösen ,  sittliche  gewissenhaftigkeit  nnd  fromme  sehen  vor 
dem  geheimnisvollen,  göttlichen  nnd  dien  gegenständen  heil^^er  Ver- 
ehrung es  kommt  her  von  einem  verlorenen  verbum  rdegere  (vgl. 
dSUgena)  wie  Gc.  de  nat.  d.  2,  §  72  ausdrücklich  sagt:  ^  onnm, 
guoe  ad  cuUwm  äeorum  pertinerent^  düigenter  retractarmt  et  ^ 
relegerent^  sunt  diäi  reliffiosi  a  rdegendo.  christliche  goite^gelMe 
(Lactantins  f  325)  haben  indes  rdiffio  dem  wortMang  gemäss  m 
reUgare  abgeleitet,  was  immerhin  dem  biblisdien  sinn  m6hr  6Bt* 
spräche,  weil  es  das  gebundensein  an  eine  höhere  macht,  *die 
schlechthinige  abhängigkeit  von  gott*,  ansdrttckte ,  aber  spnudiUcli 
sich  nicht  rechtfertigen  läset*  das  beste  deutsche  wort  dalBr  hi 
gottseligkeit,  aadi  frömmigkeit,  wiewol  dieses  letztere  wort  froher 
fJlgemeinere  bedentmig  hatte  nnd  durchgängige  brauchbarkeit  be- 
zeichnete. 

Anm.  2.  Nicht  blosz  das  neue  testament,  sondern  auch  das  alte 
sagt  also,  dasz  bei  allem  abstand  ein  Verhältnis  der  gemeinsdiaft 
der  liebe  zwischen  gott  und  dem  menschen  sein  könne  und  solle. 

Anm.  3.  Was  glaube  im  biblischen  sinne  bedeute,  sagt  diese 
stelle  schon  nach  Luthers  ttbersetzung  deutlich,  noch  klarer  aber 
wird  es  durch  die  genaue  tlbersetzung  des  teztes:  *es  ist  glaube  dne 
auf  festem  grund  ruhende  und  stand  haltende  Zuversicht  in  be- 
Ziehung  auf  das,  das  man  hofft,  eine  ttberzeugung  von  dingen,  die 
man  nicht  sieht',  mit  andern  werten:  ein  ganz  zuversiöhtlidies  ftt^ 
wahrhalten  zukflnftiger  und  flbersinnücher  dinge,  eines  über  dieser 
gegenwart  und  sichtbaren  weit  erhabenen  gottes  und  emer  höhem 
wcdtordnung. 

Anm.  4.  Hiermit  ist  gesagt,  dasz  religion  etwas  der  mensch- 
lichen natur  wesentliches  und  notwendiges,  ja  den  menschen  be- 
seligendes sei,  dasz  es  demnach  zu  den  geistigen  gütern  und  auf- 
gaben jedes  menschen  gehöre,  dieser  gemeinschaft  mit  gott  sich  be- 
wust  zu  werden  und  sie  zu  pflegen,  d.  h.  sein  fühlen  und  denken, 
wollen  und  haaddn  von  stetem  hinblick  auf  den  unsichtbaren  gott 
durchdringen  und  beherschen  zu  lassen.  ^ 

Anm*  5.  Es  ist  demnach  religion  nicht  ein  bloszes  erkemien 
gottes,  sondern  eine  auf  innerer  erfahrung  beruhende  gemfltsstim- 
mung,  beides  so  verschieden,  wie  es  ein  anderes  ist,  wenn  einer  die 
eigenschaften  des  feuere  kennt  und  weiss,  ein  anderes,  wenn  er  sie 
an  sich  selbst  erfährt,  und  ebenso  wenig  wie  ein  bloszes  wissen  von 


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üebex  reiigiou,  ofl'eubarimg,  heilige  sciirUt. 


69 


religiösen  Wahrheiten,  kann  eine  blosz  äuszerliche  Verehrung  mit 
Worten ,  geberden  und  ceremonien  ohne  inneres  gefühl  und  ohne 
sittlichen  einflusz  religion  im  biblischen  sinne  heiszen.  in  diesem 
betracht  ist  also  die  alte  definition:  religio  est  modus,  deum  cogno- 
scrtidi  et  coleridiy  nicht  ganz  befriedigend,  weil  dabei  nur  die  äusze- 
rungen  der  religion,  nicht  ihr  eigentliches  wesen  und  das,  was  dem 
erklären  und  verehren  zu  gründe  liegt,  ins  auge  gefaszt  ist.  den- 
noch ist  daran  das  richtig,  dasz  allerdings  sowol  das  erkennen 
(anm.  4)  ,  als  das  verehren  gottes  auch  zur  religion  gehört,  nur  ist 
beides  nicht,  weder  dem  grad  noch  der  zeit  nach,  das  erste. 

Amn.  6.  Weil  hiemach  die  religion,  welche  zunächst  etwas  im 
menschen  vorgebendes  (subjectives)  ist,  sich  auch  ttuszerlich,  nicht 
blosz  im  sog.  cultus ,  sondern  auch  im  bekenntnis  und  leben  über- 
haopt  kandgibt  und  daher  gegenständ  (object)  der  beobaehtnng  fUr 
andere  ist,  wird  das  wort  auoh  im  letstern,  also  objectiven  siim  ge- 
braucht für  die  in  gewissen  formen  heraustretende  kundgebung  der 
frömmigkeit«  so  ist  es  gemeint»  wenn  man  von  christlicher,  jüdi- 
scher, muhammedanischer  religion  spricht,  die  lateinische  spräche 
bezeichnet  diese  objectiv  in  äuszerlichen  kundgebungen  hervor- 
tretende religiosität  häufig  durch  religiones, 

NB.  Die  angeführten  bibelsteUen  sind  sämtlich  hier  und  ebenso 
aach  bei  den  folgenden  abschnitten  su  memorieren. 

ir.  Von  der  offeniwnuiig* 

Die  religion  oder  der  glaube  an  den  übersinnlichen  gott  ent- 
steht im  geiste  des  menschen  und  wird  zu  einer  in  ihm  wirken» 
den  kraft  und  sn  einem  leben  in  gott,  indem  einerseits  dieses  über- 
sinnliche wesen,  dieser  verborgene  gott,  in  der  weit  und  im  men- 
sehen  sich  kundgibt  und  so  ein  offenbarer  wird,  andererseits  der 
mensch  diese  kundgebungen  zu  vernehmen  vermag,  Joh.  6,  17* 
1  Mos.  1 ,  26  (anm.  1).  demgemäsz  ist  die  Offenbarung  gottes  eine 
gedoppelte,  sowol  eine  kundgebung  seines  wesens  in  thatsaehen, 
äuszerlichen  und  innerlichen  (numifestatio),  als  auch  ein  im  mensch- 
lichen geist  dadurch  gewecktes  bewustsein  von  gott  und  göttlichen 
Wahrheiten  {inspiratio).  es  finden  also  dabei  zwei  zusanunenhängende 
imd  zusammenwirkende  Vorgänge  statt:  thatsächliche  kundgebungen 
von  Seiten  gottes  und ,  kraft  der  in  den  menschlichen  geist  von  gott 
gepflanzten  anlagen,  innere  Wahrnehmungen  von  selten  des 
menschen. 

Die  von  gott  ausgehende  und  im  menschen  vor  sich  gehende 
Inudgebung  gottes  gelangt  aber  an  uns  auf  zwei  wegen,  so  dasz  es 
also  zwei  arten  von  Offenbarung  gibt,  welche  die  hL  schrifk 
genau  unterscheidet. 

Gott  gibt  sidi  nämlich  kund  und  wirkt  fürs  erste  durch  solche 
^tsaohen,  welche  allen  menschen  vermöge  ihrer  anersöhaffenen 
Oiior  versttndlich  sind,  diese  sind  teils  äuszerlich  wahrnehm- 
bare: die  schdpiung  der  weit  und  die  in  der  natur  hervortretenden 


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70 


Ueber  religiou,  oöenbarang,  heilige  schriit. 


spuren  seines  daseins  und  waltens,  Ps.  19,  2.  104,  24.  Act.  14,  17. 
Böm.  1,  20,  sowie  die  regierung  der  weit,  sein  walten  in  den 
führungen  der  menschen,  Ps.  65,  5;  teils  innerliche:  das  dem 
menschen  eingeprägte  göttliche  ebenbild,  das  bewustsein  von  gut  und 
böse,  das  gewissen,  Röm.  2,  14.  15  (anm.  1  und  2).  dies  alles  heiszt 
man  die  allgemeine,  natürliche,  mittelbare  Offenbarung, 
weil  sie  allen  Völkern  und  zeiten  zugehört,  auf  natürlichem  wege 
und  durch  die  mittel  menschlicher  geistesanlagen  zu  stände  kommt, 
fürs  andere  aber  hiit  sich  gott  kundgegeben  durch  eine  weitere 
(anm.  3)  oü'enbarung  seines  wesens  und  willens,  es  ist  dies  wiederum 
geschehen  teils  auf  äuszerlich  wahrnehmbare  weise,  also  durch 
thatsachen:  durch  die  erwählung  (anm.  4)  und  die  auszerordentlichen 
führungen  (anm.  5)  des  volkes  Israel,  von  dem  das  heil  kommen 
sollte,  Joh.  4,  22,  insbesondere  auch  durch  die  demselben  ge- 
schenkte gesetzgebung,  vor  allem  aber  durch  die  in  seiner  mitte 
geschehene  mensch  werdung  in  der  person  unsers  erlösers,  Jesu 
Christi,  dem  ebenbild  des  unsichtbaren  gottes  und  abglanz  seiner 
herlichkeit,  Col.  1,  15  (anm.  6);  teils  durch  innerliche  geistige 
Wirkungen,  indem  gott  jederzeit  Sprecher  und  ausleger  (anm.  7) 
dieser  seiner  thaten  und  fahnmgen  berufen  und  mit  seinem  geiste 
erfüllt  hat,  so  dasic  sie  seine  stimme,  seine  lehren,  geböte  und  yer- 
heiszungen  in  ihrem  isnem  TernehmeiL  und  mit  der  entschiedensten 
HhenEeugung,  gottes  wort,  nicht  ihre  eigene  meinung  zu  vernehmen 
und  zu  reden,  dem  volke  mitteilten  (anm.  8)«  es  ist  dies  die  nadi 
2  Tim.  3 ,  16.  2  Petr.  1 ,  21  benannte,  durch  gott  gewirkte  ein- 
hanchung ,  eingebung  (i/isjnm^lo  im  engem  sinne),  diese  zweite  art 
Ton  offimbarung  gottes  heisst  die  besondere,  ttbernattlrliche, 
unmittelbare  Offenbarung,  weil  sie  an  einem  besondem  Yolke 
sich  Yollzogen  hat  und  nicht  aus  dem  natttrlidien  Zusammenhang 
menschlicher  verhlQtnisse,  sondern  nur  durdi  ein  unmittelbares  und 
auszerordentliches  wirken  gottes  erklttrbar  ist  (anm.  9).  von  der 
ersten,  allgemeinen  art  götüicher  ofienbarung  geben  sowol  die  bibel 
nndduristUche  kirchenyftter,  als  auch  das  auszerbiblische  Schrifttum 
der  Griechen  und  Bömer  zeugnis  (anm.  10).  beide  arten  aber,  clis 
allgemeine  wie  die  besondere,  nennt  die  bibel  bildlich  wort  got- 
tes, 1  Mos*  1,  2.  Ps.  33,  6.  9.  Joh.  1, 1  und  14  (anm.  11). 

Erlftuternde  bemerkungen. 

Anm.  1.  Gott,  wie  ihn  die  bibel  lehrt,  der  lebendige,  die  quelle 
alles  Seins  und  lebens,  kann  nach  diesen  stellen  gar  nicht  anders 
gedacht  werden,  denn  als  stets  wirkend  und  sich  offenbarend,  mit 
dem  ausdruck:  *der  mensdi  ist  nach  dem  bilde  gottes  gemacht*,  ist 
Tomehmlich  das  gemeint:  es  ist  ihm,  als  zu  seinem  eigensten  wesen 
gehdrig,  die  anläge  zur  religion  anerschaffen  und  kraft  derselben  ist 
er  fiüiig,  sowol  die  allgemeine,  mittelbare  Offenbarung  gottes  zu  Ter- 
nehmen,  die  in  der  natur  und  im  gewissen  (s.  folg.  anm.),  als  die 
besondere,  unmittelbare. 


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Ueber  reiigiou,  otieubaruug»  heilige  achriit.  71 

Anm.  2.  Diese  in  Luthers  Übersetzung  dunkle  stelle  besagt: 
die  heiden,  d.  h.  alle  menschen,  die  nicht  wie  die  Juden,  ein  von 
gott  gegebenes  gesetz  haben,  werden  auch  nach  einem  gesetz  ge- 
richtet V.  12;  denn  sie  sind  v.  14.  15  sich  selbst  ein  gesetz,  tragen 
in  ihrem  Innern  ein  den  göttlichen  willen  kundgebendes  gesetz. 
dies  beweisen  sie  in  allen  fällen,  wo  sie  von  natur,  durch  die  natür- 
liche stimme  ihres  innern  geleitet,  das  gesetz,  d.  h.  gottes  willen 
thun.  daraus  geht  nonilich  hervor,  da^v.  in  ihrem  sittlichen  bewust- 
sein  ein  dem  mosaischen  gesetz  ähnliches  gesetz  vorhanden  ist,  das 
durch  ein  inneres  Zeugnis,  durch  die  unter  einander  sich  verklagen- 
den und  entschuldigenden  gedanken,  das  urteil  des  gewisseus  sich 
äuBzert  und  vernehmlich  macht. 

Anm.  3.  Wäre  keine  sünde  in  der  weit,  d.  h.  wenn  der  mensch 
ebenso  wie  die  übrige  natur  in  voller  Übereinstimmung  mit  gott 
stünde,  so  würde  durch  die  Schöpfung  und  den  in  dem  menschen 
auf  natürlichem  wege  gewirkten  glauben  allein  das  erreicht,  was 
gott,  weil  er  die  liebe  ist ,  in  der  weit  erreicht  wissen  will  (siehe 
1  Tim.  2,  4),  und  weil  er  ein  heiliger  gott  ist,  wollen  musz,  es 
wäre  auch  die  menschheit  ohne  weiteres  zuthun  ein  reich  gottes 
gewesen  und  geblieben,  d.  h.  sie  würde  eine  gemeinschaft  sein  und 
werden,  in  der  einzig  der  göttliche  wille  gilt,  der  göttliche  weltplau 
wäre  so  zu  sagen  auf  ebeneren  bahnen  vollzogen  worden ,  und  es 
hätte,  natürlich  auch  von  der  vollendenden  band  gottes  geleitet, 
jene  natürliche  oflenbarung  gentigt,  gottes  zwecke  mit  der  weit, 
auch  der  menschenweit,  zu  verwirklichen,  nun  hat  aber  der  mensch 
durch  die  sünde  von  gott  sich  losgerissen,  seinen  willen  von  gottes 
willen  getrennt.*  um  aber  dennoch  ein  reich  gottes  auf  erden  zu 
gründen,  war  eine  ergänzung  der  schatienden  und  wirkenden  gottes- 
mitteilung  erforderlicb.  es  muste  zu  diesem  behuf  die  oüenbarende 
kraft  gottes,  um  der  macht  der  sünde  ein  gegengewicht  zu  sehafl'en 
und  sie  zu  brechen,  noch  weiter  als  eine  erlösende  wirken,  dies 
konnte  nur  dadurch  geschehen,  dasz  gott  besondere  Veranstaltungen 
ti'af,  um  das  menschengeschlecht  für  seine  bestimmung,  dasz  es  ein 
reich  gottes  würde,  zu  erziehen,  dazu  bedurfte  es  auszerordent- 
licher  ofiPenbarung  durch  thatsachen,  persönlichkeiten  und  Wahr- 
heiten, mittelst  welcher  die  wahre  religion  zu  ihrer  vollen  kraft  und 
reinheit  zu  gedeihen  vermochte. 

Anm.  4.  Als  mittel,  wie  diese  erlösende  erziehung  der  mensch- 
beit  für  das  reich  gottes  bewerkstelligt  werden  konnte,  ist  nicht  wol 
ein  anderes  denkbar,  als  das  der  erwählung  eines  besondern  Vol- 
kes und  einzelner  Persönlichkeiten  innerhalb  desselben,  deren  fähig- 
keit,  gottes  Offenbarung  zu  empfangen,  zu  pflegen  und  fortzupflanzen 
ea  möglich  machte,  jenen  zweck  im  lauf  der  Jahrhunderte  zu  erreichen. 


'  wie  und  waram  das  geteheheo  itt  and  in  foli^e  der  dem  weaen 
des  mensoben  eig^tfimlichen  und  notwendigen  Willensfreiheit  so  ge* 
sehehen  mnste,  s.  mein  programm  Tom  j.  1$76,  s.  23  f. 


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72 


Ueber  religion,  offonbarung,  heilige  schrift 


denn  es  ist  anerkannte  thatsache,  daez  anch  auf  anderen  gelnetm 
des  lebenSf  z,  b.  in  der  kirnst,  nnd  selbst  in  der  natorwissoischaft, 
eine  höhere  stufe,  wodurch  ein  wesentlicher  nnd  bleibender  fortscbritt 
erzielt  wird,  nur  in  der  weise  erstiegen  werden  kann,  dass  zu  dem 
durch  TorgBnger  geleisteten  mittelst  durchaus  genialer,  originaler 
und  durch  besondere  umstände  auf  eine  fiberragende  hl&e  gestdtter 
geister  etwas  hinzukommen  musz,  das  wie  eine  nensehOpfimg  in  die 
weit  herein  tritt  und  in  derselben  fortwirkt,  das  ist  aiso  nur  mög- 
lich durch  einzelne  von  gott  berufene  und  erwählte  persönlichkates. 
mehr  als  irgendwo  war  dies  geboten  im  gebiet  der  religion.  so  wir 
also  eine  solche  erwählung  des  volkes  Israel,  zuvörderst  in  der  per- 
son  seines  Stammvaters  Abraham,  eine  notwendigkeit,  und 
schon  in  diesem  betracht  durchaus  gottes  würdig  und  seinem  sonsth 
gen  wirken  und  walten  entsprechend,  somit  nichts  weniger  ib 
durch  eine  befremdliche  willkür  hervorgerufen,  auch  ist  dieselbe 
entfernt  keine  Parteilichkeit  gegen  dieses  volk  und  dessen  er- 
wählte häupter.  denn  einesteils  war  ja  diese  erwählung  von  anfang 
an  an  gewisse  bedingungen,  waren  die  voirecbte  an  bestimmte 
pflichten  geknüpft,  andernteils  ist  gleichfalls  von  jeher  ausge- 
sprochen, dasz  der  dem  volk  Israel  geschenkte  segen  und  das  ia 
seiner  mitte  ei  ^^cheinende  heil  der  ganzen  menschheit  zugute  kom- 
men sollte,  1  Mos.  18,  18.  19,  wie  es  denn  auch  in  und  durch 
Christus  sich  erfüllt  hat. 

Anm.  5.  Man  denke  an  die  nach  menschlichem  ermessen  fast 
unbegreifliche  erlösung  aus  der  ägyptischen  knechtschaft  und  die 
eroberung  Kanaans  durch  ein  unkriegerisches  hirtenvolk,  aber  auch 
an  die  weiteren  führungen  des  volkes  Israel,  insbesondere  an  die 
schweren  gerichte ,  unter  welchen  dieses  volk  für  seine  bestimmung 
geläutert,  erzogen  und  erhalten  worden  ist. 

Anm.  6.  Indem  Jesus  Christus,  ebenso  wie  die  äuszere  natur 
in  ihrer  art,  auf  dem  gebiet  des  sittlich  religiösen  lebens  ein  wider- 
strahl und  abglanz  göttlicher  herlichkeit  (ööHa)  war,  ist  in  ihm  die 
Selbstmitteilung  gottes ,  und  zwar  als  erlösende  Offenbarung,  in  der 
vollkommensten  und  wirksamsten  weise  vollzogen,  dies  ist  Job.  1, 
14  in  dem  bildlichen  ausdruck  zusammengefaszt :  *das  wort  (siehe 
anm.  11)  ward  fleisch',  was  so  viel  heiszt,  als:  gottes  wille  und 
rathschlusz ,  die  Schöpfung  durch  eine  erlösung  zu  vollenden ,  ist  in 
einer  menschlichen  persönlichkeit  und  ihrem  werk  verwirklicht 
worden. 

Anm.  7.  Das  sind  die  propheten  gottes  im  alten  und  neuen 
bunde,  von  Mose  an  bis  auf  die  apostel,  d.  h.  die  Sprecher  und  aus- 
leger  der  thatsächlichen  Offenbarungen  gottes  und  verkündiger  der 
von  ihnen  vernommenen  göttlichen  Wahrheiten  über  gottes  sein, 
wesen  und  rathschlusz  in  Vergangenheit,  gegen  wart  und  zukunft. 

Anm.  8.  Wie  der  apostel  Paulus,  1  Kor.  7,  12  und  sonst,  die 
aus  eigener  meinung  geflossenen  Wahrheiten  mit  aller  bestimmtheit 
unterscheidet  von  dem,  ^was  der  herr  sagt,  was  er  aus  gott  und  vor 


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üeber  religion,  oüienbarung,  heilige  schrift. 


73 


gott  rede',  1  Kor.  2,  13.  2  Kor.  2,  17;  so  finden  wir  ganz  dasselbe 
bei  allen  echten  propheten  auch  des  alten  testaments ,  dasz  sie  sich 
nemlich  ganz  gewis  waren,  dieses  und  jenes,  was  sie  als  gottes 
stimme  verkündigen,  sei  ihnen  wirklich  von  oben  eingegeben,  seien 
göttliche,  sie  selbst  überwältigende,  ihrem  geist  vom  höchsten  wesen 
mitgeteilte  Wahrheiten,  und  keineswegs  erzeugnisse  ihrer  eigenen 
denkkraft  und  menschlicher  Weisheit,  Jcrem.  20,  9.  coli.  15,  16.  19. 
deshalb  gelten  die  ihnen  gewordenen  oflfenbarungen  mit  recht  als 
übernatürliche,  ohne  aber  deshalb  unnatürlicli,  widernatürlich  oder 
wider  vernünftig  zu  sein. 

Anm.  9.  Als  übernatürlich  und  auszerordentlich  erweisen  sich 
diese  Offenbarungen  hauptsächlich  dadurch,  dasz  sowol  die  thatsäch- 
liehen  kundgebungen  gottes,  z.  b.  in  der  gesetzgebung ,  der  person 
und  dem  werke  Moses  oder  in  der  menschwerdung  gottes  in  unserm 
erlöser,  als  die  daran  geknüpften  aufschlüsse  über  gottes  wesen  und 
willen,  somit  die  hier  vorliegende  göttliche  manifestatio  wie  die  in- 
spkraüOy  nicht  aus  dem  gewöhnlichen  gang  der  dinge,  aus  der  natür- 
lich-melischlichen  geisteskraft,  bildung  und  entwickluag  abgeleitet 
werden  können,  sondern  etwas  durchaus  ursprüngliches,  neae^  un- 
mittelbar  durch  gott  gewirkte,  anfönge  und  aohtfpfungen  sind,  fio 
steht  denn,  wie  Jesus  als  wunder  gottes  im  nenm  testament,  so  im 
alten  das  volk  Israel  mit  seiner  religion  inmitten  der  zeitgenössi- 
schen Völker  als  auszerordentliche  göttliche  Schöpfung  da.  denn 
diese  xeligion  hat  sich  viele  Jahrhunderte  lang,  gerade  im  kämpf  mit 
dem  geist  des  volkes  im  groszen ,  in  den  gottosmännem  in  seiner 
mitte  und  durch  sie  nicht  blosz  erhalten,  sondern  immer  reiner  ge- 
staltet, deshalb  kann  weder  diese  religion  noch  können  die  trttger 
derselben  als  natürliches  gewächs  von  unten,  vielmehr  nur  als  gäbe 
nnd  als  Sprecher  einer  Offenbarung  von  oben  erklärt  werden,  oder 
sollte  auch  nur  —  um  wenige  beispiele  zu  nennen  —  'der  schlichte 
rinderhirte  von  Thekoa,  Amos,  sein  gedankenvolles,  tiefsinniges 
prophetenbuch ,  sollten  die  ongelehrten,  in  vielem  so  kurzsichtigen 
fischer  des  galiläischen  meeres  ihre  brieife  voll  herlicher  Wahrheiten 
von  gott,  von  des  menschen  wesen  nnd  bestimmung,  von  dem  hcils- 
plan  für  die  menschheit  ohne  höhere  beihilfe  haben  verfassen  kön- 
nen? wahrlich  eher  würden  wir  es  denkbar  finden^  dasz  der  nächste 
beste  hirte  oder  landmann  unserer  tage  die  complicierteste  maschine 
^eses  Jahrhunderts  ohne  jegliche  fremde  belehrnng  nnd  mitwirkong 
ZQ  Stande  brächte.' ' 

Anm.  10.  Dasz  gott  sich  auf  die  genannte,  allgemeine,  natür- 
liche, mittelbare  art  in  natur,  geschichte  und  gewissen  geoffenbart 
liabe,  bezeugen  die  oben  angeführten  stellen  der  bibel.  in  der  rede, 
welche  Paulus  in  Athen  gehalten  hat,  weist  aber  dieser  apostel  noch 


^  aus  meiner  abliandlung:  'das  göttliche  und  das  menschliche  au 
^  heiligen  Bebrift'  in  der  feetschrift  der  gymnasien  und  eeminaiien 
nSrttembergs  sur  vierten  siealarfeier  der  univertitftt  Tübingen  1877. 


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74 


Ueber  reUgion,  offenbaniiig,  heilige  schrift. 


insbesondere  darauf  bin,  dass  diese  allgemeine  göttliche  ofifenbarang 
auch  Yon  anszerbibliseben  sehiiftstellem  erkannt  worden  sei  und 
dasz  somit  auch  hier  spuren  wahrer  gotteserkenn^us  gefunden  wer- 
den, demgemttsz  haben  filtere  kirdienlehrer  gans  richtig  und  im 
sinn  des  apostels  es  ausgesprochen,  im  heidentum  seien  gleichfalls 
Samenkörner  wahrer  religion  (Xötoc  CTrepMamöc)  ausgestreut, 
Justin  apol.  2, 97.  1,  17.  Lactant.  dir.  inst.  7,  6,  und  Clemens  Alex, 
sagt  Strom.  1 1,  151:  Ti  T<^p  im  TTXdruiv  1^  Mujucf)c  dTTUcKiDV. 
dasz  dem  so  sei,  erhellt  aus  einer  menge  von  stellen  griechisi^er 
und  römischer  Schriftsteller,  der  spmdi  bei  Homer  Odjss.  3,  48 
. .  irdvTCC  hk  66i£rv  x^^oOc'  &v9pu)irot,  klingt  in  yielen  solcher 
auszerbiblischen  stimmm  nach,  am  bekanntesten  sind  die  ftusze- 
rungen  über  gott  und  Offenbarung  gottes  in  der  natur,  in  den 
menschlichen  geschicken  und  im  gewissen  aus  dem  munde  des  So- 
krates  in  Xenophons  memorab.  IV  4, 19  und  die  sätze  über  gott  bei 
Cicero  de  legibus  I  8,  24.  de  nai  deor.  1,  16;  femer  der^ttberall  im 
dassischen  altertum  hervortretende  glaube  an  die  rachegöttinnen 
als  die  stimmen  der  gottheit  im  innem  des  menschen,  und  die,  na- 
mentlich von  Herodot  so  entschieden  ausgesprochene  ansieht  und 
lehre  yon  der  göttlicheir  Vergeltung  ftlr  menschlichen  Übermut,  als 
einzelne  belege  seien  noch  bemerkt  die  sprüche.Ton  Plato  de  rep. 
10,  613:  eic  6cov  buvaröv  dvSpuiTTip  6jLioiouc9at  6€i]>,  von  Zeno 
(bei  Diog.  Laert.  7,  1) :  coq)Ouc  Beiouc  elvai,  aus  einem  griechi- 
schen gnomendichter :  ßpOTOic  äiractv  f)  cuv€ibncic  Oeöc,  von  Cicero 
de  nat.  deor.  2 ,  66 :  nemo  vir  nvagniis  sine  aliquo  afjMu  divino  Ufh 
quam  fuU^  vgl.  de  rep.  3,  22,  von  Seneca  epist.  41, 1 :  prope  est  a  te 
DeuSj  tecum  esi,  inkts  est,  —  Sacer  inter  nos  spmtus  sedet^  mälorum 
tonorumque  nostrorum  dhservator  et  custos,  und  von  demselben  in  der 
schrift  von  der  Vorsehung  §  5.  der  satz:  inter  bonos  viras  ac  Deutn 
amwUiaest^  conciUante  virtute,  amicitiam  dico?  itnmo  etiam  neoeS' 
süfido  et  smiUtiido,  wo.ganz,  wie  in  der  bibel,  die  religion  als  er- 
fahnmg  einer  gemeinschaft  zwischen  gott  und  dem  menschen  be- 
schrieben wird. 

Anm.  11.  Nach  den  angeführten  stellen  bezeichnet  also  die 
bibel  mit  dem  ausdruck  Vort  gottes'  zuvörderst  das  göttliche  schaf- 
fen sowie  seine  Offenbarung  im  gewissen,  im  gesetz  (Ps.  119,  105), 
in  den  propheten  (Hesek.  2,  47),  welche  ja  dermund  gottes  sind, 
ganz  besonders  aber  gottes  menschwerdung  in  Jesus  Christus,  als 
dem  kern  und  stem  aller  göttlichen  Offenbarung,  deshalb  wird  fürs 
zweite  die  Verkündigung  von  Jesus,  seiner  person  und  seinem  werk, 
wort  gottes  genannt,  Luk.  1,  2,  und  ebenso  im  laufe  der  Zeiten  fürs 
dritte  die  Urkunden  der  göttlichen  Offenbarung,  die  Schriften,  welche 


*  wol  die  vollständigste  Bammlang  solcher  mit  den  biblischen  lehren 
BQBftmmenstimmenden  sprüche  iBt:  ^christliche  klänge  auB  den  griechi- 
schen und  römischen  classikern'  von  R.  Schneider,  prof.  am  gymo.  sn 
Meiningen,  Gotha  1863,  Perthes.  LVI  u.  376  s. 


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Erit  notizeu  zu  den  beschiüaBen  der  Berliner  orthogr.  conferenz*  76 

Ton  derselben  zeugen,  da  somit  die  bibel  selbst  sich  (niobt  wort 
gottes  nennt,  sondern  dieser  ausdruck  überall  nur  in  der  ersten  und 
zweiten  bedeutung  gebraucht  wird,  ist  68  richtiger,  vom  wort 
gottes  in  der  schrift  zu  reden,  und,  um  aieh  vor  Überschätzung 
des  geschriebenen  wertes  zu  hüten ,  immer  dar^  su  denken,  dasz 
wort  gottes  zunächst  die  an  die  männer  gottes  gekommene  Offen- 
barung bedeutet,  deren  schriftlich o  iassung  sodann  das  besondere 
werk  verschiedener  menschen  und  zeiten  gewesen  ist  und  somit  da 
und  dort  auch  menschliche  gebrechlichkeit  an  sich  trägt. 

(sehlnss  iolgt.) 

SOHÖKTHAL.  MSZOBR. 


11. 

KßlTISCHE    NOTIZEN   ZU  DEN  BESCHLÜSSEN  DEE 
BEELINEÄ  OliTHOGKAPHISCHKN  CONi^EßENZ. 


Die  Berliner  conferenz  beginnt  ihre  'regeln  für  die  deutsche 
Orthographie*  mit  ausführlichen  'Vorbemerkungen'  über  die  betonung. 
es  liegt  darin  mittelbar  eine  erfreuliche  anerkennung  der  Wichtigkeit 
des  tons  für  die  deutsche  reohtschrmbung.  auch  liegt  die  neueste 
grosse  entdeckung  des  hochverdienten  herm  von  Baumer  auf  diesem 
gebiete:  die  beobaohtung,  dasz  die  drei  Tocale  a,  o,  u,  deren  um- 
laute ft,  0,  ü  und  die  diphüionge  [und  alle  ttbrigen  langen  vocale  vgL 
§  10  der  vorläge]  stets  betont  sind,  doch  erheben  sich  gegen  die 
behsndlung  der  prindpieU  so  bedeutsamen  tonverhttitnisse  auch 
einige  bedenken,  es  möge  verstattet  sein  denselben  nach  der  vor- 
flchrift  'prindpüs  obsta'  schon  gleich  hier  ausdruck  zu  geben;  um  so 
leichter  und  kürzer  werden  wir  uns  dann  später  bei  den  einzelnen 
pnncten  verstSndlich  machen  k(tanen.  und  was  die  dehnungszeidien 
betrifft,  diesen  hauptangelpunct  jeder  orthographischen  reform,  so 
ist  sine  prindpieUe  besprechung  der  betr«  conferenzbeschlttsse  nur 
hi«r  möglich ,  wo  die  grundstttze  für  ihre  bclhandlung  gelegt  sind. 

ZunSdist  ist  die  unterschddung  von  hoch  ton  und  tief  ton 
m  Vorbemerkung  1  für  die  Orthographie  ohne  folgen;  bdderlei 
arten  von  stftrker  betonten  silben  verlangen  gleiche  orthographisdie 
behsndlung;  nur  bei  den  unbetonten  silben  bldbt  die  sogenannte 
*kQrze'  —  oder,  wie  wir  in  den  früheren  heften  dieser  zeitsdirift 
(jahrg.  1876)*  zu  zeigen  versucht  haben,  die  fast  vollkommene  zdt- 
ond  vocallosigkeit  unbeseichnet;  in  allen  betonten,  d.  b*  hoch-  und 
tieftonigen  silben  sollte  die  quantität,  d.  h.  länge  und  kürze  —  und 
daaut  adso  auch  der  accent  erkennbar  sein,  denn  nicht  nur  alle 
langen  (s.  o.),  sondern  auch  alle  kurzen  vocale  sind  betont,  es 


*  'zur  conservativeu  reform  unserer  uationalen  rechtächreibung.' 
inf  diese  artikel  werden  wir  einige  mal  verweisen  müssen,  um  Wieder- 
holungen und  wdtenmgen  möglidiit  su  meiden« 


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76 


KritiBchü  uotüen  zu  den  bebchlüäbeu 


könnte  deshalb  in  Vorbemerkung  1  füglich  zugesetzt  werden,  dasz 
hoch-  und  tieftonige  silben  für  die  Orthographie 
gl  eich  werthig,  beide  entweder  lang  oder  kurz  sind,  dasz  da- 
gegen die  tonlosen  silben  auch  fast  zeit-  und  vocallos  sind,  damit 
von  vornherein  falschen  folgerungen  und  einer  Unterschätzung 
des  tieftons  (in  stamm-  und  nebensilben)  vorgebeugt 
werde. 

Vorbemerkung  2  beginnt  mit  der  für  die  Orthographie  ge- 
fftbrlichen  etymologischen  Scheidung  der  Stammsilben  von  den 
'bildungselementen'  und  der  besondem  hervorhebung  des  hochtons 
der  erstem,  in  den  'erläuterungen'  (s.  188)  sucht  Raumer  das 
hineinziehen  dieses  etymologischen  princips  in  unsere  vorwiegend 
phonetische  rechtschreibung  als  nicht  anphonetisch  etwa  durch  fol- 
genden  schlusz  zu  begründen,  die  Stammsilbe  ist  in  den  germani- 
schen spraoben  mit  sehr  seltenen  ausnahmen  betont;  nnn  aber  sind 
im  neohocbdentsehen  alle  betonten  silben  lang,  von  natnr  oder  darob 
Position:  also  kann  man  den  ansdmck  'Stammsilbe'  vom  phoneti- 
schen gesiohtspunct  aus  fast  überall  mit  der  bezeichnung  ^lange 
silbe'  vertauschen,  in  diesem  Schlüsse  enthSlt  der  obersatz  nur  die 
halbe  Wahrheit,  die  hier  in  betracht  kommt;  der  Untersatz  beruht 
auf  einer  der  deutschen  spräche  mit  nnredit  ao^gfezwnngenen  regel 
der  olaBsischen  granunatik;  der  sehlnszsatz  ist  deshalb  imriehtig,  in- 
dem Bubjeot  und  prKdicat  zu  enge  begriffe  enthalten,  denn  znnftohst 
ist  es  fir  den  Torliegenden  Zusammenhang  nOtig  zu  sagen,  dasz 
anszer  den  Stammsilben  auch  noch  sehr  viele  nebensüb^  betont 
sind  —  und  in  wirkliehkeit  haben  gar  manche  (z.  b.  ant-,  erz-, 
ur-,  -ei,  -ir,  -ier  n.  a.)  sogar  den  hochton,  wShrend  die  betreffende 
Stammsilbe  tieftonig  ist.  sodann  sind  die  betonten  silben  nicht  alle 
lang!  sondern  die  hSlfte  derselben  ist  kurz;  doppelconsonanz  be- 
wirkt im  dentsdien  nicht  nnr  keine  poiitionsl&nge  wie  im  lateini- 
sohen,  sondern  ist  im  gegenteil  gerade  das  zeichen  der  kOrze,  wie 
a.  a.  o.  nachgewiesen,  deshalb  endlich  sind  anch  nicht  alle  Stamm- 
silben lang;  sondern  alle  tonsilben  (d.  h*  die  Stammsilben  -|-  der 
httlfte  der  nebensilben)  sind  zeitsilben  (d.  i.  lang  oder  korz).  dieser 
sehlnszsatz  ist  keine  sog.  identische  gleich ung;  denn  im  gegensatz 
zn  den  tonsilben  und  die  tonlosen  silben  (d.  h.  viele  nebenisilben 
und  im  zusammenhange  der  rede  oft  einige  einsilbige  stämme)  weder 
lang  noch  auch  kurz,  sondern  fast  ganz  zeit-  und  yocallos,  sie  haben 
nur  ein  unbestimmtes  halbes  e,  wie  a.  a.  o.  gezeigt. 

Wenn  nun  silben,  deren  vocal  durch  folgende  doppelconsonanz 
als  kurz  bezeichnet  wird,  für  *po8itionslang*  gehalten  werden,  so 
ist  diese  anf&ssung  zwar  ein  directer  sprachlicher  irrtum,  aber  der- 
selbe wird  nicht  leicht  unmittelbar  orthographische  oder  ortho- 
epische  fehlschlOsse  erzeugen,  er  bleibt  mehr  in  Vorstellung  und  ge- 
danke  latent,  wenn  dagegen  die  fragliche  phonetische  besümmung 
(sei  sie  nun  die  'Unge',  oder  vielmehr  die  quantitSt,  oder  anch  die 
betonnng)  so  fast  allein  und  vorzugsweise  bezüglich  (des  hochtons 


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der  Berliner  orthograpluBchett  conferens.  77 

und)  der  meist  hoobtonigen  Stammsilben  ausgesagt  und  behauptet 
wird ,  so  ist  an  der  richtigkeit  dieser  bälfte  der  Wahrheit  zwar  kein 
zweifei ,  aber  diese  einseitige  Vorliebe  für  hochton  und  Stammsilbe 
erzeugt  allzu  schnell  eine  zmlicksetzung  mid  vemaohlftssigimg  des 
tieftons  und  der  teilweise  nur  tieftonigen  nebensilben ,  die* nur  ety- 
mologiseh,  nicht  aber  in  Orthoepie  und  Orthographie  den  Stamm- 
silben nachstehen,  da  sie  grösten teils  ebenso  gewichtig  und  betont 

—  und  deshalb  lang  oder  kurz  sind  wie  die  Stammsilben ;  Tgl.  a.  a.  o. 
freiUoh  *in  jedem  einfachen  deutschen  worte  hat  mit  sehr  seltenen 
ausnahmen  die  Stammsilbe  den  hochton',  aber  immer  so  ein- 
fache Wörter  hat  nur  die  gelehrte  etjmologie;  in  den  werten  der 
lebendigen  rede,  also  in  der  Orthographie  ftb*  unser  ganzes  volk,  fin- 
den wir  in  jedem  satze  Stammsilben  mit  dem  tiefton,  z.  b.  die  vier 
gesperrten  in  dem  angeführten  satze  selbst,  während  andere,  oder 
die  schon  genannten  nebensilben  hochtonig  sind. 

Durch  jenes  hervorheben  des  etymologischen  princips  der 
stanmisilbenÜieorie  kommen  nun  zum  groszen  nachteil  des  fiioneti- 
sehen  Charakters  unserer  Orthographie  die  bedeutungsvollen,  beton- 
ten nnd  deshalb  langen  oder  kurzen  nebensilben  -«-  halb  unvermerkt 

—  in  gefahr,  ihrer  qnantiittts-  reep.  kOrzebezeichnnng  (d.  h.  der 
doppeleonsonanz)  beraubt  zu  werden,  oder  wenigstens  vorläufig  eine 
ungleiche  behandlnng  betreffs  derselben  zu  erleiden,  und  so  finden 
wir  denn  aneh  bei  den  einen  zwar  noch  stets  die  doppeleonsonanz, 
z.  b.  miß-,  misse-  (§  25),  vgl.  Eaebitz,  Stieglitz,  Moritz,  Lakritze 
(§  4),  Eirmefs  (und  Kinnes),  Cürafs,  GommiiB,  Gompafs,  vgl.  g  36, 
ApeÜ  (dagegen  April)  u.  s.  f.;  bei  anderen  ist  dieselbe  im  Singular 
geschwunden  und  im  plural  geblieben,  z.  b*  -nis  plur,  -nisse,  -in 
plur.  -innen  (§  3  und  25) ;  wieder  bei  anderen  fehlt  ebenfalls ,  trotz 
der  betonten  kflrze,  die  doppeleonsonanz  in  einzahl  und  mehrzahl, 
z.  b.  Pilgiim,  Pilgrime,  Notiz,  Notizen  (§  2)  u.  s.  w.  vgl.  §  3  a 
Walfisch,  Damhinch;  mitunter  endlich  stät  sie  im  sing,  und  fehlt 
im  plur.,  z.  b.  Musehnann  plur.  (Muselmänner  und)  Muselmanen. 

Es  dürfte  daher  der  Vorbemerkung  2  wol  znznfttgen  sein ,  dasz 
die  betonten  Stammsilben  und  die  betonten  neben- 
silben orthoepisch  und  deshalb  orthographisch  gleich- 
werthig  sind  (beide  bald  hoch-  bald  tieftonig,  beide  teilweise  lang 
teilweise  kurz,  beide  der  quantitftts-  resp.  der  kflrzebezeiohnung  und 
dadmch  also  gleichzeitig  der  tonbezeichnung  bedttrftig),  damit  von 
vornherein  einer  unterschStz'ung  und  unrichtigen  oder  inoonse- 
qoenten  behandlnng  der  gewichtigen  (hoch-  oder  tief- 
tonigen) nebensilben  vorgebeugt  wwde.  —  Nebenbei  be- 
merkt, Uitte  bei  der  eingehenden  behandlnng  der  tonverhältnisse  in 
Vorbemerkung  2  betreffs  der  zusammengesetzten  w(Srter  genauer  ge- 
fitgt  werden  kOnnen,  dasz  in  der  regel  die  erste  [statt  die  'eine*] 
s^uumsilbe  den  hochton  und  dasz  die  andere  Stammsilbe  den  tief- 
ion  habe  [statt  *die  anderen  silben  haben  entweder  den  tief  ton,  oder 
Iis  sind  unbetont']. 


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78  Kritische  uotizen  zu  den  beschlüssen 

Vorbemerkung  3.  —  Durch  die  darlegung  der  schon  ge- 
nannten schönen  Raumerschen  entdeckung,  dasz  a,  ä,  0,0, 
u,  Ii  und  die  diphthonge  stets  betont  sind,  wird  schon  im  voraus  die 
wichtigste  neuerung  der  conferenz  vorbereitet  und  begründet:  dasz 
also  bei. den  genannten  sechs  vocalen  jedes  dehnungszeichen 
fallen  könne;  denn  sie  seien  als  betonte  vocale  selbstverstUndlich 
lang,  wenn  das  zeichen  ihrer  kürze  (folgende  consonantverdoppelungi 
fehle,  anders  bei  e  und  i;  bei  diesen  werde  umgekehrt  (meist)  die 
quantität,  d.  h.  die  kürze  und  die  länge  bezeichnet,  und  dadurch 
zugleich  der  ton.  so  sei  z.  b.  in  'entehrt'  das  dehnungszeichen  zu- 
gleich tonzeichen.  —  Der  Vollständigkeit  halber  wäre  auch  ein  bei- 
spiel  erwünscht,  bei  dem  das  kürzungszeichen  zugleich  tonzeichen 
ist ,  etwa  'gebettet',  während  bei  'gebetet'  der  ton  nicht  bezeichnet 
ist,  Tgl.  'Gebet'. 

Diese  yorbemerkang  führt  bis  hart  an  die  schwelle  der  beob- 
aohtung,  dasz  unbetonte  silben  weder  lang  noch  ^knrz*,  sondern  last 
ganz  zeit  und  vocallos  sind^  indem  ihr  Wocal'  ellsionsfittng  und  lut 
stets  halb  elidiert  ist  (vgl.  a.  a.  0.).  diese  beobachtung  dürfte  eveni 
zuzusetzen  sein.  Allein  schon  die  folgerung^  dasz  bei  den  stets 
betonten  sechs  Toealen  die  längenzeichen  überflüssig  seien,  die  con- 
sequente  anwendung  der  kttrzenzeichen  ausreiche ,  ist  eben  nur  teil- 
weise theoretisch'  (Baumer  s.  189)  richtig ;  praktisch  durchfOhrbai 
ist  die  legel  deshalb  nicht  so  leicht,  weil  die  notwendige  gegen- 
forderung  consequenter  kürzenbezeichnung,  d.  h.  consonantyerdop- 
pelung  in  unserer  Orthographie  bis  jetzt  nicht  möglich  ist;  denn  die 
doppelbuchstaben  werden  nie,  die  consonantgruppen  ungern  yer- 
doppelt  u.  8.  f.,  vgl.  a.  a.  0.  wenn  also  z.  b.  auf  einen  der  betonten 
Yoctde  eui  ch  oder  rt  u.  dgl.  m.  folgt,  so  erkennen  wir  zwar  den 
ton,  weil  der  betreffende  Tocal  eben  stets  betont  ist  —  die  quantitit 
desselben  aber  bleibt  unbezeichnet  und  dunkel,  z.  b.  SprSche  und 
Siehe,  Bärt  und  hM  usw. 

Dazu  kommt,  dasz  man  bei  der  aufhebung  der  dehnnngszeidiett 
yerttnderlicher  (flectierbarer)  silben  meist  nur  die  einfachsten  formen 
derselben  vor  äugen  hat.  das  gibt  besonders  bei  den  yerben  und 
namentlich  bei  den  schwachen  veranlassung  zu  bedenken,  man  darf 
hier  nicht  vorwiegend  an  die  prima  praesentis  oder  den  infinitiv 
denken,  ist  auch  wonen  von  Wonnen,  wone  von  Sonne  betreffs  der 
quanUtät  deutlich  unterschieden,  so  ist  dies  doch  bei  wonst  und 
sonst,  wonte  und  bunte,  gewont  und  gewandt,  wont  und  band  nicht 
der  fall,  hier  können  die  dehnungszeichen  bei  a,  0,  u,  tt,  ö,  ü  schon 
nicht  mehr  *ohne  die  «.geringste  Zweideutigkeit'  (Banmer  s.  189) 
fallen,  und  wenn  sie  dennoch  fallen,  so  zeigen  aussprachen  wie 
Hoffart,  Wollust,  furt,  Frankfurt,  Hochzeit,  gehabt  (von  haben), 
gibt,  gibst,  sagte,  gesigt,  Schuster,  Schublade,  Schwibbogen, 
polnisch,  Irland,  vierzig,  siebzehn,  vielleicht,  ziemlich  usw.  die 
grosze  gefahr,  in  welcher  die  unbezeichnete  iSnge  solcher  formen 


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der  Berliner  orüiographischeii  conferenz. 


79 


schwebt.  Orthographie  und  Orthoepie  sind  eben  antrennbar,  jede 
beeinfluszt  unmittelbar  die  andere. 

So  hatte  die  spräche  trotz  der  vielen  geschwundenen  dehnnngs- 
zeichen  bisher  instinotiv  kaum  bei  einem  sohwachen  zeitwort  das- 
selbe ohne  besondem  grund  aufgegeben,  denn  z.  b.  in  lofen  n.  dgl. 
gibt  das  r  das  feste  zeichen  vorausgehender  Iftnge  (malen  hat  man 
von  mahlen  unterschieden;  besser  umgekehrt,  weil  wenigstens  das 
partic.  gemahlen  stark  ist,  nicht  gemalt);  rOten  n.  dgl.  haben  das 
t  der  schwachen  endung  dureh  e  vom  stamme  getrennt,  rötete,  ge- 
rötet; Überall  blieb  die  qnantit&t  ersiehtlich.  —  Die  starken  Teä» 
allerdings  bedürfen  der  dehnungsseiohen  schon  weniger,  weil  in 
praet  und  part.  kein  consonant  an  den  stamm  tritt  und  dadurch 
dessen  quantitttt  verdunkelt,  wenn  deshalb  die  commission  (§  16) 
sogar  von  stehlen  im  praet.  stahl  das  h  beibehalten  möchte,  so  ist 
diese  rttcksidit  auf  die  ^yerwandtsehafib',  vom  standpuncte  der  con- 
ferenz, fast  zu  weit  gehend,  jedoch  nicht  falsch,  wie  wenn  ta^  von 
sdirecken  im  praet  schrak  der  Verwandtschaft  halber  ck  schreiben 
wollte,  wie  aber  hier  das  c  fehlen  mosz,  so  kann  auch  dort  das  h 
fallen,  wie  ee  sonst  nach  a  usw.  fehlt,  ohne  dasz  diesmal  die  quanti- 
tiit  unbezeichnet  bliebe,  und  ohne  dasz  der  wortstamm  eine  grössere 
verBndemng  erlitte  als  bei  stecken  praet.  stak,  backen  buk,  bitten 
bat,  tre&n  traf,  oder  gleiten  glitt,  greifen  griff,  alle  diese  formen 
haben  das  quantittttszeichen  nur  da,  wo  es  notwendig  ist,  ohne  dasz 
deshalb  die  Verwandtschaft'  derselben  irgend  verdunkelt  wflrde. 
dies  nebenbei. 

Das  abwerfen  der  dehnungsseichen  bei  den  sechs  stets  betonten 
vocalen  trotz  der  Verdunkelung  ihrer  quantitftt  zeigt,  dasz  die  er- 
kennbarkeit  des  tons  höher  gilt,  als  die  der  quantitftt  ^  dasz  die 
'dehnungszeichen'  bei  e  und  i  nur  beibehalten  werdra,  weil  sie  zu- 
gleich tonzeichen  sind,  die  genannte  gefahr  der  quantitfttsverdunke* 
lung  aber  war  der  grund,  weshalb  wir  a.  a.  o.  nicht  den  weg&ll 
der  dehnungszeichen,  sondern  den  ihrer  wiUkflrlichen  anwendung 
wünschten:  die  überflüssigen  dehnungszeichen  und  kürzungszeichen 
sollten  fallen,  fehlende  dagegen  eher  sogar  neu  eingeführt  oder 
zurückgeführt  werden,  damit  möglichst  bei  jeder  silbe  die 
quantitftt  und  damit  zugleich  der  ton  erkenntlich  sei.  wir 
verkennen  jedoch  weder  die  lüclipi,  die  ein  blosses  conservieren  des 
usus  nach  den  genannten  gesichtspuncten  immer  lassen  würde,  noch 
die  Schwierigkeit,  die  sich  einer  reformierenden  Weiterentwicklung 
des  Schreibgebrauchs  in  dieser  richtung  hin  entgegenstellt;  wir  hal- 
ten aber  weder  erstere  für  unheilbar  noch  letztere  für  bedenklich 
und  haben  deshalb  a.  a.  o.  bezüglich  aller  betonten  silben  ein  prin- 
ciplelles  und  consequentes  compromiss  zvrischen  den  beiden  arten 
der  qusntitfttszeichen  nach  festen  und  einfachen  grundsfttzen  ver- 
SQcht:  entweder  werden  alle  einfachen  consonanten  nach 
kürzen  verdoppelt  und  ISngen  vor  zusammengesetzten 
consonanten  (ch,  z  usw.)  gedehnt;  oder  weicbe  Consonan- 


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80 


Kritische  uotizea  zu  den  bescblüsBen 


ten  werden  nach  kürzen  verdoppelt  und  längen  vor 
scharfen  consonanten  gedehnt,  nach  beiden  regeln  wäre 
bei  jeder  silbe  ton  und  quantität  sofort  bezeichnet. 

Sollte  aber  die  reform  in  der  andern  mehr  das  schreiben 
als  das  lesen  vereinfachenden  weise  durchdringen,  sollen 
einmal  die  sechs  dunkeln  vocale  die  dehnungszeichen  principiell  ver- 
lieren —  alsdann  möchten  wir,  dasz  auf  diesem  wege  auch  con- 
sequent  der  letzte  schritt  zum  ziele  gethan  werde, 
dasz  auch  i  und  e  die  dehnzeichen  aufgeben,  die  entgegenstehenden 
Schwierigkeiten  sind  im  vergleich  zu  den  auch  schon  bei  den  andern 
vocalen  vorhandenen  nicht  sehr  erheblich  und  verschwinden  geradezu 
gegenüber  den  Vorzügen  viel  einfacherer  regeln  und  anderer  directer 
praktischer  vorteile,  welche,  wie  wir  später  sehen  werden,  die  voll- 
kommenere consequeiiz  im  gefolge  hat. 

Sollen  also  einmal  die  dehnungszeichen  fast  alle  (und  als 
dehnungszeichen  grundsätzlich  und  streng  genommen  geradezu 
alle)  fortfallen  — -  dann  auch  fort  mit  dem  hinderlichen  letzten  klei- 
nen reste !  können  wir  bei  ante ,  geant  und  in  tausend  ähnlichen 
fällen  die  dehnungszeichen  entbehren,  so  können  wir  auch  bei  gebet, 
entert  und  den  selteneren  ähnlichen  Wörtern  die  tonzeichen  missen, 
als  welche  die  hier  bewahrten  dehnungszeichen  fungieren  sollen. 
Mie  allgemeine  deutsche  orthographische  regel  von  dem  gleich- 
bleiben der  quantität  beim  hinzutritt  von  flexions-  oder  bildungs- 
Silben'  (Baumer  in  den  verh.  s.  189)  hilft  uns  zur  schnellem  Orien- 
tierung beim  lesen  dort  (bei  a,  o,  u,  ä,  ö,  ü)  ebenso  wenig,  als  die 
ebenso  'allgem^e  deutsche  orthographische  regeP  von  der  betont- 
heit der  Stammsilben  hier  (bei  e  imd  i).  und.  ebenso  wenig  wie  wir 
bd  'entest*  sofort  wissen  kennen ,  welohe  silbe  die  Stammsilbe,  also 
zu  betonen  ist;  ebenso  wenig  kennen  wir  dort,  wo  mehrere  oonso- 
•  ten  auf  einen  dunkeln  vocal  folgen ,  sofort  wissen  ^  ob  die  letzten 
consonanten  flezions-  oder  bfldnngselemente  sind,  der  stamm  also 
ein&ohsn  oder  mehr&dhen  anstaut  hat,  also  lang  oder  kurz  zu 
sprechen  ist  —  noch  ganz  abgesehen  von  den  einfachen  auslauten, 
die  als  doppelbuchstaben  geschrieben  werden  (ch  usw.)  und  die 
vorausgehende  quäntitttt  derselben  sechs  vocale  ebenfalls  im  dunkeln 
lassen  u.  s.  f.  ja  hier  hat  offenbar  das  taktgeftthl  des  leaenden  eine 
viel  Ittngere  reihe  von  schlttssen,  ^nn  auch  unbewust,  zu  durdieilen. 

Wir  sagten  oben:  falls  wir  bei  a,  tt,  o,  ö,  u,  tt  gar  oft  auf  die 
qnantittttsbezeichnung  verzichten  müssen,  so  wollen  wir  alsdann 
der  gröszem  einfacfaheit  und  consequenz  unserer  rechtschreibung  zn 
liebe  auch  bei  i  und  e  auf  die  lfingen-(ton-)zeichen  verzichten;  denn 
diese  werden  wir  nicht  so  hfiufig  vermissen,  als  uns  die  auch  selbst 
bei  i  und  e  wieder  nicht  r^lmftszige  durohbrechung  des  grund- 
satses  von  der  niehtbeseichnung  der  iSngen  stoszen  und  in  weitere 
Schwierigkeiten  und  abweichungen  drftngen  wfirde.  in  der  that 
aber  ist  der  Verzicht'  bei  i  kaum  grösser  als  bei  den  sechs  stets  be- 
tonten vocalen  Baumers.  wir  mttssen  uns  wundem,  dasz  man  den 


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•  der  Berliner  orthographischeii  eonferenz.  81 

sechs  der  dehnungszeicben  beraubten  vocalen  von  yielen  selten  her 
das  enoch  lieber  anreihen  möchte  als  das  i.  und  doch  ist  gerad  e 
der  vocal  i  immer  betont^  sc  gut  wie  jene  sechs,  mit 
alleiniger  ausnähme  vielleicht  der  zwischen  vorausgehendem  hoch- 
ton und  zugleich  nachfolgender  tonlosigkeit  sehr  tieftonigen  und 
elisionsfiUiigen  silbe  -ig  (und -isch?).  die  silben  -ling,  -icht,  -lieh 
und  -isoh  haben  doppellaute  oder  doppelbuchstaben,  die  auch  nadi 
a  usw.  nicht  verdoppelt  werden  könnten;  eine  Verdoppelung  des  g 
in  ig  wSre  allerdings  möglich,  ist  aber  Überhaupt  äusserst  selten 
und  nur  in  norddentsöben  Wörtern. 

Und  doch  kann  selbst  diese  am  leichtesten  betonte  aller 
i^nehensilben'  immer  noch  die  tonsilbe  eines  reimes  bilden,  sobald 
sie  (wie  die  tonsübe  jedes  reimes  es  haben  musz)  eine  unbetonte 
Silbe  Tor  sich  bat.  so^.  b.  ist  wttsserig,  untadelig ,  wttsserige ,  un- 
tadelige usw.  ein  ebenso  untadeliger  reimscblusz,  wie  Hindemisz, 
Bürgerin,  Finsternisse,  Königinnen  usw.  —  Eine  reimtonsilbe  aber 
können  selbst  die  bedeutendsten  e-nebensilben  niemals  bilden,  weil 
sie  allein  wirklich  ganz  unbetont  sind,  so  z.  b.  würde  ein  reim  mit 
der  silbe  -ster,  etwa  ergebenster  nur  zum  scherz  gebildet  werden 
künuen,  um  durch  diese  fehlerhafte  bildung  lachen  zu  erregen  5  ja 
noch  andere  solcher  e- silben  verlieren  sogar,  wenn  sie  in  die  zum 
reira  sonst  passende  Stellung  (d.  b.  binter  eine  unbetonte)  kommen, 
dennoch  ihren  vocal,  z.  b.  scbmeichernd,  lächernd,  pliitscher'nd. 
den  i- silben  müste  in  solcher  läge  eher  die  vorausgehende  unbe- 
tonte (also  ein  e)  weichen,  z.  b.  wäss'rig,  ek'lich,  dicbt'risch;  nur 
der  Kladderadatsch  bildet  'diplomat'sch'.  ja  für  das  übergewicht 
des  i  über  das  minder  tonreicbe  e  ist  selbst  der  name  unserer  deut- 
schen reichshauptstadt  ein  sprechender  beweis,  die  trotz  des  'BSr- 
lein'  und  abweichend  von  der  regelmäszigen  deutschen  betonungsart 
den  hoch  ton  auf  der  letzten  silbe,  d.  h.  auf  i  tragen  wird,  so  lange 
die  an  der  sonstigen  tonstelle  in  deutschen  Wörtern  stehende  erste 
silbe  mit  e  geschrieben  bleibt,  vgl.  Galeere  und  Gallerie.  es  wäre 
also  das  aufgeben  des  ie  und  ih  nur  ein  aufgeben  des  dehnungs- 
zeichens  wie  bei  a,  0,  u,  ä,  ö,  ü,  nicht  zugleich  des  tonzeichens,  wie 
bei  dem  e,  dem  einzigen  oft  tonlosen  vocal. 

Principiell  also  steht  nach  den  grundsätzen  der  conferenz 
nichts  im  wege  den  sechs  Baumerschen  betonten  vocalen  das  i  anzu- 
flcblieszen.  auch  ^gegen  dieses  verfahren  wird  sich  von  theoretischer 
Seite  schwerlich  etwas  gegründetes  einwenden  lassen'  (Raumer 
s.  189);  denn  wir  hoffen  nachgewiesen  zu  haben,  dasz  i  stets  be* 
tont  ist,  so  gut  wie  die  sechs  Kaumerschen  vocale. 
dasz  unter  sehr  seltenen  Verhältnissen  einmal  ein  i  elidiert  werden 
kann,  z.  b.  heilige,  vielleicht  sogar  ein  betonteres  in  Baumer*Bcbe, 
dasz, in  Nachtigall  uns  noch  ein  i  als  bindevocal  geblieben,  wird 
muerer  beobacbtung  ebenso  wenig  abbrucb  ibun,  wie  die  von  Bau- 
msr  anm.  s.  61  aufzählten  abweiobungen  von  seinen  fdgerungen. 
(«r  wäre  ttbxigens  noch  berechtigt  gewesen,  seiner  beobacbtung  ent* 

R.  jihrb,  t  phO.  a.  päd,  IL  «bt  187S.  hft  S.  6 


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82  Kritiache  notizen  sn  den  bescUtlBaeii  « 

sprechend  das  a  in  -sam  und  Monat  fttr  lang  zu  erUSren;  vgl.  den 
plnr.)  denn  *alle  etwa  an&atreibenden  ausnahmen  zusammen  ge- 
nommen, wird  man  nidht  viele  grammatische  regeln  finden,  die  im 
Terhfiltnis  zu  ihrem  gesamten  um&ng  so  wenige  ausnahmen  zeigen, 
wie  unsere  obige  regel.* 

Betrachten  wir  die  praktischen  fttUe:  scheinbare  Schwierig- 
keiten und  offenbare  vorteile.  §  7  über  dehnzeichen  bei  i  und  e  fUlt 
fort  (ttber  e  spftter). 

§  8  über  ie  fKUt  fori  das  i  ist  ja  hier  offenbar  überall  limg^ 
weil  betont  und  mit  einfachem  auslaut. 

§  9  a  über  langes  i  ohne  dehnzeiohen  wird  aus  denselben  grün- 
den überflüssig;  die  aufgezählten  Wörter,  bisher  ausnahmen  mit  ein- 
fachem i,  fallen  jetzt  unter  die  regel. 

Nebenbei  bemerkt  wünschen  wir  'Isegrim'  im  wÜrterbuche 
betreffs  des  letzten  kurzen  i  mit  doppelconsonanz:  Isegrimm  ent- 
spricht der  ausspräche  und  der  Volksetymologie,  überhaupt  können 
wir  schon  gleich  hier  die  bemerkang  nicht  unterdrücken,  dasz  der 
fortfall  der  dehnungszeichen  ein  grundsfttzliches  und 
energisches  wahren  und  mehren  der  notwendigen 
doppelconsonanz  als  gegengewicht  zur  unabweisbaren 
pf licht  macht;  hier  ist  jede  neue  notwendige  gemination  ein 
fortschritt  und  ein  gewinn,  man  möge  nur  ja  nicht  der  so  oft  be- 
tonten ^einfachheit'  zu  liebe  das  notwendige  und  zweckmäszige  unter- 
lassen! so  z.  b.  sind  die  deutschen  Wörter  Ruhm  und  Aas  (letzteres 
wort  fehlt  im  index  und  in  §  12  und  in  §  15 ;  'As  §  3^  c '  ist  das 
römische  wort),  gedehnt  wegen  des  branntweins  *Rum'  und  des 
römischen  'As',  häszliche  entstellende  ausnahmen  in  dem  reform- 
werke  der  conferenz.  wSren  alle  vier  Wörter  lang  und  die  ent- 
sprechenden auch  gleich,  so  würden  die  letztem  beiden  kein  recht 
haben  die  ersten  beiden  deutschen  Wörter,  zumal  das  so  häufige  und 
edle  wort  Eum  {gloria)  aus  der  reihe  ihrer  genossen  zu  stoszen.  nun 
aber  ist  dazu  Bumm  (branntwein)  kurz  und  verlangt  doppelconso- 
nanz ;  und  Ass  (römische  münze)  ebenso ;  selbst  die  etymologie  ver- 
langte letztere  Schreibung, 'denn  wir  entnehmen  den  alten  sprachen 
den  stamm,  nicht  den  nominativ,  z.  b.  Archont,  Facultät,  Elephant; 
auch  der  plnr.  'die  Asse'  zeigt  sofort  die  notwendigkeit  des  doppel- 
consonants.  während  also  dehnungen  wie  'Aas,  Buhm'  statt  As  (Af) 
und  Bum  u.  dgl.  häszliche  unregelmäszigkeiten  innerhalb  der  Berliner 
principien  sind,  wären  kürzungen  wie  Afs  und  Rumm,  Isegrimm 
u.  dgl.  statt  As,  Bum,  Isegrim  usw.  schöne  in  sich  berechtigte,  ja 
schon  im  heutigen  sohreibgebrauch  geforderte  consequenzen  der  auf- 
gestellten, ja  der  schon  im  vorhandenen  usus  liegenden  grundsätze 
—  sogar  abgesehen  von  der  durch  diese  kürzungen  (consonant- 
verdoppelungen)  unmöglich  gemachten  Verwechslung  mit  den  an- 
dern Wörtern  von  verschiedener  ausspräche  und  bedeutung.  dies 
nebenbei. 

§  9  a  anmerkung  über  1  fällt  fort,  da  es  kein  ie  mehr  gibt. 


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der  Berliner  ortliographischeu  couiereuz. 


83 


%  9h  über  ih  ist  ebenfalls  überflüssig;  ir,  irer,  irige,  inen  wäre 
von  irr,  irrer,  irrige,  innen  geschieden;  ebenso  wäre  es  consequenter 
ihm  und  ihn  (und  der  Ahn)  ohne  h  von  inn ,  imm  (und  ann)  zu 
scheiden,  wenn  einmal  unterschieden  werden  soll;  denn  die  dehnung 
der  langen  vocale  soll  ja  (wenigstens  nach  a  usw.,  also  auch  in  ^der 

Än')  £Bklleii;  dagegen  ist  die  bezeiohnimg  der  ktixze  durch  doppel- 
consonanz  gestattet  (also  2iin). 

§  10a  föllt;  insbesondere  ist  der  böse  streit  zwischen  -ieren 
imd  -iren  grundsätzlich  für  immer  und  überall  zu  gunsten  des  letz- 
tem geschlichtet  durch  das  leichte  and  feste  princip,  dasz  das  stets 
betonte  i  des  ton- (dehn-)  Zeichens  entbehren  kSnne,  so  gut  wie  die 
andern  sechs  stets  betonten  Tocale.  —  Vom  Torliegenden  stand- 
paneto  der  oonUsrenz  (zmn  vocal  i)  aus  würden  wir  wenigstens 
übarall  -ieren  (nirgends  -iren)  der  consequenz  und  ein&chheit  halber  - 
wUnsohen;  denn  das  i  ist  betont  und  lang,  und  anch  die  etymologie 
(die  freilich  nichts  orthographisches  entscheidet)  erklfart  die  endung 
als  aus  der  fremden  infinitivendung  -ier  -|-  der  deutschen  -en  zu- 
sammengesetzt* 

§  10h  füli  und  damit  noch  einige  wOrter  auf  -ieren;  in  *ma- 
meriit'  wftre  gar  i  betonter  als  ie! 

§  10c,  wieder  über  ie,  fällt,  bei  Prister  wird  allerdings  die 
quantität  in  der  schrift  verdunkelt;  er  mag  sich  in  §  6  bei  Papst  und 
Kloster  trösten ;  doch  könnte  diese  wie  viele  andere  schon  unklare 
längen  durch  Unterscheidung  von  L\  und  szt  oder  fst  mit  stets  vorauf- 
gehender länge  von  st  und  fst  oder  sst  gesichert  werden  (vgl.  a.  a.  o.). 

Auf  diese  weise  schwindet  durch  die  ttbemahme  des  i  unter  die 
andern  stets  betonten  vocale  eine  ganze  seite  orthographi- 
scher regeln  über  i,  ih  und  ie  von  dem  20  selten  langen  büch- 
leui.  und  dies  ist  zu  dem  vorzug  grösserer  einfachheit  und  conse- 
quenz wahrlich  auch  kein  verttchtlicber  gewinn. 

Und  noch  ein  nutzen  kommt  dazu,  wir  haben  jetzt  ein- 
silbige und  zweisilbige  ie  und  wflrden  der  letztem  noch  eine 
Terwirrende  legion  mehr  haben  ohne  den  vom  vorliegenden  stand- 
poncte  der  conferenz  aus  mit  recht  beibehaltenen  §  11 ,  anmerkung 
über  den  plur,  -iee  und  -ieen.  aber  auch  so  bleibt  uns  noch  Spanien» 
Arkadien,  der  Spanier  und  Arkadier  und  alle  die  iSnder  und  alle  die 
landsleute  mit  zweisilbiger  ie- endung,  und  dazu  noch  der  Italiener 
ün  mnem  unklar  und  zwiespältig ,  neben  dem  sonst  silbenreicheren 
Barbier  usw.  auch  dieser  streit  also  wäre  beigelegt,  ie  wären  immer 
zwei  vocale,  da  i  als  betonter  vocal  kein  dehnungszeichen  erhält. 

Es  bliebe  nur  noch  als  dehnungsbedürftig  das  e.  dieser  vocaj 
ist  es  in  der  that  mehr  als  ein  anderer,  obschon  er  weniger  anhänger 
gefunden  als  das  betontere  i,  weil  man  sich  nach  Raumer  mit  den 
tonverhältnissen  weniger  befaszte;  er  kommt  in  der  that  allein  in 
vielen  unbetonten  silben  vor ,  die  also  nach  unserer  meinung  weder 
lang  noch  kurz  sind,  sondern  fast  zeit-  und  vocallos;  das  betreffende 


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84 


Kritische  notisen  sa  den  beschlfisBeii 


*e*  solcher  süben  seheint  ans  nur  V4  e  oder  V4  oin^  ^  hebräi- 
schen Schwabs  zu  sein,  dennoch  möchten  wir,  falls  einmal  bei  a,  ä, 
o,  ö,  u,  ü  die  dehnnngszeichen  fidlen,  selbst  hier  deren  ansmerzung 
befOorworten,  wie  wir  es  bei  i  geihan  haben. 

Zunftchst  ist  der  grosse  vorteil  völliger  conseqnenz,  einheit 
nnd  einfachheit  unserer  rechtschreibung  bei  gleichmSsziger  behand- 
lung  der  quantitftt  aller  Tocale,  beim  wegfcdl  unbedingt  aller 
dehnnngszeichen  klar:  aus  dem  regelbttchlein  fallen  aber- 
mals einige  selten  fort,  die  nicht  mehr  gelernt  zu  werden 
brauchen. 

Sodann  ist  auch  das  gerade  von  uns  betonte  principielle 
bedenken,  dasz  viele  e  weder  lange  e  noch  kurze  e,  sondern  eigent- 
lich bald  ganz,  bald  halb  elidieite,  e-8hnliche  laute  sind,  prak* 
'tisch  ni<Ät  allzuschwer  wiegend;  denn  dergleichen  V  finden  sich 
nur  in  vor-  und  nachsilben,  können  also,  da  diese  leicht  bekannt 
und  ersichtlich,  weniger  verwirren,  z.  b.  be-,  ge-,  ver-,  zer-»  er-,  -e, 
-er,  -es,  -en,  -end,  -chen  usw. 

Die  riohtigkeit  dieser  ansieht  wird  endlich  thatsSchlich 
dwnsh  den  unbewnsten  schreibgebrauch  bestätigt,  indem  die  beton- 
ten e  (trotz  jener  *e'  in  den  unbetonten  vor^  und  nachsilben)  selbst 
noch  viel  öfter  ihre  dehnungszeichen  abgeworfi^  haben  als  das  ton- 
reiehere  i.  können  wir  die  dehnungszeichen  bei  diesen  nicht  mehr 
einführen  (z.  b.  geebet  oder  gehbet  und  gebeet  oder  gebeth),  so 
mögen  wir  sie  auch  dort  entbehren,  wo  sie  bisher  geblieben,  z*  b. 
in  nehmen,  dehnen,  ehren  usw.  smd  wir  mit  ^Gebet'  fertig  ge- 
worden, so  wird  uns  auch  ^entert'  nicht  zu  schwierig  sein;  abge- 
sehen davon,  dasz  wir  hier,  wenn  wir  wollen,  Sutern  (mit  offenem  e- 
d.  b.  S-laut  und  dem  ton  in  der  kurzen  ersten  silbe)  von  enteren 
(mit  gesi^lossener,  betonter,  langer  zweiten  silbe)  und  so  auch  En- 
tert von  entert  unterscheiden  können,  ohne  irgendwie  aus  den  grund- 
s&tzen  der  reform  herauszutreten! 

Und  wie  uns  oben  ie  nicht*  mehr  zweideutigen  wertbes  geblie- 
ben,  sondern  flberall  nur  noch  zwei  wirkliche  silben  bezeich- 
nen soll,  so  würde  auch  hier  ee  (z.  b.  geert,  geebnet  usw.)  stets 
nur  noch  zweisilbig  sein  können,  da  von  jetzt  ab  jede  zwei  vocal- 
buchstab^n  auch  stets  zwei  vocallaute  bezeichnen  würden,  in  den 
diphthongen  allerdings  zwei  fest  vereinigte  laute. 

Wir  wünschten  freilich,  wie  gesagt,  eine  conservative  re- 
form im  gleichmUszigen  interesse  der  leichtigkeit  und  deutliohkeit 
der  Orthographie  filrs  schreiben  und  lesen,  eine  consequente 
conservierung  und  entwicklung  aller  noch  im  vorhandenen  schreib- 
gebrauch liegenden  mittel,  'welche  der  rede  hülfe  thun'  (Schottel), 
d.h.  das  lesen  ebenso  sehr  wie  das  schreiben  erleich- 
tern, nach  festen,  einfachen  und  klaren  principien  und  deshalb 
z.  b.  reform,  nicht  abschaffung  der  dehnungszeichen  (s.  a.  a.  c). 

Oder  aber,  wenn  einmal  eine  einschneidende  reform  zur 
prindpieUen  Vereinfachung  der  s  ch  r  if  t,  dann  auch  hierin  möglichst 


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der  Berliner  orthographischen  coaferens. 


consequentes  nmgestalteii,  so  lange  der Terwirklieliimg  der  prin- 
cipien  nicht  sehr  gewichtige  bedenken  entgegenstehen  nnd  go  lange 
ihre  durchflihrung  die  erhofften  vorteile  verspricht!  sollen  einem 
pudel  —  man  verzeihe  den  vergleich  —  nun  mal  die  ohren  modern 
zugestutzt  werden,  dann  auch  beide  auf  einmal  und  sofort  bis  auf 
die  gewünschte  länge!  ein  fester  schnitt  heilt  schnell  und  glatt, 
ein  zaghafter  reiszt  und  schmerzt  und  die  häszlichen  narben  erin- 
nern als  ruinen  stets  an  die  frühere  form  und  fordern  zu  einer 
zweiten  ebenso  bösen  Operation  auf. 

Und  wenn  nun  auch  bei  e  die  letzten  dehnungszeichen  fallen, 
so  erwächst  hier  (auszer  der  bei  allen  vocalen  notwendigen  strengem 
anwendung  des  kürzungszeichens)  wegen  der  besonders 
schwierigen  Stellung  des  e  auch  noch  eine  besondere 
pf licht,  die  zu  erfüllen  aber  auch  ein  besonderes  mittel 
von  der  spräche  selbst  uns  an  die  band  gegeben  ist.  wir  hatten 
(a.  a.  0.)  bereits  früher  gezeigt,  dasz  ä  und  e  sich  dadurch 
unterscheiden,  dasz  ä  1)  stets  offen  und  2)  stets  betont 
sei  und  3)  als  umlaut  von  a  lebendige  volksetymologieen  klarstelle ; 
da  nun  e  bisher,  und  häufiger  noch  in  Zukunft,  betreffs  der  quanti- 
t&t  und  des  accents  (mehr  als  die  andern  vocale)  unklar  bleibt  für 
die  rasche  Orientierung  beim  lesen:  so  bietet  uns  (abgesehen  von 
der  strengem  dnrohführung  der  gemination  nach  kurzem  e)  obige 
Scheidung  des  e  und  ä  auch  noch  ein  besonderes  mittel, 
diesem  ttbelstande  abzuhelfen;  ein  mittel,  welches  schon  der 
jetzige  usus  möglichst  auszunutzen  antrieb,  welches  aber 
die  geringere  klarheit  und  'ungenügende  beetimmtheit'  (Wilmanns 
s.  119)  des  künftigen  Schreibgebrauchs  noch  gebiete- 
rischer verlangt,  wo  also  das  betonte  e  offen  gesprochen 
wird  und  wo  es  mit  einem  noch  im  sprachbewustsein  unseres  yolkes 
vorhandenen  a  znsammenhSngt  oder  zusammen  gedacht  werden 
bmn,  da  können  wir  überall  fttglich  das  bezfiglich  seiner  (offenen 
oder  geschlossenen)  ausspräche,  bezüglich  seines  tons  und  seiner 
berstammung  unklare  e  durch  klares  Ü  ersetzen;  ja  wir 
mflssen  es  hier  überall  ersetzen,  da  die  pflicht  gegen  unsere  muiter- 
spräche  die  möglichste  anpassung  ihres  schriftiidien  gewandes 
Tsrlangt. 

8o  begrtlszen  wir  nut  rückhaltloser  fireude  und  unbedingter 
nstinmiung  die  Yon  der  conferenz  festgestellten  ä- Schreibungen  in 
w&ton  mit  offenem  e-,  d.  h.  mit  ft-laut,  wie  Säckel,  Häcksel,  Ge- 
bilde, Geländer,  Schwäher  u.  dgl.  und  wünschen  noch  einige  wei- 
tere schritte  auf  diesem  richtigen  und  schönen  wege,  z.  b.  behau  de 
(hochton  auf  der  zweiten  und  =  bei  der  band).  Wildbrät  (tiefton 
auf  der  letzten  und  =  wilder  braten),  bläuen  (=  blau  schlagen, 
an  das  gelehrte  rahd.  hliuwen  denkt  kein  unbefangener  gebildeter 
Deutscher  mehr),  eländ  (tiefton  auf  der  letzten,  ins  Eländ  =  ins 
ausländ,  ins  exil;  welche  herliche  gedankenreihe  legt  es  nahe!), 
Italjäner  (ie  =  jä  und  hochton  auf  der  vorletzten);  vielleicht 


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86 


Kritische  notizen  zu  den  beschlflasen 


such  ^Sutern',  gegensats  'enteren'  nsw.,  allee  mit  offanem  e-,  d.k 
mit  S-lantl  wie  fremd  sehen  nicht  gegen  diese  nadi  aosspiaelie, 
betonung  und  bedeutung  klaren  deutschen  und  deutlichen  wört€r 
formen  aus  wie  Gelender,  Geberde,  behende,  elende,  Italiener,  Relief, 
Ingredienzien  (besonders  so  lange  noch  ie  =  i)  u.  dgl7,  bei  denea 
man  weder  die  zahl  der  äilbcn,  noch  die  offene  ausspräche  des  e  =  l, 
noch  den  ton,  noch  die  bedeutung  absieht! 

War  schon  früher  möglichste  einführung  des  ä  statt  e  pflicht, 
so  ist  sie  es  jetzt  doppelt  und  dreifach,  ja  wäre  nicht  manches  be- 
tonte e  (und  zwar  manches  lange  e)  geschlossen  zu  sprechen,  also 
nicht  ==  ä,  so  würde  der  gedanke  nahe  liegen,  jedes  betonte  e 
durch  ä  zu  ersetzen,  z.  b.  äntert,  entärt,  gäbet,  Gebät,  Sämmel- 
mäl,  ärerbitig,  verären.  dadurch  würde  der  letzte  nicht  stets  be- 
tonte vocal  den  andern  ebenbürtig  erhoben,  resp.  aufgehoben,  und 
der  bleibende  rest  des  e  wurde  zu  einem  stets  unbetonten 
halben  vocal  zu  einem  schwa  oder  kateph  gemacht,  unter- 
scheiden wir  doch  auch  den  offenen  und  geschlossenen  o-  (und  Ö-) 
laut  in  der  schrift  nicht!  weshalb  also  (betontes)  e  von  ä? 

Oder  aber,  wie  wir  bei  der  transcription  des  deutschen  ins 
lateinische  abc  unser  eigentümliches  vom  weichen  f  unterschiedenes 
deutsches  ß  festhalten  müssen  (vgl.  a.  a.  c),  um  keinen  rttckschntt 
in  dem  phonetischen  Charakter  unserer  Orthographie  zu  machen,  so 
könnten  wir  yielleicht  die  gnnst  derselben  gelegenheit  zu  einem 
phonetischen  fortechritt  benutzen  und  zwischen  dem  betonten 
e  und  dem  unserer  spräche  eigentümlichen  unbetonten 
'schwa-ähnlichen  deutschen  halben  oder  viertel  e  unter- 
scheiden, z.  b.  entert  und  entert ^  Gebet  und  gebet,  senunehnel, 
ergebenster,  ererbitig,  vereren  nsw.  so  würde  dias  ft  in  seiner  be- 
sondern  eigentOmlicbkeit  als  betonter  offener  laut  und  als  nmlint 
von  a  bewiärt  bleiben  neben  eigentlichem  geschlossenem  betonten  e 
nnd  dem  schwa-  oder  katepbzeichen,  dem  unbetonten  nnd  fast  zett- 
losen viertelsTOcal  e. 

Nach  den  conferenzbesehlttssen  könnten  wir  uns  zur  Unter- 
scheidung von  e  nnd  tonlosem  V  durch  acoente  hel^an;  dieselben 
sind  freilich  der  deutschen  spräche  TöUig  fremd  nnd  nen,  ttnssent 
henmiende,  Ittstige  znthaten  in  druck  und  sdmfb,  -eine  selbstftndig 
neben  der  bnehstabenschrift  heriaufende  tonzeiohenschrift  wir 
haben  an  der  interpunction  völlig  genug  und  an  den  i-puncten  xsaA 
u- strichen  schon  viel  zu  viel,  für  Unterscheidungen  im  einzelnen 
notfalle  aber  mögen  accente  angehen. 

Die  von  Raumer  (s.  67)  vorgeschlagene  auseinandersetzung 
zwischen  ä  und  e  hat  viel  bedenkliches  und  ist  mit  recht  von  der 
conferenz  nicht  (wie  seine  folgerungen  über  die  tonvocale)  aufge- 
nommen worden:  1)  das  kurze  (?)  e  und  das  kurze  ä  seien  gleiche  (?) 
laute,  also  genüge  der  buchstab  e,  z.  b.  Wand  plur.  Wende  =  Ende  (!). 
2)  das  lange  e  und  das  lange  ä  seien  ungleiche  laute,  also  bleibe  das 
lange  ä  (und  e),  z.  b.  Sal  Säle(I)      Säge  (dehnen).  —  Zunächst, 


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der  Berliner  orthogiapliiBchen  eonÜBreos. 


87 


glauben  wir  nachgewiesen  su  haben,  gibts  ausser  langem  und  kurzem 
noeh  das  zeit-  und  tonlose  oder  halbe,  elidierte  e;  das  ^kurse*  e 
Baumen  um&szt  dieses  tonlose  halbe  unbewust  Init.  das  tonlose 
halbe  e  ist  aber  sodann  nicht  immer  offen  und  also  kein  mit  ft 
'  gleicher'  laut,  z.  b.  geschlossen  in  ge-,  be-,  -stc,  c  (z.  b.  in Wfinde) 
usw.  femer  verdunkelt  e  unserm  sprachbewustsein  die 
abstammung  von  a:  'wende'  ist  uns  das  yerbum,  nicht  der  plur. 
von  Wand,  alsdann  würde  bei  a  (abweichend  von  o  und  u) 
der  Umlaut  wie  im  mhd.  nach  der  quantitJit  verschie- 
den: bei  a  zu  e  (Wand  Wende),  bei  Ti  zu  ä  (Siil  Säle),  endlich 
tritt  das  bestreben,  wie  den  umlaut,  so  jeden  langen  und  kurzen 
ä-laut  nach  der  quantität  principiell  durch  verschie- 
dene zeichen  ä  und  e  auszudrücken  (wie  bei  keinem 
andern  vocal)  noch  weit  mehr  aus  der  natur  der  deutschen 
spräche  heraus  als  der  bisherige  übelstand ,  dasz  das  e  verschiedene 
lautschattierungen  bedeuten  kann;  ein  übelstaud,  der  übrigens  nun 
doch  bleiben  würde,  weil  e  auch  bei  Rauuier  bald  ^kurzes'  ä  (und 
tonloses  halbes  e  und  halbes  ä !) ,  bald  langes  geschlossenes  e  wäre ; 
ausgeschlossen  ist  also  nur  die  fünfte,  auch  jetzt  seltene  möglichkeit: 

6  =  ä ,  indem  Pfärd ,  Wärt,  Härd  u.  dgl.  mit  ft  geschrieben  werden 
müsten.  auch  hier  also  kann  der  nhd.  orthograplde  nicht  durch  die 
mhd.  grammatik  geholfen  werden. 

Um  mit  den  *vorbemerkungen%  dem  prindpieU  wichtigsten  und 
epochemachenden  teile  abzuscUieszen,  hätten  wir  noch  zu  dem 
letzten  abschnitte:  *die  bezeichnung  des  tones  durch  accente  ist  zu- 
ISasig'  und  in  anbetracht  des  §  12  d,  anm.:  *zur  bezeichnung  der 
TocallSnge  kann  man  auch  den  eironmflez  anwenden'  einige  bei- 
spiele  gewünscht,  etwa  gebet  und  gebet,  Entert  (und  event.  entert), 
lutherisch  oder  lutherisch. 

Bei  den  sieben  stets  betonten  vocalen  a,  ä,  o,  ö,  u,  ü  und  i 
wird  freilich  die  accentsetzung  wol  niemals  notwendig  werden;  bei 
e  jedoch  kann,  wenn  einmal  die  notwendigkeit  einer  Verdeutlichung 
einträte,  zwischen  dem  tonlosen  halben  e,  dem  betonten  kurzen  d 
und  dem  betonten  langen  6  unterschteden  werden,  und  selbst  dann 
bringt  es  die  ganz  vereinzelte  eigentümlichkeit  des  e  mit  sich,  dasz 
die  Offenheit  oder  geschlossenheit  dieses  lautes  meist  noch  unbe- 
zeichnet  bleibt,  z.  b.  ge-,  be-,  -ste,  -e  haben  ein  viertel  e,  zer-,  ver-, 
-er,  -es  ein  viertel  ä.  Ehre,  dehnen  haben  ein  langes  eigentliches  e; 

Pferd,  Wert  eigentlicfa  ein  langes  &.  nur  die  kurzen  e- Silben  wie 
bell,  Werk  habrai  wol  ausnahmsweise  stets  einen  kurzen  ft*laut. 

Nur  eine  einzige  auseinandersetzung  zwischen  e  und  ä  scheint 
uns  mSglich  zu  sein  und  aus  der  natur  unserer  muttersprache  und 

ans  dem  von  der  conferenz  praktisch  durchgeführten  Raumerschen 
touprincip  mit  notwendigkeit  sich  zu  ergeben:  der  ganz  einzig 
dastehende  unbetonte  viertelvocal  wird  e  geschrieben, 
und  den  betonten  vocal  bezeichnen  wir  mit  ä.    dieses  ä 


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88 


BemerkuQgeu  zur  lat  grammatik  von  Ellendt-Seyffurfl» 


würde  alsdann,  wie  ö,  bald  offen  bald  geschlossen,  bald  kurz  bald 
lang  sein,  schon  jetzt  kommt  dieser  reform  der  ä-  und  e-schreibung 
die  ausspräche  der  gröszeren  städte  in  gewissem  sinne  entgegen, 
indem  man  dort  sogar  das  jetzige  lange  offene  ä  vielfach  fehler- 
haft wie  geschlossenes  e  spricht,  z.  b.  Käfer  wie  Kehfer,  thätig  wie 
theetig  usw. 

(fortsetzung  folgt.) 
Mariaweiler  bei  Düren.  P.  Didolff. 


(3.) 

BEMEBKUNGEN  ZUB  LATEINISCHEN  GBAMMATIK 
TON  ELLENDT-SETFFEBT. 

ZWETTEB  TEIL, 
(seblnss.) 


Auch  die  fragesätze  entbehren  zunächst  des  hinweises  auf  §  304, 
wonach  wirkliche  fragen,  die  von  einem  verbum  abhängen  (in- 
directe  fragen)  im  conjunctiv  stehen,  ebenso  ergibt  sich  sofort  aus 
§  290  und  §  291  (s.  oben),  dasz  in  den  fragesätzen,  welche  be- 
hauptungen,  aber  in  frage  form  eingekleidet,  enthalten 
(rhetorische  fragen),  der  acc.  c.  inf.  steht  (s.  a.  §  811, 1).  daneben 
ist  die  bekannte  fassung:  fragen,  die  an  die  erste  oder  dritte  person 
gerichtet  sind ,  stehen  im  acc.  c.  inf. ,  fragen  an  die  zweite  im  con- 
junct.,  für  den  scbüler  zunächst  nicht  ungeeignet,  (wie  steht  es  aber 
mit  Caes.  b.  g.  1,  43  quis  jpati  posset?  und  1 ,  40  cur  guisquam  judi- 
carä?) 

Ueberhaupt  aber  musz  das  in  den  langen  Zusätzen  bei  Seyffert 
zu  der  oratio  obliqua  gesagte  unmittelbar  in  die  hauptregel  ver- 
flochten werden,  sonst  ist  das  ganze  voller  Wiederholungen  und  zu 
breit,  dies  zeigt  sich  besonders  bei  den  nebensätzen.  das  von  die- 
sen in  einem  zusatze  gesagte  gehört  unmittelbar  hinter  die  frage- 
sfttze.  es  musz  also  an  die  stelle  des  dort  befindlichen:  'nebensätze 
stehen  in  oratio  recta  im  indicativ  oder  im  conjunctiv,  in  oratio  ob- 
liqua im  conjunctiv'  gesetzt  werden:  'nebensätze,  welche  einen  ge- 
danken  des  regierenden  (Seyffert  des  angeführten)  subjectes  ent- 
halten (Seyffert  ausdrücken) ,  stehen  in  der  oratio  obliqua  im  con- 
junctiv; nebensätze  dagegen,  welche  der  erzählende  als  seine  eigne 
erklärung  beifügt,  stehen  im  indicativ. 

Aber,  könnte  man  einwenden,  aufforderungssätze  und  frage- 
sätze sind  ja  hauptsätze,  deshalb  muste  in  anm.  4  eine  besondere 
regel  für  die  nebensätze  gegeben  werden,  wir  sind  anderer  mei- 
nung.  alle  genannten  kategorieen  werden  ja  abhängig  von  dem 
verbum  dicendi,  welches  die  oratio  obliqua  einleitet,  folglich  zu 
nebensätzen  gemacht,  dies  vorausgeschickt  erhalten  wir  folgende 


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Bemerkungen  bot  lat  gnunmatik  von  EUendtoSeyffert  89 

emüiiehe  fomel  für  die  ganze  oratio  obliqna:  alle  vom  regierenden 
verbnm  abhSngigen  sfttse  stehen  im  aoo.  c.  inl  oder  im  eoignnotiT« 
je  nachdem  sie  aussagen  oder  absiohten  des  regierenden  snbjeets 
enthalten  (dass  etwas  gesehieht,  gesohehen  ist,  geschehen  wird,  oder 
dass  etwas  geschehen  möge),  die  nicht  vom  regierenden  yerbnm 
abhängigen  sfttze,  zns&tse  des  -Schriftstellers,  stden  im  indicativ. 
(für  die  fragestttze  die  oben  gegebene  fassnng  yieUeicht  in  einer  an- 
merkang.) 

Danach  ist  auch  §  279,  8  zu  yerbesmn:  *relatiYSfttze,  die 
nicht  eine  bestimmte  thatsache  anssagen  (besser  enthalten)  stehen, 
wenn  sie  sich  an  den  gedanken  eines  abhttngigen ,  im  Infinitiv  oder 
conjnnctiT  ansgedrUckten  Satzes  ansehlieszen,  im  coignnctiY*.  ob 
der  satz  eine  bestimmte  thatsache  enthält  oder  nicht,  ist  ganz  gleich- 
gültig, auch  Sätze,  welche  bestimmte  thatsachen  enthalten,  stehen 
im  conjunctiv,  wenn  sie  abhängig  gedacht  werden  sollen  vom 
regierenden  subject.  sie  stehen  nur  dann  im  indicativ,  wenn  sie 
nicht  von  diesem  abhängig  gedacht  werden  sollen ,  sondern  zusiitze 
des  Schriftstellers  sind,  dieser  Sprachgebrauch  ist  aber  so  durch- 
greifend, besonders  das  zuletzt  gesagte  von  dem  anschlusz  an  einen 
conjunctiv,  dasz  neben  der  zu  §  256  vorgeschlagenen,  an  die  spitze 
der  moduslehre  zu  stellenden  regel  auch  diese  einen  platz  finden 
müste. 

Femer  hätten  wir  über  die  bezeichnung  derpersonen  in 
der  oratio  obliqua  folgendes  zu  bemerken,  unter  zusatz  5  finden 
wir:  *die  erste  person  der  oratio  recta  (ego,  nos)  wird  in  der  oratio 
obliqua,  wenn  sie  im  nominativ  stehen  rausz,  immer  durch  ipsc,  ipsi 
bezeichnet;  die  zweite  (f?/,  vos)  gewöhnlich  durch  i7?c,  besonders 
wenn  sie  betont  ist,  oder  auch  durch  is,  wenn  sie  unbetont  ist.' 
nehmen  wir  dies  zunächst  als  richtig  an ,  so  vermissen  wir  eine  be- 
stimmung  über  die  dritte  person  und  über  die  erste  person,  wenn 
sie  nicht  im  nominativ  steht,  beides  fehlt;  nur  eine  hinweisung 
auf  den  gebrauch  des  prönomen  reflexivum  §  313  und  314  steht 
lunter  den  beispielen.  da  es  aber  offenbar  auch  in  der  indirecten 
rede  eine  dritte  person ,  von  der  man  spricht ,  gibt,  so  fügen  wir  zu- 
nächst, aber  der  hauptregel  (S.  o.)  hinza:  *die  dritte  person  wird 
ansgedrttckt  durch  «5,  üüexmdhie  in  gegensätzen' ;  und  ferner  setzen 
wir  voran:  'die  erste  person,  die  sprechende,  wird  durch  sui^  sihi^  se 
ausgedrückt.'  das  von  ipae  gesagte  musz  eine  änderung^ erfahren,  da 
es  den  schttier  irre  flihrt  nnd  nngenan  ist.  nicht  die  unbetonte  erste 
person,  diese  ist  «ut ,  «tdi,  in  der  oratio  obliqua,  sondm  nur  das 
betonte  effo^  im»,  in  gegensfttzen  dem  verbum  noch  hinzugefügt, 
inrd  dnreh  ^»e  wiedergegeben  (vgl.  Gossran  s.  662,  ^innebensltwn 
oft  mit  ipse  durch  gegenttbersteUnngen  veranlasst*),  aber  es  steht 
aneh  tpse  als  zusate  su.  allen  personen,  wo  es  schon  in  der  oratio 
reeta  steht,  man  vergleiche  nur  Caes*  b.  g.  1 ,  34  si  quid  ipsi  {Ariih 
vittua  respondit)  a  Oaisare  cpm  esaeti  b.  g.  1 ,  40  cur  <fe  sm  virMe 

de  ipsrns  {CaemiifimtmMeos)  düigeri^  de^erarent?  b.  g.  5,  27 


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90        Bemerkungen  zur  lat,  grammatik  Yon  EUendt-Seyfferl 

(Asnbianx  locutus  est)  ipsorwn  esse  oonsüium^  velintne  dedttcere,  wir 
fttgen  also  das  toh  ^ßse  gesagte  der  ersten  person  hinzu,  führen 
dann  die  für  die  zweite  person  gehxauchten  pronoi&iiia  an  und 
schlieszen  mit  der  dritten  person.  die  zweite  person  musz  aber  fol- 
gende fassnng  erhalten:  die  zweite  person  wird  1)  wenn  sie  nicht 
betont  ist,  im  coigunctiT  durch  die  blosze  verbalendung  bezeichnet, 
im  acc.  c.  inf.  musz  dum,  eo8  eintreten ;  2)  wenn  sie  betont  ist,  durch 
tZZe,  tZK  (direct:  tu^  vas  beim  verbum  finitum). 

Warum  endlich  die  tempora  der  indirecten  rede  in 
einer  anmerknng  abgethan  werden,  da  doch  die  modi  so  ausftlhrlidi 
in  hftnptrogeln  vnd  snsfttzen  behandelt  werden,  ist  nicht  einzusehen, 
im  allgemeinen  musz  natürlich  die  §  243  aufgestellte  hauptregel 
der  consecutio  temporum  genügen,  man  weise  also  auf  diese  Idn, 
vergesse  aber  nicht  §  245,  4 ,  der  Tom  praesens  historicnm  die  regel 
angibt,  da  w;ol  ebenso  Tiel  reden  Ton  diesem  abhSngen,  wie  von 
einem  praeteritum.  dann  füge  man  als  ansnahmefall  hinzu,  dasz 
nicht  selten  auch  nach  letzterem  der  eonj.  praes.  und  perf.  sich  fin- 
det (nicht  blosz  in  Ittngeren  reden,  wie  SeyfEert  angibt),  dieser 
hat  übrigens  seinen  guten  grun^. 

Man  nehme  eine  beliebige  rede  aus  Caesar,  z.  b.  b.  g.  5,  27  und 
sehe  sich  genauer  diesen  scheinbar  unmotivierten  Wechsel  der  tem- 
pora an.  da  heiszt  es  locutus  est:  se  dehere^  quod  liberatus  csset^ 
qmd  consuesset ,  remissi  essent^  tenuissent ,  7iequ€  id  quod  fecerit  statt 
fecisset,  einmalige  handlung,  ohne  rücksicht  auf  dauer  und  Voll- 
endung, fecisse^  esse,  ut  haberet^  dauer  in  der  Vergangenheit,  fuisse 
quod  non  potuerit  vgl.  fecerit,  se  prohare  j^osse ,  quod  non  sit,  dauer, 
unvollendung  in  dergegenwart  soll  betont  werden,  ut  confidai,  desgl., 
esse  diäum  diem,  ne  posset,  potuisse,  cum  videretur,  auf  potuisse,  nicht 
auf  die  gegenwart  bezogen,  qumiiam  satisfecerU,  vgl.  fecerit;  habere, 
monere  ut  cotisulat,  in  der  gegenwart,  jetzt,  so  auch  velintne,  quorum 
absit,  faciat,  levetur,  die  letzteren  drei  sich  dem  futurum  in  der  be- 
deutung  nähernd,  in  ähnlicher  weise  lassen  sich  alle  abweichungen 
von  der  hauptregel  erkläröb,  vgl.  in  der  kurzen  rede  5,  36  respondit: 
si  velit,  quod  pertineat.  der  gebraach  von  üle  und  tum  für  Mc  und 
nunc  steht  damit  in  engster  beziehung,  und  deshalb  ist  nicht  zu 
sagen,  dasz  immer  dieser  Wechsel  eintritt,  sondern  nur  gewöhnlich. 

üeberblicken  wir  das  ganze,  so  zeigt  sich;  dasz  das  capitel  von 
der  oratio  obliqua  viel  kürzer^  und  mit  anknüpf ung  an  schon 
bekanntes,  mit  hinweisung  auf  die  anome  der  syntax  systema- 
ti scher  g^eben  werden  musz. 

Zu  den  fragesfttzen  wftre  etwa  folgendes  zu  bemerken, 
zu  §  805,  4  qwm  und  qwmtibnm  (sind  in  diriecter  frage  selten ,  in 
indireoter  bKufiger)  füge  man  hinzu:  cur  in  diieoten  und  indirecten. 
neben  qua  re  cmrei  auszulassen  liegt  kein  grund  Tor.  femer 
zur  Übersetzung  von  mm  in  directen  fragestttzen:  *etwa,  wol  beim 
yerbum'  empfiehlt  sich  hinzuzusetzen:  rielleicht  und  (Lattmann 


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Bemerkaiigen  sar  lat  grammatik  Ton  EUendt-S^jrffert  91 

8.  285)  doch  wol  nicht,  so  dasz  es  lautet:  nutn  ist  das  deutsche  viel- 
leicht (wol),  etwa  ass  doch  wol  nicht. 

Da  es  ferner  nur  drei  arten  der  directen  dopj)elfrage  gibt ,  so 
ist  angemessen,  diese  drei  fälle  übersichtlich  vor  den  ebenso  anzu- 
führenden vier  fällen  der  indireclen  dopjjelfrage  zu  geben,  mit 
anm.  2:  *oder  nicht  in  directen  doppelfragen  heiszt  an  non^  in  in- 
directen  gewöhnlich  ncc  /?t '  stimmt  dies  nun  insofern  nicht  überein, 
als  auch  falle  sich  finden,  wo  diesem  nc  ein  utrum  entspricht,  z.  b. 
Caes.  b.  g.  1 ,  50,  ein  fall  utrum-nc  aber  nicht  angegeben  ist.  und 
doch  ist  bekanntlich  dies  ^oder  nicht'  nur  eine  durch  weglassung  des 
Yerbum  zu  erklärende  Verkürzung  der  zweiten  frage  (vgl.  5t  non 
§  275i);  also  wtnm  ex  usu  esset ^  nec  ne  (declararent)  ist  gleich 
uinm  ex  usu  esset ,  necne  ex  usu  esset,  der  Terkttrzte  fall  muss  also 
Beine  besondere  regel  erhalten/ 

In  der  regel  von  an  in  einfachen  indirecten  firagen  sind  die 
werte:  *in  guter  prosa*  für  die  schulgrammatik  entbehrlich,  die 
hinneignng  zur  bejahung  ergibt  sich  daraus,  dasz  die  beiden  nega- 
tionen  (4ie  erste  ist  entweder  offenbar,  oder  versteckt)  eine  bejahung 
eigeben.  also  z.  b.  haud  sdo  an  hoc  verum  aU  ist  gleich :  hoc  vmm 

aber  haUä  sdo  an  non  verum  sü  gleich:  non  verum  sU  (con- 
jimctiT  der  bescheidenen  meinungsäuszerung).  ebenso  Gracchus  si 
<Mjtf9  vixissä  {n€)scio  (an)  eloquenüa  parum  hoMsset  neminem 
gleich:  scio  eloquentia  parem  häbuisse  neminem,  ebenso  (anm.  1) 
duhUo  an  turpe  ncmini  sit  gleich  turpe  nemini  sit,  es  ist  nicht  zu 
bezweifeln,  dasz  für  den  schüler  diese  erklUrung  eine  grosze  erleich- 
terung  gewährt,  und  deshalb  ist  t>ie  in  der  hei  mscio  an  angegebe- 
nen weise  anschaulich  zu  machen,  (vielleicht  auch  non —  ne  =  ja?) 

In  dem  §  303,  welcher  von  den  abhängigen  hauptsätzen 
(besser  folgerungssätzen,  vgl.  zu  §  272  und  zu  §  311)  zu  irrealen 
bedingungss ä  tz en  handelt,  vermiszt  man  ungern  ein  über- 
Mchtlich  dem  auge  sich  leicht  einprägendes  beispiel  und  eine  au- 
knüpfung  an  §  272,  3,  anm.  2,  die  doch  so  nahe  liegt,  z.  b. 

errares  j  si  Heeres 

seio  te  erratwrum  esse^  si  dkeres 

non  e^dMum)  ^^^-^  errares,  si  diceres 
gu»  äubUat  J 

QBw.  för  das  plusquamperf .  act.  und  das  pass.  ferner  aber  empfiehlt 
sie  kerne  hinweisung  auf  die  drei  tempora  der  actio  infecta  und  actio 
pwfBcta.  der  infinitiv  der  ersteren  ist  esse^  der  der  letzteren  fuisse, 
Wialb  für  errares '.  crraturum  esse^  für  erravisses :  erraUmim  fuisse. 
dcnigemäsz  musz  auch  verbessert  werden:  'für  den  conj.  imperf. 
steht  der  inf.  futuri'  in:  'für  den  conj.  imi)erf.  steht  der  infinitiv 
auf  man  esse^^  wie  für  das  plusquamperf.  richtig  bemery  ist :  'der 
Infinitiv  auf  urum  fuisse\  ferner  öiusz  durch  einen  hin  weis  auf  die 
banptregel  der  oratio  oblioua  erinnert  werden,  weshalb  der  be- 
amgongssatz  unverändert  bleibt,  der  folger ungssatz  aber  acc.  c.  inf. 


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92        Bemerkungen  zur  lat  grammatik  TOn  fillendt-Seyffert. 

wird,  mit  diesen  wafifen  müssen  wir  dem  geftlrchteteii  capitel  nlilier 
rücken,  dann  wird  es  bald  besiegt  werden. 

Zumaccusativ  cum  infinitivo  wäre  zunftchst. zu  bemerken, 
dasz  das,  was  erst  §  294  von  den  yerbis  affectuum  gesagt  ist:  'der 
acc.  c.  inf.  bezeichnet  die  thatsache,*  welche  den  affect  hervormil, 
als  gegenständ  der  Vorstellung,  wie  nach  den  yerbis  sen- 
tiendi  und  declarandi%  an  die  spitze  des  ganzen  abschnittes  als 
bauptregel  zn  stellen  war,  denn  es  enthält  das  wesentlichste,  dem 
Lateiner  war  es  gegeben,  so  ungefähr  müste  es  lauten^  nicht  blosz 
ein  einzelnes  wort  als  object  von  einem  yerbum  abhfingig  zu  machen, 
sondern  einen  ganzen  satz,  d.  h.  eine  yerbindong  yon  werten,  die 
wir  im  deutschen  meistens  nur  durch  einen  ganzen  satz  (con- 
junctionalsatz  oder  infiniüvsatz)  wiedergeben  können,  deshalb  steht 
1)  nach  den  verbis  dicendi,  2)  declarandi,  3)  volo  {nolo^  ma2o),  cup^o, 
duideoy  4)  iubeo^  veto^  smOf  potior^  5)  statuOy  constüuo^  decemot  6)  ^ 
verbis  affectuum  der  gegenständ  (das  object)  der  geistigea 
thfttigkeit  im  acc.  c.  Inf. 

Daraus  läszt  sich  nun  leicht  alles  andere  erklären«  da  z.  b.  die 
sämtlichen  aufgezählten  verba  das  object  im  accusativ 'iiach  sieh 
haben  müssen  (oder  können),  also  transitiya  sind  (oder  ihnen 
gleich  stehen  können),  so  müssen  sie  im  passivum  persönlich  ge- 
braucht werden,  so  vor  allem  iubeoTy  vetor^  sinor,  aber  auch  dtöOf, 
nuntior^  was  bei  den  deutschen  intransitivis  natürlich  nicht  mögliob. 
oder  iu&eo,  veto,  sino  te  hoc  facere  für  das  deutsche  ich  befehle,  ver- 
biete, gestatte  dir,  dies  zu  thun,  wobei  auf  das  im  lateinischen 
fehlende  komma  wohl  zu  achten  ist. 

Wenn  aber  im  acc.  c.  inf.  der  gegenständ  des  denkens,  redens, 
fühlens  steht,  so  folgt  von  selbst,  dasz  etwas,  was  geschehen  soll, 
nicht  acc.  c.  inf.  werden  kann,  deshalb  ist  als  zweite  bauptregel 
neben  die  erste  zu  stellen:  nach  allen  yerben  aber,  welche  die  ab- 
sieht des  regierenden  subjectes  enthalten,  steht  das,  was  geschehen 
soll,  im  conjunctiv.  diese  beiden  regeln  also  sind  zu  gründe  za 
legen,  auf  sie  alle  einzelfölle  zurückzuführen,  so  yerkttrzt  man,  ohne 
der  wissenschaftlichkeit  des  buches  eintrag  zu  thun.  nun  das 
einzelne. 

Dasz  nach  den  verbis  des  beschlieszens  als  object  auch  ein  acc. 
c.  inf.  gerundivi  folgen  kann,  ist  nicht  so  wichtig ,  dasz  es  zu  einer 
bauptregel  gemacht  werden  muste,  es  gehörte  in  die  anmerkung  zu 
§  258,  wo  das  übrige  von  diesen  yerben  sich  schon  vorfindet. 

luheOy  Veto  und  sino^  potior,  sind  deshalb  für  den  schüler  her- 
yorzuheben,  weil  sie  im  deutschen  intransitiy,  im  lateinischen  aber, 
wie  schon  gesagt,  transitiy  sind. 

Die  verba  vcHo^  nölo,  malOy  cupio,  eigentlich  nur  völo  und  isujpio, 
erhalten  folgende  regel:  ist  im  regierenden  und  regierten  yerbum 
dasselbe  subject,  so  steht  der  Uosze  infinitiv  (nach  §  287;  volo  ist  ' 
dann  hilfsverbum),  oder  der  acc.  c.  inf.  {volo  ist  verbum  sentiendi, 
der  folgende  acc.  o.  inf.  also  gegenständ  des  woUenis).  bei  yerschie- ' 


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Bemerkungen  zur  lat.  grammatik  vou  Elleudt-Se^  Üert  93 


denem  subject  steht  entweder  der  acc.  c.  inf. ,  oderw/,  mit  dem  in 
der  hauptregel  oben  angegebenen  unterschiede,  ist  das  regierte 
verbum  ein  passivum,  so  steht  auch  bei  gleichem  subject  der  acc.  c. 
inf.  (vgl.  Lattmann  s.  197  'wenn  die  erfüllung  des  Wunsches  nicht 
ganz  in  der  macht  des  subjectes  liegt'),  auch  studco  erhUlt  hier  sei- 
nen platz,  da  es  ebenso  wol  den  inf.  als  den  acc.  c.  inf.  nach  sich 
hat,  mit  dem  zusatz:  (bei  classikern)  nie  ^^t  oder  m  (vgl.  Gossrau 
8.  438).  dagegen  ist  wegzulassen,  dasz  der  acc.  c.  inf.  aucli  bei 
gleichem  subject  eintritt,  wenn  das  abhängige  verbum  csae  mit  einem 
prSdicatsnomen  ist.  das  ist,  wie  schon  die  bei.-^pielc  bei  Sey£fert 
beweisen,  für  die  schulgrammatik  nicht  regelrecht  genug. 

Basz  femer  nach  den  verbis  dicendi  und  declarandi  auch  ein 
indirecter  fragesatz,  also  der  conjunctiv  stehen  kann,  war  nicht  zu 
vergessen,  ebenso  wenig,  dasz  Wortverbindungen,  die  in  ihrer  be- 
deattmg  den  genannten  verben  gleichstehen,  auch  dieselben  con- 
structionen  haben. 

Wesentlich  anders  musz  femer  auch  §  289  *wie  der  blosze 
inf.  als  subject  oder  object  gebraucht  wird,  so  vertritt  auch  der 
acc.  C.  inf.  in  einem  satze  entweder  die  stelle  des  subjects  oder  des 
objects'  lauten,  der  acc.  c.  inf.  und  der  inf.  vertreten  nicht  sub- 
ject oder  object,  sondern  sie  sind  in  den  fällen  subject  oder  ul>ject 
dieses  satzes  (Gossrau  497).  wir  haben  im  deutschen  dafür  die  aub- 
ßtantivsätze ,  oft  mit  einem  einleitenden  es;  der  lehrer  wird  dies 
nicht  unberücksichtigt  lassen  dürfen. 

Ebenso  wenig  darf  es  in  §  290  einer  schulgrammatik  heiszen : 
^als  subject  steht  der  acc.  c.  inf.  nach  est  in  Verbindung  mit  dem 
neutrum  eines  adjectivs,  oder  mit  einem  substuntiv*,  sondern  mit 
anknüpfung  an  das  eben  gesagte:  das  priidicat  dieses  acc.  c.  inf.  ist 
1)  das  neutrum  eines  adjectivs  (ein  adjectiv),  z.  b.  acquum,  npcrium 
esty  oder  ein  Substantiv,  z.  b.  mos^  fas^  laiis  est  mit  der  copula  cs^^e 
(der  prädicative  genetiv  war  nicht  zu  vergessen!  vgl.  Caeö.  b.  g.  6, 
30  magnae  fortunac  fuii).  2)  die  impersonalia  (tpiiarcf,  consiat  usw. 
3)  die  passiva  der  verba  sentiendi  und  declarandi.  (ergibt  sich  aus 
der  hauptregel  vom  acc.  c.  inf.;  das  object  des  activum  wird  subject 
des  passivum,  wie  immer,  es  genügt  also,  dies  in  einer  anmerkung 
ins  gedächtnis  zurückzurufen.) 

Lassen  wir  deshalb  den  dritten  teil  als  überflüssig  w^eg,  so  er- 
gibt sich,  dasz  wir  nur  eine  Wiederholung  von  §  28ö,  der  vom 
bloszen  Infinitiv  handelt,  erhalten,  daraus  folgt,  dasz  wir  beide 
Paragraphen  zusammenfassen  und  verkürzt  sagen  müssen:  der  acc. 
c.  inf.  oder  der  blosze  inf.  ist  subject  eines  satzes,  dessen  prädicat 
ist  1)  usw.,  wie  oben  angegeben,  mit  möglichst  vollständiger  auf- 
zählung  der  impersonalia.  (dasz  diese,  mit  ausnähme  von  piuietj 
auch  im  deutschen  unpersönlich  gebraucht  werden  und  auch  als 
prädicate  eines  infinitivs  mit  zu,  ist  nicht  zu  übersehen,  während 
pudet  als  beispiel  für  den  nachfolgenden  genetiv  statt  des  infinitivs 
sehr  instructiv  ist,  da  es  denselben  auch  im  deutschen  verlangt.) 


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94       Bemerkangen  zur  lat.  grammfttik  yon  Elkndt-Seyffert 

Ob  der  acc.  c.  inf.  oder  der  blosze  inf.  zu  setzen  ist,  h&ngt,  m 
lautete  es  weiter,  dayon  ab,  ob  die  tbfttigkeit  einer  bestimmten  per- 
Bon  zugeschrieben  wird,  oder  ni^t.  im  erstem  falle  steht  der  aee. 
c.  inf.  ist  die  person  das  nnbestinunte  man,  oder  aus  dem  zn- 
sammenbange  unzweideutig  zu  erkennen,  so  steht  der  blosze  inf. 
(Tgl.  Qossrau  498  'ob  der  blosze  inf.  oder  der  aec.  e.  inf.  stehen  soll, 
b&Dgt  nur  dayon  ab,  ob  es  notwendig  ist,  den  gegenständ  hinsozo- 
fttgen,  in  beziehung  auf  den  der  inf.  gilt'),  man  ygL  Caes.  b.  g.  2, 
17  em  negdü  hone  adoriri  mit  b«  g.  5, 38  esse  negotii  legumem  tMfor- 
fki^  imm  5,  33  HMsmifi^iMnoftMfi^e,  5,  34  %us$mmt  jimNift^Mfe, 
2,  5  kM  m/imre  usw.  daraus  folgt  f&r  den  faU,  wo  der  ace.  e.  int 
oder  inf.  subject  eines  satzes  ist,  dessen  prttdicat  ein  Impersonale 
oder  e^  mit  einem  prttdioatsnomen,  dasz  beide  constmctionen  (also 
der  inf.  actiyi  oder  passiyi)  gleiche  bereehtignng  haben. 

Zu  dem  oapitel  über  den  imperatiy  ist  folgendes  zu  bemer- 
ken: wenn  die  hauptregel  yom  imp.  praes.  behauptet,  dasz  er  st^ 
'wenn  etwas,  wenn  es  jetzt  schon  geschieht,  femer  geBchehen  soll', 
so  ist  dies  der  grundbedeutung  des  imp.  praes.  so  widen^rediend 
und  so  geeignet,  das  yerhBltnis  zum  imp.  fut.  zu  yerwisohen,  daei 
die  fttUe,  wo  er  scheinbar  diese  bedeutung  hat,  für  die  schulgramma- 
tik  diesen  zusatz  nicht  nötig  machen,  es  empfiehlt  sidi  also  kurzm 
sagen:  1)  der  imp.  praes.  sieht,  wenn  der  sprechende  sich  an  eine 
bestinmite  person  richtet  und  etwas  auf  der  stelle  und  nur  einmal 
gethan  wissen  wiU  (ni<dit  befiehlt,  dasz).  der  zusatz  'einmal'  ist 
nOüg,  da  2)  der  imp.  fnt.  steht,  wenn  etwas  Öfter  oder  gar  fttr  alle 
künftigen  fälle  gesdiehen  soll,  hinzuzufftgen  istrzunftchst,  dasz  nur 
seUto  und  ecOote  und  memento^  mementote  gebraucht  ?rarden.  flamer 
dasz  es  stets  hiesz  estOy  es  mag  sein,  aber  sü  ito.  endlich,  noit  hin- 
weisung auf  die  hauptregel,  dasz  der  imp.  praes,  nur  in  der  zweiten 
person,  der  imp.  fut.  in  der  zweiten  und  dritten  person  yorkommen 
kann. 

Eine  hinweisung  auf  §  241  *der  imp.  oder  imp.  conj.  im  hanpt- 
satze  gilt  gleich  einem  futur*  durfte  ebenfall»  nicht  feUen.  leider 
steht  aber  die  sache  gar  nicht  so  fest,  und  emta  ei  darmkmt  (Gie. 
tnsc.  3,  36)  nelm  aroesse,  quos  noumavero  (Liy.  40, 9)  können  den 
schlüer  wohl  yerwirren.  auch  Gossrau  s.  490  sagt  nur:  'gewöhn- 
lich*, konont  der  erste  imp.  mit  dem  fut.  nicht  zusammen,  aus- 
nahmen sind  selten'.  Lattmann  s.  222  kommt  zu  demselben 
Schlüsse:  'mit  einem  nebensatze  im  reinen  &mpus  fot.  findet  sidi  ^ 
meistens  die  zweite  form  des  imperatiy,  jedoch  zuweilen  auch' 
die  erste'. 

Fassen  wir  alles  zusammen,  so  ergibt  sich  für  die  sohulgramma- 
tik  folgende  regelt  nebenstttze  eines  imp.  praes.  stehen  im  praesens; 
nebenstttze  eines  imp.  fut.  stehen  im  futur,  oder  dem  dieses  yertre- 
tenden  conjunctiy.  ausnahmen  kommen  yor,  haben  aber  ihren  be- 
stimmten grund.  damit  ist  auch  die  regel  fttr  den  imperatiy.  con- 
junctiy zu  yerbinden.   aus  den  musterbeispielen ,  z.  b.  mwiges  eum 


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BemerkuDgen  sur  lat.  grammatik  von  Kileudt-Se^it'ert.  95 

poterit  und  ut  volct  quisque^  accipiat  und  qui  volet  fxingatur  ergibt 
sich  als  regel:  nebensätze  eines  imp.  coiy.  stehen  im  futur,  event. 
dem  dieses  vertretenden  conjunctivT 

Nötig  scheint  es  ferner  zu  sagen,  dasz  für  den  imp.  praes.  auch 
der  conj.  praes.  eintreten  kann,  weil  die  ansieht,  dasz  der  conj.  höf- 
licher, milder  sei,  als  der  imperativ,  noch  lange  nicht  überwunden 
ist,  wenigstens  in  den  schülerköpfen  nicht,  wenn  diese  finden  valcas 
neben  väle^  so  können  sie  leicht  in  Verwirrung  gerathen.  statt 
anm.  1  schlage  ich  also  vor:  zur  milderung  des  imp.  praes.  steht 
velim  mit  folgendem  conjunctiv,  nicht  aber  der  blosze  conj.  praes. 
dieser  steht  hinsichtlich  seiner  bedeutung  dem  imperati?  gleich, 
wird  aber  in  der  regel  nur  dann  gebrauchti  wenn  das  subject, 
Ton  dem  etwas  gethan  werden  bo11|  das  aUgemeine  ^man'  ist  (vgl. 

Dies  bestätigt  aueh  der  gebrauch  des  preMbüw.  §  282 :  *eu& 
verbot  wird  gegeben,  und  swar  die  zweite  porscm  mit  dem  conj. 

perf.  (besser:  an  die  sweite  person  gerichtet),  merkwürdiger  weise 
sieht  dann  in  einer  anmerknng  3:  'umschrieben  wird  derselbe  durch 
nöli^  noUt^y  d..h.  doch:  fllr  den  conjunctiv  steht  auch  der  impera- 
tiv (des  n^ereaden  verbums).  aber  d«r  gebraneh  beider  ausdmcks- 
weisen  ist  vielmehr  der,  dass  httnfiger  noU^  nolUe^  als  der  oci\j.  perf« 
steht  (vgl.  Lattmaan  s.  279). 

Da  nun  efienbar  ne  mit  coiy.  perL  dem  imperativ,  ooigunotiv 
und  noU  dem  imperativ  praes.  entspricht,  ebenso  vrie  ne  cum  imp. 
fhi  dem  bejshten  imp.  fat, ,  so  hat  die  schnlgrammatik  dies  über- 
8i«^tlich  in  folgender  form  darzustellen:  ein  yerbot  vnrd  ausgedrückt 
(vgl.  imp.  praes.)  erstens  durch  noliy  notUe  oder  (vgl.  imperat.  coig.) 
durch  «e  mit  dem  conj.  perf.,  zweitens  (vgl.  imp.  fbt.)  durch 
{nemOi  nihit)  mit  dem  in^.  fori,  mit  dem  in  der  hauptregel  gegebenen 
unterschiede,  danach  z.  b.  in  der  gesetsessprache  und  in  allgemeinen 
regeln:  ne  mit  imp.  fut.  in  einer  anmerkung  kann  stehen:  ne  mit 
imp.  praes.  ist  ungebiiKuchlich. 

Zur  Umschreibung  mit  noU  könnten  die  dichterischen  fuge, 
tnUtey  parce^  ahsiste  gefügt  werden,  ferner  :  nach  cave  steht  in  diesem 
falle  der  blosze  conjunctiv.  ferner:  in  der  dritten  person  steht  der 
conj.  praes.  dem  imp.  gleich. 

üeberhaupt  dürfte  der  imp.  besser  seine  stelle  unmittelbar 
hinter  dem  unabhängigen  conj.  finden,  mit  dem  er,  wie  die  in  der 
hauptregel  gegebene  fassung  ergibt,  seiner  bedeutung  nach  nahe 
verwandt  ist. 

Es  ergaben  sich  also  vier  hauptteile,  von  denen  sich  je  zwei 
entsprachen,  nach  dem  früher  bemerkten  sind  diese  übersichtlich 
unter  einander  zu  stellen,  dann  ist  auch  dieses  capitel  wesentlich 
praktischer  gestaltet,  verkürzt  ohne  verflacht  w^orden  zu  sein. 

Und  das  wird  überhaupt  als  das  crgobnis  aller  Untersuchungen 
tingeätellt  werden  können :  eine  gröszere  concentration  des 
grammatischen  lehrstofies  ist  möglich  und  im  pädagogischen  interesse 


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96  6.  Mezger:  dr.  Georg  Caspar  Mezger. 

geboten;  wie  denn  überhaupt  die  concentration  des  gesamten  Unter- 
richtsstoffes das  einzige  mittel  ist,  der  tiberbürdung  der  schüler  ab- 
zuhelfen, diese  systematische  behandlung  des  lehrstoffes  wird  ver- 
hüten, dasz  man  an  die  stelle  wissenschaftlicher  lehrbücher  kurze 
auszüge  setzt,  diese  sind  allerdings  für  beschränkte  köpfe  ein  vor- 
zügliches erleich terungsmittel.  das  beweist  ihr  nicht  geringer  ab- 
satz.  haben  doch  P.  Harres  hauptregeln  der  lat.  syntax  in  kurzer 
zeit  drei  auflagen  erlebt !  das  gymnasium  ist  nicht  in  der  läge  der 
elementarschule.  rechnen ,  lesen  und  schreiben  soll  in  dieser  jeder 
lernen,  latein  ist  nicht  jedermanns  sache,  und  das  gymnasium  nicht 
verpflichtet,  jedem  dasselbe  beizubringen,  wol  aber  berechtigt,  jeden 
auszuschlieszen ,  der  beweist,  dasz  seine  geistige  befähigung  für 
wissenschaftliche  dinge  nicht  zureicht,  die  grammatik  bildet  dafür 
ein  sehr  brauchbares  kriterium.  deshalb  ist  sie  nicht  zu  ver- 
kürzen in  der  weise,  dasz  man  alle,  auch  geistig  wenig  befähigte 
schüler  berücksichtigt,  sondern  so  systematisch  zu  betreiben, 
dasz  alle  schüler,  welche  das  gymnasium  nur  als  Vorschule  akade- 
mischer bildung  besuchen,  zu  wissenschaftlichem  sinn,  zum 
richtigen  denken  angeleitet  werden,  damit  nicht  dieses  endziel 
alles  Unterrichts  in  folge  der  vielen  banausischen  elemente  den 
höheren  lehranstalten  entrissen  wird. 

B  e  ri  ch  ti  g-un  ^.  s.  30  musz  es  heiszen  statt  Tolgesätze  nur  zeit- 
sStze,  nicht  gedanken*:  ^folgesätze  und  zeitflätze  nicht  gedanken  des 
regierenden  subjects  enthalten'. 

SpAIIDAU.  C.  YjBNEDiaEB. 


0B.  GBOBa  CASPAR  HBZGEB,  WEILAND  BEOTOB  DES  GTHNASIUMS  BlI 
ST«  AXmA  IN  AUGSBURG.    VON  DR.  GEORG  MEZ  GEB,  GYMMASUL* 

PBOFBSSOB.  Nördüngen,  Beoksche  buohh.  1878.  190  b.  8. 

Das  in  obiger  schrift  uns  vorgeführte  leben  ist  ein  einfaches, 
auf  einen  verhältnismäszig  engen  räum  beschränktes,  wenig  wechsel- 
fälle darbietendes,  demungeachtet  ist  es  nicht  ohne  interesse.  es  ist 
das  leben  eines  schulmannes ,  der  seine  thätigkeit  fast  ausschliesz- 
lich  einer  einzigen  anstalt  gewidmet  hat,  der  aber  nicht  allein  durch 
seine  Verdienste  um  diese  und  durch  seine  persönliche  tüchtigkeit, 
sondern  auch  durch  seinen  eigentümlichen  lebensweg  unsere  beson- 
dere beachtung  verdient,  derselbe  ist  1802  in  einer  kleinen  west- 
fränkischen, damals  noch  unter  der  herschaft  der  Hohenzollem 
stehenden  stadt  als  der  söhn  eines  unbemittelten  handwerkers  ge- 
boren, hat  selbst  seine  laufbahn  als  handwerkslehrling  begonnen,  ist 
dann  um  seiner  guten  handschrift  willen  von  einem  beamten  als 
Schreiber  angenommen  worden  und  hat  sich  als  solcher  auf  eigene 
hand  und  neben  seiner  schreiberarbeit  mit  den  dürftigsten  hülfs- 
nütteln  in  der  kenutnis  des  lateinischen  and  griechischen  und  in 


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G.  Mezger:  dr.  Georg  Caapar  Mezger. 


97 


seiner  sonstigen  bildung  so  weit  gefördert,  dasz  er  in  die  oberste 
classe  des  gymnasiuras  in  Augsburg  eintreten  und  dasselbe  in  einem 
jähre  absolvieren  konnte,   er  bat  dann  in  Erlangen  tbeologie  und 
Philologie  studiert  und  ist  bald  nach  bestandenen  prüfungen  an 
demselben  gymnasium ,  dessen  schüler  er  gewesen,  angestellt  wor- 
den, erst  als  hülfslehrer,  dann  als  professor,  endlich  1842 — 1870 
als  rector;  nebenbei  hat  er  die  lateinischen  schulen  des  bezirks  in- 
spiciert  und  in  auszerordentlichem  auftrag  mehrfach  auch  an  den 
ihAologischen  und  philologischen  Staatsprüfungen  mitgewirkt;  nur 
ungern  und  nach  schweren  kämpfen  hat  er  sich,  durch  körperliobee 
beiden  genötigt,  1872  von  seinem  amte  getrennt  und  ist  1874  ge- 
storben, es  leuchtet  ein ,  dasz  ein  solcher  lebensweg  nioht  ohne  ein« 
flnsz  auf  den  Charakter  und  die  geiatige  richtung  des  manne«  bleihdn 
konnte,  wer«  wie  er,  sich  von  jagend  auf  die  grasten  opfer  und  an* 
strengungen  auferlegt  hat,  um  sieh  zur  höhe  wissenechafUioher  und 
sittlicher  bildung  empor  au  arbeiten,  wird  dieselbe  eneigie,  die  er 
bierbefL  angewendet,  auch  im  spStem  leben  bewtthren,  er  wird  daa, 
wayB  er  mflhsam  errungen,  um  ao  höher  aohfttsen,  er  wird  der  ausien* 
weit  mit  um  so  krttfygerem  selbatgeftthl  entgegentreten ,  seine  auf 
einsamem  wege  gewonnenen  lebenaansiohten  werden  leicht  von  den 
hersdienden  andchten  derer  abweichen,  welche  auf  der  grossen  beer» 
Strasse  zu  ihrem  ziele  gelangt  sind,  und  so  wie  ihm  die  strenge 
gegen  sich  selbst  zur  gewohnheit  geworden  ist,  so  wird  er  sie  auch 
gegen  andere  kehren,  während  auf  der  andern  seite  die  von  ihm 
selbst  ttberatandene  not  ihn  geneigt  und  bereitwillig  machen  wird, 
fremder  not  und  Schwachheit  zu  btllfe  zu  kommen,  dies  sind  denn 
nim  auch  alles  charakterzügo ,  die  uns  bei  Mezger  entgegentreten, 
hierzu  kommt  aber  noch  eine  aufrichtige  christlich -protestantische 
frömmigkeit,  frei  von  starrem  orthodoxismus  und  von  Intoleranz, 
die  einen  um  so  wohlthuenderen  eindruck  macht,  weil  sie  unter  dem 
damaligen  bayerischen  regiment  nichts  weniger  als  eine  empfehlung 
zu  gunst  und  beförderung  war. 

Dies  ist  in  ktlrzestem  umrisz  das  lebensbild ,  wie  es  von  dem 
verf.  mit  einer  wohlthuenden,  bei  dem  söhne  vollkommen  berechtig- 
ten wärme  gezeichnet  wird,  in  dem  übrigens  die  eigenttlmlichkeit 
des  geschilderten  keineswegs  bis  zur  Unkenntlichkeit  verwischt  ist. 
es  bleibt  nun  noch  übrig,  einen  blick  auf  die  art  und  weise  zu  wer- 
fen, wie  sieh  diese  eigentümlichkeit  in  der  leitung  des  gymnasiums 
ausprägte,   es  entspricht  derselben  zunächst  vollkommen,  dasz  er 
ein  besonderes  gewicht  auf  die  classischen  studien  und  auf  den  reli- 
gionsunterricbt  legte ;  jene  waren  es  ja,  denen  er  selbst  seine  gesamt- 
bildung  vorzugsweise  verdankte  ^  und  wie  hätte  er  nicht  bemUht 
sein  sollen,  seine  eigene  frömmigkeit  auch  in  die  gemüter  seiner 
schaler  zu  pflanzen  ?  für  den  Unterricht  in  den  alten  sprachen  führte 
er  eine  analytische,  der  Jacototschen  ähnliche  methode  ein,  indem 
er  die  Sprachkenntnis  der  schüler  ohne  systematischen  grammati- 
schen miterricht  sich  allmählich  an  Sätzen  und  lesestOoken  aufbauen 


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98 


Von  der  Goldberger  lateinischen  schule. 


liesz:  eine  methode,  die  mit  energie  und  consequenz  durchgeführt, 
allerdings  manche  vorteile  gewährt,  die  aber  eine  besondere  ge- 
schicklichkeit  und  namentlich  ein  genaues  ineinandergreifen  der 
einzelnen  lehrer  voraussetzt,  eben  dieses  letztere  war  deshalb  auch 
der  besondere  gegenständ  seines  bemühens ;  er  drang  also  darauf, 
dasz  seine  lehrer  immer  nur  auf  seinen  verschlag  oder  doch  nieht 
ohne  seine  Zustimmung  angestellt  worden,  und  wüste  dann  ihre  ein- 
tracht  und  ihr  vollständiges  einvernehmen  durch  alle  ihm  zu  geböte 
stehende  mittel ,  insbesondere  auch  durch  seine  eigene  collegialisci» 
geeinntmg,  aufrecht  zu  erhalten,  eine  fernere  eigonheitvon  ihm  war 
es,  da^z  er,  um  teils  die  überbürdnng  der  schfller  zu  verbttten,  Uak 
den  Zusammenhang  des  gesamten  nnterridits  za  sichern,  die  slmi' 
liehen  unterrichtsgegenstände  einer  dasse,  nur  mit  ausnähme  im 
maihematik,  immer  in  6iner  band  vereinigte;  freüicb  eine  eioridr- 
tung,  die  sieh  meist  schwer  oder  doch  nicht  ohne  hintansetznog  an- 
derer wesentlicher  Interessen  treffen  lassen^wird.  im  ttbrigm  wdln 
wir  nnr  noch  hervorheben,  dasz  er  die  sogenannte  wissensehaftüflie 
behandlnng  des  Unterrichts  (also  z.  b.  einen  anf  spradivergleichasg 
bemhenden  grammaüsciien  anterriehi)  entschieden  verwarf,  dasz  er 
ein  feind  aller  versndie  war,  die  gymnasien  zu  nniformieren,  und 
dasz  er  in  bezog  auf  die  deotschen  aofsStze  ziemlich  radieale,  aber 
sehr  beachtenswerthe  ansiehten  hegte  ond  namentlich  'solche  steile, 
die  zu  einem  oberflächlichen  moralisieren  oder  einem  überstiegenen, 
unreifen  philosophieren  veranlassen  oder  die  zu  unwahren  und  heuch- 
lerischen herzensergüssen  verleiten',  aufs  sorgfältigste  vermieden 
wissen  wollte  (s.  12G).  im  ganzen  wäre  in  beziehung  auf  die  einzel- 
Leiten  des  Unterrichts  wol  ein  näheres  eingehen  und  eine  gröszere 
ausftihrlichkeit  von  Seiten  des  verf. ,  der  selbst  schulmann  und  ein 
Schüler  seines  vaters  ist,  zu  wünschen  gewesen;  indessen  auch  so, 
wie  sie  geboten  wird,  ist  die  gäbe  sehr  dankenswerth. 

JeüA,         '  P£T£B. 


18. 

VON  D£B  GOLDBEBGEE  LATEINISCHEN  SCHULE. 


Mit  neujahr  1877  ist  eine  schule  altehrwürdigen  rufes,  die  in 
den  vier  Jahrhunderten  ihres  bestehens  die  mannigfachsten  Schick- 
sale erfahren  und  ebenso  wol  tage  der  höchsten  blüte  wie  zelten  des 
tiefsten  Verfalls  erlebt  hat,  in  eine  neue  periode  ihrer  thätigkeit  ein- 
getreten, in  der  sie,  wie  zu  hoffen  steht,  eine  quelle  des  segens  für 
die  jagend  ihrer  stadt  und  provinz  sein  ond  sogleich,  wie  ein  deni- 
mal  aere  perennios,  das  gedächtnis  an  einen  schulmann  erneuern 
wird ,  mit  dessen  namen  ond  rohm  sie  aof  alle  zeit  innig  verknflpft 
erscheint. 


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Von  der  Ooldberger  lateiniBehen  schule.  99 

Die  Isieinisehe  sdinle  ia  Ooldberg  in  Sehl.  Ist,  wie  wir  hOren, 
mit  der  intention  reorganisiert  worden,  dass  sie  sich  binnen  wenigen 
jähren  zn  einem  YoUen  gymnasinm  erweiterow'  zngleieh  worde  eine 
waisenanstalt  erOifiiet,  die  mit  der  schule  in  yerbindung^  nnd  onter 
deren  leiter  steht,  es  war  in  der  that  ein  glflcklicher  griff  der  schnl- 
Terwaltong,  das  ihr  dnrch  die  sogenannte  ^stiftnng  der  Sdiwabe- 
Priesemnthschen  ehelente  fttr  arme  Waisenknaben'  snr  rarfUgung 
gestellte  capital  von  ca.  400,000  mark  znm  Wiederaufbau  der  alten 
Trotzendoifschen  schule  zu  yerwenden.  die  dieserhalb  extrahierte 
königliche  cabinetsordre  vom  17  october  1863  ordnet  an,  dasz  diese 
Waisen-  und  schulanstalt  unverÄnderlich  den  Charakter  einer  eyan- 
geliscben  Stiftung  trage ,  der  aufsieht  und  leitung  des  Staates  unter- 
stellt sei  und  dasz  die  zur  errichtung  der  anstaltsgebäude  erforder- 
lichen kosten  aus  den  aufkommenden  zinsen  des  zur  zeit  vorhandenen 
Waisenstiftungsfonds. zu  bestreiten  seien,  dieser  selbst  aber  unange- 
tastet zur  ausstattung  der  waisenstiftung  bewahrt  werde,  die  stadt 
Goldberg  hat  nicht  verfehlt,  auch  ihrerseits  helfend  der  Stiftung 
entgegen  zu  kommen,  sie  hat  nicht  nur  die  sogenannte  bürg ,  ein 
hochgelegenes  grundstttck  von  fast  15  morgen  mit  der  herlichsten 
aussieht*  nach  dem  Riesen gebirge ,  als  bauplatz  für  die  schul-  und 
waisenanstalt  unentgeltlich  und  frei  von  hypothekarischen  abgaben, 
lasten  und  schulden  zum  unbeschränkten  eigentum  der  schulverwal- 
tung  abgetreten,  sondern  sie  bat  auch  die  erforderliche  Wasser- 
leitung in  die  anstaltsgebäude  ohne  anspruch  auf  entschädigung 
gelegt,  zahlt  jährlich  1380  mark  zuschusz  und  überlSszt  der  neuen 
anstalt  die  zahlreichen  legale  der  alten  lateinischen  schule,  nach- 
dem nunmehr  der  bau  auf  dem  burgberge  YoUendeti  konnte  mit  der 
«Offhang  der  schule  vorgegangen*  werden. 

Abgesehen  von  den  äuszerst  günstigen  bedingungen,  die  für 
^  körperlich  und  geistig  gedeihliche  Jugenderziehung  in  dem  so 
gesnnden  nnd  lieblich  an  den  nördlichen  abhSngen  des  Biesen* 
gebirges  gelegenen  goldberg  g^ben  sind,  so  ist  fftr  das  empor- 
blohen  der  neuen  gymnasialanstalt  Ton  unschfttzbarem  werthe,  dasz 
ue  an  die  traditionen  der  lateinisohen  schule  eines  Trotzendorf 
anknüpft 

Die  statte,  die  ala  s^ter  mensch  betrat, 

ist  eingeweiht;  nach  hundert  jähren  klingt 
sein  wort  und  seine  that  dem  eakel  wieder. 

Es  mag  im  hinbliok  auf  diese  Wiedergeburt  der  alten  sehule 
wol gestattet  sein,  die  gesohichte  derselben,  die  uns  vielfach  ein 
Inld  der  entwicklung  des  höhem  Schulwesens  in  unserm  vaterlande 
in  engerm  rahmen  bietet,  in  wenigen  zügen  in  erinnerung  zu 
Wagen,  der  würdige  rector  Carl  Gröhe,  welcher  mit  dem  neuen 
Stadium,  in  das  die  schule  nunmehr  getreten  ist,  leider  wegen  eines 
augenübels  in  den  rubestand  zu  treten  sich  veranlaszt  fand ,  hat  in 
Winer  am  22  december  1876  gehaltenen  abschiedsrede ,  die  uns  im 
iBtniiBcript  vorliegt,  in  der  seitherigen  entwicklung  der  schule  mit 

7* 


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100 


YoD  der  Goldberger  latomischen  Bohnle. 


recht  drei  perioden  imtersGliiedeii.    die  erste  «ithflt  die  vor 
geachidite. 

Zwar  reicht  die  Mheste  naohridil»  vcn  mnm  Bofaiile  za  Qeli> 
berg  8ch<m'  in  das  jähr  1473  zorttek,  in  welchem  die  stadtchremk 
Yon  einem  baocaUureus  Weiehermann  redet;  zwar  wird  wenige 
jähre  darauf  schon  ein  College  des  Schulmeisters  genaimt ;  aber  n 
oner  Uber  die  gtensen  der  Stadt  hinausgehendat  bedentnng  eihebt 
sie  sich  erst  unter  magister  Hieronymus  Wüdenberg,  auch  Gürfler  i 
genannt,  der,  nachdem  1491  das  schulgeb&nde  neu  erbaut  worden,  , 
im  jähre  1504  mit  seinen  schülem  aus  Kulm  in  Pr.,  von  wo  ihn 
theuerung  und  hungersnot  vertrieben ,  in  seine  Vaterstadt  Goldberg 
berufen  wurde,  es  war  damals  jene  berliche  zeit ,  da  in  deutschen 
landen  überall  der  flügelschlag  einer  neuen  epocbe  sich  hören  liesz, 
da  ein  geistesfrtihling  erwachte,  der  Hutten  zu  dem  freudigen  ausruf 
trieb:  'o  jahrhundert,  es  ist  eine  lust  in  dir  zu  leben.'  in  den 
Städten  und  selbst  im  bauernstande  pulsierte  ein  friScbes  leben,  und 
ein  bildungsbedürfnis  erwachte ,  so  rege  und  so  ideal  und  uneigen- 
nützig, dasz  unsere  zeit  trotz  der  gründung  so  vieler  höherer  lehr- 
anstalten,  die  ja  nur  dem  leidigen  borechtigungswesen  ihr  entstehen 
verdanken ,  nicht  entfernt  sich  mit  jener  messen  kann,  (eins  der  , 
schönsten  bilder  derselben ,  an  das  hier  wieder  einmal  erinnert  sei, 
entwirft  M.  Hertz  in:  Helius  Eoban  Hesse,  ein  lehrer-  und  dichter-  ' 
leben  aus  der  reformationszeit.  Berlin  1860.)  Wildenberg  führte, 
nachdem  der  herzog  Friedrich  11  von  Lie^itz  die  erlaubnis  zur  er- 
richtung  einer  lateinischen  schule  in  Goldherg  erteilt  hatte,  den 
titd  rector  scholae,  und  so  beginnt  mit  ihm  deren  geschichte.  ein 
pastor  Schönwttlder  vermachte  ihr  bald  darauf  den  grösten  teil  sei- 
nes Vermögens,  und  da  das  schulhaus  bald  nicht  mehr  die  zahl  der 
Schüler  aufiiehmen  konnte,  so  wurden  der  anstalt  von  der  stadfc* 
gemeinde  zwei  häuser  ^auf  dem  thurm'  eingeräumt,  bei  deren  um- 
bau zu  schulzwecken  der  rector  mit  seinen  schülem  selbst  munter 
band  anlegte,  dieser  offenbar  höcbst  energische  mann  blieb  nur 
wenige  jafa^  in  goldberg,  da  or  sohon  1612  als  pbjsikus  nach  Thon 
gieng,  wo  er  im  alter  von  9S  Jahren  starb,  aodi  nach  seinem  weg- 
gange blieb  die  schule  in  anfiiahme  nnd  bald  wukten  an  ihr  mehren 
coUegen.  die  rectormi  nnd  lehrer  kamen  in  der.  regel  Ton  der  neu- 
gegründeten  (im  j.  1502)  uniTersitSt  Wittenberg,  und  so  war  es 
natttrlich,  dass  die  lateinische  schule  eine  der  ersten  pflansstKtten 
des  Protestantismus  in  Schlesien  wnrde.  nadiweislieh  breitete  afib 
von  hier  aus  seit  1523  das  evangelium  in  der  umgegend  aus. 
der  rector  G^org  Helmrich,  der  ebenfalls  von  Wittenberg  herbe- 
rufen worden  war,  consul  der  stadt  wurde,  so  creirte  er  1524  seuieD 
freund  Valentin  Friedland,  den  söhn  eines  bauem  zu  Troitschendorf 
(Trotzendorf)  hei  Görlitz ,  in  das  rectorat.^  der  sechste  in  der  reäe 


^  danach  ist  zu  berichtigen  die  bezUgl.  angäbe  bei  bchorn,  ge* 
schichte  der  pädag.    2e  aufl.   Leipzig  1873.    s.  84. 


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Von  der  Goldberger  lateuuichen  schale. 


101 


der  rectoren,  war  er  diiu  bestimmt,  die  höchste  blüte  für  die  anstalt 
herbeiznfflhren.  aber  noeh  w»r  seines  bleibens  nicht  in  Goldberg, 
eine  gewisse  unmhe,  herrorgegaagen  ans  seinem  rastlosen  Wissens» 
drang  9  liesa  ihn  Torarst  nooh  nieiit  ra  einem  aesshaften  lehrerleben 
komanen*  dasn  kam  noeh  folgendea.  der  1490  sn  Ossig  bei  Lüben 
'geborene  Kaapar  von  Sehwenkfeldt,  ein  hOchst  gelehrter  mann  nnd 
feiner  köpf  ^  hatte  aich  anfangs  als  freund  der  rSformation  bekannt, 
dann  aber  eine  anf  die  leugnnng  der  swiefiuihen  natnr  in  Christo 
gegründete  abendmaUslehre  aufgestellt,  die  in  Sohlesien ,  nament- 
Ufä  in  der  grafsehalt  Qlatz ,  yielfkohe  Zustimmung  und  begeisterte 
gttnlnge  fimd.  auch  unter  den  lehrem  der  Goldberger  schule  be- 
kannt^ sich  wol  einige  su  seinen  dogmen,  wie  s.  b*  der  bacoalau* 
rens  Werner  als  sein  anhttnger  bezeichnet  wird,  dieser  wurde  wegen 
seiner  Parteinahme  ftlr  den  genannten  ^irrlehrer*  von  der  schule  in 
der  form  einer  beurlaubung  entfernt  und  gieng  nach  Glatz.  in  dem- 
selben jähre,  in  dem  Schwenkfeld  bei  Luther  und  Bugenha^en 
frexuidliche  aufin^hme  fand,  1525,  verliesz  der  Schwenkfeldischen 
händel  halber  auch  Trotzendorf  die  schule,  er  war  als  entschiedener 
gegner  seines  schlesischen  landsmannes  aufgetreten,   jetzt  zog  er 
wieder  zu  Luther  nach  Wittenberg,  während  Job.  Lange  das  rector- 
amt  wahrnahm,   aber  dies  eine  jähr  seiner  Wirksamkeit  in  Goldberg 
hatte  genügt,  um  einen  einblick  in  seine  reichbegabto  lehrernatur 
zu  eröffnen,  über  die  sich  Melanchthon  bezeichnend  äuszerte:  Svie 
Scipio  African  zum  feldherm ,  so  sei  Trotzendorf  zum  Schulmeister 
geboren.*    der  herzog  Friedrich  II  von  Liegnitz,  der  den  grösten 
anteil  an  dem  gedeihen  der  Goldborger  schule  nahm,  berief  1531 
Trotzendorf  an  diese  zurück,  erbaute  auf  dem  klosterplatze  das 
^gymnasium  illustre'  und  trug  sieben  achtel  der  Unterhaltungskosten 
der  anstalt  aus  seiner  casse ,  während  die  stadt  nur  ein  achtel  auf- 
brachte, hier  beginnt  nun  die  zweite  periode  in  der  gescbichte  der 
goldberger  schule,  die  der  blüte.  die  schiUerzahl  stieg  bis  auf  1200. 
nenn  coUegen  standen  dem  rector  zur  seite.  wie  ein  Staat  im  Staate, 
80  hatte  die  Goldberger  sohulgemeinde  mit  ihren  sechs  classen  ihre 
besondem  obrigkeiten  und  gesetze,  ihre  eigene  Verfassung,  aus 
Polen,  so  beriehtet  der  biograph  Trotzendorfs,  Löschke,  ausüngani, 
Mähren,  Böhmen,  Kämthen,  Litthauen,  Sachsen,  Franken  saszen 
sehttler  auf  seinen  bänken.  so  weit  gieng  der  ruf  der  schule,  dasz 
nun  kmnen  mehr  für  einen  rechten  gelehrten  hielt,  der  nicht  in 
Goldberg  auf  der  schule  gewesen  war.   die  schulregimentlichen  in* 
atitutionen  Trotzendoifb  sind  bek&nnt.   welch  ein  yortrefflicher 
disciplinarias  er  war,  wissen  wir.  ans  LOschke.    'mancher  bSrtige 
I    husch  hat  vor  dem  Ideinen  rector  mit  den  scharfen,  hellen  äugen 
t   .gezittert.*  nnd  wenn  wir  es  nicht  wttsten,  so  brauchten  wir  nur  die 
Mhulgesetee  der  anstalt  zu  lesen,  nm  eine  Torstellung  von  dem 
strengen  geiste  zu  erhalten,  der  hier  waltete,   mit  recht  findet 
Schorn  in  dem  festen  ernst  und  in  der  kttrae  der  spräche  jener  ge- 
Mtze  etwas  TOn  dem  altrömischen  geist  wieder,  nach  der  seite  des 

I 


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102 


You  der  Goldberger  lateinischen  schule. 


Unterrichts  ist  wichtig,  dasz  die  schule  als  protestantische  muster- 
schule galt,  getreu  den  grundsätzen  der  reformatoren  nahm  Trotzen- 
dorf nicht  nur  das  griechische  in  den  kreis  der  unterrichtsgegen- 
stände  auf,  sondern  er  wies  ihm  auch  eine  angesehene  Stellung  zu.* 
freilich  verfolgte  der  Unterricht  in  dieser  spräche  ganz  andere  ziele 
als  der  im  lateinischen,  wenn  nemlich  der  bekannte  Joh.  Sturm  bei 
seinen  schillern  sapientem  et  eloquentem  pietatem  erreichen  wollte, 
so  schwebte  offenbar  ein  gleiches  ziel  auch  Trotzendorf  vor.  'pri- 
mura  scholasticos  nostros  pios  esse  volumus*  heiszt  es  gleich  im  an- 
fange der  Schulgesetze,  und  wenn  wir  in  ihnen  weiter  lesen,  so  fin- 
den wir  auch  deutlich  den  werth  ausgesprochen,  den  der  schlesische 
Pädagoge  gleich  seinem  collegen  vom  Rhein  auf  die  gewandtheit  im 
lateinischen  ausdruck  legt,  die  eloquenz  also  sollte  im  lateinischen 
gewonnen  werden,  die  sapiens  pietas  aber  wurde  auf  das  Studium 
des  griechischen  und  hebräischen  gegründet,  als  die  humanisten  zu 
uns  über  die  alpen  hemiederstiegen ,  da  gaben  sie  anstosz  und  an- 
leitung  zum  Studium  des  griechischen;  aber  es  isti^bezeichnend  für 
den  deutschen  geist,  dasz  er  die  kenntnis  dieser  spräche  in  erster 
linie  als  ein  mittel  zum  selbständigen  forschen  in  der  schrift  auf- 
faszte.  daher  erscheint  denn  auch  auf  den  protestantischen  schulen 
überall  das  hebräische  im  ge folge  des  griechischen.  Luther  sprach 
jenen  gesichtspunct  wol  am  klarsten  aus  in  dem  bekannten  wort: 
'lasset  uns  das  gesagt  sein ,  dasz  wir  das  evangelium  nicht  wol  wer- 
den erhalten  ohne  die  sprachen.*'  und  besonders  nennt  er  die 
griechische  spräche  eine  heilige,  weil  in  ihr  das  neue  testament  ge- 
schrieben ist.  so  las  denn  Trotzendorf  bei  seinem  ausgeprägt  luthe- 
rischen standpunct  nicht  sowol  die  griechischen  classiker,  die  Me- 
lanchthon  empfahl,  ala  Yielmehr  die  Paulinischexi  briefe  mit  seinen 
schülenu 


*  Tgl.  Radtke,  der  griech.  onterricbt  auf  dem  deutschea  gjmnasiam. 
Pless  1874.   8.  8. 

*  mir  will  es  sebeinen,  dass  dieser  grund  noch  Jetst  triftig  genug 
ist,  das  hebräische  aaf  dem  gymnasiam  beizabehalten.  nieht  sur  Vor- 
bereitung auf  das  theologische  Studium,  wie  viele  wähnen,  sondern  um 
die  bekanntschaft  mit  einer  spräche  zu  vermitteln,  die  zum  selbständi- 
gen forschen  in  der  schrift  nötig  ist,  treiben  die  gelehrtenschalen 
nebriiseb.  und  wer  wollte  leugnen,  daez  gerade  in  unserer  seit  aueb 
dem  laien,  zumal  dem  gebildeten,  die  fShigkeit  inne  wohnen  musz,  sieh 
ebne  geistlicbe  unterstütsung  belehrung  aus  der  bibel  su  holen? 

(schlosz  folgt.) 

Plbss.  Badtke. 


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Bericht  übeifr  die  Terhandliuigen  usw.  deatieto  phüologen«  103 


(9.) 

BERICHT  ÜBER  DIE  VERHANDLUNGEN  DER  ZWEIUND- 
DREISZIGSTEN  Y£BSAMMLÜNG  D£UTSCfi£B  PHILO- 
LOGEN  UND  SCHÜLMÄNNBB  IN  WIESBADEN, 

YOm  26  bis  29  September  1877. 
(schlutfx.) 


Pädagogisohe  seotioiL 
(berieht  des  hrn.  dir.  Spangeaberg  in  Wiesbeden.) 

Die  pftdagogisehe  seetion  eensiitaierte  sieh,  neehdem  sehen  en 

Dienst^f  den  26  sept.,  am  Vorabend  der  eröffnung  der  Versammlung, 
die  liste  zur  einzeichnung  der  teilnehmer  aufgelegt  war,  Mittwoch,  den 
27  Sept.,  nach  der  ersten  bauptsitzung  gegen  1  uhr  mit  272  raitgliedern. 
dir.  Spangenberg  aus  Wiesbaden,  welcher  die  vorbereitenden  arbeiten 
besorgt  hatte,  schlaff  alsbald  unter  allgemeinem  beifall  prof.  dir.  Eck- 
stein ans  Leipsig,  den  er  als  den  natQniehen  vorsitsenden  beseiohnete, 
snm  ersten  Präsidenten  ver.  er  selbst  wurde  zu  dessen  steUvertreler 
erwählt,  da  die  zeit  schon  vorgerückt  war,  beschlosz  man  nur  noch 
die  tagesordnung  für  deu  nächsten  morgen  festzustellen,  die  versamm- 
loDg  erklärte  sich  dafür,  dasz  zunächst  die  Spangenbergschen  thesen 
ttber  den  nnterrieht  in  der  neuesten  gesehlehte  anf  d«i  höheren  l^ur- 
aastalten,  dann  die  Eeksteinschen  über  lateinisehen  elementamnterrieht 
snr  Verhandlung  kommen  sollten. 

Donnerstag  morgen  um  S'/t  "br  eröflFnete  prof.  Eckstein  die  erste 
eigentliche  sitzung  der  seetion.  nachdem  die  Oberlehrer  Schmidt, 
gjmnasiallehrer  dr.  Adam,  dr.  Kohl  und  dr.  Heller  zu  secretären 
ernannt  waren,  erhielt  dir.  Spangenberg  das  wort  snr  begrOndnng 
seiner  thesen. 

Er  bezeichnete  zunächst  als  hauptzweck  wenigstens  der  pädagogi- 
schen seetion,  dasz  die  einzelnen  erfahrungen,  welche  die  schulen  in 
ihren  besonderen  kreisen  machten,  hier  zum  ausdruck  kommen  und  dasz 
aus  denselben  eine  summe  gezogen  werden  solle,  welche  eine  Versammlung 
sls  ihre  gesamtansieht  ausspreche,  die  so  viele  pltdagogen  von  anerkannter 
bedeutung  aufzuweisen  habe,   es  sei  ihm  hanptstteUich  darum  zu  thun, 
dasz  etwas  bestimmtes  in  betreff  der  von  ihm  angeregten  fragen  fixiert 
werde,  dasz  die  Versammlung  bestimmte  thesen  annehme,  welche  viel- 
leicht für  die  vorgesetzten  behörden  maszgebend  sein  dürften,  dasz  sie 
Zeugnis  davon  ablege,  wie  sie  an  der  anffassnng  der  neuesten  gesehichte 
stehe,   er  habe  nicht  die  absieht  rieh  äber  zweck  und  methode  des 
geschichtsunterrichts  überhaupt  zu  verbreiten,  die  ansichten  darüber 
seien  jetzt  so  weil  geklärt,   dasz  man  saften  könne,   es  bestehen  in 
dieser  beziehung  an  den  meisten  anstalten  keine  wesentlichen  Ver- 
schiedenheiten mehr,    wol  aber  sei  über  dine  frage  noch  keine  einig- 
keit  ersielt,  über  eine  frage,  die  sich  mit  jedem  jahrsehnt  erneuern 
müsse,  nemlich  diejenige,  wie  weit  die  gesehichte  der  neuesten  zeit  in 
die  schule  getragen  werden  müsse,    der  Vorschlag,  das^die  gesehichte 
bis  in  die  neueste  zeit  in  den  höheren  schulen  zu  lehren  sei,  habe  noch 
gar  manche  gegner,  aber  viele  seien  auch  nach  den  erschütternden 
ereicnissen  der  jähre  1870  und  1871  anderen  sinnes  geworden.  —  Das 
lehrbneb  von  Herbst  s.  b.,  welches  er  ffir  das  beste  unter  allen  halte 
(hierbei  erwähnt  redner  eine  reihe  von  Vorzügen  dieses  hülfsbuchs), 
habe  früher  die  gesehichte  nur  bis  zum  jähre  1815  gegeben,  jetzt  finde 
sich  ein  bis  zum  Jahre  1871  gehender  anhang  darin.  —  Im  allgemeinen 
lei  gegen  die  behandlung  der  neuesten  gesehichte  in  der  schule  der 


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104      Bericht  über  die  Verhandlungen  der  82n  ▼eraammlnng 

grund  geltend  gemacht  wordeu,  dasz  man  noch  keinen  rechten  einblick 
in  dieselbe  habe,  dass  sie  nns  noch  za  nahe  liege,  nm  klar  übersehen 
sn  werden,   hinter  diesem  gründe  habe  sich  aber  vielfach  der  andere 
versteckt,  dasz  man  es  f&r  bedenklich  gehalten  habe,  die  jugend  in  die 
Politik  nnd  in  die  tagesfrag^en  der  zeit  einzuführen,   so  sei  es  in  seiner 
jügend  in  Kurhessen  brauch  gewesen,  die  geschichte  nicht  über  das 
jähr  1789  hinaus  zu  behandeln,  in  der  zeit  des  Metternichschen  Systems 
habe  man  es  nieht  gewagt,  den  sebfilern  das  gift  der  franxdsischen  re- 
volution  zu  reichen»  aber  dabei  vergessen ,  dasz  es  auch  eine  Yendde 
gegeben,  nnd  dasz  gerade  aus  dieser  zeit  die  schüler  lernen  könnten, 
wie  man  auch  an  thron  und   altar  hänge.     er  und  seine  mitschüler 
bätteu  es  als  etwas  ganz  besonderes  angesehen,  als  ihnen  gegen  alle 
tradition  ihr  geeehkhtalehrer  noeh  vor  ihrem  abgang  sur  nniversiUtt 
eine  Übersicht  fiber  die  ereignisse  von  1789^1816  gegeben  habe.  — 
Allmählig  sei  man  jedoch  zu  der  einsieht  gekommen,  dasz  man  die  ge- 
schichte der  französischen  revolution  mit  in  kauf  nehmen  müsse,  um 
den  Schülern  die  erhebenden  thaten  von  1813—1815  nicht  vorzuenthalten, 
doeh  dabei  sei  es  lange  seit  geblieben,  weiter  zu  gehen  sei  als  be- 
denklieh erschienen,    worauf  hätte  auch  der  blick  der  schüler  gerichtet 
werden  sollen?    auf  die  misere  des  deutschen  bundestages,  das  revo- 
lutionäre treiben  der  turner,  die  demagogischen  regungen  auf  den  uni- 
.   versitäten  usw.?    alles  das  hätte  als  eine  maulwurfsarbeit  unter  dem 
fest  anfgerichteten  gebftnde  des  Hetterniehschen  Systems  dünken  müsseo. 
~  Zugeben  mfisse  man  allerdings,  dasz  es  eine  schwere  arbeit  für  den 
geschichtslehrer  gewesen  sein  würde,  aus  derzeit  nach  1815  eine  rich- 
tige für  die  schüler  geeignete  auswahl  des  Stoffes  zu  treffen,    ein  un- 
geschickter lehrer  hätte  hier  leicht  arge  misgriffe  thun  können,  und 
ans  dem  gründe  habe  man  allerdings  besser  gethan,  eine  noeh  zu  gar 
keinem  absohluss  gelangte  zeit  ganz  aus  der  schule  wegzulassen,  anders 
sei  es  geworden,  als  die  sturmfluth  des  jahres.1848  hereingebrochen  sei. 
da  habe  auch  die  schule  vielfach  versucht,  mit  der  gegenwart  fühlnng 
zu  behalten,  und  viele  geschichtslehrer  hätten  es  für  notwendig  erachtet, 
den  sohülem  dnrch  betrachtnng  der  seit  von  1815—1848  das  verstSnd- 
nie  fttr  das  bedeutungsvolle  jähr  zu  ersohlieszen.  einer  der  tnehtigsten 
directoren  in  Deutschland  habe  damals  mit  seinen  primanern  regelmässig 
eine  sog.  zeitungsstunde  gehalten.  —  Bald  aber  sei  die  zeit  der  reaction 
gekommen  und  die  kolophoniumdünste  der  romantischen  poHtiker  hätten 
sich  über  Deutschland  gelagert,    nun  sei  wieder,  die  frühere  ansieht 
vorhersehend  geworden  nicht  weiter  als  bis  zum  jähre  1815  zu  geben. 
—  Nachdem  aber  in  den  jähren  1866  nnd  1870  die  Weltgeschichte  stärker 
als  je  an  unsere  pforten  geklopft,  seien  auch  die  anforderungen  an  den 
geschichtsnnterricht  ganz  andere  geworden,  jetzt  sei  eine  grosze  periode 
zn  einem  festen  abschlusz  gekommen,  jetzt  liege  die  entwicklung  vom 
jähre  1816  an  klar  vor  nnft  und  der  satz,  dass  uns  diese  seit  an  nahe 
Itoge,  um  richtig  verstanden  zn  werden,  habe  keine  berechtignng  mehr. 

Es  handle  sich  jetzt  nur  noch  um  die  frngo,  ob  die  neueste  geschichte 
ein  geeigneter  bildungsstoff  für  die  jugend  sei.  diese  frage  müsse  er 
mit  einem  'lauten  ja'  beantworten,  man  solle  ihm  nicht  mit  dem  ein- 
wand kommen,  dasz  man  die  jugend  nieht  in  die  tagesfragen  der  politik 
einführen  dürfe,  jetzt  ^ei  auch  unter  den  schüIern  dns  zeitungslesen 
ganz  allgemein^  geworden,  jetzt  werde  in  allen  gebildeten  familien  über 
die  tagesfragen  gesprochen,  so  dasz  es  fast  lächerlich  erscheine,  wenn 
die  schule  sich  zurückhaltend  zuknöpfen  wolle,  er  selbst  gehe  aber 
noeh  einen  schritt  weiter  und  sage,  die  sehule  dürfe  nieht 'nur  nicht 
surfiekhalten,  sondern  es  sei  ihre  pflicht,  in  dieser  beziehnng  ihre  zög* 
linge  nicht  zufälligen  einflüssen  zu  überlassen  ^  sondern  sie  müsse  gnr 
häufig  der  tagespresse  nnd  den  häuslichen  einflüssen  gegenüber  rectiü- 
ciereu.  wie  manches  gift  werde  von  diesen  Seiten  der  jugend  gereicht, 
und  es  sei  doch  wiJirlieh  eine  heilige  pflicht  der  schule  den  möglichea 


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deaiwher  pbüologen  und  sdralrnftnner  in  Wieibaden.  106 


Wirkungen  einer  schamlosen  winkelpresse,  die  s.  b.,  wie  es  kürzlich 
geschehen  sei,  die  erhebende  nationale  feier  auf  dem  Niederwalde  be- 
g:eifere,  zu  paralysieren,    aber  auch  abgesehen  davon  halte  er  es  für 
einen  raub  und  frevel  an  den  scliiileru,  wenn  man  ihnen  die  kenntnis 
der  nenesten  seit  Torenthalten  wolle,    man  mflste  die  scbflier  dabin 
führen,  dasz  sie  das  histoiisobe  verstlndnis  für  die  groszen  thaten  der 
Jetztzeit  bekämen,    und  wenn  man  einwende,  die  schule  habe  bei  ihrer 
sonstigen  reichen  anfgabe  keine  zeit  dafür,  so  sage  er,  sie  habe  die 
nöthige  zeit,  wenn  sie  nur  wolle,  wenn  sie  dieselbe  nicht  mit  unnützen 
dingen  vergeude,   und  dasz  dies  geschehe,  könne  er  ans  seinen  lang- 
^mgen  wahmehninngen  versichem.  so  habe  sb.  einmal  einer  seiner 
froheren  eollegen  die  seciindaner  ein  ganses  halbes  jähr  lang  mit  byzan- 
ünischer  geschichte  gefüttert  aus  keinem  andern  gründe,  als  weil  dies 
damals  seine  lieblingsbeschäftigung  gewesen  sei.    so  etwas  dürfe  ein 
director  nicht  dulden,   diese  zeit  hätte  besser  verwendet  werden  können, 
md  endlich ,  denke  er,  solle  man  den  leisten  gfesehlehtliehen  bliek  der 
zur  nniversität  abgehenden  eehüler  nicht  auf  der  gestaltung^  des  uner- 
quicklichen bundestags,  sondern  auf  den  erhebenden  thaten  von  1870 
—1871  ruhen  lassen,    alle  höheren  lehranstalten ,  denen  es  darum  zu 
tbun  sei,  ihre  schiiler  zu  treuer  anhftnglichkeit  an  kaiser  und  reich  zu 
erziehen,  müsten  die  neueste  geschichte  bis  zum  Frankfurter  frieden 
in  ihren  lehrplan  aufnehmen »  und  sein  innigster  wünsch  sei  es,  dasa 
dies  nicht  dem  ermessen  der  einzelnen  lehranstalten  überlassen  bleibe, 
sondern  von  oben  herab  par  ordre  de  monfti  bestimmt  werde. 

Nach  diesen  einleitenden  wurten  des  thesenstellers  erklärte  director 
Jäger  aus  Cöln  seine  Zustimmung  zu  sämtlichen  thesen  im  wesentlichen 
nad  machte  eine  reihe  Ton  bemerkungen  über  die  einzelnen  sätze.  ^ 
In  beiug  auf  these  1; 

'die  aufnähme  der  neuesten  geschiehte  von  1815  bis  1871  in  den 
lehrplan  der  höheren  lehranstalten  ist  fortan  g-eboten* 
erklärte  er  sich  ganz  besonders  damit  einverstanden,  dasz  1871,  und 
nicht  die  gegenwart  als  endziel  angenommen  werde,  was  vor  1871  liege, 
kVnne  man  mit  ruhe  betraehten,  nicht  aber  was  über  diesen  termin 
hinaosgdlie;  denn  die  aufgäbe  der  schule  könne  nicht  darin  bestehen, 
disz  sie  in  die  nnmittelbaren  tagesfragen  einführe,   mit  these  2: 

'sie  mnsz  sowol  am  Schlüsse  des  tertiacureue,  als  des  primacursus 
'  behandelt  werden', 
erklärte  sich  reduer  ganz  einverstanden,  während  er  zu  these  3: 

'auf  beiden  stufen  muss  die  nationale  seite  betont  werden', 
die  er  ebenfalls  acceptierte,  darauf  hinwies,  dasz  man  mit  dem  worte 
'national'  etwas  behutsamer  umgehen  möge,  als  es  häufig  su  gesohehen 
pflege,   bei  these  4; 

'in  der  obertertia  soll  sie  nur  als  epilog  zum  jähre  1815  in  all- 
gemeinster übersiebt  am  faden  der  deutschen  einheitsbeatrehungen 


itol  sieh  Jäger  an  dem  etwas  unbestimmten  anedmek  'epilog',  und 
•nipfahl,  um  für  tertia  die  geschichte  in  fruchtbarer  natürlicher  weise 
W  behandeln,  am  schlusso  des  tertiacursus  die  politische  geographie 
des  Deutschen  Keiches  zu  nehmen  und  darauf  die  geschichte  als  eine 
gtsehiebte  der  deutschen  einhelt  su  bauen,  dann  mache  sieh  die  saefae 
vogeswungen  und  vermeide  auch  das  phraseologische,  in  these  6: 

'in  prima  soll  sie  ebenso  wenig  nar  dentsche,  bezw*.  preuszische, 
als  geschichte  der  einzelnen  Staaten  sein,  sondern  sie  rausz  aus 
der  geschichte  aller  europaischen  Staaten  diejenigen  thatsachen, 
welche  die  jetzige  gestalt  Europas  herbeigeführt  haben,  auswählen 
und  unter  bestimmten  gesichtspnncten  susammenfaseen' 
find  redner  sehr  firuehtbare  gedanken,  nur  komme  es  darauf  an,  was 
hinter  den  'bestimmten  gesichtspnncten'  zu  verstehen  sei.    meine  man 
etwa  darunter  die  verfassungsgeschichte,  so  würde  er  dagegen  bedenken 


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106      Bericht  über  die  Terhandlusgeu  der  32n  Tersammlimg 


haben  rnttsseDi  und  so  lauge  die  schwere  aufgäbe  nicht  g^elöst  sei,  den 
Tertdlten  Stoff  scholnitai^  in  einem  lehrbnen  sn  gruppieren,  mtae  es 
seUiesslieh  dabei  bleiben,  dass  man  die  geschiebte  der  einseinen  stsa* 

ten  neben  einander  herführe,    mit  these  6: 

'die  Herbstscbe  behandluog  ist  sa  knspp,  die  Jägerscbe  gibt  sa 
viel', 

war  Jäger  gans  einverstanden,  besonders  mit  dem  tadel  (ein  tadel  sollte 
es  nicht  sein),  da8z  er  zu  viel  gäbe,  nur  wies  er  darauf  hin,  dass  dieser 

gegenständ  noch  weui^^  schulmäszig  behandelt  sei,  seine  eigene  er- 
fahrung"  könne  er  dahin  abgeben,  dasz  er  sechs  wochcn  zur  durchnähme 
seines  bucbes  gebraucht  habe,    das  sei  das  miuimum  der  nötigen  zeit. 

—  Wenn  nun  aneh  das  bneh  för  die  sehfiler  so  viel  enthalte «  so  gibe 
es  doch  nicht  für  den  lehrer,  für  den  es  besonders  bestimmt  sei,  zu. 
viel,  und  sei  gewis  vielen  willkommen,  indem  es  die  gmppiening  des 
noch  unverarbeiteten  Stoffes  erleichtere.  —  These  7: 

'd'iQ  für  die  neueste  geschichte  erforderliche  zeit  kann  nur  durch 
yerkfirsnng  des  mittelalters  gewonnen  werden', 
and  these  8: 

'der  Jägersche  Vorschlag,  in  der  Unterprima  die  geseldchte  bis 
zum  jähre  1648  zu  führen,  hat  kein  bedenken', 
fanden  die  volle  Zustimmung  Jägers,  nur,  meinte  er,  könne  man  these  7 
anch  so  fassen:  'die  fiir  die  geschichte  von  1816—1871  erforderliche 
seit  kann  nnr  so  gewonnen  werden,  dass  man  die  Torhergehende  seit 
ungletehmässig  behandelt,  dabei  mnss  das  mittelalter,  dessen  geschichte 
für  die  schöler  teils  zu  schwerverständlich,  teils  zu  wenig  fruchtbringend 
ist,  die  kosten  tragen.'  damit  werde  sich  die  achte  these  von  selbst 
erledigen,  nnr  möchte  er  dabei  noch  aussprechen ,  dasz  die  quellen- 
leetüre,  sowie  die  regelmKssigen  allsn  langen  repetitionen  der  alten  ge- 
schichte in  der  prima  nicht  dem  sweeke  des  Unterrichts  in  dieser  cUsse 
entsprechend  seien. 

Nach  den  Jägerschen  uusführungen  erbat  sich  Spangenberg  auf 
nur  wenige  aufi^enblicke  das  wort,  um  sich  gegen  die  misdeutung  des 
ansdmcks  'national'  sn  rerwaliren.  er  habe  yon  Jäger  den  Vorwurf 
erwartet,  da  derselbe  in  seiner  lotsten  selffift  dieselbe  wamung  ausge- 
sprochen habe,  er  versichere  aber,  dasz  er  keinen  roisbrauch  mit  dem 
Worte  treibe,  er  wolle  nur  den  schülern  zum  bewustsein  gebracht  wissen, 
dasz  sie  deutsche  sind  und  einem  neuen  geeinigten  starken  reiche  an- 
gehören, in  dem  sehiilerkateehismus  jeder  höhem  schule  mftsse  auf  der 
ersten  seite  stehen:  'ich  liebe  kaiser  und  reiefa,  ieh  glaube  an  die  kraft 
des  reiches,  ich  hoffe  auf  seine  dauer.' 

Spangenberg  fand  auszer  Jäger  eine  zweite  autorität  für  seine 
thesen,  indem  sich  auch  geh.  regierungsrath  Schräder  aus  Königsberg 
im  gansen  mit  denselben  einTorstanden  erklärte,  nur  wünschte  er  m 
constatieren,  dasz  an  den  von  ihm  beobachteten  gymnasien  die  forde- 
rung  von  these  1  schon  vielfach  erfüllt  sei.  allerdings  müsse  das  jähr 
1871  der  äuszerste  termin  sein,  wenn  er  die  geschichte  darüber  hinaus 
vortragen  solle,  so  wisse  er  nicht,  wie  er  sich  dabei  zu  verhalten  habe. 

—  BesQglieh  der  thesen  7  und  8  war  er  mit  der  oben  erwihnten  Kusse« 
rung  JSgers  einverstanden,  dasz  die  geschichte  ungleichmäszig  vorge«  • 
tragen  werden  müsse,  der  dreiszigjährige  krieg  z.  b.  könne  viel  ge- 
drängter behandelt  werden,  als  es  zu  preschehen  ptiege.  auch  könne 
gerade  am  ende  dieses  krieges  kein  ein  ciassenziel  abschlieszender  ein- 
schnitt gemacht  werden,  weil  hier  die  Tom  J.  1566  an  beginnende  aus* 
bildnng  der  furstensonyeränität  in  vollster  entwicklung  sei.  —  These  3 
und  5,  erklärte  er  weiter,  müsten  mit  einander  in  Verbindung  gebracht 
werden,  müsten  einander  interpretieren;  die  zeit  von  1815—1848  sei 
auch  jetzt  noch  wenig  klar,  darum  müste  in  der  neuesten  geschichte 
doch  stets  hauptsächlich  auf  unser  Vaterland  besug  genommen  werden, 
und  in  diesem  sinne  fürchte  er  auch  nicht  den  ausdruck  ^national*.  — 


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deatecher  fihüologtii  und  aohulmtoiier  in  Wiesbaden. 


I^ie  ''bestimmten  gesicbtspuncte'  müsten  nnr  aas  der  allgemeinen  geisti- 
g:eii  beweguog  g^ewonoen  werden,  -der  amerikanische  secessionskrieg 
z.  b.  masto  unter  der  allgemeinen  geäcbichte  der  colonisation  gefasst 
werden. 

imeranf  wurde  theee  1  in  der  Spangenbergtehen  fasanng  einatimmig 

an  genommen. 

Bezüglich  des  zweiten  teils  der  tbese  2,  zu  deren  begründung  nun 
Öpaugenberg  übergieng^  erklärte  er  wol  aaf  dieselbe  Zustimmung  der 
revaammlnng  rechnen  an  können,  wie  inr  ertten  theee.    andere  itehe 
es  mit  dem  ersten  teil  derselben,   man  werde  ihm,  wie  er  ee  schon  in 
privaten  Unterredungen  gefunden  habe,  vielleicht  entgegnen,  dasz  die 
zeit  für  die  tertia  noch  nicht  recht  verständlich  sei.    am  besten  urteile 
man  hierüber  aus  eigner  erfahrung,  und  diese  habe  eher  das  gegenteil 
bestätigt,    er  habe  z.  b.  eine  Vertretungsstunde  in  obertertia  zu  erörte- 
mngen  ftber  die  neueste  geschiehte  ▼erwendet    in  dieser  habe  er  mit 
dem  jähre  1870  begonnen  und  sei  in  der  gesehichtsbetraehtnng  teils 
vortragend,  teils  fragend  rückwärts  bis  zum  Jahre  1848  gegangen,  aus 
den  erhaltenön  antworten  sei  ihm  die  Überzeugung  geworden,  dasz  bei 
den  Schülern  ein  vollkommen  ausreichendes  Verständnis  für  die  genannte 
seil  vorhanden  gewesen  seL  die  scbüler  seien  recht  wohl  bekannt  ge- 
wesen mit  Königgrüta,  hätten  vom  parlament  in  der  Panlskirche,  von 
dem  sdiletwig-&lBteim8chen  krieg»  von  fiobert  Blum  nsw.  eriühlen 
können,  ganz  erstaunt  aber  sei  er  gewesen,  als  üim  sogar  Hannibal 
Fischer  genannt  worden  sei. 

Nicht  ohne  eine  gewisse  beimischung  von  ironie  gratulierte  hierauf 
dr.  Hartwig  ans  Cassel  dem  Vorredner  an  solchen  tertianem,  die  in 
so  nngewöhnlichem  grade  mit  den  neuesten  Zeitereignissen  vertraut  seien, 
rr  selbst  habe  in  der  regel  weniger  Verständnis  dafür  gefunden,  in 
Wiesbaden  stehe  es  vielleicht  deswegen  so,  weil  diese  stadt  der  Pauls- 
kirche näher  sei  als  Cassel,  wo  er  das  nicht  gefunden  habe,  ihm  scheine 
es  das  richtige,  auf  dieser  stufe  nur  die  ereignisse  von  1866  und  1870 
besonders  an  berfieksiehtigen. 

Spangenberg  erklärte  hierauf,  dasz  er  weit  davon  entfernt  sei, 
die  ganze  politische  geschiehte  von  1815 — 1848  in  die  tertia  zu  bringen; 
aber  ein  gewisser  faden  müsse  doch  festgehalten  werden,  an  dem  die 
geschiehte  von  1815 — 1866  hingeführt  werde,  sonst  blieben  die  letzten 
jähre  unverständlich,  übrigens  danke  er  dem  hrn.  Vorredner  für  das 
gemachte  eompliment,  wolle  aber  doch  noehmali  bemerken»  dasa  die 
scbüler  aueh  Königgrätb  gelMunt  hätten,  und  das  liege  doch  nicht  etwa 
in  der  nähe  von  Wiesbaden. 

Hierauf  erklärte  prof.  H ö  1  sehe  r  aus  Herford,  er  habe  früher  den 
gescbichtsunterricht  nur  bis  181Ö  geführt,  seit  1870  habe  er  auch  die 
neueste  leit  hinaugenommen.  von  1816  bis  1864  sei  manches  ffir  den 
sehfiler  unverständlich  und  gehe  über  seinen  standpunct  hinaus,  wollte 
man  ihn  hier  einführen,  so  würde  man  ihm  ein  bild  vorführen,  das  ihn 
nar  mit  mismut  erfüllen  könne,  es  empTehle  sich  deshalb  die  geschiehte 
von  1815 — 1864  in  einer  stunde  durchzunehmen,  was  recht  bequem  gehe, 
Und  von  da  an  alles  ausführlicher  zu  behandeln. 

Jäger  fand  den  ansdrock  ^epilog'  nicht  eoneret  und  gab  seine  an- 
sieht über  den  in  tertia  zu  behandelnden  stoff  dahin  ab,  dasa  im  ersten 
jähre  des  zweijährigen  tertiacnrsus  zunächst  die  physische  Geographie, 
Qod  dann  die  geschiehte  bis  1648  zu  behandeln  sei.  dann  solle  man  in 
dea  drei  ersten  vierteln  des  zweiten  jahres  die  geschiehte  bis  1815  füh- 
reo,  und  hierauf  lur  politischen  geographie  von  Deutschland  übergehen 
MDd  daran  eine  fibersieht  fiber  die  politische  entwicklung  knüpfen, 
iiierzu  genügten  etwa  vier  stunden,  da  et  sich  nur  um  einprägung  der 
hanptsachen  handeln  dürfe,  ohne  weitere  reflexionen.  dabei  nahm  Jäger 
ein  Verständnis  der  Verfassungsgeschichte  für  die  tertianer  in  anspnich, 
betonte  aber  die  besonders  ausführliche  darstellung  der  kriegsgeschichte. 


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108      Bericht  über  die  Terhandlmigen  der  82ii  vewMiinmlmig 


Lap  schon  in  den  Jäg^erRchen  ansföhriinpen  eine  bekämpfong  der 
von  Hölscher  geforderten  bescbränkung,  so  wendete  sich  nun  auch  proi. 
dir.  Qenthe  aas  Corbach  gegen  dieselbe  und  erklärte  sich  für  die  tkäe, 
da  man  dadnreh  eoneentrische  kreiee^rbalte  und  eine  abmndim;  in  der  , 
thei  alt  wfinschenswerth  mid  als  ein  fortsehritt  er^^cheine.  ! 

Anch  rector  Götz  aus  Neuwied  erkannte  die  these  an  und  frente 
sich,  dasz  kein  Widerspruch  dagegen  geäuszert  worden,  dasz  die  neueste 
geschichte  am  ende  des  tertiacursus  vorkomme,  notwendig  sei  dieselbe 
an  dieser  stelle  sehen  deswegen ,  weil  ein  grosser  teil  der  sditOtr  ik 
prima  nieht  erreiche  nnd  er  doeh  anch  fttr  die  naüenale  eriielniiig  dis- 
ser  gesorgt  sehen  wolle. 

Als  hierauf  dir.  Wendt  aus  Cürlsruhe  hiergegen  geltend  machte, 
dasz  auf  militärberechtiguugen  keine  rücksicht  genommen  werden  dürfe 
und  bei  der  entscheidang  der  vorliegenden  frage  nur  allgemeiDe  gruDd- 
sätze  massgebend  seien,  Terteidigte  OSta  seine  behanptang  nit  ta 
satze,  dasz  die  thatsache  nun  einmal  vorhanden  sei  mid  darum  neh 
berücksichtigt  werden  müsse,  die  militürberechtigung  selbst  wolle  er 
nicht  in  die  discussion  ziehen,  wo l  aber  mit  den  gegebenen  TerhältuMeii 
im  interesse  der  schüler  rechnen. 

Der  TorsitMüde  der  Tersammlung  erklärte  nun,  es  seien  wol  iBe 
mit  der  sweiten  these  einverstanden ,  aber  besngUeh  der  TierleSf  ik 
mit  in  die  discussion  gesogen  sei,  ersäieine  es  wünsebenswertfa,  zn  emer 
bestimmten  fassung  zu  kommen,  namentlich  in  bezug  auf  den  ansdrack 
'epilog',  wobei  er  in  bezug  auf  die  worte:  *  am  faden  der  deutschen 
einheitsbestrebnngen'  zu  constatieren  wünschte,  dasz  die  einheitsbestre- 
bnngen  ron  den  dentsehen  fttrsteo  ausgegangen  seien,  er  sddng  dann 
etwa  folgende  fassung  der  these  4  Tor:  *in  der  obertertia  soUeo  m 
der  neuesten  geschichte  die  thatsaehen  nnr  in  allgemeiner  fibeisifilit 
gegeben  werden.' 

Provinzialschulrath  dr.  Probst  aus  Münster  sprach  sich  dagegen 
aus,  dasz  jetzt  schon  bestimmte  normen  über  die  behandlaug  dieses 
tefles  der  geschiehte  aufgestellt  würden,  die  saehe  sei  noch  n  sehr  im 
flusz,  was  Jftger  selbst  «erkläre,  man  solle  nur  noch  ein  jähr  darüber 
hingehen  lassen,  dann  würden  schon  büc.her  erscheinen  nnd  man  werde 
etwas  mustergültiges  zu  stände  bringen  können:  man  solle  these  4  und 
3  streichen,  letztere,  weil  sie  ganz  selbstverständlich  sei. 

Dem  gegenüber  verzichtete  Spangenberg  auf  die  ursprüngliclie 
form  der  these  4  nnd  adoptierte  die  Eeksteinsehe  eben  erwähnte  fas- 
sung, hielt  aber  auf  grund  seiner  erfahrungen  über  die  art,  wie  manche 
lehrer  den  geschichtsunterricht  betreiben,  die  3e  these  aufrecht. 

Dir.  Baerwald  aus  Frankfurt  a.  M.  fand  dagegen  die  ursprüng- 
liche fassung  der  these  4  mehr  treffend ,  weil  der  Jägersche  vorscblag 
in  betreff  der  anknüpfung  an  den  geographischen  nnterricht  Men  ftden 
der  deutschen  einheitsbestrebungen'  SU  fordern  schiene.  —  Auch  Jäger 
erklärte  sich  für  diese  anffassung,  wie  er  auch  these  3  aufrecht  er- 
halten wünschte,  während  Werftlt  aus  Karlsruhe  in  these  4  sich  andern 
ausdruck:  'in  allgemeinster  Übersicht  der  thatsaehen'  stieaz  und  die- 
selbe zu  streichen  wünschte,  dagegen  die  beibehaltung  von  these  3 
empfahl,  damit  man  sich  nicht  gegen  das  nationale  sn  wenden  sehttse. 

Nachdem  Hartwig  nochmius  seine  ansieht  bezüglich  der  ereignisse 
von  1866  und  1870  verteidigt  hatte,  ergriff  dir.  Kreyssig  aus  Frank- 
furt das  wort  und  sprach  mit  seiner  bekannten  wärme  für  die  dritte 
nnd  vierte  these,  indem  er  hervorhob,  dasz  es  ihm  weniger  auf  einzei- 
bestimmungen  ankomme,  als  darauf,  dasz  die  Versammlung  nach  aussen 
hin  sengnis  davon  ablege,  in  welchem  sinne  sie  die  gesehfehte  auffand 
also  im  ganzen  denselben  gedenken,  den  der  thesensteUer  in  sdsen 
einleitenden  Worten  ganz  besonders  betont  hatte. 

Da  die  Versammlung-  sich  nun  über  die  ganze  frape  klar  zu  sein 
schien,  schritt  man  zur  abstimmung  und  nahm  these  2  und  3  in  der 


I 

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deatBoher  Philologen  und  schulmAimer  in  Wienhaden.  109 


ursprünglichen,   tbese  4  in  der  yoir  Spangenberg  selbst  adoptierten 
Ecksteiuschen  fassung  an,  so  dasz  sie  nun  lautete: 

*  in  der  obertertia  soll  sie,  in  allgemeinster  Übersicht  der  thet- 

sachen  behandelt  werden.' 
Damit  scblosz  mau  die  discusBion  und  nach  einigen  geschäftlichen 
mitteilungen  die  erste  Sitzung,  die  genugsam  zeiignis  davon  ablegte, 
welches  interesse  man  dem  vorgeschlagenen  gegenständ  zugewendet 
liatte,  ein  interesse,  was  sich  auch  damit  darlegte,  dass  die  versamm- 
long  den  antrag  eines  ?on  der  kritisch-ezegetiaehen  f eetion  abgesandten 
ndtgliedes,  Uure  versaninilnngen  su  nnterbreehen  nnd  sich  mit  der  kritiseh- 
exegetischen  section  zur  finhörung  eines  Vortrags  über  Dionysius  Thrax 
zu  vereinigen,  fast  einstimmig  ablehnte.  —  Für  die  nächste  auf  freitag 
morgen  um  8  uhr  anberaumte  Sitzung  beschlosz  mau  die  ISpangeuberg- 
BcÄien  theseu  su  ende  an  berathen  nnd  dann  an  den  Eeksteinsehan 
Ubsimgehen. 

Nach  eröffnung  der  sweiten  sitsuQg  und  erledigang  einiger  ge- 
schäftlicher Sachen  wurde  zunächst  ein  antrag,  dass  die  von  Oberlehrer 
dr.  Meyer  aus  Herford  eingebrachte  these: 

^sind  die  klagen  über  die  geringen  leistungeu  der  gymuasien  be- 
grändet  nnd  eyent.  welehe  mittel  sind  geeignet,  denselben  aban- 
helfen  ?' 

nach  besprechuDg  der  Ecksteinschen  thesen,  eventuell  in  einer  nach- 
mittagssitzung,  zur  discussion  kommen  solle,  mit  groszer  majorität  an- 
genommen, dann  fuhr  man  in  der  berathung  der  ISpangenbergächeu 
thesen  fort. 

üeber  these  5,  besüglieh  welcher  Spangenberg  hervorhob,  dass  vor 

allen  dingen  der  einheitliche  faden  nicht  verloren  gehen  dürfe,  alles 
übrige  sei  sache  der  methode,  entwickelte  sich  eine  besonders  lebhafte 
debatte.  Jäger  fand  die  hauptschwierigkeit  in  dem  ausdruck:  ^be- 
stimmte gesichtspuncte^  die  sich  schwer  feststellen  lieszen,  und  meinte, 
dass  der  Stoff  eluronologisoh  geordnet  nnd  dann  mit  ahm  operiert  werden 
mSsse.  Spangenberg  gab  diese  Schwierigkeit  sn  nnd  erklärte,  dasa 
er  trotz  vielen  nachdenkens  über  die  gesichtspuncte  selbst  noch  nicht 
ganz  klar  sei,  wol  aber  an  der  sache  selbst  festhalte  und  aus  dem  kreise 
einer  an  erfahrung  so  reichen  Versammlung  winke  dafür  erwarte, 
provinzialschulratb  Probst  meinte,  dasz  in  dem  durch  these  3  betonten 
werte  'national'  sieh  die  behandlnng  der  nenesten  gesebiohte  in  prima 
von  selbst  ergebe,  auch  dir.  Friedrich  wünsehte  these  8  anr  geltung 
gebracht  zu  sehen,  beanstandete  deshalb  diewortc:  ^'lller  europäischen 
Völker'  und  wollte  die  geschichte  der  auszerdeutschen  Staaten  nur  in- 
sofern behandelt  wissen,  als  dieselben  zur  entwicklung  des  deutschen 
reiehes  beigetragen  haben.  —  Dieser  auffassung  gegenüber  formulierte 
J&gsr  seine  ansieht  sn  folgendem  wortlant: 

'in  prima  mnsz  die  neneste  gesebiohte  unter  dem  europäischen 
gesichtspuncte,  nicht  ausschlieszlich  als  deutsche,  wie  in  Ober- 
tertia, behandelt  werden,  dasz  dabei  die  vaterländische  f^eschichte 
vorzugsweise  berücksichtigt  werden  musz,  ist  für  deutsche  schulen 
sdbst¥erst%ndUeh% 
wUirttid  geh.  regierungsrath  Schnlts,  sich  der  Friedrichschen  an- 
scBauung nähernd,  Toi ge nd*e  fassnng  vorschlug:  'in  primasoll  die  deutsche- 
geschichte  den  mittelpunct  des  geschichtsnnterriohts  bilden,  und  aus 
der  geschichte  der  übrigen  Staaten  sollen  nur  diejenigen  momento  zu 
JjUksrsr  erörteruug  kommen,  welche  für  die  gestaltuug  der  geschicke 
peatsehlands  mit  von  bestimmender  wirknng  gewesen  sind.'  Jftger 
ßielt  dem  entgegen,  dasz  es  sich  nicht  mit  der  art,  wie  in  prima  die 
geschichte  bis  1815  zu  behandeln  sei,  vereinigen  lasse;  so  gut  wie  bis 
<lAhin  die  europäische  geschichte  zur  geltung  f^ekommen  sei,  müste  sie 
^  auch  für  die  neueste  seit;  und  als  von  einigen  selten  erklärt  wurde, 
sais  man  die  these  6  sohon  durch  these  3  als  erledigt  ansehe  und  sich 


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110 


Bericht  Aber  die  TerluuMUiiiigeii  der  38s  Tersminliiiig 


ßtreiclmnfr  derselben  empfehle,  eö  bestand  Jager  auf  beibebaltnng  der- 
selben, abgesehen  von  dem  ausdruck  'allgemeinen  ge0ichtspaiicten\ 
wonMif  tbese  5  in  der  Jägersehen  ÜMsnng,  die  sieh  am  meistee  der  «r- 
•prftnfflioheti  nlherte,  angenommeii  wurde. 

These  6  zog  Spangenberg:  nnter  der  erklarunß^,  dasz  dieselbe 
nur  die  dircctive  für  die  anffassunij;  von  theso  6  habe  geben  sollen,  und 
dasz  es  ihm  nicht  um  eine  discassiou  darüber,  die  er  obendrein  nicht 
einmal  für  passend  halte,  zu  thun  gewesen  sei,  selbst  zarück. 

Ctogen  die  hierauf  Tom  thesentteller  verteidigte  theee  7  wandte  sich 
besonders,  wie  dies  offen  gesagt,  Ton  Spange  nborg  selbst  erwartet  wurde, 
der  betreisterte  anhänger  des  mittelalters,  dir.  Münscher  ans  Marburg, 
und  spraclt,  \Yeiin  er  auch  dem  theseusteller  darin  beistimmte,  dasx 
man  es  dem  tact  des  eioaelnen  lehrers  überlassen  müsse,  was  aaszo- 
scheiden  lei,  die  hoffnung  ans,  daes  gerade  yem  mittelalter,  *der  slor- 
reiebsten  seit  nneers  Tolkee*  nieht  Tiel  geopfert  werde.  —  Nnn  rr^_ 
provinzialsebnirath  HÖpfner  .vor,  die  theee  in  allgemeinerer- faieaiig  lö 
sn  fixieren: 

'die  für  die  geschu  hte  der  neuesten  zeit  erforderliche  zeit  kann 
nur  durch  fortgesetzte  sichtung  und  erhebliche  minderung  dea 
bUher  fiberlieferten  lehnteffs  gewonnen  werden', 
womit  sieh  Jä^ger  nnter  inrttekiiehnng  seiner  besSgUeh  dieser  lkSM 
am  vorhergehenden  tage  abgegebenen  erklärnng  einverstanden  erklSrte. 
nachdem  auch  der  theseusteller  selbst,  von  der  ansieht  ausgehend,  dasi 
die  Höpfnersche  fassung  nicht  in  Widerspruch  mit  der  ursprünglichen 
stehe,  sondern  dieselbe  nur  verallgemeinere  und  dem  lehrer  seine  auf- 
gäbe in  nieht  nnbedenteadem  grade  erleiehtere,  sieh  fttr  dieselbe  ain- 
gesproehen  hatte,  wnrde  sie  einstimmig  angenommen.  —  Darob  diese 
Fassung  von  these  7  wurde  die  8e  these,  obwol  Spangenberg  geltend 
machte,  dfisz  es  für  viele  lehrer,  die  nicht  haushälterisch  mit  ihrer  zeit 
umgehen,  nötig  sei,  eine  Vorschrift  über  das  in  unterprima  zu  erreichende 
ziel  sa  bekommen,  als  erledigt  angesehen,  indem  Jäger,  dir.  Loebaeh 
nnd  recfiemngsrath  Beb  rader  darauf  hinwiesen,  dass  die  grense  swiselM 
dem  in  nnter-  nnd  oberprima  zu  behandelnden  geschichtbeben  Stoff  nun- 
mehr beweglich  geworden  sei  nnd  sieh  danaeh  riehte,  was  nnd  wo  der 
einzelne  lehrer  ausscheide. 

Hierauf  schritt  die  versammlaog,  in  der  nun  dir.  Spangenberg  deo 
▼orrttB  fibernahm,  snr  berathnng  der  Eeksteinsehen  thesen  über  Ittel* 
nisehen  elementarunterricht.   dieselben  lantens 

1)  der  lateinische  elementamnterriebt  mnsz  Ton  der  menge  der 
jetzt  dabei  verwendeten  bücber  befreit  werden. 

2)  das  übersetzen  aus  dem  lateinischen  verdient  den  vorzog 
vor  dem  übersetzen  in  das  lateinische. 

8)  ersKhlongen  sind  geeigneter  sn  der  ersten  leetfire  als  ge» 
sprftche. 

4)  die  Übersetzungen  ans  der  mnttersprache  sind  mehr  mfind- 
lich  zu  machen,  als  schriftlich,  die  bis  jetzt  dabei  gebrauchten 
hülfsbücher  gehören  nicht  in  die  bände  des  Schülers. 

6)  mit  dem  sprechen  des  latein  kann  schon  aaf  dieser  stofe 
begonnen  werden. 
Bekstein  erklärte  es  für  überflüssig,  fiber  die  thesen  im  aligemei- 
nen  zu  sprechen,  er  liabe  kein  eigentliches  sTStem  aufstellen,  sondern 
nur  einige  fragen  anregen  wollen;  deshalb  hätten  auch  seine  thesen  nicht 
die  Überschrift  ^über  den  lateinischen  elementarunterricht',  sondern  'über 
lateinisehen  elementamnterrioht*.  man  sah  aneh  somit  von  einer  aUie* 
meinen  disenssion  ab  und  Eckstein  gieng  sogleich  zur  erklärnng  der 
ersten  these  über,  die  er  dahin  präcisierte:  ne  pueri  mnltitndine  libromm 
onerentur;  die  unglücklichen  knaben  müsten  sich  manchmal  mit  vier 
büchern  abplagen,  auf  eine  bemerkung  des  dir.  Steinbart  aus  Daii' 
barg,  welcher  die  these  ursprünglich  ganz  anders  verstanden  hatte  ood 


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deaiacher  pbüologen  und  Bchalrnftnner  in  Wie«baden. 


III 


Bich  eine  nähere  erklarung  derselben  ausbat,  wies  Eckstein  auf  these 
4  hin,  aus  welcher  sich  die  erklärung  ergebe,  er  wolle  nur  ein  latei- 
aisehes  Usebaeh  und  grammatik  und  iwar  beide  in  einem  bnclie  rer- 
^igt,  wilirend  die  schüler  der  untersten  classe  häufig  mit  lesebuch, 
grammatik ,  yocabularium  und  Übersetzungsbuch  belastet  seien,  damit 
erklÄrte  sich  Probst  unter ^flem  ausdrnck  seines  dankes  für  einver- 
standen, während  Schultz  es  bedenklich  fand,  wenn  die  quinta  schon 
ein  neaee  lehrbucb  bekomme  und  deshalb  schon  von  sexta  an  den  ge- 
braaeb  einer  grammatik  empfabl,  wie  aneh  ein  übersetsnngsbneb  aus 
dem  deutschen  ins  lateinische  und  riee  versa  für  unbedingt  n5tig  er- 
klärte. Eckstein  fand  die  erklärnng  von  Schulz  sehr  be^^rei  flieh, 
sachte  aber  die  discussion  von  der  frage  über  die  einrichtung  von  lehr- 
bUcbern  abzulenken  und  hob  nochmals  hervor,  dasz  er  nur  die  zu  grosze 
mU  derselben  beseitigt  in  seben  wfinsebe. 

Als  nun  von  einer  andern  seite  darauf  anfmerksam  gemaobt  warde, 
dasz  sich  die  discussion  nicht  innerhalb  der  gesteckten  grenzen  halte, 
niid  man  einmal  zunächst  über  these  1  abstimmen  solle,  fand  Stein- 
bart  vorher  eine  abstimmung:  über  these  2  und  4  nötig,  ein  Vorschlag, 
den  Eckstein  durch  die  crkläruug  ^u  entkräften  suchte,  dasz  die 
these  J«  nnr  einen  allgemeinen  gmndiats  ansspreebe  nnd  den*  Qbrigen 
thesen  niebt  Torgreife.  Wittxcb  ans  Cassel  erklärte  dagegen,  dass, 
wenn  man  gegen  die  Überlastang  der  schüler  mit  zu  vielen  büchern 
spreche,  es  auch  gewis  gerechtfertigt  sei  danach  zu  fragen,  wie  abhülfe 
geschafft  werde,  und  empfahl  für  die  unteren  classen  ein  lehrbuch, 
welches  grammatik  mit  überaetzungsstoff  vereinige,  nach  dem  princip 
von  Scheeles  Torsebnle,  wodurch  den  Probstseben  wönseben  entsprochen 
und  die  Scbnltsseben  bedenken  beseitigt  würden.  —  Nach  diesem  etwas 
ausführlichen  expose  drang  man  auf  schlusz  der  debatte  nnd  nabm  die 
erste  these  gegen  eine  geringe  minorität  an. 

These  2  rief,  wie  man  wol  erwarten  konnte,  eine  lebhafte  discus- 
•ioo  hervor,  besonders  waren  et  die  tebnlrithe  8ebr ader  nnd  Scbnlts, 
die  sich  über  dieselbe  verbr^teten.  ersterer  sog  gleich  these  4  mit  in 
die  discussion  und  hob  hervor,  dasz  die  concrete  aaschauung  der  latei- 
nischen spräche  verstärkt,  dasz  der  stoff  überliefert  und  die  kräfte  da- 
ran geübt  werden  müsten.  ausgehen  müsse  man  vom  lateinischen  satze, 
daran  die  regeln  knüpfen  und  sie  am  übersetzen  aus  dem  deutschen  ins 
Uteinisebe  einüben,  wftbrend  Sehrader  somit  die  tiiese  annahm,  be- 
schränkte Schultz  ihre  gültigkeit  auf  die  oberen  elaasen,  während  er 
für  die  unteren  gleichmäszigkeit  in  dem  übersetzen  aus  dem  deutschen 
ins  lateinische  und  dem  aus  dem  lateinischen  ins  deutsche  verlangte, 
damit  gelegenheit  gegeben  werde,  die  formen  recht  sicher  einzuüben, 
hierauf  roraeh  sieh  noeh  dir.  Meyer  aus  Parcbim  in  nnsfahrlieher  rede 
fdr  die  these  ans,  während  von  anderer  seite  anstosa  an  dem  ansdrnck 
Worzug*  genommen  und  dadurch  ein  Vorschlag  Prob  sts  zur  Umformung 
der  these  in  die  worte:  'auf  das  übersetzen  aus  dem  lateiöischen  ist 
das  hauptgewicht  zu  legen'  veranlaszt  wurde,  die  Versammlung  erklärte 
sich  jedoch  für  die  Ecksteinsche  fassung. 

Hiermit  scbloss.die  sitinug,  und  man  kam  überein,  sieh  sa  einer 
dritten  Sitzung  nachmittags  nm  4Vs  yereinigen. 

Obwol  die  anstrengungen  des  morgens  und  das  während  der  ganzen 
Versammlung  herschende  schöne  wetter  es  anders  erwarten  liesz,  war 
die  nachmittagssitzung  zahlreich  besucht  und  verrieth  durchaus  keine 
sbspannong  der  Icräfte*  nachdem  das  präsidium  einige  geschäftliche 
Angelegenheiten  erledigt  hatte,  verteidigte  Eckstein  seine  dritte  these. 
fort,  begann  er,  mit  den  einzelnen  sätzen  bei  dem  ttberaetsen  ans  dem 
lateinischen  ins  deutsche,  dieselben  seien  erst  in  der  neuen  zeit  in  die 
lateinischen  Übungsbücher  gekommen.  Jakobs  habe  sie  ursprünglich 
gar  nicht  gehabt,  jetzt  reichten  die  Ostermannschen  bUcher  bis  In  die 
V^rta.  gerade  diese*  einxelnen  sätse  seien  aber  dasu  angcthan,  die 


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112       Bericht  über  die  yerhandlungen  der  32u  yersammlung 


sehfiler  in  serstrenen,  indem  sie  swaoiig  Tenehiedene  dinge,  aas  der 
naturgeschichte,  geschichte,  geographie  usw.  hinter  einander  brächten, 
diese  einzelsatze  müsten  beseitigt  uiid  dafür  zusammenhängende  lese- 
stücke,  erzählungeu  gegeben  werden,  redner  berief  sich  dabei  aaf 
frühere  praxis,  namentlich  dasz  wir  selbst  in  Deotseblaad  ein  soleliss 
buch  gebebt  bitten,  wie  aneb  die  Fran^sen  das  ihrige,  so  existiere 
der  kleine  Livius  und  Herodot.  nachdem  Eckstein  seine  ausführangen 
mit  den  worten:  ^also  tod  den  einzelnen  Sätzen,  dafür  historischen  latei- 
nischen Stoff  zur  lectüre\  geschlossen  hatte,  wendete  sich  Schultz  gegen 
ihn  und  gab  zu  bedenken,  dasz  es  niemand  fertig  bringe,  den  verlangten 
Stoff  für  sexta  snreebt  sn  legen,  wenn  es  aneb  fttr  qnlnta  gebe,  in  der 
sezta  müsten,  damit  die  formen  eingelernt  und  geübt  würden,  satze  ge- 
braucht werden.  Eckstein  habe  bemerkt,  dasz  die  einzelsätze  erst  in 
der  ueuzeit  eingeführt  worden  seien,  das  liege  aber  nicht  in  der  Sache, 
sondern  darin,  dasz  man  früher  das  lateinische  nicht  im  neunten,  son- 
dern im  sw5lfteo  jabre  begonnen  bebe,  jetit,  da  man  mit  nennjSbrigen 
knabeii  arbeiten  müsse ,  welche  kaam  die  detttsoben  formen  kennteo, 
da  es  wesentlich  darum  aa  thuu  sei,  formengewandtbeit  sa  enielen,  sei 
dies  nicht  möglich. 

Dies  bestritt  Eckstein  entschieden,  indem  er  aus  der  geschiebte 
der  plidagogik  nacbwies,  dasa  die  alte  lateinlsebe  schale  ibre  sobfiler 
als  ABC-sebftler  bekommen  babe,  und  doch  nie  von  einzelnen  sätzen 
die  rede  gewesen  sei;  ond  wenn  man  sage,  die  einzelnen  sätze  wären 
nötig,  so  behaupte  er,  dasz  gerade  durch  die  einzelnen  sätze  heatzatsge 
die  einübuug  der  formen  geschädigt  werde. 

Scbults  reebtfertigte  dem  gegenüber  seine  bebanptung  damit,  dsn 
man  in  seiner  jagend  im  lln  jähre  das  lat^niscbe  angefangen  habe 
nnd  deshalb  mit  sätzen  habe  beginnen  können. 

Nachdem  noch  Steinbart  hervorgehoben  hatte,  dasz  bis  jetzt  kein 
buch,  wie  es  sich  Eckstein  vorstelle,  existiere,  und  es  deshalb  bei  den 
einselnen  sfttsen  bleiben  mfisse,  and  Eckstein  noehmals  für  seine  then 
gesprooben  batte,  worde  dieselbe  mit  bedeutender  majoiitttt  ange- 
nommen. 

Bezüglich  seiner  vierton  these,  zu  deren  Verteidigung  sich  nun 
Eckstein  wendete,  erklärte  er,  auf  den  meisten  widerstand  gefaszt  zu 
sein,  sebr  bftafig,  behauptete  er,  liege  der  nnteniobt  der  untersten 
dessen  in  den  bänden  jonger  lebrer,  was  anders  sein  sollte,  wenn  aadi 
manche  meinten,  man  müsse  von  der  pike  auf  dienen,  die  Übungs- 
beispiele müsse  der  lehrer  selbst  bilden,  sein  lebendiges  wort  vermöge 
weit  mehr,  als  hülfsbücher  in  den  bänden  der  schüler.  wenn  die  lebrer 
die  wahre  frende  an  ihrem  berufe  hätten ,  so  müsten  sie  sieb  aneb  die 
mühe  nehmen,  die  betspiele  za  bilden,  wenn  anch  der  lebrer  ein  ge- 
drucktes  buch  zu  hause  habe,  so  solle  er  doch  damit  nicht  vor  die 
schüler  treten,  es  müsse  mehr  mündlich  als  schriftlich  übersetzt,  we- 
niger zu  hause,  mehr  in  der  schule  gelernt  werden,  wenn  man  der 
Jugend  nicht  die  lost  am  lernen  verleiden  wolle,  so  solle  man  das  meiste 
von  ihr  mündlich  machen  lassen,  wobei  ja  das  scbriltlicbe  nicht  gaos  i 
aasgeschlossen  sei. 

Schultz  erklärte  sich  mit  dem  ersten  teil  der  these  einverstanden 
und  räumte  ein,  dasz  die  mündlichen  Übungen  fördernder  seien,  als  die 
■diriftlicben.  das  habe  er  öfters  hervorgehoben,  wenn  dies  übrigens 
dabin  gedentet  werden  solle,  dass  die  eKtemporsUen  nnd  exereitien 
keinen  werth  hätten,  so  müsse  er  Widerspruch  elsl^pm.  es  sei  auch 
schon  für  den  sextaner  wichtig,  dasz  er  schreibe,  und  zwar  nicht  blosz 
in  der  schule,  sondern  auch  zu  hause,  un^  hier  müsse  er  es  auch  in 
ordentlicher  form  thun,  denn  hier  habe  er  zeit  zum  besinnen,  solche 
arbeiten  wären  geeignet  sein  Selbstgefühl  au  wecken.  —  Den  tweiten 
teil  der  these  dagegen  fand  redner  sehr  bedenklich,  er  beiweifelte, 
dass  die  lebrer»  seien  es  ältere  oder  jüngerei  sofort  jederseit  geeignete 


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dentooher  philolog«ii  und  jchnlminper  In  Wiesbaden. 


IIS 


beispiele  znr  hand  hätten,  die  ebenso  put  seien,  als  ein  buch  sie  gehe. 
aUerdiogs  solle  der  schUler  so  wenig  als  möglich  ein  buch  in  den  h&n- 
den  haben,  der  lehrer  aber  könne  es  alebt  entbehren. 

Meyer  ane  PareUm  nabm  bieran  anlass,  sich  fiber  die  eztempo* 
ralien  aasEosprechen  und  auf  das  mitverhältait  swiseben  den  leistnnfen 

in  der  schule  und  denen  Im  hause  aufmerksam  zu  machen,  die  extem- 
poralien  schied  er  in  übunps-  und  prüfungsextemporalien.  Sachen,  Hie 
der  Schüler  genau  kenne,  solle  er  fixieren,  und  am  ende  des  viertel» 
jahres  könnten  dann  extemporallen  cur  prüfang  eintreten,  vor  allem 
aber  mfiiae  die  aogst  der  schüler  Terb&tet  werden,  die  bei  manchen  oft 
die  überwiegende  Ursache  der  fehler  sei;  und  es  dürfe  den  schülern 
Bichts  zugemutet  werden,  als  was  sie  wirklich  fertig  bringen  könnten. 

Darauf  sprach  sich  Steinbart  für  den  ersten  teil  der  these  ans, 
griff  dagegen  den  zweiten  um  so  schärfer  an.  er  betonte  mit  Schultz, 
dasz  es  keine  lehrer  gebe,  die  den  anforderungen  Ecksteins  entsprächen, 
UBSomehr,  da  der  lateinische  elenientaninlerriebt  meistens  den  an- 
Tängem  anvertraut  werde,  besonders  hob  er  aber  hervor,  wie  notwen- 
dijj  es  sei,  dasz  die  bücher  sich  auch  in  den  liänden  der  aohiilor  be- 
tändeu,  weil  dadurch  auch  vorteile  für  die  urthoprraphie  erwüchsen, 
indem  die  knaben  durch  das  bnch  gelegenheit  fänden  sich  das  wortbild 
eiozuprägen.  endlieh  ermüde  des  enge  lange  nicht  so  schnell,  als  das 
ohr.  unmSglich  sei  es,  die  anteerksamkeit  des  sebttlers  «Ine  ganse 
stunde  lang^  zu  fesseln,  wenn  er  nur  höre,  er  müsse  auch  sehen,  was 
er  übersetzen  solle,  man  möge  für  den  sweiten  teil  der  these  eine 
mildere  form  wählen. 

Wen  dt  ergriff  nochmals  das  wort»  nm  sieh  gegen  die  eztempera- 
neasn  wenden,  die  allerdings  aar  wahren  nottesgeissel  werden  könnten, 
wenn  man  solche  schreiben  lasse,  so  solle  man  dit>  forderungen  nicht 
zu  hoch  stellen,  wenn  nicht  die  meisten  schüler  die  aufgaben  richtig 
lieferten,  so  seien  eben  die  aufgaben  ungeeignet,  ausaerdeai  solle 
man  die  kinder  nichts  sehreiben  lassen«  was  sie  nicht  auch  schön  schrei* 
ben  könnten,  damit  die  handschrift  nicht,  wie  das  vielfach  vorkomme, 
verdorben  werde.  —  Uebri^'ens  könne  atich  der  mündliche  Unterricht 
mechanisch  werden,  weil  bei  der  frisclie  des  jugendlichen  gedächtnisses 
auch  nach  wocben  die  übersetsung  haften  bleibe  und  dann  gedankenlos 
hergesagt  werde, 

Jäger  sprach  sich  nun  noch  bezüglich  des  zweiten  teils  der  these 
fiir  Steinbart  aus  und  wies  auf  die  Schwierigkeit  hin,  wie  man  50 — 60 
schüler  ohne  buch  eine  stunde  in  anfmerksamkeit  erhalten  solle,  das 
könne  kein  engel  fertig  bringen  (beifail).  man  könne  die  schüler  durch 
«Itsn  viele  mündliche  fibungen  anch  aUsnschlagfertlg  machen;  dann 
entstehe  aber  ein  auffallender  nntersehied  swiMhen  mündlichen  and 
schriftlichen  leistnngen. 

Probst  suchte  hierauf  noch  eine  lanze  für  die  jüngeren  lehrer  zu 
brechen  und  meinte,  man  dürfe  ihnen  doch  mehr  zutrauen,  als  es  von 
nanehen  selten  geschehe,  durch  Variationen  der  gelesenen  stücke 
konnten  sich  dieselben  lei<;lit  das  nötige  satsmaterial  verschaffen. 

Naclidem  endlich  nocli  Eckstein  auf  den  geringen  voriv,.»  ^er 
lehrbücher  für  die  Orthographie  hingewiesen  hatte,  in  welcher  beziehnng 
die  Wandtafel  die  hauptsache  thun  müsse,  schritt  man  zur  ahstimroong 
Tud  nahm  den  ersten  -teil  der  these  mit  grosser,  das  Sohnitssebe  amen- 
dement  des  sweiten  teils  s 

'den  Schülern  selbst  sind  dabei  hfilfibtteher  mögliehst  wenig  in 

die  bände  zu  geben' 

mit  sehr  zweifelhafter  majorittt  an.    die  Ecksteinsche  iassung  des 

zweiten  teils  fiel  somit  ganz. 

lieber  die  öe  these  kam  es  zu  keiner  discussion.  sie  wurde  in  au- 
srkennnng  des  von  Eckstein  hervorgehobenen  vorteile,  dass  selbst  auf 

.  5.  jahrb.  f.  phil.  u.  päd.  II.  abt.  iblS.  bft.  2.  8 


k 


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I 


114      Bericht  über  die  verliandlttiigeii  der  S2n  versammlnng 

den  untersten  stufen  die  sprechversuche  zur  belebung  des  Unterrichts 
dienen  können,  mit  majorität  snffenommen. 

Obwol  es  sebon  anfieng  dnnlcel  sa  werden,  beschlosz  man,  wenn 
auch  keine  eigentliche  discussion  mehr  möglich  sei,  doch  in  rücksicht 
auf  den  in  der  morgensitzuug  gefaszten  beschlusz  Meyer  noch  für  seine 
these  das  wort  zu  geben,  war  aber  höchst  erstaunt  zu  hören,  dasz  er 
nicht  anwesend  sei 

Naehdem  noeh  Sehrader  dem  prlsidinm  den  dank  für  seine  thfttig- 
keit  Ausgesprochen  hatte,  schlosz  man  die  sitzuug. 

Wie  man  auf  die  gewis  von  vielen  gewünschte  begründung  der 
etwas  paradox  klingenden  Meyerschen  these  hatte  rerzichten  müssen,  so 
hatte  die  Versammlung  auch  keine  zeit  erübrigen  können,  theaen  von 
Holsweiesig  'über  die  Terwerthung  der  vergleiehenden  spraehfonebong 
für  die  elementare  darstellnng  der  gfieehiaehen  casnssyntaz'  aar  be- 
sprechung  sn  bringen. 

Hoffen  wir,  dasz  die  gesetzgebenden  behörden  dem,  was  eine  grosse 
Versammlung  von  so  vielen  anerkannten  autoritäten  als  ihre  ansiebt 
ausgesprochen,  ihre  wohlwollende  anfinerksamkeit  anwenden.  j 

Mathematisch-natur wissenschaftliche  section.  | 
(bericht  des  hrn.  prof.  Unveraagt  in  Wiesbaden.)  | 

Die  Sitzungen  der  section  waren  von  ungefähr  70  teilnehmern  be- 
sucht, die  erste  Zusammenkunft  fand  mittwoch  den  26  September  nach 
der  ersten  Plenarsitzung'  statt,  man  wählte  als  versitzenden  prof.  Un-  1 
verzagt  aus  Wiesbaden,  stellte  die  tagesordnung  für  die  folgenden  I 
tage  fest  und  erklärte  ee  als  durchaus  nötig,  daes  ffir  sukünflige  Ver- 
sammlungen die  themata  der  zu  haltenden  vortrage  und  die  einzu- 
bringenden thesen  in  den  betreffenden  fachlättern  frühzeitig  durch  den 
jedesmaligen  geschäftsführer  bekannt  gemacht  würden. 

In  der  zweiten  Sitzung,  donnerstag  den  27  September,  vormittags  \ 
Ton  8—10  Uhr,  hielt  hr.  prof.  GUnther  aus  Ansbach  einen  längern  | 
Tortrag.  er  sprach  über  ^die  pädagogisch  verwerthbaren  mathematisches  j 
errungenschaften  der  neuzeit*.  i 

Der  redner  betonte  zuerst  die  notwendigkeit,  dasz  der  lehrer  an  , 
gymnasien  und  realschuleu  in  contact  bleibe  mit  den  förderern  der  : 
wissensehaft  auf  unseren  hoehsehulen,  nicht  um  dadurch  eine  ausdehnnog 
des  mathematischen  lehrpensums  in  jenen  schulen  herbeizufuhren,  son- 
dern nra  den  bisherigen  lehrstoff  nm  so  intensiver  bearbeiten  zu  kön- 
nen und  um  durch  ausblicke  auf  neue  Stoffe  tind  durch  andeutungen 
über  ferner  liegende  gebiete  anregung  und  lust  zu  weiteren  Studien  zu 
geben. 

Als  in  diesem  sinne  geschrieben  empfiehlt  er  besonders  die  lebr- 
büchcr  von  Frischauf,  sowie  Matthiesens  Schlüssel  zur  aufgaben- 
sammluno-  von  lleis.  der  redner  p^eht  sodann  zu  den  arbeiten  aus  den 
einzelnen  zweigen  des  mathematischen  gebietes  über,  soweit  diese  in 
das  bereiehdes  lehrpensums  fallen,  in  bezug  auf  atigemein  grund* 
legende  theorieen  erwähnt  er  die  arbeiten  von  Hankel,  Sehwars, 
Thomä  und  Du  Bois-Reymond,  die  sich  teilweise  mit  dem  Zusammen- 
hang zwischen  den  functionen  und  ihren  differentialquotienten  beschäf- 
tigen; für  einzelne  fälle  continuierlicher  functionen  ist  dadurch  nach* 
gewiesen,  dass  eine  ableitung  fehle,  eine  stetige  ourve  also  ohne  be- 
rührende gedaeht  werden  könne,  eheneo  wird  erwähnt,  dasz  G.  Cantor 
und  Stolz  gezeigt,  wie  gewisse  reihen  mit  einer  variabeln,  trotz  ihrer 
Stetigkeit,  nicht  gleichmäszig  convergent  seien,  redner  führt  femer  als 
beacbtens Werth  für  den  lehrer  an  die  arbeiten,  welche  mit  der  geo- 
metrischen deutung  des  imaginären  ausammenhängen ,  so  Tor  allem 
die  ausdehnungslehre  von  Grassmann,  die  reehnnng  mit  äquipoUenaea  ' 


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deatseker  philologen  und  Bchalmftnner  in  Wiesbadfln.  115 


von  Bellavitis,  die  rechnnng  mit  geometrischen  grossen  von  Dillner  und 
die  theorie  der  quaternionen  von  Unverzagt  als  Weiterbildung  der  Ha> 
mUtonsclieB  qvaternSonen.  ala  andere  hierher  gehörige  empfehlent- 
wertbe  arbeiten  worden  erwähnt  Dedekinds  schriftchen  über  Stetigkeit 
und  irrationalität  und  E.  Schröders  operationskreis  des  logicalcüls. 

In  bezng  auf  die  arithmetik  verlangt  redner  l)e8chränkung  im 
lösen  von  aufgaben,  dagegen  empfiehlt  er  die  einführung  der  schüler  in 
die  allgemeinen  methoden  der  tramformatiou ,  wodurch  der  grad  der 
gleichnngen  herabgedrfickt  wird,  ge|[fenfiber  einer  grossen  Isr^^ett  in 
<knifftologie%  d.  h.  konststfioken  im  lögen  elnselner  tehwierigkeiten  bei 
quadratischen  gleichungen  nsw,  Muithiesens  oben  genanntes  buch  wird 
auch  hier  wieder  angeführt  als  vielfach  anhaltsponote  in  dieser  be- 
ziehung  gebend. 

In  bezug  auf  die  elementare  lehre  von  den  reihen  wird  iümr  den 
mangel  an  ^ten  werken  geklagt,  die  eine  znaammenfassnng  denen 
gäbeo,  was  in  neuerer  zeit  hier  geleistet  wurde;  als  ersatz  wird  auf 
die  mathematischen  Zeitschriften  und  auf  Sohrödere  monograpliie  Uher 
allgemeine  harmonische  reihen  hingewiesen. 

Das  gebiet  der  eigentlichen  combinatorik  läszt  in  unsern  schulen 
kamn  eine  erweitemng  in.  dagegen  mnes  die  lehre  von  den  determi- 
nanten  immer  allgemeiner  eingeführt  werden,  deren  Verwendbarkeit 
durch  neuere  arbeiten  von  Kägelsbach,  Lnoas,  Glaisher  nnd 
Diekmann  immer  mehr  hervortritt.'* 

In  der  Wahrscheinlichkeitsrechnung  könnte  besonders  die 
TOtt  den  Engländern  gepflegte  geometrieehe  wahreeheinliehkeit  leicht 
den  natenienteswecken  direet  anrnpasat  werden. 

Die  neuere  geometrie  will  redner  im  gegensats  zti  den  ansiohten 
Fiedlers  und  Hancks  in  den  gewöhnlichen  cursns  der  Euklidischen  geo- 
metrie eingeflochten  haben,  zug-leich  mit  beseitigung  der  herkömmlich 
gezogenen  schranken  zwischen  planimetrie  und  Stereometrie,  wie  dies 
in  den  lehrbflchem  von  Hnbert  Mttller,  Rnd.  Wolf  nnd  Frisch- 
anf  schon  angebahnt  sei. 

Die  fundamentalen  entdeckungen  und  untersuchungfen  von  Riemanu 
und  Helmholtz  in  bezug  auf  die  geometrischen  principien  empfiehlt 
redner  ebenfalls  der  beachtung  der  lehrer  und  nennt  als  besonders  ge- 
ekoet  inr  raschen  einführung  und  Orientierung  auf  diesem  gebiete  die 
kleine  sehrift  Brdmanna  fiber  die  principien  der  geometrie. 

Dem  penaom  der  etereometrie  könnten  verbessemnfen  dadurch 
werden,  dasz  man  die  erweiternngen  der  polyedersätze  von  Descartes 
und  Euler  beachtet,  wie  sie  sich  schon  in  Beckers  dementen  der  geo- 
metrie finden,  ebenso  durch  hereinziehung  der  sätze  von  Hess  über  halb- 
regulire  kSrper. 

Im  Unterricht,  in  der  trigonometrie  wünscht  prof.  Günther  eine 
gröszere  berücksichtigung  der  historischen  entwicklung  dieser  wichtigen 
disciplin;  ferner  ein  hereinziehen  des  Legendreschen  satzes  über  den 
zasammenhang  des  sehnen-  und  kugeldreiecks  in  der  einfachen  gestalt, 
die  der  beweis  des  satzes  durch  Neil  und  Mertens  (ISchlömilchs  zeit- 
Bohiift  bd.  18  n.  Sl)  erhalten  hat. 

In  der  mechanik  will  der  vortragende  mehr  die  grundlehren  der 
kinematik  (mechanik  ohne  rncksicht  auf  massen  und  kräfte)  und  die 
lehren  der  graphostatik  um  ihrer  fruchtbarkeit  willen  herangezogen 
sehen. 

In  der  mathematischen  geographie  werden  als  ausgangspunct 
die  erseheinnngen  der  tSgliehen  beobaehtnng  imd  nicht  das  Oopernika* 

nisehe  System  verlangt  unter  hinwetrang  auf  die  richtigen  ansiebten 
Pieks  in  den  Zeitschriften  Ton  Hofmann  nnd  Kolbe« 


das  treffliche  werk  des  redners  über  determinanteu  hätte  hier 
nol  andi  enrihnnng  finden  sollen. 

8* 


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116       Bericht  über  die  Verhandlungen  der  32n  veiäammlung 


Der  so  inbaltsreiche  vertrag  wurde  mit  dem  grSstei»  interetee  vee 

der  zahlreichen  versammlang  aufgeDommen. 

Ein  zweiter  vertrag  wurde  von  hrn.  prof.  dr.  Cantor  aoB  Heidel- 
berg gehalten  über  die  lösung  der  gleichung 

— 

Der  redner  gab  in  geiatreielier  weiee  eine  analytiBebe  Ideong,  in- 
dem er  kx  annahm;  sedaiin  eine  geemetriselie  mit  muieiimig  einer 
bilfflcorve,  deren  gleiohaug 

„  ,  log  { 

war,  indem  er  mit  Jakobi  betonte,  dass  nnr  die  Texeinigiing  beider  wege 

zu  bedeutenden  zielen  führe. 

Zuletzt  sprach  prof.  Unverzagt  über  'die  ziele  des  matbemati- 
ecben  nnterrfettts  in  den  realsebnlen  ereter  Ordnung'. 

Redner  geht  davon  auf,  dasz  er  die  im  allgemeinen  geringe  fre- 
quenz  der  oberclassen  der  realschulen  erster  ordnung^  erwähnt;  als 
g^rund  hiervon  gibt  er  vorwiegend  an  die  nicht  hinreichende  ausnützuog 
des  normallehrplanes,  wie  derselbe  für  Preuszen  im  Jahre  1859  fest^- 
Stellt  wurde,  durcb  olfieielle  angaben  ist  bebannt,  das«  in  Preosseo 
die  provinz  Hessen-Nassau  relativ  die  meisten  abitarienten  von  real- 
schulen erster  Ordnung  hat,  und  zwar  bis  jetzt  besonders  durch  das 
realgymnasium  in  Wiesbaden,  worin  z.  b.  in  diesem  jähre  in  oberprima 
22,  in  Unterprima  35  schüler  sind,  die  anstalt  ist  eine  realschule  erster 
Ordnung,  die  von  den  fibrigen  sebulen  dieser  art  dadureb  abweiebt,  dais 
die  mathematischen  lehrfächer  weiter  geführt  werden,  als  dies  aonstwo 
der  fall  ist.  zur  feststellung  dieser  thatsache  liegen  im  saale  die  mathe- 
matischen arbeiten  der  abiturienten  aus  den  jähren  1874,  1875  und  1876 
zur  beurteilung  auf,  anszerdem  sechs  grosse  mappen  mit  Zeichnungen 
ans  dem  gebiete  der  darstellenden  geometrie,  weuiie  vor  einigen  Jahren 
in  Berlin  ausgestellt  waren  und  bä  sachkundigen  grosse  anerkennoiig 
landen,  die  arbeiten  der  abiturienten,  sn  deren  anfertigung  man  fünf 
stunden  zeit  gewährt,  bezogen  sich  auf  fragen  aus  der  sphärischen  tri- 
gonometrie  und  deren  anwendungen,  auf  differential-  und  Integralrech- 
nung und  deren  benutzung  in  der  analysis,  geometrie  und  mecbanijE. 
in  der  analytisdien  meebanik  waren  vorwiegeiui  kinematiscbe  probleoe 
gelöst;  die  darstellende  geometrie  endUeb  führte  durebdringnngen 
krnmmer  flächen  und  schattenconstructionen  vor.  an  diese  arbeiten, 
die  groszen  beifall  fanden,  anknüpfend,  zeigt  nun  redner,  dasz,  wenn 
man  in  quart«  und  den  beiden  tertien  in  drei  wöchentliohen  stunden 
Planimetrie  durebnebme,  eine  gleiobe  stundeniahl  in  den  beiden  secuii- 
den  auf  Stereometrie  und  trigonometrie  verwende,  feraer  die  arithmetik 
in  den  beiden  tertien  und  secunden  bis  zur  lösung  cubischer  gleich ungen 
führe,  dasz  man  dann  noch  vollständig  zeit  habe,  in  den  zwei  primen 
die  elemente  der  analytischen  geometrie  nebst  einer  reihe  wichtiger 
lehren  aus  der  differential-  und  integralreebnung  und  ibren  anwendnngen 
in  der  classe  vorsutragen,  daneben  noob  darstellende  geometrie  aus- 
führlich lehren  und  einüben  könne,  ebenso  die  wichtigsten  lehren  der 
kinematik.  dies  alles  sei  möglich,  ohne  dasz  eine  stunde  mehr  ver- 
wendet werde,  als  der  normalplan  von  1859  den  realschulen  erster  ord« 
nung  fär  matbematlk,  naturwissensebaft  und  seiebnen  zugesteht  nnd 
ohne  den  übrigen  fächern  durch  Überlastung  der  schüler  zu  nahe  zu 
treten,  freilich  müsse  eine  weise  beschränkung  im  lösen  guter  aufgaben 
eintreten,  das  arbeiten  müsse  vorwiegend  in  der  classe  geschehen,  den 
Schülern  aber  lust  und  freude  an  der  sache  bereitet  werden  durch  die 
fülle  neuer  ansebauungen  und  begriffe  und  dureb  die  einfttbmng  in 
grosze  Probleme  und  umfassende  tbeorien.  damit  den  realschulen  ein  • 
schärferes  und  eharakteristisoheres  gepittge  werde,  will  der  vortragende, 


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deutscher  plulologen  und  BchulmSnner  in  Wiesbaden.  117 


dasz  die  mathematisch-naturwissenschaftlichen  Stadien  den  schwerpnnct 
dieser  anstalten  bilden,  Studien,  die  freilich  erst  in  den  höhen,  wie  sie 
hier  i^efordert  werden,  die  wirklich  grosse  formal  und,  «iras  bis  jetzt 
dorohsoi  nicht  genug  betont  worden  eei,  noch  materiell  (inhnitlich) 
bildende  Wirkung  haben,  wie  solches  ffir  die  oberclassen  nötig  sei.  die 
diirchführbarkeit  des  angedeuteten  planes  sei  seit  20  jähren  durch  die 
Wiesbadener  anstalt  bewiesen,    sie  suchte  die  genannten  ziele  schon 
seit  1857  zu  erstreben,  und  erreichte  dieselbe  im  wesentlichen  früher 
bei  nur  aehtjShrigem  enrae,  wie  die  abitnri«Btenarbeiten  ans  1874  aeigen, 
bei  solcher  Vorbildung  können  die  abitnrienten  aaf  hochschnlen  sofort 
ihre  fachstudien  beginnen  —  könnten  namentlich  die  mediciner,  die 
früher  vielfach  ihre  Vorbildung  auf  dem  roalgymnasium  suchten,  auf 
der  Universität  direct  an  das  wissenschaftliche,  d.  h.  auf  mathematik  ge- 
gründete Studium  der  physiologie  und  physik  gehen,   eitern  und  schüler 
wfirden  aber  bald  Interesse  an  anstalten  nehmen ,  die  neben  tftchtiger 
TorbiMong  für  den  snkänftigen  beruf  dnreh  das  herantreten  an  die 
groszen  gedanken  und  ideen  der  modernen  exacten  Wissenschaften  in 
etwas  wenigstens  ersatz  leisten  für  deu  mimfjel  der  bei  ihren  Zöglingen 
etwa  durch  die  beschränktere  einführung  in  das  leben  der  alten  cultur- 
Tdlker  sn  tage  treten  Jcönnte.    neue  berechtiguugen ,  meint  der  yor- 
tiigende,  könnten  den  realsehnlen  nnr  auf  gmnd  nener  leistnngen 
werden. 

Freitag  den  28  September  fand  die  dritte  sitzung  am  morp^en  von 
8— 10  nhr  statt,  man  trat  sofort  in  eine  discussion  über  den  vorstehend 
skizzierten  vertrag  ein.  prof.  Unverzagt  widerlegte  die  angrifife  und 
bedenken,  die  Ton  selten  des 'hm.  dir.  Heilermann  ans  Essen,  des 
hm.  rector  Fischer  ans  Lennep,  des  hm.  dr.  Stoltz  aus  Rheydt  ge> 
macht  wurden,  wegen  zu  raschen  vergebens»  wegen  Überladung  der 
Schüler  usw.,  wenn  der  oben  angedeutete  lebrplan  angenommen  würde, 
durch  hinweisung  auf  die  leistungen  und  die  frequenz  der  Wiesbadener 
snstalt,  durch  statistischen  nachweis  der  nicbtüberlastung,  welch  letzte* 
res  aneh  dnreh  anwesende  firmere  schüler,  daranter  der  praktische  erst 
dr.  Koch,  bestätigt  wurde,  yerfocht  er  seine  Vorschläge,  auch  prof. 
dr.  Cantor,  prof.  dr.  Gün t h  e r  und  dir.  dr.  Hildenbrand  ans  St,  Goars- 
hausen sprechen  sich  im  sinne  der  empfohlenen  erwciterung  und  schär- 
feren betonung  des  mathematischen  Unterrichts  aus,  namentlich  mit 
rQekricht  anf  die  berate  enielten  resnltate  und  weil  die  realgymnasien 
Württembergs  ebenfalls  differential«  und  Integralrechnung  lehrten,  bei 
1er  abstimmnng  über  die  von  prof.  Unverzagt  gestellte  thesis,  dasz  es 
wünschenswerth  sei,  dasz  den  realschulen  erster  Ordnung  das  recht  er- 
teüt  würde,  diflFerential-  und  integralrechnung  in  ihren  lehrplan  aufzu- 
nehmen, ergab  sich  eine  schwache  majorität  gegen  die  resolution,  welche 
daher  zum  bedanera  nnd  staunen  des  antragstellers  als  abgelehnt 
erschien. 

Herr  gymnasialoberlehrer  Brockraann  aus  Cleve  begründete  so- 
dann die  notwendigkeit,  dasz  in  der  prima  des  gymnasiums  sphärische 
trigoDometrie  als  obligatorischer  unterrichtsgegenstaud  gelehrt  werde, 
lir.  Brockmann  seigte,  dasz  sphärische  trigonometrie  dnrehans  notwendig 
sei,  HUI  eine  reihe  stereometriseher  betrachtnngen  sum  abschlnss  an 
bringen,  andererseits  aber  auch  dafür,  dasz  die  astronomische  geographie 
mit  einiger  aussieht  auf  günstigen  erfolg  betrieben  werden  könne,  nach 
kurzer  discussion,  wobei  prof.  Günther  bemerkte,  dasz  in  den  süd- 
deutschen gymnasien  sphärische  trigonometrie  bereits  gelehrt  würde, 
wurde  die  fliesis  bei  der  abstimmnng  fast  einstimmig  angenommen. 

In  der  vierten  seetionssitzung  am  nachmittag  desselben  tages  von 
^'/j  bis  gegen  6  ubr  sprach  hr.  Oberlehrer  Henrich  ans  Wiesbaden 
über  die  temperaturbestimmungen  im  bohrloche  zu  Sperenberg  und  über 
die  aus  denselben  gezogenen  Schlüsse,  diese  im  Steinsalz  angelegte 
bohraog  ist  bis  zu  einer  tiefe  von  4012  fusz  getrieben;  die  dabei  ge* 


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118 


PersonalnotizeiL 


machten  temperaturbestunmaQgen  haben  durch  die  auf  sie  banerten 
reehmmgeii  den  sehein  eneii|^,  alt  ob  die  tempertftar  der  eide  mdi 
dem  inneni  kin  abnehme,  hr.  dr.  C.  Vogt  und  hr.  prof.  Mohr  cogtn 
hierens  die  weitgehendsten  Schlüsse  in  beznpf  auf  die  unhaltbarkeit  de? 
Plutonismus,  die  aber  von  hrn.  Henrich  durch  prüfung  der  rechnungen 
und  mit  aufstellung  besserer,  den  beobachtnngen  sich  mehr  anpassen* 
der  formehi  ab  dareheae  ttbereilt  mid  siolit  begründe!  naehgewioien 
wurden. 

Zum  Bchlusz  sprach  noch  prof.  Unverzagt  über  quaternioneo, 
indem  er  von  biquaternionen  ausg^ieng-.  letztere  stellte  er  als  eine 
eigne  art  zahlen  dar,  die  sich  als  das  resuitat  der  messung  einer  strecke 
dnreh  eine  lie  kreuende  ergeben,  wenn  man  bei  dieser  meseang  nSekt 

blosz  die  Hingen  beider  linien,  sondern  auch  ihre  richtung,  die  stellaog 

der  dadurch  bestimmten  schiebt  und  die  läge  der  anfangspuncte  der- 
selben berücksichtigt,    sind  nemlich  b  und  a  zwei  kreuzende  streckeo, 
deren  anfange  in  b  und  a  sind,  und  zieht  man  durch  a  den  vector 
pariül^  und  gleich     so  ist 

wobei  hi  :  a  eine  sogenannte  gonioqnatemion  (Hamiltonecbe  quatenioB) 
ist,  die  sieh  anf  die  form 

9  -  si  (eos  (aft,)  +  i  sin  («*,)) 

bringen  ISsit,  wSbrend  die  longiqoatemione 

QwmeoB  (ab)  +  i  Bin  (aW 

ist,  wobei  m  das  absohite  aabiverbKltnis  von  hia  darstellt,  t  dagegea 

gleich  y  —  1,  j  aber  ein  eigentümlicher  factor  ist,  den  man  durch 
( —  1)®  darstellen  kann;  cos  aB  und  sin  ab  aber  sind  eigentümliche  räum- 
liche functionen,  in  bezug  auf  welche  redner  auf  seine  'theorie  der 
quaternionen'  verweist,  der  vortragende  deutete  noch  die  zerlegang 
der  qnatemionen  in  ▼iergliedrige  ansdrüeke  an  md  wies  dann  knrs  aaf 
die  reiche  Verwendbarkeit  dieses  sweigee  der  matheraatik  hin,  der  Ins 
jetzt  vorwiegend  in  England  gepflegt  worden,  der  aber  noch  eine  gr08i6 
menge  zu  untersuchender  probleme  für  jüngere  kräfte  böte. 

Die  Sitzungen  der  sectiou  wurden  von  dem  vorsitzeuden  mit  dem 
wnnsefae  gesehlössen,  dass  die  beteiligung  an  der  Tersamnifamg  in  Gen 
im  nächsten  jähre  von  selten  der  lehrer  der  mathematik  und  natorwisseS' 
sehaften  eine  ebenso  xahlreiche  sein  möge  wie  in  Wiesbaden. 


14. 

PEBSONALNOTIZEN. 

(ünteir  mitbenntsong  des  'centralblattes'  Yon  Stiehl  nnd  der  *aeit- 

sehrift  für  die  österr.  gymnasien'.) 


Bnennvnf^n«  feafSrdervncen«  versataaDipen«  avsaclciüi«Bfcn» 

Baehrens,  dr.,  ao.  professor  der  nniv.  Jena,  als  ord.  professor  der 
lat.  spräche  und  litterator  an  die  nniT.  OrÖningen  berufen. 

Bellermann,  dr.  Ludw.,  Oberlehrer  am  grauen  kloster  in  Berlin,  srnn 
director  des  Königsstädt.  gymn.  daselbst  ernannt. 

Bengoerel,  dr.,  director  des  Ijceums  zu  Ötraszburg,  erhielt  den  preosz. 
rothen  adlerorden  IV  cl. 

Boessoermenj,  oberl.  an  der  realsohnle  in  Dansig,  als  ^professor* 
prftdioiert. 


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Personalnotizen.  119 

Bona  Mej«r,  dr. ,  ord.  prof.  d«r  naiv.  Bonn,  erhielt  das  ritterkreus 

des  groszh.  mecklenb.  hwisordens  der  wendischen  kröne. 
Benitz,  dr.,  geh  reg^iemncmth  in  Berlin,  erhielt  den  edler  der  ritter 

des  hauaordens  von  Hohenzolleru. 
Brüll,  dr.,  ord.  lebrer  am  Matthiasgjmn.  in  Breslau,  als  Oberlehrer  au 

das  gynm.  in  ITeiese  berufen. 
Bitfen,  dr.,  oid.  lelirer  am  gymn.  in  Wieebnden,  alt  'oberlehnr* 

prädiciert. 

Cartius,  dr.  Erntt,  ord.  prof.  der  uni?.  Berlin,  anm  geh.  regiemnge* 
rath  ernannt. 

Choleyint,  dr.  prof.,  Oberlehrer  am  KneipbdÜMhen  gymnaeiom  in 
Königsberg,  erhielt  den  prevss.  rothen  adlerorden  Iv  el. 

Do  ebner,  dr.  prof.,  director  des  gymn.  und  der  realschule  in  Planen, 
erhielt  das  ritterkrenz  I  cl.  des  kön.  sächs.  Verdienstordens. 

Droysen,  dr.  J.  O.,  ord.  prof.  der  univ.  Herlin,  erhielt  den  k.  bayer. 
ifaximiliansorden  f&r  Wissenschaft  und  kunst. 

Engel  mann,  dr.,  ord.  lebrer  am  Friedrichs-gymn.  in  Berlin,  snm  ober- 
lebrer  befördert. 

Erdmann,  dr.,  ord.  prof.  der  onir.  Halle,  erhielt  den  prensa.  krönen- 

Orden  II  cl. 

Faber,  dr.,  oberl.  am  gymn.  in  Laubau,  als  'professor'  prädicierL 
Frieders dorff,  dr.,  oberl.  am  gymn.  in  Uniienbnrg,  snm  direetor  des 

progymn.  in  Altenstein  ernannt. 
Friedländer,  dr.,  oberl.  am  Fried richs-gymn.  in  Berlin,  snm  direetor 

des  Leibniz-pyrnn.  daselbst  ernannt. 
Fachs,  dr.,  professor  am  evang.  aeminar  in  Urach,  zum  ephorus  dieser 
anstnlt  ernannt. 

Haag,  dr.^,  ord.  lebrer  am  stadtgymn.  in  Stettin,  snm  Oberlehrer  er* 

nannt. 

Uansel,  oberl.  am  gymn.  in  Oppeln,  in  gleicher  eigenschaft  an  das 
gymn.  zu  Sagan  berufen. 

T.  Halm,  dr.  ord.  prof.,  direetor  der  staatsbibliotbek  in  Mttneben,  er- 
hielt den  kön.  bayer.  Maximiliansorden  für  iHssensehaft  und  konst. 

Ueidricb,  oberl.  am  Friedr.-Wilh.>g7flui.  in  Posen,  als  oberlebrer  an 
das  gymn.  in  Nakel  berufen. 

Hirscht'eld,  dr.  G.,  zum  ao.  prof.  der  class.  archäologie  an  der  univ. 
Königsberg  ernannt. 

Holder,  dr.,  zum  professor  am  seminar  in  Blaubeuem  ernannt. 

Jobst,  ord.  lebrer  am  Marienstiltsgymn.  in  Stettin,  snm  Oberlehrer 
befördert. 

Jüngst,  oberl.,  prof.  am  gymn.  zu  Bielefeld!  ,  „  ,/v*v^ 

Keil,  dr. ,  ord.  prof.  der  univ.  Halle,  von  der  kaiserl.  russ.  akademie 

der  Wissenschaft  in  Petersburg  zum  corresp.  mitgliede  ernannt. 
Kircbboff,  dr.  Ad.,  oberl.  am  gymn.  Josephiuum  in  llildesheim,  zum 

direetor  daselbst  ernannt. 
Kirchhoff,  dr.  G.,  ord.  prof.  der  univ.  Berlin,  erhielt  den  kön.  bajfl^* 

Maximiliauöorden  für  wissenscliaft  und  kunst. 
Knaut,  dr.,  ord.  lehrer  am  pädagogium  U.  L.  F.  in  Magdeburg,  als 

'Oberlehrer'  prädiciert. 
Kafitgen,  ord.  lebrer  am  gymn.  In  Neisse,  als  oberlebrer  an  das  gymn. 

in  Oppeln  bemfen. 
Kranz,  ord.  lehrer  am  Friedr.-Wilb.-gymn.  in  Posen,  snm  oberlebrer 

befördert. 

Kropatschek,  dr. ,  ord.  lehrer  am  gvmn  in  Wismar,  als  oberlebrer 

an  die  realsebnle  in  Brandenbarg  berufen. 
Lang,  dr.,  zum  professor  am  e?ang.  tbeoL-pbU.  seminar  sn  Seböntbal 

in  Württemberg  ernannt. 


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* 


120  PerßOüalnotizen. 

Lannhardt,  director  der  polytecha.  sebnle  In  HannoTer,  mm  geheimen 

rep^ierun^srath  ernannt. 
Y.  Lehmann,  ord.  lehrer  am  gyiDii.  in  Kreoioaehy  als  Oberlehrer  US 

gymn.  in  Barmen  berufen. 
Lieb  mann,  dr.,  ao.  prof.  an  der  niiir.  Strasibnig,  zum  ord.  prof.  da* 

selbst  ernannt. 

Lorenz,  dr.,  ord.  lebrer  am  ^mn.  in  Kreuzburg^,  znm  oberl.  befördert. 
Lettner,  dr.»  oberl«  an  der  realscbule  zvl  Lippatadt,  als  'profeaaor* 

prädiciert. 

Martin,  dr.,  ord.  lehrer  am  gjmn.  in  Wismar,  als  ord.  professor  der 

geologie  an  die  univ.  Leyden  berafen. 
Mergnet,  dr.,  ord.  lehrer  am  Wilbehns-gymn.  in  Königsberg»  simi 

Oberlehrer  ernannt. 

Münch,  dr. ,  oberl.  am  gjmu.  und  an  der  realscbule  in  Barmen,  zum 
director  der  realscbole  in  Bnbrort  ernannt. 

▼.Oppen,  dr.,  ord.  lehrer  am  gymn.  in  Barmen^  nun  Oberlehrer  ernannt 

Ost  hoff,  dr.,  ao.  prof.  der  uniy.  Heidelberg,  snm  ord.  professor  für 
linguistik  und  sanskrit  ernannt. 

Peck,  dr.,  ord.  lehrer  am  gymn.  in  Lauban,  als  'Oberlehrer'  prädiciert. 

Priem,  dr.,  ord.  lehrer  am  Mariengjmn.  in  Posen,  zum  Oberlehrer  be- 
fördert. 

▼,  Ricbthofen,  dr.  freiherr,  ord.  prof.  der  uniy.  Berlin,  erhielt  den 

kaiserl.  österr.  orden  der  eisernen  kröne  II  cl. 
Sanppe,  dr.  hofrath,  ord.  prof.  der  oniY.  Göttingen,  zum  geheimen 

regierungsrath  ernannt. 
8ehneider,  dr.  Bieh.,  reotor  des  progymn.  sn  Korden,  snm  diieetor 

des  gymnasinms  daselbst  ernannt. 
Schubert,  Oberlehrer  am  gymnasium  in  Culm Verhielten  den  pr.  rothen 
Sorof,  dr.,  director  des  gymn.  in  Putbus        )      adlerorden  IV  cl. 
Steiner,  dr.  prof.,  oberl.  am  gymn.  in  Kreuznach,  erhielt  den  preasz. 

roihei^  adlerorden  III  el.  mit  der  schleife. 
Vogel,  dr.,  oberl  der  Lnisenstädt.  realschnle  in  Berlin,  als  Oberlehrer 

an  (las  Humboldt^vmn.  daselbst  berufen. 
W agier,  dr.,  director  des  gymo.  in  Guben,  erhielt  den  preasz.  rothen 

adlerorden  IV  cl. 

Wegen  er,  dr.,  ord.  lehrer  an  der  realsohnle  in  Königsberg,  als  *obe^ 
lehrer'  prädiciert. 

Weier strass,  Oberlehrer  am  gymn.  nn Dentsch-Crone,  als  'professor* 

prädiciert. 

Wie  sing,  dr. ,  ord.  lehrer  am  gymn.  in  Nordhauseu,  zum  director  der 

realschnle  daselbst  ernannt. 
Zernial,  dr.,  Oberlehrer  an  der  Vietoriaschule  in  Berlin,  in  gleicher 

eigenschaift  an  das  Hnmboldt-gymn.  daselbst  bernfen. 

Geitorbent 

Augustin,  prof.,  Oberlehrer  an  der  Luisenstädt.  realscbule  in  Berlin, 
am  4  dec.  1877. 

EWck,  dr.,  Oberlehrer  an  der  Friedrichs-realschnle  in  Bertia. 

Berthold,  dr.  prof.,  em.  director  des  gymn.  in  Detmold,  am  IS  Sep- 
tember 1877. 

Creizenach,  dr.  prof.,  Oberlehrer  am  gymn.  zu  Frankfurt  a.  M.,  am 
6  dee.  1877. 

Doberens,  dr.  hofrath,  director  des  gymn.  sn  Hildbnrghansen,  am 

20  Januar. 

Frese,  Ignaz,  gymnasiallehrer  a,  d.  za  Warendorf,  am  26  Januar, 
SO  Jahre  alt. 

Fritnsche,  dr.  Hermann,  hofrath,  ao.  prof.  der  dass.  philologie  an 
der  uniT.  Leipaig,  9  febr.,  60  jähre  alt« 


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Uebersicht 

der  in  der  zweiten  H&lfte  des  Jahres  1877 


von 


B.  G.  TEÜBNER  m  LEIPZIG 

renaadten 

neuen  Bücher,  Fortsetsungen 
und  neuen  Auflagen. 


L 

Philologie  und  Alterthnniswisseuschaft. 

A.  Neuigkeiten. 

Analecta  Plautina  soripseruut  Fbidekicub  Schobul,  Gkokofus  Guktz, 
OvsTATUS  IfOBwa.  [924  S.]  gr.  8.  geh.  n.Jl6. — 

Bwnardakis ,  Oregorius  N. ,  Dt.  ph.,  Symbolae  crit  icae  in  Strabonem  vel 

consiira  Cohcti  fnu'iHlatioiium  in  StrabDiiom.   ['iS  S.]  ffr.  8.   f?oh.  n.  Jf.  1.00. 

Boeckh,  August,  Kiicyklopiidie  und  Metiiudologie  der  |>Iiilo1o^i8c1ien  Wissen- 
Kchafteu.  Ilerausgegebeu  vou  Ekn8T  Bratuscukck.  [XI  u.  824  S.]  gr.  8. 
geh.  n.JC  18.— 

Brandt,  Samuel,  de  varia  quao  est  apud  veteres  Roniauorum  poetas 
tMAenieOB  genetlTl  lingularis  pronomiuum  forma  ao  menBura.  [71  S.] 
gr.  8.  geh.  ii.UK  1.60. 

^iBWeiSBig,  Dr.  Fr.,  Oberlehrer  am  Oyrnnasiinn  au  Bielefeld,  WabrlieH 

lind  Irrtlinni  der  localiHtiscIien  Casustheorie  Kin  Beitrav:  zur  ratiimi  llcn 
Behandlung  der  griechischen  und  lateinischen  Casutisyntax  auf  (iruud 
der  alcheren  Ergebnisae  der  Tergleiohenden  Spraehforachiing.  [88  S.] 
gr.  8.    geh.  u.  .H.  1.80. 

Hug,  Arnold,  Aenean  von  Styniplialos.  Ein  arkadiaoher  SohriftateUer  ana 

claasischtT  Zeit.    [1(5  S  ]    4.    i,'oh.  n.  Jt.  1.20. 

Flatonis  opora  oinnia.  lieceu»uit  prulcgumeuis  et  commeutariis  iudtruxit 
Martini  s  WoHi.KAB.  YoL  I.  Seotl.  Apologia  et  Grito.  [Vm  n.  208  S.] 

gr.  8.    «eh.  JC  2.10. 

Zur  Hibliotlit'ca  Gracca  cur.  Jtroi'js  et  Ro.^l. 

Pöhlig,  Dr.  Carl,  überlehrur  am  Gymnasium  zu  Seehausen,  der  Athener 
Theramenes.-   Separatahdruck  aua  dem  IX.  8iipi»lMaMiti>aiide  der  Jahi^ 

bücber  für  clasaische  Philologie,    gr.  8.    geb.  n.  2.40. 

Siebter,  Emst  Albert,  ReitrXge  ur  Kritik  und  IrkUraag  desDeBostb«!!««. 

[31  S.]   4.   geh.  u.  JL  1.20. 


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i 


1 


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Schmidt,  Bernhard,  grieeMselie  Vlrchen,  Sagen  aid  Volkslieder,  ge- 

Bamniilt,  übersetst  und  erläutert.   [*js:s  s  ]    gr.  8.   goh.  n.M.  6. — 
Kin  Auhan?  /.n:  Schmidt,  dM  Vollulebeu  der  Nengrieohen  nnd  das 

ht'lloninche  Alterthuui. 

Schmidt,  Fritz,  rntcranehnngen  Ober  den  Mlles  glorfMOS  des  Plaotas. 

8(M>arata))ilnick  aus   dein    IX.  Su|>])IoiiicntbMide   der  JalirbQeber  fflr 

claisini  lif  IMiili'linjiiv     yr.  .S.    Hvh.  u.  JC  2. 

Schmidt,  H..,  kritiucher  ('«unuifutar  zu  IMatu'ti  TlieJitet.  »Separatabdruck 
•VI  dem  IX.  Sapplemenibande  der  Jahrbtteher  lOr  olastiaohe  PbUologle. 

Schmitz,  Dx.  Wilh.,  Director  des  Kaiser  Wilholm-Oymnasiams  su  Köln, 
BeitrXge  znr  lateinlselieii  Sprach*  nfld  LHeratarkunde.  Mit  swei  litho- 

Kraphirten  Tafeln.   [X  Ii.  3MU  S  ]    gr.  8.   geh  n.JC  8. — 

Usener,  Herrn.,  Anecdoton  Hülderi.   Ein  Beitrag  rar  Geeoblohte  Borns  in 

ostgothiBcher  Zeit.    [7!»  S  ]    ^r.  8.    geh.  n.  Ji  1.60. 
FeatHcIirift  zur  Be^i rissung  der  XXXII.  Yersammlwig  dentscher Philo- 
logen und  Schulmänner  zu  Wiesbaden. 

Vani^ek,  Alois,  k.  k  Gymuasialdirector  2u,Neuliau8  iu  Böhmen,  griechisek" 
lateiuMliM  etymologisehes  WSrterlbiieli.  2  Binde,  gr.8.  geh.  n.  «AI  24.— 
Binxeln:  I.  Band.   [X  8.  i    .'>.'>;•  ]   n.  Jf,  lo.— 

IT.     „      [S.        i2L>i.]  n.  .Ä:^l.— 
Wetzel,  Martinua,  de  conseentione  temperum  Ciceroiiiaua  capita  duo. 
[49  S.]   gr..8.  geh.  n.JC  1.20. 

Zippel,  O.,  die  römische  Hemebaft  Im  Ulyrtea  bis  auf  Angnstne.  (312  8.] 
gr.  8.  geh.  n.  JL  8.— 

Jiibliotheca  scriptorura-  Graecorum  et  Romanorum  Teubneriana. 

Anthimi  de  obncrvationr  cibnruni  ppi^tola  ad  Tlieudericnm  r^em  Francomm. 

Itcrum  edidit  Valkkt.  Küsk.    IbS  S.J    8.    güh.  M.  1. — 

Bogtii,  Anleü  ManUi  Sererini,  eMraratarIf  In  übrniii  AristatollB  ntqi 

foin^Tfn-:.  rccciiHuit  ('AWoi.rs  Mkiskh.  l'ars  prior,  vcrsionem  conttnnam 
ft  ]uiiii:iiii  fditioiiciii  (■•mtiiM  ii'i.      X  u.  22.'»  H.]    8.    Kvh.  Ji  "-'.TO. 

Spicorum  Graecorum  iragmeiita.  C'oiiegit  di^puauit  conimentarium  criticum 
adieoit  G.  Kanals.  YoL  I.  [TI  n.  828  8.)  8.  geh.  8.— 

Neuere  Sprachen« 

Kaiser,  Karl,  Direktor  d<r  hiphfn-n  TfiehttTHclmlo  für  Mittel-  und  Ohor- 
Barmeu,  englisches  LeHebucb  in  drei  Stufen  für  höhere  LehrauBtaUeu. 
Dritter  Theil:  Oberatufe.  [X  u.  236  S.]  gr.  8.  geh.  n.UK  8.20. 

Sehnlansgaben  fransOsiBeher  Schriftsteller  mit  Amnerkungeii. 

Corneille,  le  Cid.  Fur  die  oberen  Klassen  höherer  Ijehrauatalien  heraus- 
gegeben von  Dr.  K.  Bki-xnk.mann  ,  Director .det  Bealsohiüe  I.  Ordnung 

zu  Milbing.    [VI  u.  88  S.]    Kr.  8.    geh.  J(  1.— 

  Horace.    Für  die  oberen  Klassen  höherer  Lehranstaltoii  herausgegeben 

von  Dr.  K.  Bkunnbmann,  Director  der  Bealachnle  I.  Ordnung  zu  Elbing 

(XV  n    7.'  S  ]    «r.  8.    geli.  -.!tO. 

Mignet,  M.,  Uistoii'e  de  la  revoiutioii  fraii^aise  dopuis  1789  jusqu'en  1814. 
Herausgegeben  nnd  mit  spraobifchen,  sachlichen  nnd  geschicbtlicben  An- 

nuT^rkunyen  v('rt<f])in  von  Dr,  Anoi.f  Koijki.t*,  Oberlehrer  am  Thomas- 
Gymnasium  iu  Leipzig.  I.  Baud :  lutroduction  et  Assembl^e  coustituaute. 
[Vm  n.  119  S  ]   gr.  8.   geh.UK  1.50. 

isoliere ,  le  Mfsantbrope.  OomMie.  Mit  einer  Einleitung  und  orklürenden 
Anmerkungen  herausgegeben  von  C.  Tu.  T/Ion,  Dr.  phil.,  Rector  der 
höhercu  Bürgerschule  zu  Langeusalza.    [144  S.]    gr.  8.    goh.  ufi  1.80. 


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B.  Fortsetzungen. 

Homerts  Ilias.  FUr  don  Schulgobrauch  f  rkl  i  rt  vrm  K.  F.  Amkik  mul 
C.  Hkntzk.  I.  Band.  4.  Heft.  Gesaug  X  — Xil.  \  uu  C.  Hkxtzk. 
C186  8.)   gr.  8.   geh.  Ji  I.W. 

Bitschelii,  Friderici,  opuscula  phildlcurica.  Vol.  III.:  Ad  litteras  latinM 
spectautia.  Priedricb  Bitschl's  kleiuc  philologische  ächrifteu.  III.  Bd.: 
Zur  rOmiMhen  Littentar.  [XIX  n.  856  8.]  gr  8.  geh 


Jalirbücher  für  clas$iisc1ie  Philologie.  Herau^^tTr-:*  iion  von  At.fred  Fi  ia  k- 
XiSEN,  Professor  in  Dresden.  IX.  äupplumuutb»ad.  'J.  Uoft.  gr.  6. 
[8.  227— 5«5.]  geh.  ii.UK  7.20. 

Inhalt:  Der  Athener  TlurauiGnoB.  Vun  Carl  l'öliUy.  -  Untersnchaugen 
Uber  den  MlloB  gloriosus  de»  l'lautus.  Vou  tritt  Schmidt.  —  Kritischer 
Commentar  sn  Plato's  Theütet.    Von  U.  SdunUlt. 


C.  Neue  Auflagen. 

Böhme,  I>r  Gottfr.,  Professor  mul  Proroctor  am  Gymnasium  zu  Dortmund, 
Aufgiiboii  zum  leberüeUeii  iiin  UricchiHcke.  Für  diu  uberuu  KUtsseu  der 
Gymnasien.   6.  verbemerte  Auflage.    [X  n.  i»19  S.)    gr.  8.  geh.  UK  2.70. 

Snripidis  IleiTulPs.     TUcH-nsuit  et  conmu'ntarü.s  instruxit  Ar<..  lui..  Esx. 
pFiiUOK.   |.Euripidis  tragoediao.    Vol.  II.   Sect.  III.]   Ji^ditio  altera  quam 
cnraTit  N.  Wjbcxlsxm.  [12S  8.)  gr.  8.  geh.  JC  1.80. 
Znr  Bibliotheoa  Graeca  cur.  Jacobs  et  Ro$t. 

Oftermann,  $rof.  Dr.  C^hrtftiaii ,  Cbertcfjrer  an  bem  Äßl.  0i)mimrtnm  ju  Julba, 
Soteiitiiii||*>eutfi^ed  mit)  Druti(^<latetiitf4ed  SBorterbHit  au  dtecmann  d  latei> 
nijd^en  Uebung^büc^crn  fite  8c£ta  unb  Quinta  alpl)a6etif(^  fcoi^nft   9.  »er* 

befjcrtc  3Joppel  ?lnfiane.   [79  ©.]   gr.  8.   cart.  .^f  — .7r>. 

2>d)<xn\>a€n,  %xq\.  am  (SMamnafium  6u  ^ieintngeti,  ttBärterbiiA  |tt  feen  ^nhtXti 
fted  $l)iinie.  %iXt  ben  ®ii)ul0ebtau(^  Ijeraui^gcgeben.  2.  becbefferte  unb  uec* 
wehrte  «luflofle.   [56  S.]   gr.  8.   %t\t.JL  —  .tH). 

  badfeibe  mit  bem  Scst  M  ^^bntft  oon  Sucian  gtftllet.    dt.  8. 

ge^. —.im. 

ZtoVL,  'l^cofeffoc  an  bem  <Dt)mnartum  ju  SBeilbucg,  Silber  ou«  bem  alt« 

römt((brn  Veben.   t.  '^luflai^c    mx  Stbbitbunflcn.  [YIU  u.  617  6.J  8.  geb. 

J(.  .'■».TO;  elegant  ficbinibeii  J/l  7.-'(t. 

9ßefcn«r,  Dr.       griefbijibcd  ßlemcntorbucb  junadjit  nac^  ben  ©lammatilcn  üoii 
Kuttfud  unb  Ko({).  CSrftcr  Xl^eil:  2)a^  ^J^omen  unb  ba9  tegelmauige  S^erbum 
auf  (ti  nebft  einem  |t)jlematii(ff  geoxbneteti  IBocabulariHV.  6.  Wu^oge.  (»6 
flt.  8.  gc^.     —  .uo. 

Scholaüflgaben  griechischer  und  lateinischer  Klassiker 

mit  deutscheu  Anmerkungen. 

Caesaris,  C.  lulii,  coniniontiu'ii  de  hello  (ijillico.  Für  di  u  Si  Jiul!.re»)rauch 
erklärt  von  Dr.  Ai..r.Knf  Dohkuk.n/-.  Mit  eimr  Karte  vou  UalUuu,  eiuur 
Einleitung  und  einem  geugraphischen ,  grammatischen  und  Wort-Begister. 

7.  Auflage.    |XIV  n   Sli)  S.]    gr  s.    gt-h.  J^,  •-'.25. 

Cicero*8  Uedeu  für  Marcellus,  für  U.  Ligarius  uud  für  den  König  Deiotarus. 
Fflr  den  Sohnlgebraneh  herausgegeben  von  Fft,  Bxchtbb.  2.  Auflage, 
bearbeitet  vou  A.  Ebbrhard.   [83  8.]   gr.  8.   geh.  «AI  ».90. 

Homer's  lliax.  Für  den  Schulpebraucb  erkliirt  von  J.  La  Rochb,  Director 
des  Uymuasiums  iu  Linz.  Theil  II.  (.iesaug  V — VlU.  2.,  vielfach  ver- 
mehrte und  verbeeaerte  Auflage.   [161  8.]  gr.  8.  geh..^  1.50. 

Vergil*8  Aeneide.  Für  den  Schulgebrauch  erlftutert  von  K.  Kaiths.  i.  Heft. 
Aeneis.  Buch  I— III.  2.  Terbeieerte  Auflage.  IVI  u.  III  S.J  gr.  8. 
geh.  JL  1.20. 


8 


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n. 


Pädagogik.   Deutsche  Schulbücher. 
Jugendschriften. 


A.  Neuigkeiten. 

Jyfi,  •♦>.  (S'. ,  Sd)ulrütl).  S^irector  be«  t^rictridjö'öomiiarium«  511  3lltenbiy:g, 
:3lvttn)iQ  «fQuIrelicn.  ^Jtac^  feinem  ^obe  ^eran^oegeben  Don  Hr.  ^ern^.  $o^, 
Vel)rcr  an  bei  ^eriogU^cn  8iealf<^ule  }u  «Uenbutg.     LVm  u.  240  @.] 

gt.  8.   fle!).  n.  5.— 

C*»octbi''«k  ®öl}  tion  ©frlit^tnßtn  mit  bcjonbcrer  Siiicffic^t  auf  bie  Sdjülct  ber 
oberen  Älancn  öötjerct  Stinten  herausgegeben  unD  erläutert  üon  Dr.  3. 
92a u mann,  SDicectpt  bet  iRealfc^ute  L  CxbnuRfl  iu  Cftetobe  a.  tlY 
u.  164  ®.]  8.  fleb —m:  l.SO. 

Äccf,  Marl  A>cinridi,  bie  9}tbe(unern{aQe.  9Ja(b  ber  erften  Uebcrlieferung  crsäljlt. 
(SI.  u.  b  I.:  vlöuno.  S^cutidic  .pclbeniogen ,  bera  beutfrtien  läl^olf  unb  feiner 
3ugenb  »iebecexiä^It.  ^weiter  3 beü-}  1352  &  gei)..AL8.— ;  elegant 
cartomiitt  s.75. 

i>r.  H.  fB.,  Sc^ulratb  unb  6eminaTbirectoc  xu  IBalbenburg,  )inifti{i|e 
INteibetir  für  ei^angelifdir  6eminatc  unb  £e^ter.  Crfle  £iefecung.  l60.j 
gc.  8.  geb-  n.  2.— 


B.  Fortsetzung. 

Sttd,  Marl  Mxinri^)«  <;)bttnt.  Deutfcbe  ^elbenfagcn.  Sem  beutf(^n  ^^olfe  unb 
feiner  ;}ugenb  iDiebetetaAUt.  fitodtet  f^^I:  Sie  9HbeIiinoenfoge  natb  bct 
etilen  ttebetliefetung  ccftAvIt  [85i6.]  8.  ge^.««:  8.— ;  clcg.  cort  .n:  8.76. 


G.  Neue  Auflagen. 

Viib«rf«n'«,  J^.  C^.,  tudgetoälitte  WoribtR  für  bie  dHgenb.  SOtit  fielen 
3Qnfirationen  in  ^ola  geicbnitten  bon  S.  l^celfc^maT.   17.  SufUge.  [IT 

U.  255  ®  ]   8.   «leg.  cort.  c/<:  3.— 

GlfOleoiiio,  T)r.       i^rofeffor  am  .HiieiD!)ofifcöen  Stabtfli)mnflnum  su  S^önigSbcrg 
in  %x.,  äfil)etifd)e  unb  Ijiftoriidje  (Einleitung  nebft  fortlaufenber  (Erläuterung 
)U  9tet|e'e  ^eroMKn.nnb  ^«rttbe«.  2.  oecbenecte  aufläge.  [Xix  u.  263 
8.  geb.  8.75. 

iJiaumnnii,  i>r.  3»ili>io,  1>trector  tat  fReatfifittfe  T.  Otbnung  ju  Cftetobe  a.  , 
ttieorctiid)  - pvattndK  Anleitung  jnr  «bfnfiung  beutfdier  Äuffä^e  in  ^Keiitiu, 
a)tuftecbeif))ieUn  unb  St^pofiiioneu  im  ^nft^lug  an  bie  iieltüce  llaifucber 
ttette  ffti  bie  ofieccK  «(äffen  ^öbem  6c^n(en.  8.  «uflage.  [Xn  u.  846  @.J 

8.  geb.  M,  8.— 

9(i*gclii  unb  3B5rterber}eiifnn(<  für  bie  beutfrfie  Crtbogr«>lile,  s\m  3d)nl(,cbrau(ih 
^etaudgegeben  dou  bem  iBeieui  bec  äierliuer  (^bninafial*  unb  Siealjc^uUebcer. 

9.  tfttflage.  [32  €.}  8.  cart  n.  M  —.85. 

9Birtfi^  C9«orfl,  Sel^ret  an  bet  böberen  2;öd|tetf(^ule  tfubeit,  lentiibef  Sefeln^ 
für  lioliere  X5(bterf(bulen.   dritter  7tietl    ^ittelftttfe.  I.  tttttftt«.  8.«ufla8e. 

(.YIU  u.  2D2        gl.  8.  geb-  n.  i.tK). 


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III. 


Mathematik.  Technisehe  i.  Natnr-Wissenseliafteii. 


A.  Neuigkeiten. 

IiOrberg,  Br  H.,  Oberlebrer  »m  kaif.  Lyoenni  sn  Strftsibtirff,  Mr^oeli  4er 

IMivsik  für  lioliiif  Lehranstalteu.  Mit  zahlreichen  Holzschnitten  und 
einer  lithograpliirton  Tafel.    [XV!  u.  3-_'0  S.]    gr.  8.    «oh.  u.  JC  1.— 

XiOrens,  Xi.,  die  Lehre  vom  Licht.  Vorleauugeu  in  der  obersten  KlMse  der 
OfBoienohvle  sft  KopenliAgen  gehAltqn.  Aittorisirt«  deoAtohe  Anigebe. 
Mit  sftblreiohen  Holseohnltten  im  Text.  [803  8.]  gr.  8.  geh.  n.  JC  4. — 

Schröder,  Dr.  Smst,  onlentlicher  Professor  der  Mathematik  an  der  poly- 
techuisobeu  Schale  zu  Karlaiube,  der  Operatioiiskreis  de«  Legikkalkllls. 
[VI  tt.  97  S.]    gr.  8.   geh.  1.60. 


B.  Fortsetzung.  ■ 

ttepertoxium  der  literarisehen  Arbeit«"!!  aus  dem  Gebiete  der  reinen  und 

angewandten  Mathematik.  „Ori^jinalheriehte  dor  Verfasser"  (^••^:iinnielt  ' 
und  herausgegeben  von  Dr.  Li;«)  K<  Ni(i>itKi;<iKu,  Prüf,  der  Matliematik  au  '  i! 

der  Universität  zu  Wien  und  Dr.  Gcstav  Zei  nek,  Prof.  der  Mechanik  ^ 
a.  d.  Polytechnikum  zu  Dresdeu.    II.  Band.    1.  Heft.    pr.  cplt.  fttr  den        -  |j 
Band  tou  3ü  Druckbogen,    u.  ^fC  10. — 


G.  Neue  Auflagen. 

Fort,  O.,  und  O.  Sohlömüoh,  Lehrbvek  der  aBalyttseliea  GeoMetrIe. 

Zweiter  Theil :     A  ii  a  1  y  t  i  h  c  h  e   Geometrie   dos  Raumes.     Von  ().  i 
tiCHLiOiiiiiCH,  Dr.  phii.  u.  Ueh.  Schulrath  im  Köuigl.  äächs.  Miuisterium  ; 
dee  Chiltui  und  <VffentL  Cnteniohts.   4.  Auflage.  Mit  in  den  Text  ge- 
dradcten  HohHKdmlttea.  [YIII  u.  286  8.]  gr.  8.  geh.  n.  5.— 

Heidt,  Dr.  Friedrich,  Oberlehrer  am  Gymnasium  und  der  höheren  l^iirger-  I 

schule  zu  Hamm,  Saiumluug  voa  Auteahen  uud  Beispielen  au»  der  I 

TrigonomeMe  und  Stereometrie.  8.  Terbesierte  Auflage.  Zwei  Theilo.  :  I 
1.  Thoil:  Trigonomotrie.    [VIIIu.'ilTS]   gr.  H.    u.JCA.—    II. Theil: 

Stereometrie.    2.  Auflage.    [VIII  u.  1H3  8.]     gr.  8.     geh.  x\.  ,H  3.—  ;  1 

 Kesukaie  der  Kecimuugaaufgabou  iu  der  Sammluug  von  Aufgaben         i  • 

und  Beispielen  aus  der  Trigonometrie  und  Stereometrie.    8.  Auflage.        :  | 

Zwei  Theile.    gr.  8.    geh.    Zusammen  xi.  JC  2.80.  :  J 

i:io/eln:    I.  Theil:    Trigonometrie.    £84  S.j    n,  JC  1.80.     II.  Theil: 

StereoiiK  trit'.    [18  .S.]    n.  J(.  1.— 

Wünsche,  Otto,  Oberlehrer  am  GyninaHium  zu  Zwickau,  Srhulflora  von  ij 
DOOtMkland*    Naoh  der  analytischen  Methode  bearbeitet.    Die  Phauero-  : 
gamen.    2  verbensertc  Auflage.   [LX  u.  412  S.]    8.    geh.  n.  J&4. — }  in  ! 
Leiawand  geb.  n.  JC  ^.Üi).  ]  i 


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IV. 

T  Ii  e  0  1  0  g  i  e, 

A.  Neuigkeit. 

(Zd^ül^c,  Dr.  ^.  SB.,  ®(^ulrat^  uiib  ©eminarbireftot  &u  fSalbcnburg ,  liraltifilie 
Imcltctif  für  cDanaeUf4i<  6eiirinafe.niib  Se^tev.  9fflc  £iefemii0.  [6. 1—160.] 


B.  Fortsetzung. 

'UNticfcniaßcl,  }St\.,  bod  Urutfi^e  iRirdicnlieb  Doti  brr  fitteften  Seit  BU  Vnfang 
PC«  XVII.  3Qi)röunbert^.  unb  üiefcvunfl  [V.  iöanbeä  iL  urib  15. 
£iefecuiia.]  (@d)lu6  De»  SBerle^O  iS.  1249— 1417  u.  VI  @.]  Ue£.'».  ge^» 
tebe  Siefecttttg  n,Jt9.—,  sufammen  ti.  4.— 


G.  Neue  Auflagen. 

Q.Mptr9,  H.,  ftirc^enprobft  iinb  .^aiiptpaftor  ^ujum,  pnHi\^t  ffudlrgung 
brr  @onn>  unb  t^efttagätbangelirn.   2.  9lu^flabe.    4.58  (S.i   gr.  H.  flcl).      3. — 

3Kcicr,  Dr.  phil.  (S-riift  3uliud,  Supevinteiibcnt  itnb  tSonüftorialratI)  in  Sterben. 
8Bir  \atttu  feine  ^cnrli^feit.  ^4'^rebi8ten.  (£cfte  Sammlung.  2.  buvi^e{«|eite 
VuPofle.  [IX  u.  398  ®.]  9r.  8.  ge^.  .^5.—;  eleg.  geb.  n.«^  6.— 


Litteraturj!;eschiehte. 

Archiv  flir  Litteratorgeseliichte.  Herausgegeben  von  Dr.  Fkakz  Scukobb 
voH  0ABOi«87n<D,  Bibliotbekw  ra  Dresden.  YU.  Baad.  1 — S.  Heft  jwo' 
compL  [4  Hefte.]  gr.  8.  n.JC  14.— 


VI. 

Schöne  Litteratur. 

Dante  Alighieri's  göttliche  Comödie.  Motriech  übertragen  und  mit  kritischen 
und  historischen  Erliiuteruugen  versehen  von  Philale th es-  (König 
Johann  von  Sachsen'.  Dritter  nnviTündf-rter  Alulnuik  der  berichtigten 
Ausgabe  von  lti65 — 1866,  besorgt  von  J.  Pstzuolst.  Drei  Theile.  Mit 
einem  Fortritt  Baate'e,  einer  Karte  und  awei  Gmndrinen  der  Hdlle. 
[I.  TheU  XX  II  300  8.,  IL  TbeU  Ym  n.  344  8.,  m.  TbeU  X  o.  447  8.] 
8.    ffph.  JC  'J.  - 

iSchmidt,  Bernhard,  grieclilüclie  Märckeu,  Sagen  und  Vulknliedcr.  Ge- 
sammelt, flbersetst  und  erlftntort.  [S83  8.]  gr.  8«.  geh.  n.JCe. — 


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Vll. 


Forstwissenschaft. 


Hess,  Dr.  Hicliard,  o.  O.  Prufusaur  der  l^'oratwisseuscliart  au  d.  Urosalierx. 
HeBsisehen  LndwigaunlTeniat,  41«  OrgftllteAtiM  4m  ftrstllelira  Unter» 

vMiU  an  der  rni\  orsitiit  (iiesMn.  Hit  einer  gmohiohUioheii  Sinleitniig. 

[21  ö.]    gr.  ö.    geh.  J^;  —  .Üü. 


vin. 
Yermischtes. 


Oftudeamus!  (larmiua  rMgntm  telaeta  Ii  miiH  Uetltiae.  [Vm  n.  sss  s.) 

8.    geh.  u.JC  1.6t). 

Mushacke's  deutscher  Sclmlkalcihler.  XXVI.  .Tahrffan^?  Zweiter  Tlieil. 
liiätoriüch-statiütische  und  i'erüuimi-Nachricliteu.  Im  Oruuk  beendigt  im 
August  1877.  [I.  XXVIII  tt.  888,  U.  VUI  v.  884  8.]  16.  geh.  n.  JC  8.—  ; 
in  lieinwand  gtih.  tx,  Ji  4. — 

N 

-  XXVIJ    .Talirgaiif?.     1878.     I.  Theil:     Kalender   und  Notixbttoh. 

Michaelia-Auagabo.    Iii.    geh.  u.  JC  1.20,  geb.  n.M.  l-tiO. 


Bestellungen  auf  Bücher  meines  Verlags  hüte  ich 

nicht  an  michj  sondern  an  eine  Sortnuott.shKcIdiandlmuj 
zu  richten  i  da  ich  midi  mit  dem  Verkauf  ans  i^uhlikum 
nidU  befassen  kann.  ^ 


i 

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I 


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I 


ZWEITE  ABTEILUNG  (U8a  BAND). 


Seite 

0.  Ueber  religion,  oflFenbarung,  heilige  schrift.  zur  einleitung 
in  die  biblische  religionsgeschichte  und  religionslehre  auf 

der  stufe  des  oberen  gymnasiums.  von -^/ez^er  in  Schönthal  65 — 75 

1,  Kritische  notizen  zu  den  beschlüssen  der  Berliner  ortho- 
graphischen conferenz.  von  P.  Didolff  in  Mariaweiler  bei 
Düren   75—88 

.)  BemerkuDgen  zur  lateinischen  grammatik  von  Ellendt- 
Seyffert.    zweiter  teil,    von  C.   Venediger  in  Spandau, 

(schlusz)   88—96 

2.  Cr.  Mezger:  dr.  Georg  Caspar  Mezger,  weiland  rector  des 
g-ymnasiu'mß  bei  St.  Anna  in  Augsburg  (Nördlingen  1878). 
ang'ez.  von  Peter  in  Jena   96 — 98 

3.  Von  der  Goldberger  lateinischen  schule,  von  Radtke  in 
Pless   98—102 

.)  IBericbt  über  die  Verhandlungen  der  zweiunddreiszigsten 
versammlang  deutscher  philologen  und  Schulmänner  in 

Wiesbaden,  vom  26  bis  29  September  1878.  (schlusz)  .    ,  103  —  118 

4^  Personalnotizen   118—120 


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Gef.  zu  beachten. 


Ende  März  d.  J.  erscheint: 

Grriechisches  Lesebuch 

für  Quarta  und  Untertertia. 

Im  Anschluss  an  Carl  Frankels  Formenlehre 

bearbeitet 
von 

Dr.  Hermann  Heiler, 

Oberlehrer  am  Königl.  Joachimatharschcn  Gymnasium  zu  Berlin. 

ca.  24  Bog.  8.  —  Preis  ca.  2  A  SO  \. 

Das  Lesebuch  sucht  in  einer  Reihenfolge,  welche  bei  der  Ein- 
übung der  Formenlehre  allgemein  innegehalten  zu  werden  pflegt,  den 
Vocabelschatz,  der  in  dem  Franke'schon  Buche  verwerthet  ist,  in  erster 
Linie  in  Anwendung  zu  bringen  und  die  einzelnen  Formen  im  Zu- 
sanunenhange  eines  Satzes  zu  befestigen  und  zu  vertiefen.  Der  Stoff 
ist  durchweg  aus  griechischen  Schriftstellern  selbst  geschöpft  und  auf 
drei  Kurse  vertheilt. 

Bei  beabsichtigter  Einführung  stehen  Exemplare  gratis  zu  Diensten. 

Yerlagsbuchiiaudlung  von  Julius  Springer  in  Berlin  N., 

Monbijouplatz  3. 


3m  35crlngc  bc»  Untcrscic^nctcit  crfc^icncn  folgcnbc  iiad)  bcm 
bearbeitete  Se^rbürf)cr  für  bcn  Iatciniid)cn  Glcmentarunterric^t:  \ 

Dr.  ©5rar  öcrtltno.    fiatcinijr^cS  ^Icmentorbur^  für  Se^ta. 

2.  ^Tuftage.   1878.  $rei^  1  A  00  \. 
Dr.  ®Btav  ßtxÜxn^.    $!atcinif(^eg  (ilemcntarBui^  für  Duinta 

bcfinbet  firf)  unter  ber  ^refic 

Dr.  ©srnr  öcrlUnn.  ßatcittifi^c  Jformcnlc^re.  1877.  ^rciiS  i 

^cr  i^cifaifer  bietet  f)ier  auf  (^runb  erfolgreicher  prattifdjer  58erfud)e 
einen  genau  aufgearbeiteten  üel}rgang  bef  l'atetnifc^en  für  ecjta  unb 
Ouiuta,  burc^  mcldjen  ba§  iuiffcnfd)aftlid)  ^rvax  allgemein  anerfann'te,  aber 
für  ben  (£Icmcntarnntcrrid)t  t)ier  unb  ba  uodj  beanftanbete 

8tamm|)rinci|i 

of)nc  Sdjmierigfeit  .^nr  ^(nnjenbung  gebracht  rtjerben  fann. 

5:ic  33crtling'fdjcn  üet)rbüd)er  finben  nic^t  nur  allerorts  unbebingtct 
5(nerfcnnung,  fonbern  auc^  meljr  unb  me^r  (£infüt)rung  in  ®t)mnafien. 

^^en  4)erren  2^irectorcu  unb  Crbinarien  ftetlt  ber  Unterjeid^netc  auf 
gef.  iöerlangen  ^reiejemplare  gur  Äenntnijjnatimc  gern  jur  33erfügung.  - 

^onn.  emü  Straufj, 

SSerlagSbuc^^önbler.  ^ 


ZWEITE  ABTEILUNG  - 

FÜB  eYMMAfilALPÄDAeOÖIK  UND  DIE  ÜBSIGEN 

L£H&FiGfl£& 

MIT  ADSSCHLDSB  HEB.  CLA8S18CUSN  PHILOLOQIB 

mOUÜSOBGBBBN  VON  PBOF.  DB.  HeBMANV  MaSIOS« 


(10.) 

ÜBER  BELIQION,  OFFENBABUNG,  HEILIGE  SCÜBIFT. 

ZUB  BDILSITÜNd- 

IN  DIB  BIBLISCHE  RELiaiOMSOESOHIOHTE  UND  RBLiaiOHBLEHBB  AUF 

DER  STUFE  DBS   OBEREN  GTMMASIUMS. 

(schlusz.) 

III.  Ton  der  heiligen  schrift» 

1.  Vom  namen  derselben,  wie  ans  dem  griechischen  nnd 
TÖmisohen  nnd  sonstigen  altertum  eine  anzahl  seiner  Schriften >  nnd 
zwttT  mutmaszlich  der  besten ,  erhalten  worden  ist ,  so  wnrde  von 
dem  im  lanfe  vieler  Jahrhunderte  geschriebenen  büchern,  welche 
YOn  den  göttlichen  Offenbarungen  unter  dem  volke  Israel  entweder 
unmittelbar  künde  und  zeugnis  geben  oder  aber  mehr  oder  min- 
der nnablifingig  von  denselben  bloss  menschliche  empfindungen 
und  gedanken  aussprachen  (anm.  1),  eine  reihe  von  Schriften  anf- 
bewabrt,  die  Yon  einer  gewissen  zeit  an  (s.  nr.  5)  in  der  jüdischen 
gemeinde  (vgl.  Dan.  9 ,  2)  und  so  auch  von  Jesus  und  den  aposteln 
den  namen  •xpoLq>ai  oder  tP<x<P<x^  ä-^xai^  kpd  tP<^M<ii^Q9  heilige 
Schriften,  erhielten  nnd  ids  solche  yerehrt  wurden  (Matth.  21, 42. 
Job.  5,  39.  B8m.  1,  2.  2  Tim.  3,  15).    demgemSsz  wurden  dann 
aacb  von  der  chrisflichen  kirdie  die  von  den  zeugen  der  Offenbarung 
in  Christus  yerfaszten  bttdier  so  angesehen  und  benannt,  diese  sSmt* 
liehen  Schriften  wurden  vom  vierten  jh,  v.  Chr.  an  (Chrysostomus) 
unter  dem  namen  xd  ßißXia,  die  bücher  Kar*  ^Hoxr|V,  das  buch  der 
bÜcher,  zusammengefaszt,  woher  der  name  bibel  kommt. 

2.  Vom  göttlichen  ansehen  der  heiligen  schrift. 
der  name  und  die  geltung  dieser  bücher  als  heiliger  Schriften  beruht 
darauf,  dasz  sie  Zeugnisse  und  Urkunden  des  göttlichen  wertes,  der 

N.  jahrb.  f.  phil.  u.  p&d.  IL  abt.  1878.  hfU  3.  9 


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122  Ueber  religion,  Offenbarung,  belüge  echrift. 


Offenbarung  des  heiligen  gottes  (s.  II,  anra.  11)  sind  und  daher  zur 
regel  (xavujv)  des  glaubens  an  gott  und  eines  heiligen  lebens  in 
gott  dienen,  begründet  ist  dieses  hohe  ansehen  der  hL  schnft  vor 
andern  büchern 

teils  du»cli  ihren  Ursprung,  weil  sie  nach  2  Tim.  3,  16.  17. 
2  Petri  1,  21.  Hebr.  1,  1  nicht  durch  menschliche  geisteskraft,  son- 
dern unter  besonderer  göttlicher  leitung,  durch  eingebung  des  hei- 
ligen geistes  entstanden  ist,  was  auf  grund  dieser  Stellung  durch 
inspiration  (im  engeren  sinn)  oder  theopneustie  bezeichnet 
wird, 

teils  durch  ihren  in  halt,  weil  in  demselben  thatsachen  und 
Wahrheiten  enthalten  sind,  welche  unzweifelhaft  den  göttlichen  rath- 
schlusz  zu  gründung  seines  reiches  auf  erden  kundthun,  Job.  5,  39, 

teils  durch  ihre  Wirksamkeit,  weil  sie  sowol  im  groszenwie 
am  einzelnen  menschen  sich  als  untrügliches  Zeugnis  des  göttlichen 
geistes  erweist  Hebr.  4,  12  (anm.  2). 

3.  In  betreff  des  menschlichen  Ursprungs  und  der  ab - 
fassung  der  biblischen  bücher  weisz  man,  dasz  die  einzelnen 
Schriften  in  einem  Zeitraum  von  etwa  sechzehn  Jahrhunderten ,  also 
ganz  allmählich  und  durch  die  verschiedensten  Verfasser  entstanden 
sind,  wie  sich  dies  auch  durch  ihren  Inhalt  zu  erkennen  gibt,  wann 
und  von  wem  jedes  buch  in  seinen  ursprünglichen  bestandteilen 
herrührt,  sodann  seine  zusammenfügung,  seinen  abschlusz  und  die 
jetzige  fassung  erhalten  hat,  läszt  sich  teils  aus  andeutungen  der 
bibel  selbst,  teils  aber  nur  vermittels  eingehender  gelehrter  Stadien 
erkennen. 

4.  Dasselbe  gilt  von  der  Zusammenstellung  nnd  Samm- 
lung der  einzelnen  bücher  zu  grOszeren  gruppen.  auch  diese  ist 
nicht  auf  einmal  erfolgt»  sondem  zu  verschiedenen  zelten  und  unter 
verschiedenen  Verhältnissen,  die  man  aus  der  geschieh te  kennen 
lernt,  hinsichtlich  des  alten  testaments  bieten  Nehem.  8,  1 — 18. 
2  Maccab.  2,  13  sichere  ausgangs-  und  anhaltspuncte  (anm.  3). 
zur  zeit  Je^u  war  jedenfalls  —  wol  schon  seit  2  jahrh.  v.  Chr.  — 
die  jetzige  Sammlung  der  22  in  hebräischer  spräche  geschriebenen 
alttestamentlichen  s<äiriften  abgeschlossen,  die  bttcher  des  neuen 
testaments  wurden  zuerst  in  zwei  teilen  zusammengestellt:  Td 
edoTTAi^x  Td  dTTOCToXtKCt  und  erst  später  in  die  jetzige  Ord- 
nung gebracht  und  in  drei  gruppen  abgeteilt  (s.  nr.  6). 

5.  Zur  beantwortnng  der  frage,  wann  und  wie  unter  mancher* 
lei  Verhandlungen  und  Schwankungen  die  öffentliche  aner- 
kenn ung  der  bücher  des  alten  und  neuen  testaments  als  heiliger 
oder  kanonischer  Schriften  (s.  oben  nr.  1  und  unten  6  c)  erfolgt  ist 
—  feststellung  des  kan  ons  —  müssen  die  Überlieferungen  der 
Juden  und  der  christlichen  kirchenväter  zu  rathe  gezogen  werden, 
von  Seite  der  kirchen  wurde  der  alttestamentliche  kanon  gegen  ende 
des  In  jahrhunderts  n.  Chr.,  der  neutestamentliche  am  ende  des 
4n  jahrhunderts  abgeschlossen. 


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Ueber  religion,  offiBnbarang,  heilige  sdizift. 


123 


6.  Eingeteilt  sind  im  allgemeinen  die  bücher  der  bibel 
in  zwei  grosze  hauptteile,  altes  und  neues  testamentj  genauer: 
bücher  des  alten  und  des  neuen  bundes.    die  bezeichnung 
testament  ist  durch  misverständnis  der  lateinischen  Übersetzung 
Itala  (s.  nr.  9)  entstanden,  weil  das  griechische  wort  für  das  hebräi- 
sche rr^^ia  biaGr|Kr|  sowol  testamentum  als  foedus  bedeutet  und  in 
folge  davon  die  Itala  testamentum  statt  foedus  setzte,  da  die  bibel 
die  gemeinschaft  des  menschen  mit  gott  (religion)  unter  dem  bilde 
eines  bundes  darstellt,  ist  sonach  mit  dieser  einteilung  der  biblischen 
bücher  treffend  das  Verhältnis  des  alten  testaments  zum  neuen  be- 
zeichnet; jenes  berichtet  und  zeigt  die  Vorbereitung  zur  her- 
stellung  dieses  bundes,  d.  h.  zur  gründung  der  wahren  religion  oder 
des  reiches  gottes  auf  erden,  durch  gesetz  und  verheiszung,  dieses 
die  erfüllung  durch  die  person  und  das  werk  des  erlösers,  TOrgl. 
Matth,  5,  17.  Col.  2,  17.  im  besonderen  aber  werden  sie  noch 
in  weitere  teile  abgeteilt : 

a)  nach  dem  inbalt:  in  geschichts-,  lehr-  und  prophetische 
bacher,  wie  dies  in  der  griechisehen ,  lateinischen  und  deutschen 
tthersetzang  und  im  neuen  testament  durchweg  der  fall  ist.^ 

Die  geschichtsbücher  sowol  des  alten  als  des  neuen  bnndes 
erzShlen  die  thatsachen,  manifestationen  gottes  zu  grOndung  sei- 
nesreiches, die  lehrbttoher  lehren  mittda  der  Inspirationen  der 
göttlichen  Werkzeuge  za  anfrichtung  dieses  reiches,  wie  man  gesinnt 
sein  und  leben  solle,  nm  bttrger  dieses  reiches  za  werden,  die  pro- 
phetischen Schriften  sprechen  die  ahnnngen,  Weissagungen  nnd 
verheiszungen  aus,  welche  zur  zeit  der  yorbereitung  die  erflülung 
in  Christus  und  sodann  zur  zeit  dieser  erfüllung  die  Vollendung  des 
reiches  gottes  in  der  zukunft  in  aussieht  stellen,   indes  ist  diese 
einteilung* nicht  so  zu  verstehen,  als  ob  die  einzelnen  teile  je  nur 
erztiüten  oder  lehrten  oder  vorausverkttndigten ,  vielmehr  enthalten 
die  mebten  geschichtsbücher  auch  lehre  oder  Weissagung,  z.  b. 
Matth.  5 — 7  und  24,  die  lehrbttcher  mitunter  auch  erzählendes  oder 
Weissagungen ,  z.  b.  Hieb  und  die  Psalmen ,  und  auch  in  den  pro- 
phetischen Schriften  finden  sich  erzählende  und  noch  mehr  lehrende 
abschnitte,  erstere  z.  b.  in  Jesaia  und  Jeremia,  letztere  bei  allen 
Propheten  des  alten  testaments  und  auch  im  anfang  der  Offenbarung 
des  Johannes  cap.  1  —  3. 

b)  nach  der  zeit  der  Sammlung,  die  hebräische  bibel 
unterscheidet  hiernach  drei  teile:  I.  die  sog.  thora,  d.  h.  gesetz- 
buch,  die  fünf  bücher  Moses,  auch  pentateuch,  d.  h.  fünf  bände,  ge- 
nannt; II.  dieprophetenbücher,  worunter  als  prophetae  priores 
die  bücher  1)  Josua,  2)  Richter,  3)  1  und  2  Samuel,  1  und  2  Könige 
(auch  zusammen  vier  königsbücher  genannt,  in  der  griech.  und  lat. 
Übersetzung  sowie  in  den  englischen  und  französischen  bibeln)  und 


*  man  lerne  das  nach  dieser  Ordnung  in  reime  gebrachte  ver* 
leiehnis  aaswetidtg. 

9» 


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124  Ueber  religion,  offenbarong,  heilige  schrift. 


als  pro|»li0iie  posteriorea  die  sog.  groszen  und  kleinen  propheten, 
Ton  Jesaia  bis  Maleachi,  jedoch  mit  ausschlnsz  yon  Daniel,  somit 
ftmfsehn  an  der  zahli  begriffen  sind;  m.  die  sog.  hagiograpka, 
d«  h.  die  als  ergänsungen  (supplemente)  als  weitere  heilige  bflcber 
hinzugefügten  schriiten:  1)  Psalmen,  2)  Hiob,  3)  Hohes  lied,  4)  Bai^ 
5)  Klagelieder,  6)  Prediger,  7)  Esther,  8)  Daniel,  9)  Esra,  10)  Nehe- 
mia,  11)  1  nnd  2  Chronik  (s.  anm.  4). 

c)  mit  rOcksicht  auf  die  Öffentliche  anerkennnng  und 
den  Werth  für  glauben  und  leben  sind  im  jetzigen  alin 
testament  nach  der  Lutherseben  ftbersetsung  noch  weiter  unter- 
schieden:  kanonische  Schriften,  d.h.  solche,  welche,  von  Juden 
und  Christen  als  heilige  bücher  anerkannt,  zur  regel  (Kaviüv)  des 
glaubens  und  lebens  dienen  sollen,  und  apokryphen,  d.  h.  ver- 
borgene oder  geheime  bücher,  so  genannt  bald  wegen  ihres  dunkeln 
Ursprungs,  bald  weil  sie  geheim  gehalten  wurden,  bald  auch,  weil 
sie  für  unterschoben  und  unecht  galten,  die  letzteren  sind  nach  ab- 
schlusz  des  alttestamentlichen  kanons  von  gelehrten  und  frommen 
Juden  vornehmlich  in  Aegypten  teils  hebräisch,  teils  griechisch  ge- 
schriebene bücher,  die  jedoch  sämtlich  nur  noch  in  griechischer 
spräche  oder  auch  in  lateinischen  und  syrischen  Übersetzungen  vor- 
handen sind,  dem  inhalt  nach  teilen  sie  sich  ebenfalls  in  geschicht- 
liche, lehrende  oder  poetische  Schriften  und  ein  prophetisches  buch 
(Baruch  mit  dem  brief  des  Jeremias),  in  Luthers  Übersetzung  sind 
vierzehn  solcher  bücher  als  anhang  des  alten  testaments  mit  der  Be- 
merkung beigefügt:  'das  sind  bücher,  so  der  hl.  schrift  nicht  gleich 
gehalten,  und  doch  nützlich  und  gut  zu  lesen  sind'  (anm.  5). 

7.  Die  Originalsprache  ist  im  alten  testament  in  weitaus 
den  meisten  bücher n  die  althebrttische  (mittelsemitische) ,  nur  in 
einigen  abschnitten  des  buches  Daniel  and  Esra,  auch  1  }S.08.  31,47, 
die  sog.  aramftische  (nordsemitische ,  unrichtig  chaldttische),  in  den 
apokryphen,  wie  wir  sie  jetzt  haben  (denn  einige  waren  ursprüng- 
lich hebräisch  geschrieben)  und  im  neuen  testament  aber  durchweg 
die  griechische,  und  zwar  in  der  sog.  hellenistischen  gestalt, 
die  aus  dem  spftteren  griechisch  (KOtv^  bidXeiCTOc)  und  dem  make* 
donisdi-alezandzinischen  dialekt,  mit  beimischung  w^terer  lateini- 
scher und  hebräischer  bestandteile,  entstanden  ist,  daher  in  der 
formenlehre  und  syntaz  viel  eigentümliches  an  sich  trSgt,  atmer- 
dem  aber  auch  in  folge  des  tieferen  inhalts  vieler  anschaunogen 
nicht  wenigen  ausdrücken  eine  verSnderte,  meist  gehaltvollere  !)•• 
deutung  verliehen  hat. 

8.  Der  text  der  alttestamentliehen  bücher  ist  uns  in  band- 
schrifton  erhalten,  deren  llteste  swaor  erst  aus  dem  lln  jahrhimdert 
n.  Chr.  stammen,  aber  selbst  wiederum  auf  uralten  mit  gritottf 
Sorgfalt  unverfiüscht  erhaltenen  texten  beruhen,  für  treue  tÜ)*' 
lieferung  und  fortpflanzung  des  ursprünglichen  textes  wurde  von 
Juden  jederzeit,  wie  selbst  noch  heutzutage,  mit  gröster  pünctlich* 
keit  gesorgt,  ganz  besonders  durch  die  gelehrten  des  6n  jahf 


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Ueber  religion,  offenbttimg',  beilige  schnft.  125 


hunderts  n.  Cbr.  in  der  schule  zu  Tiberias,  Masoreten  genunnt, 
von  Masora ,  d.  h.  Überlieferung,  von  ihnen  erst  rühren  die  vocale 
und  accente  des  jetzigen  hebräischen  textes  her.  vom  neuen  testa- 
ment  gehören  die  ältesten  auf  uns  gekommenen  handschriften  erst 
dem  4ii  Jahrhundert  an.  die  jetzige  einteilung  in  capitel  wurde 
im  13n  Jahrhundert  zunächst  für  die  lateinische  übersetzuug  ge- 
macht und  dann  auch  für  den  hebräischen  und  griechischen  text 
angenommen,  in  noch  späterer  zeit,  1518,  wurde  zunäch.-,!  lür  die 
lateinische  Übersetzung  des  alten  testunients  von  Robert  Stephanus 
die  gegenwärtige  verseabteilung  hergestellt,  indes  war  schon 
im  altertum  (s.  Lucas  4,  16.  17.  Apostelgesch.  13,  15)  das  alte 
testament  zum  zweck  der  Vorlesung  an  den  sabbuLheu  in  gewisse 
perikopen  geteilt  worden;  es  sind  dies  die  sog.  54  paraschen  (capi- 
ruia]  des  pentateuchs  und  die  haphtaren,  d.  h.  auserlesene  abschnitte 
aus  den  propheten.  auch  die  für  den  sinn  oft  so  wichtigen  inter- 
punetionen  stammen  erst  aus  späteren  Zeiten,  und  selbst  die 
meisten  über-  und  Unterschriften  einzelner  bUcher  oder  ab- 
schnitte, z.  b.  in  den  Psalmen,  gehüreu  nicht  den  Verfassern  an.  der 
erste  druck  des  vollständigen  alten  testaments  stammt  aus  dem 
ende  des  15n  Jahrhunderts,  das  neue  testament  aber  wurde  zum 
ersten  mal  15 IG  in  Basel  und  1517  in  Alkula,  romplutum,  in  Spa- 
nien gedruckt,  da  hiernach  sowol  die  geschriebenen  als  die  ge- 
druckten texte  der  bibel  weit  auseinander  liegenden  Zeiten  und  län- 
dern  angehören,  ist  es  ganz  natürlich,  dasz  es  im  einzelnen  auszer- 
ordentHch  viele  verschiedene  lesarten  gibt,  diese  zu  untersuchen 
und  zu  prüfen  ist  aufgäbe  der  kritik  (anm.  6). 

9.  Uebersetzt  wurde  das  alte  testament  ins  griechische 
zuerst  vollständig  in  Alexandrien  unter  Ptoleraäus  Philadelphus 
(285—247  V.  Chr.),  angeblich  von  72  von  Jerusalem  zugesandten 
dolmetschern  in  72  tagen  in  abgesonderten  zellen  gefertigt,  daher 
septuaginta  genannt,  auszerdem  aber  später  noch  von  mehreren 
anderen  (Aquila,  Symmachus,  Theodotion).  eine  erklärende  und 
umsehreibende  Übersetzung  in  das  aramäische,  die  sogen.  Tar- 
gumim,  stammt  erst  aus  der  zeit  nach  Christus,  ebenso  wurde 
wahrscheinlich  im  2n  jahrhundert  n.  Chr.  das  alte  und  zugleich  das 
neue  testament  ins  syrische  übertragen,  der  name  dieser  Über- 
setzung ist  peschito,  d.i.  die  einfache,  treue,  nicht  umschreibende, 
die  jetzige  lateinische  Übersetzung  des  alten  und  neuen  testa- 
ments  nebst  den  apokryphen  rührt  von  Hieronymus  her  (im  anfang 
des  5n  Jahrhunderts  n.  Chr.),  der  die  ältere  sog.  Itala  verbesserte 
und  dessen  Übersetzung  unter  dem  namen  der  vulgata  in  der 
römisch-katholischen  kirche  seit  dem  7n  Jahrhundert  als  die  allge- 
mein kirchlich  anerkannte  gilt,  wie  in  der  griechischen  kirche  die 
septuaginta  für  das  alte  testament.  als  älteste  deutsche  Über- 
setzung ist  die  gothische  von  bischof  Ulphilas  t  388  zu  betrach- 
ten, von  der  in  einem  fast  tausend  jähre  alten  codex  (argenteus, 
mit  sUbcnuan  und  goldenen  buchsUben  geschrieben)  die  uvangelien 


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126  Ueber  reHgion,  Offenbarung,  heilige  ichxift 


fast  TolktSndig,  und  auszerdem  brucbstüöke  des  Esra  und  Nehenua  I 

nnd  der  Panlüiiseben  briefe  erhalten  sind,   Übersetzungen  in  das  I 

neubochdeutscbe  gab  es  schon  vor  erfindung  der  bnchdrnckBr-  I 

knn&t  geschriebene  and  nach  derselben  gedruckte  in  ziemlicher  la-  I 

zahL  die  erste  yoUstSndige  deutsche  bibel  wurde  1467  in  Mainz  I 

gedrudrt.   Luther  ttbersetzte  aber  ganz  aulb  neue  das  alte  und  I 

neue  testament  nebst  den  apokryphen,  in  siebsehn  jähren  1517»  I 

1534 ,  und  brachte  mit  groszem  fleisz  nnd  ganz  aus  dem  geist  der  I 

hl.  Schrift  selbst  heraus  ein  werk  zu  stände,  das  auch  noch  den  he-  I 

sonderen  nationalen  werth  hat,  dasz  dadurch  zum  ersten  msl  ^  I 

hochdeutsche,  d.  h.  oberdeutsche  spräche  als  allgemeine  schrift-  I 

spräche  geschaffen  und  damit  die  einzelnen  mundarten  als  mittel  I 

für  allgemeine  schriftliche  mitteilung  verdrängt  wurden,  von  den  1 

neueren  deutschen  Übersetzungen  sind  besonders  bemerkenswertb  1 

die  von  de  Wette,  Meyer,  Stier,  von  Bunsen  (bibelwerk)  und  die  I 

neuestens  durch  deutsch-evangelische  tlieologen  revidierte  Luther-  i 

bibel  (anm.  7).   die  katholiken  deutscher  zunge  haben  eine  amtlich  1 

gut  gcheibzene  Übersetzung  von  A  1 1  i  ol  i.    als  officielle  und  authen-  1 
tische,  d.  h.  der  Ursprache  gleichbedeutende  Übersetzung  gilt  aber 
in  der  römisch-katholischen  kirche  nur  die  auf  der  kir  eben  Versamm- 
lung in  Trient  1545  — 1563  auf  päbstliche  anorduung  revidierte 
Yulgata. 

Erlftnternde  bemerkungen. 

Anm.  1.    Schon  oben  II  anm.  8  wurde  darauf  hingewiesen,  • 
dasz  man  auch  im  neuen  testament  einzelnes  als  ausdruck  eigener, 
menschlicher  meinimg  zu  betrachten  imd  von  demjenigen  inhalt, 
der  ein  unmittelbares  zeugnis  göttlicher  Offenbarung  ist,  zu  unter-  ■ 
scheiden  habe,  noch  mehr  musz  diese  wichtige  Unterscheidung  bei  ' 
den  büchern  des  alten  testaments  beachtet  werden,    während  die 
prophetischen  bücher  überall  zu  verstehen  geben,  dasz  durch  ihren 
mund  die  stimme  gottes  selbst  erschalle  und  ihr  eigenes  denken, 
wissen  und  wollen  durch  die  macht  des  höheren  geistes  ganz  über- 
wältigt werde,  verhält  es  sich  mit  den  geschichts-  und  lebrbüchem 
ganz  anders,   die  ersteren  sagen  oft  und  viel,  und  auch  im  neuen  | 
testament  betont  dies  der  evangelist  Lucas  in  seinem  eingang  aus-  i 
drücklich,  dasz  sie  nach  art  anderer  geschichtswerke  mit  benutzung 
dieser  und  jener  mündlicher  und  schriftlicher  Überlieferungen  ab- 
gefaszt  seien,    sämtliche  lehrbücher  des  alten  testaments  aber,  die 
kanonischen  Schriften  des  psalters,  des  buchs  Hiobs,  der  sog.  Salo- 
monischen bücher,  und  noch  in  höherem  grade  die  apokryphen  er- 
heben durchaus  keinen  andern  anspruch,  als  dasz  sie  menschliche 
gedanken  und  empfindungen  nach  dem  jeweiligen  standpunct  ihrer 
zeit,  ihrer  eigenen  erkennisstufe  und  Stimmung  aussprechen  wollen, 
man  hat  daher  mit  gutem  grund  gesagt,  dasz  in  einzelnen  dieser 
lehrbücher  der  menschliche  factor  den  göttlichen  überwiege,  im 
buch  Hiob  und  noch  mehr  im  sog.  prediger  wird  lediglich  auf  dem 


Diyiiizeü  by  GoOgle 


Ueber  religiou,  offeubaruugi  heilige  schrift. 


127 


standpunct  des  gesetzes  und  mittels  des  menschlichen  nachdenkens 
die  lösung  der  dunkeln  lebensräthsel  versucht,    im  prediger  wird 
Miese  lösung  nicht  mehr  gefunden,  ja  fast  nicht  einmal  ernstlich 
mehr  gesucht,   lebensmüde  und  mit  stiller  resignation  verzweifelt 
der  auf  das  gesetz  allein  gestellte  alttestamentliche  geist  an  der- 
selben ganz  und  gar.    dieses  buch  ist  der  ergreifende  ausdruck 
davon,  wohin  das  gesetz  allein  führt,  dasz  es,  wie  Paulus  sagt,  nur 
tÖdten  kann'.'   in  diesem  betracht  sind  also  viele  bücher  der  bibel 
wesentlich  verschieden  von  solchen,  in  denen  gott  selbst,  ob  natür- 
lich aach  hier  doreh  menschliche  Werkzeuge,  sich  kundgibt,  und  es 
stehen  die  ersteren  gewissermaszen  anf  einer  und  derselben  siafe 
mit  den  II  anm,  10  besprochenen  aosflOasen  des  XÖTOC  cir€p- 
^cmKÖc 

Anm.  2.  Das  göttliche  ansehen  der  hl.  schrift  wurde  von  alten 
Zeiten  her  in  der  christlichen  kirohe,  besonders  aber  in  der  evange- 
lischen kirobe,  fttrs  erste  begründet  durch  ihren  gött- 
lichen Ursprung,  weil  sie  unter  eingebung  des  heiligen  geistes 
Ter&sstist.  da  jedoch  gerade  diese  lehre  Ton  der  Inspiration 
und  die  angeführten  stellen,  worauf  dieselbe  sich  stützt,  sehr  oft 
misrerstanden  worden  sind,  ist  es  von  höchster  Wichtigkeit,  mittels 
der  durch  die  bibel  selbst  g^benen  winke  allseitig  und  daher  mit 
gröszerer  ausführlicbkeit  festzustellen,  sowol  wie  diese  göttliche  ein- 
gebung nicht  zu  verstehen  sei,  als  auch  wie  und  in  welcher  be- 
stimmten art  wir  uns  dagegen  den  Ursprung  der  biblischen  bttcher 
zu  denken  haben  und  auflachen  gründen  der  glaube  an  denselben 
beruht. 

Die  beiden  hauptstellen  2  Tim.  3  und  2  Petri  1  sprechen  zu- 
nächst nur  vom  alten  testament,  durchaus  nicht  von  sämtlichen 
geschriebenen  büchern  der  heiligen  schrift  und  von  der 
art,  wie  sie  verfaszt  worden  sind,  ferner  wissen  wir  aus  dem  anm.  1 
gesagten,  dasz  einzelne  bücher  des  alten  und  neuen  testaments  gar 
nicht  dafür  gelten  wollen,  unter  besonderem  göttlichen  einflusz  ver- 
faszt zu  sein,  auszerdem  ist  in  der  bibel  nirgends  auch  nur  eine 
andeutung  gegeben,  dasz  sie  in  der  art,  wie  z.  b.  die  Muhammedaner 
nach  der  Weisung  ihres  religionsstifters  von  ihrem  koran  es  glauben, 
ein  gleichsam  wörtlich  vom  himmel  herab  mitgeteiltes,  von  gott 
zugefertigtes  lehr-  und  gesetzbuch  sei.  vielmehr  müssen  wir  nach 
der  beschaffenheit  der  bibel  gerade  das  gegenteil  davon  annehmen, 
das  meiste,  was  die  männer  gottes  des  alten  testaments  gethan 
und  geredet  haben,  ist  lange  nachher,  vielfach  von  ganz  andern  ver- 
lästern niedergeschrieben  worden,  von  Jesus  haben  wir  nicht  ein- 
mal auch  nur  6in  von  ihm  selbst  geschriebenes  wort,  seine  lebens- 
geschichte  wie  seine  reden  wurden  ziemlich  lange  nach  seinem  tod, 
zum  teil  nicht  einmal  von  äugen-  und  ohrenzeugen ,  aufgezeichnet, 
alles,  was  die  forschungen  Uber  entstehung,  spräche,  text,  Sammlung 


•  aus:  'die  gUabwfirdigkeit  der  bL  sehrfft'  von  Fr.  Beiff.  1876. 


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128  üeber  xeligion,  ofiiBiibaniDg,  heilige  sclixift. 


und  Öffentliche  anerkennnng  dieser  bttcher  uns  sagen  (s.  nr.  3.  4«  5) 
weist  darauf  hin,  dasz  in  der  hl.  adhrift  das  wort  gottes  gans  toh 
menschen  ittr  menschen  geschrieben,  durch  nipnsdien  an  nns  ge* 
kommen  nnd  erhalten  ist.  ja  wenn  wir  die  bibel  —  was  wir  ihr 
doch  gewis  vor  allen  dingen  schuldig  sind  —  mit  derselben  genauig- 
heit,  Wahrheitsliebe  und  Unbefangenheit,  wie  andere  bücher,  lesen 
und  prüfen,  so  begegnen  uns,  vornehmlich  in  historischen  nnd  geo- 
graphischen dingen ,  nicht  wenige  Iftcken,  mttngel,  anachronismen, 
Widerspruche,  und  selbst  irrtflmer,  auch  ungenaue  und  unrichtige 
dtate ,  sprachwidrige  deutungen  alttestamentlicher  stellen  und  ähn- 
liches, kurz  eine  menge  beweise  menschlicher  gebrechlichkeit/  — 
Aus  dem  gesagten  folgt  unwidersprechlich,  dasz  die  göttliche  ein- 
gebung  der  hl.  schrift  entfernt  nicht  gedacht  werden  darf  als 
mechanisches  wirken  gottes  beim  schreiben  dieser  bücher,  so  dasz 
die  Verfasser  gedanken-  und  willenlose  Werkzeuge  einer  höhern 
macht  gewesen  wSren.  'ebenso  wenig  ist  anzunehmen,  dasz  alle 
stellen  auch  des  neuen  testaments,  z.  b.  auch  1  Tim.  5,  23.  2  Tim. 
4,  13  u.  dgl.,  oder  alle  bücher,  z.  b.  auch  das  buch  Esther,  der  Pre- 
diger, oder  selbst  einzelne  Psalmen  unterschiedslos  ebenso,  wie  ande- 
res ihrer  bücher,  unter  dem  einflusz  des  göttlichen  geistes  geschrie- 
ben sind,  vielmehr  trägt  die  bibel  in  diesen  und  ähnlichen  ötiicken 
ein  echt  menschliches  gepräge,  und  zwar  in  dem  masze,  dasz  wir 
gerade  darin  eine  besondere  absieht  gottes  erkennen  müssen,  diese 
absieht  dürfen  wir  im  hinblick  auf  die  sonstigen  wege  gottes,  an 
denen  durchweg  Ordnung  und  gesetzmäszige  entwicklung  sich  er- 
kennen läszt,  wol  richtig  also  bestimmen:  gleichwie  uns  das  tägliche 
brot  und  gaben  aller  art  nicht  ganz  rein  und  fertig  dargereicht  wer- 
den, sondern  so,  dasz  der  mensch  seinerseits  arbeit  und  mühe  an- 
wenden und  den  kern  von  spreu  und  hülsen  reinigen  musz,  ebenso 
sollen  die  menschen  auch  das  himmelsbrot  des  göttlichen  Wortes 
durch  geistige  arbeit  aus  diesen  Schriften  herausschälen  und  ge- 
winnen, und  statt  mit  dem  buchstaben  götzendienst  oder  gar  aber- 
glauben  (bibliolatrie)  zu  treiben,  diese  Schriften  vielmehr  mit  allen 
mittein  des  geistes  und  der  Wissenschaft  (sprach-  und  geschichts- 
wissenschaft  und  kritik)  treulich  und  sorgfältig  zu  begreifen  und  zu 
erklären  suchen,  das  göttliche  und  menschliche  darin  genau  aus- 
einanderhalten und  so  auch  an  der  band  der  bibel  selbst,  nicht  aber 
nach  selbst  gemachten  gedanken  und  Systemen  sich  begreiflich 
machen,  wie  es  sich  mit  ihrer  göttlichen  eingebung  verhalte. 

Denn  all  dieser  un Vollkommenheiten  und  menschlichkeiten  der 
bibel  ungeachtet  bleibt  es  dabei,  dasz  sie,  richtig  verstanden,  unter 


^  all  dieses  und  auch  das  nachfolgende,  namentlich  über  den  wider- 
spruoh  der  älteren  InspiratiooBlehre  nicht  allein  mit  Luthers  ansichten 
und  verfahren,  sondern  auch  mit  der  bibel  selbst  ist  weiter  ausgeführt 
in  meiner  festschrift  zum  400jährigen  jubilaum  der  univ.  Tübingen  1877s 
'das  menschliche  und  göttliche  au  der  hl.  schrift'  s.  96 — 110. 


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Ueber  religioD,  ofienbaning,  heilige  sohzifL  129 

besonderer  göttlicher  leitung  durch  eingebung  des  heiligen  geistee 
entstiinden,  geschenkt  und  erhalteli  ist. 

'  Zum  verstfindnie  dieses  satzes  gibt  gerade  die  stelle,  welche 
der  ganzen  lehre  von  der  Inspiration  za  gründe  liegt,  den  sichersten 
ansgangspnnct  und  anfschlnsz.  Paulos  schreibt  an  Timotheas 
2  3, 15:  'bedenke,  dasz  du  Yon  deiner  kindheit  her  die  hL 
Schriften  kennst,  welche  dich  mittels  des  glaabens  an  Jesus  Christas 
weiss  machen  kOnnen  zur  Seligkeit,  d.  h.  in  der  erkenntnis  des  gött- 
lichen raihschlusses  zu  deiner  Seligkeit  fi^rdem  können,  (denn 
T.  16)  alle  Schrift,  (die)  Ton  gott  eingegeben  (ist),  ist  auch  ntttslich 
«oxbeldirong,  zur  stnuPe  (um  den  menschen  seines  irrtnms  und  sei- 
jutt  Bttide  zu  ttberfUiren),  zur  besserung,  zur  erziehung  in  der  ge- 
rechtigkeit ,  um  in  ihm  durch  ihre  zucht  das  rechtschaffene ,  gott- 
gefällige  leben  weiter  zu  entwickeln,  auf  dasz  (v.  17)  der  mensch 
gottes  (der  mit  gott  verwandte  und  durch  seinen  geist  wieder- 
geborene) vollkommen  sei ,  zu  allem  ^(uten  werke  ausgerüstet.'  mit 
diesen  werten  ist  so  klar,  als  man  nur  wünschen  mag,  gesagt, 
worauf  der  ganze  endzweck  der  bibel  als  göttlich  eingegebener 
Schrift  gerichtet  sei.  dieser  endzweck  läszt  sich  genauer  so  be- 
stimmen: die  Schrift  will  uns  zeigen,  a)  was  gott  zu  unserer 
Seligkeit  (oder  nach  Röm.  8,  14.  16,  um  uns  kiuder  gottes  werden 
zu  lassen,  oder  nach  Matth.  6,  33,  um  das  reich  gottes  in  uns  auf- 
zurichten) gethan  hat  und  b)  was  in  uns  und  von  uns  ge- 
schehen musz,  um  selig  zu  werden,  was  also  in  den  btichern 
der  Vilbel  diesem  endzweck  dient  und  nur  das,  was  ihm  dient,  oder 
wie  (weil  ja  dieser  rathschlusz  gottes  zu  der  raensclien  Seligkeit  in 
Christus  sich  vollendet  hat)  Luther  sagt,  'was  Christum  treibet', 
das  ist  die  summa  und  das  centrum  göttlicher  Wahrheit  in  der  hl. 
Schrift,  das  ist  in  ihr  unter  besonderer  leitung  gottes,  durch  ein- 
gebung des  heiligen  geistes  entstanden,  da  aber  solche  göttliche 
Wahrheit  keineswegs  bloss  im  neuen,  sondern  auch  im  alten  testa- 
ment,  im  gesetz  wie  in  den  verheiszungen,  sich  findet,  und  da  Jesus 
imd  die  apostel  dies  ausdrücklich  anerkannt  und  im  alten  testament 
eine  ununterbrochene  hinweisung  auf  die  höchste  Offenbarung  in 
Christas  bezeugt  haben,  so  gilt  in  diesem  sinne  und  mit  solcher 
«OBchrSnkung  von  allen  büchem  der  bibel ,  dasz  sie  von  gott  ein- 
gegeben sind,  eben  damit  ist  aber  gesagt,  dasz  alles,  was  in  diesen 
büohem  diesem  centrum  nicht  angehört  und  diesem  6inen  höchsten 
endzweck  nicht  dient,  eben  deshalb  diese  eigenschaft  nicht  an  sich 
trftgt,  sondern  als  minder  wichtig  und  untergeordnet  anzusehen, 

;  lind  daher  lediglich  der  gelehrten  Untersuchung  und  geschichtlichen 

;  forBefaang  anhdmzugeben  ist. 

Während  so  die  steUe  im  Timotheusbrief  die  frage  beantwortet, 
was  in  der  hl.  schrift  von  gott  eingegeben  sei  und  was  somit  in 
dendben  nicht  daftbr  zu  gelten  habe,  gibt  die  zweite  und  dritte 
liBuptstelle  2  Petri  1  und  Hebr.  1  Aber  die  art  und  weise  aus- 
Inuift,  wie  solches  geschehen  ist.  einerseits  wird  hier  hinsichtlich 


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130  Ueber  religion,  offenbarong,  heilige  schrifL 

der  menschlichen  thätigkeit  nicht  das  schreiben ,  sondern  das  reden 
betont,  und  wird  ferner  das,  was  dabei  im  menschen  vorgeht,  ganz 
auf  gleiche  linie  gestellt  mit  dem  geistigen  zustand  der  propheten, 
dasz  nemlich  nicht  der  menschliche  wille  und  das  menschliche  thun, 
sondern  ein  überwältigender  göttlicher  einflusz  die  wirkende  kraft 
ist.   da  nun  aber  ein  solcher  zustand  auch  bei  andern  geisteserzeng- 
nissen  vorausgesetzt  wird ,  und  z.  b.  die  dichter  oft  und  viel  in  dem 
sinne  sich  vernehmen  lassen :  'est  deus  in  nobis,  agitante  calescimas 
illo' ;  könnte  es  scheinen ,  die  inspiration  der  propheten  und  der 
biblischen  Schriftsteller  sei  nichts  anderes  als  solche  höhere  be- 
geisterung  überhaupt,   so  gewis  eine  solche  ähnlichkeit  angenom- 
men werden  musz  und  so  gewis  auch  hieraus  erhellt,  öaaz  die  bibel 
selbst  auf  den  geschriebenen  buchstaben  keineswegs  groszen  werth 
legt;  treten  doch  andererseits  wesentliche  unterschiede  zwisehen 
den  biblischen  schriften  und  anderen  bUdLem  berror.    sdion  im 
allgemeinen  bedingt  der  gegenständ  einen  groszen  nnterscbied, 
sofern  das ,  was  in  der  hl.  schrift  als  von  gott  eingegeben  zu  gelten 
hat,  lediglich  sittlich -religiöser  art  ist  und  sieb  dorob  eine  gans 
anszergewöhnliche  groszartigkeit  (s.  II  anm«  9)  als  ansflosz  einer 
eigentümlichen  götÜiohen  Offenbarung  erweist,    anszerdem  läszt 
sidi  aus  einem  weiteren  noch  mehr  allgemeinen  grund  nichts  anders 
annehmen,  als  dasz  diese  schriftlichen  denkmiller  des  göttlichen  | 
Worts  ihren  Ursprung  besonderer  fürsorge  und  veranstaltong  gottes  j 
zu  verdanken  haben,   es  ist  nemlich  zwar  bekannt,  dasz  sowol  die  j 
jüdische  gemeinde  als  die  christliebe  kircbe  sich  gebildet  und  ans-  \ 
gebreitet  hat  ^sine  Charta  et  atramento',  wie  der  kirchenvater  Ire-  J 
nSus  sagt,  dasz  also  anfangs  das  lebendige  wort  vollstttndig  ge- 
nügte, um  die  thatsächlichen  und  inspirierten  kundgebongen  gottes 
in  den  kreisen  der  gläubigen  zn  erhalten  und  fortzupflanzen,  allein 
ebenso  gewis  ist  auf  der  andern  Seite,  dasz  mit  gleicher  notwendig- 
keit,  wie  es  zur  erzieh ung  und  zum  heil  der  menschheit  einer  be-  | 
sonderen  anszerordentlichen  Offenbarung  bedurfte  (II  anm.  4  u.  9), 
auch  noch  ein  weiteres  geschehen  muste ,  um  das  der  menschheit  in 
den  manifestationen  und  inspirationen  der  ersten  zeit  geschenkte  | 
gut  bleibend  für  die  kommenden  gesoblechter  zu  erhalten,  nur 
dadurch,  dasz  jene  besonderen  Offenbarungen,  die  führungen  des  | 
Yolkes  Israel  und  die  gottes worte  der  propheten,  Jesu  und  der  ; 
apostel,  in  schriftlichen  Urkunden  niedergelegt  wurden,  ist  es  mög- 
lich gemacht,  dasz  auch  die  spätere  menschheit  des  erschienenen 
beils  teilhaftig  werden  konnte,    das  von  gott  gesäete  samenkom 
konnte  nicht  anders  als  yermöge  seiner  ewigen  kraft  sich  fort- 
.    pflanzen;  in  geordneter  weise  aber  und  so,  dasz  es  ftlr  alle  jahr- 
hunderte  eine  bleibende  heilsquelle  wurde,  war  dies  nur  mittels  ge- 
Bohriebener  Urkunden  möglich,  ohne  dieselben  —  so  müssen  wir  es 
wenigstens  denken'  —  wäre  gottes  endzweok  und  rathschlosz  für  | 
das  ganze  menschengeschlecbt  nie  und  nimmermehr  zu  erreichen 
und  zu  erfüllen  gewesen,  aber  auch  im  besonderen  fehlt  es  nioht  | 


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Ueber  religioD,  Offenbarung,  heilige  Bchzift  131 

an  spuren,  dasz  nicht  nur  in  den  heiligen  männern  gottes/deran 
reden  wir  in  der  bibel  vernehmen,  eine,  allerdings  allgemem 
menschliche,  geisteskraft,  die  für  gottes  Offenbarung  empföngliche 
anläge  nemlich,  durch  besondere  umstände  in  ausserordenüicher 
irma»  gesteigert  war,  sondern  anch  über  den  von  ihnen  uns  ge- 
sdienkten  Schriften,  ihrer  ab&ssung  wie  ihrer  erhaltung,  gottes 
Yorsehung  in  offenkundiger  weise  gewaltet  hat.  die  beweise  er*  . 
geben  sich  bei  nachfolgender  nSherer  besprechung  des  Inhalts  und 
der  wirksamheit  derselben. 

Wie  der  eben  besprochene  göttliche  Ursprung,  so  wird  nemlich 
das  göttliche  ansehen  der  hl.  schrift  Überhaupt  fttrs  andere  be- 
gründet  und  bewiesen  durch  ihren  Inhalt« 

Wenn  man  die  biblischen  bttcher  auch  nur  rein  menschlich  be- 
trachtet und  untersucht,  so  bietet  ihr  inhalt  schon  in  dieser  hinsieht 
volle  gewähr  ihrer  glaub  Würdigkeit  (fides  humana).  dasz  sie,  trotz 
einzelner  Unrichtigkeiten,  die  sich  gar  wol  erkennen  und  aussondern 
lassen,  in  hohem  grade  glaubwürdig  sind,  bat  einer  der  ersten  ge- 
schichtskenner ,  Niebuhr,  ausgesprochen,  wenn  er  sagt,  die  Wahr- 
haftigkeit des  alten  testaments  sei  das  höchste  in  der  geschicht- 
schreibung  auch  für  den,  der  keine  inspiration  glaube,  selbst  in 
solchen  angaben,  die  man,  weil  sie  anderwärts  nicht  erwähnt  und 
beglaubigt  oder  auch  da  und  dort  abweichend  von  der  bibel  be- 
richtet waren,  gern  schon  für  unrichtig  gehalten  hatte,  hat  beson- 
ders in  neuester  zeit  die  gelehrte  erforschung  des  ägyptischen  und 
assyrischen  altertums  wiederholt  die  Wahrheit  der  alttestamentlichen 
darstellung» bis  auf  unbedeutende  kleinigkeiten  hinaus  in  glänzendes 
licht  gestellt,  und  in  betreff  des  neuen  testaments  hat  ein  ganz  un- 
befangener und  äuszerst  bewanderter  meister  geschichtlicher  Wissen- 
schaft, Hase,  bekannt,  für  wenige  stücke  der  geschiebte  des  alter- 
tums liege  eine  so  gute  beglaubigung  und  ein  so  reiches  material 
TOr,  wie  für  die  geschichte  Jesu,  mit  vollem  recht  hat  man  daher 
in  alter  und  neuer  zeit  den  satz  behauptet,  die  neutestamentliohen 
Schriftsteller  seien  glaubwürdig,  weil  sie  die  Wahrheit  sagen  konn- 
ten und  wollten,  ja,  im  hinbHck  auf  die  überall  lauernden  feinde, 
sagen  musten.  und  bei  den  geschichtschreibem  des  alten  wie  des 
neuen  testaments  ist  schon  das  ein  sprechendes  zeugnis  für  ihre 
glaub  Würdigkeit,  dasz  sie,  ganz  anders,  als  z.  b.  die  griechischen 
imd  römisdien  autoren,  mit  der  grösten  Offenheit  gerade  auch  die 
schwSchen  und  verirrungen  ihrer  gepriesensten  mSnner,  eines 
Abraham,  Jacob,  Mose,  Petrus  unverholen  berichten,  selbst  das 
attem  und  zagen  Jesu  in  (Gethsemane  und  am  kreuze  verschweigen 
die  evangelien  nicht. 

Doöh  viel  wichtiger  und  bedeutsamer  ist,  dasz  der  inhalt  der 
hL  sehrift  in  mehr  als  6iner  hinsieht  ausdrdcklich  darauf  hinweist,  wie 
sie  in  dem  oben  dargelegten  sinne  das  ansehen  und  den  glauben  eines 
Ton  gott  stammenden  Imches  verdient,  so  wenig  gewidit  man  sonst 
einem  zeugnis,  das  jemand  von  sich  selbst  abgibt,  beizulegen  pflegt. 


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132  Ueber  religion,  Offenbarung,  heilige  schzifL 

Tun  so  weniger,  je  höheres  er  von  sich  aussagt,  verhält  es  sich  doch 
anders  mit  den  in  einzelnen  stellen  der  bibel  vorliegenden  selbst- 
Zeugnissen.  Jesus  bekennt  sich,  als. gefangener  vor  die  höchste 
behörde  seines  landes  gestellt,  beschworen  bei  dem  lebendigen  gott 
und  angesichts  des  nahen  todes  als  den  söhn  dieses  gottes  Matth. 
26,  64  nnd  versichert  zu  wiederholten  malen  freund  und  foini 
gegenflber,  dasz  er  von  gott  gesandt,  Yom  himmel  gekommen, 
gottes  wort  rede,  als  der  da  sei  der  weg,  die  Wahrheit  nnd  das 
leben  Joh.  3,  13.  34.  14,  6.  er  verheiszt  aber  auch  seinen  jlingeni: 
*so  ihr  bleiben  werdet  an  meiner  rede,  so  werdet  ihr  die  wahrhdt 
erkennen'  Job«  8,  31.  33.  nnd  sie  haben  diese  Wahrheit  erkaimt, 
zugleich  aber  bekannt,  dasz  sie  diese  lantere  Wahrheit  an  ihrem 
meUter  gesehen  nnd  von  ihm  gehOrt  haben  und  sie  verkttnden  die 
ihnen  durch  höhere  geistesgabe  geschenkte  oder  geschaute  wahihat 
Joh.  19, 36. 1  Job.  1, 1. 2.  Paulus,  der  zugleich  seine  eigne  menschok- 
Weisheit  genau  davon  unterscheidet,  versichert  aulb  bestimmteste, 
was  er  rede,  rede  er  aus  gott  und  vor  gott  2  Gor«  2, 17.  und  ganz 
dasselbe  vernehmen  wir  wiederholt  von  den  propheten  des  alten  bon- 
des,  dasz  gott  ihnen  das  wort  auf  die  Uppen  lege,  wahrlich  Schriften, 
welche  die  so  bezeugte  Wahrheit  enthalten  und  mitteilen,  verdienen 
doch  wol  als  das  anerkannt  und  geglaubt  zu  werden,  was  zu  sein 
sie  aussagen,  als  Urkunden  und  denkmäler  göttlicher  Offenbarung. 

Wären  aber  auch  die  zweifei  an  der  glaubwürdigkeit  dieser 
selbstzeugnisse  in  demselben  masze  gerechtfertigt,  als  sie  es  in  der 
that  nicht  sind,  und  wollte  man  entgegenhalten,  es  sei  ein  zirkel  im 
beweis,  wenn  man  den  glauben  an  das  göttliche  ansehen  der  hl. 
Schrift  durch  Zeugnisse  aus  dieser  schrift  selbst  begründe :  der  inhalt 
.  der  bibel  im  groszen  ganzen  und  in  ihren  hauptteilen 
gibt  weitere  unzweideutige  belege,  dasz  dieser  glaube  auf  guten 
gründen  beruhe,  wie  Israel  unter  den  Völkern  der  weit,  Jesus  in 
der  menschheit  dasteht,  so  steht  die  bibel,  sobald  man  sie  in  ihren 
grundzügen  und  nach  ihrem  ganzen  Zusammenhang  betrachtet,  unter 
den  büchern  da.  hier  wird  in  den  geschichtsbüchern  in  grosz- 
artiger,  tiefer  auffassung  die  geschichte  der  menschheit  und  des  ihr 
durch  gottes  ftlhrung  und  erziehung  zugewendeten  heils  erzählt,  wie 
es  schritt  für  schritt  näher  rückt  und  sich  in  der  fülle  der  zeiten 
vollendet,  und  dieser  6ine  grundgedanke,  der  plan  der  göttlichen 
rathschlttsse  durch  die  weltweiten  hindurch ,  ist  der  mittelpunct,  auf 
den  nahezu  alle  diese  Schriften,  so  verschieden  sie  sind  und  ob  sie 
gleich  der  zeit  ihrer  abfassnng  nach  anderthalb  tausend  jähre  aus- 
einander liegen ,  hinblicken  und  hinzielen,  ebenso  verhält  es  sich 
mit  den  lehrschriften.  andei'S  redet  Mose,  anders  die  propheten, 
anders  Paulas,  und  doch  redet  aus  allen  derselbe  geist.  in  allen 
sittUoh-religiOsen  hauptanschauungen  und  hauptlebren,  in  den  Wahr- 
heiten über  gott,  menschennatnr,  sfinde  und  erlösung  sind  sie  alle 
einig,  und  zugleich  geben  diese  Schriften  so  klare  aufsdilüsse  über 
gott  und  göttliche  dinge,  über  das  menschliche  wesen  und  des  men* 


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Ueber  religion,  offeubamog,  heilige  schrift  138 


sehen  bestimmnng,  und  enthalten  eine  so  gewaltige  fülle  und  tiefe 
der  gedanken,  trOstangen,  lehren,  antriebe  und  mahnnngen,  wie  wir 
sie  in  solchem  reichtom  .und  in  solcher  einheitUchkeit  in  keinem 
andern  buch  aach  nur  annfthemd  beisammen  finden,  sind  ja  doch 
hier  die  flüchte  des  religiSsen  lebens  aus  mehr  als  einem  Jahrtausend 
niedexgel^,  wie  sie  die  für  gottes  Offenbarungen  empfänglichsten 
geister  erschaut,  erfohren,  an  sich  und  andern  bewährt  gefunden 
haben,  und  yoUends  das  wort  der  Weissagung  auch  nur  im 
alten  testament,  das  wir^  als  bereits  erfllllt,  um  so  deutlieher  Ter^ 
stehen  und  beurteilen  kOnnen!  viele  andere  y(Slker  glaubten  an  ein 
goldenes  Zeitalter  am  anfang  der  dinge,  wie  dies  auch  in  der  bibli- 
schen erzählung  vom  paradies  sich  findet.    Israel  dagegen  blickte 
auszerdem  auch  auf  eine  noch  herlichere  zeit  in  der  zukunft  hin. 
die  Sehnsucht  darnach  und  die  zuversichtliche  hoffnung  darauf  wird 
von  Jahrhundert  zu  Jahrhundert  immer  bestimmter  und  inhalts- 
reicher,  worin  wir  abermal  den  gott  der  Ordnung  erkennen,  den  wir 
ganz  ebenso  in  all  seinen  Offenbarungen  in  der  natur  und  geschieh  Le 
wie  im  innern  des  einzelnen  menschen  jederzeit  walten  sehen,  diese 
Sehnsucht  spricht  sich  zuerst  in  ganz  allgemeinen  zügen  als  ahnung 
aus,  dasz  das  böse  in  der  weit  dem  guten  und  göttlichen  den 
sieg  lassen  müsse,  sodann  in  der  idee  eines  reiches  gottes 
auf  erden,  das  unausbleiblich  sich  inmitten  des  volkes  Israel  ein- 
stellen werde,  und  endlich  tritt  die  person  eines  über  alles  masz  des 
gewöhnlichen  und  menschlichen  hinausragenden  geistigen  retters  in 
den  sehkreis  der  propheten,  eines  Messias,  unter  dessen  friedens- 
scepter  in  der  fülle  der  zeiten  dem  eigenen  volke,  aber  durch  das- 
selbe allen  nationen  eine  herliche  selige  zukunft  erblühen  werde« 
gewis  diese  hohe  und  reine  idee  eines  Messiasreiches,  wie  sie  in 
einer  reihe  prophetischer  stellen  sich  findet,  und  dieses  Messias- 
bild, wie  es  am  vollständigsten  und  reinsten  Jes.  11  gezeichnet  ist, 
können  unmöglich  blosze  erzeugnisse  menschlichen,  naehdenkens 
oder  menschlicher  phantasie  sein,  gottes  geist  musz  diese  seher  er- 
leuchtet, eine  besondere  höhere  kraft  sie  wie  im  leben,  so  im  sprechen  - 
und  sehreiben  durchdrungen  haben  (vgl.  II  anm.  9).  und  ausserdem 
dringt  sich  auch  hier  der  weitere  gedanke  auf,  es  kOnne  nur  durch 
besondere  umstSnde  und  besonderes  walten  gottes  gestdiehen  sein, 
dasz  gerade  diese  sowol  geschichtlichen  als  lehrenden  und  propheti- 
schen Schriftwerke,  welche  sttmtlich  ein  so  einheitliches  geordnetes 
ganzes  bilden,  sich  fort  und  fort  erhalten  und  im  laufe  der  selten 
das  jetzige  bibelbuch  gebildet  haben. 

Dieser  gedanke  wird  besonders  nahe  gelegt  durch  euie  ziem- 
liche anzahl  eigentümlicher  weissagesteilen  des  alten 
testaments,  die  von  jeher  yorzugsweise  die  aQfmerksamkeit  und 
wertschfttsung  der  Jüdischen  und  christlichen  weit  auf  sich  gezogen 
haben,  es  sind  dies  diejenigen  Weissagungen  in  den  Propheten  und 
Psalmen,  in  denen  nicht  blosz  im  allgemeinen  das  beilsreieh  und 
der  heilbringer  geschildert,  sondern  ganz  im  einzelnen  ein  aus- 


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134 


Ueber  religion,  offenbamng,  beilige  scbiift 


geprSgteres  bild  des  Messias  nach  seinen  eigensebafien,  begegnissen 
und  nmstftnden  geseicbnet  exscheint,  and  zwar  gerade  in  solehea 
zflgen,  dass  wir  gesteben  mfissen,  dieselben  seien  zom  teil  bis  anfr 
wort  bin  sowol  in  der  person  als  in  den  scbicksalen  Jesa  in  leib- 
bafker  wirkHcbkeit  gescbiebtliob  geworden,  die  bekanntesten  aV 
sehnitte  dieser  art  sind  Micha  6, 1.  Jes.  7  nnd  63.  Sao^iaij*  9f  9. 
Ps.  22.  die  anffassnng  dieser  Weissagungen,  welcbe  D.  Fr.  Stnuui 
auf  die  bahn  gebracbt  bat,  dasz  die  TeriGuser  der  evangelien  naeb 
dem  bier  vorliegenden  programm  ihre  berichte  abgefasst  haben ,  ist 
80  abeonderlicfa,  dasz  sie  wol  wenig  anhloger  mehr  zfthlen  wird 
ancb  die  meinnng,  Jesns  selbst  habe  mit  rttcksicbt  auf  diese  stellen 
des  alten  testaments  dieses  und  jenes  gethan  und  gesprochen ,  läszt 

'  sieb  auf  keinen  fall  bei  allen  stellen  festhalten  und  durchführen, 
somit  bleibt  nur  die  wähl,  entweder  anzunehmen,  den  propheten 
selbst  sei  der  weissagebliek  so  geschärft  gewesen,  dasz  sie  viele 
Jahrhunderte  zuvor  alle  jene  einzelheiten  im  leben  und  Schicksal  des 
kommenden  Jesus  wirklich  geschaut  haben,  oder  aber  die  ansieht 
zu  fassen,  es  sei  zwar  vielleicht  Jes.  53  oder  Ps.  22  usw.  ursprüng- 
lich nicht  unmittelbar  mit  beziehung  auf  ferne  zeiten  und  die  person 
des  in  Jesu  erschienenen  Messias  gedacht  und  geschrieben  wordeii, 
dagegen  habe  unleugbar  gottes  besondere  Vorsehung  die  umstände 
bei  Jesu  geburt,  leiden  und  sterben  so  gefügt  und  zur  beglaubigung 
Jesu  bei  seinen  Zeitgenossen  buchstäblich  so  eintreten  lassen,  wie 
sie  die  alten  propheten,  ob  auch  nicht  mit  absieht  und  nicht  einmal 
mit  bewustsein,  sondern  in  ganz  anderem,  der  nächsten  gegenwart 
geltendem  und  verständlichem  sinne,  seiner  zeit  geschildert  hatten, 
mag  man  sich  nun  für  diese  oder  jene  dieser  zwei  auffassnngen  ent- 
scheiden, in  beiden  fällen  ist  das  6ine  klar  und  musz  als  über- 
raschender weiterer  beweis  für  das  göttliche  ansehen  der  hl.  schrift 
angesehen  werden,  dasz  gerade  auch  die  weissagebücher  unter  be- 
sonderem walten  gottes  yerfaszt  und  erhalten  worden  sind ,  sei  es, 
dasz  gott  schon  bei  dem  erstmaligen  schreiben  dieser  abschnitte  in 

'  auszerordentlicher  weise  eingewirkt,  oder  aber*  nur  erst  in  den 
Zeiten  der  erfüllung  ein  besonderes  walten  hat  eintreten  lassen. 

Noch  nachdrücklicher  and  so,  dasz  jeder  einzelne  leser  ohne 
sonderliche  gelehrsamkeit  es  yerstehen  und  sich  aneignen  kann,  be- 
weisen das  göttliche  an  der  hl.  schrift  fürs  dritte  die  Wirkungen; 
die  Ton  derselben  sowol  im  grossen  ganzen  der  Weltgeschichte,  als 
auf  einzelne  geister  und  gemttter  jederzeit  ausgegangen  sind  und 
fort  und  fort  ausgehen. 

Es  wird  mit  recht  darauf  hingewiesen,  welch  eine  ftlle  tch 
licht,  leben  und  sogen  durch  den  hohen  geistesgehalt  der  bibel  in 
die  mensohheit  ausgeströmt  ist.  sie  kennt  in  ihrer  mitte  auf  dem 
litterarischen  gelnet  keine  edlere  erscheinung,  keine  das  sitüicbe 
und  religiöse  denken,  fühlen  nnd  bandeln  tiefer  umgestaHende 
macht,  als  jenen  lebensstrom.  die  culturgeschichte  und  das  Schrift- 
tum der  nachchristlichen  weit  ist  überall  von  den  goldhaltigen  adem 


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Ueber  rellgion,  offenbarang,  heilige  schrift  135 


der  biblischen  gedanken  und  selbst  der  biblischen  epraofae  dnrob- 
xogen.  Insbeeondere  hat  auch  die  lami  in  ihren  meisterwerken  der 
muaik,  maierei  nnd  Boulptar,  sowie  die  entwiokliing  der  spräche, 
z.  b.  aneh  der  deutschen  schriftepraohe,  die  hl.  schrift,  und  zwar  ge- 
rade sofern  sie  in  dieser  reihe  geschriebener  denkmftler  der  ver- 
schiedensten  art  Torliegt,  zur  gnmdlage.  all  dieses  kann  als  beweis 
angeführt  werden,  welch  wichtiges  Werkzeug  in  der  band  gottes  die 
bi.  sohrifb  gewesen  ist,  seine  zwecke  und  rathschlttsse  zur  geistigen 
entwioklung  und  erziehung  der  menschheit  zu  yerwirklichen ,  und 
wie  es  der  heilige  gottesgeist  selbst  gewesen  sein  musz,  durch  den 
in  diesen  btlchem  der  erste  klare  ton  höheren  geistigen  lebens  er- 
klangen- ist,  'der  mit  solcher  kraft  die  jahrhonderte  hindorch- 
gekluDgen  und  die  weit  gezwungen  bat,  nach  ihm  sich  um-  und 
einzustimmen.'* 

Doch  stärker,  packender  und  nachhaltiger,  auch  für  jedermann 
verständlich  ist  vollends  der  beweis,  den  die  hl.  schrift  selbst  abgibt 
durch  ihre  Wirkung  auf  den  einzelnen,  auf  jedes  gemüt,  das  ihre 
kraft  an  sich  erlebt  und  erfährt,  auf  jeden  geist,  der  ihrem  lichte 
sich  aufschlieszt.    das  ist  der  könig  aller  beweise,    wenn  so  *die 
schrift  und  der  mensch  sich  gegenseitig  ihr  innerstes  aufthun  und 
der  göttliche  funke  aus  jener  in  diesen  überspringt'  (Reiff) ,  dieses 
selbsterleben  ist  es,  was  erst  einen  völligen  und  bleibenden  glauben 
an  gottes  wort  in  der  hl.  schrift  faszt.   man  hat  diesen  beweis  von 
alten  Zeiten  her  auf  grund  von  Röm.  8,  16  ganz  passend  das  testi- 
monium  spiritus  sancti  genannt;  tausende  haben  daran  schon 
den  felsenfesten  grund  ihres  glaubens  gefunden;  die  gründer  unserer 
evangelischen  kirche  kennen ;  tlben  und  empfehlen  keinen  andern 
beweis  mit  stärkerem  nachdruck;  ja  Jesus  selbst  stellt  ihn  als 
sicherstes  zeugnis  fUr  die  göttlichkeit  seiner  lehre  in  erste  linie, 
Job.  7,  17.  wie  dies  im  einzelnen  geschieht,  wenn  wir  an  der  hand 
dieser  heiligen  Urkunden  in  jene  von  überweltlichen  mächten  durch- 
waltete re^gionswelt  uns  zurttclmrsetsen,  den  darin  sieb  offen- 
barenden gottesgeist  in  uns  wirken,  unser  sittliches  wesen  dadurch 
nmscbaffen,  die  rftthsel  des  lebens  und  die  Widersprüche  des  denkens 
m  lösen  lassen »  ist  des  idüliem  dargelegt  in  der  genannten  fest- 
schrift  s.  lOS  t 

Anm.  3.  Nach  Kehemia  8—10  wurde  der  wahrscheinlich  kurz 
Tor  dem  babylonischen  exil  in  seiner  jetzigen  gestslt  zusammen- 
gestellte Pentateuch,  etwa  100  jähre  nach  der  rllckkehr,  um  das 
jtihr  444  y.  Chr.  von  Esra  dem  yolk  öffentlich  yorgelesen  und  dieses 
feierlich  darauf  Trerpfiichtet,  galt  also  damals  entechieden  schon  als 
beüigeB  buch,  aus  2  Maccab.  2, 13  aber  erhellt^  dasz  laut  gewisser 
toltwttrdigkeiten  Nehemia's  (nicht  unserm  jetzigen  Nehemiabuch, 

^  das  hier  angedentete  findet  man  näher  ausgeführt  in  dem  schon 
genannten  Vortrag  von  Fr.  Reiff,  ferner  in  Schenkel,  'die  biblische 
gesehichte  des  alten  testaments  in  der  voikfiscbule',  auch  in  Georg 
Gebers  Weltgeschichte. 


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136 


Ueber  religion,  offenbanmg,  heilige  schrift. 


sondern  einer  nur  angeblichen  schrift  von  ihm)  eine  öffentliche 
Sammlung  wichtiger  bttcher.  angelegt  habe,  diese  scheint  jedoch 
nicht  gerade  nnr  diejenige  Sammlung  gewesen  zu  sein,  welche  jetzt 
den  zweiten  teil  der  hebräischen  bibel  (s.  6  b)  bildet  und 
wol  erst  später  seine  jetzige  gestalt  bekommen  bat ;  indes  ist  durch 
den  ausdruck  'bücher  der  könige ,  propheten  und  Davids'  jedenfalls 
angedeutet,  dasz  die  nunmehrigen  bttdier  Samuelis  und  der  Könige, 
vielleicht  auch  die  bücber  der  vorangehenden  zeit,  Josua,  Kicbter, 
Buth,  femer  die  scbriften  der  drei  groszen  (wahrscheinlich  bei  Jere- 
mia  aneh  seine  Klaglieder)  und  zwölf  kleinen  propheten,  und  eine 
psalmensanunlongi  ähnlich  der  jetzigen,  also  in  der  haaptsache  doch 
eben  jener  zweite  teil  des  kanon  zur  zeit  Nehemias  vorhanden  ge- 
wesen und  von  ihm  als  für  das  volk  besonders  wichtig  zusammen- 
gestellt worden  sind,  die  als  ^briefe  der  könige  von  den  opfern', 
•  d.  h.  weihgeschenken,  angeführte  schrift  ist  watodiMnlioh  aafsngs 
auch  in  die  sanunhmg  aufgenommen  gewesen,  spftter  aber  weg- 
gelassen worden,  weit  schwieriger  ist  dagegen  zu  sagen,  wie  es  mit 
der  Sammlung  des  dritten  teils  des  hebrSischen  kanons  (Hagio-  | 
grapha)  nach  seiAfln  einzelnen  büchezn  sich  yerhalte« 

Anm.  4.  Aus  liturgischen  gründen ,  um  je  an  den  fünf  festsii: 
passah,  pfingstfest,  fest  der  Zerstörung.  Jerusalems,  laubhttttenfest 
und  pui^nfest,  vorgelesen  zu  werden,  sind  die  fllnf  als  8 — 7  au^-  ' 
fOhrten  bücher  unter  dem  namen  Megilloth,  d.  i.  Volumina,  za- 
sammengestellt  worden.  | 

Anm.  5.  Während  bei  Luther  (s.  die  reihenfolge  in  seinsr  , 
Übersetzung)  die  Apokryphen  lediglid  anhangsweise  dem  alten  . 
testament  beigeordnet  smd,  aneh  das  sog«  Tierte  buch  Esra,  ein  pro- 
phetisches buch,  ganz  weggelassen  ist,  findet  sidi  dieses  in  der  tuI- 
gata  (s.  nr.  9),  und  sind  hier  noch  auszerdem,  wie  dies  schon  in  der  i 
griechischen  ttbersetzung  der  fall  ist,  alle  einsehien  apdoryphen-  I 
bUcher  zwischen  die  kanonischen  eingereiht,  dies  hfingt  damit  sa-  | 
sammen,  dasz  in  der  lateinischen  kirche  nach  dem  yorgang  des 
Augustin  auch  die  Apokiyphen  schon  auf  den  kirohenversamm- 
langen  zu  Hippo-Begius  393  und  Karthago  397  fCbr  kanonisch  er- 
kUbrt  und  als  solche  von  der  i^ode  zu  Trident  1546 — 1563,  m 
gegensatz  zur  eyangelischen  kirche,  feierlich  beseitigt  wurden, 
auch  die  griechisch-katholische  kirche,  welche  früher  den  alten 
alttestamentliohen  kanon  ohne  Apokryphen  hatte,  hat  auf  einer 
sjnode  zu  Jerusalem  unter  Dositheos  1672  diese  letzteren  gleichMb 
den  kanonischen  Schriften  gleichgestellt  und  die  offidelle  ausgäbe 
der  bibel  1821  enthalt  sogar  eine  grössere  anzahl  Apokryphen,  als 
die  Vulgata.    dagegen  sind  die  ebenfidls  reidilieh  yorhandenen 
Apokryphen  des  neuen  testaments  in  keine  kirchlu&e 
bibelsammlung  angenommen. 

Anm.  6.  EigrahSndige  Schriften  yon  propheten  oder  aposteln 
gibt  es  natürlich  keine;  auch  die  frühesten  auf  papyrus  gesdiriebe- 
nen  absehriften  derselben  sind  alle  zu  gründe  gegangen;  erst  seit- 


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Kiit  notizen  zu  den  beBchlÜBsen  der  Berliner  orthogr.  couferenz.  137 

dem  man  im  4n  jahrhnndert  auf  thierhUute  zu  schreiben  begann, 
■war  mehr  dauer  in  denselben,   es  ist  daher  gar  nicht  anders  zu  er- 
warten, als  dasz  der  ursprüngliche  text  durch  die  abschreiber  eine 
menge  Veränderungen  und  namentlich  viele  einschiebsei  (glossen) 
bekam,  eins  der  auffallendsten  beispiele  dieser  art  ist  die  geschichte 
der  ehebrecherin  (Job.  8),  welche  in  den  ältesten  handschriften  ganz 
fehlt,    sogar  noch  in  Luthers  bibelübersetzung  hat  man  sich  solche 
einschaltungen  erlaubt,  indem  Luther  selbst  die  unechten  Zusätze 
1  Job.  5,7.8  mit  gutem  gründe  wegliesz ,  spätere  theologen  sie 
aber  hineinsetzten,  darum  hat,  wie  die  kritische  Untersuchung  Über 
entstehung  und  Sammlung  der  biblischen  bücher,  so  auch  die  kritik 
des  textes  bei  keinem  buch  so  viel  und  so  schwere  arbeit ,  als  bei 
der  bibel,  eine  arbeit,  der  sich  auch,  von  den  kirchenvätem  Origenes 
vokd  Hieronymus  an,  seit  dem  vorigen  jahrhundert  in  beziehung  auf 
das  neue  testament  besonders  deutsche  gelehrte  (Bengel,  Griesbach, 
Lachmann,  Tischendorf)  mit  groszem  fleisz  unterzogen  haben. 

Anm.  7;  Um  die  Verbreitung  der  bibel  haben  sich  die  bib el- 
anstalten, in  Deutschland  besonders  die  vom  freih.  v.  Canstein 
in  Halle  zu  anfang  des  18n  Jahrhunderts  gegründete,  und  die  bibel- 
gesellschaften  (Londoner,  Berliner,  Baseler,  Stuttgarter  n«  a.) 
sehr  verdient  gemacht. 

SoHÖNTHAIi.  MszaSB. 


(11.) 

KBITISCHE    NOTIZEN  ZU  DEN  BESCHLÜSSEN  DER 
BERLINER  ORTHOGRAPHISCHEN  CONFERENZ. 

(forUetzung.) 


Wir  kommen  zu  den  einselneii  'regeln' : 

'L  Laute  und  lautzeichen.' 

Statt  des  letztem  wortes  oder  zu  demselben  wünschen  wir  das 

Wort  'buchst  aben',  damit  sofort  scharf  die  begriffe  des  gesproche- 
nen und  gehörten  lauts  und  des  (sonst  leicht  unklar  bleibenden)  ge> 
Bchriebenen  und  gesehenen  buchstabs  geschieden  werden.  —  Aus 
demselben  gründe  wünschen  wir  in  anm.  2:  'z  und  x  sind  einfache 
bnchstaben  für  die  zusammengesetzten  laute  ts  und  ks',  und  zuge- 
fügt: 'wie  seh,  eh  und  ng  zusammengesetzte  buchstaben  für  einfache 
'laute  sind*. 

§1.  Fürdievocale  (und  consonanten)  haben  wir  a.  a.  o. 
'zur  cons.  reform'  zur  zeit  andere,  teils  blosz  genauere,  teils  sachlich 
abweichende  tabellen  aufzustellen  versucht,  für  die  acht  vocale 
halten  wir  deren  organische  ableitung  und  entwicklung  am  dreieck 
für  sehr  zweckinäszig,  weil  sich  das  verhiiltnis  der  grundvocale  zu 
den  gebrocheneu  und  zu  dem  umgelauteten  aufs  einfachste  und 

«.Jahrb.  f.  phil.  n.  pid.  II.  $hU  U7S.  hfl.  8.  10 


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138 


Kritische  uotisen  su  den  begcblüseeu 


deutlichste  zeigt  und  das  übersichtliche  bild  dieser  figur  sich  leicht 
und  fest  dem  gedächtnis  einprägt,  also  je  nachdem  die  sacbe  mehr 
oder  ausschlieszlich  der  Schulpraxis  angepasst  oder  wissenschaftlicher 
dargestellt  werden  soll,  hätte  man  etwa  die  auswahi  zwischen  den 


folgenden  vier  figuren.  di^  beiden  letzten  stellen  den  der  untenchei- 
dnng  des  offisnen  ä  vom  geschlossenen  e  entsprechenden  nnterscbied 
des  offenen  o  und  ö  (z.  b.  in  offen,  öffnen)  vom  geschlossenen  o  und 
ö  (z.  b.  in  Ofen,  Öfen)  dar;  sie  weisen  also  sehn  Tocale  auf« 


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der  Berliner  ortbograpbiichen  oonferens. 


139 


Die  'diphihonge'  oder  *doppeUaiite'  diesem  bilde  zuznitlgeB 
halten  wir  in  einem  orUiographieelien  regelbnche  deshalb  fUr  be* 
dcnhlich,  weil  dieselben  die  ttbersichtlichkeit  der  figur  stören  nnd 
hftuptsScUicli,  weil  die  Schreibung  der  dentschen  diphtfaonge  eine 
rollkommen  historische^  dem  phonetischen  Charakter  unserer  ortho* 
grsphie  widersprechende  ist,  wie  wir  a.  a.  o.  glauben  nachgewiesen 
n haben:  an  on  (ygl.  mhd.  on  nnd  s«  b.  o  web!  — ■  anl  gespr. 
onl),  ai  und  ei  meist  —  en  nnd  tta  —  Oft  (TgL  mhd.  Oa  nnd  z.  b. 
LSwe  «-=  Len,  gespr.  LOA).  —  Die  systematische«  organische  anf*  • 
stellimg  der  consonanten  verlangt  eine  entsprecbende  berdcksich- 
ligung  der  yocale,  die  hier  sonst  nuHckgesetst  erscheinen,  obscbon 
a  dnn  w,  i  dem  j,  a  dem  b  anfii  nlKchste  yerwandt  ist.  —  Dass  das 
aDdestsche  nnd  überflttssige  j  eingeklammert  ist,  wird  jeder  billi- 
gen;  das  französische  n  nnd  dessen  aawendong  zu  on  zeigt,  dasz 
sndi  das  analoge  griechische  j  unser  tt,  ein  umgelautetes  fräieres  u 
ist,  also  mindestens  auf  halbem  wege  zu  L  noch  besser  hfttte  man 
vielleicht  den  fremdling  ganz  aus  der  reihe  der«  deutschen  vocale 
entfernt  und  in  eine  anmerkung  verwiesen;  jedenüüls  gebltrt  ihm 
nieht  gleicher  rang  mit  den  ebenfalls  eingeklammerten  diphthongen 
ai  und  äu,  die  wegen  ihrer  von  ei  (und  eu?)  difierensierten  aus- 
spräche oder  ihrer  umlautnatur  (a :  ft  an :  äu)  mehr  berftcksich- 
tigung  verdienen.  * 

Von  den  consonanten  halten  vrir  nur  das  weiche  w  für  eine 
labiale  (spirante);  f  und  v  sind  labiodental  oder  genauer  dentilabial 
und  gehören  eine  reihe  tiefer;  auch  ist  noch  niclit  jeglidier  unter- 
sehied  zwischen  der  schaxfiBn  dentUablalen  spirans  f  und  der  weichen 
V  verschwunden,  so  dasz  letztere  zwischen  w  und  s  gehOrt.  —  Be- 
tiefBs  des  soh  sind  wir  jetzt  noch  entschiedener  der  ansieht,  dasz  es 
gar  nicht  lingual,  viel  eher  labiodental,  im  wesentlichen  aber  rein 
dental  ist;  denn  die  sauge  zieht  sich  zwar  aus  der  sz-stellung  zu- 
rttek,  bleibt  aber  passiv  bei  der  bildung  des  durch  die  nun  breiteren 
zahnilicken  gehenden  zisohlautstromes;  die  Uppen  aber  schieben  sich, 
and  nicht  blosz  passiv,  vor,  indem  sie  den  zischlautstrom  brechen 
nnd  ihm  dadurch  seine  eigentflmliche  ftrbung  geben ;  hftlt  man  die 
Uppen  auseinander-  und  surflckgezogen ,  so  ist  der  laut  kein  sch 
Bielir ,  sondern  er  ntthert  sich  dem  pidatalen  ch.  man  versuche  es 
nur  sz,  soh  und  f  nach  einander  zu  sprechen,  so  wird  man  sehen  und 
bffiren,  dasz  sch  zwischen  sz  und  f  in  der  mitte  steht. 

ünter  der  colonne  der  scharÜBn  Spiranten  wttnschen  wir  die 
boohstaben  fund  s  entfernt  nnd  event.  zu  den  weichen  gestellt,  wo 
f  schon  einmal  steht,  wenn  das  weiche  f  im  auslaut  schSrfer  klingt, 
so  beweist  das  fOr  seine  natnr  ebenso  wenig ,  als  wenn  man  von  der 
richtigen  edlen  spräche  abweichend  Grapp,  des  Grapps,  das  Grafs 
scharf  und  kurz  spricht  und  nun  b  fftr  scharf  und  das  a  ftr  kurz 
halten  wollte. 

Die  laute  r  und  noch  mehr  1  sind  so  eigenartiger  natur,  dasz 
sie  weiter  von  den  andern  abgetrennt  werden  mttssen. 

10* 


Diyiiizeü  by  GoOgle 


140 


Kritische  uotizeo  zu  deu  beschlüssen 


Ch  braucht  nur  einmal  und  zwar  als  guttural  gesetzt  zu  wer- 
den ;  sonst  hätten  unter  den  vocalen  auch  das  offene  e  (o  und  ö)  Ton 
dem  geschlossenen  geschieden  and  zweimal  gesetzt  werden  müssen 
(vgl.  a.  a.  0.). 

Hinter  sch  kann  s  und  vor  dem  ng  n  fehlen ,  da  dadurch  die 
laute  an  Übersichtlichkeit  gewinnen;  oder  man  klammere  die  dem 
betreffenden  laute  oft  fehlenden  buchstaben  ein,  also  s(ch)  und  nfg). 
jedenfalls  aber  verlangt  dies  dritte  hinter  sch  eingeklammerte 
s  und  das  zweite  vor  ng  nicht  eingeklammerte  n  eine  ganz 
gleichm'eiszige  behandlung.  nach  demselben  gesichtspuncte  könnten 
die  mit  recht  eingeklammerten  zeichen  c  und  q  neben  dem  eigent* 
liehen  deutschen  k  laute  fehlen. 

So  ergibt  sich  folgendes  lautschema  f  ür  die  20  c  o  n  s  o  n  a  n  t  e  n : 


Zeitlose. 

1 

Dauerlaute. 

j  «taniiiitt  iMte. 

hrachteate. 

BftMntottte. 

slUOThurteu 

1.  Lippenlaute 
Zahnlippenlaute 

P 

b 

f 

w 

V 

m 

^^^^^^^^^^^ 

Lippenzahnlante 

2.  Zahnlaute 
Zungenlaute 

t 

d 

sch 

8X 

8 

n 

.  r , 

Gaumenlaate 
3.  KehUaate 

k 

ch 

j 

h 

Anm.  1.  dasz  die  initialen  der  umlante  Ä,  ö,  Ü  mxkt  dnnb 
Ewei  Yoealzeichen  ausgedrückt  werden,  ist  eine  forderong  des  pho- 
netischen grundcharakters  unserer  nationalen  orlhognphie.  — 
Ebenso  enthält  anm*  3,  dasz  I  nnd  J  geschieden  werden  müssen 
[wie  II  und  W,  wie  A  und  H] ,  edn  aadom  der  pfaonetik,  die  für  ver- 
schiedene laute  verschiedene  zeichen,  für  denselben  laut  denselben 
buchstaben  verlangt,  aber  allerdings  ist  die  art  der  Scheidung  in 
anm.  3  wie  im  ganzen  satze  der  'veihandlungen'  misglückt. 

Für  die  schulen  würde  es  aidi  wol  ausierdem  verlohnen ,  die 
Bcbemas  durch  striche  strenger  zu  scheiden,  und  oben  nnd  links 
durch  über-  und  nebenschriften  den  grund  der  Ordnung  anzugeben; 
ebenso  den  einfachen  lauten,  die  das  nnglück  haben,  durch 
zusammengesetzte  buchstaben  geschrieben  zu  werden,  wenigstens 
einen  einheitlichen  namen  zu  geben,  der  ihrer  natur  und  der 
analogie  der  andern  lautnamen  entspricht :  also  die  scharfen  Spiran- 
ten auslautend  'esoh'  und  *aeh',  wie  ef  und  esz;  die  weichen  an- 
lautend W  wie  we,  vau,  jot  und  ha;  die  nasale  (und  liquida)  'eng', 
wie  em  und  en  (er  und  el).  (vgl.  a.  a.  o.  besonders  die  lauttobelkn 
und  die  anmerkungen  des  letzten  teils.)  — £s  folgt: 

II.   Von  der  dehnung  und  kürzung. 

Ein  fortschritt  ist  es,  dasz  diese  beiden  zusammengestellt  sind, 
wie  sie  von  natur  offenbar  zusammen  gehören;  dasz  nicht  der 


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der  Berliner  orthograpiiiflchen  conferenz. 


141 


wissenschaftliche  fehl  versuch  gemacht  worden  ist,  die  regel  über 
'consonantverdoppelung'  von  der  über  den  'consonantischen  aus- 
laut*  abzuleiten,  jedoch  hätten  wir  hinter  'I.  laute  und  buchstaben* 
zunächst  den  dritten  abschnitt  'verschiedene  bucbstaben  für  den* 
selben  laut'  erwartet;  doch  darüber  später. 

In  abschnitt  II  wird  nun 'A.  von  dem  kürzungszeichen, 
der  consonantverdoppelung '  gehandelt.  die  consonant- 
verdoppelung  gehört  also  nicht  unter  die  rcgel  über  den  consonan- 
tischen  auslaut,  vgl.  a.  a.  o.  VI.  im  letztern  falle  wird  vielleicht 
hier  und  da  ein  consonant  aus  etymologischen  gründen  weicher  be- 
zeichnet, als  er  zu  lauten  pflegt ;  in  unserm  falle  aber  bandelt  es  sich 
ganz  und  gar  nicht  um  den  consonanten  in  phonetischer,  son- 
dern in  graphischer  beziehung,  und  ebenso  wenig  um  etymologie. 
gerade  umgekehrt  wird  der  vocal  in  seiner  phonetischen  dauer 
bezeichnet  gemäsz  der  hierfür  in  unserer  spräche  feststehenden 
orthographischen  regel,  dasz  gesprochene  vocalkürze  durch 
geschriebene  consonant  Verdoppelung  graphisch  aus- 
gedrückt wird;  gesprochen  wird  blosz  ein  consonant.  nur  das 
auge und  die  schrift  kennen  einen  verdoppelten  consonanten; 
das  ohr  und  die  spräche  kennen  hier  nur  einen  verkürzten  vocal. 
es  handelt  sich  also,  wie  Kaumer  (s.  BG)  gegen  Wilmauns  und  Imel- 
mann  richtig  bemerkte,  'nicht  um  ein  etymologisches  niotiv'  (wie 
beim  consonantischen  auslaut),  aber  freilich  ebenso  wenig  'um  deh- 
liung  des  consonantischen  lauts',  wie  Raumer  meint,  sondern 
vielmehr  im  geraden gegenteü:  um  kUr&ung  des  vocalificben 
lauts! 

Wir  mttssen  bei  dieser  gelegenheit  in  anbetracht  der  hohen 
achtong,  die  den  heryorragenden  leistungen  der  conferenz  und  ins- 
besondere des  berm  von  Raumer  für  unsere  nationale  Orthographie 
mit  ToUstem  rechte  gebührt,  um  entschuldigung  biften,  wenn  wir 
OBS  gerade  gegen  vereinzelte  ungenauigkeiten ,  die  wir  bei  ihm  zu 
finden  glauben,  mit  besonderer  Offenheit  und  bestimmtheit  wenden, 
das  grosze  gewicht  seines  namens  und  seiner  unerreichten  leistungen 
vergröszeri  die  folgen  und  gefahren  seiner  etwaigen  Irrtümer  und 
madit  eine  entschiedene  ab  wehr  derselben  zur  pflicht :  ein  verfahren, 
das  Y.  Baomers  onvergttngliche  Verdienste  nimmer  verkleinern  soll 
noch  kann,  so  müssen  wir  uns  denn  hier  nochmals  gegen  seine  an- 
sieht, dasz  doppelconsonanz  den  consonantischen  laut  dehne,  dasz 
dadurch  die  silben  trotz  kurzen  vocals  positionslang  werden,  dasz 
alle  betonten  neuhochdeutschen  silben  lang  seien,  dasz  es  keine  neu- 
hochdeutschen betonten  silben  mit  kurzem  yocal  und  einfachem  auf 
den  vocal  folgenden  consonanten  gebe  usw.  —  Wir  müssen  uns 
nochmals  mit  aller  entschiedenheit  gegen  diesen  gmndirrtum  in  den 
deutschen  grammatiken  ausdrücklich  erkl&ren.  diese  ansieht  ist  ein 
ftberbleibsel  des  alten  fehlversucbs  unserer  deutschen  accentuieren- 
den  i^racfae  die  antike  quantitierende  metrik  aufzuoctroy leren ,  der 
Verwechslung  des  tons  mit  der  länge,  das  hochtoaige  ^dal '  in  der 


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1 

I 


142  Kritische  notizen  zu  den  beschlössen 

bedeutung  'nimm!'  u.  dgl.  sind  sogar  offene  silben  mit  kurzem 
vocal ;  es  folgt  nicht  einmal  ein  einziger  consonant  auf  den  betonten 
kurzen  vocal,  die  silbe  ist  so  kurz  wie  denkbar;  dennoch  ist  sie  be- 
tont, eine  entschiedene  arsis  in  der  deutschen  metrik!  in  der  die 
Quantität  als  solche  gleichgültig  ist,  in  der  der  ton  allein  gemessen 
Avird.  vgl.  alle  'kurzen'  nachsilben  auf  -e  usw.  —  Durch  jene  an- 
tikisierende anschaunng  ist  gleich  die  erste  seite  des  lichtvollen  und 
durch  die  entdeckung  der  wichtigsten  ständigen  tonsilben  epoche- 
machenden scbriftchen  *sur  erläuteining'  (s.  55)  zu  einer  fortlaufen- 
den Verwechslung  und  vollständigen  vermengnng  von  bncbstab 
und  laut,  von  schrift  und  spräche,  sogar  von  quantität  und  ton  ge- 
worden, und  doch  war  es  derselbe  herr  von  Baumer,  der  uns  ge- 
rade laut  und  buchstab  in  seinen  ^ges.  sprachw.  sehr.'  so  scharf  und 
klar  geschieden  hat,  dasz  er  eben  in  diesem  puncte  betreffs  derge» 
setze  der  lautTerschiebung  den  ersten  schritt  über  Grimms  stsad- 
punct  hinaus  machen  konnte:  denn  er  hat  zu  der  thatsache  der  laut- 
yersohiebung  die  art  und  weise  ihrer  entwiddung  und  die  nator, 
und  die  Stellung  und  rolle  der  aspiraten  bei  diesem  yorgange  nach- 
gewiesen, so  dasz  uns  nun  noch  die  Ursache  der  auf  diese  (Eaumersehe) 
weise  erfolgten  (Grimmschen)  thatsache  zu  erforschen  bleibt. 

Es  m9ge  nun  ein  beispiel  des  oben  genannten  herm  t.  Baumer 
passierten  Versehens  genügen ,  welches  wir  der  angezogenen  stalle 
(*zur  begrOndung*  zu  §  2 — 15  erster  abschnitt)  entnehmen,  unsefs 
erachtens  wird  das  wort  'kommen'  noch  ganz  genau  so  gesprochen, 
wie  zur  zeit  der  Hohenstaufen ,  nemlich  k ,  kurzes  o ,  m ,  e ,  n.  der 
unterschied  beruht  nur  in  der  schrift,  in  der  das  mhd.  die  kürze  des 
0  hier  unbezeichnet  gelassen  bat  (komen),  während  wir  dieselbe  da 
durch  kenntlicb  machen,  dasz  wir  das  m  doppelt  schreiben  (kum- 
men);  wir  hätten  gerade  so  gut  über  o  den  bogen  machen  können 
(körnen)  im  ftn  wie  im  lOn  Jahrhundert,  die  Orthoepie  kennt 
ebenso  wenig  eine  doppelconsonanz  als  die  orthogra2)hie  kurze 
vocale.  diese  kennt  für  kurze  und  lange  vocale  nur  einen  und  den- 
selben einfachen  buchstab;  jene  drückt  einfache  und  doppelconso- 
nanten  durch  denselben  einfachen  und  einmaligen  laut  aus.  ja,  wie 
die  schrift,  um  einen  vocal  als  kurz  zu  bezeichnen,  mehr  tinte  und 
räum  bedarf  wegen  der  zweimaligen  Schreibung  des  folgenden  con- 
sonanten,  so  hat  umgekehrt  die  spräche,  um  einen  doppelt  ge- 
schriebenen consonanten  auszudrücken  oft  sogar  weniger  luft  und 
zeit  notwendig,  wegen  der  kilrzung  und  scbärfung  der  ganzen  silbe, 
des  vocals  und  auch  des  doppelt  geschriebenen  consonannten ,  falls 
dieser  ein  dauerlaut,  also  überhaupt  verkürzbar  ist.  vgl.  a.  a.  o. 

Kehren  wir  zur  'bezeichnung  der  kürze  der  vocale' 
zurück,  unsem  principiellen  standpunct  zur  consonantverdoppelung 
haben  wir  dargelegt:  1)  je  mehr  die  dehnungszeichen  schwinden 
oder  aufgehoben  werden  sollen ,  um  so  mehr  sind  wir  verpflichtet 
der  bezeichnung  von  quantität  und  betonung  in  der  strengern 
oder    vollständigen    durckführung    des  kürzungs- 


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der  Berliner  orthographischen  oonfereni.  143 

Zeichens,      h.  der  sog.  'doppelconsonftnz'  einen  unent- 
behrlichen erBats  su  versohaffen.  wer  den  usus  Sndert,  weil  er  ihm 
unrichtig  Torkommt  (dehnieichen),  der  darf  anoh  du  nnxichtige 
(das  fehlen  der  consonantrerdopplang)  nicht  bestehen  lassen,  wdl 
es  nsns  ist.  was  dem  einen  recht,,  ist  dem  andern  billig«  wer  hier 
der  sog.  ^einflAchheit'  zu  liebe  in  einem  einsigen  ftlle  die  notwendige 
consonantyerdoppelnng  aufgibt,  der  dnrohbricht  die  conseqnenz  des 
princips ,  yerli^  die  wirkliche  einfaohheit,  die  dieses  bietet,  erhält 
eomplieierte  regeln  nnd  in  sfranzig  stellen  dennoch  reihen  Yon  aas- 
nshmen;  so  rsäit  sich  eine  inconseqnente  reform  des  *inconseqaen- 
ten*  usus.  —  2)  dass  wir  die  etymologische  berorsugimg  der 
Stammsilben  fttr  unphonetisoh,  unoonseqoent  nnd  glücklicherweise 
nndnrchführbar  halten,  dasz  wir  die  tonsilben  für  phonetisch  und 
orthographisch  gleichberechtigt  halten,  haben  wir  ebenfalls  schon 
gesagt,    dieselbe  grundtendenz  unserer  accentuierenden  spräche, 
dasselbe  grundprincip  der  Vorbemerkungen  über  den  ton  ist  uns 
auch  hier  wiederum  maszgebend.    wenn  uns  Wörter  wie  'capitel' 
gegenüber  VapitäP  den  groszen  einflusz  der  vocale  für  die  betonung 
zeigen,  so  lehren  uns  Wörter  wie  'capitel'  gegenüber  ^capiteir,  dasz 
die  doppelconsonanz  auf  den  ton  ebenso  entscheidend  wirkt,  man 
vgl.  im  wörterzeichnis  Rundeel  und  Rundell,  Rondeel  und  Rondell, 
wer  den  Vorbemerkungen  über  die  betonten  vokale  zustimmt,  der 
wird  auch  hier  über  den  ton  vor  der  doppelconsonanz  wol  nicht 
widersprechen  dürfen,    man  vgl.  noch  Wörter  wie  Geländer  und 
Gellender,  begehren  und  baggeren,  wie  Kindes,  Endes,  Indus  gegen- 
über *indefs' ;  man  vgl.  die  wegen  ihrer  unphonetischen  Schreibung 
so  oft  undeutsch  betonten  eigennamen  Löbell,  von  Wedeil  usw.  und 
viele  andere  Wörter,  endlich  den  §  35  über  die  deutsche  bezeichnung 
der  tonsilben  in  fremdwörtern.   s.  57  spricht  auch  v.  Raumer  von 
der  quantitätsbezeichnung  der  'betonten  Silben',  nicht  der 
Stammsilben. 

Der  wesentliche  inhalt  des  ganzen  zwei  Seiten  langen  abschnit- 
tes  U  würde  sich  demnach  bei  principieller  nnd  consequenter 
ancrkennung  der  doppelconsonanz  für  kurze  tonsilben  auf  die  ein- 
fache darlegung  des  grondsatses  beschränken  können,  mit  dem  §  2 
beginnt:  *die  kürze  des  yocals  wird  [in  der  schrift]  be- 
zeichnet durch  Verdoppelung  des  folgenden  conso- 
nanten.'  — Hier  ist,  nebenb^bemerkt,  die  'doppelconsonanz'  doch 
wol  als  blosses  zeichen  der  Yocalklirze  anerbuintt  ansdrttcklich 
könnte  dies  geschehen  dnrch  den  eingeklammerten  znsatz,  ^oder 
dnroh  die  fassnng:  ein  kurz  gesprochener  (oder  in  der  ausspräche 
Iraner)  yocal  wird  als  solcher  in  der  Orthographie  dadurdi  bezeich- 
net, dasz  man  den  folgenden  (ein&chen)  consonanten  zweimal 
Mlirmbt.  oder  man  könnte  hinznfttgen:  man  schreibt  also  zwei  con- 
sensnilsche  bnchstaben,  obschon  bloss  6in  consonantischer  laut  ge- 
spmehon  wird,  nur  zum  zeidien,  dasz  der  vorausgehende  vocal  kiur& 
lasten  soIL 


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144  Kritiaolie  notuen  ra  den  beechlilaaeii  < 

Alsdann  fiUlt  das  lange  1)  nnd  2)  zu  §  2  mit  der  adiddiiag 
von  ^Silben,  naehsüben  und  Stammsilben*  und  der  amn.  fort  diese 
complieierteB  regeln«  insbesondere  2),  würden  der  sdnile  doch  nui- 
mer  YerstSndlieh  gemadit  oder  dem  sehnlgebraaeh  zum  auswendig- 
lernen  nnd  anwenden  angepasst  werden  kOnnen.  die  beLden  bestim- 
mungen  nnter  1)  aber,  dasz  der  eonsonantanslaut  mnfoch  sein  mtlflse 
und  eine  minder  betonte  silbe  mit  Toealisdiem  anlant  folge  [besser 
folgen  kOnne] ,  Ittszfc  sich  erent.  entweder  unter  die  hanptregel  anf- 
nebmen,  oder  besser  das  gegenteil  Tor  die  event.  ausnahmen  setzen. 

—  Die  erwShnung  der  naehsilben  -innen,  »nisse,  -isse 
würde  überflüssig,  weil  ihre  doppelconsonanz  selbstyerst&ndlidi 
wäre,  da  sie  eben  kurz  sind  und  wir  alle  tonsilben,  nicht  bloss 
die  Stammsilben,  als  orthographisch  gleichberechtigt  ansehen  müssen. 

—  Die  anmerkung  würde  fortfallen,  sobald  man  die  principiell 
notwendige  anwendung  desselben  grundsatzes  auf  die  silben 
-amm  und  -imm  zugibt,  sie  auszunehmen  ist  willkür.  hat  man 
sie  hier  und  da  aufgegeben,  so  führe  man  sie  in  ihr  recht  zurück: 
die  Silben  sind  betont,  kurz,  einfach  auslautend  und  veränderUch 
durch  abwandlung,  also  sicher  auf  alle  fälle  verdoppelungsbedürftig. 

—  Das  complicierte  2)  'Stammsilben  mit  einfachem  consonantau^- 
laut  behalten  die  Verdoppelung,  welche  vor  vocalisch  anlautender 
nachsilbe  eintritt,  immer,  auch  am  ende  des  Wortes  sowie  vor  | 
consonantiäch  anlautenden  endungen  und  in  Zusammensetzungen,  i 
z.  b.  fall-en,  fäll-t,  Fall-tür;  schwimm-en,  schwamm  .  . mit  seinem  | 
dutzend  entscheidender  begriffe  würde  überflüssig,  weil  selbst- 
verständlich, und  weil  das  gegenteil  eine  ausnähme  von  der  rege!  i 
sein  würde. 

§  3a  mit  seinen  Werdunkelten  Stämmen'  würde  eben-  1 
falls  fortfallen,  denn  die  ausspräche  (dazu  die  eben  §  2  genannte 
^Zusammensetzung'  und  teilweise  die  hochtonigen  in  der  lebendigen 
Yolksetymologie  durchaus  klaren,  nicht  verdunkelten  Stämme)  ver- 
langen Verdoppelung ;  ohne  diese  Verdoppelung  ist  die  quantität  und 
ausspräche  der  hoditonigen  silben  in  Damhirsch,  Walfisch,  | 
Herberge  usw.  unklar;  und  wenn  jemand  bei  den  nach  ton  imd 
quanütftt  klargestellten  wOrtem  Dammhirscb,  Wallfiseh,  Herrbexigo 
an  dämme,  wallen  des  meeres,  herreui  bei  Himmbeere  vielleicht  gar 
an  himmel  (vgl.  Erdapfel,  Grundbeere)  denkt,  so  ist  dadureh  im 
nhd.  der  begriff  zugleich  mit  einer  lebendigen,  volkse^rmologisches, 
sinnlichen  anschaunng  verbunden;  jedenüslls  besser  als  wenn  man 
an  Dam',  Wal  (frtther  Wahl),  Her  (adv.  her  oder  event  Heer,  hebr), 
bei  Brombeere  an  Brom  denken  mliste. 

§  3^  Aber  wOrtchen  wie  ^von,  ab,  bis^  hier  wäre  nach 
der  regel  zu  verdoppeln ;  oder  es  sind,  wie  hier  geschehen,  dem  Ins- 
herigen  usus  gemäss  die  ersten  ausnahmen  zu  vermerken«  sie  kdim- 
ten  in  etwa  begrOndet  werden:  die  Verdoppelung  unterbleibt  in  den 
meist  unveränderlichen  silben  und  wörtchen,  die  im  zusanuneB- 
hange  der  rede  meist  unbetont  sind  (partikeln,  artikel,  hälft- 


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der  Berliner  oithographiachen  oonferens. 


145 


Terba).  dennoch  bat  diese  ausnabme  sofort  neue  ausnahmen,  die 
wieder  unter  die  regel  fallen,  z*  b.  denn,  wenn,  antersohieden 
?on  den,  wen,  obsdion  aneh  diese  *yot  yocaliseh  anlag tender  nach- 
Silbe  nicht  vorkommen'!  im  letstem  &]le  wfinsdien  wir  dieser 
r^gelmSssigen  aasnahmen  (s.  y.  v.!)  nodi  mehr:  ann,  inn,  imm 
imterschieden  von  Ahn,  ihn  und  ihm|  die  nach  den  oonfeiens- 
principien  besser  ohne  dehnaeiden  sein  mflsten.  —  Was  die  werter 
'gen,  znm  nnd  zur'  betrifft,  so  dOrfte  deren  ^firse'  sehr  wohl 
anfechtbar  sein;  sind  sie  aber  an  soeh  lang,  so  ist  bei  ihnen  auch  die 
yodoppelang  nioht  'unterblieben*  nnd  sie  gehören  nicht  hierhin.  — 
Mag  in  *hat'  das  t  ^nicht  zum  stamm'  gehören,  es  kOnnte  so  gut 
wie  tritt  verdoppelt  werden,  weil  es  ebenso  kurz  ist. 

§  3c  ^Gewinst'  usw.  auch  diese  zweite  ausnalime  kann,  wie 
Iiier  gelassen  und  motiviert  werden ;  sofort  aber  haben  wir  am 
;chlu:5Sü  auch  wieder  unterausnahmen  (Kenntnisz  usw.),  die  nach 
der  hauptregel  gehen !   ausnähme  und  doppelausnahme  fielen  fort, 
sobald  man  sich  entschlieszen  würde,  die  hauptregel  gelten  zu  lassen 
und  zu  verdoppeln,    wer  'überflüssige'  oder  allenfalls  (s.  s.  ll'J) 
'entbehrliche'  dehnzeichen  nehmen  darf,  hat  dasselbe  recht,  ja  die 
pflicht,  notwendige  und  nützliche  sperrzeichen  einzuführen ;  ein-  und 
dasselbe  princip  fordert  mindestens  beide  consequenzen :  wir  sollen 
ja  die  längen  ohne  dehnungszeichen  daran  erkennen ,  dasz  eben  das 
kürzungszeichen  (consonantverdoppelung)  fehlt;  fehlt  die  doppel- 
consonanz  aber  der  'einfachheit'  halber  auch  wie  hier  nach  kürzen, 
so  geht  uns  jedes  quantitätskriterium  verloren!  und  welche  vor- 
teile von  wahrhafter  einfachheit  bietet  die  strengere  consequenz! 
die  einzige  hauptregel  wird  kurz,  einfach,  klar;  neben-  und  unter- 
regeln sind  überflüssig;  ausnahmen  und  unterausnahmen  schwinden! 
—  und,  was  ebenso  wesentlich  fOr  Wissenschaft  und  leben,  wie  jene 
vorteile  fUr  die  Schulpraxis  —  die  deutsche  Schriftsprache  gewinnt 
ebenso  sehr  an  deutlichkeit  fürs  leibliche  auge  beim  lesen,  wie  fürs 
geistige  beim  verstehen!  die  doppelconsonanz  gibt  mir  ton  nnd 
küne  der  betr.  silbe  an  und  die  silbe  erinnert  mich  in  ihrer  ur- 
sprünglichem gestalt  sofort  wieder  an  die  ihr  innewohnende  grund- 
bedeutung.  beispiel!  Brand,  Kunde,  Kunst,  Gunst;  der  schüler 
und  der  fremde  könnte  diese  Wörter  lang  lesen  wie  Mond ,  Herde, 
Wust,  Papst;  Brannd,  Eunnst,  Eunnde,  Gönnst  wfiren  offenbar  kurz, 
wie  brennen,  brannte,  wie  können,  konnte,  wie  gönnen,  gönnte; 
•  nnd  wie  viel  naher  rflekt  uns  hier  der  deatHche  sinn  dieser  werte! 
^gl  Qeschwnllst,  Gespinnst,  GeschSfft.  *Zimt,  Samt  und  sttmtlich' 
gehen  ncch  einen  unnötigen  schritt  surfick:  ygl.  Zimmet,  Sammet, 
znssounen;  und  *Eenntnis,  kenntlich*  wieder  einen  scluritt  yorwSrts. 

§  3d  -in,  -is,  -nis  Q>lnr.  Terdoppelt)  ist  eine  dureh  die  ety« 
mologische  beyorzugung  der  stSamie  statt  der  tonsilben  bewirl^ 
auüune.  sie  würde  eben£üls  fallen,  und  jetzt  steht  sie,  wie  ge- 
Mgt«  weder  mit  §  2  anm.  (-im,  plur.  -ime),  noch  mit  §  4  (-itz)  und 
§  35  usw.  in  rechtem  einklang.  —  Die  anmerkung  fftUt,  weil  yer- 


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146 


Eritiflche  notizen  zu  den  beachlüssen 


doppelung  selbstverständUchi  in  ^ tritt,  nimm'  (trots nahmeii und 
treten)  wegen  der  kürze. 

§  4,  aaun.  1«  ttber  *  schrak  und  traf  Mit  ebenso  fort;  wegen 
der  iSnge  bei  isni  nnd  solitak  ist  nielitrerdoppelnng  klar,  trots  der 
kttrsen  in  treffen  nnd  sdirecken*  beide  anm.  erlialten  keine  orttio- 
graphisohe,  sondern  eine  grammatisclie  oder  orthoepisdie  tliaisMihe, 
deren  orthographische  folge  selbstTerstftndlich.  —  §  4  hätte  sagen 
können,  dasz  ok  rein  graphisch,  tz  dagegen  phonetisch  berechtigt 
war,  weil  s  ts.  —  Anm.  2:  z  wird  nicht  yerdoppelt.  es 
konnte  als  gnind  genannt  werden,  dass  es  als  feste  lantverbindiqg 
nur  nach  kürzen  (oder  diphihongen)  Yorkommt  (z  mttste  sonst  a 
oder  kx  yerdoppelt  werden)«  es  ist  aber  mit  yollstem  redit  m 
herm  dr.  Augnst  Sehmits,  dem  chefiredaetenr  der  *EOhi.  zeitm^^ 
vorgeschlagen  worden  z  (=  ts)  ebenso  zu  behandeln,  wie  x(=b). 

§  öa:  sch  und  ch  werden  nicht  verdoppelt,  es  könnte 
als  grund  genannt  werden,  dasz  beide  schon  so  zusammengesetzte 
bncbstaben  für  einfache  laute  seien,  es  fehlt  der  dritte  dieser 
art  ng;  er  kommt  wol  nie,  sch  selten,  ch  etwas  ötter  nach  längen 
einfacher  vocale  vor.  ygl.  die  ähnliche  erscheinung  bei  den  ein- 
fachen buchstaben  fttr  zusammengesetzte  laute  z  und  z*  alle  fttni 
zusammen  yerdunkeln  also  nur  selten  eine  Iftnge. 

§  6b  (vgl.  §  ^h)  *in,  hin,  mit,  des,  wes'.  die  hier  ge- 
nannten ausiuthmen  yerlangen  noch  mehr  nach  der  yerdoppelung, 
kOnnen  aber  event.  oben  mit  aufgenommen  werden,  ttber  *in'  vgl' 
die  bemerkungen  zu  §  3  *des  und  wes'  kOnnen  oft  unbetont  bob, 
*desz  und  wesz*  würden  in  der  schrift  zeigen,  dasz  sie  betont  nsd 
und  nicht  yom  artikel  stammen,  so  würde  in  ^indefs  und  ontodeb' 
gegenüber  ^Kindes,  Indus  und  unteres,  wunderndes'  der  ton  ]da^ 
gestellt. 

§  5c  über  dreifache  consonanz.  das  princip  verlangt 
sie  überall,  sowol  in  der  Zusammensetzung  eines  wortes,  wie  indem 
zusammenhange  der  rede:  'die  SchifiYahrt',  wie  'das  Schiff  föhrt'; 
sonst  wird  die  quantität  verdunkelt,  z.  b.  eine  Straffahrt  usw.;  vgl. 
Wörter  wie  Mittag  und  event.  =  Miethtag,  Schiffart  event.  =  Schief- 
fahrt, Bettuch  u.  dgl.  wir  führen  derartige  beispiele  nicht  zunächst 
deshalb  an,  weil  sie  die  gefahr  von  Wortverwechslungen  bringen, 
sondern  um  die  Verdunkelung  der  phonetik  durch  die  inconsequente 
Schreibung  zu  zeigen,  sicherlich  bezeichnet  aber  selbst  solche  ge- , 
schriebene  ^dreifache  consonanz'  nur  einen  einzigen  müglichst  kurzen 
laut!  allein  jeder  'that  der  rede  hülfe',  so  gut  wie  wenn  sonst  im 
zusammenhange  ein  wort  zufällig  mit  demselben  oder  nftcbst- 
yerwandten  consonant  schlieszt,  welcher  das  folgende  wort  beginnt, 
z.  b.  ^mit  dir',  'in  Naumburg'  usw.,  wo  auch  nur  6in  consonsntge* 
sprochen  wird,  zu  ändern  wären  eyent.  nur  zwei  Schreibungen: 
dennodi  und  Mittsg;  §  5c  will  dagegen  diese  halten  und  in 'den 
yielen  andern  Wörtern  beide  Schreibweisen  ^zulassen'« 


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der  Berliner  orthographiuchen  conterenz. 


§  5canm.  hätte  es  wagen  sollen,  die  (*in  einem  teile  von 
Deutschland'  bei  'vielen'  Stammsilben,  wenn  sie  gerade  einmal  ^ohne 
nachsilbe'  stehen)  vorkommenden  aussprachen:  'dasGrapp,  des 
Grapps,  der  Hoff,  des  Hoffs,  das  Grafs,  das  Batt,  des  Batts'  u.  dgl. 
als  das  zu  bezeichnen,  was  sie  sind:  als  Provinzialismen,  die 
der  edlen,  die  schrift  richtig  und  vollkommen  wiedergebenden,  stets 
gleichen  und  consequenten ,  der  nationalen  schreibeinheit  ent- 
sprechenden spräche  widerstreiten,  die  es  Schiller  und  Goethe  zum 
Vorwurf  machen  wollen,  wenn  sie  Grab  und  gab.  Gras  und  vergasz, 
Bad  und  bat  usw.  reimen,  solche  orthoepische  bemerkungcu  (oder 
z.  b.  dasz  rheinisches  und  Berlinisches  'g  =  j'  falsch  sei,  dasz  'seh 
=  s  ch'  ein  misverstfindnis  der  Schriftsprache,  dasz  dagegen  sp 
und  st  im  norden,  pf  im  Süden  richtiger  gesprochen),  sind  keines- 
wegs nur  für  die  el^mentarscbule  räthlich.  dasz  aber  umgekehrt 
solche  Provinzialismen  der  ausspräche  keinen  einflusz  auf  die  Ortho- 
graphie haben,  dasz  also  in  obigen  Wörtern  der  'auslautende  conso- 
nant  nicht  verdoppelt*  werde:  dies  ausdrücklich  hervorheben  heiszt 
dem  Provinzialismus  stillschweigend  Vorschub  leisten,  dasz  solche 
Wörter  'vor  vocalisch  anlautender  nachsilbe  einen 
langen  vocal  haben',  beweist  ebenso,  dasz  der  vocal  immer  hing 
gesprochen  werden  musz,  wie  der  endconsonant  immer  weich  ge- 
schrieben werden  musz,  weil  er  sich  vor  'vocalisch  anlauten- 
der nachsilbe'  als  weich  nachweisen  l&szt.  endlich  kommt 
dieser  hinter  der  schrift  und  ihrer  Vollkommenheit  zurückbleibende 
Provinzialismus  nur  ''in  einem  teile  von  Deutschland',  auch  hier  nur 
bei  'vielen'  Wörtern,  und  selbst  in  diesen  nur  im  falle  sie  'ohne 
nachsilbe'  stehen  vor;  dieses  schwanken,  dieses  sporadische,  diese 
Unsicherheit  und  diese  inoonsequenz  kennzeiohnet  Tollends  den 
Provinzialismus. 

§  6  verbindet  zweierlei,  1)  'unbtjzei  ebnet  bleibt  die 
kürze  des  vocals  in  allen  Vorsilben  und  in  den  meisten 
endsilben'.  zunächst  ist  für  alle  unbefangene  gebildete  Deutsche 
(die  keine  gelehrten  fachstudien  gemacht),  also  für  die  ganze  ge- 
bildete nation  einschliesslich  "Vioo  gelehrten  die  vorsilbe  iiiisz-, 
misse-  eben  eine  vorsilbe,  so  gut  wie  un-  und  ver-  und  von  ähnlicher 
bedeutung,  kein  stamm!  vgl.  Miszgestalt,  üngestalt,  Miszgunst, 
Ungunst,  Miszmuth,  ünmuth,  miszachten  und  verachten,  Misz- 
behagen,  Unbehagen,  miszglücken  und  verunglücken,  Missethat, 
Unthat,  miszstimmt,  verstimmt,  und  auch  die  Wörter  miszlich  und 
vermissen  machen  ebenso  wenig  etwa  die  nhd.  vorsilbe  misz  zum 
stamm,  wie  das  wort  Erz  die  Vorsilben  erz-  und  ur-  zu  stämmen 
macht,  weil  etwa  Metallerz  das  Ur-  und  Erzmetall  ist.  schon  des- 
halb allein  also  bleibt  die  kürze  nicht  'in  allen  Vorsilben  unbezeich- 
net'.  dasz  sodann  'die  kürzenbezeichnung  in  den  meisten  nach- 
8ilben  unterbleiben'  soll,  ist  eine  zweite  lästige  Ungleichheit  und 
ungewisheit  der  behaBdlung,  die  durch  kein  princip  geboten  oder 
gehoben  wird« 


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l 


148  Xzitisohe  noiazen,  m  den  besdilOMeD 

Ans  dem  frttlier  gesagten  folgt  für  uns  dreierlei:  1)  die  kftne 
wird  (bei  einfoohem  consonantischeiii  anslaut)  immer  (diirdi  ge* 
Bohriebene  doppelconsoiuChz)  bezeiofanet  2)  die  ^kttrze*  die  niidtt 
beieiebnet  wird  —  das  scheint  anoh  hier  nnbewust  yonnsehwebeii 
—  ist  die  tonlosigkeit.  3)  diese  findet  sidi  (abgesehen  vom  n* 
sammenhange)  nur  beim  Yooale  e  und  aneh  bei  ihm  nur  in  vor*  und 
nachsüben.  —  Wollen  wir  die  silben  im  zusammenhange  der  rede 
betrachten  und  auch  dem  jetzigen  usus  eine  coneession  machen,  so 
kennen  wir  immer  noch  ein  princip  aufstellen ,  an  dem  wir  (Bhidieh 
wie  der  bezeichnung  des  eonsonantischen  auslauts  §  19)  eine  fssto 
richtschnur  und  siäutz  Tor  inconsequenz  und  irrtum  haben:  nar 
derjenige  einfache  consonant  wird  verdoppelt,  welcher 
sich  zwischen  zwei  vocalen  als  yerdoppelungsbedllrf- 
tig  nachweisen  läszt,  d«  h.  also,  welcher  alsdanur einen  korien  i 
TO^  vor  sich  hat.   denn  wie  der  einzelne  consonant  in  seiner 
sch&rfnng  oder  Weichheit,  so  kann  auch  die  einzelne  silbe  in  ihrer  i 
schSrfnng  oder  dehnung  oft  nur  dann  ganz  rein  und  unvordmikelt  ^ 
erkannt  werden,  wenn  sie  rein,  d.  h.  (beim  consonanten  zwisdien  j 
zwei  vocalen  oder  bei  der  sübe)  vor  einem  yocal  steht  (vgl.  'zur  | 
conserv.  reform'). 

•  Diese  einsidirSnkung  —  aber  principielle  einschrSnknng  des 
kOrznngsgesetzes  (der  doppolconsonanz)  enthebt  uns  der  Tcrdoppe-  ! 
lung  ausser  bei  wirklich  tonlosen  ^silben*  noch  in  drei  füllen,  a)  bd 
den  durchaus  unflectirbaren  und  ganz  unvecflnderlichen  Tor-  imd 
naohsilben,  z.  b.  un-  (dagegen  mis-  und  -nis,  weil  misse-  und  -nisse), 
l)  bei  den  meisten  parükän  und  partikdartigeii.wQrtchen»  sotai 
nicht  etwa  eine  Unterscheidung  eine  ausnähme  macht,  z,  b.  m, 
man,  weg  (ausnahmen  z.  b.  denn,  wenn,  zum  unterschied  yon  den, 
wen),  c)  bei  doppelconsonanten  (doppellauten  und  doppelbuchstaben) 
und  bei  anderen  unlÖsHclfon  consonantenyerbindungen,  z.  b.'Heiei 
lachen,  hart  (dagegen  harrt  wegen  harren).  —  Die  Wörter  mit 
langem  vocal  vor  den  doppelbuchstaben  und  anderen 
unldslichen  festen  consonantgruppen  (auch die sdiwaaken- 
den)  mtlssen  alsdann  der  Orthoepie  wegen  anfgeführt  werden,  z.  b. 
Sprache,  Flöze,  Arzt. 

Der  anfang  hierzu  ist  in  §  6  zweite  hftlfte  gemadit,  die  auf- 
gezShlten  Wörter  lassen  sich  schon  jetzt  nicht  unbedeutend  Te^ 
mehren  (nicht  blosz  durch  schwankende  fUle),  z.b.  schwert,  werden, 
Hart,  und  die  aufhebung  der  dehnungszeichen  bringt  viele  neue 
Wörter  hinzu ,  z.  b.  wert ,  anden.  —  Durch  obigen  einschränkenden 
grundsatz  sind  nun  nicht  nur  in  der  ersten  hälfte  von  §  6  die  durch 
die  consequenz  gebotenen  änderungen  (kürzebezeichnungen)  be- 
gründet, sondern  es  ist  auch  für  die  ausnahmsweise  nicht  bezeich« 
neten  kürzen  in  der  zweiten  hälfte  ein  leitendes  princip  aufgestellt. 

B.  Yon  der  bezeichnung  der  länge  der  yocale. 
dieser  fast  vier  Seiten  lange  abschnitt  fUllt  durch  das  zu  den  Vor- 
bemerkungen gesagte  grundsätzlich  weg,  braucht  in  der  schule 


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der  Berliner  orthographiaohen  confeieiis. 


149 


licht  besonders  gelernt  und  behalten  zu  werden,  die  §  7—10  Uber 
,  ie  und  ib  haben  wir  oben  auch  schon  im  einzelnen  beaprodien. 
iehen  wir  ebenso  zu ,  wie  es  mit  den  übrigen  einzelnen  resten  der 
gedehnten  Wörter  steht. 

§  11  achtzehn  Wörter  mit  ee.  mit  einfachem  e  geschrie- 
ben würden  Bere,  schel,  Sele,  Sper,  Ter  auch  in  znsammen- 
setznngen  kanm  grosses  nnheil  stiften«  weil  nicht  leicht  doppelooiiso- 
nanz  auf  e  folgen  oder  verwechslnngen  eintreten  können.  Tgl.  aas 
§  13a  za  'Beere'  —  'Lorber,  Feme^  Schere*,  zu  'scheel,  Seele, 
Speer,  Teer'  —  'hel,.helen,  Schmer  und  quer*!  an  diese  fünf 
ficUöBsen  sich  die  vier  mit  e  anslantenden  einsilbigen:  Kle,  Sehne , 
8e  und  das  seltene  Le;  sie  würden  für  die  sukunft  allenfalls 
nicht  inoonsequent  in  §  14  untergebracht  werden  können,  bei  Beb, 
Vieb,  Schub,  ja.  diedroi:  'Kaneel,  Krakeel'  und  das  seltene 
^Paneel'  würden  mit  notwendigkeit  noch  Eameel  fordern,  und 
doch  ist  das  wieder  §  12a  ohne  eel  das  seltene  Gest  mag  in  §  6 
schon  'Trost'  vorfinden,  bleiben  fünf:  'Beet,  Heer,  leer,  Meer, 
Eeede'.  das  Bet  würde  mit  dem  orthoepisch  gleich  werthigen  und 
doch  dehnungslosen  stamme  des  verbs  ^beten'  nicht  zu  Verwechs- 
lungen führen,    das  seltenere  wort  Schiffs  rede  fiele  wenig  ins  ge- 
wicht und  der  Zusammenhang  würde  den  grundverschiedenen  sinn 
von  'Rede'  (orthoepisch  ganz  gleich  und  doch  auch  ohne  dehnung) 
leicht  ergeben.   *Heer,  leer  und  Meer' sind  die  schwierig- 
sten, das  Her  würde  als  substantivum  mit  dem  adjectivum  'hehr* 
kaum  verwechselt  werden  können  durch  die  Stellung  im  satze; 
wünschenswerth  aber  wäre  es  dann,  das  adverbium  'her'  mit  seinem 
offenen  vocal  auch  deutlich  so  zu  schreiben  wie  es  gesprochen  wird, 
also  här,  z.  b.  hierhär  wie  vorwärts;  und  'Herr'  hat  sein  rr.  etwas 
einfacher  schon  ist  es  bei  dem  subst.  'Meer'  und  dem  comparativ 
^mehr';  doch  haben  wir  noch  die  naehsilbe  -mer.  die  'Lehre'  subst. 
und  'leer'  adj.  würden  sich  zwar  auch  wol  scheiden  aber  auch  hier 
ist  die  silbe  -1er.   dagegen  die  verba  leeren  und  lehren  sind  trotz 
absoluter  phonetischer  gleichheit  ('Meer'  ist  länger  als  'mehr')  zu 
verschieden,  ja  entgegengesetzt,  um  sich  zu  verdunkeln,  wenn  ein 
Wortspiel  dies  nicht  etwa  beabsichtigt,    man  vgl.  die  beiden  be- 
deutungen  von  wider,  Mine,  Weide,  Heide,  Mttre,  Star,  Wal,  Sohar, 
war,  Mor,  Tor,  Sole,  Ton,  Tau,  Hut  usw.  nach  den  vorliegenden 
conferenzbeschlüssen ,  und  man  wird  auch  noch  etwa  vier  fthnliche 
mit  e  in  den  kauf  nehmen  können. 

§  11h  über  eh.  auch  hier  zeigt  sich  wieder  die  gröszere 
Schwierigkeit  bei  der  behandlung  des  oft  tonlosen  e  gegenüber  dem 
stets  betonten  i.  insbesondere  schwierig  ist  der  stamm  ehr  in  Ehre 
und  ehren  wegen  der  silben  er-  und  -er.  jedenfalls  aber  wünschen 
^  diejenige  einfhchheit  und  Sicherheit  der  orthogra|fthie,  die  uns 
OQnaequens  nach  der  einen  oder  der  andern  seite  hin  bringt:  ent- 
weder mQgen  auch  hier  die  e  ihr  dehnungszeichen  verlieren  wie 
alle  indem  vokale  und  die  meisten  übrigen  e;  oder  sie  sollen  es 


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152 


Kritische  notizen  zu  den  oeachlüsseu 


und  ^Rum'  ist  event.  eine  andere  Unterscheidung  An  und  ann, 
Rum  und  Rumm  durchaus  innerhalb  der  reformprincipien  und  ohne 
dehnzeichen  angezeigt,  wie  bei  den  und  denn,  wen  und  wenn.  — 
'Fahnden'  mag  mit  anden  (§  12)  und  wert  (§  13)  zum  'Monde' 
in  den  §  6  wandern;  mit  fanden  von  finden  werden  wir  es  weder 
im  ton  (§  13),  noch  in  der  bedeutung  verwechseln,  ohne  dasz  des- 
halb auch  nur  ein  Tor  (§  13)  besonders  auf  der  Hut  (§  13)  zu  sein 
brauchte;  und  verstehts  ein  kind  im  Märchen  (§  12)  nicht  sofort, 
so  werden  ihm  erwachsene  nur  einmal  den  Star  (§  12)  zu  stechen 
nötig  haben ,  damit  es  nie  wider  (§  9)  anstöszt  und  ohne  eine  Mine 
(§  10)  zu  verziehen  richtig  liest;  hat  doch  der  pflüg  der  re form,  der 
den  schwarzen  Mor-grund  (§  12)  des  Sprachgartens  reinigt,  eine 
ganze  Schar  (§  12)  solcher  wÖrter  gebracht,  tiber  deren  bedeutung 
uns  der  Zusammenhang  Wal  und  Qual  (§  12)  erspart.  —  Das  'Bot' 
=  Vorladung  ist  zu  selten,  um  uns  das  Boot  =  Nachen  auch  ohne 
00  ins  falsche  fahrwasser  zu  steuern ;  und  hat  der  Bote  neben  ersterm 
einsilbigen  neutrum  platz,  so  würde  er  event.  wol  auch  nicht  leicht 
für  einen  Nachen  oder  ein  Bot  angesehen  werden  können ,  welches 
ihn  etwa  trägt,  wie  er  ja  jetzt  auch  einmal  als  gerichtsbote  ein  'Bot' 
zu  tragen  haben  kann.  —  Der  Ur  ist  in  Deutschland  selten  und  ge- 
hört mehr  der  keltischen  'Urzeit'  an,  so  dasz  er  heutzutage  an 
*  Uhren'  wol  wenig  unheil  stiften  würde,  wenn  man  auch  letztere 
äuszerlicb  noch  um  ein  h  verkleinerte. 

§16:  h  als  —  verwandtschaftszeichen!  nachdem  die 
moderne  reformgesetzgebung  das  h  zuerst  als  dehnungszeichen, 
event.  demnächst  auch  als  ton-  und  sonderungszeichen  in  die  acht 
erklärt  hatte,  weil  es  veraltet  sei,  versucht  h  nun,  nach  §  16  des 
gesetzbuchs  und  gemäsz  der  modernen  abstammungstheorie,  als 
'vererbte  familienähnlichkeit'  ein  wenig  deutsches  bürgerrecht  zu 
behaupten,  diese  Schlauheit  mag  ihm  da  zu  statten  kommen,  wo  ein 
wort,  in  dem  h  der  silbentrennende  überweiche  kehlhauchlaut  ist, 
wirklich  dasselbe  wort  bleibt ,  trotz  der  elidierung  eines  vocals  oder 
gar  eines  diphthongs:  also  in  den  dreien  Bühl,  zeh'n  und  Oh  m. 
—  In  allmählich  =  allgemachlich  wird  die  sache  schon  schwie- 
riger, zumal  hier  die  Volksetymologie  der  gebildeten  beim  tagtäg- 
lichen gebrauche  des  Wortes  alle  mal  ein  wenig  mehr  auf  allmälig 
zutreibt.  —  Dasz  dagegen  event.  von  drehen  und  nähen  Draht  und 
Naht,  von  nehmen  nahm,  von  stehlen  und  befehlen  sogar  stiehl 
und  befiehl:  letztere  im  gründe  sogar  mit  zwei  bis  drei  dehnungs- 
zeichen !  geschrieben  werden  sollen :  das  halten  wir  denn  doch  von 
Seiten  des  Darwinschen  rudimentären  h  für  eine  unerlaubte  rechts- 
erschleichung.  wir  haben  oben  schon  ähnliches  wachsen  oder  schwin- 
den innerhalb  der  verbalstämme  gezeigt  an  schrecken,  schrak,  gehen, 
ging,  treten,  tritt,  treffen,  traf,  backen,  buk;  wie  hier  c  oder  f  oder 
h  usw.  fehlen  oder  zutreten  musz ,  so  ist  auch  oben  h  (event.  auch 
noch  das  ie  dazu)  überflüssig;  erkennen  wir,  dasz  schrak,  traf  von 
treffen  und  schrecken,  ging  und  stand  von  gehen  und  stehen  ab- 


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der  Beiliner  ortbographiaciien  conferenz. 


168 


stammt,  so  werden  wir  auch  in  nam  und  stal  (event.  stil)  nehmen 
und  stehlen  wiedererkennen,  wie  jetzt  schon  nehmen  in  nimm  und 
genommen,  da  die  sprachliche  descendenztheorie  unsern  blick  für 
die  öhnlichkeit  gröszerer  Verschiedenheiten  geschärft  hat.  —  Nach 
demselben  grundsatze  wie  Mahd,  Draht  und  Naht  müste  auch 
Blühte  und  Glüht  wegen  blühen  und  gllihen  geschrieben  werden; 
sind  diese  (§  13)  gefallen,  so  müssen  jene  hier  folgen.  —  Mahlen 
endlich  dürfte  wol  auch  immer  ohne  h  stehen  (*in  beiden  bedeu- 
tungen'  vgl.  §  12  u.  a.),  ohne  dasz  man  deshalb  den  mtiUer  am  ge- 
mälde  oder  den  maier  in  der  mühle  und  am  iiiebl  suchen  würde; 
zumal  das  eine  im  particip  stark,  das  andere  schwach  geht,  gemalen 
und  gemalt.  —  Eher  vielleicht  noch  als  Mehl  mit  h  würde  manM&l 
mitfi  wünschen  —  wenn  der  laut  nicht  geschlossen  wäre. 

So  viel  über  kürzungs-  und  dehnungszeichen !  wir  wiederholen, 
dasz  wir  selbst  die  dehnzeichen  aus  den  früher  angeführten  gründen 
nicht  grundsätzlich  verwerfen,  sondern  ihre  consequente  anwen- 
dung  überall  da  wünschen,  wo  sie  *der  rede  hülfe  thun',  wo  ohne 
sie  die  dehnung  und  betonung  unklar  und  verdunkelt  wird,  vgl. 
Verbandlungen'  s.  119.  wir  können  uns  aber  auch  sehr  wohl  in  die 
reformprincipien  der  conferenz ,  die  fiaumer  selbst  noch  nicht  prak* 
tisch  angewandt  wissen  wollte,  hineindenken,  soll  aber  diese  radi» 
calere,  vorwiegend  die  schrift  vereinfachende  und  erleich- 
ternde reform  (nicht  jene  conservativausbauende  nnd  zugleich 
mit  der  schrift  das  lesen  verdeutlichende  und  durch  gleichmäszigkeit 
der  behandlung  erleichternde  reform)  statt  haben,  so  möchten  wir 
auch  sie  thunlicfast  conseqnent  durchgeführt  wisMn;  damiti 
wenn  wir  die  deutliohkeit  der  schrift,  wolche  die  eiiie  refocm 
anch  dem  lesen  des  gesebriebenen  verspricht,  missen  (ygL 
verh.  s.  119)  müssen:  wir  wenigstens  die  gleichmttsaigkeit  und  eiB- 
fftchheit  der  orthcgrapbie  erhalten,  die  beide  reformflii  dem  nieder- 
schreiben  der  spraobe  bieten  können« 

Wir  erstreben  also : 

A.  betrefi[d  der  dehnungszeichen  1)  zunächst  consequente  er- 
kennbarkeit  der  qnantität  aller  silboi;  2)  sollen  aber  die  dehn- 
zeichen bei  den  betonten  Toeelen  fallen,  so  möchten  wir  sie  aneh 
conseqnent  bei  keinem  andern  vocal  beibehalten  e^en«  3)  solkn 
sie  dagegen  bei  den  'oft  unbetonten'  alt  aeeent«  oder  ton- 
zeichen  beibehalten  werden,  so  mögen  sie  consequenter  weise 
wenigstens  nur  bei  e  bleiben,  wo  ne  allein  wirklich  tonzeichen 
lind;  denn  bei  i  sind  dehnseichen  ebenso  gut  und  ebenso  schleefat 
entbehrlich  wie  bei  a,  tt,  o,  0,  n,  ü;  i  ist  fast  niemals  unbetont,  so 
gut  wie  die  Raumerschen  sechs  vocale.  4)  und  sollen  nun  endlich 
<Üe  dehntonasioben  bei  e  bleiben ,  dann  wünschen  wir  als  letzte  oon- 
■^^Sneitt,  daae  sie  «och  bei  allen  betonten  e  bleiben:  auch  da,  wo 
sie  noch  schwanken;  ja  dasz  sie  da,  wo  sie  schon  fehlten,  wieder 
glaubt  und  hergeetellt  werden  mögen.  —  Kurz:  dehnzeichen 

bei  allen  vocalen,  oder  bei  keinem  vocal  notwendig; 

M.Jdulk.f.ph».a.pgd.  ILabt.  ISIS.  hu.«.  ü 


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1 


154  Kritiacbe  noüsen  sa  den  beschlüBgen 

to&zeichen  sind  höchstens  nur  bei  e,  dann  aber  ml 
bei  allen  e  erforderlich! 

B.  betreffs  der  phonetisch  berechtigten  kttmingsseichen  aber 
wünschen  wir  auf  alle  fälle ,  und  um  so  mehr  als  gegengevieht,  je 
mehr  die  debnseichen  schwinden  sollen,  1)  conseqnenies  fest- 
halten aller  berechtigten  doppelconsonanz,  also  ins-  > 
besondere  2)  entscheidung  fttr  verdoppeliuig  in  allen  sdiwankendei 
ftllen  und  8)  erlanbnis  der  rttokülfaning  oder  einftthning  deneliMi 
auch  da,  wo  sie  nach  der  ausspraehe  und  lebendigen  Terwsndtecliift 
stehen  konnte. 

C.  und  ebenIftUs  auf  alle  fUle  und  um  so  mehr,  je  mehr  dd» 
und  tonseiohen  auch  bei  e  fortfallen,  wUnsehen  wir,  da  das  eim^ 
e  in  der  ihat  oft  unbetont  ist,  mOgUchst  einflihrung,  resp.  nvOek- 
fllbrang  des  ft  statt  jedes  betonten  e  (und äu  statt  ea),  wo 
die  phonetik  (ton  und  offene  ausspräche)  und  dienlks- 
etjmologie  (offenbare  Verwandtschaft  und  anlehBug 
naeh  Shnliohkeit)  diesen  allseitig  und  ▼ollkomm» 
bestimmten  yocal  statt  des  fünffach  unbestimmtei 
(bald  betonten,  bald  unbetonten,  bald  offenen,  bald 
geschlossenen,  bald  langen,  bald  kurzen)  e  nur  ebei 
gestatten;  wie  denn  auch  bei  e  insbesondere  die  notwendigkeft 
der  doppelconsonanz  am  einleuchtendsten  ist. 

Ja,  wenn  wir  bedenken,  dasz  auch  o  und  ö  und  das  betonte 
(wie  das  unbetonte)  e  bald  offen,  bald  geschlossen  gesprochen 
werden,  ohne  dasz  diese  Verschiedenheit  in  der  schrift  ausgedrückt 
ist,  z.  b.  offen,  Ofen;  öffnen,  Öfen;  wessen,  wesen;  quer,  sehr; 
Schwere,  Schere  (er-  und  be-,  -en  und  -e);  dasz  femer  umgekehrt 
das  an  sich  stets  offene  ä,  besonders  in  städten,  gar  häufig  wie  ge- 
schlossenes e  gesprochen  wird,  z.  b.  thätig  wie  thetig,  schädlich  wie 
schedlich,  Ärmel  (sogar  bei  herrn  von  Raumer,  verh.  s.  67  anm.  2) 
wie  Ermel:  so  möchte  man  beim  vollständigen  wegfall  aller 
und  jeder  dehnzeichen  auch  alles  und  jedes  betonte  e 
in  der  schrift  durch  ä  wiedergegeben  sehen,  alsdann  wSre 
unbedingt  jedes  e  stets  unbetont  und  stets  nur  ein  halber  vocal,  ein 
auf  die  tonlosen  vor*  und  nachsilben  beschränktes  kateph;  die  sieben 
anderen  vocale  aber  a,  o,  ö,  u,  ü  und  i  wären  immer  yoUe,  be- 
tonte vocale.  fttr  die  einage  kleine  graphische  neuerung,  dasz  der 
buchstab  ä  nunmehr  (wie  o  und  ö)  mitunter  geschlossen  -e  sa  lesen 
wäre  (z.  b.  in  entärt  statt  entehrt)  mag  es  uns  entschädigen,  dasz 
der  betonte  offene  ä-leut  nicht  mehr  wie  jetzt  verschieden ,  bald  e 
bald  ä  geschrieben  zu  werden  brauchte  (z,  b.  in  Pferd  und  i^hrt^ 
Herd  und  nährt,  retten  und  glätten,  kämmen  und  hemmen,  Hände 
und  wende,  Wände  und  sende,  2fänner  und  Benner,  Bälle  lod 
bellen) ,  dass  femer  wir  nie  mehr  in  gefahr  wäreUf  ein  tonloses  e  m 
betonen,  oder  umgekehrt  (z.  b*  in  Gebet,  entert,  erblich,  Erblassert 
ererbietig,  Semmdmel,  ergebenster,  bescheren,  vereren,  jedoch,  in* 
des,  Geleise,  Italiener,  Ingredienzien,  behende,  eilende,  getoa^t 


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der  Berliner  oifhographiBolieii  conferani. 


gellender,  Beschwerde,  Oeberde  ii8W.)i  clas2  endlicb  also  der  letzte 

gnind,  irgend  ein  dehntonzeicben  beunibehalten,  in  sich  selber  voll- 
ständig dahinschwindet.  —  Kurz,  die  wiedergäbe  jedes  be- 
tonten ä-  und  e-lautes  durch  den  (=  o  und  ö  bald  of- 
fenen, bald  geschlossenen)  buchstab  ä,  die  einschrän- 
kung  des  buchstabs  e  auf  den  tonlosen  ä-  und  e-laut 
(in  den  fast  zeitlosen  vor-  und  nachsilben)  erscheint 
uns  als  die  letzte  consequenz  der  von  der  conferenz 
in  die    praxis    gesetzten    Baumerschen  entdeckung 
ständiger    tonvocale    und    zugleich    als    die  einzig 
mögliche  und  wtinschenswerthe  regulierung  'unseres 
jetzigen    verworrenen    schreibgebr au chs '   der  buch- 
staben  e  und  ä  (vgl.  verh.  s.  66):  eine  regulierung,  die  uns 
jeder  notwendigkeit,  den  ton  durch  accente  zu  bezeichnen,  vollstän- 
dig überhebt,  auch  für  den  fall,  dasz  alle  dehnzeichen  gftnzlioh  auf- 
gehoben werden« 

(fortsetznng  folgt.) 
MaUAWSIXiBB  BSX  DÜBBN.  P.  DiDOLVF* 


16* 

C.HEXABVB,  HOMEBI80HB8  BLBHBNTABBUOH*  ZÜB  BIMFOBBÜNO  IN 
DIE  HOMERLEGT  ORB  ZüSAllMENQESTELLT.  Berlin,  Q,  Grote.  1876. 
VI  o.  80  8. 

Derverf.  dieses  bttehkinsy  dessen  gittster  teil  auch  ostem  1876 
als  Programm  des  gymnasiums  zu  Hamm  ersehienen  ist,  will  davoh 
dssMlbe  die  einftthrnng  des  sditllers  in  die  Homerlectüre  erieiehtera. 
M  ist  aber  nidiit»  wio  das  ^griediisohe  demeatarbaöh  ans  fiEomer* 
ra  H.  L.  Abrens  ftlr  den  aiifiulgBimteraoht  in  der  griecbiscben 
spiMlie  ttberhanpt  bestimmti  80B»ten  es  ist  für  den  gebrauch  in 

obortertia  gesduieben,  in  welcher  nach  des  Tsrf.  ansieht  um 
neiQalir,  nach  erkniung  der  gesamten  attischen  formenlehrey  die 
HomedecMie  entsprechend  dem  lehigang  der  secunda  abweohsehid 
aut  dem  ersten  oder  dreisehnten  buche  der  Odyssee  beginne& 
lolL  m  dkeem  sweoke  bietet  der  rarf •  den  obertertiniem  als  ersten 
abedmitt  die  nötigen  metrischen  und  prosodischen  Yorbegriffe,  so- 
duDi  ein  Tocabular  nebst  grammatischer  präparation  zum  ersten 
mid  dreisehnten  buch  der  Odyssee ,  sowie  einen  abrisz  der  epischen 
fonaaikhre,  welcher  'den  nach  untersecunda  versetzten  schüler  als 
fPWnatisches  vademecum  begleiten  soll,  um  im  laufe  des  ersten 
J*lliJBBCursas  der  neuen  classe  zum  geistigen  eigen  tum  zu  werden'. 
W  den  metrischen  und  prosodischen  vorbegriffen  und  in  dem  abrisz 
dar  formenlehre  ist  vorwiegend  auf  buch  I  rücksicht  genommen  und 
WS  diesem  die  beispiele  gewählt,  das  vocabular  bietet  bei  buch  I 
^  die  ersten  50,  bei  XIII  für  die  ersten  100  vei-se  alle  bei  einem 

11* 


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156 


0.  Beraeoss  Homerudiet  etemeatarbnch. 


ob«rteiiiaiMr  als  unbelcaimt  yoNnssusetaandeik  Tooabebi,  beaduiidii 
ndi  äuai  aber  *auf  die  angäbe  sokber  gewählterer  aaedr&oke  ftr 
die  übersetKnng,  weldie  der  lehier  unabbingig  tobh  speeialwM»* 
bwb  als  die  fttr  den  nnterriebt  featatehende  wor&edeoixmg  adopiial' 
dasselbe  aoU  im  anfimg  der  HomerleetOre,  wo  der  Idbrer  ja  dea 
aofatQem  die  eigeatüebe  prftparatioii  noch  abnebmeii  und  sie  ent 
dam  anleiten  mid  fiKhig  machen  mvss,  bei  dem  schüler  das  auf- 
finden und  einprägen  fiülsoher  bedeatongen  nnd  nadiher  das  nm- 
lemen  verbttten  nnd  den  lehm  .der  mfibe  des  dietierens  enttiebeB 
nnd  dadordi,  dasa  der  sehttler  das  yocabnlar  nnd  die  fonnenMi» 
fest  lemt  nnd  *al8  eisernen  bestand  seines  wissens'  in  die  seeimda 
mitnimmt,  die  benntcnng  Ton  sobSdlichen  hlll&mitMn  Terbttten. 

Ohne  frage  kann  man  mit  solcher  absieht  im  prineip  sehr 
wohl  Unverstanden  sem,  die  praxis  allein  kann  imd  mnsz  est- 
sisheiden,  ob  der  erfolg  den  erwartmigen  entspriobt  nnd  der  mit 
diesem  elementarbndi  voigebildete  schäer  nicht  doch  später  wieder 
zn  sehftdliofaen  bfilfismittebi  greift,  jedenfalls  spricht  allein  schon 
das  erscheinen  dieses  ans  der  praxis  der  schnle  berrorgegangeneii 
>  btlchleins  fttr  die  richtigkeit  des  principe  nnd  ref.  ist  ancfa  der  mei- 
nung,  dasz  es  an  gymnasien,  deren  tertia  geteilt  ist,  mit  nnlioi 
wird  ^gebraucht  wenden  kOnnen,  freilich  mit  einer  einsdirfinknog, 
welche  sich  nodi  ans  der  folgenden  erdrtemng  ergeben  wird. 

Anders  stellt  sich  aber  nach  des  ref.  ansieht  die  sache  an  sol- 
chen gymnasien ,  deren  tertia  ungeteilt  ist  in  einer  solchen  tertia 
mttssen  wol  alljährlich  etwa  von  ostem  bis  nenjahr  einige  hundert 
yerse  aus  Homers  Odyssee  gelesen  werden,  yieUeiiobt  in  2 — 3 
wOchenflidMn  stunden  (bei  des  Yer£  anseisang  Ton  4  wöchentlichen 
stunden  dafttr  in  obertertia  musz  dann  die  pvosaledttre  ganz  oder 
doch  &8t  ganz  fOr  das  quartal  ausii^en?).  bei  einer  aolchen  ein- 
Hohtnng  ^rird  man  nun  ein  soldiee  btüftbucfa  nioht  bedttrÜBn,  wie 
es  der  verf.  geboten:  das  glaubt  ref.  ans  mehrjähriger  erfiahrung 
bezeugen  zu  kSnnen.  die  Obertertianer,  welche  also  je  zum  zweiten 
mal  an  den  Homer  kommen,  werden  von  an&ng  an  etwa  6 — 6  Tcrse 
zu  hause  präparieren  kOnnen;  diese  werden  dami  in  der  stunde  wort 
flbr  wort  und  genau  durchgenommen,  wobei  skk  die  Untertertianer 
die  nötigen  netizen  zu  machen  mid  diese  für  die  £(>lgende  stonde 
ehnuprägen  haben,  somit  bat  dann  jeder  tertianer  jedenfolls  fast 
zwei  buch  er  Odyssee  gelesen,  wenn  er  nach  H  kommt,  und  ist 
sofort  in  der  neuen  dasse  im  stände ,  den  in  der  Homerlectttre  an 
ihn  gestellten  anforderongen  yOlHg  zu  genügen,  die  Obertertianer 
werden  bei  der  prftparation  ausser  der  grammatik  aUerdings 
mdstens  ein  specialwOrterbuch  gebrauchen  —  das  kann  reL  aber 
nidit  fttr  schttdlieb  und  Terdecblieh  halten,  freiladi  kommt  nnn  IBr 
die  einfilbrung  des  sefalUers  in  die  HomedeetOre  s^  yid  auf  die 
grammatik  an,  wekhe  dem  griechischen  Unterricht  von  anikng  zu 
gründe  gelegt  ist.  an  allen  den  sdiulen,  an  welchen  eine  auf  grund* 
läge  der  vergldchenden  Sprachforschung  bearbdtete  griedusehe 


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CHttMMni:  Bomeriidw  €i0m»tarlmch>  157 

gnanmatik  gebraneht  wird  (namvBÜliflh  yod  durtins  od«  lOdltr- 
f  iftttmiinn),  da  wird  iaxAi  der  ttbergang  Yon  deratÜMdien  prosalectttrt 
warn  Homsr  Idoht  maehett»  und  £k  uiti  wi«  ref.  glaubt  behaupten  a« 
dürfen,  der  Yom  yerf .  gegebene  abriaa  der  epiaehen  formanlehrä  tibep» 
flilaaig  und  aneb  daa  Toeabolar  und  die  grammatische  präparation 
entbelirlich.  nach  diesen  grammaüken  haben  die  sohttler,  wenn  sie 
an  den  Homer  herantreten,  die  entstehting  der  formen  in  der 
deolination  und  conjugation  kennen  gelernt,  so  dasz  gar  vieles,  was 
bei  Homer  ihnen  aufstöszt,  nichts  befremdliches  für  sie  hat,  und  es 
emer  besonderen  durchnähme  Homerischer  oder  epischer  formen- 
lehre  nicht  bedarf.'  formen  wie  dövxac  I  22,  vr|)i€pTea  I  86,  (p\\r\- 
ceai  1 123,  ve/iecnceai  I  158,  eipnai  I  188,  olbac  I  337,  ^piKub^a 
Xm  26,  aXtea  XIII  90,  vu|ii<pdiüv  XHI  104,  vöoc  XUl  202,  dvei- 
p€ai  xm  238  und  unzählige  andere  sind  dem  schüler  aus  dem 
grammatischen  Unterricht  als  ursprüngliche,  eigentliche  oder  als 
durchgangsformen  längst  bekannt  und  geläufig  und  es  bedarf  mei- 
stens nur  einfacher  hindeutung  auf  dieses  schon  bekannte,  keiner 
weiteren  erörterung;  während  der  verf.,  welcher  sein  büchlein  vor- 
nehmlich für  solche  schüler  berechnet  hat,  die  bisher  nur  attische 
formenlehre  gelernt  haben,  es  fast  jedesmal,  wo  eine  solche  form 
aufstöszt,  für  nötig  gehalten  hat,  die  form  zu  erklären,  'offene  form 
flir  — '  oder  ^attisch',  sogar  mehrfach  dieselbe  form  wiederholt, 
z.  b.  vcMecriceai  I  1Ö8  und  389,  vöoc  XIII  202  und  255  u.  a..  die 
den  Schülern  noch  unbekannten  abwaLohungen  des  epischen  Sprach- 
gebrauchs vom  attischen  finden  eich  in  j^en  (Grammatiken  inuner 
an  den  batreffendaii  ataUan  Tarsaichnet,  ao  daaz  dar  achttlar  mit 
^er  grammatik  ganz  wobl  amikoiiimi» 

Doeh  allen  den  lehrern,  welche  noch  aaah  alter  methode  an- 
fangs nur  die  attische  formenlehre  lernen  laaaan,  mag  das  bück* 
lein  sehr  erwünscht  sein  und  wird  ihnen  gewis  nütiaa  können  — 
wom  anch  sie  in  IH  abwechselnd  buch  I  nnd  XHI  leaen«  ond  niohti 
wie  mit  recht  YiaUaeb  IlUiob  iat,  abaebnitte  aoa  der  ai^.  'klainan 
OdjBsee'. 

Betrachten  wir  mm  noeh  daa  vom  verf.  gabotane  ein  wenig 
nihar,  ao  aeheint  dem  raL  daa,  waa  ala  'matnaäie  und  proaodiaehe 
^erbegritta'  gegeben  iat,  fUr  den  adhtüer  an  geaOgen;  ja  manche 
^bitaktttenTiälmehtnoeh  weigMLen  kOnnan,  danaehhar  bai  jedem 
wa  dar  beidan  bttchar,  waioher  an  metriadian  bamerkungan  anhu» 
W^^i  mit  recht  anf  den  anb^reehanden  paragraphen  snrttdETarwiB- 
Miiai 

In  dem  Yocabiüar  mid  der  grammatiaohan  präparation  aohaint 
^  Terf.  dam  ref.  in  mancher  beidebnng  zu  viel  geboten  zu  haben, 
^aaehdearef.  mainung  der  Obertertianer  aus  dem  grammatischen 

*  vergl.  die  bemerkungen  des  ref.  in  der  anzeige  der  dritten  anf- 

•  Aa^^*^  MüUer-Lattmannf  grieclu  grammatik  in  diesen  Jahrb.  1877 
460  f  , 


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158 


C.  H«Ea0ai:  HömeriacliM  elementerbiioh. 


Unterricht  (wobei  doch  vocftbe]ii  gelernt  werdral)  imd  besonden 
ans  der  Xenophonlectüre  wol  etwas  melur  Tocabeln  und  phnaen 
mitbringen  mflste,  als  der  yerf.  bei  ihm  voranssetzt.  das  ist  ja  nur 
ein  subjectives  urteil,  darum  mag  es  gestattet  aein ,  dasselbe 
diirA  einige  beispiele  zu  begründen,  so  gibt  der  verf.  die  beden- 
tnng  von  vooc  I  3,  dXtoc  I  4,  ical  i\\i\y  1 10  (und  wieder  xai  ouroi 
I  33.  251.  XIII  75  u.  a.),  TidvTec  6coi  I  11,  okoi  I  12,  auTÖv  I  39 
(und  wieder  130),  CTfj  I  103,  oixexai  I  242,  baic  I  26.  XIII  23, 
IXa^€iV  Xm  23,  ebp6c  Xin  55,  jidnap  XUI  55,  rnpac  Xin  59, 
und  von  vielen  anderen  Worten;  selbst  von  6c,  fj,  5v  I  4,  19« 
41,  78.  XIII  52,  90.*  auoh  6tou  glaubt  der  verf.  einem  ober« 
tertianer  noch  erklttren  zu  müssen,  1 124  ^d*i,  oOtivoc^,  desgleichen 
Xpi^i  und  seine  bildung  1 124.  dasz  der  verf.  Überhaupt  wenig  b« 
dem  Obertertianer  ▼oranasetitt  beweist  femer  die  wortreiche  fassung 
maneber  bemerknngen;  so  wenn  ea  an  1 341  heiaat  «CTf)d€CO  dat.  pl. 
vom  nominaletamm  crnOec,  nom.  CTf|6oc  brnat»  oder  zn  XiliBl 
«böprroto  ep.  gen.  für  böpnou  von  56piroc  oena  abendbrod»,  za 
Xnr  80  cetera  • .  •  von  dtxt  prope,  dccov  proprins»,  Xm  160 
cxetättci , .  •  S  pl.  zu  Y^TOva,  t^ovac,  t^tovc,  t^o^cv,  t^cteCi 
IfCrÄao»  naw.  —  Dabin  gehört  auch  der  nmatand,  dass  dieselben 
erldSrangen  aieb  mehrfach  wiederholen,  waa  ganx  untecbleibea 
könnte,  oder  wofür  doeh  Verweisungen  'genügen  würden,  ref.  be- 
gnügt deh  auch  hier  —  wie  überall  —  mit  anfiOhrang  einiger  bei* 
apiek,  welche  sieh  mit  leichter  mühe  Terviellhehm  lassen,  ao  ki 
idn  erklSrt  1 22  nnd  SOS,  «MMCvm  1 33. 215, 1x^1  ^3. 198,  kMoc 
I  95.  283,  Totoc  1 223.  257,  ^tv  «attiadi  aöidv,  aMv»  Xm  58. 
422,  daswiachen  «|itv  »  aÖT^  XTTT  163,  o{K5vb€  XTTT  17. 125 
nnd  dann  wieder  t(ic€ip5v5€  Xm  116  niw.  faat  am  ausgiebigsten 
eeheint  der  demonatrativisehe  gebraudi  des  artikeh  erwiihnt  sa 
Bon;  da  findet  eich  z.  b.  tö  «attiaoh  toOto*  Xm  159*  339,  tf)c 
catlaaoh  TOiiinict  XM  162,  rd^  «attisch  toöti|j»  xm  33.  79,  rdv 
«attisch  toOtov»  Xm  3. 139,  «attiaeh  w&twi»  Xni  372.  439, 
et  «attisch  oiSroi»  Xm  78. 113,  Td  «attisch  TttOrat  Xm  20.  41. 
122.  178.  369.  370,  TOlav  «attisch  TOÖTOtc»  XUI  171;  6ine  ni- 
sammenfusende  bemerkong  hStte  da  doch  gewis  graUgt.  —  Aneh 
die  aaftthrong  der  formen  nmegdmSssiger  verba  schdnt  dem  reC» 
an  manchen  stellen  überflüssig,  so  dte  dmr  modi  des  aor.  n  dpöfn)V 
1 5:  T|^.  1 125. 136. 138. 141.  188.  278.  391,  Xm  170  nnd  sonst 
ebenso  ist  wol  der  getomdi  Ton  ol  für  aÖTtli,  I  für  iv{h:5v,  wmnf 
der  verf.  z.  b.  1 17.  37.  62.  321.  434,  Xm  13.  66.  109. 120  hinr 
weist,  bei  jedem  tertianer  als  bekannt  yoraossoseteen,  zomal  da 
doch  anoh  der  verf.  zu  1 17  den  attischen  gebraach  erwihnt. 

An  manchen  stellen  gibt  der  yerf.  £e  dentsche,  an  manchen 
die  lateinische  bedentnng  des  griechischen  wertes,  an  manchen  aber 


*  za  I  4  schreibt  der  verf.  öc,  i^,  6v  (4öc  if\  ^öv),  XIII  52  k^t 
i6y  und  de,  f),  5v. 


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C.  Eem&oBt  Homeriadbai  elementttlmolL 


159 


anöh,  und  auch  das  meheint  dem  nf.  wmötig,  die  latemieehe  und 
deotecbe,  so  1 11  odinic,  praec^s,  jäh,  6Xe9poc,  penMeSf  Terderben» 
IISiOEXPnM^voc,  indigens,  deäämmB^  d^  Yeimisite,  Mi  sehnte^ 
XIH  31  Ujpiiec,  00110,  abeadlurod,  Xm  82  gar:  iporpov,  amkum^ 
pflüg  n.  S.  aadersr  art  und  m  billigen  tat  es,  wenn  bei  Tereehie* 
denen  bedeutnngen  eines  Wortes  das  lateiniscbe  zur  yergleichung 
und  zur  erklärung  herangezogen  wird,  wie  z.  b.  I  14  ^puxeiv 
1)  retinere,  bei  sich  behalten,  nicht  fortlassen;  2)  inhtbere^  auf- 
halten, hemmen;  3)  arcere^  abhalten,  abwehren,  oder  I  123  xaxQt 
1)  z\im  Willkomm  ==  salve  heil  dir;  2)  zum  abschied  =  vcde  lebe 
wohl  (=  Ippujco)  usw. 

Gewis  wird  man  nun  lieber  ein  zu  viel  hinnehmen  als  ein  zu 
wenig,  da  jenes  zur  repetition  immer  ja  nützen  kann ,  und  so  will 
.  denn  auch  ref .  mit  der  anerkennung  nicht  zurückhalten ,  dasz  in 
bezug  auf  formen-  und  worterklärung  wol  kaum  etwas  vermiszt 
wird,  während  manchmal  die  sprachlichen  bemerkungen  selbst  zu 
weitergehenden  vergleichen,  zu  sorgfältiger  beachtung  der  formen- 
bildung  und  -ent Wicklung  den  schüler  vielfach  auffordern  und  an- 
leiten, bei  verschiedenen  oder  zweifelhaften  erklärungen  eines 
woi*tes  finden  sich  dieselben  aufgeführt,  so  z.  b.  zu  TToXuTpOTTOC  I  1, 
dpT6i<pövTr|c  I  38,  TXauKUJTTic  I  44,  vecpeX^Y^pcia  I  63,  dipuTeTOC 
I  72,  eiXiTTobec  I  92,  eXiKec  I  92  (wobei  aber  die  früher  von  Ameis 
gegebene  erklärung  *sich  windend*  nicht  erwähnt  ist),  f  ouvöc  1 193, 
ctvÖTTaia  I  320,  Kebvri  I  335 ,  dpiiipoc  I  346 ,  dXqpnciric  I  349,  kou- 
piöiocXlII4ö,  ^fitoc  XIII 73,  TpriTÖC  XHI  77  usw.  —  An  manchen 
stellen  ist  sclur  paseend  auf  die  yoxangegangene  Xenophonlectüre 
verwieMm,  so  zu  etvai  ä  1 33,  zu  toO  bei  l^jüievai  I  216,  Tic 
aaneber  Xül  167  usw.;  anoh  citate  aus  dem  lateinischen  finden 
sich,  so  aus  Oioero  I  318,  aus  YergU  XIU  34.  242.  274,  ans  Horn 
JUli  242  usw. 

^ooh  mOgen  einige  einzelheiten  hervorgehoben  werden»  in  der 
bemerkung  zu  I  3  (und  ähnlich  XIII 3)  'der  gebrauch  des  augments 
ist  bei  Homer  faeoltaiiY  für  den  indicativ  der  praeterita'  dürften 
die  letzten  fünf  werte  wol  ganz  fehlen  und  statt  *facultatiy'  ein 
deutscher  amdmek  gesetzt  werden  (Tergl.  foimenlehre  %  16,  !}•  — 
1 5  war,  wenn  die  tempora  Ton  dpvii|iai  überhaupt  angeftthrt  wer- 
den sollten,  hinznsufilgen,  dasz  dieiBeUien  von  aIpo|yiot  gebildet  wer* 
den  (veigL  Krüger  §  40).  —  I  6  wird  bemerkt  *der  hiatus  von 
i^iam  reoht&rtigt  sich  [durch  die  nachwirkung  des  ursprünglich 
Mhatenden  kehlaspiranten  j  {at  je,  der  redupliciert  j\j€  gibt) 
,  sowie]  durdi  die  bucoL  diftresis' ;  mandier  tertianer  lernt  (z.b.  nach 
Mtlllw-Lattmann) ,  dasz  der  stamm  T<m  Ti||ii  eigentlich  C€  gewesen, 
dann  l  geworden  sei.  —  Ob  die  bsmerkung  zu  1 8  *die  lOsbare 
pi^».  Kcrrd  Tcrbinde  adverbial  mit  ficOiov  (tmesis)'  einem  sclittler 
l>ei  der  prSparation  verständlich  ist,  bezweifelt  ref.;  wSre  da 
lucht  gleich  eine  allgemeine  bemerkung  über  diese  sprachliche  er^ 
*Aeiuung  am  platze?  und  immer  noch  der  alte  standpunct  der 


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160  (XHeneat:  Hinneriechet  elementubaoli. 

tmeais?  ein  Obertertianer  yenteht  auch  eehon  die  richtigere  ft> 
USronff.  —  Zn  I  12  heiszt  es  «oficoi  wie  Xen.  an.  1 1, 10  ««i  demi, 
auch  oncoOi»,  zu  XIII  42  aber  coYkoi  ein  alter  ortseasns  (locsli?) 
ämi»\  da  werden  also  die  beiden  jahrgSnge  der  obertsrtisiier  7s^ 
schieden  behandelt.  —  Zn  drifjvujp  I  106  genOgt  eine  yrwsisuag 
auf  I  53.  —  Die  erkUbrnngen  zn  &XXoc  I  128  und  sn  ^Vficr^poiv 
1 138  —  an  beiden  stellen  bandelt  es  steh  nm  dXXoc  aosserdem 

—  sind  in  tönt  gnsairnnensuriehen.  —  Za  dem  I  251  ttber  den  ge- 
braneh  Ton  Td^tt  In  der  prosa  bemerkten  vergl.  diese  jabrb.  1877 
8.  462.  —  In  den  bemerknngen  sn  XTTI  wird  meHuüack  auf  die  sa  I 
verwiesen;  das  hat  doch  nnr  fttr  solche  —  übersitxende  —  obov 
tetiaaer  werth,  wel^e  schon  Odyssee  I  gelesen  haben,  wenn  sie  sa 
Xin  kommen?  —  Xm  68  zn  l^eco  (vnd  I  24  sn  bucöfievoc) 
heisst  es  'ein  medialer  aorist,  der  das  c  des  aor.  I  mit  dem  binde- 
Toeal  des  aor.  II  Terbindet  (mischaorist)*,  dagegen  wird  in  dar 
fnrmenlebre  §  19,  4  gelehrt  *manöhe  aoristsi  meist  mediale,  vm- 
binden  das  c  des  aor.  I  mit  dem  binderoeal  (flexionsyocal)  dei 
prftsens Stammes';  das  ist  wol  ein  widersprach.  —  Xni  185  m 
ol  wird  yerwiesen  sof  182,  dort  aber  findet  sich  keuie  bemerkung 
darOber,  sondern  wieder  nnr  eine  yerwdsnng  anf  18  nnd  10,  da- 
dnrdi  wird  der  sidilller  nnr  Tedertw 

Zn  einer  ganzen  anzahl  Tsrse  in  beiden  bticliem  sind  keine  be- 
merknngen gegeben,  was  an  sich  keinen  tadel  finden  kann;  aber 
unklar  ist  dem  ref.  geblieben,  welehe  von  diesen  Tersen  der^vev^ 
nidit  mit  lesen  lassen  wül;  so  findet  sieh  keine  bemeiknng  z.  b.  sn 
I  97—101.  186.  844.  Xm  248—245.  265.  266.  888—888.  891. 
898—401;  nnd  in  dem  'Terseiehnis  der  abweiehnngen  Tom  tezte 
der  Dindorfbchen  ansgabe'  s.  80  werden  1 97.  98. 185.  186.  844. 
Xin  248  —  245.  265  t  888—888.  891.  897—401  beseidhnet  als 
'znsatz  eines  jflngeren  —  spSteren  —  rhapsoden%  wShrend  deck 
viele  andere  verse  aneh  ohne  bemeikangen  geblieben  nnd  «ndere^ 
seits  Ton  den  als  'znsats'  bezeichneten  sn  1 185  nnd  Xm  897  be- 
merknngen gemacht  sind,  nach  des  ret  m«nnng  sollten  aber  aooli 
die  in  den  sdMdausgaben  eingeklammerten  Terse  mit  gelesen  wercha. 

—  An  einigen  anderai  stelloi  finden  sieh  in  den  bemerknngen  aaeb 
andentnngen  ans  dem  gebiete  der  höheren  kritik,  so  XIH  12  'der 
▼ers  ist  wol  ans  X  428  hier  eingeschoben',  Xm  185  C 

Unter  der  Überschrift  *foxmenlehre'  wird  eine  flbersidit  der 
abweiehnngen  der  episdien  von  der  attischen  foimenlehre  gegeben; 
also  werden  z.  b.  g  5  die  wbrte  der  ersten  dedination  mit  ii  statt  d, 
die  masenlina  anf  ö  statt  anf  t|C  nsw.  an^esShlt.  diese  znsamnwn- 
stellnngen  sind,  so  weit  ref.  imcbgepraft  hat,  yoUständig,  natCblkdi 
dem  zwecke  des  yerf.  entspiechend  nnr  fibr  Odyssee  I  nnd  XIIL 
sprachgesohiditliche  erkttrungen  werden  aber  nicht  gegeben,  wie 

8ies.b.  §  5, 1  (Mer  gen.  masc  geht  anf  <ni  statt  aitföo  ans')}  §6|  li 
§  7, 1  nnd  sonst  vieUSsch  am  platze  gewesen  wttren  nnd  jedem  ober- 
tertianer  Yerstftndlioh  sind,  statt  dessen  findet  man  §  12,  2:  «epi« 


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Von  der  GokUMKgwr  latwiiiliiclien  tohole.  161 

sehe  nebenformen  sind:  TCÖC  neben  cöc«  Ut  Hebende»  usw., 
oder  §  12,  6  «epische  nebenformen  des  fragepronomtns  sind  fol- 
gende: 8.  g.  T^o,  T€0,  d.  T^qj,  Tq),  pL  g.  t^uiv,hI.  T^oict».  —  §  15,  2 
hcuil  es,  im  attischen  dialect  habe  nor  der  aor.  II  f^TttTOV  redupli- 
catkm;  danach  erklärt  der  yerf.  aleo  ^vctkov  anden  als  MtlUer> 
Lattmann  s.  70,  5  «aus  T\v-€VfKOV  synoopiert»,  rem  atanim  ivcK.  — 
g  16,  ^  stobt  S6ev  filr  ftev. —  Die  in  bndi  I  nnd  Xm  yorkommen- 
dm  eeg.  verba  anomala  smd  a.  79  nnd  60  Teneiohnet  in  alphabeti* 
s^MT  Mge  mit  angäbe  der  betr.  stellen. 

SeUiesBlioh  bh  neob  bemeriit,  dass  die  anaatattong  des  in  der 
Teabnersehen  offiein  gedmektsn  werkcfaene  nichts  an  wünschen  Usst» 

BaTannimfik  Wilulk  YoLLnucnr. 


(18.) 

VON  DEB  GOLDBEBGEB  LATEINISCHEN  SCHULE. 

(schlnsi.) 

Die  letzten  lebensjahre  dieses  Schulmannes  waren  noch  voll  von 
schweren  prüfungen.   die  hungersnot  im  j.  1552  und  die  pest  im 
folgenden  jähr  nahm  ihm  manchen  lieben  schüler,  an  dem  das  herz 
des  hagestolzen  gehangen,   er  selbst  wich  nicht  von  seinem  posten, 
so  gefährlich  auch  der  aufenthalt  in  Goldberg  wurde  und  so  viel 
ehrenvolle  anerbietungen  auch  von  auswärts  an  ihn  ergiengen.  mit 
der  kleinen  Schaar  treuer  schüler,  die  bei  ihm  aushielt,  flüchtete  er 
auf  das  höchste  chor  der  kirche,  wo  seiner  ansieht  nach  die  luft 
reiner  war,  und  hielt  hier  den  lectionsplanmäszigen  Unterricht,  als 
aber  an  die  genannten  zwei  unglücksjahre  sich  noch  unmittelbar 
ein  drittes  reihte,  in  dem  die  stadt  durch  eine  verheerende  feuere- 
bnmst  völlig  in  asche  gelegt  wurde ,  da  schied  er  schweren  herzens 
^on  dem  ihm  so  lieb  gewordenen  Goldberg  und  siedelte  mit  seiner 
Bchttle  nach  Liegnitz  über ,  wo  er  von  seinem  herzog  freundlich  auf- 
genommen ward,    eifrig  betrieb  er  von  hier  aus  den  Wiederaufbau 
des  schulhauses  zu  Goldberg,  trotz  seiner  jähre  wanderte  er  oft  von 
liiegnitz  nach  Goldberg  hinüber,  um  sich  persönlich  von  den  fort- 
scbritten  der  bauarbeiten  zu  überzeugen,  aber  er  sollte  die  zurück- 
Verlegung  der  anstalt  nach  Goldberg  nicht  mehr  erleben,  als  er  am 
21  april  1556,  es  war  der  montag  nach  misericordias  domini,  früh 
7  uhr  in  gewohnter  weise  die  wodbe  mit  einer  religionsstunde  (kate- 
cbase)  begann,  den  23n  psalm  auslegjbe  nnd  bis  zu  der  erklärung 
des  auadmoks  yom  finstem  thal  gekommen  war,  traf  ihn  der  schlag, 
mit  den  werten:  *ego  Yero,  auditores  optimi,  avocor  in  aliam  scho- 
W  brach  er  zusammen  und  starb  am  fünften  tage  danach,  seine 
irdische  hülle  fand  auf  heraoglichen  befehl  in  der  Stiftskirche 
Bi  Johannis  zu  Liegnitz  die  ewige  rohe,  in  der  kirche  zn  Gtoldberg  . 
d>er  wurde  zum  gedächtnis  an  ihn  sein  bildnis  in  der  nfthe  der 
Baciisteithttre  angebracht 


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162 


Von  der  Goldberger  iBtmnianhwi  •cbale. 


Noch  in  seinem  todesjahr  konnte  am  27  october  sein  würdiger 
nachfolger,  rector  Martin  Tabor,  die  schüler  nach  Goldberg  zurück- 
führen, aber  der  glänz  der  schule  ist  dahin,  viele  umstände  wirk- 
ten hierzu  in  ungünstiger  weise  zusammen,  als  im  j.  1558  Tabor 
das  richter-  und  voigtamt  der  stadt  erhielt  (Trotzendorf  hätte  seine 
kathedra  mit  keinem  throne  der  weit  vertauscht!),  trat  an  seine 
stelle  als  haupt  der  schule  Heinrich  Paxmann,  doctor  der  medicin, 
gleich  seinen  Vorgängern  aus  Wittenberg,  der  sich  seiner  Stellung 
in  keiner  beziehung  gewachsen  zeigte,  der  herzog  von  Liegnitz  ver- 
mochte ihn  deshalb  dazu ,  sein  amt  niederzulegen  und  erhöhte  hier- 
auf die  lehrergehälter  dergestalt,  dasz  Tabor  von  1563  an  wieder 
das  rectorat  übernahm,  jetzt  brach  noch  ein  kurzer  Spätsommer  fttr 
die  schule  an ,  aber  im  gründe  zehrte  man  nur  von  der  tradiüon. 
liesz  doch  herzog  Heinrich  XI  noch  einmal  die  alte  Schulordnung 
Trotzendorfs  drucken  und  tiberall  eifrig  verbreiten,  ob  er  vielleicht 
durch  den  namen  des  groszen  rectors  wieder  schüler  anzöge,  aber 
schon  waren  auch  in  vielen  anderen  städten  Schlesiens  gelehrte 
schulen  entstanden  —  in  Görlitz  1565,  in  Brieg  1569,  zu  Freistadt 
schon  1547  unter  Joh.  Qigas  —  und  so  liesz  sich  trotz  aller  an- 
strengungen  die  schülerfrequenz  nicht  mehr  heben,  als  gar  1579 
Tabor  starb,  war  der  verfall  der  schule  nicht  mehr  au£zuhalten.  ein 
lehrerwechsel ,  wie  ihn  selbst  unsere  generation  nicht  gesehen ,  risz 
ein.  allein  das  rectorat  sehen  wir  in  den  folgenden  43  jähren,  d.  h. 
bis  zur  schlieszung  des  gymnasiums,  die  wegen  mangels  an  schülem 
am  4  november  1622  erfolgte^  elf  mal  in  andere  bände  übergehen, 
(die  rectoren  waren:  1579— 1580  Helnuich,  1680—1582  Cirkler, 
der  nur  zwangsweise  das  rectorat  angenommen,  1582  Kiefert  und 
Auleander,  1583  Kiefert  allein,  1583—1588  Sick,  1588—1589 
Brettius,  1589—1593  Cmgems,  1593—1611  Feige,  und  zwar  bis 
1699  als  rector,  von  da  ab  als  bürgermeister  mit  einem  prorector 
zur  Seite,  1611—1618  Güntber,  1618—1621  Melidene  [Milde], 
1621 — 1622  der  sogenaimie  oantor  Yecbner^  tsas  der  geschickte 


'  ihm  gebfihrt  eigentlich  der  titel  proreetor.  Vechner  (geboren  zu 

Goldberg  1672)  war  nemlich  zweimal  am  gymnasium  seiner  Vaterstadt 
thätig,  zuerst  als  cantor,  von  1598—1610,  in  welchem  jähre  er  einem 
ruf«  als  rector  nach  Jauer  folgte,  und  dann  als  prorector  von  1618  [er 
trat  an  demaelben  tage  in  sein  neues  amt  wie  der  rector  Jon.  Melidevs 
8.  Melidatfus]  bis  rar  tcblietrang  des  gyninaBiams.  er  blieb  dann  in 
Goldberg  als  Privatmann  wohnen,  und  wie  er  der  söhn  eines  Ooldberger 
bürgermeisters  war,  so  finden  wir  ihn  im  j.  1626  in  den  fasti  Gold- 
bergensium  als  Senator  et  pröconsul  aufgeführt,  dieses  amt  hatte  er 
bis  zu  seinem  im  j.  163S  in  den  tbermis  Uirsbergensinm  (Warmbmiui?) 
erfolgten  tode  inne.  Tgl.  Jo.  Micb.  Hensinger  In  der  vita  DanieUi 
Vechneri  in  der  von  ersterem  (Gotha,  Reyher)  veranstalteten  ausgal»« 
des  wohlbekannteu  Hellenolexias  des  letzteren,  doch  irrt  Heusinger, 
wenn  er  Mildes  rectorat  bis  zur  schlieszung  der  anstalt  ausdehnt,  über 
die  zahlreichen  werke  Vechners  und  über  seine  Verdienste  als  pbilo- 
,  löge  und  Bcbulmann  siehe  die  Ton  Heudnger  in  dem  eitierten  buch  so: 
sammeagestellten  urteile. 


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Von  der  OokLbeig«r  latwniMhen  acluilA 


163 


Wallensteins  bekannt,  mit  den  reohten  flines  recton.)  im  j.  15dO 
hatten  alle  lehrer  di«  sdmle  yerlassen  und  andere  eintriglichere 
stellangen  flbemommen,  bis  auf  den  rector,  den  caiitor  und  den 
katecheten.  um  die  schule  wieder  in  die  höhe  zu  bringen,  eeben  wir 
den  henog,  die  stadt  und  das  lehrercollegium  alle  anstrengungen 
macrhim '  aber  es  wurden  zum  teil  auch  recht  absonderliche  mittel 
ga  dsasem  zweok  gewählt,  so  hatte  der  rector  Siek  den  plan ,  das 
gymnaeiiun  in  eine  Universität  za  yerwandeln;  und  im  j.  1699 
machte  man  den  reotor  zugleich  mm  bOrgermeister  der  stadt ,  um 
ihm  zu  gamtdn  der  schale  einen  desto  gröszem  einflusz  zu  yer- 
8clia£fen.  zu  noch  grOnerem  unheii  raffte  die  pest  im  j.  1613  einen 
thell  der  schüler  hinweg  und  ein  neuer  brand  legte  1614  das  schal- 
gebäude  abermals  in  asche. 

Als  im  j.  1622  die  schule  als  gymnaeiam  geeehloeson  wurde, 
errichtete  der  herzog  in  Liegnitz  ein  gjmnasium,  während  die  Gold- 
beiger  anstalt  hinfort  nur  als  lateinisehe  schale  bezeichnet  wird, 
hier  ist  der  beginn  der  dritten  periode.  an  eine  gedeihliche  thätig- 
keit  war  zunächst  nicht  zu  denken,  die  stflrme  des  SCjÜnngen 
krieges  und  die  verheerenden  krankheiten  dieser  jähre  lieszen  es 
trotz  aller  lELrsorge,  die  auch  jetst  noch  fort  und  fort  die  edeln  her* 
z5ge  von  Idegnitz  der  Goldberger  schule  schenkten,  sa  keinem  auf* 
Schwung  kommen,  war  ja  einmal  ein  tüchtiger  reotor  gewonnen, 
wie  im  j.  1635  Job.  Fischer,  der  sich  daroh  reorganisation  der 
schule  za  Schmiedeberg  in  Schi,  einen  namen  gemacht  hatte,  so 
muste  er  doch  bald  wieder  den  für  jene  thenem  zelten  unzulänglich 
dotierten  posten  aufgeben,  an  verftigungen  der  herzoglichen  kam- 
mer  behufs  besserer  dotierung  der  lel^erstellen  scheint  es  nicht  ge* 
fehlt  zu  haben,  auch  zeigte  sich  der  herzog  selbst  im  Interesse  der 
schule  zu  geldopfem  immer  wieder  bereit,  so  bestimmte  er  1659, 
dasz  der  rath  zu  Goldberg  von  den  jährlich  an  das  fttrstliche  stift 
zu  Liegnitz  zu  zahlenden  312  thlr.  20  gr.  schulzinsen  150  thlr.  znr 
bessern  besöldang  der  lehrer  behalten  mOge.  Uber  den  betrieb  des 
unterrichte  in  dieser  zeit  fehlen  ans  nadurichten*  nur  eine  ver- 
fttgaag  des  hersogs  Ludwig  vom  7  febniar  1668  ist  bekannt,  wel- 
* iHusr  verordnet,  dasz  an  der  latsiniseiieii  schale  *ein  gleichmäsziger 
methoduB  mit  der  forstlichen  schule  (d.  i.  gymnasiom)  in  Liegnitz' 
inae  gehalten  werde,  damit,  wenn  bttrger  ihre  sOhne  in  letttere 
flberipihen  Hessen,  '^ese  schon  des  methodas  gewohnt  wären  and 
beeser  fortkommen  mOehten.' 

Mit  dem  im  j.  1675  erfolgten  aassttfben  der  piasten  von  Li^g- 
iiitz-Bri^*Wolilaa  verlor  die  schale  eine  tatel,  &9  mit  eilbr  stets 
ihr  wohl  za  belBrdem  gesocht  hatte,  von  nun  an  erfolgten  die  be- 
mftmgen  des  reetors  and  der  lehrer  durch  die  Malteserordensritter, 
die,  wie  beispiele  zeigen,  bei  der  austtbong  dieses  redites  nicht  im^ 
mer  im  einvernehmen  mit  der  stadt  und,  was  schlimmer,  nicht  ge- 
rade im  Interesse  der  schale  verfahren,  erst  unter  der  preoszischen 
herschaft  fängt  die  anstalt  wieder  an  sich  langsam  zu  heben,  die 


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164  Von  der  Goldberger  lateuuschen  Bchole. 

Stadt,  die  nun  wieder  die  lehrer  beruft,  gewann  auch  wieder  interesse 
an  ihr  und  baute  1767  ein  neues  schulhaiis.  nun  bleiben  rectoren 
und  lehrer  der  schule  wieder  länger  erhalten,  in  der  regel  wirken 
in  dieser  periode  auszer  dem  rector  nur  drei  lehrer,  in  den  jähren 
von  1687 — 1693  jedoch  vier,  ebenso  viele  auch  in  diesem  Jahr- 
hundert, die  namen  der  rectoren  an  der  schola  senatoria,  wie  sie 
jetzt  auch  genannt  wird,  waren:  Wisaeus  1623 — 1631,  Moser  bis 
1634,  Fischer  1635,  Klimke  bis  1644,  Pimer  bis  1646,  Eeimann 
bis  1652,  Haidorn  bis  1659,  Sperer  bis  1665,  Gottschling  bis  1668, 
Thilo  bis  1778,  welcher  einen  ruf  an  das  Brieger  gymnasium  erhielt, 
Bapist  bis  1685,  Stiller  bis  1687,  Hein  bis  1695,  Schneider  bis 
1696,  Neumann  bis  1700,  Scheidel,  welcher  nicht  ein  volles  jähr 
dies  amt  bekleidete,  Vogel  bis  1701,  Reisel  bis  1712,  Stein  bis 
1718,  Beisel  der  jüngere  bis  1725,  Hensel  bis  1732,  wo  er  nach 
Hirschberg  gieng ,  Zobel ,  der  noch  in  demselben  jähre  einem  rufe 
nach  Ghr.-Glogau  folgte,  Kunze  bis  1754,  Steinchen  bis  1774,  Hiller 
bis  1775,  Steiger  bis  1788,  Sutorius  bis  1812,  Grocke  bis  1814, 
Hoffinann  bis  1828,  Kaufmann  bis  1836,  Köhler  bis  1839,  Deutsch- 
mann  bis  1847,  Gröhe  big  endo  1876,  weleher  unter  allen  rectoren 
am  Iftngsten  amtiert  bat. 

Nicht  nur  sämtliche  52  rectoren,  sondern  auch  die  übrigen 
lehrer,  die  cantoren  und  auditoren,  bis  zum  ende  des  18n  j^r- 
hunders  waren  litteraten  und  zwar  in  der  regel  theologen.  einzelne 
der  rectoren  und  viele  lehrer  zogen  sich  in  ihren  späteren  jähren 
vom  Schuldienst  zurück  und  wurden  pastoren,  ein  rector  wurde 
physicus,  zwei  bürgermeister  der  stadt  Goldberg,  einer  verzichtete, 
da  er  sich  untauglich  erwies,  freiwillig  auf  seinen  posten,  ein  anderer 
(Melideus)  ward  wegen  erwiesener  Vernachlässigung  seiner  pflichten 
mit  schänden  entlassen,  viele  giengen  in  andere  schlesische  schul- 
stellen über,  in  die  vacante  rectorstelle  wurde  bei  weitem  am  häu- 
figsten von  auswärts  vociert,  nur  bisweilen  rückte  der  cantor  oder 
der  erste  auditor  in  diese  stelle  auf. 

Den  mittelpnnct  des  gesamten  nnteniobis  bildete  auch  in  der 
dritten  periode  die  imterweisong  in  der  religion,  und  wir  glauben 
es  gern ,  dasz  die  schale  stete  eine  treue  hüterin  des  evangeUschen 
bekenninisses  in  jener  gegend,  «och  nnter  (teterreichischer  berschaft, 
gewesen  ist.  in  dieser  beziebung  ist  n.  a.  ein  thema  bezeichnend, 
das  1729  der  rector  Hensel  seinen  scbttlem  für  den  lateinischen 
aufsats  stellte:  'de  reformationis  Lutheri  canssis*«  zweiter  gegen- 
ständ des  Unterrichts  ist  die  lateinische  spräche,  deren  pflege  ist 
Yom  anfang  des  18n  Jahrhunderts  an  in  stetigem  sinken  begriffen, 
in  dieser  beziebung  ist  das  album  der  schule  interessant,  indem  es 
eine  allmttblicb  abwärts  führende  scala  in  den  kenntnissen  der  recto- 
ren und  der  lehrer  auf  dem  gebiet  dieser  spräche  wahrnehmen  läszt. 
der  im  j.  1718  in  das  rectorat  beförderte  Reisel  ist  noch  im  stände, 
eine  voUstttndige  gesehichte  der  schule  in  lateinischen  distichoi  su 


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Von  der  Qoldberger  lateimaohen  schulo.  165 

schreiben.^  aber  seitdem  werden  die  lateinischen  verse  immer  selte- 
ner, bis  sie  1774  ganz  verschwinden,    femer  wurden  bis  zum  jähre 
1782  die  einftihrangs-  und  antrittsreden,  sowie  die  valedictionen 
Ton  den  lehrem  nur  lateinisch  gehalten;  TOn  da  ab  in  deutsoher 
spiache.   dem  gebrauche  der  gymnasien  jener  zeit  entspricht  es, 
dasz  auch  in  Goldberg  alljährlich  ^  nnd  zwar  in  der  wellinaehtszeiti 
lateinische  dramen  auf  dem  rathbanse  aufgeführt  wurden,  daran 
Stoffe  in  der  regel  der  biblischen  geeohichte  entnommen  waren, 
aber  1746  wurde  vom  2 — 5  august  von  den  schülem  der  lateini- 
BduBi  sdiule  das  erste  deutsche  Schauspiel  zur  aufführung  gebracht : 
*^  entfCLhrte,  doch  wieder  erlSste  sdhlesisohe  Helena*,  man  sieht 
tAfngoiB,  dasz  sich  die  Gdldberger  sohole  von  den  gesdhmacklosig* 
kflüsii  dar  pidagogik  jener  tage  keineswegs  frei  hielt 

Je  mehr  xran  das  lateinische  znrttok  trat,  desto  mehr  gewann 
dsr  Unterricht  im  rechnen  an  bedentong,  was  Yon  den  scUidhten 
bflrgem  als  eine  nfttdiehe  ftndemng  des  lehrplanes  sehr  anerkannt 
wurde,  im  Semler-Heokersohen  geiste  schuf  der  rector  Sutorius 
den  bisherigen  lehrplan  mit  geschick  um.  es  unterliegt  woL  keinem 
nr«&l,  dasz  die  schule,  wenn  sie  in  dieser  bahn  geblieben  wSre, 
eine  zweite  blttieperiode  zu  einer  seit  hätte  «reidira  können,  wo  es 
an  lealsdiulen  noch  fehlte ,  während  die  zahlreichen  gymnasien  der 
Umgegend  eine  progymnasiale  anstalt  in  dem  kleinen  Goldberg  zu 
süier  gröszem  frequenz  nicht  mehr  gelangen  lieszen.   aber  für  die 
«ntwicklung  der  schule  fehlte  es  an  klaren  zielpuncten,  und  jeder 
rector  wies  ihr  eine  andere  richtung.    Kaufmann  legte  wieder  allen 
nacbdnick  auf  den  Unterricht  in  den  sprachen,  wie  weit  er  es  darin 
brachte,  bezeugt  der  rector  Gröhe,  der  unmittelbar  nach  Kaufmanns 
tode  ein  Vierteljahr  den  rector  vertrat,   damals  wurde  in  der  ersten 
classe  mit  erfolg  Livius  und  Vergil  gelesen,    der  nächste  rector 
Köhler  bog  wieder  in  die  wege  von  Sutorius  ein ,  gönnte  dem  latein 
nur  noch  je  3  stunden  wöchentlich  in  den  zwei  oberen  classen,  nahm 
aber  dafür  mechanik  in  den  lehrplan  auf  und  vermehrte  die  stunden 
für  das  zeichnen,    die  anstalt  konnte  als  vorbereitungsschule  für 
eine  gewerbeakademie  gelten.    Deiitschmann  reorganisierte  aber- 
mals den  lectionsplan  und  brachte  ihn  in  möglichste  übereinstim- 
Diung  mit  dem  einer  realschule.   der  letzte  rector  endlich,  Gröhe, 
gestaltete  aus  der  schule  ein  progymnasium  mit  vier  classen ,  mit 
der  modification  jedoch,  dasz  er  im  rechnen  und  mathematik  der 
obersten  classe  die  ziele  der  tertia  setzte,  in  den  sprachen,  auch  im 
griechischen,  nur  die  der  qaarta,  dafar  aber  der  pbyük  in  der  ober- 
fiten  classe,  in  den  drei  andern  der  natnrkunde  zwei  standen  ein- 
'^te,  auch  geeehiohte  nnd  geographie  in  den  beiden  oberen  classen 

.  *  ^ie  hoch  damals  gerade  diese  fertigkeit  im  versificieren  ge- 
WnlUt  wurde,  zeigt  u.  a.  die  erzählung  von  der  prüfung  des  rector 

emzelmaim  bei  Heidemann,  geschiehte  des  gymnaiiaaiB  lam  grauen 
Ww»«r,  Barilii  1874,  g.  IW. 


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166    Philologische  programme  deutscher  höherer  lehranstalten. 


m  Tier  stunden  wöchentlioh  nnterriehten  liesz.  so  wurde  ein  doppel- 
tes erreicht,  den  knaben  die  zum  stodium  bestimmt  waren ,  wurde 
eine  solche  Vorbereitung  gegeben,  dasz  sie  nach  absolviemng  der 
ersten  dasse  mit  bestem  erfolg  in  die  tertia  eines  gjmnasiums  ein- 
treten konnten,  denen  aber,  die  mit  austritt  aus  dem  schulpflichtigen 
alter  ins  praktische  leben  tlbergiengen,  fehlte  es  nicht  au  eijier 
gründlichen  allgemeinen  bildung. 

Was  endlich  noch  die  frequenz  der  anstalt  in  diesem  Jahr- 
hundert anlangt,  so  erreichte  sie  die  höchste  zahl  im  j.  1813,  ncm- 
lich  205.  in  den  letzten  dreiszig  jähren  besuchten  sie  durchschnitt- 
lich jährlich  180  schüler,  bei  ihrer  auflösung  hatte  sie  deren  nur 
noch  64.  unter  den  5  lehrem  der  anstalt  waren  zuletzt  noch  drei 
litteraten. 

So  hat  denn  die  letzte  lateinische  schule  in  Norddeutschland 
ihre  Schwestern  noch  um  ein  halbes  Jahrhundert  überlebt  (vgl.  über 
die  aufheb ung  dieser  schulen  dr.  Mascher,  das  deutsche  schul wesen, 
s.  96). 

Plebs.  Badtke. 


16. 

PHILOLOGISCHE  PROGRAMME  DEUTSCHER  HUHEBEß 

LEHRANSTALTEN. 


BxBLn.  Sophiengymnasinm.  87  lebrer,  17  classen,  585  schüler  im 
Sommer,  576  im  winter,  5  abitur.  —  Abb.  des  oberl.  dr.  O.  Seyffert: 
'stndia  Plautina*.  verf.  stellt  Asin.  I  1,  66  eo  für  e^o,  III  3,  1  aman- 
tis  für  abeuntis  her,  II  4,  46  werden  die  wor^e  anders  unter  die  per> 
Bönen  verteilt,  III  3,  117  bezweifelt  verf.,  ob  die  werte  amabo  —  eft 
dem  Argnrippus  mit  recht  snerteilt  weiden,  dabei  wird  über  den  ge* 
brauch  von  amabo  gehandelt  und  dabei  mit  Scaliger  most.  385  ambo 
für  amabo  hergestellt,  die  worte  amabo  —  est  werden  der  Philenlum 
zugeteilt,  das  folgende  spricht  Libanus  bis  clivom  zu  derselben  und 
vor  iam  ist  enim  einzufügen,  dann  v.  119  zu  Argnrippus,  doch  ist  da 
posted  mit  phil.  ans.  1870  8.  289  sn  sehreilien,  im  ansehlnss  dartn 
behandelt  verf.  dann  einige  stellen,  wo  ihm  die  worte  nicht  richti| 
unter  die  personen  verteilt  scheinen,  wie  Aulul.  III  2,  9:  quae  res  wird 
dem  Euclio  gegeben,  dagegen  verteidigt  er  II  1,  27  die  überlieferte 
Personenverteilung  mit  fug.  hier  wird  eingehend  über  Ita  di  fazint  ge- 
redet, weiter  wird  Gnrc.  Y  2,  10  enim  vero  iraseor  der  PlaneBiom  ge- 
nommen und  dem  Phaedromne  gegeben,  dagegen  Y  2, 29  wird  der  eitle 
teil  dem  Curculio  ab-  und  der  Planesium  zugesprochen.  Poen.  IIIS, 
27  ff.  sind  die  worte  hic  homo  usw.  dem  advocatus  zu  geben,  während 
die  Überlieferung  sie  dem  Milphius  oder  Agorastocles  zuteilt,  in  v.  Sl 
werden  die  worte  qnaeio  —  immortales  mit  Brix  dem  Collybiscns  ge- 
geben, V.  80  wird  geschrieben:  abeamus:  et  voe:  satis  dictumst,  so  dasz 
abeamus  von  Agorastocles  zu  Milphio,  et  vos  sc.  abite  zu  den  advocatus 
und  dem  Collybiscus  gesagt  wird  und  satis  dictumst  mit  ^wir  haben 
genug  geredet'  zu  übersetzen  ist.  Rud.  III  4»  62  stellt  verf.  quin  tote 
her,  im  folgenden  yene  werden  die  worte  id  volo  dem  Lobrax  gegeben, 
wie  im  cod.  Vet.,  v.  64  vermutet  er  iam  für  nam.  Asin.  V  2,  90  wird  abitis 
fiur  abis  oder  hei.  abiie  geecbrieben  nnd  dadaroh  vermieden ,  abi  ülr  i 


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Pliüologiacbe  Programme  dentsoher  höherer  lehraostalten.  167 

tnit  Fleckeisen  za  schreiben,    abitis  ist  von  abitei;^  für  abire.   im  fol- 
^enäen  yene  wird  hnmo  in  ibis  potiiw  gelesen  IBr  isimo  intus  potins.  f 
Pieckeisen  liest  mit  anderem  gedanken  immo  potius  intro,  wofür  verf,  < 
lieber  immo  cnbitTim  potius  lesen  möchte.    Aul.  II  2,  34  wird  band  für 
noQ  eingesetzt  nnd  damit  mibi  gerettet;  eine  ähnliche  emendation  wird 
Vul.  IV  8,  10  geboten,   das  genüge,  um  einen  einblick  in  die  fleiszige 
and  feinsinnige  arbeit  des  yerf.  au  geben,   weilten  wir  in  gleieber 
weise  mitteiloDgeB  ans  dem  ganien  programm  geben,  so  würden  wir  das 
OBS  geseteto  masz  Qbersehreiten.  wir  beschränken  nns  hier  darauf,  die 
\veiter  vom  verf.  behandelten  stellen  aufzuzählen  und  wollen  nur  jede 
einzelne  conjectur  unsern  Piautaskritikern,  Fleckeisen,  Studemund  u.  u. 
zur  begutachtung  empfehlen,    verf.  bespricht  noch  Aul.  II  2,  84  (hercle 
fta  edepol),  Men.  98.  Mil.  gl.  1970.  Men.  879  (hier  edepol  fOr  hsl.  berele), 
8lleb.474  (pol  Tür  hercle),  Ba.  595  (ne  tibi  hercle),  Pers.  39  (fiducia 
TOgare  tu  a  med),  Men.  307  (habes?  di  illos  homines,  qui  illic  habitant, 
perduint),  Aul.  II  4,  18  (ardus),  Pers.  296  (ardus),  Cure.  V  4,  24  (lavit, 
Amph.  y  1,  50  (lavere),  Trucul.  II  3,  2  (lavare),  Pers.  176  (callo),  Aul. 
m6,  22  (scalat),  Most.  278  (olant),  Pseud.  840  (fervont),  Poen.  V  4,  6 
(soffd&re),  Btieli«  966  (dates).  aveh  werden  vom  ywt.  ihm  irrig  seheinende 
conjectnren  zurückgewiesen,  so  Ba.  230  tuUmus  für  attnlimus,  Pseud.  706 
tuli  für  attuli,  Aul.  III  2,  19  ad  te  tuli,  und  Rud.  IV  3,  101  tulerit  für 
adtnli  und  tetulerit,  hier  ist  vielmehr  ein  vers  ausgefallen,  dort  huc 
oder  ad  te  nach  quae  einzufügen,    weiter  wird  bebandelt  Aul.  III  6,  38 
(ad  te  hinter  hodie  sinsnsehMten) ,      84  non  qnod  p.  e.  q.  b.  habeo, 
Aal.  IV  7,  18  (eam  e,  m.  c.),  IV  10^  1  (i.  ew  s.  et  miser  et  perditus), 
IV  10,  66  (q.  ego  f.  e.  ted  audio),  Most.  365.  Trin.  1080.  Gas.  II  3,  13 
(manum  abi  et  abstine),  Bacch.  161  ff.  (hier  wird  doppelte  recension 
und  Verwirrung  in  der  textüberlief erung  angenommen),  Men.  1037,  43. 
Aul.  IV  1 ,  1  ff.  Cist.  I  2.  Poen.  121  ff.  (hier  werden  eingedrungene 
zweite  reeensioaen  nnd  Tersrnnsteilnngen  angenommen),  Poen*  V  9,  89  ff. 
(ebenso),  Mil.  glor.  986  (auch  hier  wird  spätere  recension  vermutet), 
ßaccb.  552  (et  ego),  Men.  1097  (et  hic  n.  i.),  Mil.  glor.  1376  (amiserim), 
Trac.  V  37  (hunc  ne  amem),  Bacch.  1099  (quod  cor  peracessit),  Bacch. 
1192  (Fleckeisens  text  wird  gebilligt},  Bakcb.  1196  (istaec  mitte),  Bacch. 
1149  (ebo,  amabo,  die.  quo),  Tme.  IV  2,  7  (lubet  sttblinere  isU  os), 
Trac.  II  6,  28  (loquere.  n.  q.-n.  L  q.  —  quid  postea?),  Cnre.  II  3,  68 
—59  (zwischen  beiden  versen  ist  einzuschalten:  Theraponti^onum,  qui 
auro  erat  hic,  novistine?  —  novi  et  scio),  Epid.  III  2,  12  ff.  (zwischen 
lä~14  ist  eine  lücke),  Rud.  IV  3,  82  (nach  diesem  verse  eine  lücke). 
>o  weit  haben  wir  noch  wenigstens  die  conjectureu  angedeutet,  von  hier 
geben  wir  nnr  die  stellen  an:  Capt.  I  9,  1  ff.  Poen.  III  5,  96.  Cist. 
i^l,  8.  Cirt.  390  Bothe.  Cist.  IV  2,  23.  Epid.  I  2,  44.  Mil.  glor.  88. 
977.  1134.  1296.  1324  ff.  1301  ff.  1405  ff.  Merc.  891.  Men.  143.  292.  821. 
Most.  1026.  Pseud.  245.  1192.   Rud.  prol.  8  ff.  I  1,  3.  Stich.  497.  Trin. 
227.  230.  1017,  Truc.  I  1,  76.  2.  16.  U  2.  48.  4,  41.  4,  67.  5,  3.  6,  44. 
7»  tt.  IV  8,  43.  4, 1.  möchte  verf.  seine  studia  Plantina  reeht  bald  fort- 
letsen;  dasi  er  damit  der  wissensebaft,  aneb  wenn  diese  oder  jene  sei- 
y  eonjeetnren  nicht  angenommen  werden  sollte,  ^en  wesentlichen 
üienst  leisten  würde,  brauchen  wir  nicht  erst  auszusprechen,  dürfen 
^  aber  einen  wünsch  iiuszem,  so  wäre  es  der,  verf.  wolle  sich  bereit 
™s6n  lassen,  seine  trefflichen  arbeiten  noch  übersichtlicher  für  den 
'««er,  der  sieh  nnr  nnterriehten  mdehte,  nicht  selber  Plautnsstndien  sn 
seiner  lebensaufgabe  gemacht  hat,  dadurch  zn  machen,  dasz  er  sich  bei 
Behandlung  der  stellen,  für  die  er  eine  Verbesserung  gefunden  zu  haben 
Daemt,  der  deutschen  spräche  bedient,    wir  sind  ja  Deutsche,  so  lasst 
auch  als  gelehrte  Deutsche  sein  und  deutsch  schreiben. 
,  ..f^WSGH.   realsohule  erster  Ordnung.    10  classen,  17  lehrer,  386 
^cbuier,  3  abitmrienton.  —  Abbandlang  des  ordenti.  lehrers  Soholtse: 
vatillnariscbe  TerscbwSmng  nach  Sallnst'.  in  Rom  ward  früh  der 


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168    Pliilologische  prognunme  deutacher  höherer  lehranstalten. 


brndtoamkelt  ein  elsi^elieiidM  iiitonMe  ragiiwaiidt.  im  aaseliliiss  dam 
begann  fehon  früh  eine  «rt  hisknrischer  anfseidnumgoii,  sie  begann 

mit  den  alten  Verzeichnissen  der  priestercollegien  und  ma^strate,  an 
diese  schlössen  sich  die  annalisten  an,  trocken  und  nüchtern,  ohne 
historischen  blick,  registerartig  die  thataachen  neben  einander  stellend, 
ibnen  gegenüber  erbebt  lieb  Mtlatt  siir  b5be  eiaee  w^uren  gesebiebti- 
Schreibers,  verf.  gibt  nun  eine  kurze  lebenibesehreibung  des  Sallustias. 
er  ist  der  erste  kunstmäszige  historiker  Roms,  sein  Vorbild  Thukydides  j 
und  M.  Porcius  Cato.    verf.  führt  die  Charakteristik  der  spräche  Sal- 
Ittsts,  die  Gerlach  gegeben,  an  und  ffeht  dann  über,  die  catilinarische 
versdiwörang,  wie  de  Sslltiat  dsrstelll,  in  kvrseii  sftgen  mn  erstbles. 
wesentlich  für  schüler  bestimmte  anmerkung^en  begleiten  die  erzählusg. 
nach  der  inhaltsangabe  geht  verf.  an  die  kritik.     als  grund  der  Ver- 
schwörung nennt  S.  die  unglaubliche  entsittlichung  der  zeit,   aus  ihr 
aUeiu  ist  die  beteiligang  von  Leuten  aller  stände  erklärlich.  Cat.  allein  i 
hatte  cur  eemmaodienmg  solcher  rotten  sUs  erforderlicben  eigfenschaften.  I 
dasz  sich  solche  rotten  überhaupt  fimdea,  wklSrt  sich  aus  den  sittlicheo  , 
zuständen  der  zeit,    alle  stände  waren  von  einer  tiefen  entsittlichong; 
durchdrungen,    die  erwähnung  dieser  furchtbaren  Sittenverderbnis  gibt 
dem  Schriftsteller  gelegenheit,  auf  die  besseren  zeiten,  die  vergsogec 
sind,  snrlicksiisehauen.  verf.  fügt  nnn  erlinterangen  bei  snr  erlu&rang 
des  nns  in  allgemeinen  s&gen  von  Ssllnst  angegebenen  verlanfi  dir 
röm.  geschichte,  die  wol  vor  allem  für  schüler  berechnet  sind,  nene 
momente  werden  wenigstens  nicht  gegeben,  dagegen  fehlt  es  nicht  an 
kleinen  Unrichtigkeiten,  wie  wenn  die  söllner  des  neuen  testaments  mit 
den  pnblicsniB  identifidert  werden,  wXhiend  sie  doch  nnr  unterbeamts 
waren,  welche  den  solipachtsgesellschaften  einselne  gefälle  an  elnsel- 
nen  orten  abpachteten  und  sie  für  eigene  rechnung  einnahmen,  den 
ßchlusz  macht  eine  erörterung  des  Verhältnisses  Caesars  zur  Verschwö- 
rung.   Sallusts  Catilina  ist  eine  im  interesse  Caesars  und  der  her- 
sehenden demokratischen  parte!  verfasste  tendenssebrift.  Ton  wisMS* 
sebaftlichem  werthe  ist  das  eben  besprochene  programm  nicht,  soll  es 
auch  wol  nicht  sein,  denn  gewis  wäre  es  dem  verf.  ein  leichtes  ge- 
wesen, eigene,  selbständige  forschungen  über  den  gegenständ  niederrn- 
legen,  denn  ohne  solche  wäre  eine  populäre  darstellung,  wie  sie  hier 
Torliegt,  nicht  sn  geben  gewesen,   mit  groszem  nntsen  wird  jeder  M- 
cnndaner,  der  Sallosts  Catilina  liest,  die  in  diesem  programme  gegebe- 
nen erörteriingen  als  einführung  in  das  buch  benntsen  können,  und  es 
wäre  wünschenswerth,  wenn  verf.  einen  vielleicht  noch  etwas  ausge- 
ffihrteren  abdruck  seiner  abhandluog  zu  nntz  und  frommen  derjenigen 
leser  des  Catilina,  die  sich  nicht  mit  dem  in  den  gewöhnlichen  ausgaben 
gegebenen  andentnngen  begnügen  mögen,  dnreh  den  bnehbandel  ver- 
breiten liesze.    das  programm  bleibt  soleben  dock  mehr  oder  wsnigei 
QnsngttngUch. 

(fortsetsong  folgt.) 
Bartensteim.  H.  K.  Benicken. 


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ZWEITE  ABTEECiUNQ  (U8b  BAND), 


seit« 

(10.)  Ueber  religion,  Offenbarung,  heilige  schrift.  zur  ein- 
leitung*  in  die  biblische  religionsgeschichte  und  religions- 
lebre  auf  der  stufe  des  oberen  gymnasiums.  von  Mezger 
in  Schönthal,    (schlusz)  121—137 

(11.)  Kritische  notizcn  zu  den  beschlUssen  der  Berliner  ortho- 
graphischen conferenz.    von  P,  Didolff  in  Mariaweiler 

bei  Düren,  (fortsetzung)  137—155 

16.  C,  Ueraeus:  Homerisches  elementarbuch,  zur  einführung 
in  die  Homerlectüre  zusammengestellt  (Berlin  1876). 
&ngez.  von  Wilhelm  VoUbrecht  in  Ratzeburg     ....    155 — 161 

(13.)  Von  der  Goldberger  lateinischen  schule,    von  Radtke  in 

Pless.     (schlusz)   161—166 

X6.     Philologische  programme  deutscher  höherer  lehraustalteD. 

von  JK'        Benicken  in  Bartenstein  166 — 168 


)ogle 


Erklärung. 


Die  Serbe'sche  Verlagshandlung  in  Leipzig  hat  einen  „Almanach 
der  deutschen  Unterrichts-Anstalten"  veröffentlicht,  welcher  nach  der 
Angabe  auf  dem  Titel  auf  „officiellen  Mittheilungen"  beruhen  soll. 
Eine  auch  nur  oberflächliche  Vergleichung  zeigt  jedoch  sofort,  dass 
diese  angeblich  officiellen  Mittheilungen  zum  weitaus  grössten  T  heile 
lediglich  aus  Mushacke's  Schulkalender  wörtlich  abgedruckt  sind, 
wobei  nicht  einmal  die  seit  dessen  Drucklegung  entstandenen  Ver- 
änderungen Berücksichtigung  gefunden  haben.  Aenderungen  gegen 
Mushacke  haben  —  abgesehen  von  der  Aufnahme  einiger  ausserhalb  des 
Rahmens  von  Mushacke's  Schulkalender  befindlichen  Anstalten,  der 
etwas  veränderten  Ordnung  imd  der  Weglassung  der  Namen  der 
Lehrer,  der  Klassen-  und  Schülerzahl  und  der  Besoldungen, 
was  durch  einfaches  Ausstreichen  zu  bewerkstelligen  war  —  nur 
bei  den  verhältnismässig  sehr  wenigen  Schulen  stattgefunden, 
deren  Direktionen  sich  auf  wiederholte  Aufforderung  herbeigelassen 
haben,  die  in  gespaltenen  Zeilen  abgedruckten  specielleren  Notizen 
einzusenden,  wofür  sie  dann  mit  1  Mark  Insertionsgebühren 
für  die  halbe  Zeile  von  20 — 22  Buchstaben  von  der  Serbe'schen 
Verlagshandlung  in  Anspruch  genommen  worden  sind,  worüber 
mir  von  den  verschiedensten  Seiten  fortwährend  Klagen  zugehen. 

Gegen  eine  derartige  Ausbeutung  von  Mushacke's  Schulkalender 
aber  lege  ich  hierdurch  Verwahrung  ein,  indem  ich  mir  zugleich 
weitere  Schritte  deshalb  vorbehalte. 

Leipzig  im  März  1878. 

B.  G.  Teubner. 


Digitizcr' '  <' 


ZWEITE  ABTEILUNG 

fOB  e¥lDfASIALPÄDAeO«IK  UIÜD  DI£  ÜB&iaEN 

LEHRFiCHEB 

MIT  AüMOHLVSa  DBB  OLAteiBOBBB  PHILOLOOIB 

BSEAUfl0Ea£BBN  VO^  PAOF.  DU.  Hk&MANN  MA6IU6. 


13. 

DIE  KUNST  IM  GTHNASIÜlf  ÜND  DIE  SEEMANNSCHEK 

KUNSTHISTOBISCHEN  BILDERBOGEN. 


Das  erscheinen  der  Seemannschen  kunsthiatorischea  bilder- 
bogen  hat  die  frage  über  den  ästhetischen  Unterricht  auf  dem 
gjmnasiuiii,  weaigeteiiis  insofern  es  sich  um  die  bildende  kiuit 
handelt ,  in  ein  nente  eladinm  gerückt,  eo  dass  es  uigeinessen  er- 
•cbeint,  dieselbe  nooh  einmal  in  erwigiing  zu  ziehen,  zunächst  ist 
die  Vorfrage  zu  erledigen:  bat  das  gymnaaium  überhaupt  die  pflicht» 
sieh  um  die  ästhetische  bildung  seiner  schüler  in  kümmern  ?  oder, 
tun  das  tfaema  gleich  in  der  beschränkteren  faesnng  zu  geben,  in 
der  ich  es  behandeln  will :  hat  das  gymnatinm  die  aufgäbe  sich  am 
die  werke  der  bildenden  kttnste  an  kümmern  und  für  dieselben  ver- 
fitändnis  bei  seinen  schülevn  au  wedken,  nnd  wie  soll  und  kann  das 
geschehen? 

Bei  der  construction  des  gymnasiallehrplanes  ist  man  gern  ge- 
neigt ganz  abzusehen  yon  den  mit  der  zeit  weehselnden,  wenn  tngh 
zuweilen  recht  drängenden  bedürfhissen  der  auszenwelt ;  man  grün* 
det  ihn  gem  anf  düs  wesen  des  geistes  selbst  «nd  pflegt  zu  dem 
resultate  zu  kommen ,  dass  das  gymnasium  einen  nnterricht  in  ge- 
währen habe,  der  eine  harmonische  bildung  enielei  indem  er  in 
gleicher  weise  das  streben  nach  dem  guten,  wahren  nnd  schönen 
we<^e  und  fördere,  wir  wollen  davon  absehen  zu  erörtern ,  wie  die 
Tarsehiedenen  selten  des  geistes,  um  mich  so  auszudrücken,  dnroh 
den  gymnasialoniecxichi  aaegebildet  werden,  jeder  gibt  sn,  dass, 
wenn  dar  sinn  fürs  sclriSne,.  so  weit  et  sichtbar  dem  auge  entgegen- 
tritt, nnberOeksielitigt  gelassen  wird,  die  harmonische  bikhing  eine 

H.  Jfthrb.  t  phll.   pid.  H.  abt.  1878.  hn.  4.  12 


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170 


Die  kunst  im  gymnasium  und  die 


grosze  lücke  zeigt,  die  für  die  gesamtbildung  des  mensclien  um  so 
bedeutender  ist,  als,  um  dies  nur  anzudeuten,  so  auch  noch  ein 
wirksames  moment  für  die  erweckung  und  förderung  des  sittlichen 
und  religiösen  lebens  verloren  geht,  andere  nehmen  bei  der  auf- 
stellung  des  lehrplanes  rücksicht  aufs  praktische  leben;  sie  wollen 
die  Schüler  herangezogen  haben  zu  leuten,  die  nicht  sowol  geistig 
allseitig  geschult,  wenn  schon  gewissermaszen  blosz  elementar  vor- 
bereitet sind,  sondern  die  vielmehr  eine  fürs  praktische  leben  be- 
sonders zugerichtete ,  sofort  nützlich  verwendbare  bildung  mitbrin- 
gen, diese  können  einer  ästhetischen  Vorbildung  auf  dem  gymnasium 
erst  recht  nicht  entbehren,  wenn  ihre  zöglinge  nicht  groszenteils 
alsbald  im  Strudel  des  lebens  untergehen  sollen. 

Das  menschliche  leben  wechselt  ja  zwischen  arbeit  und  genusz. 
in  unserm  volke  ist  jetzt  seit  langer  zeit  zum  ersten  mal  wieder  die 
berechtigung  aller  menschen  auf  genusz  als  dograa  und  forderung 
aufgestellt  worden,  wir  sind  nicht  gewillt  die  richtigkeit  dieses 
Satzes  zu  bestreiten,  nur  ist  mit  eben  der  nachdrücklichkeit  zu 
warnen  :  habt  acht,  dasz  nicht  durch  den  genusz  und  durch  genusz- 
sucht  die  menschheit  ihre  en'ungenschaften  verliert,  dasz  sie  nicht 
körperlich  und  geistig  zu  gründe  geht,  die  hüter  der  nation  haben 
darauf  hinzusteuern,  durch  den  genusz  noch  die  menschen  zu  ver- 
edeln, also  einerseits  edle  Vergnügungen  zu  schaffen,  andererseits 
aber  auch  die  menschen  zu  befähigen  dieselben  zu  genieszen.  für 
die  yerschiedenen  menschenclassen  gibt  es  verschiedene  edle  Ver- 
gnügungen, die  man  ihnen  gewähren  kann  —  nur  andeuten  will 
ich,  wie  hier  die  möglichkeit  liegt,  die  sociale  fnge  zu  mildem  und 
den  elassenhasz  zu  lindem  —  für  die  höchsten  stfinde ,  die  wir  auf 
den  gymnasien  zu  bilden  haben,  gibt  es  wol  kein  edleres  vergnflgem 
als  das,  welches  die  werke  der  bildenden  konst  gewähren  können, 
um  abor  am  anschauen  derselben  einen  genusz  zu  haben,  ist,  ab- 
gesehen von  ganz  wenigen  bevorzugten  naturen,  eine  Yorbildoag 
nötig,  die  das  leben  später  höchst  selten  bringt,  sage  man  nichti 
dasz  liier  die  universitttt  ergänzend  eintrete,  dasz  dieser  ihre  auf- 
gäbe nicht  auf  der  schule  vorweggenommen  werden  dürfe,  die  rein- 
wissenschaftlichen ästhetischen  und  kunsthistorischen  studien  ge- 
hören ja  gewis  ausschlieezlich  auf  die  Universität  und  werden  dort 
von  einer  kleinen  schaar  mit  grossem  ernste ,  aber  auch  in  groezer 
abgeschlossenheit  betrieben,  man  sehe  doch,  wie  viele  von  den 
hunderten  von  Studenten  sich  an  den  populären  Vorlesungen  der 
ästhetik^  und  kunsthistoriker  beteiligen!  auch  kann  man  nicht 
sagen ,  dasz  das  spätere  leben ,  reisen ,  der  besuch  von  museen  usw. 
diese  lüeke  ausfüllen,  das  ist  höchst  selten  der  fall,  denn  am  einen 
wahren  genusz  an  kunstwerken  haben  zu  können  —  ich  spreche 
noch  gar  nicht  von  dem  vollen  Verständnis,  das  ja  wol  wenigen 
sterblichen  überhaupt  aufgehen  mag  —  sind  eine  anzahl  elementarer 
Vorkenntnisse  nötig,  die,  wenn  sie  die  schule  nicht  übermittelt  hat, 
später  selten  durch  glücklichen  zufiül  oder  durch  ernste  Übungen 


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Seemannsclieii  konsthiBioriBclieu  bilder. 


171 


erworben  werden,  so  sehen  wir  denn  in  ermangelung  derselben  die 
leute  auch  aus  den  besten  ständen ,  wenn  sie  überhaupt  die  stätten 
edler  kunst,  die  museen,  aufsuchen,  teilnahmlos  an  den  höchsten 
werken  vorübereilen,  auszer  wenn  sie  der  katalog  darauf  aufmerk- 
sam macht,  dasz  dieses  oder  jenes  bild  zu  denen  gehört,  die  ein 
anständiger  mensch  gesehen  haben  musz,  und  nur  an  den  werken 
der  niederen  kunst,  des  sog.  genre,  bleiben  sie  länger  haften,  sie 
können  nichts  dafür,  dasz  es  so  ist,  sie  haben  ja  nicht  sehen,  die 
spräche  der  färbe  und  der  linien,  die  Symbolik  der  kunst  nicht  ver- 
stehen gelernt,  nur  wo  der  stoff  aus  dem  alltäglichen  leben  ge- 
griffen ist,  da  haben  sie  Verständnis  —  für  den  stoflf,  nicht  aber  für 
die  künstlerische  gestaltung  desselben,  an  statuen  gehen  sie  vollends 
kalt  vortlber,  denn  diese  gehören  ja  meist  der  idealen  weit  an,  deren 
gestalten  ihnen  fremd  geblieben  sind. 

Und  ist  es  so,  erwiesener  maszen,  in  den  sogenannten  bessern 
ständen,  so  wird  es,  je  weiter  wir  abwärts  steigen,  um  so  schlimmer, 
der  mangel  an  Schönheitssinn ,  an  geschmack ,  der  besonders  bei 
unserer  nation  in  der  letzten  zeit  so  oft  gerügt  worden  ist,  scheint 
sehr  tief  liegende  gründe  zu  haben,  man  mache  ihn  nicht  allein 
dem  handwerker  zum  vorwarf,  ist  es  auch  recht  gut,  dasz  für  die 
bildung  des  geschmackes  beim  Handwerker  jetzt  mehr  geschieht,  so 
darf  doch  keinesfalls  verkannt  werden,  dasz  hier  auch  die  höhere 
schule  eine  ernste  aufgäbe  vor  sich  hat,  deren  Vernachlässigung  dem 
gesamten  leben  der  nation  unsäglichen  schaden  bringt;  die  aufgäbe, 
zwar  nicht  voll  ausgebildete  ästhetiker  heranzuziehen,  aber  ein  war- 
mes und  verständiges  interesse  für  die  werke  der  kunst  zu  erwecken. 

Von  gleichen  oder  ähnlichen  ansichten  geleitet  haben  denn  wol 
auch  fast  alle  pädagogen,  die  über  gymnasialunterricht  geschrieben 
haben,  sowie  die  ästhetiker  von  fach  die  Wichtigkeit  der  ästhetik  als 
erziehungsmittel  anerkannt,  dr.  Stoltz  (jahresbericht  der  höheren 
bürgerscbule  zu  Rheydt) ,  der  mit  groszer  lebhaftigkeit  dafür  ein- 
tritt, dasz  den  schülern  eine  ästhetische  erziehung  zu  teil  werde,  hat 
eine  anzahl  stimmen  bedeutender  männer  zusammengestellt,  die 
gleicher  ansieht  sind,  so  Deinhardt,  Palmer,  H.  Baur,  Fechner, 
Bruno  Meyer,  K.  v.  Räumer,  ich  füge  hinzu:  Stark  in  Heidelberg, 
der  das  verdienst  hat  zuerst  energisch  für  die  ästhetische  erziehung 
eingetreten  zu  sein,  H.  Blümner,  jetzt  in  Zürich,  Schlie  in  Waren, 
Kern  in  Berlin,  ein  anonymus  in  Stoys  allgemeiner  schulzeitung 
(dec.  1877).  hierzu  kommt  W.  Schräder  in  seiner  pädagogik,  der 
zeitlich  und  sachlich  die  sonst  wohl  gezogenen  grenzen  erweitert, 
indem  er  das  mittelalter  und  die  maierei  mit  hereinzieht,  'besonders 
kann  der  Unterricht  in  der  geschichte'  sagt  er  s.  67  (le  aufl.)  so  wol 
des  altertums  als  z.  b.  auch  des  mittelalters  der  belebung  durch  die 
abbildungen  gleichzeitiger  konstwerke  eigentlich  gar  nicht  ent- 
behren, falls  er  sich,  wie  doch  selbstverständlich,  nicht  auf  die 
kriegs-  und  politische  gesohichte  beschrttnkt,  sondern  auch  die  fort- 
schritte  der  gesamten  geistesbildiing  ins  auge  &8zt,  und  es  wird 

12* 


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172 


Die  kiiiui  im  gymnammn  und  die 


hier  nur  darauf  aDkommen,  dasz  der  lehrer  seine  sehlUer  nieht 
durcli  das  ttbermasz  des  dargebotenen  Stoffes  erdrUckieiiy  sondern 
nur  das  notwendigste  nnd  beste  in  weise  getroffener  wähl  vorftthre. 
was  soll  den  primanem  und  sccundanem  alle  wortbesohreibung  von 
der  harlichlceit  des  Perikleischen  Zeitalters,  wenn  ihnen  nicht  einige 
Zeichnungen  von  dem  Theseion,  dem  Parthenon  nebst  den  dazu  ge- 
hörigen werken  der  seulptor  xl  dergl.  vorgelegt  werden ,  wenn  sie 
nicht  an  einigen  mustern  die  piracht  des  romanischen,  die  tiefe  des 
gothischen  baustils  angeschaut  und  mit  der  hoheit  und  innigkeit 
des  religiösen  gefühls  sich  wenigstens  aus  der  composition  und  den 
gestalte  einzelner  gemftlde  von  Bapbael  und  Dflrer,  von  Halbein 
und  Murillo  Tertrant  gemacht  haböi.'  in  einer  anmerkung  anf 
8. 68  wird  auch  ein  erlasz  des  preuszischen  unterrichtsminiBters  vom 
20  dec.  1865  dtiert,  weleher  sich  damit  einverstanden  ftuszert,  'dasz 
bei  der  erklSrong  der  classiker,  beim  Unterricht  in  dar  gesebichte, 
in  der  litterator  und  in  der  religion  von  den  anschauungamittdn 
gebrauch  gemacht  wer^i  welche  die  vorhandenen  konsimittel  dar- 
bieten*, mit  recht  wird  hinzugefBgt:  *ee  wird  indes  alles  darauf 
ankommen,  dasz  die  zuhilfenalune  der  kunst  bei  solchen  gelegen- 
heiten  in  dem  rechten  masz  und  in  der  rechten  weise  geschieht,  was 
ebenso  viel  kenntnis  d«r  sacfae  wie  pSdagogisohen  tact  voraussetzt.' 
HUB  einem  mit  L.  G.  unterzeichneten  anfsalse  in  diesen  jahrb.  1876 
8.  382  'über  die  einfohmng  der  schlfler  in  das  verstSudnis  der  bil- 
denden kilnste'  erfahren  wir,  dasz  auf  der  letzten  westfiOiscben 
directorenversammlung  allgmnein  anerkannt  wurde,  dasz  eine  dn- 
fllhrung  der  sdittler  in  das  verstSndnis  der  bildenden  kflnste  höchst 
wUnschenswerth  sei,  ja  *es  wurde  diese  einfOhrung  sogar  als  eine 
der  höchsten  au^boi  der  erziehung  bezeichnet*,  endlich  habe  auch 
ich  in  einem  scbriftchen  ^gynmasinm  und  kunst'  ^isenach,  Bao- 
meister  1877)  die  anfmerksiunkeit  der  lehrerkreise  auf  diese  wich- 
tige frage  zu  lenken  und  zugleich  die  methode  dieses  Unterrichtes 
darzulegen  versucht,  was  bezflglich  des  anschanungsmaterials  nnoines 
Wissens  vorher  noch  nicht  geschehen  ist. 

Von  stimmen,  die  siiä  gegen  berttcksiditigung  der  kunst  im 
gymnasiaiuntenricht  aussprechen,  ist  mir  nur  eine  bekannt,  nemlich 
die  des  verstorbenen  Häzel  in  den  Vorlesungen  über  gymnasial- 
pSdagogik  (Tttbingen  1876).  denn  wenn  L..G.  a.  a.  o,  meinte  dasz 
eifrige  directoren  in  den  ezcursen  über  kunst  nichts  als  zeit? 
Vergeudung  und  unfag  sehen,  so  musz  ich  ihm  jmi  grundmdner 
erfahrung  widersprechen,  nicht  wenige  directoren,  die  ich  aSber 
kenne,  haben  sich  mit  der  art,  wie  ich  die  kunstgesdüchte  betreibe, 
einverstanden  eiklSrt.  Hirz^  aber  will  in  einseitiger  wase  nur  die 
spräche  als  mittel  des  lehrens  verwendet  wissen  (s.  IIB),  die  kunst 
versohmSht  er,  'weil  sie  ihren  gebalt,  wenn  aneh  überwältigend, 
krftftig,  reizend,  mit  einem  worte  eindrucksvoll,  doch  weit  nidit  so 
klar  und  deutlich  darzustellen  weiss  wie  die  spräche',  ihre  werke 
sind  ihm  weniger  geeignet  zum  unterridit,  'bei  welchem  auf  die 


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SeemannBchen  kunsthistoriBcben  büder. 


173 


klarheit,  Deutlichkeit,  prScision  und  bestimmtheit  alles  ankommt', 
gerade  entgegengesetzter  ansiebt  ist  freilich  Bruno  Meyer,  welcher 
behauptet  (vgl.  Stoltz  s.  9),  'das  ganze  (eines  kunstwerke«)  Uber* 
trifft  in  allgemeiiier  TerstSadlichkeit  jede  andere  form  der  geistigeii 
mitteilung'. 

Mit  Hirzel  begegnet  sich  in  einigen  gedanken  Adolf  Schöll, 
der  aber  nichts  weniger  als  sein  bundesgenosse  ist.  dieser  um  kunst 
und  schule  hochverdiente  mann  hat  im  anscblusz  an  die  anzeige 
meuies  oben  erwähnten  schriftchens  eine  anzahl  geistvoller  und  an- 
regender bemerkungen  teils  kunsthistorischen ,  teils  pttdagogischea 
loihslts  niedergelegt  in  dem  in  diesen  jalirb*  1877  s.  481  iL  er- 
achienimen  *brief  an  einen  freond  fiber  Sstiraük  im  gymnasinm*.  er 
warnt  vor  dem  erstreben  eines  in  der  schule  unerreichbaren  zu  viel. 
'  er  betont  s.  482,  *dass  die  kunst  als  process  und  dasein  des  schOnen 
nicht  erlernt  und  nicht  gelehrt  werden  kann»  sondern  ihre  wahre 
Wirklichkeit  und  erfttUung  in  einer  thtttigkeit  und  einer  Sympathie 
findet  und  behauptet,  wdche  Ton  haus  ans  genial  und  in  jeder  aus- 
fllhmng  ein  imprägnieren  des  totalmensdien  in  individuelle  an- 
scbanung,  gestalt  und  ausdmck  ist'  und  sagt  s.  487:  *wenn  die 
gymnasialbüdung  an  ihrem  ende  ist,  erst  dann-  sind  im  Jüngling  ^ 
fondamentalen  bedingungen  vorhanden ,  das  kunstschOne  zu  ftthlen, 
die  geschicfate  der  kunst  als  solche  und  ihre  bedeutenden  werke 
verstehen  zu  lernen.'   er  warnt,  'dasz  man  den  bochmut  nicht  auf- 
kommen lasse,  als  ob  die  schüler  ästhetisch  eingeweihte  würden.* 
dagegen  ist  Schöll  vollständig  einverstanden,  ^dasz  man  die  Zöglinge 
der  gymnasien  mit  dem  material  der  alten  kunstgeschichte  nach 
und  nach  und  in  verschiedenen  richtungen  bekannt  zu  machen  nicht 
versäume',  'nur  dasz  es  nicht  unter  Usthetischen  kategorieen,  son- 
dern im  schlicht  historischen  sinne  geschehen  soll'  (s.  491.  492). 
dagegen  wird  sich  nicht  wohl  etwas  einwenden  lassen,  und  in  diesem 
sinne  hatte  auch  ich  auf  s.  5  meiner  schrift  erörtert,  dasz  wir  bei 
diesem  Unterricht  allein  auf  den  weg  der  kunstgeschichte  angewiesen 
sind,  und  s.  7  ausdrücklich  erklärt:  'aber  auch  hier  (bei  sculptur 
und  architektur)  dürfte  ein  allzu  tiefes  eingehen  in  ästhetische  be- 
trachtungen  doch  bedenklich  sein',  weil,  wie  weiter  ausgeführt  wird, 
die  fassungskraft  nicht  vorhanden  ist.    die  aufgäbe  der  schule  musz 
darauf  beschränkt  bleiben ,  dasz  gewisse  elementare  kenntnisse  bei- 
gebracht und  das  Interesse  erweckt  wird,    dasz  man  den  hierauf 
abzielenden  Unterricht  'ästhetischen'  nennt,  hat  sich  anscheinend 
eingebürgert,  wenngleich  der  name  etwas  zu  umfassend  ist 

Bei  dieser  anseinandersetzung  haben  wir  schon  den  zweiten  teil 
unserer  erörterung  mehrfach  gestreift:  mmlich  die  frage  nach  dem 
^wie'.  es  wttre  nicht  angemessen ,  die  ganze  Untersuchung ,  wie  ich 
sie  in  'gjmnasium  und  kunst'  geföhrt  habe,  hier  zu  wiederholen, 
ich  will  daher  nur  die  resultate  zusammenfassen:  der  Unterricht 
musz  historisch  gegeben  werden,  doch  hat  auch  der  Zeichenunter- 
richt mitzuwirken,  besondere  stunden  sind  in  dem  lehrplane  nicht . 


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174 


Die  kimst  im  gymmurinm  und  die 


aazosetsen.  ein  hlwi  gelegentlich,  planlos  anknüpfender  Unterricht 
iat  nicht  ausreichend,  weil  er  Tiel  yerwirrong  anrichten  würde  (vgl. 
auch  L.  G.  a.  a.  o.  s.  383),  sondern  ein  lehrer,  und  zwar  am  besten  der 
geschichtslehrer  hat,  womöglich  mit  anlehnnng  nnd  im  Zusammen- 
hang mit  der  Weltgeschichte  die  hervorragendsten  eraeugnisBe  der 
konst  in  einer  flbeicncht  nadi  wohl  überlegtem  plane  voixiiftthreii 
nnd  so  gewissermaszen  das  iachwerk  zn  geben,  in  das  sidi  die  be- 
merkungen  und  anschauungen  einfügen  können,  die  Yon  den  lehrem 
der  übrigen  föcher  ohne  rücksicht  anf  historische  entwicklang  ge- 
legentlich den  Schülern  nahe  gebracht  werden«  der  geschichtslehrer 
soll  den  ihm  zugewiesenen  stoff  in  kleinen  teilen  zu  anfang  oder  zu 
ende  der  einzelnen  geschichtsstunden  behandeln,  die  um  so  eher 
etwas  zeit  an  diesen  gegenständ  abgeben  können ,  als  die  geschichte 
selbst  dadurch  an  anschaulichkeit,  klarheit  und  eindringlichkeit  ge-  . 
winnt. '  brauchbar  sind  blosz  bilder  oder  sonstige  nachahmungcu 
von  solchen  gegenständen,  die  hauptsächlich  geeignet  sind  entweder 
sehen  zu  lehren  oder  den  geschmack  zu  bilden ,  oder  die  geschicht- 
liche entwicklung  der  kunst  wahrnehmen  zu  lassen,  die  schule  hat 
sich  daher  zunächst  zu  beschränken  auf  kunstwerke ,  die  entweder 
noch  ganz  oder  fast  ganz  erhalten  sind ,  oder  von  denen  brauchbare 
bildliche  restaunitionen  vorhanden  sind,  oder  die  das  ihnen  anhaftende 
charakteristische  noch  deutlich  zeigen  (z.  b.  das  löwenthor  in  Mj- 
kenae);  nur  beim  Parthenon  hat  mir  eine  ausnähme  zulässig  er- 
scheinen wollen,  in  der  darstellung  der  methode  an  beispielen  habe 
ich  mich  im  wesentlichen  auf  die  griechische  kunst  beschränkt, 
vorausgeschickt  aber  habe  ich  eine  beschreibung  der  charakteristisch- 
sten kunstwerke  Aegyptens,  die  mir  gut  als  einführung  zu  dienen 
schienen,  dasz  ich  hier,  wo  mir  alle  autopsie  und  auch  genaue  ab- 
bildungen  abgiengen,  mich  den  in  den  gebräuchlichen  handbtichem 
enthaltenen  urteilen  völlig  anschlosz,  ist  wol  natürlich,  von  den 
griechischen  kunstwerken  habe  ich,  nach  perioden  geordnet,  etwa 
24  herausgehoben,  die  so  gewählt  sind,  dasz  profan-  und  tem- 
pelbauten aus  den  verschiedenen  Ordnungen,  götter-  und  heroen- 
bilder,  agonistiäche  statuen,  einzelbilder  und  gruppen,  reliefs  usw. 


*  wenn  L.  G.  a.  a.  o.  meint,  dass  sieh  der  gesamte  Stoff  in  18  stunden 
in  der  prima  Terarbelten  lasse,  und  swar  Ui  drei  abschnitten  wa  je 

sechs  vorträg^en ,  die  jedesmal  za  ostern  nnd  michaelis  in  der  woche 
gehalten  werden,  wo  das  schriftliche  abiturientenexamen  stattfindet,  so 
ist  er  in  einem  starken  irrtum  befangen,  dasz  solche  stunden,  wo  der 
regelmissi^  nnterrieht  nicht  stattfindet,  sondern  die  schQIer  bloss 
'zweckmäszig  beschilftigt'  werden,  recht  ^t  für  zosammenfassende 
Vorträge  über  kunstgeschichte  verwendet  werden  können,  ist  gewis  zu- 
zugestehen, wenn  aber  der  dann  gestreute  same  auf  vollständig  un- 
vorbereiteten boden  fällt,  so  trägt  er  nicht  nur  keine  frucht,  sondern 
dringt  in  den  meisten  Allen  gar  nielit  ein;  der  schüler  mnsz  allmShlieh* 
erst  sehen  lernen  nnd  die  anschauungen  einzeln  und  klar  in  sich  auf- 
nehmen, deshalb  musz  ihm  der  stoff  in  l&leinan  brool^en  sngeffihrt 
werden. 


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Seemamuolien  kmutluatoriicheii  büder.  175 

zur  anschaaung  kommen,  eingestreut  sind  je  nach  dar  Teniilamniig 
allgemeinere  bemerkungen  über  material,  etellang,  omftmente  osw» 
ttb^rall  ist  darauf  geachtet <  dssz  nur  zur  besprechung  kommt»  was 
saeh  der  sohttler  selbst  sehen,  wo  möglich  selbst  finden  kann ,  be- 
sonders  im  anümig  ist  alles  recht  eiiäush  gehalten,  soloh  «aem 
plsne  wird  inan  den  yorwnrf  der  Yerstlegsnheit  nidit  wohl  machen 
können. 

Gerade  durch  solche  beschrSnkang  auf  ein  kleines  masz  glaube 
ich,  wird  man  dem  eindringling  am  leichtesten  ein  plfttiehen  er- 
obon  können,   denn  ein  eindringling  ist  nnd  bleibt  die  konst- 
geaduehte  nodi  immer  trotz  der  ttbereinstimmung  über  ihre  not- 
irenffigksit.  woher  kommt  das?  snm  grossen  teil,  weil  es  an  den 
lehnni  hierfttr  fehlt.    L.  G.  spricht  in  seinem  ebenso  scharf  wie 
iaimig  geschriebenen  anfisats  (s.  889)  die  harten  werte:  ^die  ab- 
lehnende haltung,  welche  die  mehnaU  der  philologen  den  bildenden 
künsten  gegenüber  zeigt,  entspringt  nicht  blosz  aus  gleichgültig- 
kdt,  sondern  mehr  noch  aus  directer  abneigung.   weil  sie  in  ihrer 
gjmnasialzeit  keine  anregung  gehabt  haben,  darum  wissen  sie  nichts 
7on  der  kunst,  und  weil  sie  nichts  davon  wissen,  darum  soll  auch 
kein  anderer  etwas  davon  erfahren ;  das  ist  der  traurige  Sachverhalt, 
der  sich  schlecht  hinter  schön  klingenden  werten  versteckt!*  ich 
glaube  nicht,  dasz  er  durchaus  recht  hat.    zunächst  bestätigt  er 
meine  obige  behauptung,  dasz  auf  der  Universität  nicht  einmal  die 
Philologen  immer  die  gelegenheit  wahrnehmen,  sich  mit  der  kunst 
zu  befassen,    im  übrigen  aber  glaube  ich,  dasz  die  bisherige  un- 
thätigkeit  nicht  so  sehr  in  abneigung  ihren  grund  hat,  als  vor  allen 
dingen  in  rathlosigkeit.   es  ist  eben  schwer,  wenn  man  als  lehrer 
mt  zu  der  einsieht  kommt,  dasz  man  hier  in  der  eignen  bildung 
eine  grosze  lücke  hat,  diese  ausreichend  auszufüllen,    man  musz 
viel  lesen  und  vor  allen  dingen  viel  sehen,  wo  möglich  im  original, 
man  darf  das  zeichnen  nicht  ganz  verlernt  haben ,  oder  musz  sich 
entscblieszen  diese  fertigkeit  wieder  aufzufrischen,    aber  es  lohnt 
sich  auch  der  mUhe.  wer  aber  zunächst  nicht  in  der  läge  ist,  diese 
bedingungen  za  erfüllen  nnd  doch  seine  schttler  in  das  reich  des 
schönen  einführen  will,  für  den  habe  ich,  nach  meinen  erfahmngen 
mein  btichlein  ^gymnasium  und  kunst'  geschrieben,  dasz  es  ihm  zur 
^cke  diene,  bis  er  selbst  gehen  kann,  hoffentlich  entschlieszt  sich 
bald  ein  meister  in  der  arcbäologie,  der  nicht  fremd  ist  in  der  schul- 
nietiiode,  uns  mit  einer  methodisch  bearbeiteten  knnstgescfaiohte  für 
Mibalen  zu  beschenken. 

iiin  zweiter  grond  aber,  daas  dieser  nnterricht  nioht  recht  hat 
emgang  finden  wollen,  war  der,  dass  es  an  dem  nötigen  büder- 
^terial  mangelte,  teüs  fehlte  es  an  öffentlidien  mittel  bilder  zu 
beschaffen  —  ond  einkauf  ans  eignen  mittein  ist  doch  dem  lehrer 
lucht  wohl  znsnmnten  teils  waren  branchbare  bilder  flberhaapt 
yorhsnden  oder  wenigstens  bei  nns  nicht  bekannt,  ich  habe 
innoiaem  schriftchen  das  bis  dahin  erschienene  material,  so  weites 


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176 


Die  kailfit  im  gymnatiom  und  die 


in  der  schale  mit  nntKen  yerwendat  werden  kann,  meist  zoMmmai- 
gestellt. 

In  einer  ungleich  günstigeren  läge  sind  wir  seit  kürzester  zeit 
durch  das  erscheinen  der  'Seemannsohen  kunsthistorisohen  bikler- 
bogen',  die  eine  eingehendere  besprechung  erheischen,  sie  sind  eine 
um  so  wesentlichere  bereicheruug  der  bezüglichen  lehrmittel,  aU 
der  preis  und  die  bezugsbedingungen  so  gestellt  sind ,  dasz  eine  an- 
atalt  sie  in  mehreren  exemplaren  schaffen,  ja  ihren  ankanf  Yon  den 
sehülem  verlangen  kann. 

Die  erste  lieferung^,  die  mir  vorliegt,  umfaszt  auf  24  bogen  in 
etwa  300  abbildungen  die  architektur  der  Griedien  und  Börner  nebst 
einigen  bauwerken  der  Lykier  und  £trasker,  und  die  griechische 
plastik  von  der  ältesten  zeit  bis  auf  Alexander  d,Gr^  also  ÜEwi  allfli^ 
was  für  die  schule  in  betracht  kommt. 

Hat  der  herausgelwr  anch  die  bedürfnisse  des  gymnasinaiiiNi 
seiner  TerOffentlichnng  im  ange  gebi^,  so  hat  er  dcli  doch  nidit 
anf  diesen  bm  beeebiteken  woIImi  «nd  deshalb  vieles  gebracht, 
was  auf  dem  gynaasium,  wenn  man  nioht  «inen  gereoktfertigtoi 
widerstand  g^gen  derartige  bestrebungen  beirvorrufen  will,  von  der 
bespreobong  ansnischlieszen  ist.  dankenawertb  ist  es,  dass  die 
bogen  von  den  architekturweikon  nicbt  nur  grondrisz,  aufri», 
durchschnitt  usw.  enthalten,  was  man  auch  sonst  zahlreich  abge' 
bildet  findet,  sondern  aneh  Tiele  einzelheiten  in  grösserem  ma8^ 
Stabe,  und  gewisse,  sonst  vemachUtssigte  dinge,  die  einem  das 
wirkliche  aussehen  antiker  banwerke  erst  klar  werden  lassen:  so 
II  2  dorischer  fries  und  kran^geaims,  wo  die  hängeplatte  und  die 
mutuli  zur  deutlichen  anschauung  gebracht  werden,  III  10  ionisches 
gebälk  mit  eierstäben,  III  7  innere  aasioht  eines  ionischen  eck- 
capitäls  usw.  die  reiche  auswahl  von  capitälen  und  basen  ud 
ähnlichem  geht  über  das  bedürfnis  der  schale  hinaus,  der  wonieh 
anderes  berücksichtigt  zu  sehen  taucht  selten  auf  und  ^nss  an  lO 
eher  nnterdrüekt  w«den,  als  der  beransgeber  erklärt,  dass  er  mr 
ans  seinen  bereits  vorhandoaen  vorrttthen  die  bogen  zasammeB- 
gestellt  hat«  aber  sollte  er  nicht  einen  holsschnitt  haben  vom 
l(5wenthor,  von  dem  er  nns  XVI 11  bloss  das  relief  gibt?  hätte  er 
nicht  das  coiosseam  mit  einer  grösseren  abbildnng  bedenken  küh- 
nen, die  eine  äaszere  gesamtanskdit  nnd  eine  innenaaBielii  des  hsoM 
böte?  wäre  odofat  stott  des  vennntlieb  für  die  meisten  benuiMr 
überflüssigen  gnmdrisses  von  Heliopolis  XIV  1  die  porta  nigra  is 
Trier  viel  wünschenswerther  gewesen?  war  nnt^  seinen  vo^ 
rttthen  keine  rOmisohe  wasserleitimg,  keine  brücke,  nicbt  die  slnle 
desTnyan? 

*  jede  lieferungf  sn  je  24  bogen  kostet  2  mark,  je  10  bogen  gleich- 
viel ob  von  einer  nnmmer  oder  in  einer  auswahl  verschiedener  nnmine|^ 
kosten  1  mark,  auf  je  100  bogen  werden  10  bo^en  gratis  geliefert,  ein 
einxelner  bogen  kostet  20  pf.  —  £b  sind  bis  jetzt  5  lieferaugen  erscUeiiADi 
deren  letste  die  architektur  and  plastik  der  reaafsssnee  bebandelt. 


Diyiiizeü  by  GoOgle 


SeenMomsoken  kmirthittoriteliea  büder. 


177 


IHe  xtilMiifolge  ist  chronologisch  angelegt;  nar  zuweilen  ist 
abgewichen,    dasz  die  Lykier  hinter  den  Griechen,  die  Atrasker 
binter  den  Römern  kommen,  läszt  sich  rechtfertigen,  aber  warum 
steht  bencli  II  Ib  der  doritdi-rOmische  fries  und  nicht  erst  bei 
den  Bömem?  warum  ist  vom  theater  des  MarceUua  das  ttDaaei« 
X  2 ,  der  gnmdrin  Xn  3  gegeben  ohne  jegltohe  yerweisoBg  aof- 
einander?  wamm  ist  bei  m  3  (ToriitMuncht  des  Niketempels) 
iiicht  wenigstens  auf  VI  1.  2.  3.  10  hingeseigti  und  nmgekdirt? 
ilbrigens  ist  VI  10  guis  Hbsffflflasig,  wie  anöb  IX  1  das  eapitifl  Tom 
lijnäratiedenknial  msben  demselben  aber  an^gwfBbrteren  bilde  X  3. 
wol  mag  die  notwendigkeit  mit  ritamlieh  pMsenden  gegenstlndeii 
d«n  bo^  sn  fiUlen  oft  den  ansscUag  gegeben  kaben,  nnd  so  er- 
Vlttrt  Ml  der  mangel  an  ordnnng  anf  den  bUtttens,  welebe  die  letate 
grieebisclie  nnd  die  rdnusdie  arebikektiir  bringen.  hOehst  lobens* 
wmrih  ist,  dass  dsr  knrse  nad  imtsr  die  einaihMn  büder  gesetste 
tast  bei  historischen  denkmtiem  sieht  nur  den  ort,  sondern  auoh 
die  mnitmaszliche  zeit  der  entstehung  angibt;  freilich  hat  man  das 
nicht  eonsequent  genug  durchgeführt,  auch  dasz  der  maszstab  nicht 
öft-er  daneben  gedruckt  ist,  ist  bedauerlich,   beim  grabmal  der  Cae- 
cilia  Metella  XllI  7  wird  der  beschauer  die  grosze  des  bauwerks 
ebenso  wenig  ahnen  können  wie  beim  Lysikratesdenkmal  die  klein- 
heit.  die  abbildungen  sind  meiöt  nach  der  natur  gegeben,  wo  sie 
nach  restaurationen  sind ,  ist  es  meist  bemerkt,  bei  den  Caracalla- 
thermen  XIV  6  ist  es  vergessen,  bei  den  säulen  vermiszt  man  die 
andeutung,  dasz  sie  in  der  regel  nicht  aus  einem  stücke,  sondern 
aus  trommeln  besteben. 

Solche  und  ahnliche  kleine  mängel  thun  dem  werth  der  gäbe 
nur  wenig  eintrag,  können  aber  doch  vielleicht  bei  einer  jedenfalls 
bald  zu  erwartenden  neuen  aufläge  abgestellt  werden,  im  ganzen 
müssen  wir  der  abteilung,  welche  die  architektur  enthält,  zumal 
wegen  der  meist  vorzüglichen  ausfuhrung  unser  volles  lob  und  dem 
herauggeber  unsem  aufrichtigsten  dank  spenden. 

Nicht  ganz  so  anerkennend  lautet,  wenn  wir  die  blätter  nicht 
ils  bilderbogen  im  gewöhnlichen  sinne,  sondern,  was  sie  auch  sind, 
sk  ein  weric  von  wissenschaftlichem  werth  betrachten ,  unser  urteil 
ttber  dia  bogen,  welche  die  plastik  enthalten;  und  zwar  wegen  dar 
gsr  an  ungleichen  ausfühmng  der  einzelnen  bilder.  neben  vielem 
gnten,  ja  teilweise  trefflichen,  wie  Niobe-mutter  (brustbüd),  Aglau- 
ros  nnd  Herse,  Tbeseus,  findet  sich  auch  recht  mittehnäsziges ,  ja 
geringes,  wie  die  schreitende  Artemis  XVIII  4,  die  archaistische 
Pallas  in  Dresden  XVUI  5 ,  der  ParthenonfrieB.  die  gebotene  aus- 
wahl  ist  reich :  sollte  aber  der  heran^geber  nicht  vielleicht  anch  eine 
gesamte  Niobegruppe,  einen  Diadnmenos,  einen  Apollo  citharoedns 
unter  seinen  yorrBthen  haben  ? 

Anch  hier  sind  die  werke  möglichst  der  Zeitfolge  nach  ror- 
gefthrt,  ausser  wo,  man  mOchte  sagen  pSdagogische  gründe  eine 
andere  anoxdnnng  erheischten,  wie  bei  dem  Jupiter  von  Otricoli, 


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178  Die  kunst  im  gymnasium  usw. 

den  Heraköpfen,  der  Athene  Polias  und  der  Athenebüste  auf 
bogen  XIX.  freilich  hätte,  um  irrtümer  zu  vermeiden,  es  überall 
angegeben  werden  sollen,  wo  nachbildungen  aus  späterer  zeit  ge- 
boten werden,  auch  hätte  wol  die  Zeitfolge  durch  die  numeriemng 
noch  besser  angedeutet  werden  können,  auf  bogen  XVI  ist  doch 
nr.  4  sitzendes  Athenebild  zeitlich  später  zu  setzen  als  nr.  6  die 
Statuen  von  Müet  und  umgekehrt  früher  nr.  11  die  löwen  von  Mj> 
kenae. 

Der  text  ist  auch  hier  ganz  knapp ,  bietet  kurz  die  sicheren 
resultate  und  spart  bei  unsicheren  das  Vielleicht*  nicht,  hoffentlicii 
entschlieszt  sich  die  Verlagshandlung ,  wenn  das  werk  vollendet  ist, 
noch  ein  inhaltsverzeichnis  herauszugeben ,  damit  das  auffinden  und 
somit  die  brauchbarkeit  erleichtert  wird,   dasz  man  die  archai^iti- 
sohen  werke  bei  den  archaiscbeii  'suchen  musz ,  ist  nicht  auf&lieii<j, 
aber  wer  sucht  die  Aphrodite  Ton  Melos  auf  bogen  XIX  rmta 
werken  vom  Thesenstempel  und  dem  Parthenon?    hat  man  ae 
glücklich  hier  gefunden,  so  kann  man  sich  wol  den  grund  zu  dieser  | 
anordnung  denken,  aber  wer  sucht  sie  hier?   also  ein  inhalts- 
▼erzeichnis,  oder  noch  lieber  mehrere,  nach  yerschiedenen  gesiohtB- 
pnncten:  ort,  zeit«  gegenständ,  kflnste.  wenn  diese  bogen  den  segen 
bringen  sollen,  den  man  Ton  ihnen  sonst  ni  erwarten  beredbÜgt  ist, 
so  mnss  die  siushe  allen. denen,  die  swar  nicht  g^gner  ttsthetisdur 
bestrebnngen  und  der  kunstgesiduohte  sind,  aber  sieh  deswegen  1 
auch  nicht  sonderlich  bemühen  wollen,  mOglidist  bequem  gemadit 
werden. 

Und  wie  soU  man  nun  diese  bogen  für  den  gymnasialunter  , 
rieht  nutsbar  madien?   idi  denke  mir  es  so:  zunächst  darf  man 
nicht  glauben,  dasz  mit  dem  anschaffen  dieser  bogen  schon  aUes  { 
gethan  sei.   man  darf  sich  nicht  Terhehlen,  dasz  sie  als  einsigas 
lehrmittel  immer  nur  ein  dürftiger  notbdielf  sind,  wShrend  sie  ab  I 
Unterstützung  von  gröstem  belang  ja  tet  unentbehrlieh  aai  I 
für  die  statuen  durchgängig ,  für  die  architekturwerke  gröstenisflt 
sind  immer  noch  grosze  photographieen  oder  abbildungen  wie  die 
Langeschen  tafeln  oder  ähnliches  nötig.  ^    denn  wenn  ein  wahres 
interesse  an  den  kunstwerken  bei  dem  schüler  geweckt  werden  soll, 
so  genügen  bilder  in  kleinem  format  und  blosze  umriszzeichnungen 
nicht ,  sondern  da  musz  sich  vor  seinen  äugen  das  werk  in  ansehn- 
licher grösze,  plastisch  wirkerfd,  leicht  faszbar  darsteilen  und  durch 
den  lebensvollen  schein  anziehend  und  begeisternd  auf  ihn  wirken, 
jetzt  aber  braucht  man  sich  nicht  mehr  damit  zu  begnügen,  dm 


^  übrigens  läszt  sich  ein  derartiger  bescheidener,  aber  ausreichen- 
der apparat  für  300  mark  herstellen,    die  photographieen  von  kunst-  i 
werken  Italiens  sind  unglaublich  billig,    der  photograph  Robert  Rive  in  ' 
Neapel  bietet  mir  sog.  mezzane  (20  -|-  26  ceui)  an  unaufgezogen,  franco, 
per  pott:  M)  stfick  rar  80  mark  und  Giorgio  Sommer  in  Neapel  luiter  | 
sonst  gleichen  bedingungen  das  dutsend  für  6  francs  in  gold.  in  *gjBU*' 
siom  nnd  konst'  ist  «af  die  nummera  ihrer  kataloge  verwiesea. 


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iCnt  notizeu  zu  den  beachlüssen  der  Berliner  orthogr.  couferenz.  179 

ier  lehrer  an  diesem  gröszeren  bilde  seine  demonstrationen  vor- 
limmt,  während  die  mehrzahl  der  schüler  erst  nachträglich  ihre 
ehversuche  und  beobachtungen  anstellen  können,  sondern  es  ist 
iie  möglichkeit  gegeben,  dasz  jeder  schüler  sofort  die  bilder  mit 
len  bemerknngen  des  lehrers  oder  seiner  mitschüler  vergleichen 
iann.  wir  glauben  in  der  that  verlangen  zu  sollen,  dasz  jeder 
schüler  und  zwar  von  untersecunda  an  sich  im  besitz  dieser  büder- 
bogen  befinde,  da  für  die  zweoke  unserer  gjmnasien,  wo  man  sich 
m  wesentlichen  doch  auf  das  altertum  beschränken  wird,  anszer 
der  ersten  liefemng  höchstens  noch  10  tafeln  nötig  sind,  so  erwächst 
dadurch  eine  ausgäbe  von  3  mark,  für  ärmere  schttler  könnte  ja 
auch  die  anstalt  einige  exemplare  anschaffen  und  sie  stfindig  ver- 
leihen, der  aufwand  ist  gegenttber  dem  fördernden  «inflnsf.,  den 
man  sich  von  diesen  bildem  versprechen  darf,  ein  Snszerst  geringer, 
v^ie  wichtig  ist  es,  dasz  sie  das  durch  die  werte  des  lehrers  in 
der  Phantasie  erweckte,  leicht  Terkehrte  oder  doch  fehlerhafte  und 
mnst  BO  festhaftende  bild  sofort  in  die  richtigen  formen  gieszen  und 
uuserdem  als  stütse  dienen  fOr  das  gedSchtnisI 

Bichtig  benutzt  können  diese  Seemannschen  kunsÜustoiischen 
hilderbogen  ein  bedeutsames  mittel  werden  für  den  kunsthistm- 
Niien  Unterricht  im  gymnasium.  hoffentlidh  weisen  die  lehrerkreise 
iie  dankenswerthe  gäbe  nicht  spröde  von  sich,  sondern  lassen  sich 
aregen  zu  dem  versuche,  die  ihnen  auTertrauten  schttler  einzn- 
Mhrai  in  das  reich  des  schönen,  die  sorge  für  die  zukunft  unseres 
folkeB  heisdil  dieses  um  so  dringender,  als  auch  nadi  I>u  Bois- 
Keymonds  bemerkung  in  seinem  wie  von  hoher  warte  gehaltenen 
geigtreiehen  vortrage  über  culturgeschichte  und  naturwissenschaft, 
durch  intensive  ideale  beschäftigungen  und  bestrebungen  ein  gegen- 
gewicht  geschaffen  werden  musz  gegen  die  mehr  und  mehr  in  den 
Vordergrund  tretenden  naturwissenschaftlich-mathema tischen  studieu. 

EiSfiNAOH.  B.  Menge. 


(11.) 

KRITISCHE    NOTIZEN   ZU  DEN  BESCHLÜSSEN  DER 
BfiRLUmi  OBTHOGßAPHISCHEN  CONEfiBENZ. 

(forteetenng.) 


OL  Kegeln  über  die  wähl  unter  verschiedenen  buefa- 
staben^  welche  denselben  oder  einen  ähnlichen 

laut  bezeichnen. 

Dasz  wir  die  Stellung  dieses  abschnittes  (über  §  19  später!) 
init  dem  Berliner  orthographiebttchlein  TOn  1871  hinter  laute 
und  bucbstaben'  wünschen,  sagten  wir  schon,  eine  yerbesserung 
gegen  dieses  regelbttchldn  aber  bilden  die  zugefügten  werte  'oder 


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180 


Kritiiche  notisen  su  den  beechlfli— n 


emen  ShsHoheB'.  tob  einer  ^wahl'  ist  im  gmnde  gar  keine  rede, 
et  wSre  auch  sdüinim  nm  den  phonetischen  Charakter  unserer  Ortho- 
graphie bestellt;  denn  dieser  stellt  das  ideal  anf :  für  jeden  laut  6in 
xeiohfliil  also  für  jeden  bnohstabon  l«it!  nach  diesem  ziele  mnsz 
jede  xeform  streben«  eine  conseqnente  rsfonn  würde  jetst  schon  du 
gedSchtaiaatoff  der  orthographiaehen  regehi  anf  km  bktt  redudm 
kdnnoi;  wire  jenes  ideale  xiel  emiöht,  so  wflrde  die  öine  seile  ge> 
ntigen:  für  jeden  lant  das  betrsfeide  seichen!  anch  jetzt  handelt 
es  sieh  sdhoii  mehr  ab  wol  angenommen  wird  nur  dämm  |  den  bt* 
treffenden  lant  klar  sn  erkennen,  der  dann  sofort  nach  dem  phosB- 
tisehen  gmndsatse:  *sdnreib,  wie  die  spräche  lantetP  mit  einem  be- 
stiountoa  bnbhstaben  niedergeschrieben  werden  mass;  md  es 
handelt  sieb  nicht  so  bald  nm  eine  willkOrlicbe  wähl  nnter  m- 
sdbiedenen  zu  geböte  stehenden  bnchstaben. 

A.  Toeale  §  17  S  und  e,  in  und  en.  dass  mindsstsusl 
(Tielleidhi  anoh  in)  stets  offm  lantet,  nnd  dass  i  stets  betoat 
ist,  hatten  wir  schon  früher  (*znr  conserr.  reform')  gesagt;  es  has* 
delt  sieh  also  nm  wesentlich  Tersohiedene  lante,  nicht  bloss  nm  im- 
sdiiedeBo  bnchstaben.  aneh  ist  i  jetst  allein  nmlant  von  »;  dass  im 
mhd.  e  nmlant  war,  ist  fürs  nhd.  voUkommon  gleichgültig,  wir  6^ 
kennen  in  e  den  nmlant  nicht  mehr,  sogv  bei  dem  worte  die  Sltem 
denken  wir  demnaeh  niebt  so  leicht  an  den  eomparatiT;  das  tSkt- 
4pg8  nnsehtae,  pietttlose  'die  Alten*  wire  wol  sonst  nicht  besoa- 
ders  gebildet  woiden;  nnd  wer  bei  *die  Eltern'  der  jngend  nnd  dsr 
nation  etwa  die  bedentnng  des  comparatiTS  tob  dt  lebendig  im 
bewnstsein  erhalten  machte,  der  wii^  anoh  *die  Ältem'  sehreibea 
wollen,  vielleicht  aber  möchte  man  lieber  gerade  in  diesem  besos- 
dem  falle  die  einzige  ansnahme  znlassen.  flhrigens  halten  wir,  nifl 
schon  bei  der  frage  nach  der  dehnungsbedOrftigkeit  des  oft  tonlosen 
e  gesagt,  jede  nach  ansspraehe,  betonuug  und  bedeutung  erlaolrte 
nnd  Torteilhafte  ersetznng  eines  e  dnroh  i  fttr  einen  offenbaren  ge- 
winn, da  bei  blähen  blasen,  erwinen  wan,  Färse  Farre,  G&ren  Gare 
Ackergare  gar,  Gebärde  gebaren,  Geländer  längs  entlang,  krSben 
krächzen  krachen,  Lärm  Alarm,  mäben  Mahd,  Sänfte  sanft,  scbilg 
Schrägen,  Schw&her  Schwager ,  Räude  räuspern  rauh  usw.  dem 
YolksetymologischeM  sprachbewustsein  nahe  genug  liegen,  um  sie  an 
einander  anzulehnen,  so  bitten  diese  wol  ebenso  gnt  nnter  2)  wie 
nnter  3)  stehen  können. 

§  17,  4)  trotz  a'  halten  wir  fttr  einen  möglichst  wieder 
richtig  zu  stellenden  rückschritt  unsers  schreibgebrauchs,  der  die 
Sprache  (betonnng  nnd  ausspräche)  und  oft  anch  die  Vorstellung 
schidigt  so  sprachen  wir  z.  b.  schon  über  die  nach  ausspräche,  be- 
tonung  und  bedeutung  unklaren  Schreibungen  behende,  Geländer, 
Geberde,  Wildbret,  bleuen  usw. ,  denen  man  nur  die  nach  ton,  aus- 
spräche und  sinn  so  durchsichtigen  behände,  Geländer,  Gebärde, 
Wildbrät,  bläuen  einmal  gegenüber  sn  stellen  braucht,  um  jene  un- 
möglich zn  machen,  allerdings,  wo  in  tmserer  Schriftsprache  durch 


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der  Berliner  ortiu^gxtphiftohen  coatorenz. 


181 


den  bochstaben  aucb  der  lant  fitoh  geändert  bat,  Ia  Mehl  und  edel, 
da  würde  die  ä-scbreibung  nur  «intreten  können,  wenn  aneh  der 
laut  wieder  offen  werden  kann  und  soll:  eine  pbonetische,  nicbt 
blosz  orthographische  ändemng,  die  freilich  durch  die  klargestellte 
bedeutung  des  gemalenen  nnd  geistesadel  zeigenden  unterstützt  und 
erleichtert  "würde,  und  in  Wörtern,  deren  e  durch  ihre  ganze  gestalt 
sich  als  betont  zeigt ,  bei  denen  ä  doch  keine  lebendige  Volksetymo- 
logie wachrufen  würde ,  da  ist  auch  das  e  minder  schlimm ,  die  ein« 
führung  des  ä  nicht  ganz  so  dringlich,  recht  erwünscht  aber  wäre 
es  doch  schon  in  üänne  wegen  Han  and  in  Ante  wegen  Antvogel 
•B  Anterich ;  vgl.  Sutern  und  enteren. 

§18.  aiundei  sind  nicht  tiberall  gleichgeaprocbeu;  also 
spricht  man  sie  da  richtig,  wo  man  sie  spricht,  wie  überall  geschrie- 
ben wird,  deshalb  möchten  wir  das  voller  tönende  ai  (=  a  -f-  i) 
insbesondere  da  belassen,  wo  ohne  dasselbe  die  ähnlichen  Wörter 
mit  ei  (=  offenes  e,  d.  h.  ä  -f"  0  spräche  und  schrift  gleich  wür- 
den: Bai,  Hai,  Hain,  Laib,  Laich,  Rain,  Saite,  Waise  usw.  auch 
hier,  wie  bei  e  und  ä,  bei  pf  usw.  erwächst  der  schule  die  pflicht,  zur 
genauen,  edlen  ausspräche  anzuleiten,  damit  der  gemeinsamen  recht- 
schreibung  in  der  nhd.  schriftspi  ache  auch  die  möglichst  einheitliche 
ausspräche  der  nation  entspreche,  vgl.  bei  der  Bai,  hei  —  ein  Hai! 
Hein  auf  dem  Hain,  ein  Laib  im  Leib,  der  reine  Kain,  die  Mittel- 
und  die  Seitensaite,  die  weise  Waise  usw.  zu  Hain  könnte  man 
noch  die  ähnlichen  Waide  und  Haide  wünschen  (letzteres  hat  mit 
Heide,  paganus^  nichts  mehr  zu  thun)  und  vielleicht  Alchen.  —  Die 
Schwankungen  in  schrift  und  spräche,  welche  die  anmerkungen 
lassen,  kann  man  wol  billigen.  Kissen  und  Küssen  möchte  man  aber 
in  wort  und  begriff  unterschieden  wissen ,  dagegen  Sprichwort  auch 
von  Spruch  ableiten  können,  gültig  auch  mit  i  behalten;  endlich  bei 
liederlich  noch  eher  an  Luder  wie  an  Lieder  denken;  denn  'böse 
menschen  haben  keine  lieder',  wenigstens  keine,  die  diesen  namen 
verdienten,  entschiedene  billigung  aber  verdient  die  volksetjmo- 
logisch  einzig  richtige  form  Sündflut;  denn  sint  ist  kein  nhd. 

B.  Consonanten  desselben  oder  ähnlichen  lautes, 
dieser  abschnitt  bringt  uns  zunächst  und  als  hauptsache  die  nhd. 
legel  von  der  bezeichnung  des  con sonan tische n  auslautes. 
dieselbe  ist  aber  doch  fast  zu  wichtig  und  selbständig,  um  hier  unter- 
gebracht zu  werden,  hatten  die  Berliner  1871  (erörterungen  s.  29) 
und  1876  (protokoU  s.  86)  theoretisch  sogar  die  'doppelconsonanz* 
unter  die  'regel  vom  auslaut'  subsumieren  wollen,  so  scheint  es  fast, 
tb  ob  man  nun  in  berechtigter  Opposition  zu  weit  gegangen  wäre 
Bild  die  'regel  vom  auslaut'  mit  unrecht  gar  der  eigenen  selbständig- 
ktit  beraubt  hätte,  um  ihre  übergriffe  auf  fremdes  gebiet  zu  strafen 
md  zu  hindern,  auch  hier  scheint  die  anordnung  des  Berliner  regel- 
Inushs  7on  1871,  welches  den  ^consonantischen  auslaut'  als  'III'  auf 
*IL  die  verschiedenen  buchstaben  für  denselben  laut*  folgen  Iftsst, 
m  der  praxis  das  rechte  getroffen  zu  haben  (IV  und  V,  consonant* 


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182 


Xriliiaehe  notizen  zu  den  beschlüssen 


Verdoppelung  und  vocallfinge,  allerdings  sind  1876  mit  recht  unter 
die  höhere  einheit  der  quantitätsbezeichnung  vereinigt  worden). 

§  19  lautet  nun:  'im  auslaut  flectierbarer  Wörter  und  stämme 
schreibt  man  den  consonanten,  welcher  bei  vocalisch  anlautender 
nachsilbe  gehört  wird,  demnach  schreibt  man  z.  b.  Gang,  Kalb, 
Tag,  Lied,  Grab'  (vgl.  zu  §  5c  anm.).  statt  'auslaut  flectierbarer 
Wörter  und  stämme'  würden  wir  nur  'der  (veränderlichen)  silben' 
oder  'im  silbenauslaut '  oder  'im  auslaut'  wünschen;  denn  z.  b.  in 
Jüngling  ist  -ling  weder  wort  noch  stamm ,  sondern  eine  nachsilbe, 
und  doch  ist  sie  betreffs  des  auslautes  gleich  mit  'Gang' ;  und  miß- 
u.  dgl.  ist  nicht  'flectierbar'.  auch  hier  also  möchten  wir  weniger 
auf  etymologie  als  auf  phonetik  gewicht  legen,  diese  'regel  über 
den  silbenauslaut'  ist  nun  weniger  eine  besondere  neue  orthogra- 
phische regel,  dasz  etwas  in  der  schrift  so  oder  so  sein  solle,  als 
vielmehr  ein  orthoepisches  kennzeichen,  dasz  etwas  in  der  spräche 
so  oder  so  ist.  denn  sie  gibt  ein  erkennungsmittel  für  etwaige  un- 
genau redende  provinzen  und  ungenau  klingende  laute  an,  etwa: 
'man  bringe  den  laut  in  eine  reine  Stellung  (d.  h.  zwischen  zwei 
vocale  oder  wenigstens  vor  einen  vocal  —  womöglich  innerhalb  des- 
selben 6inen  wertes) ,  und  man  wird  ihn  deutlich  erkennen  und  nun 
von  selbst  richtig  schreiben  können. 

Insofern  fällt  nun  diese  regel  über  den  silbenauslaut  mit  der 
über  die  silbenquantität,  d.h.  kürzung  (consonantverdopplung)  und 
dehnung  in  einer  höhem  einheit  zusammen,  als  auch  auf  diese  jenes 
phonetische  Verdeutlichungsmittel  angewandt  werden  kann,  denn 
auch  die  quantität  kann  für  etwaige  ungenau  redende  provinzen 
oder  undeutlich  klingende  silben  dadurch  deutlich,  also  für  aus- 
spräche und  schrift  unzweifelhaft  gemacht  werden,  dasz  man  die  be- 
treffende silbe  rein  stellt,  d.h.  dadurch,  dasz  man  auf  sie  einen  vocal 
möglichst  innerhalb  desselben  wertes  folgen  läszt.  was  aber  die 
veiiüidernngen  der  consonanten  im  auslaut  (und  auch  im  unreinen 
Inlaut,  d.  h.  neben  anderen,  besonders  fremden  consonanten)  betrifft, 
80  hatten  wir  früher  (a.  a.  o.  IV)  zu  zeigen  versucht,  dasz  nicht  nur 
weiche  consonanten  im  auslaut  etwas  erhärten,  sondern  auch  harte 
erweichen,  z.  b.  in  dem  satze  'das  Faß  ist  rund'  lautet  vielfach  der 
B-laut  nicsht  so  scharf  wie  in  'die  Fässer' ;  also  nicht  etwa  *da8  fu- 
Biet  nincP.  oben  hat  das  ß  fast  den  werth  von  zwei  wlrklieh  weidiea 
r,  d,  h.  TOB  wMm  fniit  yoransgefaender  yocalkttne,  wie  in  dem 
mandarilicheii  Ffifel,  dtffeln;  oder  in  den  fremdwOrtem  Hnsar,  ICn- 
ak,  Mosaik,  Bisico.  in  ^FttiTer'  dagegen  wird  (wie  bei  jedem  nM.  ff) 
ßß  gesprodien»  d.  h.  scharfes  ß  mit  yoraoogehender  kürze,  es  ye^ 
hslt  sich  also  hier  der  andantende  scharfe  lant  (*Faß  ist')  smo  in- 
lanienden  scharfen  (TftiTer')  nmgekehrt  wie  anderswo  der  aoslan- 
tende  weiche  (*Bad')  zum  inlantenden  weichen  ('BBder').  kurz,  dar 
auslaut  ist  nidit  immer  imd  flberall,  nicht  bei  jedem  worte  und  ftr 
jedernumn  deutlich  zu  erkennen,  man  bringt  ihn  deshalb  zur 
probe  einmal  in  den  inlaut,  um  ihn  klar  zu  stellen. 


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der  Berliner  orthographischeii  conferens. 


ebenso  wie  bei  ß  ist  es  bei  allen  andern  scharfen  lauten,  so  klingt 
'der  Rapp  ist  schön*,  'die  Ratt  ist  böse',  'der  stock  ist  lang'  viel- 
fach 'der  Rabbist  schön',  'die  Raddist  böse',  'der  Stoggist  lang' 
(letzteres  natürlich  mit  richtigem  g,  nicht  mit  j),  nicht  'Rappist', 
'Battist',  'Stokkist',  obschon  keine  pause  zwischen  den  werten  im 
satze  gesprochen  wird,  dennoch  kommt  es  niemanden  bei,  jener 
ausspräche  oder  scJureibweise  eine  bedeatniig  oder  berechtigung  zu- 
zuerkennen. 

Bringen  wir  die  'regel  über  den  auslaut',  diesen  praktischen 
wink  für  solche ,  die  nicht  ganz  sicheres  reines  deutsch  sprechen  — 
und  wo  spricht  man  alles  rein?!  —  auf  die  kürzeste  form,  so  heiszt 
das  ausknnftsmittel  für  silbenauslaut  und  zugleich  für  silbenquanti- 
tät,  also  für  die  schärfe  oder  Weichheit  des  consonanten  und  zu- 
gleich für  seine  Verdoppelung  oder  nichtverdoppelung  wegen  der 
vorausgehenden  vocalschftrfung  oder  -dehnung  also:  'schreib  im 
auslaut  (veränderlicher  silben)  den  dir  etwa  zweifelhaften  conso- 
nanten wie  er  bei  folgendem  vocal  deutlich  gehört  wird';  oder:  'ist 
dir  ein  consonant  zweifelhaft  (bezüglich  seiner  härte 
und  Verdoppelungsbedürftigkeit),  so  lasz  einen  vocal 
auf  denselben  folgen  und  du  wirst  seinen  lautlichen 
Werth  deutlicher  erkennen,  also  auch  richtig  sprechen 
und  schreiben  können.' 

Wir  möchten  demnach  bei  der  'vocalisch  anlautenden  nach- 
silbe'  §  19  zunächst  auch  an  eine  sog.  nachsilbe,  sodann  aber  auch 
an  jede  (im  Zusammenhang  der  rede  oder  bei  der  Zusammensetzung) 
nachfolgende  silbe  mit  vocalischem  anlaut  denken,  denn  es  wird 
wol  niemand  so  leicht  aussprachen  wie :  Grappanlage ,  Gb*appeinfas- 
sung,  Grapphügel,  dies  Grapp  ist  schön  usw.  als  maszgebende  be- 
zeichnen wollen,  man  vgl.  noch  ^Grab'  vor  pausen  und  in  reimen: 
Grab,  vergab. 

§  19  anm.:  'diese  regel  vereinigt  alle  Deutschen  zu  einer 
gleichmäszigen  Schreibung  des  auslauts,  obschon  die  ausspräche  eine 
sehr  verschiedene  ist.  in  manciien  gegenden  spricht  man  Gang, 
6r3b,  in  anderen  Gank,  Grapp.'  dieselbe  anmerkung  hätte  bereits 
zu  §  5c  anm.  (von  der  Verkürzung  langer  Stammsilben,  z.  b.  Hof) 
gemacht  werden  können,  diese  regel  vereinigt  nicht  erst  jetzt  alle 
Deutschen  zu  gleicher  Orthographie,  sondern  letztere  deutsche  ein- 
heit  stand  vorher  fest,  und  die  regel  ist  eine  abstraction  des  fest- 
stehenden und  gemeinsamen,  diese  regel  hat  man  deshalb  für  nötig 
erachtet,  weil  manche,  die  von  der  gemeinsamen  neuhochdeutsohen 
aebriftsprache  in  ihrer  provinziellen  Sprechweise  abwelclieiii  yUü- 
leiobt  doch  riebtig  zu  sprechen  Ternuiiieii  könnten,  dan  aber  die 
beibehaltnng  (der  yocaldebaimg  wie)  der  ooDScniaiitwekbbeit  (vgl. 
'zur  coBserr.  refonD*)  i&  der  fbat  der  sebriftspnMlie  eniapriobt: 
dafür  ist  es  ein  soblagender  beweb,  dasz  die  anm.  diese  ansqwacbe 
'mancher  gegenden*  einftoh  mit  dem  feataftebenden  gemeinsamen 
neoboebdratscben  scbriflsncben  der  betr.  wOrter  wiedergab  nnd 


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184 


wiedergeben  konnte,  während  sie  um  die  abweichende  ausspräche 
wiederzugeben  auch  zu  abweichenden,  undeutschen  Schreibweisen 
'Qaaky  Grapp'  greifen  muste.  wir  wünschen  also  auch  hier  den 
pgOTiMiialiamifl  lüs  sokhen  beseichaet  und  hinter  den  wortoi:  'in 
manchen  gctgendmi  ufnM  nan'  zngeeetat  sn  sehen:  ^die  Wörter 
richtig  aus,  wie  sie  geschri«b6A  werden%  Gang,  Giib, 
in  anderen  'unriehtag'  oder  *  ungenau'  Gank  und  Gnpp  *wäi 
scbärfung  (des  vocals  und)  des  auslautes'. 

Wir  hatten  früher  (a.  a.  o.)  nachzuweisen  gesucht,  dasz  phooe- 
tisohet  lanUidhe  orthognq[ihie  und  graphische,  buohftftbUche  orti» 
epie  nairaiBbar  mm^  dass  dm  ^tofaveib,  wit  mm  q^cfat'  db 
gigeBtodeoniiig  wie  man  aeibnibt'  mt  tetem  baÜ  gebe; 

dau  also  dk^eniga  Bchmbaag  offiwbar  die  ricibtige  ad,  die  d«  f»- 
meiiiBamen  aoaapradie  aller  nlid.  xedcndea  eiitepreeba;  dan  akr 
ebenso  imxweifähaft  anoh  diejenige  ansapraehe  die  riekti- 
gere  aaif  die  der  gemeinaas&en  sehreib weiae  aller  ge- 
bildeten Dentsoben  entspreche,  also  b.  das  Gcab  (ifjL 
a.  a.  0.  L  grondsfttse  nnd  IV.  dar  consonantisehe  aiaslaiit).  od 
diese  richtigere,  edlere  aoA^m^e  ist  auch  in  sieb  die  Torzfig- 
lichere  und  voll  komm  emere.  denn  wenn  gesuSsz  der  phoneti- 
schen Orthographie  diejenige  Schreibweise  die  vollkommenere 
ist,  welche  mit  den  vorhandenen  mitieln  die  in  der  lebenden  spräche 
feststehenden  verschiedenen  Schattierungen  ähnlicher  Wörter  in  ein- 
facher und  consequenter  weiae  schriftlich  auszudrücken  vermag. 
2.  b.  Knabe  und  Knappe ,  Kabe  und  Rappe :  so  musz  gemäsz  der 
kehrseite  desselben  princips,  gemäsz  der  buchstäblichen  lesung 
diejenige  ausspräche  die  vollkommenere  sein,  welche  in  der  berge 
brachten  weise  die  in  der  nationallitteratur  feststehenden  verschie- 
denen Schattierungen  ähnlich  geschriebener  Wörter  in  ebenso  ein- 
facher und  consequenter  weise  mündlich  wiederzugeben  im  stände 
ist;  welche  Wörter  wie  Knab  und  Knapp,  Rab  und  Eapp,  Gas  und 
Gass,  Ried  und  Ritt,  rief  und  Riff,  Rad  und  Ratt,  Schmied  und 
Schmitt,  Schmieds  und  Schmitz  usw.  nicht  mit  einander  werwech- 
seit ;  welche  reime  wie  Grab  gab ,  Bad  bat ,  Gras  las  als  reine  reime 
gelten  und  erkennen  läszt  (und  solche  wie  Grab  knapp,  Bad  Bait, 
Gras  Hals  als  unreine).  —  Dazu  kommt,  dasz  die  richtige  und  voU- 
konunene  schreib-  und  Sprechweise  auch  allein  consequent  ist 
und  stets  richtig  und  vollkommen  ist,  die  andere  dagegen  nur  Wiele 
[nicht  alle]  Stammsilben'  so  ttbel  behandelt ,  nur  4n  einem  teile  von 
Deutschland'  [nicht  im  ganzen]  Torkonunt  und  endlich  die  betref- 
fenden, nicht  bestimmten  stämme,  nur  wenn  sie  *ohse  nachsilbs' 
stehen  [nicht  immer]  Terkehrt  spricht  vgl.  §  5  c  annou  würde  man 
.nun  diese  unvollkommene  und  schwankende  Sprechweise  auch  als 
solche  bezeichnen,  so  hUtten  wir  sofort  im  ideal  und  princip  und 
bald  auch  durch  bücher  und  schule  in  wirkiidüceit  zur  obigen  (§  19 
fuun.)  dentsoben  sehreibeinheit  aneh  die  entspreekende  Sfirftok* 
einheit:  welche  nns  jene  luirlohtige,  unvoUkomnisne  und  inoonst- 


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der  Berliner  ordiographiselien  eonferenz. 


186 


qnenie  sprechweite  TermOge  ihrer  nator  glücklicher  weise  nicht 
bringen  kann. 

§  20  -ig  und  -lieh,  in  dem  ^historisch'  gewordenen  'all- 
mählich* erkennen  wir  jetzt  kein  -lieh  mehr,  weil  *mäh'  nicht 
mehr  verständlich  und  durchsichtig  ist;  allgemachlich  und  gemäch- 
lich wird  jeder  von  selbst  schon  richtig  schreiben;  'allmUlig'  aber 
verbindet  das  heute  lebendige  nationale  sprachbowustsein ,  die  un- 
gelebrte  Volksetymologie,  mit  natürlichem  tactgefühl  und  mit  der 
unwiderstehlichkeit  eines  naturgesetzes  immer  fester  mit  'allemal* 
ergänze  *ein  wenig  mehr',  im  gegensatz  zu  'auf  einmal*,  auch  wür- 
den wir  bei  dieser  günstigen  gelegenheit  noch  den  schein  einer  in- 
consequenz,  eines  dehnungs-h,  los;  und  der  böse  schein  ist,  zumal 
unaerm  ganzen  volke  gegenüber  zu  meiden.  —  'Billig'  ist  ein 
etwas  verdunkeltes  wort,  dessen  Schreibung  zu  ändern  wenigstens 
kein  grund  vorliegt;  möge  es  also  in  folge  des  trägheitsgesetzes  be- 
harren; vielleicht  hilft  es  dem  einen  oder  andern  zeitungsleser,  dem 
noch  kein  unrecht  unter  dem  namen  unbill  im  leben  widerfuhr,  sich 
vonustellen,  was  eine  ^bill'  ist;  und  was  dem  einen  recht-  und  ge- 
setzlich, das  ist  dem  andern  billig.  —  Ganz  entschieden  aber  müssen 
wir  uns  gegen  ^adlich,  eklich'  oder  'bucklich,  untadlich'  u.  dgl. 
verwahren;  das  sind  'historische',  also  veraltete  Schreibweisen,  die 
der  im  neuhochdeutschen  reiche  lebendigen  nation  ihr  Sprachgefühl 
ertöten  würden,  mag  man,  insbesondere  der  dichter,  je  nach  bedarf 
adelig,  ad  lig  oder  adlig,  zwei-  oder  dreisilbig  sprechen  und  schrei- 
ben, nie  wird  die  Schreibung  den  adel  verleugnen,  der  in  der  durch- 
sichtigkeit  des  stammes,  in  der  klarheit  des  sinnes  liegt;  aber  adlich 
wäre  gleich  eklich  unklar,  mag  man  mit  demselben  rechte  wässerig 
oder  wässerig  oder  wäszrig  sprechen  und  schreiben,  immer  bleibt 
das  Wasser  klar  im  bewustsein  dessen ,  der  es  liest;  wäiarich  aber 
wäre  neuhochdeutsch  ebenso  wie  eklich  unberechtigt. 

§  20  ?>  über  substantiva  auf  ig  und  ich.  diese  möchte 
man  der  einfachheit  und  Sicherheit  unserer  rechtschreibung  halber 
stets  gleich  gesehrieben  wünschen;  doch  würde  dies  nicht  so  einfach 
abgehen,  -rieh,  so  weit  das  r  klar  zur  endung  gehört,  wie  bei  Fähn- 
rich, mnsz  sein  eh  behalten  wie  -lieh ;  bei  den  anderen  Substantiven 
kannte  die  endung  wie  bei  den  adjeetiven  geschrieben  werden. 

§  20  c  die  Wörter  auf  cht  mögen  ebenfalls  oh  behalten. 
Pndigt  ist  keine  ausnähme;  töricht  und  Kehricht  usw.  kommen  von 
Tor  und  kehren;  Predigt  dagegen  nicht  Ton  preden  und  ieht,  son- 
toi  Ton  pradigin  imd  t;  ebenso  wie  GeschiA  sieht  Ton  geen  und 
-Schaft  kommti  sondern  tou  tohaffm  und  t.  flatt  also  Predigt  lur 
mnahme  in  besiehiing  auf  die  eehreibuig  der  endung  -iöht  zu  siem- 
pdn  (^nnr  Fredigt  hat  -igt'),  möchten  wir  die  erklttrung,  daes  es 
keine  Inldnng  auf  -ioht  sei,  etwa  mit  hinweis  Eehr-i<dit :  Prediget 
»  Erb-schaft  :  Ge-schttff-t  (vgl.  Jagd).  —  Der  lotste  satz:  *mit  g 
sdoeibt  man  Werg,  Zwerg;  mit  di  Zwerchüsll  und  ttberzwereh^ 

1I.J«lirb.  f.  phü.  a.  päd.  II.  abt.  1878.  hfl.  4.  18 


Kiitifiohe  notisen  au  den  begohlflaegp. 


ksnn  einfach  fortfallen,  da  unser  nhd.  seltenes  zwerch.  »  quar  mit 
den  riesen  und  den  zwergen  nichts  zu  schaffen  hat. 

§21a  aher  b  und  p.  dasz  man  unpafs  und  unpSrslich  mit 
p  schreibt,  braucht  man  nicht  zu  lernen,  da  die  richtige  ausspräche 
das  anlautende  p  deutlich  erkennen  läszt,  wie  es  ja  auch  den  zustand 
•  bezeichnet,  in  dem  uns  nicht  alles  recht  passen  will,  diese  wÖrter 
können  also  fallen,  bei  den  anderen  flectierbaren  Wörtern  wird  man 
allerdings  mit  gedächtnishtilfe  die  einzelnen  Schreibweisen  behalten 
müssen,  so  lange  man  nicht  der  ausspräche  phonetisch  nachstrebend 
den  grundsatz  aufstellt:  scharfe  consonantverbindungen 
bezeichnen  vorausgehende  vocalschärfung,  weiche 
vocaldehnung:  also  Pabst  und  eyent.  Obst,  wegen  der  vocal- 
Ittnge ,  die  anderen  mit  p. 

§  21  d  über  d  und  t.  Mägd  (und  Macht)  entspricht  dem 
genannten  princip;  Jagd  aber  von  jagen  erhält  keine  feste  conso- 
nantgruppe;  dennoch  wäre,  trotz  des  g,  t  statt  d  erwünsehtf  Tgl. 
den  plur.  und  Predigt,  Geschäft  usw. 

§  22:  f,  V,  ph.  grundsätzlich  halten  wir  diese  drei  buchstaben 
nicht  für  gleiche  laute  (vgl.  a.  a.  o.).  dasz  ph  ursprünglich  eine 
echte,  alte,  stumme  aspirata,  also  nach  Raumer  p  +  V2  ^  oder,  da 
wir  w  für  labialer  als  f  halten,  p  +  V2  ^  gelautet,  also  jedenfalls 
in  etwa  unserm  pf  (wie  th  dem  z)  ähnlich  gelautet  haben  wird,  kön- 
nen wir  hier  auf  sich  beruhen  lassen;  einmal  lautet  ph  heute  wie 
f,  und  zweitens  ist  es  kein  deutscher  buchstabe.  f  und  v  aber 
unterscheiden  sich,  meinen  wir,  Ton  hause  aus  ebenso  wie  ß  und  f, 
wie  ch  und  h  oder  j,  wie  p  und  b,  t  und  d,  k  und  g.  im  mhd. 
wurde  ja  auch  auslautendes  v  zu  f ,  wie  b  zu  p  usw.  allerdings  sind 
die  buchstaben  und  laute  etwas  durdieinander  geratlien ;  aber  ein- 
mal nur  im,  anlauti  und  sodaim  wird  auch  jeüil  noofa  kaum  eift 
halbes  dutsend  tnlsufawdiir  t  schaff  klingen,  s»b.  Yater,  Yattor 
(YfOdien).  kmn  eimdges  lA«  und  aiiBlavtondes  t,  die  gaau  deuiseh 
gewcfdeBOi  firtmdwMer  eiigesoblosMi,  nt  selbst  sehiaf  oder  stehfe 
MMk  gesehiiftsm  yooal,  b.  Vrerok  SUsfe,  liBfe}$  wBbfOBd 
ebenso  duvdbgreited  aUe  timlioheii  f  sdutsf  sb>d  uid  mebi  doppelt 
steben  missen,  weil  auch  der  ToxmusgebeBde  Tooal  scharf  ist.  im 
den  anlautcttdctt  f  werden  aUierdiiigs  in  muMdien  gegenden  vide 
weich  gesprochen,  z.  b.  lAeiniBch:  Friedrieh  (dagegen  Ihrits  wieder 
sohaxl).  wie  also  f  und  t  als  laModentato  Ton  dem  »ein  labialem  w 
geschieden  werden  mttssen,  so  ist  andi  das  weiche  ▼  mit  dem  aehar* 
üm  f  nidit  sn  verwechseln»  Wir  TerweiM  ahm  ph  gaau  unter 
die  nieht  ebigebllxgerten  firamdwOiter  und  hidten  gegen  §  22  v  «id 
f  fltar  TorsdiiedeBe  kiite,  wie  b  und  p ,  wie  f  und 

§  82  bi  ph  und  pf.  ph  hStten  wir  hier  ganz  w^,  höchsten» 
in  amn.  erwtthnt  gewtlnscht,  und  Bünl  mindestens  neben  nnd  Tor 
%heu  geiunnt;  wort  würde  uns  dann  nicht  mehr  fremder  top- 
kommen  ds  Heu,  Leu,  Streu,  Scheu  usw.  —  In  der  snm.:  *pf  wird 
im  anlftut  vieler  wOrter  geschrieben,  wekbe  in  norddeutscher  aus- 


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der  Berliner  ortliogn^liiMlieii  conftmyk  187 

^pndie  gew6h]iUdi  ihr  p  Terlieren'  ist  wiodemm  eine  einfache,  nidit 
orthoepische  notk,  welehe  das  Mehide  wort  'prorimüdiimiiB*  oder 
'Bimdirik'  Termeidet.  was  wir  früher  von  der  nmndartikhen  Tocal- 
und  anelantsohftrfniig  (Baü  statt  Bad)  gesagt,  gilt  aaeh  hier 
von  der  entsprechenden  anlant  er  weichung  (Fund;  Flug  statt 
Pfand,  Pflag).  beide  Provinzialismen  übersehen  ganz  und  gar  das 
ideal  der  deutschen  ausspräche^  welches  die  nationale  Schriftsprache 
uns  vorhält,  trotz  der  überall  im  vaieiiande  vorhandenen  beispiele 
des  richtigen!  die  betr.  mundträgheit ,  welche,  von  der  nationalen, 
einheitlichen  neuhochdeutschen  Schriftsprache  abweichend,  in  einem 
allerdings  groszen  teile  Deutschlands,  aber  doch  nur  in  einem  bruch- 
teile  (nur  in  teilen  des  nordens)  das  pf  unter  gewissen  Verhältnissen 
fnemlich  wenn  es  im  anlaut  steht)  gewöhnlich  (wenn  man  sich 
gehen  läszt)  nur  halb  ausspricht,  ist  ebenso  verkehrt  in  sich  wie 
jeder  andere  Provinzialismus ,  z.  b.  das  rheinisch-berlinische  g  ==  j  5 
und  er  verdient,  wenn  die  rede  darauf  kommt,  ebenso  entschieden 
tadel  und  Verurteilung,  die  mundart  schädigt  auch  hier  wieder 
auszer  der  richtigkeit,  consequenz  und  einheit  zugleich  die  deutlich- 
keit  der  edlen  nhd.  ausspräche,  indem  verschiedene  worte  ähnlich 
oder  gleich  werden,  z.  b.  Pferd  und  f^ihrt,  Pfahl  und  fahl,  Pfarre 
undFarre,  Pfad  und  fad,  Pfalz  und  falls,  Pfand  und  fand,  pfUnden 
und  fänden,  Pfeil  und  feil,  Pflaiiraen  und  Flaum,  Pflicht  und  flicht, 
Pflug  und  Flug ,  Pfund  und  Fund ,  Pfühl  und  fühl,  auch  hier  also 
wird  Wissenschaft  und  schule  die  mundart  als  solche  bezeichnen  und 
als  unrichtig  oder  ungenaa  tadeln  dürfen  und  müssen,  dieser  er- 
kenntnis  und  yerurteilung  des  Übels  wir4  die  heilung  von  selber 
leicht  und  überraschend  schnell  folgen;  denn  eine  wunderbare  sehOn- 
heit  liegt  in  der  genauen,  edlen  spräche;  und  die  entstehung  unserer 
nhd.  naüonalsprache  ans  der  Schriftsprache  der  nationallitteratur, 
ffflmer  die  noch  immer  gewöhnlichste  art  ihrer  eriemnng  in  schule 
und  büehern,  endlich  der  phonetische  Charakter  unserer  Ortho- 
graphie, welche  lanthehe  schreibnng  und  bnohstttblidies  lesen  ver^ 
lADgt,  geben  dem  eyident  richtigen  auch  yollkommene  lebenskralt. 

In  §  28  wflnsehen  wir  eine  begrOndnng  des  dt;  denn  das  ver- 
stttktoe  lastet  nicht  schwer  im  gedSchtnis;  etwa:  dt  schreibt  man 
inv  da,  wo  ee  ans  einer  nebenform  mit  det  erldftrt  werden  kam, 
z*  b.  flSfidte  — a  sendete,  Ittdt  -=  ladet  usw.  ob  es  für  die  snkonft 
1^  8dn  wird  ausserdem  noch  die  'Stadt'  yon  'statt'  zu  scheiden, 
obgHeh  beide  Wörter  gleich  Stfttte,  Stelle,  dfirfbe  man  besweifeln. 
—  Bie  übrigen  ttberflflssi^n  dt  werden  wir  glflcldich  los.  —  Ob 

Ti^eicht  die  Schreibung  Brot,  Brote  vor  Brod,  Brede  wegen 
grosserer  ausdehnung  der  schSrfsm  ausspräche  den  yorzug 
Vttdient,  yermögen  wir  nicht  zu  Überschauen;  denn  das  germanisch» 
i  konnte  doch  nur  dann  für  deutsches  t  entscheiden ,  wenn  das  nhd. 
wlbet  eines  entscheidenden  momentes  völlig  entbehrte. 

.§  24:  S-laute.  es  wäre  erwünscht,  wenn  auch  hier  der  name 
4n  lante  (hart  und  weich,  eß  und  fe)  den  der  buchstaben  (lang, 

18* 


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188 


£xitiache  noüzen  zu  den  bescMüsaen 


rund  usw.)  verdrängen  könnte,  statt  der  beispiele  für  beide  ^salben 
und  gießen'  hätten  wir  wÖrter  gewünscht,  die  bis  auf  den  in  be- 
tracht  kommenden  S-laut  ganz  gleich  gewesen,  diese  würden  den 
unterschied,  auf  den  es  ankommt,  am  schärfsten  zeigen  |  es  ifit  daran 
kein  mangel,  z.  b.  reifen  reißen,  weifen  weißen. 

'Der  harte  S-laut  wird  bezeichnet  durch  ß  oder  Ü,  wenn  er  ein- 
facher auslaut  einer  Stammsilbe  ist  und  vor  vocaüsch  anlautender 
nachsilbe  hart  bleibt'  usw.  usw.  bis  §  26  ist  sehr  weitläufig  und 
stellenweise  (z.  b,  das  angeführte)  so  compliciert  und  schwierig,  dasz 
es  für  die  schule  nicht  leicht  angewandt  werden  kann.  —  Will  man 
die  früher  (a.  a.  o.  IV  und  oben)  besprochenen  grundsätze  über  den 
consonantischen  auslaut  als  richtig  annehmen,  so  gentigt  im  wesent- 
lichen das  sätzchen:  ^der  nachweislich  harte  S-laut  wird 
durch  ß  bezeichnet',  alles  andere  ist  fast  ganz  selbstverständ- 
liche folgerung;  die  regel  ist  einfach,  die  anwendung  leicht  und  der 
schreibgebrauch  erweist  sich  als  besser  wie  man  annimmt  (vgl. 
a.  a.  0.  II.). 

Sehen  wir  im  einzelnen  zu!  die  oben  angeführte  hauptregel 
mit  mehr  als  einem  halben  dutzend  entscheidender  hauptbegriffe 
wird  (vgl.  das  Schicksal  derselben  regel  von  1871  in  den  erörte- 
rungen  von  1871  s.  23  anm.,  wo  wir  das  ^merkwürdige*  ganz  natür- 
lich finden)  —  die  genannte  regel  wird  kaum  ein  erwachsener  und 
an  denken  gewöhnter  gebildeter  so  schnell  überhaupt  nur  verstehen; 
Schüler  vollends  werden  sie  niemals  vollständig  beherschen  und  mit 
leichtigkeit  und  Sicherheit,  die  der  schulgebrauch  verlangt,  anwen- 
den lernen,  dasz  man  aber  nur  dasjenige  S  scharf  (ß)  schreibt, 
welches  sich  audi  swisdien  xwei  Yocalen  (rein  stehend)  ais  wirklich 
scharf  nachweisen  Iftszt,  Teratoht  sieh  nach  unserer  regel  Toa  seihet 

G^gt  werden  muss  freilich,  dass  man  statt  ßa  za  schreiben 
pflegt  ü;  dies  liszt  sieh  auch  in  etwa  b^prttnden  mit  der  grössem 
^ein&chheit^  des  Zeichens,  da  es  nhd.  kein  weiches  doppel-8  gibt, 
weil  weiches  S  nicht  nach  kürzen  steht  die  weitm  anwendung  von 
ß  und  IT  ist  nun  dieselbe  wie  die  jedes  andern  ein&chen  und  yer- 
doppelungsfUhigen  bnchstabs;  ebenso,  dasz  IT  sidi  zu  b  wie  f  zn  s 
verhalte,  ist  nnn  leicht  verstanden  und  behatten,  dasz  das  eiafische 
ß  nach  langem  Tocal,  das  doppelte  IT  (event  is)  nach  kurzem  stehe, 
ist  nichts  bei  den  S-lanten  besonders  zn  lemencUs*  es  ist  die  selbet- 
TerstSndliche  anwendung  der  allgemeinen  regel,  dasz  der  koxie 
Yocal  dnreh  Verdoppelung  des  folgenden  einfiEMshoi  consonanten  ber 
zeichnet  wird.  . 

§  25.  hartes  8  als  T  und  s  braucht  im  groszen  ganzen  ebenfalls 
nicht  gelernt  zu  werden:  der  S-laut  ist  vielleicht  stellenweise 
zweifelhaft,  kann  aber  sicher  nicht  als  scharf  zwischen  vocalen  nach- 
gewiesen werden!  so  k5nnen  zunttchst  fp  und  ft  dreierlei  lautlichen. 
Werth  haben,  z.  b.  fcfat  und  ßt  in  stehen,  ßt  oder  fst  in  List,  (mit 
vorausgehender  Ittnge)  in  liest  (event  lift).  über  d^e  *hBrte'  des  S- 
lautes  in  letzerm  werte  Hesse  sich  z.  b.  noch  ebcaiso  gut  disputieretty 


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der  Berliner  orthographieohen  Gonferens. 


189 


wie  über  die  des  b  in  'xwibi'  u.  dgl.;  und  doch  wird,  und  mit  lechti 
Uber  dergleichen  an  enteprediender  stelle  yon  den  orüiographie- 
bttchem  keine  silbe  gesprochen. 

Ebenso  fällt  es  selbstYerständlich  unter  die  frühere  anslaut- 
regel,  dass  für  f      &)  im  auslaut  kein  ß  eintritt  (§  25  a),  wie  das 
b  nidit  sn  p,  d  nicht  am  t  wird  usw.  —  Und  ob  (§  25  h)  z.  b.  das 
analantende  a  in ^was  iit  das?'  wirklieh  so  scharf  klingt,  wie  in 
"Waffer*,  also  'wassist  das'?  wir  meinen  nicht.  —  Und  ebenso  ist 
ee  (§  Me)  mit  dem  anslant  der  [nnTerftnderlichen!]  endungen 
und  (§  26  ä)  mit  dem  *sdehen'  der  snsammensetsnng  [wd  genaoer 
dem  bindeconsonantl]  s.  —  Nicht  ^Finsternis  und  Sandes' 
(§  25  c)  stehen  sich  phonetisch  gleioh,  sondern  etwa  Finsterniia  nnd 
Standebiß,  nngewiß,  wie  Finsteraifle  nnd  HnndebÜTe,  ungewiffe; 
dagegen  steht  gleich  ^des  Kindes'  (§  25  c)  nnd  'Ordnungsliebe' 
(§  25  d),  d.lu  das  genitiT-s  (mit  oder  ohne  e)  nnd  das  binde- s  oder 
znsammensetnmgs-s«  nnd  soll  'das  Eindesalter'  wirklich  so  scharf 
gesprodien  werden  wie  'Kindeiralter'?  (das  V  wird  in  allen  btlchem 
als  kurz  betrachtet)  —  oder  anch  'Eind'ßslter'?  ist  es  wirklich 
imsKweifolhaft  hart?  wir  Bheinländer  wenigstens  sprechen  es  wol 
anders.  —  s  und  f  zwischen  consonanten,  und  besonders  harten, 
möchte  sich  wol  kaum  rein  und  klar  untersuchen  lassen,  wie  b  usw., 
z.  b.  in  Obst  u.  dgl. 

§  25  an m.  1 :  'der  regel  gemäsz  schreibt  man  mils-  oder  miil'e- 
als  Stammsilbe,  -nis  [-nifl'e !]  als  ableitungssilbe',  fällt  ebenfalls  nach 
dem  schon  früher  gesagten,  mifs-  ist  unserm  nhd.  sprachbewustsein 
zwar  keine  Stammsilbe  mehr,  noch  kümmerte  es  die  phonetik,  wenn 
es  eine  wäre,  noch  ob  -nis  eine  ableitungssilbe  ist.  beide  silben  aber 
sind  betont  und  nachweislich  kurz ,  also  beide  verdoppelungsbedürf- 
tig ,  wie  es  auch  in  der  reinen  Stellung  miÜe-  und  -niile  sich  sofort 
deutlich  zeigt. 

§  25  anm.  1,  zweiter  absatz,  gibt  beispiele  mit  1*  und  ß,  die 
auch  nach  der  phonetischen  regel  die  probe  ebenso  gut  bestehen,  wie 
nach  der  etymologisierenden.  —  Auch  die  Wörter  des  dritten  ab- 
satzes  sind  nicht  gerade  'besonders  auswendig  zu  lernen',  gegen 
ein  paar  möchten  wir  bedenken  geltend  machen,  zunächst  gegen 
den  ^  M  e  8  n  e  r  M  nach  den  vorausgehenden  regeln  müste  er  ja  wol 
gar  eine  lange  erste  silbe  haben,  da  -ner  doch  offenbar  ^ableitungs- 
silbe' ist,  also  der  stamm  Mef  lang !  man  vgl.  etwa  Zöllner ,  Glöck- 
ner, Kellner,  MeTsner  mit  kurzem  und  Gegner,  Lügner,  Bedner 
(^Mesner')  mit  langem  stammvocal.  und  zu  der  phonetischen  rich- 
tigkeit  kommt  die  volksetjmologische  durch  sichtigkeit!  was  kann 
sich  ein  nhd.  gebildeter  unter  dem  worte  ^Mesner'  denken  und  vor- 
stellen? der  'Mefsner*  dagegen  hätte  sofort  die  erste  silbe  kurz  be- 
zeichnet, und  den  so  klar  gestellten  Mefs-  oder  MeiTediener  wird 
niemand  fOr  einen  MifTethäter  ansehen;  nnd  wenn  'yoran  kam  der 
Meßner  geschritten',  so  hat  ihn  gewiss  noch  niemand  yerkannt  oder 
nmicktig  an-  oder  an^gesprochen,  noch  ihm  sein  amt  Terkannt  oder 


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190 


Kritische  notizen  zu  den  beachlüsseii 


verübelt.  —  Das  lateinische  wort  mansionarius  —  nebenbei  bemerkt 
—  ist  uns  nhd.  natürlich  ganz  furchtbar  gleichgültig  und  geht  uns 
hier  gar  nichts  an.  so  sicher  wie  Meßner,  Hüfthom,  Maulwurf, 
Wetterleuchten  von  mansionarius,  hiufan,  molt,  leichen  stammen 
und  Berlin  einst  ein  slavisches  dorf  war:  so  gewis  wollen  und  dür- 
fen wir  nicht  mehr  Mesner,  Hiefhom,  Moltwurf,  Wetterleichen 
schreiben  und  sprechen  oder  Berlin  den  Slayen  einräumen,  das 
todte  gehört  der  Wissenschaft  und  ist  ihr  recht  und  ihre  pflicht;  dem 
leben  aber  und  der  ganzen  nation  darf  keine  schOne  errungenschaft 
langen  geistigen  strebens  und  ringens  entrifisen  oder  verkftmmert 
werden,  denn  wer  niMite  Üglich  in  pfedilbanten  leben  oder  die 
fsinde  mit  steinwiffBii  bekimiifoii?  dun  abgetha&e  md  abgetiorbeBe 
liegt  binter  nns  und  vor  uns  fUeches  leben;  nnr  lebenaToIke  nnd 
lebenskrSftigee  kann  noch  sein  ledii  behaupten. 

Fast  ganz  so  steht  es  mit  'Gleisner',  swar  kann  ei  insofern 
nicht  vie  oben  *e  in  seiner  qnantittt  wfiadert  werden,  als  di- 
pbÜionge  immer  lang  sind,  dennoch  hatten  wir  früher  (a.  a.  o.  Y) 
daranf  hingewiesen,  dasx  diphthonge  zwar  immer  lang,  aber  ebenso 
wenig  wie  andere  lange  Yocale  immer  gleichlang  seien;  s.  K  ist  ei 
in  nATen  und  weifen  nicht  so  lang  als  in  reißen  nnd  weißen.  In 
'Gleisner*  aber  ist  das  ei  Oberlang,  wie  es  die  diphthonge  gewöhn- 
lich sind,  auf  welche  scharfe  oonsonanten  folgen,  doch  legen  wir 
auf  wiese  feinere  phonetisofae  Schattierung  hier  weniger  gewicht  als 
auf  die  Tolksefymologie:  -man  frage  einen  gebildsten  Neuhooli« 
deutschen,  was  'Gleisner  oder  Gleilen'  sei;  er  wird  es  nieht  wiaaen 
und  nkht  Terstehen.  man  flbedasse  ihn  sich  selbst,  ond  er  wird  mit 
dem  sichern  taktgeftlhl  des  aatürliehen  und  uttbefingenen  'Gleißner, 
g^ßneriseh'  schreiben,  wie  er  es  sprieht,  und  er  wird,  dM 
wort  an  gleißen,  glUnsen  anlehnend,  sieh  danmter  den  fasudiler 
denken,  der  den  fidschen  schein  und  fßam  sucht,  und  er  wird  sieh 
an  das  wort  erinnern,  nicht  alles  sei  gold,  was  glinzt  und  gleißt.  — 
Mittelhochdeutsches  gllzen  und  mittelhoohdenisches  geliohsdnen 
machen  uns  absolut  weder  kummor  noch  freude  im  neuen  denisohen 
reich,  ein  römischer  Mansionär  kann  uns  kaum  kllter  lassen,  es 
.thut  fikst  weh,  wenn  ein  hochmeister  der  deutschen  spräche  vom 
ränge  Budolf  von  Baumers  hier  und  da  (s.  73)  sieh  yerlsiten  Ittsst, 
unsere  sdiOne  klare  neuhochdeutsche  mutterspraohe  ohne  not  naoh 
fremden  masz  und  abgestorbenen  resten  bemessen  und  beurteilen  m 
wollen,  es  ist  geradezu  schrecklich  neben  nhd.  Schreibweisen  mlid. 
Wörter  oder  gar  fremde  zur  begründung  gedruckt  zu  sehen,  ent* 
weder  ist  der  sinn  der  anh&ngsel  noch  nhd.  lebendig,  dann  sind  sie 
überflüssig  und  bailast;  oder  ihre  bedeutung  ist  im  nhd.  todt,  dann 
sind  sie  verderblich  und  gift  für  das  nationale  spraohbewnstsein,  eun 
fremder  körper  im  gesunden  fleisohe. 

§  25  anm.  2:  des,  genetiv  von  das,  ist  zu  loben  (vgl. 
§65);  aber  von  deßen  und  welTen  ist  auch  das  betonte  deß  und 
weß  idciht  zu  tadeln;  wie  einfach  und  dem  ]^ionetisohen  ohaiaktsr 


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der  Berliner  orthographisohen  conferenz.  191 

unserer  Orthographie  entsprechend  dadurch  die  tonktirze  bezeichnet 
wird,  haben  wir  schon  erwähnt,  vgl.  Indus,  Endes,  Kindes  und 
iadeis  ^  munteres,  unteres,  wunderndes  und  unterdefs.  schreibt  man 
s  *  trotz'  entsprechendem  11",  so  ist  das  zwar  ein  ^einfacher'  buch- 
stabe,  aber  keine  einfachere  Orthographie;  denn  jeder  ähnliche  der 
i0gel  trotzende  fall  musz  besonders  gelernt,  behalten  und  geübt 
werte,  schreibt  man  dagegen  Ts  w  eg«n  des  entsprechmideii  IT,  ,80 
kftben  w  «durch  die  «on»qiienz  dw  regel  flOr  te  Y^rhanrnm  Mar- 
strich  den  gewinn  einer  nicht  uox  ToUkommenem,  soniiem  auch 
«infftebflm  OKtlugi»|fthie;  denn  das  oonaeqnente,  regelmäszige,  natür- 
liche, Tollkommene  ist  evident,  klar  imdeiBfikeh  umd  braucht  nickt 
besonders  geimt  «&d  «ingeycMgt  sa  wmhn,  weil  ea  vom  saliMit  oitt- 
Itodatet. 

§  25  aam.  3:  'anlautendes  sch  Tor  p  and  t  wird 
dnzob  £  beseinlinet,  z,  b.  fpielen,  ftelien%  flbei^dit  die 
Vitt  yfldbraitele  nerddenteeihe  ansspraohe,  welche  m  diesem  fidle  die 
gBMnere  seitt  wttxdSf  wllurand  die  genannte  anssprache  — -  die 
adnift  war  ja  emoli  hier  wieder  das-  nrsprflngliehe  nnd  der  ganaen 
natmi  einbsiÜiche  —  minder  hndistftbHch  ist  die  Mer  aiät  ge- 
asante  iMspraolie  befindel;  sieh  ehre  in  einer  gfinef^am  zeehtelage 
tifl  etwa  die  §  6  nnd  §  19  wmiigstiBa  erwfthnlHi  mnndarton.  wir 
vfinscihen  Ako  mindestens  die  r^el  den  andern  genannten  ant- 
fprsehend  nmgefedirt  nnd  ergänzt:  *anlaatendes  ip  nnd     wizd  im 
Mffden  wUnob  bndistftblieh  (TieUeieht  etwaa  sehirte  ßp  und  ßt) 
anagesproehen,  eenift  iohp  und  ttW*  letarinre  wsqpfaohe  ist  aber 
dieanal  vielleikdit  nicht  ohne  weiteres  zn  verwerfen,    denn  1)  wie 
gesagt  ist  andi  die  apitsere  vielleicht  nicht  ganz  genau,  2)  betrifft 
die  hieitere  nur  fest  bestimmte,  stets  gleichbleibende  unlösliche 
Maonantgruppen,  3)  ermöglicht  sie  genauere  ausspräche  bei  aufein- 
mderfolge  der  laute  s  und  sch,  z.  b.  das  Starke  (=  das  Schtarke, 
sonst  daßtarke),  es  fteigt,  Heeresftärke  usw.,  4)  endlich  ist  diese  in 
der  «erdehnung  des  mhd.  f  zu  nhd.  fch  um  eine  stufe  fortgeschritte- 
nere Sprechweise  wol  die  allgemeinere,   dennoch  schwankt  die  von 
der  buchstäblichen  lesung  abweichende  ausspräche  auch  hier,  indem 
der  Schwabe  noch  sehr  viele  ft  und  Ip  breiter  zerdehnen  möchte,  als 
andere  und,  da  die  Silbentrennung  der  willktir  des  expirationsdruckes 
ranm  verstattet,  auch  wirklich  zerdehnt,  vgl.  z.  b.  Donnerftag  u.  dgl. 
und  selbst  Wörter  wie  Regensburg,  hier  zeigt  sich  die  gefahr  beim 
ersten  abweichen  vom  sonst  üblichen  genauen  lesen,    ist  aber  der 
spitzere  Zischlaut  nach  der  genauem  phonetischen  leseregel  berech- 
tigter, der  breitere  dagegen  der  üblichere,  so  ist  es  hier  vielleicht, 
■wenn  irgendwo,  am  platze,  den  theoretischen  und  praktischen  'pro- 
vinaalismus'  als  gleich  berechtigt  und  gleich  unberechtigt  ohne 
tadel  neben  einander  bestehen  zu  lassen,    dennoch  möchten  wir 
selbst  hier  der  Wahrheit  Zeugnis  geben,  die  spitze  ausspräche  als  die 
genauere,  feststehendere,  die  breitere  als  die  yerbreitetere  aber 
«^wankendere  genannt  wünschen« 


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192 


Kritische  notizen  zu  den  bescMüssen 


§  25  anm.  4:  s tammhaftes  f,  IT,  ß  und  endung  st  « 
II,  fst^  ßt.  es  liesze  sich  der  einfachem  Übersichtlichkeit  halber 
sagen:  die  endung  ft  (eft)  verliert  nach  einem  S-laut  das  eigne  f 
und  wird  zu  einfachem  t;  oder:  nach  einem  (anslautenden)  S-lant 
wird  die  endung  iüt  so  z.  b«  Iftfeft  laft,  UuTeft  Iftfst  oder  läfTt, 
xeißed  rmBi. 

Wir  tragen  noeh  nach,  dasz  die  annähme  der  HeysesoliaB 
S-8ehreibimg  dnreh  Banmer  und  die  conferenz  ein  ent8(^edener 
phonetizoiher  fortechritt  war,  halten  aber  Iz  ffir  H,  auzzer  im  onzlant, 
für  unnötig,  wezhalb  die  8-lante  andere  behandeln  alz  andere  hmte? 
weshalb  nieht  ich  haiTe  er  hafllb,  ich  reife  er  reift,  wie  iiSk  zchnappe 
er  schnappt,  ich  zchwimme  er  zchwimmt,  ich  ztdk  er  ztellt  nzw»? 
—  Fügen  wir  zum  zchlnsze  hinzu,  was  die  phonetUc  noch  etwa  zn 
fordern  hfttte,  worin  etwa  die  bezondere  zchwierigkeit  in  der  be- 
handlung  der  8-laate  gegen  andere  liegt  (vgL  a.  a.  o.  HI  undH). 
bei  den  muten  haben  wir  auf  allen  drei  hanptorganztafen  den  harten 
und  den  weichen  laut,  nichtz  mehr  nichtz  weniger:  b  p,  d  t,  g  k; 
bei  den  nasalen  nur  einen  laut:  m,  n,  ng«  wie  ganz  anders  bei  den 
Spiranten,  die  gutturalen  (und  palatalen)  zeigen  zu  dm  zcharfen  ch 
&a  allzu  weich  und  fluchtig  gewordene  h  und  daz  stets  nur  pzletale 
weiche  j.  Tollkommen  umgekehrt  haben  die  labialen  (und  denti- 
labialen)  neben  d«n  weichen  w  gar  keine  entsprechende  harte  labiale 
zpirans,  die  harte  dentilabiale  f  aber  ist  mit  der  entsprechenden 
weichen  y  im  anlaute  teilweise  vermengt,  einen  ähnlichen,  aber 
doch  etwas  geringem  mangel  zeigen  die  dentalen  (und  labiodentalen) 
Spiranten:  zunächst  haben  wir  hier  allein  vollkommen  das,  was  wir 
suchen,  das  weiche  f  und  das  harte  ß ;  neben  dem  letztem  allerdings 
(auf  das  dentilabiale  f  zu)  das  scharfe  labiodentale  fch.  wenn  es 
aber  mit  den  S «lauten  klarer  und  günstiger  steht  als  mit  den  an- 
dern Spiranten,  woher  dann  die  bunte  mannigfaltigkeit  und  ver- 
wirrende Willkür  mit  den  S-buchstaben?  antwort:  wegen  der 
*einfachheit'  der  Schreibweise!  beweis:  weiches  £  und  alle  an- 
dere nhd.  weichen  Spiranten  w  und  y,  j  und  h  kommen  nicht  nach 
kürzen  vor,  sind  also  nie  verdoppelungsbedürftig.  während  nun  von 
den  meist  nach  schärfangen  stehenden  scharfen  Spiranten  dh  (und 
ebenso  fch)  als  doppelbuchstab  nicht  verdc^pelt  wird ,  f  dagegen  in 
der  gewöhnlichen  weise  S  (nicht  etwa  vv) :  macht  man  bei  ß  leider 
eine  ausnähme,  indem  man  statt  ßß  das  'einfachere'  (und  in 
seinem  buchstäblichen  werthe  nicht  vorkommende)  fl*  schreibt, 
hier  liegt  das  TTpOuTOV  i|/€Öboc!  geschieht  hier  der  erste  schritt  vom 
geraden  wege,  so  kehre  man  auch  hier  zum  richtigen  zurück:  im 
druck  mag  es  dem  setzer  gleich  sein,  ob  er  zwei  ß  oder  zwei  f  zu 
greifen  hat;  wem  im  schreiben  ßß  nicht  schnell  und  einfach  genug 
von  der  band  will,  der  bediene  sich  des  runden,  ß- ähnlichen  buch- 
stabens,  der  ja  auch  meist  für  ßß,  bez.  fl' gemacht  wird;  nur  ver- 
meide man  es  gänzlich  zwei  weiche  s  zu  schreiben  und  zu  drucken, 
wo  man  doch  zwei  scharfe  ß  meint  und  spricht ;  denn  schreib,  wie 


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der  Berliner  orthographisohen  conferenz*  133 

da  sprichst!    mit  dieser  allzu  natürliohen  und  im  grande  selbst- 
verständliohen  einzigen  und  einüftohen  reform  wSre  uns  für  immer 
geholfen.  —  Auf  dem  genannten  abwege  aber  ratsoht  man  weiter: 
langes  (weiehee)  £  sieht  am  wortende  nicht  gut  aus,  sagt  man;  die 
liebe  zur  abnmdmig  nnd  yerschnOrkelnng  schreibt  statt  dessen  im 
auslaat  sohluss-s;  das  mag  noch  angehen,  obschon  das  weiche  8  mit 
dieser  doppelten  buchstabenform  einzig  dasteht  nnd  ans  der  reihe 
der  strengen  phonetik  und  aller  andern  bnchstaben  heraustritt  aber 
weiter:  wo  man  den  scharfen  S-lant  ß  sweimal  hfttte  sitoiben 
ftoUeni  sehreibt  man  'elnfocher*  swei  weiche  (lange)  S-bnch- 
staben,  also  IT.   dieser  bndistab  soll  aber  nnn  am  wortende  ja 
nidit  xedit  passen,  nnd  so  mfiste  er  im  anslant  sn  fs  werden,  daxin 
lige,  asdhdem  die  innere  oonseqnens  der  lantliohen,  phonetischen 
bflseiehnong  des  lants,  ßß,  yerlassen  ist,  mindestens  noch  eine 
iQSierliche  consequens  der  bnchstlblichen  graphischen  behandlung 
des  idcheiis.  SzCb^Czs*  —  EndUdh  noch  der  letste  fidl:  fii  ist 
mm  wieder  noch  ein  nnbeqnemer  doppelbnchstabe;  wie  manchen  S 
noch  nicht  ^einfadi'  genug  ist,  und  sie  dafltr  das  einfache  nrnde, 
dem  ß  flhnHehe  zeichen  schreiben ,  so  ist  es  nun  auch  wiederum  be- 
quemer und  'einfischer',  statt  Ts  das  handlichere  ß  su  setzen !  alles 
aBmer  'einfacher'  und  immer  bequemer!  —  Aber  wohin  sind  wir 
diHiit  gekommen?  wir  hatten  ursprünglich  zwei  scharfe  S,  also  ßß 
schreiben  sollen,  wir  haben  als  praktische  leute  die  schrift  in  weitem 
breislauf  stets  'einfacher'  und  bequemer  gestaltet,  bis  wir  schliesz- 
hdi,  als  der  zirkel  ganz  durchlaufen  war,  ein  ß  ganz  profitiert 
hatten,  kann  man  mehr  *einfachheit*  verlangen?   aber  freilich  ist 
nun  im  zirkeltanz,  auf  der  jagd  nach  buchstäblicher  *einfachheit' 
der  phonetische  zweck  aus  den  äugen  verloren  gegangen ,  weshalb 
man  ß  hatte  verdoppeln  wollen:  es  fehlt  jetzt  bei  ß  an  der  bezeich- 
nung  der  vocalkürze;  der  Schoß  würde  jetzt  aussehen  wie  der 
J5cb8ß,  der  innere  gehalt  und  die  äuszere  gestalt  von  Röß  erscheint 
uns  dunkel  wie  Ruß;  man  liest  und  spricht  (verh.  s.  71  und  97) 
lange  vocale  kurz  und  kurze  lang,  so  z.  b.  wechseln  in  einem  jüngst 
in  Oesterreich  erschienenen  namhaften  werke  formen  wie  *am  SüH'e- 
sten'  und  'verstofl'en'  mit  solchen  wie  'faßen'  und  'beschießen', 
da  musz  hülfe  werden!    besinnen  wir  uns,  wo  wir  wenigstens  so 
eben  noch  besser  daran  waren ,  oder  ersinnen  nnd  erfinden  wir  viel- 
mehr mit  Heyses  Scharfsinn  aufs  neue  das  fs ,  welches  uns  statt  des 
falschen  ß  wenigstens  wieder  vorausgehende  kürze  kennzeichnet, 
aber  zu  wenige  haben  lust  diesen  6inen  schritt  rückwärts  im  kreis- 
l^f,  oder  den  abhang  hinauf  zum  alten  richtigeu  stsndpanot  zurück 
2u  thun  nnd  dort  stets  festsusteben  ohne  zn  sinken*   nur  der  eine 
|ffld  der  andere,  nicht  das  ganse  Tolk  istHeyse  zum  fs  zurück  gefolgt, 
jetzt  werden  wir  zu  einem  neuen  aolauf  aufgefordert  diesen  letzten 
schritt  des  irrwegs  wieder  gut  zu  machen,  in  der  that  fs  für  ß  nach 
^t^en  ist,  da  der  frühere  weg  ein  ingang  war,  immerhin  ein  fort- 
^tt  oder  vielmehr  ein  rücksohritt  zum  bessern  hin.   wenn  aber 


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194 


Kritifiche  uotizen  zu  den  beacbltaai 


der  irrweg  ein  zirkeltanz  war,  warum  nur  einen  schritt  zurück  zu  Is 
für  8cblu8z-ll\  warum  überhaupt  zurück,  vielleicht  die  ganze  kreis- 
runde strecke?  warum  nicht  noch  einen  kühnen,  festen  schritt  Tor- 
wärts  zu  ßß  für  IT,  und  wir  stehen  wieder  wie  im  anfange  auf  dem 
allein  vollkommen  richtigen  standpunct?  und  wir  verdoppeln  nun, 
durch  unheü  gewitzigt ,  scharfes  ß  wie  alle  andern  bachstaben  ooi- 
sequent  und  principiell  auf  die  höchst  einlache  weise,  dass  wir« 
zweimal  schreiben,  merkwürdig  einfach  naä  «inleoohteiMl;  weichet  f 
md  echarfes  ß,  yerdoppelt  Bd,  geradt  wk  wodm  w  vmä  w ud 
«eharfes  f »  Tccdoppelt  ff,  gerada  wie  weiobes  b  aad  d  imd  «tete  p 
und  T«Kdoppelt  pp  und  U  usw.  merkwArdig  nstOrlieh  md 
faolil  «nd  doob  —  «rawem  wir  nasl  —  wir  et  luui  eiuMd  mM 
^ma&n6k*  genug,  und  wir  erinelt»  ao  Tie!  ^einfiMhma'  mtA  Mdi 
««inÜMshares*,  dus  wir  et  kaum  rateinaader  an  halten  ▼cnatiifat} 
und  dach  Terfidüteu  wir  den  zwack,  dan  wir  b«  fi  wit  bei  aUia  «a- 
aanantaa  aoc^  der  Terdoppelnig  erreichen  wallten,  trott  oderTid- 
2nahr  wiegen  der  ^aiafachan*  aunaigfaltigfcaii  oder  dar  mhn  m- 
fachen  S-ieiahen;  dean  unter  te  band  wwt  uaa  doppeltet  60  alt 
mfiUiab  an  eiafaclMHn  ß  gotaameggeaabnimpft  und  htina  fgamA- 
tilt  ataad  Tor  ß  mehr  Itat  und  aiobar.  jettt  woUten  wir  gtm  bt- 
adieidaaer  tain  und  uaa  dat  richtigen,  deuQiahea  und  dofäh  tiitB 
dantüdikait  mhitihm  und  liabem  ßß  franaa,  wenn  wir  aa  marant 
hStten. 

Wir  haben  damit  die  antwi^liiag  oder  riehftigar  die  larwick- 
lung  unterer  B«buchttaban,  ao  wie  ihre  mgglicha  relorm  tibecretiscli 
constnuert;  nidit  wie  aia  nah  in  ttrang  chnmolagiacbar  folge  tiut- 
sSchlioh  pnnct  für  punot  ordnet,  tondem  wia  auoL  eina  dnnddtalBae 
reihe  rückblickend  in  gadanhen  nach  innerer  Ordnung  poMt  an 
punat  aich  folgen  läszt  nach  Verwandtschaft  und  caussdnexus.  wer 
die  geeduchte  der  S-Iaute  und  S-buchttaben  kennt,  dem  brauchen 
wir  nicht  zu  bemerken ,  dasz  hier  keine  naohslUiiang  dar  geschicht- 
lichem antwiakluig  und  folge  beabtichtigt  war,  sondern  aiaa  nach- 
recfaniing,  eiaa  Mgarichtige  conatmatiian  dat  gatahahaaea  und 
wickelten. 

Man  verzeiht  diesen  excorti  gewitta  klare  und  einfache  dinge 
können  nicht  klar  und  einfach  genug  gesagt,  nicht  zu  oft  bewieset 
und^  wiederholt  werden,  bit  sie  allgemein  aaerkaaat  und  durcfa- 
gaHUirt  sind,  wann  diat  gatchieht?  einmal  wird  es  geschehen,  weil 
ea  geschehen  mnsz ;  wann?  wer  waiat ?  worden  nicht  noch  beute 
die  mit  matt  und  erfolg  begonnenen,  edlen,  sprachreinigenden  be- 
strebungen  unserer  höchsten  behövdan  (a.  b.  fOr  post-  und  kriegs- 
wesen)  noch  täglich  verspottet?  sei  es  durch  die  ennnerung  ^ 
frühere  überspannte  fehlversacfae  oder  durch  mutwillige  entstell ujig 
der  berechtigten,  ja  notwendigen  reform?  und  wie  lange  haben  wir 
von  der  deutschen  einheit  gesungen  und  geträumt?  und  gertde 
jetzt,  wo  diese  erreicht,  ist  die  gelegenheit  wol  für  lange  unwiedsr- 
bringKch  günatig  und  legt  uns  allen  demgemttsae  pflichten  auf:  die 


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der  fierliuer  orthographisohea  caaferonz.  185 

gunst  der  zeit  besteht  darin,  dasz  eine  reform  im  gange  ist;  ver- 
pflichtet aber  ist  jeder,  der  ein  herz  für  seine  muttereprache  hat,  fttr 
seinen  teil  daran  mitzulernen  und  mitzulehren,  dasz  dem  ettigen 
Taterlande  die  gemeinsame  muttonpraohe  in  iDifiglichster  reinheit 
imd  volkstttmliebkeit  dM  inhalts  wie  der  anaepiaehe  und  dss  aclinft- 
liehen  form  gegeben  und  erhalten  werde. 

Und  letztere  reform  ist  noch  aus  besonderem  gründe  *  erleich- 
tert, die  entsprechende  pflicht  sei  doiefametzen  noch  beeondeni 
dringlich :  weil  die  einfUhrung  der  sogenannten  lateinischen  runden 
statt  der  eckigen  deutschen  schrift  duieh  die  yecinderte  form  der 
einzelnen  buchstaben  zugleich  eine  änderoBg  in  4em  bieherigitt 
Mlai  gebrauch  dieser  buäistaben  erl^ohtert;  weil  mÜ  dem  suräk- 
giei&n  cu  den  urq>rttnglidien  bnchatabenformen  mgleieb  die  her- 
BkUbag  der  imprOnglidi  licktigen  anwendnng  dieser  formen  fltar 
ihn  Mitsprechenden  laut  erleiolitnrt  und  geboten  ersebeint. 

Wir  sind  damit  bei  §  26  aiigelsngt,  der  von  der  wiedergab« 
dsB  deutsehen  8  in  lateinischen  buchstaben  handelt 
—  Auch  dayon  war  bei  anderen  lauten  und  buchstaben  keine  rede, 
und  mit  recht;  weQ  eine  sadh-  und  «inngemHwe  anwendnng  der 
flbngen  lantseichen  fttr  die  beireffenden  laute  ihre  wiedra^be  mit 
«nti^reohenden  lateinischen  seidien  so  eialMh  maehte,  dass  es 
•tenso  Uberflflssig  war  mn.  wort  dailkber  sn  verlieren. 

Itk  der  besonders  sorgfältigen  und  Vereinfachenden'  behandlung 
oder  ndshandlung  der  S-laute  in  der  deutschen  schrift ,  in  dem  vor- 
biadensein  und  der  notwendigkeit  des  §  26  spiegelt  sich  nun  noch- 
mals der  ganze  in-  und  kreislauf,  den  wir  früher  besprochen. 

Zwei  wege  zum  ziele  scheinen  zunächst  möglich,  entweder  wir 
gehen  von  der  ausspräche  aus  und  übersetzen  unsere  beiden 
8-laute  durch  zwei  möglichst  einfache  S-buchstaben  etwa  weiches 
8  und  hartes  ß  (oder  weiches  f  und  hartes  s)  und  verdoppeln  den 
scharfen  auch  so,  wie  er  ist  ßß  (oder  ss);  das  wäre  der  phonetische 
einfache  weg:  zwei  laute,  zwei  buchstaben;  und  der  buchstab  wird 
Terdoppelt,  dessen  laut  man  meint,  oder  wir  gehen  von  der  schrift 
aus  und  übersetzen  unsere  —  S-buchstaben  ins  lateinische,  alle 
unsere  vielen  S-buchstaben  ganz  genau,  buchstaben  übersetzen, 
der  ausdruck  macht  schon  stutzig;  —  das  wäre  der  'einfache'  buch- 
stäbliche weg:  langes  f  wird  f,  rundes  scbIusz-§  wird  s,  §  bleibt 
ganz  so  oder  ähnlich  ß  oder  auch  wörtlich  fz  oder  sz;  doppeltes 
langes  |f  wird  Ql\  allenfalls  auch  ss;  schlusz-f^  wird  fs.  —  Wül  man 
sich  einmal  an  unsere  S-schreibung  mitsamt  der  Hejse'schen  nach- 
besserung  anklammem,  so  ecmfiglidit  die  buehstttbUeh  genaue  Über- 
setzung der  —  buchstaben  event.  auch  Scheidung  des  snsammen- 
tceffenden  S-sus-  vmd  snlaats  sf  fsf,  z.  b.  diesfeitig,  Flufsfand  u.  dgl. 

Dasz  die  erstgenannte  phonetische  vTiedergabe  der  S- laute  und 
8 -buchstaben  die  beste  und  wahihafit  einfachste  ist,  dasz  sie  allein 
dieselben  wie  alle  andern  laute  und  zeichen  und  dem  phonetischen 
^^Mnikter  unserer  spräche  gemtobehendelti  bedarf  keines  beweises. 


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196 


Kritisohe  notizen  zu  den  beschlüsBen 


b  :  p  :  pp  =  d  :  t :  tt  =  s  :  ß  :  ßß  (oder  =  1* :  s  :  ss)  ist  evi- 
dent und  ein  axiom.  —  Jede  mittelstrasze  aber  zwischen  den  ge- 
nannten beiden  wegen  kann  weder  zur  phonetisch  genauen  wieder- 
gäbe der  deutschen  S-laute,  noch  zur  buchstäblich  genauen  wieder- 
gäbe der  deutschen  lautzeichen  führen.  —  Doch  betrachten  wir  das 
einzelne. 

§26  erlaubt  zunächst  für  deutsches  langes  s  lateinisches  langes  f 
und  rundes  s,  also  laufen  und  sausen!  wol  auch  saufen undfausen?  — 
Zwei  lateinische  zeichen  willkürlich  für  ein  deutsches  zeichen ,  wel- 
ches schon  verschiedenen  laut  bedeutete,  ist  ein  doppelter  überflusz. 
sowol  mangel  als  überflusz  an  buchstaben  ist  aber  ein  phonetischer 
nachteil.  —  Für  das  nachweislich  scharfe  S  (wenn  wir  uns  nach  un- 
serer obigen  vereinfachten  weise  ausdrücken)  soll  fs,  verdoppelt  ss 
stehen.  —  So  vereinfacht  ausgedrückt  (in  §  26  nimmt  das  gesagte, 
den  §§  24  nnd  25  entsprechend,  nattlrlich  viel  mehr  räum  und  an- 
strengung  der  aufmerksamkeit  in  anspmch;  vgl.  darttber  das  firOhere) 
wOrdt  nnsm  laielaisohe  8*8elireibuug  nodi  überHeyBM  standpimct 
binsiis  einen  sweiien  rllckscliEitl  ram  bosBini  inneHialb  des  geieieli* 
neton  kreisweges  enthalten,  wir  hatten  firllher  (§  24  nnd  35)  1)  wei- 
ches f  nnd  ^,  2)  sohacfes  %  3)  verdoppeltes  nnd  ff.  Mer  (§  26)  haben 
wir  1)  wdohes  fnnd  s,  2)  soharfee  is,  3)  verdoppeltes  ss.  —  Unter- 
suchen wir  vor-  nnd  nadhteile  nnd  die  möglichkeii  weitem  forfe> 
Schritts,  ein  phonetisoher  fortsdiritt  liegt  in  3)  ff  nnd  f —  as. 
wir  haben  ^  doppel-S,  fd,  das  wir  mit  genauer  not  dnreh  Heyae 
▼on  %  unterschieden  und  seinit  retteten,  nnnmdhr  vollends  mit  dem 
eigentlieben  doppel-S ,  zu  dem  es  gehört,  vereinigt  flberflttssi^f  ist 
fj^  besonders  deshalb  geworden,  weil  der  graphische  mangel  des 
deutschen  langen  ff,  welches  ja  am  wortende  soUechter  als  ff  «os- 
sehen  soll,  bd  dem  lateinisehen  ss  fortftUt»  —  Bin  rUckschritt,  nnd 
zwar  ein  doppelter,  liegt  in  2)  §  Is;  einmal  ein  phonetiscfaer,  in- 
dem fibr  das  einÜMhe  seichen  des  einfiM^hen  harten  S-kmtes  {%)  im 
lateinischen  ein  doppehEeichea  fs  eintritt;  sodann  ein  graphischer, 
da  dieses  b  bnchstSblich  dem  dentschen  f  nnd  nicht  dem  %  ent- 
spricht. —  Kein  fortschritt  mindestnu  li^  endUdi  in  1)  f  imd  ^ 
mm  fnnd  s;  denn  es  ist  einerseits  die  anwendnng  von  f  nnd  s  für  f 
ganz  willkttrlich  gelassen ;  vgl.  oben  fanlen,  sausen,  fansen  und 
saufen ;  und  doch  ist  dann  wiederum  für  ^  nur  s  erlaubt,  z.  b.  Haus, 
nicht  Häuf,  trotz  Hansee  und  HauTes.  das  verfahren  unter  1)  ist 
also  betreffs  des  auslautes  überSagstlich  und  ultraphonetisch,  im 
inlaut  willkürlich  und  nicht  streng  graphisch. 

Haben  wir  oben  zu  §  24  und  25,  als  wir  nach  ÜMt  vollendetem 
kreislauf  dicht  vor  dem  ausgangspunct,  dem  verlassenen  wahren 
ziele,  standen,  den  letzten  sdiritt  zu  diesem  ziele  vorwärts  auf  der 
kreisbahn  anempfohlen :  so  wollen  wir  hier  zu  §  26 ,  wo  schon  wie- 
dei:.  mehrere  schritte  rückwärts  auf  der  kreisbaiin  durchlaafen  sind, 
einmal  zusehen,  wie  weit  wir  nach  dieser  richtnng  hin  vom  allein 
phonetischen  aaiangspunet  noch  entfernt  sind. 


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der  Berliner  ozthograpluBoheii  conferenz. 


197 


1)  f  neben  ^  war  eine  vom  phonetischen  standpuncte  über- 
fillssige,  also  schädliche  zerteüung  «ines  buchstaben,  die  bei  keinem 
andern  lanie  Torkommt;  haben  wir  mit  recht  (unter  3)  f Ür  und 
ff  nur  ssy  so  Terlangt  die  conseqneiu  (unter  1)  entspreohend  f  Ur  f 
und  ^  auch  nur  6in  seichen,  entweder  £  oders,  nicht  beide. 
eins  wird  entbehrlich. 

2)  g  als  einfaches  zeichen  des  einfachen  S -lautes  war  in  jeder 
beziehung  besser  als  fs,  ein  doppelbuchstab  für  einfachen  laut« 
hatten  wir  so  ebttn  ein  einfadhee  lateinisches  zeichen  zu  yie!,  so  ist 
hier  eins  zu  wenig,  entweder  nehmen  wir  oben  eins  hierher  —  diee 
wllida  einen  bekannten  bndistaben  in  seinem  lautUohen  werthe  nen 
festsetzen  und  ttndem;  oder  wir  ttbenetzen  hier  nicht,  lassen  fttr 
iinsem.  eigentfimlichen  deutschen  scharfen  S*laut  das  bestehende 
zeieben  %  so  (oder  ganz  ittmlich  ß)  fortbestehen  —  dies  wttrde  einem 
in  seinem  kntUchen  werthe  bekannten  feststehenden  buchstaben  des 
deatsohen  abc  in  dem  lateinischen  einen  platz  anweisen,  aber  das 
lateinische  abc  soll  eben  jetzt  an  die  stelle  des  deutschen  treten, 
gut,  wo  es  entqvrechende  zeichen  hat;  wo  sie  fehlen,  da  bereichern 
wir  die  nmde  lateinische  schxift,  indem  wir  dieses  aus  emer  geraden 
linie  und  zwei  kreisbogen  bestehende,  also  aus  den  der  antiqua  ent- 
spzedienden  bestandteilen  gebildete  zeichen  aufnehmen,  event. 
kleine  eokchen  abschleifen. 

Wir  hätten  so  im  lateinischen  abc  entweder  weiches  f,  scharfes 
ö ,  doppeltes  ss ;  oder  weiches  s ,  scharfes  ß ,  doppeltes  ss.  dem  er- 
stem steht  die  seltene  type  i"  (die  in  der  bandschrift  etwa  durch 
deutsches  b-zeichen  oder  durch  deutsches  lang  j  wiedergegeben,  am 
wortende  'nicht  recht  passt')  im  wege;  dem  letztern  der  umstand, 
dasz  statt  ss  streng  genommen  noch  ßß  eintreten  müste;  doch 
würde  SS  im  lateinischen  nicht  in  die  läge  kommen  können ,  wie  ff 
zu  fg  und  1^  zu  werden,  da  dem  ss  am  wortschlusse  keinerlei  gra- 
phische bedenken  ankleben. 

Sollte  jedoch  der  früher  (zu  §  24  und  25)  genannte  letzte  noch 
nicht  gethane  schritt  vorwärts  zum  ziele  (ßß  statt  ff  und  fy)  zu  steil 
und  schwierig,  der  halbe  noch  rückwärts  zu  durchschreitende  weg 
zu  demselben  ziele  zu  weit  und  ermüdend  erscheinen,  so  wäre  wenig- 
stens noch  das  aufgeben  des  einfachen  f  oder  des  einfachen  s  zu 
wünschen,  fällt  das  einfache  1",  so  sehen  wir  dem  Ts  wegen  des  in 
ihm  enthaltenen  vorragenden  f  sofort  den  scharfen  einfachen  S-laut 
an ;  fällt  einfaches  s,  so  ist  das  scharflautende  doppelte  ss  nicht  mehr 
dem  zeichen  nach  doppeltes  weiches  S,  und  der  fortschritt  vom 
weichen  zum  einfachen  harten  und  doppelten  harten  S-laut  spiegelt 
sich  nicht  übel  in  f  zu  fs  zu  SS.  freilich  springt  dann  der  überflnsz 
des  r  in  fs  erst  recht  in  die  äugen  und  die  schädliche  scheinverdop* 
pelong  des  einfachen  scharfen  S-lautes.  denn  weiches  f,  scharfes  s» 
do|qpeltes  ss  würde  dasselbe  einfacher  und  genauer  bezeichnen  und 
die  möglichkeit  des  s  in  sp.  und  st  (stigma)  u.  dgl.  gewähren,  deren 
laat  eher  dem  scharfen  ß  oder  dem  verwandten  sch  gleichti  als  dem 


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198 


KhÜBche  Botizeu  2a  den  beschluMen 


weichen  f.  auch  würde  der  weichere  bogen  in  f  /  und  der  schärfere 
in  8  dem  lautlichen  gehalt  sinnbildlich  entsprechen. 

Keine  principiellen  gegner  der  eckigen  deutschen  buchstaben, 
möchten  wir  doch  hier  noch  eine  einzelheit  für  den  fall  der  ein- 
fUhrung  des  lateinischen  abc  nachtragen,  sind  doppelte  buchstaben 
für  einfache  laute  vom  tlbel ,  so  ist  der  dreifache  buchstab  sch  für 
den  entsprechenden  einfachen  laut  gewis  besonders  unpassend, 
auszerdem  mag  seine  Zusammensetzung  wol  auch  seine  bisherige, 
wie  wir  glauben  unrichtige  lautliche  werthschfttzung,  so  wie  seine 
münstcrländische  ausspräche  leider  mit  beeinfluszt  haben,  das  sch 
hat  mit  eh,  mit  den  gutturalen  oder  auch  nur  palatalen  oder  lingua- 
len nichts  zu  schaffen  (s.  0.  und  a.  a.  0.).  er  ist  wesentlich  ein  rein 
dentaler ,  wo  nicht  gar  labiodentaler  scharfer  Zischlaut,  sein  erster 
bestandteil  s  (event.  ™  ß)  wäre  also  eher  am  platze,  und  da  bei 
demselben  mehr  hauch  oder  athem  verbraucht  wird  als  bei  dem  ge- 
wöhnlichen scharfen  S,  so  mag  auch  sein  letzter  bestandteil,  das  h, 
allenfalls  bleiben,  so  lange  wir  kein  einheitliches  zeichen  für  den 
einheitlichen  laut  sch  haben;  das  c  aber,  dessen  Mlen  man  jetzt 
schon  wünschen  möchte,  dürfte  bei  der  lateinischen  Umsetzung  der 
Schrift  vollends  geftchtet  werden,  sh  für  sch  entfernt  sich  nicht  zu 
sehr  vom  hisherigen  aussehen,  entspricht  dem  gebrauche  anderer 
modemer  sprachen,  gibt  den  lautlidien  geh^  trefflich  wieder  und 
ist  Midlich  Yon  dem  doppellante  soh  rnttendnadeii,  d«r  selir  oft, 
z«  b.  bei  aU«ii  TerUanenoigsfoniiai  dtr  aof  8  wmäMkmdm  sttmine, 
Torkommt.  wir  dfabea  muA  Idar  mehr  an  scfaneUe  orioitimuig 
beim  leeen  des  betreteden  twUum  aÜa  an  di«  Btitkmm  möglieh- 
keit,  dass  ganze  wOrter  dadurch  ganz  ühnlidi  wüidoi,  z.  b.  LOs'ohen 
und  lOscheB.  doppeUaniandes  ah  kommt  viel  seltaner  vor  und  ist  im 
lesen  deshalb  wol  ebsMo  nnschnldig  wie  ph. 

§  27  Uber  x.  sind  doppelbnohstaben,  zwei  oder  drei  zeiobes 
für  einen  einlachen  laut  (sch,  ch,  ng),  immer  nnd'  in  jeder  beziehnng 
Tom  flbd,  so  sind  die  doppeloonscnaiiteB  z  nnd  x  je  ein  zeichen  für 
zwei  lante  (nach  kürzen  genau  genommen  fDr  drei  buchstaben)  anch 
nidit  streng  phonettsdi;  da  jeder  laut  seinen  besondem  bnehstabenv 
jeder  bnehsiab  seinen  besondem  lant  ImbeB  soll,  aieht  m^  nnd 
nicht  weniger,  doch  sind  jene  doppelbncfastaben  dazu  umstSndfidi 
imd  weitschweifig,  diese  letztem  doppellaute  wenigstens  nur  'ein- 
ftoh*.  dennoch  oder  deshalb  sind  auch  sie  vom  bOsm,  einmal  wegeni 
der  Schwierigkeit  ihrer  verdoppaluttg  nnd  trennung,  sodann  noch 
mehr,  weil  sie  entweder  das  lebendige  8i«aobgefttbl  der  natiim  ver- 
dunkeln oder  neben  den  aufgelösten  zeichen  (z  neben  ts,  x  neben  ks 
usw)  einherlaufen  müssen:  also  maanigfidtigkeit  und  überflusz  statt 
vemieintlicher  Übereinfachheit  nnd  durch  diese  *ein&cbheit'.  wie 
es  besser  wäre  für  ck  kk  zu  schreiben,  so  wSre  ks  besser  als  x. 
haben  wir  aber  einmal  beide  und  auszerdem  noch  cks ,  chs  und  gs, 
so  sollte  wenigstens  jede  unlösliche  consonantenverbindung  der  art 
durch  X  bezeichnet  werden  (wie  bei  z  anszer  Lotse),  s^kn  also  die 


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der  BMliner  ortbogxaphiach«a  oonfmnz. 


199 


drei  x  in  den  drei  wörtem  des  ersten  absatzes  Axt,  Hexe,  Nix  und 
Nixe,  statt  Akst,  Hekse,  Niks  und  Nikse  bleiben  —  wir  sehen,  es 
sind  nur  drei  bucbstaben  gewonnen  —  so  können  auch  die  achtzehn 
Wörter  des  zweiten  absatzes  ohne  Verdunklung  lebendiger  stimme 
chs  mit  X  (statt  mit  ks)  irertauschen  (nur  drehen  und  drechseln 
möchte  mancher  vielleicht  nicht  gern  auseinanderreiszen V).  denn 
chs  widerspricht  der  ausspräche  =  ks,  und  kein  wort  des 
ersten  oder  zweiten  abschnittes  hat  langen  einfachen  vocal,  so  dasz 
also  X  (wie  z)  auch  hier  stets  kurzen  einfachen  vocal  oder  einen 
diphthong  vor  sich  hätten,  und  die  lautgemäsze  Verdoppelung  kx 
(wie  tz)  stets  tiberflüssig  wäre.  —  Anders  mit  gs  und  ks,  bez.  cks! 
hier  gehört  die  gutturale  stets  zum  lebendigen  stamm ,  das  s  ebenso 
zur  endung ;  vor  einfacher  gutturale  ist  der  vocal  lang :  Üugs  (im 
Flug),  nach  kurzem  vocal  tritt  Verdoppelung  ein:  Häeksel  (Ge- 
haektes). 

(lehlttM  folgt.) 

Masiawsileb  bbi  Düssn.  P.  Didolff. 


18. 

DIE    ALTEN    LIEDER   DES    QÜINTUS    HORATIUS    FLACCUS    IM  NEUEN 
GEWÄNDE  VON  DR.  FELIX  KÖSTER  ZU  NAUMBURG  A.  D.  SAALE. 

Würzburg  1877.  selbstvctiag  von  Paul  Schulze,  debit  für  den  buch- 
haadel:  Leo  Woerl  in  Würzburg. 

Der  unteneiGlinete  batte  im  jabro  1876  in  der  leitadhrift  fittr 
gjsmaaialweBeB  b.  477 — 503  eine  raÜM  von  Homabertn^fiuifen  sn 
miutern  gelegenheit  gehabt  und  sieh  in  ttberansünunnag  mit  Su 
Siekhoff  in  diefl«n  jahrbttdiem  1871  dabin  augeeproctaiy  daas 
die  Ikberaetsrange«  des  BOmen  in  gereimten  rtrophai  den  vorzog 
verdieneiL  vor  der  nachahmimg  der  antiken  formen ,  was  auch  die 
nachbildongen  eines £manael  Geibel  nur  zu  beetfttigen  schienen.' 
es  ist  aufs  lebhafteste  zu  bedanem,  dasz  ein  si^raekknndiger  und 
difikter  angleich  wie  er,  es  verschmäht  hat,  uns  einen  deutschen 
Horaz  zu  schaffen ,  —  leider  hat  sick  auch  sonst  noch  immer  kein 
congeniake  talent  an  diese  aoijgabe  gemacht,  gute  ausätze  sind  von 
Stadelmann,  Günther,  Bürger  gemaekt  worden,  —  dabei  ist  es  aber 
geblieben,  und  nun  haben  sich  eine  menge  von  dilettanten  Uber  den 
nngltloklieken  Venusiner,  als  eine  willkommene  beute  für  ikre  ym» 
Hbnngen,  gestürzt;  es  vergeht  kein  jähr,  in  dem  nicht  von  irgend 
mm  der  ^gebildeten'  eine  misgeburt  nicht  ohne  die  jammerreick- 
Bten  gebortaeckmerzen  ans  lickt  befördert  wird,  die  beides  bezeugen, 


'  bezüglich  der  Übersetzung  von  W.  Osterwald,  welche  1875  unter 
dem  titel  «Boiatias  lieder*  ersebieB,  verweise  ieh  enf  den  oben  «age- 
ftbrtea  artlkel  der  Berliner  aeitsckiift  IBr  gymnaeien. 


200     F.  Köster:  die  alten  lieder  des  Quiutus  Horatius  Flaccus. 

dasz  der  Verfasser  eigentlich  längst  mit  seinem  latein  zu  ende  ist, 
bein  geliebtes  deutsch  aber  keineswegs  so  zu  handhaben  versteht, 
wie  man  es  doch  auch  von  einem  ehemaligen  gjnmasiasten  zu  er- 
warten hat. 

Merkwürdig  ist  es  dabei,  dasz  diesen  elaboraten  eine  so  ge- 
schmackvolle ausstattung  zu  teil  wird ,  wie  man  sie  bei  gediegenen 
wissenschaftlichen  werken  vergebens  sucht,  —  so  das  am  angeführ- 
ten orte  charakterisierte  machwerk  von  R.  Minzloff,  so  die  nicht 
viel  besser  gelungene  Übersetzung  des  herm  doctors  der  medicin 
*  Felix  Köster,  die  uns  soeben  vorliegt. 

Aus  der  vorrede  zu  derselben  geht  hervor,  dasz  der  Übersetzer 
anszer  allem  zusammenhange  mit  den  arbeiten  seiner  Vorgänger  steht, 
er  kennt  sie  offenbar  gar  nicht,  gelehrte,  denen  Mas  latein  aus- 
gegangen', die  aber  *nach  dem  verrauschen  flüchtiger  jngend'  noch 
einmal  zu  ihrem  alten  freunde  zurückkehren  wollen,  aber  aaoh  wASBÜec 
denkt  er  mch  mite  seinen  lesem,  denen  er  ^duroli  eme  fliesmide 
ttbersetznng  mehr  gesehmaek  an  dem  lorbeergekrOnten  diehter  Ter- 
sohafibn  will%  als  er  edbet  demselben  unter  des  at^gm  Kirchner 
leitung  auf  der  achnlbaak  Sehnlpfortas  abgewinnen  konnte,  wir 
haben  hier  das  aufrichtige  gestttndnis  eines  Portensere  Ober  die  ge- 
schmacklose art  der  interpretation  gewisser  phflologen ,  die  die  an- 
mnt,  die  lebensfrisdie  diehterindiTidualität  in  einem  sehwall  Istei« 
nisohen  notenkrams  begraben,  das  gestttndnis  eines  Zöglings  einer 
der  ersten  deutschen  humanistenschnlenv  das  nns  Horasinterprete& 
wol  zu  einer  einkehr  yeranlassen  kann,  —  vor  allmi  andern  die  gegnor 
Carl  Naacks  nnd  die  yerehrer  yon  Hermann  Schütz! 

Wenn  der  hetr  doctor  der  medicin,  der  nch  eine  so  schOne  auf- 
gäbe gestellt  hat,  nm  nachsieht  bittet  fOr  die  etwaigen  *bOcke,  die 
er  geschossen',  so  kOnnen  wir  gestrengen  herren  philoU^n  leider 
Ton  unserer  strenge  nichts  nachlassen,  denn  wenn  dem  herm  doctor 
sein  latein  bereits  schwankend  geworden  ist,  dann,  —  ja  glanbt  er 
denn,  dasz  es  nicht  doch  noch  leute  geben  kSnnte,  die  von  der 
Sache  mehr  rerstehen  als  er?  musz  er  denn  durchaus,  was  er  noch 
von  der  alten  knnst  profitiert  hat,  gedruckt  unter  die  leute  bringen, 
die  für  ihr  schönes  geld  doch  auch  etwas  rechtes  gekauft  haben 
wollen? 

Nun,  unter  einer  bedingnng  wollen  wir  die  böeke,  wenn  ihrer 
nicht  gar  zu  viele  herumlaufen,  und  zu  gewichtige,  nidit  zu  scharf 
unter  das  messer  nehmen,  —  unter  der  bedingung,  dasz  die  formalen 
Torzüge  der  Übersetzung  einige  materiale  mBngel  mit  glSnzend  schö* 
nem  gewande  verdecken,  nous  verrons ! 

Wir  sdblagen  die  erste  beste  stelle  auf:  IH  12  Miaewum  est 
Köster: 

Mädchen,  das  nicht  darf  mit  Amor  spielen, 
nteht  mit  sekt  die  sorgen  nieder  spülen, 
weil  es  fürchtet  onkeU  lorn  za  Ahlen, 
solches  mHdohen  ist  gta  Übel  dran. 


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F,  Köster:  die  alten  lieder  des  Quintus  Uoratiug  Flaccus.  201 

Der  beschwingte  knabe,  Neobale, 
der  CMheftt  eobBi         dir  die  epiile 


siebet  toa  Lipera  den  sebönen  mann 

HebrlM  da,  mag  er  den  etrom  dnrehgleiten 

mit  geealbten  schult«m,  oder  reiten 
"besser  als  Bellerophon,  und  streiten 
unbenegt  im  kämpf  mit  fasz  und  faust; 

Der  im  freien  feld  kann  birscbe  scbieszen 
die  von  aufj^escheucbter  heerde  lieszen, 
oder  auch  den  wilden  eher  scbieszen, 
der  versteckt  im  hoben  dickicht  huiist. 


eine  bedenkliche  probe  von  dem  dicbtertalent  unsers  autorä!  der 
poetische  bauch  des  Originals  ist  imter  diesen  derben  griffen  kläglich 
verduftet  aber  geradezu  schaudcr  musz  jedes  deutsche  Sprachgefühl 
erfassen  vor  den  Wendungen :  ^mädcben,  das  nicht  darf,  'solches 
mSdcben\  und  die  ^Neobule  mit  der  spule'  ist  jedenfalls  unüber- 
trefflich schön!  die  reime  spielen  :  spülen  lassen  nichts  zu  wttn* 
sehen  übrig,  die  hirsche,  die  von  au^escheuohter  heerde  lieszen, 
finden  im  texte  nicht  die  geringste  entschuldigung ,  die  wendnng  ist 
nur  durch  die  dira  necessitas  der  reimnot  entstanden,  grobe  fehler 
finden  sich  schon  in  diesem  kleinen  gedichte  mehr  als  zu  ent- 
schuldigen ist.  Ämori  äare  Ittdum  heiszt  nicht  'mit  Amor  spielen*, 
herr  dr.  med.!  jeder  tüchtige  comraentar  hätte  Sie  eines  bessern 
belehren  können,  wenn  Sie  etwas  fleisz  auf  das  studium  der  ver- 
breitetsten  exegetischen  arbeiten  des  Horaz  verwendet  hätten,  so 
wären  Ihnen  nicht  so  viele  Ungeheuerlichkeiten  passiert,  Sie  hätten 
wenigstens  ein  erträgliches  not-  und  hilfsbUchlein  für  schüler  ge- 
schrieben! ein  Horazisches  mädcben  sekt  'niederspülen'  zu  lassen, 
ist  doch  etwas  bedenklich.  Sie  dachten  wol  an  die  schenke  'Zum 
wilden  Schweinskopf'  in  Eastcheap  und  an  Dortchen  und  ihren  dicken 
galan?  (dieses  wort  liebt  herr  Köster  sehr.  vgl.  III  10:  o  quamvis 
neque  te  mumra  nec  prcces  \  ncc  tinctus  violapaüar  amantium  |  nec 
vir  Fieria  paeUce  satwiiM  |  curvati 


Und  wenn  dich  nieht  gesehenk  und  flehn, 

aieht  der  galane  bleich  geBioht, 

das  sie  sich  schminkten  (?!\  wenn  dieh  Btcht 

ombeugt,  dasz  du  verletzt  gesehn 

von  Pioriens  buhlin  (?)  deinen  mann.)  — - 


was  hat  sieh  wol  ^  herr  flbersetzer  unter  einem  kaonpf  *m!t  fasz' 
gedacht?  in  der  Terbindong  *mit  ibsz  und  fanet'  kimn  der  unbe- 
&Dgene  leeer  nnr  an  toztride  denken  nad  nkht  ahnen,  daea 
Bßgmpeä^  mäm  ^nnbeeiegt  im  Bchnellev  wettlanf'  heiest  falsch  kt 
toier  die  bedehitng  und  tbersetzung  ron  eatia  idem  per  aperkm 
fifgknies  agUcAo  grege  oervas  iaeuUm^  da  per  apertvm  fiikntea  ^ttber 
die  Uohtong  flielwnde  hirache'  sneanunengehOrt. 

Dieaer  prebe  entapriebt,  dae  game.  überall  platte  reimproia 

H.Jahrb.&phil.«.pld.  ILtVI.  im  hfl.«.  H 


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202    F.  KOiter:  die  alten  lieder  des  Quintai  äontii»  Flacciu. 


ohne  ein»  spiir  des  diehteriachen  genins  des  Originals,  yerleisimg 
des  gesdumuikes  imd  des  sprachgeftbls ,  grobe  miswstSadnisBe  ans 
UTilfeimtnis-  der  spraohe  des  dichters  begangen  und  ans  naVunntnM 
des  allefgewÖbnUchsten  philologiscben  erUSrnngsmaterials.  die 
meisten  stroplien  sind  so  kians  nnd  naklar,  dass  kein  laie  sie  ver- 
stehen kann:  man  lese  einmal  folgende  stropbe  nnd  frage  sieh,  ob 
man  den  sinn  derselben  verstanden  hat  nnd  yerstehen  kum: 

Schon  des  Pacorus  und  Monäses  Schaar 
Bohloif  Eweimal  unsern  starm,  der  so  nicht  war 
vorausgesagt,  mit  kraft  zurück,  und  grinst, 
weil  sie  la  orden  fügt  des  kriege  gewinnet. 

Selbst  mit  der  dentschen  orüiographie  nnd  grammatik  liegt  er 
in  hader,  wie,  um  Ton  obigem  'gewinnst'  su  schweigen,  der  com- 
paratiT  s.  72  'klng'rer',  die  schreibiuig  'pallOste^  beweist  er  spnM 
von  einem  'abgesprochenen  steUdichein'  I  9.  er  scheid  ach 
nicht  zn  schreiben:  'seinen  ros'gen  hals  nnd  arme*  I  den  QninetQiiu 
hSlt  ewiger  schlaf  —  nmwoben?  nein,  'umworben*  rdmt  mit 
'nnyerdorben'  1 24.  meiuo  "Umgaa  peminte  noetea  'wShrend  ich  die 
langen  nftchte  hier  durchtrete,  iäi,  der  deine!*  durchtreten  die 
nSchte?  horr  doetor,  ich  glaube  gar  Sie  haben  nicht  mehr  gewust» 
wasjwfjre  heiszt,  und  habon  sich  so  geholfen:  Ire  gehen,  treten,  per 
'durdi*,  perire  durchtreten!  dasz  cUese  Zumutung  nicht  zu  stark 
ist,  mögen  folgende  in  zeit  einer  Viertelstunde  gesammelte  fSUe 
beweisen,  m  6  sagt  Horaz: 

motus  doceri  gaudet  lonicos 

acerba*  vkffo  ei  fingUuir  oftibua 


•  80  lese  ich  mit  Lucian  Müller  statt  matnra,  vgl.  praef.  s.  XXVIII 
der  ed.  Teubner.  1875  'ineptum  illud  esse  ^maiitra^  nemo  iam  ut  puto  ne- 
gabit  post  Peerlcaaipium,  cum  adiectis  quae  mnl  iiam  nunci^  et  «.de  tenero 
ungui  signißeeturT^  aeta»  nondum  matura*  tmde  kaud  eimetanier  teHpd 
€aeerba>y  quod  iit  sensui  opiime  gatia  faHt^  Üa  ne  a  Kiteris  quidem  ninus 
distat.  Vay-ro  apud  Sonium  s.  v.  aoerbim  .  .  maiores  nostri  virginis  acerhae 
auris  vcneris  vocahulis  imbui  noluerunt.  diese  conjectur  entspricht  dem 
sinne  der  stelle  evident,  gerade  weil  L.  Müller  und  jeder  erklärer  des 
dichtere  mit  ihm  de  tenero  tmgid  ^  dicoXdkv  6v0xwv  nimmt,  paset  die 
maiwa  virgo,  nn  der  die  berufensten  gelehrten  anetoes  genommen  haben, 
an  unserer  stelle  nicht,  wo  die  Sittenverderbnis  schon  der  zartesten 
Jugend  bloszgelegt  werden  soll;  dasz  eine  matura  virgo,  iam  nubilit  anmt 
üppige  gcdanken  hat,  wäre  für  den  Zusammenhang  dieser  etelle  viel  m 
schwach,  man  erinnere  rieh  nnr  an  die  freche  ecene  bei  Petron.  26, 
ed.  Büoheler,  wo  die  kleine  Pannychis  devirginatury  puella  saUt  bella  et, 
quae  non  plus  quam  Septem  annos  habere  videbatur,  und  den  commentar, 
den  dazu  Quartilla  aus  ihrem  eigenen  leben  gibt,  zur  vergleichuQg  ist 
ans  Hör.  heranzuziehen  II  5,  9  toÜe  atpUKnem  immUii 
Yiilpes  sagt  in  fabnla:  nondum  matura  etl,  n&to  aeertjfim  tumere.  II  5, 10 
wird  die  iuvenca  Lalage,  quae  nondum  subacta  ferre  iugum  valet  Cervice, 
nondum  munia  corporis  Aequare  nec  tmiri  inentis  in  venerem  tolerare  pondtis 
mit  einer  acerba  uva  verglichen  und  dieser  vergleich  liegt  auch  dem 
snsdrack  aeerba  virgo  zu  gründe,  so  viel  zur  abwehr  gegen  Düntier 
in  Fleckeisens  jahrb.  1877  8.  66,  der  iam  nunc  falsch  'jetzt  schon',  lee- 
<iit  /ofrid  eehlecht  «weiche  tXnse»  fiheraetst,  nnd  L.  MüUere  'anglack- 


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F.  Köster:  die  alten  Ueder  des  Quintag  Horatiae  Flacooi.  203 

iam  nme  et  incestos  amores 

de  tenero  meditatur  ungut. 
j<m  zarter  jugend  an  diroXlS^v'  ovi^XU^V  denkt  dies  mädchen  schon 
an  woUttst,  das  ist  der  smn  der  stelle  und  die  übersetzimg  der  worte 
de  tenero  meditatur  ungut,  Köater  übersetzt  es :  sie  kaut  an  den 
nägelnl  eine  ähnliche  leistung  ist  z.  b.  die  ttbersetznng  von  111,5 
fnae  (hiem)  nunc  opposUis  debüitat  pumkibus  mare  Tyrrhenum  (der 
wintersttirm  peitscht  das  tyrrhenische  meer  gogen  die  felswand  des 
ufers):  'der  winter,  der  das  Tjrrhener  meer  an  anderer  kttste  (1) 
mm  schwächt.'  ebenso  ferner  das  folgende: 

Sei  Uugf,  klär*  wein  und  dann  beschneid* 
der  kurzen  frist  die  vielerlei  gelüste, 
▼orüber  rauscht  des  Deides  voll  die  seit 
uns  im  gespräch. 

Lacedaemon  pafiens  ist  ihm:  Lakedämon,  das  geduldig  harrte  aus! 
ob  das  einen  sinn  gibt,  ist  ihm  ganz  gleichgültig,  so  geht  es  in 
bunter  reihe  weiter  1  1 14  nii  jpiäia  timidus  navUa  puppibus  fidU  i 

Zaghafter  scUlfer  traut  gemalten 
•chiffssternen  nimmer  doch  so  recht! 

dasn  die  notizen,  dasz  1 18  tnoenia  Catüi  der  gen.  des  namens  des 
grflnders  von  Tibur  für  einen  stadtnamen  gehalten  worden  ist:  um 
den  müden  boden  Tiburs  pflanzen  und  am  Catilns;  dasz  I  32  t» 
terra  daimbus  negata,  ein  land,  das  menschenwohnungen  versagt  ist, 
gegeben  wird:  bring  mich,  wo  .  •  kein  dach  auf  einem  festen  hause 
ruht;  dasz  I  26  das  pronomm  guis,  nemlich  rex  metuahur^  auf  das 
vorangehende  venH$  bezogen  worden  ist,  wie  die  Übersetzung:  'den 
flftehVgen  winden  geben,  die  sogar  des  nordens  könig  fürchtet'; 
dasz  er  femer  die  giganten  II  12  Tdkiris  iuvenes  die  junge  brut  des 
Tellus  nennt;  dasz  er  II  14  Tityangue  den  Tityon;  dasz  er  II  17 
iißpUtcikm  Fords  'so  gefallen  spenden  werd'  ich  den  Parzen* 
übersetzt,  —  und  wir  werden  die  acten  über  diesen  fall  schlieszen 
können,  der  zwar  leider  nicht  unerhört  ist,  aber  immerhin  aufsehen 
erregen  musz.  'Mentula  conatur  Fimpleum  scandere  montem :  Musae 
forcUlis  praecipitem  eidunt.' 

liehe'  Vermutung  acerha  grundlos  tadelt,  indem  er  ihm  ein  misverständ- 
Iiis  der  worte  de  tenero  ungui  unterschiebt,  wenn  C.  Nauck  sagt: 
^natura  virgo  meint,  sobald  sie  heran  wächst',  so  heistt  das  in  die 
worte  bbieinle|[;en,  was  sie  nicht  bedenten  können,  die  bedeatnng,  die 
er  will,  gibt  eben  acerha.  H.  Schütz  nennt  matura  auffallend,  will  es 
aber  halten  durch  die  bcmerkung,  dasz  der  Unterricht  in  diesen  üppigen 
tänzen  für  erwachsene  Jungfrauen  schmählicher  ist,  als  für  kleine 
vidchen,  die  von  der  nnsüchtigkeit  der  tftnze  noeh  kein  bewnstsein 
haben,  aber  dasz  dies  bewnstsein  gerade  durch  diese  tänze  geweckt 
wird,  ist  ja  das  verhängnisvolle,  was  unser  rügelied  mit  den  grellsten 
färben  malt,  gerade  die  einimpfung  des  giftes  der  wollust  in  die  zarten 
harzen  hebt  unser  dichter  hervor. 

MeSSBITZ.  WaLTHER  G£BHA&DI. 


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204  Scbaaenbtug  und  Hoche:  deutscheB  leBebuch  für  die  obezdaasen. 


1». 

DBUTSCBBB  LB8SBU0B  FÜR  DIB  OBBR0LA88CH  HÖHBBBB  80HDLBK. 
VOH  80KAÜBHBUBO  ÜBB  HOOHB.  ZWBX  TBILB.  ZWEITE  TER- 
MBHBTB  UND  TBRBBSSBRTB  AÜFLAGB.  Esseu,  BfidekST.  1874  n.  1877. 

Wenn  bei  der  flut  von  lesebtichern,  die  zahlreich  erscheinen, 
einige  sich  lange  genug  behaupten,  um  neue  auflagen  zu  erleben, 
80  ist  das  schon  ein  beweis  für  ihre  geschickte  Zusammenstellung 
und  gute  auswahl.  auch  die  oben  genannten  bücher  verdienen  die- 
sen rühm,  wie  ich  schon  bei  der  besprechung  der  ersten  aufläge 
namentlich  auf  das  richtige  princip  hingewiesen  habe,  dasz  es  fSr 
unterlagen  zur  litteraturgeschichte  weit  mehr  längerer  ausführlicher 
abschnitte  aus  den  hauptwerken  der  besten  Schriftsteller  bedarf,  als 
kurzer,  charakterloser  bruchstücke  aus  einer  menge  von  Schrift- 
stellern ,  welche  leider  nur  zu  oft  massenhaft  in  den  handbüchern 
der  litteraturgeschichte  aufgeführt  werden,  aber  selbst  dieses  rich- 
tige princip  fordert  doch  eine  differente  anwendung,  je  nach  den 
Zeitabschnitten,  bei  denen  es  zur  geltung  kommen  soll,  wenn  in 
dem  ersten  von  Hoche  bearbeiteten  teile  nur  proben  aus  den 
Nibelungen-  und  Gudrunliedern,  dem  armen  Heinrich,  dem  Parcival, 
Tristan,  aus  Walthers  von  der  Yogelweide  mannigfachen  lyrischen 
liedern,  von  Tauler,  einigen  meistergesängen ,  aus  Reinecke  Voss, 
dem  narrenschiflf,  ferner  abschnitte  von  Luther,  Murner,  Sachs  und 
rischart  gegeben  werden,  so  ist  diese  beschränkung  vollständig 
empfehlenswerth  ,  wenn  man  auch  ungern  abschnitte  aus  JPreidanks 
bescheidenbeit  vermiszte,  welche  erst  die  neue  aufläge  s.  145  — 152 
hinzufügt,  es  ist  vielleicht  nur  eine  subjective  ansieht,  wenn  ich 
schou  früher  den  wünsch  aussprach,  es  möchten  dtn  mittelhoch- 
deutschen  lesestücken  wenigstens  einige  für  den  litteraturgeschicht- 
lichen  Unterricht  in  secunda  nötige  proben  der  althochdeutschen 
sprachstufe  vorausgeschickt  werden,  die  Merseburger  gedicbte,  das 
Hildebrandslied,  das  Wessobrunner  gebet,  abschnitte  aus  dem  Krist 
und  Heliand,  das  Ludwigslied,  wollte  der  Verfasser  sie  aus  pädago- 
gischen gründen  nicht  in  der  alten  spräche  geben,  so  waren  sie 
mindestens  in  nenhochdeutscber  Übertragung  einzureiben,  mir  ist 
es  nicbt  zweifelhaft,  dasz  dadurch  die  benatcimg  des  buobes  mehr 
gewonnen  hätte  als  durch  die  anfiialinie  Ton  Bzeos  gesang  von  den 
wundern  Christi,  einem  didaktbdi-allegorisoiien  pftffischeB  gedkht 
in  28  Strophen,  das  in  form  und  aulbarang  sehr  an  Otfrids  Knst 
erinnert,  die  Verfasser  weisen  aber  in  der  rotrede  za  dieser  zweiten 
aufläge  ausdrfleklidi  darauf  hin,  dasz  sie  sidi  nicht  haben  ent- 
sdiliessen  kdnnen,  trotz  mancher  aa&chtungen ,  von  den  grondr 
sStzen,  die  sie  bei  bearbeitung  der  ersten  anflage  leiteten,  abzu- 
weichen, und  80  müssen  wir  uns  denn  bescheiden  mit  unseni 
wünschen  und  das  gute,  wie  es  hier  besonders  im  ersten  teile  ge- 
boten wird,  dankend  annehmen,  die  Vermehrung  der  Nibeluqgen- 
aventiuren  um  2,  nr.  7  und  26,  der  Waltherlieder  um  5  wird  jeder 


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Schauenburg  und  Hoche:  deutechet  lesebuch  für  die  oberdaseeu.  205 

gern  willkommen  heiszen.  so  ist  auch  eigentlich  nur  von  diesem 
ersten  teil  zu  behaupten,  dasz  er  in  einer  vermehrten  und  ver- 
besserten aufläge  erschienen  sei ,  denn  von  den  scheu  ange  deuteten 
Vermehrungen  des  textes  abgesehen  zeigen  sich  ganz  wesentliche 
Verbesserungen  in  dem  glossar,  dessen  eigenartige  anordnung  zwar 
den  Schülern  erst  zum  Verständnis  gebracht  werden  musz,  welches 
sie  aber  dann  für  die  dichtungen  aus  der  mittelalterlichen  blütezeit 
nicht  im  stiche  lliszt.  dabei  ist  es  aber  zu  bedauern,  dasz  es  sich 
nicht  auf  die  proben  aus  dem  15n  und  lOn  Jahrhundert  ausdehnt 
oder  mindestens  unter  dem  text  an  den  betreÜenden  stellen  bei 
Sachs,  Murner  und  Fischart  die  nötigen  deutungen  gibt,  wesent- 
lichü  Veränderungen  in  dem  texte  der  grammatik  sind  nicht  vor- 
gekommen, auszer  dasz  überall  eine  sorgfältige  Unterscheidung  des 
aus  i  umgewandelten  geschlossenen  c  durchgeführt  ist.  warum  in 
§  7  die  regeln  1  und  4  nicht  zusammengefaszt  sind,  ist  mir  nicht 
erklärlich,  wenn  endlich  der  Verfasser  in  der  vorrede  s.  IV  die  be- 
nutzung  dieses  Icscbuchs  sich  so  denkt,  dasz  in  secunda  neben  der 
formenlehre  die  abschnitte  s.  5  —  104,  das  übrige  aber  in  prima  ge- 
lesen werden  soll,  passt  diese  Verteilung  Wenigatens  auf  die  real- 
schulen  im  künigreich  Sachsen  nicht,  wo  nach  dem  neuen  reglement 
nur  in  obersecunda  die  ältere  litteraturgeschichte  bis  zur  reforma- 
tion  vorgeführt  werden  musz.  das  ändert  aber  an  dem  werthe  des 
buches  nichts  und  ich  wünsche,  dasz  recht  viele  coUegen  gleich  mir 
diesem  ersten  teile  die  aufnähme  in  ihre  anstalten  gewähren. 

Anders  aber  musz  ich  mich  zu  dem  zweiten  teile  stellen,  den 
Schauenburg  herausgegeben,  von  dem  es  auf  dem  titel  auch  nur 
baust  *iweito  dnrohgeaehene  aufläge',  was  ioli  oben  andeutete  gilt 
Ton  diasem  sweitoa  teile;  das  princip  der  beachränkung  auf  die 
haupterschemungen  ist  für  die  zeit  vor  dem  16n  jafailuiiidert  absolut 
xiehtig  und  emj^blenswerth ,  genügt  aneh  nocb  lllr  das  17e  und 
arste  drittel  des  18n  jahrbundarts;  aber  ich  halte  es  fttr  unmöglich, 
daas  ein  lahrer  die  litterator  des  18n  Jahrhunderts  nur  an  proben 
Ton  Elopstock,  Lessing,  Härder,  Ooathe,  Schiller,  Job.  Geoig  Forster 
yorftthren  kaim,  denn  mehr  enthielt  die  erste  aufläge  nicht,  und 
diese  zweite  hat  nur  durch  ein  sehr  knappes  inhaltsTerzeiehnis  der 
29  abschnitte  von  Lessings  Laokoon  und  durch  32  stanaen  aus  dem 
Tierten  gesang  von  Widands  Ohmn  eine  karge  erweiterung  er- 
ühmk»  wtthrend  sonst  die  teite  von  sehr  sicherem  geschmack  und 
pidagogisehem  takt  sengen,  kann  ich  dies  von  der  wähl  dea  Wieland- 
sehen  abschnittes  nicht  rühmen,  es  sei  denn,  dass  absichtlich  ein 
firagment  gewfthlt  worde,  welches  die  satirische,  höhnische,  pietäts- 
lose  behandlung  des  romantischen  Stoffes  yon  mUm  Wielands  dar- 
legen sollte,  man  kann  im  18n  Jahrhundert  nicht  Geliert  und  die 
sSohaaschein  dichter,  Kleist  und  die  Hallesohen,  Bttiger  und  Voss 
mit  den  Göttingenit  auf  der  scheide  des  Jahrhunderts  &  romantiker 
einfach  ignorieren,  und  neben  Platen  darf  mindestens  Immennann 
nicht  fehlen,  so  scheint  mir  also,  trota  alles  guten,  das  im  zweiten 


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206      W«  B.  Möxmich:  aaawabl  deutscher  aofsätze  und  reden. 


teile  geboten  wird,  die  benutzung  desselben  als  unterläge  für  die 
neuere  litteraturgeschichte  weniger  empfehlenswerth  zu  sein;  denn 
wenn  es  auch  richtig  ist,  dasz  wir  durch  billige  drucke  jetzt  viel 
leichter  den  schülern  vollständige  texte  in  die  bände  geben  können, 
80  würde  es  sich,  denke  ich,  weit  mehr  rechtfertigen,  in  eine  solche 
Chrestomathie  gar  nichts  von  Lessing,  Goethe  und  Schiller  aufzu- 
nehmen, die  billig  zu  haben  sind,  und  dafür  von  den  kleineren  dich- 
tem das  lesenswerthe  zu  bringen ,  weil  man  nicht  verlangen  kann, 
dasz  die  schüler  sich  von  diesen  relativ  unbedeutenderen  Schrift- 
stellern separatdrucke«  anschaffen  sollen ,  da  sie  doch  der  kenntnis 
derselben  nicht  ganz  entbehren  können. 

DsEfiDEN.  YlETOft. 


20. 

MÖMMIOH,  OB.  W.  B.,  AUSWAHL  DEÜTSOHEB  AUFSATZE  UND  BEDEN. 
EIN  BBOiUlZEHDBS  BILFSHITTBL  F&B  DEK  DEUT8GBBH  8PBACE- 
ÜMTBBBICPBT  IN  DEN  OBBBBN  GTMNASIALOLASSEN.  ZWEITE  AUF- 
LAGE. MIT  EINEK  ABHANG,  BNTHALTEND  BBLIUTBEUNOBN  UND 
BEOANZUNOEN  Zü  DEN  HüBTEBStOOKEN.  BEABBEITBT  VON  PB. 
A.  PLANCK,  PBOFSSSOR  AM  OBEREN  OTMNASTUM  IN  nEILBRONH. 

Heilbronn,  verlag  von  A.  Scheurien.  1876.  XXIV  n.  462  s.  anhang 
11  8.  gr.  8. 

Die  vorliegende  von  dem  s.  z.  als  lehrer  des  deutschen  aner- 
kannten herausgeber  (derselbe  ist  1868  als  rector  emeritus  des 
Hei]  bronner  gymnasiums  gestorben)  getroffene  und  im  jähre  1862 
erstmals  erschienene  aus  wähl  ist  damals  in  diesen  Jahrbüchern  nicht 
besprochen  worden. 

Wenn  sie  nun  14  jähre  später  in  neuer  und,  wir  dürfen  «8 
gleich  hier  sagen ,  wirklich  verbesserter  gestalt  wieder  erscheint,  so 
ergreifen  wir  mit  vergnügen  die  gelegenheit,  dadurch,  dasz  wir  die 
aufmerksamkeii  der  ooUegen  in  weiteren  kreisen  auf  dieses  gediegene 
sdralbndi  lenken^  das  fräier  Tersftnmte,  so  Tie!  an  uns  liegt,  wieder 
gut  ZQ  madiiaiu 

Geben  wir  zuerst  in  kttrse  ein  bild  des  hier  gebotenen  Inhalts, 
es  aind  108  stttcke  Ton  50  autoren,  deren  zeihe  mit  Geliert  beginnt 
und,  der  Zeitfolge  nach  geordnet,  mit  E.  Gurtius  sehliesst.  von  des 
früheren  namen  finden  sich  in  der  neuen  ausgäbe  folgende  7  mdA 
wieder:  Zollikofer,  Reinhard,  Steffens,  Bumohr,  Theremin,  List  und 
Menzel,  redudert  ist  bei  folgenden  8  das  aus  ihren  Schriften  ans* 
gehobene:  Geliert,  Mendelssohn,  Engel,  Garre,  Herder,  Goethe, 
Forster  und  W.  t.  Humboldt;  dag^n  treten  neu  auf  folgende  6: 
J,  Grimm,  ühland,  Gervinus,  Mommsen,  Giesebreefat  und  E.  Cortins« 
was  die  zahl  der  von  jedem  autor  mitgeteilten  stfloke  betrifft,  so  hat 
Goethe  IS,  Sehiller  9,  Herder  6,  Kant  und  Lessing  je  4,  Mteer, 
Wieland,  Job.  t.  Mflller,  Manso,  Heeren,  Jean  Faul,  Schleiermadier, 


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W.  B»  ÜÖAiiich:  auBwahl  deattcher  anfgfttse  und  reden.  207 

Hegel  und  Uhland  je  3,  Winckelmann,  Garve,  Forster,  Fichte, 
Jacobs,  Arndt,  Schelling,  Jahn  und  Bänke  je  2,  die  übrigen  27  je 
ein  stück  geliefert,  unter  diesen  befinden  sich  auszer  den  schon  ge- 
nannten Sturz,  Knebel,  Ni^meyer,  Hebel,  A.  v.  Humboldt,  A.  W, 
Schlegel,  Schlosser  u.  a.  dem  inhaltsverzeichnis  (XV — XXIV)  sind 
bei  jedem  autor  kurze  biographische  und  litterarische  notizen  bei- 
gegeben, der  vom  neuen  herausgeber  hinzugefügte  anhang  gibt  er- 
läuterungen  und  ergänzungon  zu  den  musterstücken,  wir  begegnen 
hier  einer  reihe  Yon  feinen  bemerkungen  und  guten  winken,  nur 
hätten  wir  die  letzteren,  sofern  sie  auf  verwerthung  der  lesestücke 
für  eigene  arbeiten  der  schÜler  gerichtet  sind ,  noch  reichlicher  ge- 
wünscht, und  damit  kommen  wir  auf  den  zweck  der  ganzen 
Sammlung  zu  reden ,  wie  ihn  schon  der  erste  herausgeber  (vorrede 
8.  VIII)  ausgesprochen  hat:  sie  soll  'den  Übungen  in  abhandelnden 
und  rednerischen  ausarboitungen  zum  ergänzenden  hilfsmittel  die- 
nen' und  steht  vermöge  dieses  Zweckes  den  Sammlungen  von  Hiecke 
und  Kletke  ziemlich  nahe,  unterscheidet  sich  von  ihnen  aber  wieder 
dadurch,  dasz  sie  mehr  als  dort  geschehen  ist,  aufsatze  moralischen, 
religiösen  und  vaterländischen  Inhalts  in  ihren  kreis  gezogen  hat. 
wenn  übrigens  Mönnich  von  rednerischen  ausarbeitungen  des 
gyinnasiasten  spricht,  so  denken  wir  in  diesem  puncte  freilich  etwas 
nüchterner,  die  ausarbeitung  einer  eigentlichen  rede  wird  dem 
gymnasiasten  wol  nur  selten  und  unter  ganz  bestimmten  bedingungen 
als  aufgäbe  zu  stellen  sein,  das  ziel,  das  vom  gymnasium  in  diesem 
uüterrichtszweig  angestrebt  werden  soll,  hat  unseres  erachtens 
K.  A.  J.  Hoffmann  in  der  zweiten  sammlung  seiner  schulreden 
(Clausthal  186G)  s.  61  ganz  richtig  dahin  präcisiert,  dasz  es  nicht 
darin  bestehe,  eigentliche  redner  zu  bilden,  sondern  nur  darin,  bei 
der  mehrzahl  der  schüler  klarheit,  angemessenheit  und  einen  im 
ganzen  gefälligen  flusz  des  ausdrucks,  d.  h.  dasjenige  zu  erreichen, 
was  zur  sog.  discussion  erforderlich  ist.  und  dazu  ist  nun  eben 
nnser  buch  ein  treffliches  mittel. 

Mit  recht  verlangt  nun  aber  M.  für  die  behandlung  desselben 
im  Unterricht  yom  lehrer  eine  gründliche  Vorbereitung,  diese  ist 
schon  für  ein  gutes  vorlesen  nötig,  das  der  lehrer  jedenfoUs  bei 
sdiwierigeren  stüoken  selbst  sa  übemeihmen  hat,  weü  auf  den 
ersten  geaamteindrack  aneh  für  die  weeknng  des  verstSndnisses 
sehr  viel  ankommt,  erst  vom  einheitü^dien  hauptgedanken  ans  ist 
dann  auf  die  teile  und  einielheiten  su  blicken,  das  gesamtergebnis 
der  auf  das  verstindnis  gerichteten  gemeinschaftliehen  arbeit  yon 
lehrer  und  achfllem  ist  von  diesen  entweder  in  form  einer  susanunen- 
hSngenden  berichterstattnng  oder  einer  sohematiechen  Übersicht 
notfiadlich  oder  schriftlich  anzugeben,  rein  sprachHidie  erörterungen 
und  möglichst  zu  beschranken,  die  sachlichen  erörterungen  werden 
dem  lehrer  oft  ungesnoht  zur  Stellung  von  geeigneten  aufgaben 
vennlassung  geben,  lauter  ganz  beachtenswertiie  andeutongen,  die 
den  erfiBhrenen  schnlmann  erkennen  lassen!  indessen  glauben  wir 


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208      W.  3*  Mönoich:  auswahl  deutficher  auf^iUiKe  und  reden. 


doch,  dasz  es  sich  der  lehrer  nicht  verdrieszen  lassen  darf,  manch- 
mal eine  halbe  stunde  auch  zur  weckung  der  aufmerksamkeit  auf 
ganz  elementare  dinge  zu  verwenden,  hören  wir  wieder  Hoffmann 
a.  a.  0.  s.  f.:  'so  können  wir  auch  in  unserem  unterrichte  die 
alte  lehre  von  den  tropen  und  figuren  nicht  entbehren,  denn  die 
mebrzahl  unserer  schüler  ist  nicht  so  sprachfähig,  dasz  sie,  ohne 
darauf  aufmerksam  gemacht  zu  werden,  ihrem  ausdruck  eine  frische 
und  phantasievolle  abwechslung  zu  verleihen  im  stände  wäre,  es 
sind  immer  nur  wenige  aus  einer  groszen  zahl,  welche,  wenn  sie  in 
einem  aufsatze  z.  b.  den  groszen  Gustav  Adolf  einmal  genannt 
haben,  nachher  statt  des  namens  den  tropus  'der  siegreiche  feld- 
herr'  oder  'der  grosze  könig  von  Schweden'  oder  'der  Vorkämpfer 
des  Protestantismus'  anzuwenden  wüsten;  die  mehrzahl  fährt  mit 
einem  er  oder  mit  den  matten  fürwörtern  dieser,  jener,  der- 
selbe fort,  welche  der  pbantasie  kein  neues  bild  geben,  es  sind 
immer  nur  wenige,  welche  an  richtiger  stelle  einen  vergleich  und 
ein  bild  zu  bieten  oder  ein  bekanntes  Sprichwort  in  emer  nur  etwas 
neuen  form  anzuführen  verstehen;- nur  wenige,  die  eine  belebende 
frage  an  passender  stelle  statt  der  einfachen  behauptnng  auftreten 
lassen  oder  durch  scharfe  gegensätze  und  sog.  negativdefinitionen 
eine  Sache  in  ein  klares  licht  zu  setzen  wissen,  nnd  doch  sind  dies 
.  nur  die  einfachsten  mittel  einer  gefälligen  darsteUong,  neben  denoi 
ich  die  kunstyoll«rw  arten  des  ausdrucks  nicht  einmal  erwtimeii 
will«  nnd  endUoli  den  satzbaa  anlangt ,  so  weisz  nnr  der,  wel- 
clier  lange  seit  die  deutsolMii  arbeilfin  der  oberen  dessen  sn  Idim 
gebabi  wie  tckwer  et  selbst  begabten  jOnglingen  wird,  mm 
sata  mit  nur  einiger  fOUe  nnd  dodi  rogleidi  mit  klarer  gliedenmg 
sn  baven.  es  gibt  da  reoht  viel  m  lebreiif  reoirt  yM  m  lernen  mtd 
reebt  Tiel  an  Üben.'  an  diesem  lehren,  lernen  nnd  fiben  man  alwr 
gerade  auch  die  lehrstnnde  eben  vermOge  ihrer  praktischen  tcndani 
anf  sprach*  nnd  stütlbnng  sieh  innerhalb  ihres  gebietes  betefligeD. 

Es  ist  eine  sehr  bMchtenswertlie  bemerkung  MOnnidis,  dm 
niebt  bei  jedem  lesestlUsk  alles,  sondern  bei  dem  einen  derinbalt 
als  soleber,  bei  dem  andern  der  pUm,  bei  dem  dritten  der  aasdraek 
SU  belenebten  sei«  so  glauben  wir  a.  b.  würde  der  lehrer  meht  woU 
daran  thun,  in  der  abhaadlung  Yon  Herder  ttber  die  frage:  'hsbes 
wir  noch  das  yaterland  der  idten?*  (s.  96 — 101)  sieh  anf  viele  e^ 
klftmngen  im  einzelnen  einsnlassen.  besser  wire  hier  sM  der 
eiqfiliderenden  die  ooncentrierende  thStigkeit,  indem  man  den  sehfller 
aus  der  bilderreidien,  geistreioh  bewegten,  hie  und  da  auch  geütr 
reidi  spielenden  darstellung  die  kemgedaiücen  herausfinden  hesn« 
daran  kdnnten  sidi  mehr  selbständige  arbdten  unter  neuen  vom 
lehrer  gegebenen •gedditspuncten  anschliessoi,  z.  b.:  triebfedern 
der  Vaterlandsliebe  bei  den  Griechen;  und  in  diese  ausfüh- 
npg  könnten  dann  die  gedanken  dnes  passus  aus  Wielands  abhand- 
luug  Uber  den  deutschen  Patriotismus  s.  60 — 67,  nemHch  das  dort 
s.  #1—68  Uber  die  alten  Griechen  gesagte,  yerarbdtet  werden,  andere 


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W.  B.  M(}imich:  aotwabl  deutscher  aufsitze  und  reden.  209 

themen,  die  sich  hier  anknüpfen  lieszen,  wären:  verirrungen  des 
antiken  Patriotismus  —  pflichten  des  deutschen  Patrio- 
tismus nach  Herder  —  u.  dgl.  Goethes  bemerkungen  über 
zustand  und  entwicklung  der  deutschen  litteratur  um  1770  s.  155 
— 162  könnten  zu  einem  referierenden  auszug  mit  der  modification 
verwendet  werden,  daj-/  er  sich  wesentlich  an  die  von  G.  mit  nen- 
nung  ihres  namens  hervorgehobenen  und  besprochenen  Vertreter 
jener  litteraturepoche  zu  halten  hätte,  das  stück  von  Jacobs  über 
die  höhe  der  hellenischen  bildung  und  deren  einflusz  auf  den  bil- 
dungsgang  der  übrigen  Völker  (s.  303  —  311)  würden  wir  den 
Schüler  zu  einer  schematisch  ausgeführten  disposition  mit  angäbe 
des  themas,  der  hauptteile  und  Unterabteilungen  benutzen  lassen, 
hei  der  nach  inhalt  und  ausdruck  wenig  Schwierigkeiten  bietenden 
rede  von  Engel  über  Friedrich  den  groszen  (s.  69 — 75)  würden 
wir  auf  die  verschiedenen  arten  des  Übergangs  aufmerksam  machen, 
auf  die  bekannte  thatsache  rücksicht  nehmend,  das/,  dem  angehen- 
den Stilisten  die  Übergänge  oft  ungemeine  Schwierigkeiten  bereiten, 
mustergiltige  stellen  sind,  so  weit  es  die  zeit  erlaubt,  einfach  zu 
memorieren  zum  behuf  des  mündlichen  Vortrags  oder  der  schrift- 
lichen wiedergäbe,  das  angemessene,  schöne,  treffende  des  aus- 
drücke fühlt  der  einigermaszen  geweckte  schUlcr  dieser  stufe  selbst 
und  braucht  keine  umständliche  beleucbtung,  und  wer  sie  etwa 
braucht,  dem  hilft  sie  doch  nichts,  den  frischen,  lebhaft  fortschrei- 
tenden discurs  von  Knebel  über  die  kunst  zu  lesen  (s.  167 — 169) 
wttrden  wir  blosz  lesen,  man  mnsz  einzelnes  anch  rasch  nehmen, 
Biefat  alles  statarisch  iMluadeln;  wenn  irgendwo,  so  gilt  hier  das 
Wort:  variatio  delectat.  Jean  Paul  enthält  wie  tberall,  so  auch 
a  den  %  Iner  misgehobenen  nummem  (s.  296 — 299)  schwer  Ter- 
sttudUoliM;  SB  «iner  eidlt  veniditol  te  nme  bemusgcber  gendezn 
auf  die  erkUbmiig.  denneeli  möohteii  wir  diese  leseitlldie  nieht 
vitBeaii.  dem  originellen  gebtthrt  aach  sein  plats  m  eiaer  soldien 
samniliing,  und  du  mitgeteilte  entihiit  imnaohehmlicli  schOne  stellen« 
auch  mnsz  ja  nieht  alles  erklftrt  sein,  der  lehrer  möge  den  grond- 
gsdenken  sdilieht  und  Ikr  hersasscbtien,  nie  nnd  nirgends  aber 
hritisiBnai  nm  des  kntisierens  willen,  noeh  eins,  so  tadellos  s.  b. 
Heerens  stil  ist,  so  aiMiten  wir  doch  in  einer  eammlnng  wie  die 
Terli^gende  nieht  kater  stileke  Yon  seinem  seUage.  nur  en  der 
■ann^ffisltigkeit  der  stilarten  lernt  der  sehttler  was  stil  ist. 

Kofs,  wir  haben  in  dem  Mönmoh-Plsneksehen  bnoh  eine  glflck* 
lidie  answahl  Tor  uns;  nnd  wenn  sie  den  kreis,  ans  dem  sie  ihren 
Stoff  holt,  weiter  gesogen  bat  als  ehreetomatbieen  Ibnlieher  art,  so 
gsreiM  ihr  dies  nur  sn  einer  weiteren  empfeblmig.  die  sohrift  ist 
gross  imd  dentlieh  (Gieero)  nnd  der  draok  oorreei 

Soböhthal.  EiiAt7T. 


210      H.  Schmidt:  du  gxoase  königlich  preususdie  wappeiu 

21. 

BAB  OB08ZB  KÖNIQLIOH  PBBÜ8ZI80IIB  WAPPEN  HAOB  DBB  Al^LSMf 
HdOHSTBB  0ABIMBT80BDBB  YOU  11  AÜGUBT  187S  MIT  BIBT0BI8CH- 
HBBALDI80BEN  ERLÄUTBBUNGEN.    VON  PBOP.  DB.  H.  8  OHM  IDT. 

Breslau,  Maruschke  n.  Berendt.  1877. 

Wean  yentttndig«  leute  darüber  klage  ftthren,  dasz  heute  kaiB 
Tiel  geleseaes  baeh  mehr  ohne  iliustrationeB  ersoheineB  kaan  — 
iUnstratiOBeBi  die  aamentlich  bei  VDseren  deataoheB  olasBikem  mefar 
▼erwineB  und  yerduBkelB  als  erleuchteB  — ,  so  trifft  dies  natttrlidi 
bei  dem  voratebeBd  geBaBBtea  werke  Dioht  va\  deBB  bei  ihm Bkachea 
gerade  die  iliustratioBeB  deB  weseBtlidheB  teil  der  ao^be  aoB. 
wir  habeB  yielmehr  dem  bm.  yerf.  für  die  publioatioB  desselbeB 
erBStlicb  zu  daBkeB.  es  ist  tob  wirklichem  aatseB  fllr  die  sdritter, 
die  meist  dem  uBterricht  iB  der  yaterläBdiseheB  geschichte  lebea;- 
dige  teÜBahme  eatgegeBbringen,  weBB  ilmen  gelegentUeh  das  gros» 
wappeB  ihres  Staates  vorgelegt  BBd  erklttrt  wird«  das  was  sie  tob 
kenntnissen  besitceB,  besiftt^  uad  sichert  sieh,  BBd  sie  werdsD 
dazu  angeregt,  diesen  besitz  zu  yervollständigen.  der  unterzeichnete 
hatte  vor  jähren  einmal  selbst  in  sehr  unvollkommener  form  ein 
preuszibchcö  vvappen  ftlr  den  gebrauch  in  der  schule  herstellen 
lassen  und  die  genugthuung,  dasz  ihm  die  schüler  seine  bemübung 
durch  ihr  lebhaftes  interesse  dankten,  bei  der  Scbmidtschen  arbeit, 
deren  illustrationen  fast  musterhaft  zu  nennen  sind,  hat  er  den- 
selben erfreulichen  erfolg  wahrgenommen. 

Wenn  wir  sonach  vollen  anlasz  haben,  dem  hm.  verf.  un- 
seren dank  dafür  auszusprechen,  dasz  er  die  nicht  gefahrlose  Ver- 
öffentlichung in  die  eigene  band  genommen,  sowie  dafür,  dasz 
er  sich  alle  denkbare  mühe  gegeben  hat,  sein  werk  so  correet 
und  vollständig  als  möglich  herzustellen,  so  wollen  wir  anderer- 
seits für  eine  zweite  aufläge,  auf  welche  wir  zu  gunsten  der 
preuszischen  schulen  rechnen,  auch  ein  paar  bemerkuBgen  nicht  zu- 
rückhalten. 

Undeutlich  ist  die  läge  der  ordensketten  auf  der  bildtafeh 
steht  sie,  wie  sie  dargestellt  ist,  in  dem  Stillfriedschen  entwürfe,  so 
war  wenigstens  in  den  erläuterungen  zu  bemerken,  dasz  die  orden 
yon  auszen  nach  innen  folgen,  dasz  der  stern  des  rothen  adlers  auf 
der  kette  des  schwancB  liegt,  wie  der  stem  des  kronenordens  auf 
der  des  hausordens.  aBcb  wäre  es  liebenswürdig  gewesen,  wenn 
hr.  Schmidt  mit  euiem  worte  im  commentar  die  geschichte  der  Stif- 
tung der  einzelnen  ordcB  berührt  htttte.  sodsBB  wftre  bbs  eine 
erwähnung  und  klarlegung  der  kleestengel  angCBehm  geweseB. 
endlich  ist  die  heBBe  im  43n  Schilde  keine  henne,  sondern  eia 
hahB,  was  sich  die  grafschaft  HcBBebeig  Bicht  wobl  gefallen  lassen 
kann. 

Der  ranteakraBS  im  schüde  des  berzogtoms  Sachsen  hätte  nieh 
der  Y.  Mttlverstedtsdien  abhaBdluBg  Tielleicht  Boch  eiB  weBig  aitf- 


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Philologucha  piogranune  deatscher  höherer  lehraoitalteii.  211 

führiicher  behandelt  werden  können;  er  ist  in  der  that  ein  heraldi- 
sches problera.  neu  war  uns  die  bemerkung,  dasz  die  querteilong 
zwischen  gold  und  schwarz  erst  seit  1864  geändert  ist. 

Hallb.  O.  NABBiiAinr. 


(16.) 

PHILOLOGISCHE  PROGRAMME  DEUTSCHER  HÖHERER 

LEHRANSTALTEN. 

(fortsetzung.)  " 


BiBLi».    Friedrichsgymnasiam.   18  classen,  29  lehrer,  704  schüIer 
im  Sommer,  707  im  winter,  11  abitnrienten.  —  Abhandlnng  des  ober!, 
dr.  Voigt:   'Untersuchung  über  den  Ursprung  der  Kcbasis  captivi*.* 
verf.  hebt  an  mit  einer  klage  über  die  mangelhafte  berücksichtigung 
der  dentsoben  thiersage  dnrch  die  heutigen  gennaniaten.   diese  klage 
bezieht  sich  namentÜdi  auf  die  Ecbasis  captivi,  deren  textgestaltang 
durch  J.  Grimm  ebenso  wenig  erschöpfend  und  abschlieszend  sei,  wie 
<Hi'  beilagen.    die  mängel  werden  vom  verf.  dargolee^t  und  daraus  er- 
klärt, dasz  J.  Grimm  den  grundcharakter  des  gedichts  nicht  völlig  er- 
kannt, nicht  entdeckt  hat,  dasz  es  ein  plagiat,  ein  cento  ist.    verf.  stellt 
sieh  die  anfgabe,  die  formale  entetehang  der  Eobnie  evl  erforschen, 
das  gedieht  selbst  aas  dem  gesichtspnnete  der  Selbständigkeit  zu  prüfen, 
ah  merkmal  zur  sonderang  des  eigenen  und  erborgten  im  gedichte  des 
iialchus  —  so  heiszt  der  Verfasser  in  der  Überlieferung  —  gibt  verf. 
zunächst  den  leonischen  reim  an,  über  den  er  nun  eine  nicht  oberfläch- 
liebe ontersnchung  anfügt,  welche  den  ^brauch  und  sein  Verhältnis  in 
der  Ecbasis  darthnn  soll,   der  dichter  bietet  alles  anf,  haaptdtsnr  und 
ansgang  des  verses  dorch  reim  zu  verbinden,  bemüht  sich  auch,  volle 
vocalische  und  consonantische  Übereinstimmung  beider  silben  zvi  er- 
zielen, obwol  ungenauigkeiten  im  einzelnen  übrig  bleiben,  aber  nur  in 
den  consonanten.    die  fälle  werden  aufgeführt,    verf.  meint  überall, 
wo  nicht  die  dritte  hebung  mit  der  senknng  des  deehsten  fnszes  genau 
zusammenklingt,  anlasz  zum  verdacht  auf  entlebnnng  zn  haben  und 
beweist  seine  berechtigung  dazu  durch  erweis  des  bestrebens  des  dich- 
ters,  den  reim  möglichst  überall  zu  haben,    er  sieht  es  daher  für  un- 
glaublich an,  dasz  sich  in  einigen  stellen  Malchus  habe  den  naheliegen- 
den reim  entgehen  lassen,  und  will  für  solche  stellen  ändeningen  vor- 
genommen haben,  so  76  gregato,  188  sedem,  250  bonf,  288  fatiseent, 
412  lassescens,  563  heros  gegen  Grimms  herus,  667  passinc^s,  696  tortat, 
800  placirfoTTj,   829  medicum ,  possis  ohne  Grimms  reimzerstörendes  ut, 
947  antra,  1071  veniMut,  1079  curtem,   das  ergebnis  wird  so  zusammen- 
gefaszt:  wirklich  reimlose  verse  sind  erborgt,  sei  es  ganz,  sei  es  unter 
w^ahme  fremder  elemente.    verf.  sSblt  nun  die  ihm  auf  grund  des 
geiichtspunotes  des  leooinischen  reimes  als  erborgt  erschienenen  verse 


*  wir  verweisen  hier  quasi  in  transoursn  auf  0.  Bursian,  der  in  den 

aitzQDgsberichten  der  kSsigU  bayr.  akademie  phil.-hist.  classe  1873 
B.  457—518  beitrage  zur  geschiebte  der  classischen  Studien  im  mittel- 
alter  gibt  und  im  zweiten  der  dort  vereinigten  aufsätze  die  Ecbasis 
eaptivi  behandelt,  auch  den  von  Grimm  als  klosteruamen  des  verf.  an- 
genommenen namen  Halehns  surfiehweist  (vgl.  jahresber.  über  die  fort* 
•ehritte  der  dass.  altertumsw.  Ir  jahrg.  1874  s.  8  f.). 


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212    Philologische  programme  deutscher  höherer  lehrsnalalteiL 


auf,  es  sind  ihrer  110.  die  elliteration,  die  in  einigen  Teften  eneheiiki 

wird  als  kriterium  verworfen,     andeutend  erwähnt  verf.  weiter  zahl- 
reiche prosodische  fehler,  das  vorhersehen  des  spondeus,  die  rein  dacty- 
lischen  yerse.    ein  zweites  grandlegendes  kriterium  für  die  echtheit  der 
Tefte,  SBgleieh  eine  hanptwirknng  des  reimprincips  ist  die  serreisznng 
des  hexameters  in  zwei  hftlften,  die  halbzeiligkeit  oder  zweisatzlichkeit. 
es  gibt  700  hexameter  ungefähr,  in  denen  hinter  der  Innern  reimatelle 
ein  zweites  sätzchen  beginnt,    einige  male  tritt  das  in  Grimms  ausgäbe 
nieht  hervor,  so  208.  309.  356.  589.  642.  1068.  1075  ;  76&  794.  439.  117. 
den  etwa  700  fällen  reiner  sweisätzlichlEeit  stehen  die  sweigliederigen 
aufzählungen  nahe,  nahe  an  fünfzig-,     von  einsätzlicheu  versen  sind 
Malchus  nur  die  zuzuschreiben,    welche   prosaische  Wortfolge  haben, 
verschiedene  arten  solcher  einsatzlichen  verse  werden  erörtert,  damit 
hat  verf.  die  grenien  der  yerahaulcnnst  des  Malehns  gesteekt,  alles,  was 
darüber  hinausgeht,  berechtigt  zu  zweifeln,   dieses  wird  unter  drei  ktte* 
gorien  grupiert.     verf.  will  erörtern  die   fälle  der  halbzeiligkeit,  wo 
satzschlusz  und  reim  auseinanderfallen.  die  fülle  der  einsatzlicbkeit  mit 
meisterhafter  wortverüechtung,  zumal  doppelter  Symmetrie,  die  fälle  der 
▼ersperioden,  wo  der  dichter  oline  die  oben  angegebenen  sehranken  vai 
dem  hexameter  frei  Behaltet    bei  beepreehung  der  ersten  kategorie 
hebt  er  zuerst  hervor,  dasz  die  zerreiazTinp  des  verses  durch  halbzeilig- 
keit die  elision  an  dieser  stelle  unmöglich  macht.     auf  grund  dieser 
entschiedenen  Wahrheit  ist  die  echtheit  von  1129  ausgeschlossen,  GrinUBi 
oonjeotaren  in  412  und  829  sind  unmöglich,  286  muss  dureh  unns  oder 
ouin  ergänzt  und  dadurch  sowol  die  elision  in  der  cäsur  beseitigt,  als 
der  fünffiiszler  aufg-ehoben  werden,     darauf  kehrt  er  zum  faden  der 
darstellung  zurück  und  behandelt  die  erste  ausnähme  mit  den  einzelnea 
nuaneiemngen  der  art.   er  behauptet,  ee  Hege  im  rage  seiner  dichter- 
weise, wenn  die  3e  oder  4e  arsis  gereimt  sei  und  erst  nach  ihr  das  neae 
sätzchen  oder  satzteilchen  beginne,  wenn  aber  das  erste  sätzchen  über 
dio  mitte  geführt  oder  das  zweite  vor  der  mitte  begonnen  werde,  liege 
wol  erborgung  vor;  ebenso  sei  mau  berechtigt,  verdacht  zu  hegen,  wo, 
wenn  der  sats  hart  an  der  schwelle  dee  vertee  beginne,  in  freier  und 
kfihner  weise  die  unzureichende  linke  hSlfte  erginst  werde,  weiter  geht 
er  auf  die  fälle  der  einsatzlicbkeit  über,    von  diesen  erklärt  verf.  alle 
die  verse  für  entführt,  welche  durch  die  form  der  doppelten  Symmetrie 
hervorragen    oder   andere   kühuheiten   der   wortverflechtuug  zeigen, 
gleiehes  urteil  fällt  er  über  versperioden,  in  denen  frei  mit  dem  hezik 
meter  geschaltet  wird,    die  bisherigen  heweismittel  nennt  verf.  feinere, 
die  man  leicht  aus  mangel  an  Verständnis  als  unzureichend  beseitigen 
könne,  und  will  nun  die  aus  den  sachlichen  Unmöglichkeiten,  Wider- 
sprüchen und  uuwahrscheinlichkeiten  eutuommenen  beweise  behandeln, 
von  diesen  soll  eine  menge  unscheinbar  und,  sei  es  durch  bessere  Ver- 
teilung des  gesprächs,  sei  es  durch  richtigere  interpunction  und  erklä- 
rung,  sei  es  durch  leise  und  schonende  besserung,  zu  beseitigen  sein, 
einiges  derartige  wird  vorgeführt;  wir  können  es  hierher  nicht  über- 
tragen,  endli^  geht  er  dann  zur  erörterung  des  sachlich  yerdächtigen 
über,    da  behandelt  er  v.  66.  73.  896.  112.  114  f.  1166  und  122.  119.  141 
—149.  153  f.  155.  163.  237.  274.  282.  294.  297  b.  303.  310.  333  f.  328 34i. 
347.  354.  365.  387.  390  (363 «).  399.  416.  434.  485.  540.  569.  598.  599.  614. 
616.  619.  626.  669.  694.  706.  712.  719.  723.  768.  831.  1224.    der  letzte 
vers  bezeichnet  sich  als  der  1170e.  Terf.  meint  mit  Grimm,  die  64  veise, 
um  die  yerf.  sich  hier  verrechnet,  seien  später  lugesetzt,  aber  gegen 
ihn,  der  entweder  die  54  aus  Hör.  entlehnten  verse  oder  die  teilweise 
auch  aus  Hör.  entlehnten  verse  des  prooimious  als  später  zugefügt  an- 
sah, die  später  angefügten  verse  seien  852 — 905  und  sucht  dies  aas 
formalen  und  sachlichen  gründen  danuthun  und  sein  beweis  erseheiat 
bündig  und  zwingend,  auf  851  folgte  bei  Malchus  ursprünglich  die  ant- 
wort  der  naohtigall  906.  weiter  behandelt  verf.  in  kürze  noch  eine  reihe 


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Philologische  programme  deutscher  höherer  lehraastftlten.  213 


von  TtrMn,  welche  hier  nlher  la  beieiehnen  wir  niekt  ffir  nötig  haltea. 
Terf.  erw^st  auch  von  ihnen,  dass  sie  in  sachlicher  beziehong  viudmi 

enthalten ,  derselbe  nacliweis  den  er  für  die  früher  aufgezählten  verse 
durchaus  geführt  hat.  nach  behundlung  der  stellen,  in  weiche  Maichus 
durch  entlehnung  von  vcrsen  classischer  dichter  oder  kirchlichen  un- 
rinn  gebracht,  geht  er  itater  ftbeigehiiBg  der  nMbweifODg  der  spreeh- 
li^es  oBgleichheiteii,  dami  ttber  Ittir  die  eingelnen  Ton  dea  sls  entlehnt 
erkannten  stellen  die  quellen  nachzuweisen,  zum  schlasse  wird  eine 
neae  ausgäbe  der  Ecbasis  angekündigt,  wir  meinen,  verf.  hat  sich  an- 
sprach auf  den  dank  der  germanistischeu  forscher  durch  seine  nach- 
weieniig  dee  plftgiatorlsebra  eharaktere  der  B^Mie  erworben,  es  iet  % 
j«  mJMm  ein  gfroeaet,  sieh  der  beschäftigung  mit  einem  so  unerqoiek« 
liehen  gebiete  irgend  einer  litteraturgeschichtfl,  wie  es  die  des  zehnten 
und  elften  Jahrhunderts  ist,  hinzugeben»  wie  viel  bedeutender  ist«»  aber, 
auf  eolchem  gebiete  au  wirklidien  resultaten  su  gelangen,  welche 
frühere  anaebamuigen  beaeitigen.  n^tobte  auch  unsere  bariebteretattang 
der  Verbreitung  des  programme  einen  «ruten  dienst  leisten,  ee  wäre  im 
Interesse  der  wiBsenschaft  schwer  zu  beklagen,  wenn  die  arbeit  den 
gewöhnlichen  frühen  tod  der  programme  stürbe,  ein  solches  hat  sie 
Hiebt  Terdieni. 

Poaxa.  Fl  iedr.-Wilbelmf-gjnnnasium.  —  Abhandlung  zur  beglück- 
wünschung des  Mariengymnasiuma  in  Posen  bei  seiner  300jtthri;xoii  Jubel- 
feier, zu^jleich  fürs  osteiprogramm  1874:  dr.  A.  B ri e ge r :  'beitrüge  zur 
kiitik  eiuiger  philoä.  Schriften  des  Cicero\  verf.  behandelt  zuerst  Cat. 
mai.  §  6,  er  eebreibt  ^ua  aabia  quoque  ingrediuadum  ait,  daan  folgt 
C.  m.  Ii,  wo  er  gegen  Monimsen  und  Sommerbrodt  nüt  Lahmeyer  und 
Meissner  fugerat  in  arcem  liest,  16,  wo  et  tarnen  gerechtfertigt  und 
durch  eine  ganz  passende  ergänzong  erklärt  wird,  17,  wo  uelocitate 
gegen  Halma  und  audcrur  uelocitatibus  in  schütz  genommen  wird,  20, 
wo  pereontaatar  illi  enpfolilen  wird,  88,  wo  ^nae  iam  aget e  »on  posaem 
geschrieben  und  aed  — »  nita  gegen  Leid,  und  Mommsen  festgehalten 
wird,  44,  wo  diuine  —  pisces  als  zusatz  eines  antiken  lesers  gestrichen 
wird,  45,  wo  magnae  Matris  hinter  autem  gestellt  wird,  46,  wo  et  —  hi- 
bernus  als  uneelä  ausgestrichen  wird,  68,  wo  mit  fionunerbrodt  umge« 
atelJt  wird  eniu  ^videm  non  otilita  me  eolum,  «t.  a.  d.,  et  natura  ipeai 
sed  etiam  etc.,  65,  wo  si  quaerirons  als  nicht  zam  einwürfe  des  gegnere 
gehörend  bezeichnet  wird,  68,  wo  coseecutus  sit  hergestellt  wird,  72, 
wo  iam  durch  nam  ersetzt  wird,  wie  schon  cod.  £rf.  hat,  73,  wo  Bergks 
und  Fleckeiaeaa  herit^nng  dea  Snnianiteben  diatiob:  nemo  me  daoromia 
decoret  verworfen  wird,  freilich  ans  dem  wenig  aiehendea  gmnde,  daea 
die  form  dacruma  von  den  lexicographnn  nicht  aus  Ennius,  sondern  nur 
aus  Liu.  Andron.  citiert  werde,  86,  wo  defatipationem  bewalirt  und 
erklärt  wird,  darauf  werden  stellen  des  Laelius  bebandelt,  zuerst  §  2, 
WO  dieaidjSret  gelesen  wird  (diasid^e  ist  ein  eompos.  von  sido,  eein  perf. 
diaaadi  bei  Suet.  Tib.  7),  §  68,  wo  communis  nach  dem  verf.  einen  men- 
schen bezeichnet,  der  denkt  und  fühlt  wie  andere;  dann  §  5,  wo  de 
amicitia  vor  loquitur  gestrichen  wird;  §  22.  23,  wo  eine  andere  Um- 
stellung der  Sätze  versucht  wird,  als  Muther  n.  Jahrb.  88  s.  338  vor- 
schlug,  indem  satx  8  liinter  4  gesetat  wird;  33,  wo  Terf.  denanafall  Ton 
alias  secundis  nach  adyersis  anninsmt;  9  ^1»  wo  feaqne  für  res  quae 
gesetzt  ist  und  zwischen  deinde  und  resque  ein  malnm  eingefügt,  auch 
procUuis  durch  procliui  ersetzt  wird;  §  60,  wo  vert.  se  streicht  und 
.  ad  rem  ullam  schreibt;  §  61,  wo  der  inf.  fieri  eingeschaltet  wird  vor 
ngunt;  §  54|  wo  opes  geatrieben  und  weiter  nnten  awiiehen  indulgeri 
nouis  und  qnid  autem  eine  lücke  angenommen  wird;  §  67,  wo  indigna 
in  homine  für  indigna  homine  vorgeschlagen  wird;  §  68,  wo  eluendae 
durch  soluendae  ersetzt  wird;  §  85,  wo  mit  M advig,  Baiter,  Lahmeyer 
deligendis  hergeetelU  wird  gegen  Ualm ;  §  79,  wo  mit  dem  Benedietonr- 
banna  deligont  für  dilegnnt,  und  de  nat.  deor.  1 186,  wo  wieder  dieligere 


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214    Philologische  programme  deutscher  höherer  iehranstalten. 


fttr  diligtre  hergestellt  wird,  diese  stelle  bildet  den  fibergang  sor  be- 

handlnng  von  stellen  aus  de  deor.  nat.  hier  wird  besprochen  I  36  ui 
diuina  ac  fatali  für  ut  diuinaro  esse  adfectam),  39  (quae  fiaerent  at- 
que  manarent  nt  et  aqiiam  et  aera,  tum  terram ,  solera,  lunam),  40 
(zwischen  aer  und  per  ist  etwas  ausgefallen,  verf.  ergänzt:  inter  mare 
et  eaelnm  sit  interieetns,  Innonem  esse,  qoiqae),  49  (wird  sn  weit» 
Iftnfig  erörtert  in  Verbindung  mit  §  105,  als  dasi  wir  hier  darauf  ein- 
gehen könnten,  er  bezieht  sich  dabei  auf  SchömRnns  programm  de  Epic. 
theol.  und  bekämpft  es  zum  teil),  123  (exilem  quendam  atque  perlaci- 
dam  wird  zwischen  soUdo  und  membris  gesetzt);  II  §  7  (die  von  Halm 
und  Baiter  naeh  Sehdmann  op.  III  8S6  beliebte  streiehnng  des  qoae 
sint  der  hse.  nach  ea  wird  gebilligt  und  hinter  hominibiit  das  wort  di- 
uinitus  eingeschaltet),  18  (aliam  quam  für  aliquam,  und  animam  für 
animum),  47  (tantundem  absit  otaine  extremum ,  im  folgenden  wird  nihil 
eingeklaoraiert  Yor  eminens),  132  (matnnm  für  maltum),  143  (atqoi  «iid 
ala  dittographie  aus  dem  sohlnsse  Ton  inToluti  nnd  dem  begüue  tob 
quiescercnt  erklärt,  dann  somno  nobis  conniuentibus  aus  somno  conrn'- 
Uentibus  geändert);  III  14  ('n im  fulgoris  für  sortis),  74  (Latinns  —  fecit). 
es  folgen  stellen  aus  de  diuinatione,  nemlich  I  13  (insignibus  sigaid- 

eatio  enentis  ffir  in  si^^iificationa  enentnfe),  88  (si  quid  ex  [ea]  

in  solidum  ceciderit),  II  41.  87  (sed  hoo  —  explosit:  fani  nomen, 
atque  id  in  vulgus.  qui  —  sortibos«  qnod  —  Fortunam.  ceteris  — 
refrixeruut.  ergo  —  omittamus),  96  (hinter  facile  est  ist  eine  lücke, 
verf.  liest:  facile  [non  est,  sed  per  se  ipsum,  ut  opinor,  satis  perspi- 
ennm]  est.  nnn  folgt  eine  des  weitlSnfigen  behandelte  stelle  aus  di 
fato  §  S5  f.  die  worte  non  —  amoris  sind  von  Müller  n.  jahrb.  89 
8.  616  für  unverständlich  erklärt,  Madvig  erklärt  de  fin.  216  f.  das  ut 
dieser  stelle  befriedigend  durch  non  ita,  ut  eae  res  causam  adferre 
pntarentur.  Müller  nahm  nicht  allein  an  ut  anstosz,  auch  am  tempas. 
▼erf.  nimmt  hinter  non,-  nt  —  amoris  eine  Ifioke  an,  die  er  doreh  sed 
qnod  sine  eis  fieri  non  poterat,  nt  Medea  lasonem  nideret  et  eins  amois 
incenderetur.  weiter  wird  gegen  Christ  polemisiert,  weil  er,  obwol 
er  erkannt,  dasz  nulla  igitur  —  causa  elicitur  vor  interesse  autem  — 
neeesse  sit  gehört,  diese  sätse  nicht  im  texte  so  gestellt,  verf.  meist 
mit  seiner  annähme  einer  lücke  wenigstens  eine  von  den  beiden  vor* 
handenen  wunden  geheilt  zu  haben,  vielleicht  ist  auch  interesse  aiant 
—  sit  ein  einschliebsel  fremder  band,  in  dem  folgenden  wird  fore  ein- 
geklammert und  res  hinter  proprior  eingeschaltet.  Farad.  VI  44  wird 
animns  homlns  elines  non  area  qnae  adpeUari  seiet,  in  einem  naehtrs|ft 
kehrt  er  nochmals  zu  de  deor.  nat.  II  47  zurück  und  verteidigt  seine 
lesart  gegen  Müller,  für  Lael.  80  entscheidet  er  sich  jetzt  umgekehrt 
als  oben:  ad  se  rem  ullam,  quam  amicitiam  similitudo.  wir  schlleszen 
die  besprechung  der  abhaudlung  mit  dem  wünsche,  verf.  möge  «eine 
kritischen  stndien  im  Gieero  fortsetsen  nnd  noeh  öfter  specimina  der- 
selben geben  dureh  mitteilung  der  yerbesserungen  des  textes,  die  er 
richtig  gefunden  zu  haben  meint,  zu  empfehlen  ist  die  lectüre  und 
berücksichtigung  dieses  programms  jedem,  der  sich  mit  den  pbilos.  ar- 
beiten Ciceros  lesend  oder  schreibend  zu  beschäftigen  hat.  ein  wessnt- 
liehes  verdienst  hat  sieh  yerf.  aneh  dadnreh  erworben,  dass  er  sehie 
bemerkungen  deutsch  abgefaszt  und  nicht  in  einem  latein,  dessen  dnnkel- 
heiten  nur  zu  oft  den  sweck  haben,  die  selbstonklarheit  der  verf.  la 
bemänteln. 

(fortsetzung  folgt.) 
BiJtTEMäTEiN.  H.  K.  Benickeii.^ 


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PersonalnotiMn. 


(14.) 

PEBSONALNOTIZEN. 

(Unter  mitbenutzung  des  'centralblattes'  von  Stiehl  uud  dur  ^Zeit- 
schrift für  die  9sterr.  gymnasien*.) 

BraeBBVBgeBf  befllftfcrvnyeB,  vertetemgVBf  •«■MMiBaBfeB« 

BSttohor^  dr.,  re«l8ebaldii«etor  in  Hamburg,  snm  direettfr  der  real* 

schnle  I  o.  in  Düsseldorf  emaimt. 
Brieden,  dr.»  ord.  lehrer  an  gymn.  in  Arnsberg,  snm  Oberlehrer  be* 

fordert. 

ColImanQ,  dr.,  gymnasialoberl.  in  Glückstadt,  in  gleiuber  eigenschaft 

an  das  gymn.  zu  Wandsbeck  versetzt. 
Becker,  dr.,  gymnasiallehrer  in  Bents,  als  Oberlehrer  an  das  gjmn« 

in  Trier  versetzt. 

FJöoker,  dr.  theol.,  gymnasiallehrer  in  Beuthen,  )  zu  Oberlehrern  er- 
Francke,  dr.,  gymnasiallehrer  in  Beuthen,  f  nannt. 

Frey,  dr.,  director  des  domgymn.  in  Verden,  erhielt  den  pr.  rotben 
adlerorden  IV  el. 

Gawlik,  dr«,  zam  proTinsial-sehnlrath  an  KSnigsherg  i.  Pr.  ernannt 

Gevers,  dr.,  oberl.  am  gymn.  in  Verden,  als  'professor'  prädiciert. 
flölzl,  dr. ,  ord.  lehrer  an  der  renlschule  in  Haini,  als  Oberlehrer  an 

das  gymn.  zu  Neustadt-Dresden  berufen. 
Haverz,  dr.,  ord.  lehrer  am  gymn.  in  Coesfeld,  zum  Oberlehrer  ernannt. 
Kayser,  dr.,  seminardireetor  in  Bfiren,  als  proTinilal-sehnlratii  nach 

Danzig  bemfen. 
Keulen,  dr. ,  gymnasiallehrer  io  Coblens,  an  das  1 

f^ymn.  zu  Düren  l  als  Oberlehrer 

Leckow,  gymnasiallehrer  in  Treptow  a«  d.  £. ,  an  |  versetzt. 

das  gymn.  zu  Stolp  J 
Lehmann,  stndienlehrer  in  Landen,  snm  gymnasialprof.  in  Kempten 

eroannt 

Lenz,  dr.,  ord.  lehrer  an  der  realschale  I  o,  in  Iserlohn,  inm  ober» 

lehrer  ernannt. 

Momrosen,  dr.  Th.,  ord.  prof.  der  univ.  Berlin,  erhielt  das  kreuz  der 

grossofficiere  des  ital.  8t.  Manrittns-  nnd  Laiamsordens. 
Mftn&ieh,  dr.,  gymnasiallehrer  in  Wittenberg,  als  Oberlehrer  an  das 

gymn.  an  Verden  bemfen. 
Pantke,  dr. ,  director  des  gymn.  in  Bozen,  zum  director  des  gymn.  in 

6örz  und  zum  mit^lied  des  landesschulraths  für  die  grafschaft  ernannt. 
Pape,  dr.,  prof.  an  der  landwirthschf.  akademie  zu  Proskau,  zum  ord. 

piof.  der  nniv.  Königsberg  ernannt. 
Peters,  dr.,  Oberlehrer  am  gymn.  zu  Benthen,  in  gleicher  eigenschaft 

an  das  Matthias-gymn.  in  Breslau  versetzt. 
Pinzger,  dr. ,  oberl.  an  der  realscbule  zu  Keichenbach  in  Schlesien, 

aU  'Professor'  prädiciert. 
Polte,  dr.,  provinzial-schulrath  in  Posen,  erhielt  den  pr.  rothen  adler* 

erden  lY  cl. 

Pott,  dr.,  ord.  prof.  der  nniT.  Halle ,^  erhielt  den  mss*  St.  Stanislans- 

erden  I  cl. 

Bein,  dr.,  ord.  prof.  der  univ.  Marburg,  erhielt  das  ritterkreuz  II  d« 

des  bad.  ordens  vom  Zähringer  löwen. 
Benter,  gymnasiallehrer  in  Kiel,  an  das  gymn,  an  \ 

GlUckstadt  I  als  Oberlehrer 

Schrodt,  ord.  lehrer  an  der  realsehnle  in  Nauen,  an  |  rersetat. 

das  gymn.  in  Potsdam  J 
Schütz,  prof.,  dir.  emer.  des  gymn.  in  Potsdam,  erhielt  den  pr.  rothen 

tdlerorden  IV  ol. 


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216 


Personalnotizeu. 


Slawitsky,  dr.,  oberl.  am  MattliiM-gTinii.  in  Breslao,  lam  proTiniial- 

schulrath  in  Breslau  ernannt. 

Sonne,  dr. ,  rector  u.  oberi.  am  damgymn.  so  Verden,  erhieU  den  pr. 
kronenorden  IV  cl, 

Spaengler,  direetor  der  ttamta oberrealselmle  in  dar  Leopoldatadt  xn 
Wien,  erUelt  das  ritterkreus  des  österr.  Franz -Josephordena. 

Thiermann,  dr.  prof. ,  direetor  der  realsehnle  I  O.  in  Göttingen,  er- 
hielt den  pr.  rotben  adlerorden  IV  cl. 

Voigt,  dr.  £.,  Oberlehrer  am  Friedrichagjmn.  in  Berlin,  als  'profesaor' 
pradieiert. 

AUog,  dr.,  ord.  prof.  der  theol.  an  der  xmiy»  an  Freibarg  i.  Br.,  am 
28  febr.,  9%  jtmte  all.  (Idrcbenbistoriker.) 

Arndts,  dr.  von  Arnesberg^,  hofrath,  ord.  prof.  des  röm.  rechts  an  der 

uuiv.  Wien,  am  1  märz,  75  jähre  alt.  (ausgezeichneter  romanist.) 
Becquerel,  Edmund,  prof.  am  naturhistor.  maseitni  in  Paris,  starb  da- 

aelbet  Tl^tkAg  iit  jannar  (durch  seine  atndien  Aber  eleetrieitit  nnd 

magnetismus  hochverdient). 
Bernard,  Claude,  prof.  der  allgemeinen  physiologfie  im  museum  des 

jardin  des  plante»,  am  10  febr.,  66  jähre  alt.  (berühmter  physiolog.) 
Frey,  Helnridh,  r«elor  emer.  der  realsehnle  in  Basel,  am  25  mSra. 
Girard,  H.,  dr. ,  ord.  prof.  der  nnir.  Halt«,  direetor  des  mineralog. 

nrasenms  daselbert,  am  11  april. 
TOn  Grün  eisen,  Karl,  oberhofprediger,  prälat,  geb.  1802  zu  Stuttgart, 

starb  daselbst  am  1  märz.    (lyrischer  dichter  und  kansthistoriker, 

*Niool.  Mimnels  leben  md  werke'.) 
Guerike,  H.  E.  F.,  dr.  o  prof.  der  theologie  an  der  nniv.  Hiffle,  am 

4  febr.,  75  Jahre  alt.  (krrchenhistoriker.) 
Hartmann,  Gottlob,  dr. ,  conrector  em.  des  gymn.  zu  Sondershansen. 

(laugjähriger  mitarbeiter  dieser  Zeitschrift.) 
Her  eh  er,  dr.,  prof.  am  Joaebimstbal.  gymn.  an  Berlin,  ord.  mitglied 

der  akademie  der  wiss.  daselbst, 
von  Landerer,  Alb.,  dr.,  ord.  prof.  der  theol.  an  der  nnlF«  Tübingen^ 

sm  13  april,  im  alter  von  68  Jahren. 
Leo,  Heinrich,  dr.  jur.  et  phil.,  ord.  prof.  der  geschichte  an  der  nniir. 

Halle,  geb.  am  19  märz  1799  an  Budolstadt,  gest.  am  24  april  an 

Halle,  (geseid^e  der  itaL  Staaten,  swölf  btteher  niederMad.  ge- 
schichte.) 

Müller,  ord.  lebrer  am  gymn.  zu  Thom. 

Pesebier,  A.,  dr.,  ord.  prof.  der  üraaa.  spräche  und  Ittter.  an  der 

uuir.  Tübingen,  74  jidiro  aH,  am  1  februar. 
Pfund,  dr.,  bibliotliekar,  enstos  an  der  könig^.  bibliothek  an  Berlin, 

am  7  april. 

Begnault,  Henri  Victor,  directer  der  porzellaufabrik  zu  Serres,  starb 
an  Antenil  im  jannar,  67J ahrig.  (als  Chemiker  nndf  physiker  be- 
ideutend.) 

Secchi,  Angelo,  direetor  der  Sternwarte  u.  prof.  der  physik  am  collegio 
Romano,  mitglied  des  JesuitenordcLs,  berühmt  durch  seine  spectral- 
analytischen  abhandlungen  über  die  sonne  und  die  fizsterne,  starb 
aan  M  febr.  wä  Bom,  gob.  29  joni  1618  an  Beggio. 

Wagner,  Gustav,  dr.  prof.,  direetor  des  Friedricb-collegianls  an  Königs- 
berg i.  Pr. ,  im  alter  von  57  Jahren. 

Weber,  Ernst  Heinr. ,  dr.,  geh.  mediciualrath,  ord.  prof.  und  senior 
der  nniv.  Leipzig,  der  er  seit  dem  jähre  1818  angehörte,  starb  am 
96  jannar,  88  jabre  alt.  (epochemaobend  durch  seine  pbjsiol. 
forschung^en.) 

Wilma  uns,  dr.,  ord.  prof.  der  geschichte  zn  Straszburg,  starb  im  april 
zu  Baden-Baden. 


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ZWEITE  ABTErLUNG  (U8a  BAND). 


Seite 

17.  Die  kunst  im  g-ymnasium  und  die  Seemannschen  kunst- 
historischen bihlerbogen.    von  R.  Menge  in  Eisenach  .    169  —  179 

(11.)  Kritische  notizen  zu  den  beschlüssen  der  Berliner  ortho- 
graphischen conferenz.  von  Didol/f  in  Mariaweiler 
bei  Düren,  (fortsetzung)  179—199 

18.  F.  Köster:  die  alten  lieder  des  Quintus  Horatius  Flaccus 
im    neuen    gewande    (Würzburg   1877).      angez.  von 

W.  Gebhardt  in  Meseritz   199  -203 

19.  Schauenburg  und  Ifoc/ie:  deutsches  lesebuch  für  die 
oberclassen  höherer  schulen,  zwei  teile,  zweite  ver- 
mehrte  und  verbesserte  aufläge  (Essen  1874).  angez. 

von  Victor  in  Dresden   204 — 206 

20.  TV.  B.  MÖnnirh:  auswahl  deutscher  aufsätze  und  reden, 
ein  ergänzendes  hilfsmittel  für  den  deutschen  Sprach- 
unterricht in  den  oberen  gymnasialclassen.  zweite 
auäage.  mit  einem  anhang,  enthaltend  erlUuterungen 
und  ergänzungen  zu  den  musterstücken,  bearbeitet  von 
A.  Planck  (Heilbronn  1876).  angez.  von  Kraut  in 
Schönthal   206—209 

21.  /f.  Schmidt:  das  grosze  königlich  preuszische  Wappen, 
nach  der  allerhöchsten  cabinetsordre  vom  11  august 
1873  mit  historisch-heraldischen  erläuterungen  (Breslau 

1877).    angez.  von  0.  Nasemann  in  Halle  210—211 

(16.)  Philologische  programme deutscher  höherer  lehranstalten. 

von  K.  H.  Benicken  in  Bartenstein,  (fortsetzung)  .  .  211 — 214 
(14.)  Personalnotizon  215—216 


XXXIII.  Yersammliing 

deutscher  Philologen  und  Schulmänner. 


Nach  dem  zu  Wiesbaden  im  vorigen  Jahre  gefassten  Be- 
schlüsse wird  die  XXXIII.  Versammlung  deutscher  Philologen 
und  Schulmänner  in  Gera  stattfinden. 

Da  Seine  Durchlaucht  der  Fürst  die  statutengemässe 
höchste  Genehmigung  zur  Abhaltung  des  Gongresses  ertheilt 
haben,  so  schreiben  wir  hierdurch  die  Versammlung  auf  die 
Zeit  vom  30.  September  bis  3.  October  1878  aus  und  laden  ; 
die  Fach-  und  Berufsgenossen  zu  zahlreicher  Betheiligung  ein  J 
mit  der  Bitte,  sich  wegen  Beschaffung  guter  und  billiger  .^^ 
Quartiere  möglichst  frühzeitig  an  den  mitunterzeichneten  Dir. 
Dr.  Grumme  in  Gera  wenden  zu  wollen.  Vorträge  und  Thesen  \^ 
sowohl  für  die  Plenarsitzungen  wie  für  die  Sectionen  bitten  * 
wir  baldigst  anzumelden.  '  j 


Gera, 
Director  Gramme. 


Jena, 
Professor  Delbrück. 


\ 


^  jdby  Google  ^ 


ZWEITE  ABTEILUNG 

FOB  eYMNASIALPÄDAeoeiK  UND  DI£  ÜBfiI6£N 

LEH£FÄCfi£B 

MIT  AüSfOBLVSZ  DBB  OLABBtSORBV  PHILOLOOTB 

U£aAUSG£G£BEN  VON  PROF.  DB.  HbBMANN  MaSIUS. 


ZÜB  METHODE  DES  LATEINISCHEN  ELEMENTAR- 
TJNTEBBICHT8  AUF  DEM  GTMNASIÜM. 


So  eben  haben  die  Jahrbücher  ihre  ausführlichen  berichte  über 
die  Verhandlungen  der  Wiesbadener  Versammlung  von  philologen 
und  Schulmännern  abgeschlossen,  auch  wer  nicht  selbst  teilgenom- 
men, wird  hieraus  den  eindruck  einer  frischen,  vielseitige  anregung 
bietenden  thätigkeit  erhalten  haben  und  darum  der  Versicherung  gern 
glauben  schenken,  dasz  die  versammelten  befriedigt  und  dankbar 
heimgekehrt  sind,  es  ist  der  ausdruck  wohlverdienten  dankeS;  wenn 
ich  mir  vornehme,  den  lateinischen  elenientarunterricht  im  anschlusz 
an  die  bezüglichen  besprechungen  der  pädagogischen  section  zu  be- 
handeln ,  denn  ich  bin  in  der  that  durch  diese  dazu  veranlaszt  wor- 
den, meine  gedanken  über  den  gegenständ  awU  neue  zu  prüfen  und 
systematisch  zu  ordnen. 

Herr  professor  Eckstein  hatte  folgende  thesen  aufgestellt : 

1)  der  lateinische  elementarunterricht  musz  von  der  menge 
der  jetzt  dabei  verwendeten  bücher  befreit  werden. 

2)  das  übersetzen  aus  dem  lateinischen  verdient  den  vorzag 
vor  dem  übersetzen  in  das  lateinische. 

3)  erzählungen  sind  geeigneter  zu  der  ersten  lectüre  als  ge- 
spräche. 

4)  die  Übersetzungen  aus  der  muttersprache  sind  mehr  münd- 
lich zu  machen  als  schriftlich,  die  bis  jetzt  dabei  gebrauch- 
ten hfil&bücher  gehören  nicht  in  die  bände  des  Schülers. 

6)  mit  dem  sprechen  des  latein  kann  schon  auf  dieser  stufe 
begonnen  werden. 

H.  jahrb.  f.  phil.u.  päd.  U.  abt.  Ibl^.  ha.  5  u.  6. 


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218        Zur  meihode  des  latemischen  elementanmtemohtB 


Die  betreffenden  Sitzungen  der  pftdagogiscben  section  waren 
sehr  zahlreich  besucht,  und  die  allgemeine  teilnähme  der  anwesenden 
bezeugte  es  aufis  deutlichste,  dasz  jene  theeen  zur  erOrtening  einer 
wichtigen,  immer  wieder  von  neuem  emstlich  zu  erwftgenden  frage 
einladen,  es  erfolgte  ein  lebhafter  und  lehrrnoher  meinnngsaus- 
tausch  zwischen  erfahrenen  kennem  des  höheren  Unterrichts ,  ohne 
jedoch,  was  bei  derartigen  auf  ein  bestimmtes  zeitmasz  beschränkten 
Verhandlungen  natürlich  ist,  eine  sichere  principielle  entscheidong 
herbeizufübren.  so  darf  ich  hoffen,  es  werde  berufenem  urteil  auch 
der  beitrag,  den  ich  im  folgenden  zu  geben  gedenke,  nicht  unnütz 
erscheinen ;  interessierten  freunden  der  schule ,  die  der  sache  femer 
stehen,  dürfte  derselbe  vielleicht  eine  willkommene  gelegenbeit  bie- 
ten, sich  mit  dem  gegenwärtigen  stand  der  sache  bekannt  zu  machen. 

Meine  betrachtung  geht  von  der  letzten  der  oben  angeführten 
thesen  aus,  welche  bei  der  vorgerückten  zeit  nicht  eingehend  be- 
sprochen werden  konnte,  jedoch  nach  kurzer  empfehlung  von  Seiten 
ihres  Urhebers  einstimmig  gebilligt  wurde,  wenn  ich  dieselbe  auf- 
nehme und  ausführlicher  bespreche,  so  ist  es  unumgänglich,  dabei 
auch  die  anderen  puncte  des  lateinischen  elementarunterrichts  zu  be- 
rücksichtigen und  zu  Ecksteins  ansichten  überhaupt  Stellung  zu  neh- 
men.  aus  dieser  art  der  behandlung  ergibt  sich  zugleich  mein  stand- 
punct  von  selbst,  nämlich:  jede  einzelne  frage  des  Unterrichts  streng 
im  zusammenhange  des  ganzen  planes  zu  halten  und  damit  auch  den 
elementaren  teil  desselben  unter  einem  wissenschaftlichen  gesichts- 
punct  aufzufassen  —  eine  methode,  die  zwar  in  der  tbeorie  als  rich- 
tig und  notwendig  anerkannt  ist,  in  der  praxis  jedoch  nicht  streng 
genug  befolgt  zu  werden  scheint. 

Ueberdas  lateinsprechen  wäre  ohne  zweifei  Eckstein  am  meisten 
berufen  gewesen,  uns  in  Wiesbaden  zu  belehren,  gab  er  uns  doch  in 
jenen  tagen  durch  seine  gedächtnisrede  auf  Ritscbl  reiche  gelegen- 
beit, die  gewandtheit  seines  eigenen  lateinischen  ausdrucks  kennen 
•  zu  lernen,  diese  mündliche  belehrung  blieb  uns  leider  ebenso  ver- 
sagt, wie  bis  auf  den  heutigen  tag  sein  artikel  über  lateinische 
spräche  in  der  Scbmidscben  encyklopädie.*  in  ermangelung  dessen 
also  mag  es  erlaubt  und  trotz  der  in  pädagogischen  werken  enthal- 
tenen fingerzeige  wünschenswert  sein,  das  lateinsprechen  als  ein 
nicht  blos  berechtigtes  und  mögliches,  sondern  auch  nützliches  und 
notwendiges  glied  in  dem  gesammtgefüge  des  lateinischen  unterrichtB 
auf  unseren  gymnasien  aus  der  erfahrung  heraus  nachzuweisen  nnd 
den  coUegen  meine  ansieht  zur  prüfung  und  eventuellen  beachtung 
vorzulegen,  sollte  es  mir  gelingen,  auch  in  weiteren  kreisen  inte^ 
esse  fOr  diesen  gegenständ  zu  wecken ,  so  würde  mir  dies  —  ich  ge- 
stehe es  gern  —  eine  besondere  genugthuung  sein,  ohne  zweifei  ist 
ja  gerade  in  unserer  zeit  die  idhiabme  aller  gebildeten  mehr  als  je 
der  schule  und  ihrer  methode  zugewandt,  durch  eine  betrSohtliobo 

*  die  redact.  freut  sich  hinsuaetzen  zu  dürfen,  dasz  das  erscheinen 
desselben  in  den  nKchsten  tagen  mit  bestimmtheit  zu  erwarten  steht. 


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auf  dem  gynuiMhim. 


219 


nU  grSszerer  und  kleinerer  Bchrifien,  in  denen  m&ogel  unseres 
gyntDasudwesens  zugestanden  und  TerbessemngsYorschlftge  gemacht 
sind,  hat  man  die  allgemeine  erwartang  auf  das  unterrichtsgesetz 
in  Bpannung  erhalten  und  im  pnbUknm,  vielleicht  auch  unter  fach- 
genossen ein  gewisses  mistrauen  gegen  die  bestehenden  lehreinnch* 
tongen  erregt  und  genährt,  haben  diese  Snsiemngen  meistens  eine 
negative  tendenz,  so  mOchte  ich  eben  ihnen  gegenüber  mit  konser- 
vativen ansichten  hervortreten  und  auf  dem  fest  begrensten  gebiet 
des  lateinischen  gymnasialnnterrichts  zu  eingehender  prflfung,  vor- 
urteilsloser Würdigung  und  sorgftltiger  ansnntiung  der  yorhandenen 
lebrmittel  auffordern. 

Man  greift  meines  erachtens  heutzutage  gar  zu  leicht  zu  radi- 
calen  reformen  auch  im  Schulwesen,  man  will,  wenn  sieh  hier  übel- 
stftnde  zeigen ,  zu  rasch  an  den  zur  bildung  der  jugend  verwendeten 
gegenständen  ändern,  statt  die  methode,  in  der  sie  behandelt  wer- 
den, für  jene  mängel  yerantworUich  zu  machen  und  dieselbe  tu  Ter» 
tisfen  und  su  yerbessem. 

Um  nnr  ein  naheliegendes  bwqpiil  xn  erwähnen,  erinnere  ich 
daran,  wie  verjähren  laute  stimmen  gegen  den  lateinischen  aufsata 
sieh  vernehmen  lieszen ,  wie  eine  grpsze  zahl  von  lehrem  darin  ein- 
stimmten und  sich  in  folge  davon  auch  in  weiteren  kreisen  die  mei- 
nang  zu  befestigen  drohte,  derselbe  sei  fortan  unhaltbar  und  werde 
bei  eintretender  reform  aus  dem  lehrplane  des  gymnasiums  entfernt 
werden,  auch  einsichtige  und  zum  urteil  berufene  männer  leugneten, 
damals  die  oft  genug  an  dieser  leistung  hervortretende  mangelhaftig- 
keit  nicht  ab,  allein  sie  klagten  über  fehlerhafte  methode,  für  den 
gegenständ  selbst  standen  sie  mit  voller  Überzeugung  ein  und  er- 
wiesen ihn  als  einen  notwendigen  bestandteil  des  classischen  Unter- 
richts.' so  ergab  sich  denn  aus  dieser  besprechung  eine  heilsame 
fÖrderung  der  sache,  um  die  gestritten  wurde,  und  man  darf  behaup- 
ten, dasz  nun,  seitdem  man  sich  aus  allen  wohlerwogenen  gründen 
entschlossen,  den  lateinischen  aufsatz  im  engsten  Zusammenhang  mit 
der  lectüre  zu  fassen,  die  schriftliche  leistung  sich  wesentlich  ge- 
hoben hat,  während  zugleich  die  lectüre  selbst  vertieft  wurde,  des- 
halb fühlt  man  sich  heute  etwa  wiederholten  feindlichen  bestrebungen 
gegenüber  sicherer  und  hält  den  in  seinem  wert  aufs  neue  erkannten 
besitz  mit  gröszerer  ruhe  und  freudigkeit  fest. 

Aehnlichen  angriflfen  ist  das  lateinsprechen  ausgesetzt  gewesen 
und  noch  ausgesetzt,  nur  wird  es  oft  in  Streitschriften  nicht  mit  er- 
wähnt, weil  man  es  für  überflüssig  hält,  darüber  ein  wort  zu  ver- 
heren;  man  wendet  sich  eben  gegen  den  stattlichen  angriflfspunct 
des  lateinischen  aufsatzes  und  beachtet  den  schwächlichen  zweig 
nicht,  der  ja  ohnehin,  wie  man  meint,  dem  absterben  verfallen  ist. 

Fragen  wir  uns  also  zunächst:  wie  steht  es  augenblicklich  mit 
dem  lateinsprechen  auf  unseren  gjmnasien  ? 

*  80  vor  allen  In  besonnener  und  eingehender  weise  Hirschfelder 
in  der  Zeitschrift  für  das  gjninasialweseD         s.  337—356. 

15* 

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220 


Zar  methode  des  lateiniichen  elementanmterrichta 


Im  abiturientenregloment  wird  eine  gewisse  gewandtheit  im 
mündlichen  gebrauch  der  spräche  gefordert.^  man  Iftsst  den  abitu- 
rienten  demgemäsz  gewöhnlich  im  examen  über  ein  aU  bekannt 
Torauszusetzendes  thema  aus  der  griechischen  oder  römischen  ge- 
sdiichte  ein  paar  minuten  reden ,  oder  man  stellt  ihm  ein  thema  im 
ansohlusz  an  die  lectüre  der  letzten  jähre,  sb.  die  causa  Miloniuia, 
die  causa  Sestiana,  die  attge  des  Germanicns,  Agricola  in  Britannien, 
der  Olynthische  krieg,  gewünscht  wird  nun  im  ausdruck  des  abita« 
rienten  ein  gewisser  flusz,  grammatikalische  und  stilistische  correct- 
heit,  Vermeidung  auffallender  germanismen  —  also  im  wesentlichen 
dasselbe,  was,  freilich  in  verschärftem  masze,  fttr  die  beorteilong 
des  lateinischen  aufsatzes  kriterium  ist. 

Wie  entsprechen  nun  die  resultate  diesen  anforderungen  ? 

Sind  die  durchschnittsleistungen  im  lateinischen  aufsatz  befrie- 
digend zu  nennen,  so  stehen  diejenigen  im  sprechen  bedeutend  tiefer, 
doch  wie  ist  es  bei  der  jetzigen  praxis  überhaupt  möglich,  auf  die- 
sem gebiete  gute  resultate  zu  erzielen? 

Auf  vielen  gymnasien  tritt  der  schüler  in  die  prima  ein ,  ohne 
vorher  irgendwie  im  sprechen  geübt  worden  zu  sein,  hier  stehen 
nun  dem  lehrer  des  latein  zwei  wöchentliche  stunden  für  gramma- 
tische Wiederholungen,  für  stilistische  Übungen  in  extemporalien  und 
exercitien,  welche  gründlich  durchgesprochen  werden  müssen,  wenn 
sie  anders  frucht  bringen  sollen ,  endlich  für  durchnähme  der  auf- 
sätze  zur  Verfügung  j  sechs  stunden  sind  zur  lectüre  bestimmt,  welche 
stunde  soll  er  also  zu  Sprechübungen  festsetzen?  denn  will  er  jetzt 
noch  befriedigendes  erreichen,  so  wird  es  sicher  nicht  genügen,  ge- 
legentlich eine  halbe  oder  eine  ganze  stunde  dazu  zu  verwenden,  viel- 
mehr wird  es  einer  regelmäszigen  und  andauernden  Übung  bedürfen, 
da  von  den  beiden  grammatisch  -  stilistischen  stunden,  wie  jeder  er- 
fahrene lehrer  zugeben  wird,  sich  kaum  minuten  erübrigen  lassen, 
so  sieht  man  sich  an  die  lectüre  gewiesen,  den  dichter  wird  wol 
aber  jeder  mit  solchen  anfangsübungen  verschonen  wollen,  und  so 
musz  denn  der  prosaiker  die  zeit  hergeben,  dies  ist  in  der  that  unter 


*  bei  Wiese,  verordnimgen  und  gesetze,  abt.  1  im  abschoitt  über 
die  matnritätsprüfung  der  gymnasien  §  21,  s.  816  f.  helsst  es,  nachdem 
Yon  den  stellen  aus  griecb.  und  lat.  autoren  geredet  ist,  die  vorgelegt 
werden  sollen:  ^bei  der  erkliirungj  derselben  sind  geeigneten  orts  ans  der 
metrik,  mythologie,  altertumskunde  usw.  fra^ren  anzuknüpfen;  eoenso 
ist  hei  diesem  teil  der  prüfuog  den  scbülern  gelegenheit  zu 
geben,  ihre  geübtheit  im  lat.  sprechen  su  seigen.*  §88  s.  819 
wird  freilich  unter  den  bediognngen  fUr  die  erteilong  des  Zeugnisses 
der  reife  das  lateinsprechen  nicht  ausdrücklich  genannt,  iiidessen  lesen 
wir  s.  223  in  einer  Verordnung  vom  5  dec.  1861:  ^der  zu  den  höheren 
Stadien  vorbereitende  schalnnterricht  schlieszt  Übungen  im  lat.  sprechen 
ein,  und  sie  werden  auf  niebt  wenigen  Gymnasien  mit  gutem  erfolg 
trieben.  in  den  Zeugnissen  der  zum  Studium  der  theologie  übergeliendcu 
soll  ein  vermerk  über  den  im  mündlichen  gebrauch  der  lat.  spräche  er- 
langten grad  von  fertigkeit  nicht  fehlen.'  (ich  citiere  noch  nach  der 
anffage  yon  1867.) 


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auf  dem  gymnaaium. 


221 


solchen  Verhältnissen  der  einzige  ausweg,  den  man  einschlagen  kann, 
ohne  sich  direct  einer  pfiicbtyerletsong  in  seinem  gewissen  schuldig 
m  fühlen. 

Die  Übungen  im  sprechen  gestalten  sich  dann  im  wesentlichen 
überall  folgendermaszen :  man  läszt  bei  der  lectüre  historischer  stoffe 
(Tacitns)  den  inhalt  des  in  der  jedesmal  vorhergehenden  stunde  ge- 
lesenen Abschnitts  lateinisch  wiedergeben  nnd  erzielt  so  zugleich  in 
wünschenswerter  weise  ein  festhalten  des  Zusammenhanges;  man  be- 
Butit  femer  die  controle  der  privatlectüre  zu  um&ssenderen  Über- 
sichten über  den  inhalt,  was  zb.  beim  bellum  lugnrthinum  des  Sallust 
ohne  grosse  Schwierigkeit  geschieht  und  sich  selbst  bei  den  briefen 
Cieeros  empfiehlt,  allein  sehen  wir  auch  davon  ab,  dasz  der  lehrer 
in  gerechtfertigter  rücksieht  auf  stetiges  fortschreiten  der  lectüre 
leicht  geneigt  ist,  sich  hierin  mit  dürften  leistungen  zu  begnügen 
nnd  den  lateinisdien  ausdruck  nicht  streng  zu  urgieren,  so  liegt  doch 
schon  darin  ein  groszer  übelstand,  dass  diese  Übungen  sich  nur  über 
die  kleinere  hälfte  des  Schuljahres  erstrecken,  denn  erstlich  eignen 
sich  manche  historische  abschnitte  weniger  hierzu,  wie  diejenigen, 
wo  der  Schriftsteller  land  und  leute  schildert,  dann  aber  wird  ein 
ungleich  längerer  zdtraum  durch  die  lectüre  einer  schwi^igeren  rede 
Cieeros  und  einer  auswahl  aus  einer  rhetorischen  oder  philosophischen 
Schrift  desselben  in  ansprach  genommen,  es  ist  demnach  einleuch- 
tend, dasz  man  durch  solche  beschränkte  Übungen  die  scbüler  im 
mündlichen  gebrauch  der  fremden  spräche  durchaus  nicht  irgendwie 
sicher  zu  machen  im  stände  ist.  freilich  wäre  dem  ganz  anders,  wenn 
der  primaner  von  vornherein  mit  der  spräche  vertrauter  uns  über- 
liefert würde,  so  aber  musz  ihm,  so  zu  sagen,  erst  hier  die  zunge 
gelöst,  musz  erst  hier  die  befangenheit ,  die  sich  anfänglich  stets 
geltend  macht  und  sich  nur  allmählich  durch  Übung  und  gewöhnung 
überwinden  läszt,  beseitigt  werden,  hierüber  geht  eine  kostbare  zeit 
verloren,  ja  man  darf  sagen:  bei  der  eben  beschriebenen  praxis  ist 
es  nicht  möglich,  die  schüler  bis  zu  diesem  ziele  zu  fördern,  weil 
eben  die  Übungen  nicht  nachhaltig  genug  sind  und  sein  können,  ge- 
schweige denn  dasz  gewandtheit  des  ausdrucks  zu  erreichen  wäre, 
so  bleibt  dem  primaner  bis  zum  abschlusz  des  cursus  im  latein- 
sprechen eine  gewisse  ängstlichkeit  und  Unsicherheit  anhaften ; 
ganz  natürlich  also,  dasz  ihm  daraus  einer  der  gi-öszten  schrecken 
seines  mündlichen  abiturientenezamens  wird,  dies  haben  mir  wenig- 
stens bisher  meine  abiturienten  vor  und  nach  bestandener  prüfung 
der  mehrzahl  nach  gestanden,  nur  einzelne  fanden  ^ch  in  jedem  jahr- 
gang,  die  durch  angeborene  darstellungsgabe  unterstützt  ohne  mühe 
und  ohne  befangenheit  lateinisch  zu  sprechen  vermochten,  ebenso 
wie  sie  sidi  schriftlich  mit  leichtigkeit  und  gewandtheit  ausdrückten, 
daneben  stOsst  man  wohl  auch  hin  und  wieder  auf  einen  examinanden^ 
der  im  vertrauen  auf  glückliche  Zungenfertigkeit,  wie  vorher  in  der 
schule,  so  jetzt  in  der  prüftmg  die  aufgäbe  des  lateinspreehens  mit 
grosser  dreistigkeit  unternimmt  und  in  der  tbat  über  jede  schwie- 


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222 


Zur  methode  des  lateüuschen  elementax  Unterrichts 


rigkeit  und  jeden  anstosz  binwegzueilen  weisz.  sein  ausdruck  wird 
flusz  vielleicht,  correctheit  gewisz  nie  besitzen  und  kaum  passender 
beurteilt  werden  können ,  als  mit  dem  Ciceronischen  wort  'uolabüi- 
tas  inanis  atque  irridenda'. 

Die  mehrzahl,  wie  gesagt,  wird  sich  ernsthaft  bemühen,  das 
gestellte  thema  befriedigend  zu  behandeln,  man  wird  an  ihrem  tot- 
trag  jedoch  nur  hier  und  da  eine  passende  raniiiiscenz ,  eine  wohl- 
gelungene  periode  zu  loben  haben;  einen  guten  eindmok  macht  die 
leistang  im  ganzen  deshalb  selten,  weil  freiheit  und  Sicherheit  an 
ihr  yermiszt  wird. 

Katttrlich  führt  der  prüfende  lehrer  diese  mangelhaften  sprecli- 
Yersnche  nur  mit  einem  peinlichen,  unbehaglichen  geftlhle  vor,  hit 
er  doch  dabei  das  bewnstsein,  seinen  schülem  hier  etwas  zornntha 
zn  mfissen,  woza  er  sie  angemessen  vorzubereiten  nidit  in  derhge 
war.  wer  mOchte  es  ihm  deshalb  allzusehr  yeraigm,  wenn  er,  m 
das  resultat  besser  zu  gestalten,  anderen  aufgaben  seines  unten^ 
zeit  entzieht  und  eine  wSchmtliche  stunde,  wenigstens  im  wiofar- 
Semester,  zu  mllndlidien  Übungen  bestimmt? 

Allein  auch  die  so  erzielte  firucht  kann,  weil  nicht  im  oi^giai- 
schen  fortging  des  ganzen  gynmasialnnterTidhts  natoxgemttss  ent- 
wickelt} sondern  erst  gegen  das  ende  desselben  kfinstUcb  beschleunigt, 
nicht  reif  und  nicht  gesund  sein. 

Ferner  weise  ich  nocb  einmal  nadidrUcklich  darauf  hin,  wii 
durch  ein  solches  verfahren  die  eine  oder  die  andere  der  wichÜgens 
aufgaben  des  lateinischen  Unterrichts  beeinträchtigt  und  das  ihnen 
vorgeschriebene  ziel  in  frage  gestellt  wird,  ich  wenigstens  gUnbe 
nach  meinen  bisherigen  erfahrungen,  von  einzelnen  durch  besondere 
Yerhältnisse  begünstigten  schulen  abgesehen,  behaupten  zu  dürfen, 
dasz  jeder  lateinlehrer  auch  in  prima  noch  Wiederholungen  schwieri- 
gerer teile  der  syntax  für  notwendig  erkennen  wird ,  dasz  er  recht 
zahlreicher  stilistischer  Übungen  nicht  entbehren  kann ,  dasz  er  dem 
Schüler  zuweilen  auch  in  der  classe  gelegenheit  geben  musz,  ein 
leichtes  aufsatzthema  kurz  zu  bebandeln,  ferner  darf  die  lectüre 
nicht  karg  bemessen  sein,  zugleich  aber  wird  manches  gelesen,  was 
eine  eingehende  erklärung  erheischt,  und  auszerdem  soll  derschüler 
doch  auf  dieser  höchsten  stufe  wenigstens  nicht  blos  mit  richtigem 
Verständnis,  sondern  auch  mit  freiheit  und  geschmack  über&etzen 
lernen,  endlich  ist  ja  für  die  lectüre  in  der  prima  noch  ein  höherer 
gesichtspunct  maszgebend:  wir  sollen  den  jüngling  zu  einer  richti- 
gen Würdigung  sowol  des  autors  als  des  einzelnen  Werkes  zu  führen 
suchen,  was  ohne  einblick  in  die  gesetze  der  rhetorik  nicht  geschehen 
kann,  wir  sollen,  wie  Schräder  in  seiner  erziehungs-  und  unter- 
riehtslehre  es  ausdrückt,  eine  einsieht  in  die  eigen tümlichkeit  des 
autors  erstreben  nach  anläge,  sittlichem  wert,  politischer  und  wissen- 
schaftlicher geltung  und  künstlerischer  ausbildung.  —  hohe  und 
schwer  zu  erfüllende  forderungen,  aber  auch  wert  der  ernstesten 
anstrengung  des  lehrers  I  denn  gewisz  bringen  wir  nur  so  unsem 


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auf  dem  gymiiaaiuiu. 


223 


«cliülern,  den  künftigen  Vertretern  höherer  bildung,  das  altertum 
zu  lebendiger  anscbauung,  nur  so  erreichen  wir  das  wieder,  was  dem 
-classischen  Unterricht  früherer  zeiten  nachgerühmt  wird  und  heute 
zumeist  verloren  scheint,  dasz  jene  einen  oder  einige  liebingsautoren 
jkuch  im  späteren  berafälel)en  mit  dauerhafter  neigung  umfassen  and 
und  festhalten  und  sich  in  ihnen  den  zagang  zu  den  büdungsqnellen 
ihrer  jugend  stets  offen  bewahren. 

ErsGbeinen  demgemäsz  die  lateinischen  Sprechübungen  schon 
«US  diesem  gesichtspunct  als  st^kenMedOi  so  haben  sie  meiner  an- 
ficht nach,  falls  sie  eben  in  der  angegebenen  weise  betrieben  werden, 
Tom  sittlichen  gefühl  aus  betrachtet  etwas  bedenkliches,  denn  nimmt 
man  dieselben  erst  in  der  prima  vor,  verlegt  man  sie  etwa  gar  vor- 
zilgsweise  in  das  der  prüfung  vorangehende  Vierteljahr,  dann  tritt 
«8  doch  deutlich  genug  zu  tage,  dass  sie  der  rtlcksidit  aaf  jene  ihre 
«zistenz  verdanken;  sie  tn^psn  den  examenzweck,  so  zu  sagen,  an 
der  stim  geschrieben,  nnd  d^es  widerspricht  dem  geist,  in  dem  aller 
Unterricht  nnd  speciell  der  nnterricht.in  der  prima  zu  erteilen  ist» 
ich  erinnere  bei  dieser  gelegenheit  an  die  schOnen ,  goldenen  worte 
ans  der  die  maturitfttsprUfung  betreffenden  Verfügung  vom  24.  octo- 
ber  18d7|^  von  denen  ich  wttnschte,  sie  stSnden  mahnend  an  der 
thOr  unserer  prttfungszimmer  geschrieben  und  gewttnnen  Wahrheit 
und  Wirklichkeit  im  leben  unserer  schtaer: 

*Die  BchUler  sollen  sich,  statt  durch  ein  hastig  zusammen- 
gerafftes wissen  verwirrt  und  erdrUckt  zu  werden,  sicher  und 
gründlich  vorgebildet  mit  frischer  kraft,  mit  freudi- 
gem muth  und  mit  freier  umsieht  zur  letzten  prüfung 
stellen  können.* 

Es  könnte  nach  den  obigen  ausfübrungen  bei  oberflächlicher 
betrachtung  scheinen ,  als  sei  es  das  beste  und  einfachste,  unsere 
lateinischen  Sprechübungen  überhaupt  aus  dem  lectionsplan  zu  ent- 
fernen und  die  betreffende  bestimmung  des  abiturientenreglements 
aufzuheben,  in  dieser  radicalen  weise  pflegen  fragen  des  Unterrichts, 
zumal  wenn  sie  das  vielfach  angefochtene  latein  angehen,  vor  einem 
gröszeren  publicum  jetzt  gern  gelöst  zu  werden,  und  so  hat  man 
denn  auch  das  lateinsprechen  auf  der  schule  als  lächerlich  und  zopf- 
artig genugsam  verspottet,  ich  glaube,  bei  tieferem  eingehen  auf 
die  frage  ihrer  entbehrlichkeit  oder  nützlichkeit  gelangen  wir  zu 
einer  anderen  entscheidung.  ich  erkenne  in  ihnen  eine  wertvolle,  ja 
notwendige  ergänzung  der  schrittlichen  Übungen,  besonders  der 
aufsatzübungen.  erhält  nämlich  der  schüler  nicht  blos  in  bestimm- 
ten bald  längeren  bald  kürzeren  fristen  gelegenheit,  seine  gedanken 
sogleich  lateinisch  zu  fassen ,  kann  vielmehr  die  fähigkeit  und  bereit- 
schaft  dazu  in  jedem  augenbliok  vorausgesetzt  und  von  ihm  gefordert 
werden,  so  wird  er  auch  dann,  wenn  er  sich  zur  ausarbeitung  seines 
lateinischen  aufsatzes  niedersetzt,  nicht  erst  einer  langen  zeit  be- 


*  Wiese  a.  o.  abt.  I  806. 


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224         Zur  methode  des  l&tdfiifichen  elementarunterriclits 

dttrfea ,  um  sieb,  ich  mliehte  sagen,  in  eine  entsprechende  gedanken- 
yerfassung  za  Tenetzen,  es  wird  ihm  vielmehr  ohne  solchen  gewisser- 
maszen  erzwungenen  Übergang,  zu  dem  er  sich  jetzt  oft  genug  dnrdi 
yerwendnng  einiger  passender  oder  anch  nicht  passender  phrasen  zu 
verhelfen  sucht,  natürlich  und  darum  leicht  sein,  seine  ^danken 
lateinisch  auszudrücken. 

Jetzt  gesteben  mir  meine  sohttler  wol ,  dasz  sie  am  lateinisdm 
aufsatz  mit  vergnügen  arbeiten,  sobald  sie  nur  mt  „recht  darin 
seien",  und  die  ersten  seiten,  besonders  die  einleitnng  lassen  es  ia 
der  tbat  bSufig  genug  deutlich  erkennen,  wie  sie  der  sehfller  skh 
mühsam  abgerungen  hat.  dasz  derselbe  also  sdnen  aufsatz  gaiz 
anders  angreift,  wenn  er  im  sprechen  geübt  ist,  es  darin  zur  fireäeit 
und  Unbefangenheit  gebracht  und  somit  eine  vertrautere  stellmig 
zur  spräche  überhaupt  gewonnen  hat,  dies  erseheint  an  und  fOrskt 
klar,  und  ich  gedenke  im  verfolg  der  fortschrmtenden  leistongoi  von 
stufe  zu  stufe  diesen  Zusammenhang ,  diese  ganz  natürlich  und  not- 
wendig sich  ergebende  gegenseitige  fSrdemng  der  mündli<toi  und 
schriftlichen  Übungen  im  einzelnen  nachzuweisen. 

Schon  bei  der  unter  den  jetzt  obwaltenden  verhftltnissen  be- 
schränkten zeit  habe  ich  die  beobachtung  gemacht,  dasz  die  fort- 
sch ritte  und  erfolge  im  sprechen  und  schreiben  band  in  band  gehen, 
dasz  wer  das  eine  mit  einer  gewissen  Sicherheit  und  gewandtheit 
leistet,  auch  in  dem  andern  der  gefürdertste  ist.  beide  fertigkeiten 
vereint  geben  den  beweis,  dasz  der  schtiler  mit  der  spräche  in  einem 
masze  vertraut  ist,  wie  es  bei  der  langen  beschäftigung  mit  ihr  er- 
wartet werden  kann,  denn  allerdings  sind  die  gegner  des  herrschen- 
den Systems  im  guten  rechte,  wenn  sie  auf  den  der  lateinischen 
spräche  zugestandenen  groszen  räum  hinweisen  und  entsprechende 
leistungen  verlangen,  so  kam  mir  noch  neulich  eine  kleine  schrift 
des  grafen  Pfeil  in  die  band  /  der  ja  seinen  schlesischen  landsleuten 
wenigstens  durch  manche  paradox  erscheinenden  ausführungen  be- 
kannt ist,  jedoch  auch  oft  gedanken  ausspricht,  die  wol  zur  beachtung 
empfohlen  werden  mögen,  er  berechnet  die  gesamtzahl  der  lateini- 
schen Unterrichts-  und  arbeitsstunden  auf  5700,  wobei  freilich  ein 
zehnjähriger  aufenthalt  in  der  schule  vorausgesetzt  ist.  wer  nach- 
rechnet, wird  mit  berücksichtigung  dieser  letzteren  annähme  die 
zahl  durchaus  nicht  zu  hoch  gegriffen  finden ,  obwol  sie  selbst  den 
in  der  schule  stehenden  im  ersten  augenblick  überrascht* 

Solche  thatsächlichen  verh&ltnisse  sich  zuweilen  zn  vergegen- 
wärtigen, ist  sicherlich  von  groszem  nutzen;  gewisz  fordert  ein  so 
bedeutender  aufwand  von  zeit  und  mühe  ansehnliche  resultate,  und 
jeder  ernste  lehrer  wird  in  dieser  erwägung  einen  sporn  finden,  an 
seiner  methode  zu  bessern,  falls  die  leistungen  hinter  dererwartnng 
zurückbleiben,  denn  an  der  methode  allein  liegt  es  meines  ^achtens, 
dasz  unsere  schüler  zum  groszen  teile  in  diesem  ihrem  haupt^e, 


sehnlwescn  nnd  nnwesen.  Gnadenfrei  1877. 


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auf  dem  gymnaBiam.  225 

dem  sie  so  viel  zeit  und  anstrengniig  gewidmet  haben ,  nicht  sioher- 
hmt  and  damit  zugleioh  freudigkeit  erlangen. 

Oder  kOnnen  wir  die  nrsaohe  hiervon  in  anderen  nmstSnden 
suchen?  sind  wir  etwa  berechtigt,  innerhalb  der  gegebenen  neun- 
jährigen Schulzeit  unsere  anforderungen  an  die  arbeitskraft  der 
schaler  noch  hoher  zu  spannen?  kein  einsichtiger  wird  dieser 
meinting  sein,  noeh  andernfalls  glauben,  mit  derselben  darchdringen 
zn  können,  denn  in  der  that  steht  die  sache  so,  dasz  wir  nns  mit 
dem  jetzt  üblichen,  nach  allgemeinem  Übereinkommen  festgesetzten 
zeitmasz  begnügen  müssen  und  begnügen  können,  fassen  wir  auch 
die  aufgäbe  des  schülers  noch  so  streng,  dasz  er  nämlich  im  stufen- 
weisen fortschreiten  von  classe  zu  classe  beim  ablauf  gewisser  fristen 
ein  unumgängliches  resultat  von  gewonnener  fertigkeit  und  kraft 
aufweisen  müsse,  und  dasz  nur  der  das  vorgeschriebene  ziel  voll- 
kommen erreiche,  der  von  unten  auf  bis  zum  schlusz  seiner  laufbahn 
die  ansprtiche  der  schule  ganz  befriedigt  und  das  befohlene  bildungs- 
T^erk  lückenlos  an  sich  vollzogen  habe,  so  sind  wir  doch  auf  der 
andern  seite  nicht  minder  verpflichtet,  ihm  eine  ausreichende  musze 
zu  freier  bewegung,  teils  zur  erholung,  teils  zu  anderweitiger  aus- 
bildung  zu  sichern,   wir  dürfen  die  vielfachen  gerade  in  neuester 
zeit  wieder  sich  immer  mehr  geltung  verschaffenden  klagen  über  die 
tiberbürdung  unserer  jugend  keinenfalls  ohne  weiteres  von  der  band 
weisen,  sind  vielmehr  ihnen  und  besonders  den  gutachten  von  augen- 
ärzten  eine  unbefangene  berücksichtigung  schuldig,  welche  letzteren 
in  dem  überhandnehmen  der  kurzsichtigkeit  eine  ernste  gefahr  für 
unser  volk  erkennen  und  dieselbe  auf  den  mangel  an  bewegung  im 
freien,  auf  das  anhaltende  sitzen  im  schuUocale  und  im  arbeitszimmer 
zorttckftthren. 

Nur  kuj«  berühre  ich  den  Vorschlag,  den  cursus  des  gjmnasiums 
nm  ein  jähr  zu  verltfngern  und  so  unserem  schulgebUude  noch  eine 
Eelecta  aufzusetzen,  vor  einigen  jähren  verfocht  ein  lehrer  der  prima, 
tttohtig  als  gelehrter  und  als  pttdagoge,  mir  gegenüber  diese  ansieht, 
ich  verstand  damals  wol  seine  gründe  zn  würdigen  und  habe  dann 
später  selbst  bei  vielen  abiturienten  das  gefühl  gehabt,  dasz  sie  im 
dgeiitlidien  sinne  doch  noch  nicht  reif  seien  in  wissenschaftlicher 
beziehung,  dasz  gerade  ein  drittes  jabr  zum  Unterricht  der  prima 
hinzugeHlgt  ihre  bildung  zu  einem  befHedigenden  absöhlusz  führen 
uid  sie  sicherer  und  selbetftndigerdenuniversitfttsstudien  übergeben 
würde»  trotzdem  halte  ich  den  gedanken  nicht  für  durchführbar  und 
^m»,  WUT  können  uns  an  einem  neunjährigen  cursus  wol  genügen 
lassen. 

Dagegen  musz  der  Unterricht  an  intensitSt  gewinnen ,  es  musz 
mehr  leben,  einholt  und  Zusammenhang  hineingebracht,  mit  dem 
wiBSsn  unmittelbar  und  aufs  nachhaltigste  die  anwendung  verbunden, 
das  sme  durch  das  andere  vertieft  und  befestigt  werden,  darum 
luibe  man  schon  auf  den  untersten  stufen  das  ziel  des  ganzen  planes 
ii&  auge,  man  verliere  sich  nicht  in  ein  kurzsichtiges  behandcän  des 


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226         Zur  methode  des  lateiniachen  elementar  Unterrichts 

classenpensums  mit  allzu  peinlicher  berücksichtigung  jedes,  auch 
des  geringfügigüten  punctes,  da  denn  schlieszlich  es  als  höchstes 
verdienst  erscheint,  dem  gedächtnis  der  schüler  die  grammatik  satz 
für  satz  und  zeile  für  zeile  überliefert  zu  haben,  dies  führt  natür- 
lich zu  einem  rein  mechanischen  einprägen  des  stoffes,  das  auf  die 
dauer  für  die  bildung  des  Zöglings  keinen  wert  hat. 

Aus  diesem  gesichtspunct  wird  man  es  auch  nicht  gutheiszen, 
dasz  an  einzelnen  gymnasien  der  lateinische  Unterricht  in  sexta  oder 
quinta  elementarlehrern  anvertraut  ist.  denn  so  gern  ich  meiner- 
seits die  Sicherheit  und  gewandtheit  ihrer  lehrweise,  die  ich  aus  eige- 
ner beobachtung  an  mehreren  orten  kennen  gelernt  habe,  anerkenne, 
so  musz  ich  doch ,  eben  weil  sie  jenen  freieren  überblick  in  einem 
fache,  wo  ihr  wissen  nicht  weit  genug  hinauf  reicht,  nicht  besitzen, 
behaupten,  dasz  trotz  jenes  ihrcd  unzweifelhaften  Vorzuges  verjüngen 
Philologen  auch  die  einübung  der  elemente  des  latein  besser  in  die 
bände  dieser  gelegt  wird,  es  erhebt  sich  dann  nur  die  naturgemäsze 
forderung,  dasz  der  director  gerade  diese  stufe  seiner  schule  mit 
besonderer  Sorgfalt  beachte  und  es  an  der  nötigen  anleitung  und 
Unterstützung  des  lehrers  nicht  fehlen  lasse,  so  dürfte  dieser  sich 
wol  bald  lebendig  dessen  bewnst  werden,  dasz  dieser  antenidil, 
weil  er  elementarall terrieht  heiszt,  darum  meht  etvra  onwieh- 
tig  ist  und  keine  Yorbereitimg  erfordert,  dasx  derselbe  Tielinehr 
höchst  bedentongsToU  und  schwierig  und  ohne  reiflich  fiberdacbte 
methode  nicht  mit  erfolg  sn  erteilen  ist»  wird  schon  auf  dieser  stufe 
das  richtige  verfehlt,  das  notwendige  unterlassen,  wie  soll  dann  in 
höheren  cdassen  der  Unterricht  die  verlangten  firllohte  tragen?  das 
wissen  bleibt  Itlchenhaft,  und  der  sehfller  ffthlt  sich  im  bewustsein 
davon  nie  sicher  und  froh,  wird  dagegen  der  gmnd  fest  und  dauer- 
haft gelegt  nach  einem  plane,  der  dde  ganse  anläge  mit  verstSndnis 
erfasst,  so  wird  sich  auch  der  weiterbau  sicher  und  regelmftssig 
vollenden. 

Und  so  bin  ich  denn  bei  der  behauptung  angelangt,  deren  nach- 
weis  und  begrflndung  ich  mir  im  folgenden  anr  aufgäbe  gestellt 
habe.  Es  ist  diese:  zur  belebung  und  Vertiefung  des  latei- 
nischen Unterrichts,  zur  wahrhaften  gewinnnng  des 
sehttlers  für  den  gegenständ  trttgt  eine  fortgesetzte 
flbung  im  mündlichen  gebrauch  der  spräche  und  zwar 
schon  von  der  untersten  stufe  anhebend  ausserordent- 
lich bei.  deshalb  ist  eine  methodische  betreibung  die- 
ser Übungen  auf  unseren  gymnasien  wünschenswert* 

Da  ich  vermnthe,  man  werde  für  die  anflSnge  des  Unterrichts 
am  wenigsten  geneigt  sein ,  mir  meinen  satz  zuzngeboi,  dagegen  in 
betreff  der  mittleren  und  oberen  dassen  kaum  bedenken  erheben,  so 
beabsichtige  ich  für  die  sexta,  quinta  und  quarta  die  möglichkeit 
und  zweckmäszigkeit  der  lateinischen  Sprechübungen  ausführlich  und 
im  einzelnen  darzulegen,  während  bezüglich  des  weiteren  fortganges 
derselben  einige  mel^  allgemeine  bemerkungeil  genügen  dürften. 


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auf  dem  gymnaaiuiu.  221 

Sollte  sich  die  vorstehende  auseinandersetzung  im  wesentlichen 
der  Zustimmung  des  geneigten  lesers  erfreuen,  so  hoffe  ich,  er  be- 
gleitet mich  nun  auf  meinem  weiteren  gange  mit  interesse  und  mit 
geduld.  es  ist  eine  frische,  lebensfrohe  knabenschaar,  zu  der  ich  ihn 
führen  will,  leicht  zu  fesseln  durch  einen  neuen  gegenständ,  nicht 
80  leicht  festzuhalten  in  treuer  und  stetiger  hingebung  an  denselben. 

Die  vorschlage,  sie  zu  ttichtigen  lateinem  zu  machen,  zu  deren 
prüfung  ich  einlade,  gründen  sich  nicht  blos  auf  theorie, —  ich  würde 
so  nicht  wagen,  sie  der  öffentlichkeit  zu  übergeben  — ,  sondern  sind 
vielmehr  eigener  erfahrung  und  praktischen  yersuchen  entnommen, 
in  den  jähren  1871 — 1874  verwaltete  ich  nacheinander  die  Ordina- 
riate der  drei  untersten  classen  einer  höheren  lehranstalt  Westfalens, 
dieselbe  war  eine  combinierte,  so  dasz  sexta  und  <juinta  gemeinsam 
für  den  besuch  des  gymnasiums  und  der  reali^chule  vorbereiteten 
und  deshalb  ziemlich  stark  besetzt  waren,  jene  zählte  ö4,  diese 
66  Schüler;  die  gymnasialquarta  dagegen  war  nur  mäszig  gefüllt, 
ich  hatte  vorher  während  meines  probejahres  lateinischen  Unterricht 
in  der  quarta,  obertertia  und  secuuda  einer  realschule  1.  o.  erteilt 
und  begann  damals  die  arbeit  in  meiner  neuen  Stellung  mit  groszer 
freude  und  lebhaftem  interesse,  wie  es  bei  einem  philologen  natür- 
lich ist ,  der  erst  an  einer  realschule  gelernt  hat ,  seine  erwartungen 
und  anforderungen  auf  ein  bescheidenes  masz  einzuschränken  und 
nun  am  gymnasium  als  der  eigentlichen  lateinschule  besseres  zu  er- 
reichen hofft  und  strebt,  es  war  nicht  von  vornherein  meine  absieht, 
einen  versuch  mit  dem  lateinspreoben  zu  machen,  allmählich  im  laufe 
des  jahres  legte  mir  der  Unterricht  selbst  den  gedanken  nahe,  und 
ieh  ging  vorsichtig  an  seine  anslllhniiig.  unter  solchen  umständen 
wird  kein  zweifei  darüber  bestehen  k£iaeii|  dasz  es  möglich  sei, 
besseres'm  endelmif  als  es  mir  damals  gelang,  wenn  der  versnch  an 
mm  gymnasium y  das  m^  nnterriebtutonden  bietet,  gemacht  und 
glsidi  von  aafang  an  ein  fester,  wohlerwogener  plan  verfolgt  wird. 

Aneh  stellten  sieh  sonst  die  ftusseren  verhiltnisse  fflr  mich  nicht 
darehsns  günstig,  die  sohfller  waren  mit  nur  wenigen  ausnahmen 
nntlelmissig  begabt,  sie  hatten  auf  der  Yorschule  noch  keine  gram- 
mttische  Vorbildung  erhalten ,  auoh  war  ihr  dnrchschnittsalter  ge- 
ringer, als  es  in  den  östlichen  provinsen  zu  sein  pflegt,  hingegen 
logiBn  sie  sieh  zum  gröszten  teil  ans  eigenem  antrieb  fleiszig  und 
fto  den  neuen  gegenständ  interessiert,  von  selten  meines  erfahrenen 

anszerordentlidi  thfttigen  directors  fand  ich  im  fortgange  meiner 
venndie  stets  freundliche  billigung  und  ermunterung.  in  seita  und 
^ta  waren  9  stunden  fttr  das  latein,  8  für  das  deutsche  angesetzt 
«odlieh  wurden  beim  lateinischen  Unterricht  das  ttbungsbuch  von 
Spiess  und  die  schuignmmatik  von  Siberti- Heiring  benutst 

Von  letzterer  sehe  ich  vorläufig  ab,  denn  ich  habe  meinen  sex- 
tanem  keine  grammatik  in  die  band  gegeben  und  halte  auch  jetst 
Aoeh  den  gebrauch  einer  solchen  auf  dieser  stufe  fOr  überflüssig,  ja 
^  unsweckmSszig«  der  schüler  möge  sich  vielmdir  beim  aiämg 


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228 


Zar  methode  des  lateiniscben  elemeutariinterrichtB 


des  fremdsprachlichen  Unterrichts  auf  ein  buch  concentrieren  und 
zwar  natürlich  auf  ein  lesebuch.  gerade  im  anfang  ist  ja  die  unmittel- 
bare Überlieferung  des  grammatischen  Stoffes  durch  den  lehrer  so 
wichtig. 

Für  ein  lesebuch  stellt  man  nun  gewöhnlich  folgende  regeln 
auf:  es  soll  die  vocabeln  zweckmäszig  auswählen  und  ebenso  anord- 
nen, unbekannte  äexions- und  satzformen  vermeiden,  Übungssätze 
von  wirklichem  inhalt  bringen  und  hinreichenden  stoff  bieten,  die- 
sen anforderungen  entspricht  Spiesz,  wenigstens  der  für  sexta  be- 
stimm|;e  teil,  in  wesentlichen  puncten,  und  so  ist  er  denn  auch  in 
den  westlichen  provinzen  sehr  verbreitet.^  nur  was  den  inhalt  be- 
trifft, eine  frage,  die  für  uns  besonders  in  betracht  kommt,  kann  er 
keineswegs  genügen,  denn  die  Übungssätze  sind  zum  groszen  teil 
ohne  sinn  und  unverständlich,  so  kann  der  sextaner  zb.  unmöglich 
etwas  denken,  wenn  er  liest:  'standhaft igkeit  i>t  der  weg  des  glücks', 
oder  'das  glück  der  einwohner  des  lande.-s  ist  die  Ursache  des  stolzes*. 

Es  ist  notwendig  hierauf  einzugehen ,  da  auch  in  anderen  lese- 
bttehern  diese  seite  allzu  sehr  venaachlässigt  wird,  so  dasz  es  ein 
leichtes  wäre,  die  zahl  der  angeführten  beispiele  beliebig  zu  ver- 
mehren, lange  nicht  genug  finden  sich  sagenhafte  und  geschicht- 
liche Stoffe  verwertet,  und  doch  sind  diese  gerade  eine  fundgrube 
guter  und  verständlicher  und  die  jugend  ansprechender  lesestücke, 
durch  den  gebrauch  solcher  bücher  gewöhnt  sich  nun  der  schüler 
leider  an  ein  gedankenloses  lesen  ohne  irgend  eine  berücksichtigung 
des  Inhalts,  und  daher  schreibt  sich  denn  zum  guten  teile  die  trau- 
rige erfahrung,  die  wir  in  mittleren  classen  oft  genug  an  ihm  machen 
müssen,  dasz  er  nämlich  nun,  wo  er  auf  den  inhalt  hauptsächlich 
achten  soll ,  über  diese  zumuthung  fast  erstaunen  zeigt  und  es  einer 
consequent  und  energisch  fortgesetzten  hinweisung  bedarf,  um  ihn 
zu  wirklich  geistiger  erfassung  des  Übersetzungsstoffes  zu  fördern, 
wie  aber  dann,  wenn  auf  dieser  stufe  die  nötige  kraft  nicht  ein- 
gesetzt wird?  wenn  auch  hier  noch  jene  wesentliche  seite  des  Unter- 
richts im  hintergrnnde  halb  versteckt  bleibt?  —  es  liegt  wahrhaftig 
aahe,  eine  panUlele  xn  siehen  zwischen  der  art  des  ftbersetsens  auf 
den  anterstat  stafon  des  gymnasiums  nnd  der  oberfittcblichen 
meikode  der  leotttre  in  mittieren  imd  oberen  elassen,  wie  sie  immer 
noch  an  manchen  sehnlen  besteht  trotz  der  eindringlichsten  mab- 
nnngen,  die  es  nns  znr  pflicfat  machen,  dem  schüler  seinen  antor 
wirUich  xu  erklftren,  ihn  hinsnweisen  auf  den  snaammenhang  des 
einzelnen,  anf  die  sweckmSszigkeit  der  anordnnng  aller  teile,  ihm 
die  besiehungen  anf  personen  tmd  verhttltnisse  dixr(^ichtig  za 
machen  durch  heranziäiung  der  geschidite,  der  altertOmer,  der 
knnst-  nnd  literargeschichte. 


^  im  jähr  1871  erschien  das  buch  in  der  32n  aufläge.  Kssen. 
B&deker.  des  Vergleichs  wegen  werde  ich  auch  bei  den  später  erwähn- 
ten Hbungsbüchem  die  aufläge  angeben. 


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auf  dem  gymnaftinm« 


229 


Ich  darf  bei  dieser  veranlassung  wol  an  ein  ernstes  wert  er- 
innern, das  Fr.  Thiersch  in  seiner  schrift  über  methode  der  classi- 
8chen  Studien  in  hinsieht  einer  zu  tlUcbtigen  lectüre  gesprochen  hat: 
'wird  das  Studium  der  alten  so  betrieben,  so  kenne  ich  kein  untrüg- 
licheres mittel ,  die  jugend  vom  denken  zu  entwöhnen ,  als  dieses, 
wo  man  sie  gewöhnt,  bei  den  schwierigen  und  ernsthaften  dingen 
nichts  zu  denken,  kein  sichereres  verfahren,  um  das  lernen  in  ein 
ödes  werk  des  gedächtnis  zu  verwandeln  und  alle  keime  und  hoä- 
nuDgen  des  gedeihens  zu  verderben.' 

üeberschauen  wir  auf  diese  weise  den  fortgang  und  zusammen- 
bang des  ganzen  gymnasialunt^rrichts  und  vergegenwUrtigen  wir 
uns  die  nachteiligen  folgen  eines  nicht  von  vornherein  auf  denken 
und  verstehen  angelegten  planes  für  das  lesen  und  übersetzen,  so 
wird  die  forder ung  gerechtfertigt  erscheinen ,  dasz  schon  dem  aex- 
taner  und  quintaner  sein  Übungsbuch  einen  angemessenen,  anregen- 
den inhalt  bieten  soll. 

Ohne  solchen  inhalt  ist  das  buch  nicht  geeignet,  mittelpunct 
und  ausgangspunct  aller  Übungen  in  der  fremden  spräche  zu  sein, 
wie  wir  es  doch  wünschen  und  fordern  mü;>ien,  es  bietet  für  ver- 
suche im  mündlichen  gebrauch  derselben  keine  Unterstützung,  denn 
aus  ihm  gewinnt  der  schüler  eben  zu  wenig  gedanken  und  äätze,  die 
er  eventuell  verwenden  könnte,  wenn  er  selbst  beispiele  zu  bilden 
hat.  ihn  hierzu  anzuleiten  trotz  dieses  mangels  wird  für  den  lehrer 
eim mühsamere  aufgäbe,  immer  wieder  musz  er  auf  den  historischen 
Stoff  des  buches  aufmerksam  machen,  das  hier  nnd  da  zerstreute  zu- 
stnmenatellen,  wenn  gleichartiges  sich  nicht  findet,  dieses  an  das 
fübere  anluittplBii  ItaaeiL  ao  Btäien  zb.  im  Spiess  eine  aniahl  s&tse 
über  Alezander  den  groamiy  und  als  wfllkoiniiMme  ergänzung  dasu 
fiaden  wir  im  dentsohen  leeebuoh  tob  Hopf  nnd  Panlnek  eine  reihe 
Ton  enihlungen  auf  Aleundm  leben,  wenn  ich  aleo  immer  da, 
wo  ein  derartiger  eaU  fibersetst  wird,  wieder  auf  die  früher  gelese- 
Ben  Bitee  ilmlichen  inhaU»  sorüekgreüe  und  dabei  gelegentlich  den 
Stoff  des  deutschen  leaebncheB  heransiehe,  so  eniele  idi  einerseits 
tum  gewina  für  die  gesdiiehtlicheii  thatsachen,  die  sich  im  ge- 
dlDhtiüs  des  s<dittlers  beÜMtigen  nnd  sosammenhang  erhaltene  andrer- 
seits  aber  auch  zugleich  einen  wesentlichen  Torteil  für  die  fremde 
8p»che,  indem  dnrch  diese  öftere  wiederholnng  der  beispiele  Toca- 
Ün  nnd  redensarten,  wie  bellnm  gerere,  proelium  committere, 
QfltQsiam  reportare,  castra  ponere,  pacem  &oere,  sich  nnverlierbar 
eiBiffigen. 

In  folge  der  «rmaeligkeit  des  lehrstoffes  wird  freilich  das  resnl- 
tftt  dieses  yerfahrens  immer  dürf^g  bleiben,  nnd  es  ist  ersichtlich, 
wie  sehr  ein  mit  grosserer  rttcksicht  auf  den  inhalt  Ter£ssztes  bnch 
solchen  übnngen  zn  hülfe  kommen  würde*  aber  man  blittm  die 
mehrzahl  der  noch  jetzt  auf  unseren  schulen  gebräuchlichen  bücher 
darch :  es  ist,  als  ob  die  yer&sser  den  knaben  zur  gedankenlosigkeit 
anleiten  wollten.  Sätze  wie  'die  adler  haben  flfiger,  *die  adler  sind 


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280        Zur  xnethode  dea  latemifichen  elementaronterrichts 

Vögel'  enthalten  doch  wol  keine  Belehrung.  *der  landmann  hat 
geld'  kann  nicht  als  allgemein  gültige  Wahrheit  ausgesprochen  sein, 
durchaus  nichts  weisz  man  damit  anzufangen,  dasz  'die  Schwerter 
der  deutschen  hart  sind',  oder  'die  waffen  der  gallier  eine  schöne 
form  haben'. 

Man  erkennt  ja  leicht,  was  bei  dem  abfassen  solcher  lesebücher 
leitender  gesichtspunct  gewesen  ist:  es  sollte  jede  vom  schtiler  ge- 
lernte vocabel  in  den  Übungsstücken  mehrere  male  und  in  verschie- 
denen formen  wiederkehren,  das  ist  nun  in  der  that  ein  einseitiger 
und  allzu  ängstlicher  standpunct  und  entschuldigt  den  gertigten 
mangel  keineswegs,  denn  erstens  lassen  sich  die  meisten  dieser 
vocabeln  auch  in  zusammenhängende  historische  stoflfe  aufnehmen, 
und  dann  hat  der  lehrer  ja  noch  vollauf  gelegenheit,  dieselben  in 
mündlichen  Übungen  zu  verwenden,  sei  es  zur  bildung  von  formen 
oder  zur  bildung  kleiner  sätze. 

Nun  läszt  sich  zwar  in  neuerer  zeit  ein  fortschritt  nach  der  be- 
zeichneten Seite  hin  nicht  verkennen,  man  prüfe  zb.  die  Übungs- 
bücher von  Ostermann*  oder  Hottenrott^  oder  Meiring®,  man  wird 
die  einzelnen  sätze  der  mehrzahl  nach  verständig  finden;  in  noch 
höherem  masze  ist  dies  an  dem  lesebuche  von  Perthes zu  loben, 
welches  recht  viele  passende  histori&che  sätze  enthält,  allein  von 
unserem  standpuncte  aus  wird  es  trotzdem  noch  nicht  genügen, 
ebensowenig  wie  jedes  andere  buch,  das  dem  schüler  den  stoflf  ohne 
Zusammenhang  bietet,  das  einzelne  mag  der  form  nach  durchaus 
zweckentsprechend,  dem  Inhalt  nach  wert  und  geeignet  sein,  vom 
schüler  festgehalten  zu  werden,  nun  tritt  aber  in  einem  engen  um- 
fange das  verschiedenartigste  gleichberechtigt  neben  einander,  und 
eines  verdrKngt  oder  verdunkelt  das  andere. 

Ich  greife,  mn  dies  an  einem  bei  spiele  zu  beweisen,  stück  64 
ans  dem  buche  von  Perthes  heraus,  unter  den  12  sftizen,  ans  denen 
es  besteht,  sind  7  historischen  oder  sagenhaften  inhalts,  jeder  ftlr 
den  sweok  der  fomenemflbung  ganz  passend  and  sugleich  dem 
sohfiler  yeratindlieh  und  aniieiiend.  im  ersten  sate  jedocb  hOvt  der- 
selbe Ton  der  befestigung  Athens,  im  zweiten  Ton  der  woaderbaren 
emShmng  des  Bomiüns  imd  Bemos,  im  dritten  von  der  rettong  des 
Capitoliams  dnrch  die  ginse,  im  yierten  Ton  Aristotelee  als  dem 
lelurer  des  grossen  Alezander,  im  iQnften  TOn  Goriolaa,  im  sedisten 
▼om  tode  des  Demosthenes  nnd  iBokrates,  im  siebenten  endlich  von 
der  blendung  Polyphems.  man  wird  zugeben,  dass  der  sehlllttr  hier» 
durch  in  6iner  lehrstonde  ein  recht  buntes  durcheinander  yon  Tor- 
stellungen  erhült,  ganz  abgesehen  davon,  dass  nnn  noch  sfttse 
allgemeinen  inhalts  zwischen  jene  zerstreat  sind,  da  ist  viel  m  yer- 
schiedenartiges  auf  einmal  geboten,  als  dasz  der  lehrer  auf  das  fest- 

ß  15e  aiifl.  Leipzig  1877.  Teubner. 
7  6e  aufl.   Berlin  1871.  LüderiU. 
^  Bonn  1872.  Cohen  u.  söhn. 
*  Berlin  1874.  Weidmann. 


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auf  dttn  gjvatBnwaL 


halten  de«  einselnen  redinen  und  dringen  kannte,  nnd  so  bleibt  ein 
an  sieh  dankbares  material  nnbenntzt. 

Damm  glanbe  ich,  es  mnszaaf  dieser  babn  des  fortschritts  noch 
ein  schritt  yorwSrts  gethan  werden,  warum  wollen  wir  nicht  wenig- 
stens dem  einzelnen  lesestttck  einen  gemeinsamen  Inhalt  geben,  oder 
noch  besser  eine  reihe  von  stflcken  aus  demselben  Stoffe  be.arbeiten? 
man  wende  mir  nicht  ein,  dasz  dann  die  Tocabeln  zu  wenig  eingeübt 
wefden  könnten,  man  nnterschfttzt  hierbei,  wie  ich  schon  oben  an- 
deutete, den  wert  der  mündliche^  Übungen ,  und  dann  bemerke  ich 
noeh  dies,  ich  bin  durchaus  dafttr,  dasz  der  schfUer  über  einen 
reichen  vocabeWonrath  yerfüge,  aber  die  rfieksicht  hierauf  scheint 
mir  doch  oft  übertrieben  zu  werden,  so  sind  zb.  in  jenem  Perthes- 
sehen  lesestttck  zwei  vocabeln  nach  meiner  meinung  ftlr  den  sextaner 
überflüssig :  mollire  findet  er  selten  genug  wieder,  sopire  bietet  ihm 
in  der  tertia  sein  Ovid,  aber  es  ist  ganz  gewisz,  dasz  er  dies  wort 
bis  dabin  vergessen  hat  und  dasselbe  pilichtmäszig  nachschlägt  und 
in  seine  präparation  einträgt. 

Alle  bedenken^  die  man  gegen  eine  andere  einrichtung  unse- 
rer lesebücher  erheben  kann,  gründen  sich  nach  meiner  Über- 
zeugung mehr  auf  die  macht  der  gewohnheit,  als  auf  rein  sachliche 
erwägung.  gelingt  es  uns,  uns  über  sie  hinwegzusetzen,  so  wird  es 
jedem  bald  wünschenswert  und  möglich  erscheinen,  nach  analogio 
der  Wellerschen  erzählungen  ausHerodot  schon  für  die  sexta,  wenig- 
stens für  die  zweite  hälfte  des  Schuljahres,  gewisz  aber  für  die  quinta 
zusammenhängende  historische  Übungsstücke  in  leichter  form  zu 
schreiben ,  so  dasz  die  schüler  mit  einiger  anleitung  des  lehrers  die- 
selben zu  verstehen  im  stände  sind,  für  die  sexta,  glaube  ich,  wür- 
den sich  vornehmlich  stoffe  ous  der  Odyssee  empfehlen,  die  ja 
bekanntlich  gerade  das  erste  knabenalter  so  sehr  anspricht  und  ge- 
wSbnlich  auch  in  dem  entsprechenden  deutschen  Unterricht  su  dictaten 
und  leproductionen  verwandt  wird. 

Wir  besitaen  em  derartiges  buch  von  Henneberger  aus- 
gearbeitet im  zusammenhange  mit  Wellers  Herodot-^^  und  Livius- 
cntfihliuigen  und  dasu  bestimmt,  den  sextaner  zu  der  lectüre  der« 
Mlbea  hinttberzuführen.  es  bietet  zuerst  Übungen  über  das  verbum 
dann  tfber  jede  einzelne  Conjugation  und  endlich  vermischte 
ftbnngen.  in  den  ersten  fünf  abschnitten  bereiten  einzelne  sfttze  zur 
Übersetzung  der  dann  folgenden  fabeln  und  erzählungen  vor,  im 
letzten  abschnitt  zerföllt  der  stoff  teils  in  gespräche,  teils  in  sage 
geschichte,  nnd  hier  finden  wir  zb.  zwölf  stücke  über  den  Troja- 
luschen  krieg,  nnd  ebenso  viele  stellen  die  abenteuer  des  Odjsseus 
dar.  ftr  die^brandibarkeit  des  buches  spricht  sdion  der  umstand, 
dstt  es  so  oft  aufgelegt  worden  ist,  auch  hat  es  wegen  der  passenden 

Henncber^cr,  lat.  elementarbach.  7e  aafl.  Hildbarghausen  1876. 

Kesselringsche  buclihandlimp^. 

Weller,  lat.  lesebnch  aus  Herodot.  14e  aufl.  1877. 
^  Weller,  lat.  lesebueh  aus  Livins.  9e  aafl.  1876. 


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232 


Zur  methode  des  lateinischen  elementaiimterrichU 


ausvvahl  und  zweckmäszigen  bearbeitung  des  Stoffes  anerkeiineiide 
beurteilung  erfahren ,  indessen  wird  es  dem  aufmerksamen  leser  bei 
der  oben  gegebenen  kurzen  beschreibung  der  einrichtung  desselben 
nicht  entgangen  sein,  wie  sehr  es  in  wesentlichen  puncten  von  einem 
lesebuche  abweicht,  wie  ich  es  mir  denke. 

Krstlich  wünsche  ich  die  hiötoribchen  stoffe  ausführlicher 
behandelt,  w'odurch  zugleich  der  iuhalt  des  ganzen  buches  einheit- 
licher wird,  allgemeinen  erscheint  es  mir  allerdings  zur  lectüre 
längerer  abschnitte  durch  voranstellung  kürzerer  stücke  vorzube- 
reiten, einzelne  sätze  aber  können  in  einem  buche  fehlen,  das  sei- 
ner ganzen  anläge  nach  dem  sextaner  erst  am  beginn  des  zweiten 
Semesters  in  die  band  gegeben  werden  soll,  in  betreff  jener  kürze- 
ren stücke  teile  ich  die  ansiebt  des  Verfassers  nicht,  der  lateinische 
originalstücke  verwirft,  glaube  vielmehr,  dasz  anekdoten  und  leichte 
erzählungen  aus  Cicero  oder  Oellios  wol  aufnähme  finden  können, 
wenn  nur  dem  sehOler  dmdi  unter  den  toxt  gesetzte  hülfsbemer- 
kungen  das  TerstSndnis  yermittelt  wird,  wie  dies  sb*  ia  dem  Blume- 
sehen  lesebuch  für  qninta^'  gescbehen  ist.  so  ariimere  ieh  mich 
heute  noch  daran,  dass  ich  einst  als  quintaner  im  Blume  den  ein- 
gehen bericht  Ciceros^über  die  entdeckung  des  grabmales  des 
Archimedes  gelesen  und  denselben  als  primaner  mit  vergnügen  in 
den  Tusculaaen  wiedergefunden. 

Femer  —  und  hiermit  beziehe  ich  mich  auf  die  dritte  der  Eck- 
steinschen  thesen  —  möchte  ich  gesprftehe  überhaupt  aus  unseren 
lateinischen  lesebttchem  entfernt  wissen ;  ihr  Inhalt  ist  doch  gewöhn- 
lich allzu  nfichtem,  und  ich  habe  darum  noch  nie  gefunden,  dass 
die  jngend  sich  dafiur  erwftrmt. 

Ü^dlich  arklftre  ich  Hennebergers  buch  fOr  mangelhaft,  weil 
es  nur  lateinische  stflcke  enthftlt.  nicht  leicht  wird  ein  lehrer  der 
unteren  dassen  die  dem  llberseteen  aus  dem  lateinischen  entgegen- 
gesetzte Operation  des  überseteens  aus  der  muttersprache  in  die 
fremde  entbehren  wollen,  man  wird  vielmehr  diese  Übungen  mög- 
lichst sich  gegenseitig  enteprechend  und  erg&nzend  vorzunehmen 
haben,  und  zu  diesem  zweck  musz  das  lesebu<ä  ebenfiEdls  lusammen- 
httngende  stücke  bieten,  die  sich  am  besten  in  ihrem  Inhalt  genau 
an  die  voranstehenden  lateinischen  abschnitte  anschliessen.  hiermit 
befinde  ich  mich  also  im  gegensatze  zu  der  zweiten  these  Ecksteins  ^\ 


lat.  lescbucb  In  8  teilen.  I  überaetzunoren  aus  d.  lat.  ins  devUehe. 
14o  anfl.  1868.  II  übersetzimgen  aus  d.  deutschen  ins  lat.  hrsg.  von 
Schmidt.  13e  aufl.  1870.  III  kleino  lat.  schulgrummatik.  Ge  aufl.  1871. 
—  lat.  Vorübungen,  öe  aufl.  1868.  Göttingen.  Yandenhoeck  u.  Ruprecht. 

ich  frene  mich  am  sehlass  dieser  Setraohtangen  darauf  hlDweisen 
zu  können,  dass  dieselbe  idee  in  beeng  auf  die  deutsche  lectüre  der 
untern  cl.issen  an  der  bis  vor  kurzem  unter  Kerns  leitung  stehenden 
luisenstädtischen  gewerbeschulc  in  Berlin  durchgeführt  ist.  man  hat 
dort  an  stelle  eines  gewöhnlichen  lesebuches  einen  einheitlichen,  gekalt- 
Tollen  Stoff  für  die  leetUre  hearbeitet,  und  swar  lur  die  sexta  aus  Homer, 
für  die  qninta  ans  Herodot,  Hir  die  quarta  aus  Liviui.   an  die  seile 


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auf  dem  gymnanam.  238 

Um  also  zusammeiisti&sseii,  wir  bedflrfen  ftlr  die  sexta  eines 
fibongsbocbes,  das  dem  sohfller  fdr  die  xweite  htifte  des  jabres  einen 
sQsammenliSngenden,  möglichst  einheitlichen,  seinem  geistigen 
fltandponefc  angemessenen  lesestoff  in  sich  entsprechenden  lateini- 
gehen  und  deutschen  abschnitten  bietet.  gesprSche  sind  anszn- 
seUieszen.  kürzere  erzfthlnngen  -hOnnen  ans  Cicero,  Oellins,  Justin 
u.  a.  direct  entnommen  werden,  als  hanptinhalt  empfehlen  sich  für 
diese  stufe  ersShlnngen  ans  der  Odyssee,  das  Übersetzen  der  original- 
Stücke  ist  durch  bemerkungen  unter  dem  text  zu  erleichtem,  als 
sahsng  ist  ein  yocabularium  hinzuzuftigen.  in  den  deutschen  stttcken 
wird  der  Wortschatz  der  entsprechenden  lateinischen  Terwendet. 

YieUeicht  ist  manchem  leser  diese  auseinandersetzung  zu  lang 
geworden,  doch  bitte  ich  dieselben  zu  bedenken,  dasz  passender  und 
rnebhaltiger  lesestoff  fttr  die  entwickelung  des  denk-  und  Susungs- 
TcrmOgens  überhaupt  und  ftlr  den  fortschritt  in  der  fremden  spradie 
spedell  wesentliche  Yorbedingnng  ist,  und  dasz  er  endlich  den  sprech- 
fibmigen  entgegenkommt. 

Auf  ein  nach  den  bezeichneten  grundsätzen  yerfasztes  buch 
gestützt,  kann  der  lehrer  hin  und  wieder  einzelne  zflge  aus  sage  oder 
gesokiehte  frei  reproducieren  lassen,  kann  er  selbst  mit  den  schtt* 
lern  oder  diese  unter  sich  die  gewonnenen  kenntnisse  in  frage  und 
sntwort  austauschen,  aber  von  noch  höherem  werte  ist  folgendes : 
der  gedankenschatz f  den  er  nun,  zum  teil  auch  in  einer  bestimmten 
form,  bei  seinen  schülem  als  festen  besitz  voraussetzen  darf,  bildet 
eine  yerhältnismSszig  breite  grundlage ,  auf  der  sich  die  sonstigen 
ttbnngen  in  der  fremden  spniche,  mündliche  wie  schriftliche|  frei 
bewegen. 

Fürs  erste  erwähne  ich  die  Wiederholung  der  vocabeln.  die 
präzis  lehrt  uns  bald  genug,  dasz  der  spruch  Vepetitio  est  mater 
studiorum'  eine  hauptregel  für  den  Unterricht  ist,  namentlich  auch 
in  beziehung  auf  den  vocabelvorrath.  freilich  zeigt  sich  nun  gerade 
auf  diesem  gebiete  in  der  befolgung  jener  regel  eine  grosze  Ver- 
schiedenheit, und  es  gibt  lehrer,  die  sich  dieser  pflicht  nur  ungern 
erinnern  und  in  kürze  zu  entledigen  suchen ,  während  andere  der- 
selben mit  besonderer  freude  und  reichem  erfolge  obliegen,  die 
Übung  scheint  einfach,  will  aber  doch  überlegt  und  mit  einsieht 
geordnet  sein,  unmöglich  wird  man  sich  damit  begnügen,  die  voca- 
beln in  derselben  reihenfolge  zu  wiederholen,  wie  sie  das  erste  mal 

^Mer  büeber  treten  Sammlungen  deutscher  gedichte  in  einzelnen  heften, 
hl  leSner  anzeige  dieser  sammlangen  (seiiscbr.  f.  g.-w.  s.  288  ff.)  spricht 
Frick  seine  Battimmanff  nun  ganzen  plane  ans  und  citiert  unter  andenn 
«ich  ein  wort  von  HoUeDberg,  das  ich  nicht  unterlassen  kann  hierher 
w  setzen:  'einen  tüchtigen  stoff  nehmen,  aus  ihm  die  gröste  kraft- 
^twicklung  gewinnen  und  aus  klugheit  und*  dankbarkeit  diesen  stoff 
baitnlekig  festhalten,  das  ist  das  richtige  didaktische  princip.  befolgt 
man  es  einmal  versnchsweise ,  so  findet  man,  dasz  es  nicht  allein  dem 
<lenken  selbst  eine  gröszere  consistens  nnd  Sicherheit  gibt,  sondern  auch 
den  Charakter  merklich  stählt.' 

N.  jahrb.  f.  phiL  n.  pid.  II.  abu  mS.  hfu  6  n.  6.  16 


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234        Zur  methode  des  latemitcheii  elementanmtemcbts 

gelernt  wurden,  das  wäre  höchst  mechanisch,  für  lehrer  und  schüler 
langweilig  und  würde  wenig  frucht  bringen,  grade  immer  freier 
und  vielseitiger  sollen  die  schüler  das  erworbene  gut  verwerten, 
es  immer  wieder  unter  neue  gesichtspuncte  stellen  und  sich  dadurch 
zugleich  zum  ergreifen  und  festhalten  des  neuen  vorbereiten  und  be- 
fähigen, planvoll  und  mit  bedacht  musz  sich  ein  stein  an  den  andern 
fügen ,  ohne  innere  Verbindung  und  festigung  angehäuftes  material 
fUUt  in  kürzerer  oder  längerer  frist  auseinander,  es  wird  deshalb 
schon  auf  der  untersten  stufe  die  gruppierende  repetitionsmethode 
anzuwenden  sein ,  von  der  Perthes  in  einem  aufsatz  'zur  reform  des 
lateinischen  Unterrichts'  gehandelt  hat,^^  und  zwar  noch  in  einem, 
weiteren  umfange,  als  es  Perthes  empfiehlt. 

Man  lasse  also  den  schüler  die  Wörter  das  eine  mal  nach  ihrer 
endung  zusammenstellen  und  leite  ihn  dabei  an,  selbst  die  bedeutung 
der  ableitungssilben  zu  finden,  zb.  bei  den  adjectiven  auf  -ilis  und 
-bilis.  oder  wäre  es  wirklich  dem  knaben  zu  viel  zugemuthet,  wenn 
man  ihn  die  gelernten  Wörter  facilis,  fertilis,  mirabilis,  laudabilis, 
mobilis  zusammenordnen  und  aus  ihrer  bedeutung  auf  die  der  ab- 
leitungssilben schlieszen  läsztV  ich  kann  dies  nicht  zugeben,  es 
scheint  mir  vielmehr  ein  immerhin  noch  bescheidener  anspruch  an 
seine  denkthätigkeit  zu  sein,  der  jedoch  für  sein  ferneres  lernen  und 
verstehen  eine  lohnende  frucht  tragen  wird,  hat  man  nämlich  so 
den  angehenden  lateiner  schon  in  der  sexta  allmählich  daran  ge- 
wöhnt, auf  die  ableitung  und  Wortbildung  zu  merken  und  dies  in 
der  quinta  fortgesetzt,  so  wird  es  später  in  der  quarta  von  hohem 
werte  sein  und  auch  nur  kurze  zeit  erfordern ,  mit  ihm  methodisch 
die  lehre  von  der  ableitung  der  Wörter  durchzunehmen,  ein  capitel 
in  der  grammatik,  das  jetzt  häufig  zum  groszen  nachteii  der  sprach- 
lichen bildung  ganz  übergangen  wird. 

Daneben  halte  ich  aber  noch  eine  andere  art  der  gruppierung 
für  besonders  wertvoll  und  für  den  zweck  der  ersten  Übung  im 
lateinsprechen  erforderlich,  ich  meine  die  Ordnung  nach  gegen- 
ständen, der  nutzen  dieses  Verfahrens  ist  leicht  zu  ersehen  und 
möge  hier  kurz  an  einem  beispiele  gezeigt  werden,  man  frage  die 
schaler  nach  yocabeln,  die  sieh  auf  den  begriff  homo  beziebAn,  und 
man  wird,  falls  ee  im  zweiten  oder  dritten  quartal  des  sobnUabres 
gesehiebt,  wie  natflrlicb,  damit  wabrbaft  flbeiBcbflttet  werden,  frei* 
Uch  geht  es  zuerst  etwas  bunt  durcbeinander,  und  es  ist  interessant 
zu  beobaebten ,  wie  der  von  6inem  angeregte  vorstellungskreis  von 
andern  begierig  ergriffen  und  ausgebeutet  wird,  bis  selbstftndigeie 
kdpfe  dem  gedenken  wieder  eine  neue  seite  abgewinnen,  so  tOnen 
uns  bei  jener  frage  etwa  folgende  wSrter  entgegen :  caput,  manos, 
pes,  oculus,  barba,  frons,  corpus,  sanguis ;  animns,  uirtns,  uitinm, 
fortitudo,  constantia,  auaritiai  improbitos,  probitas;  dux,  impentor. 


IS  in  der  Zeitschrift  für  gviuo.«  Wesen  XXVII  8.  81  ff.    auch  als 
separatabdrack  eneblenen.  Berun  1873.  Weidmann. 


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auf  dem  gymuaaium.  235 

rex,  miles,  ciuis;  puer,  adulescens,  iuuenis,  senex;  senectuSi  pueritia, 
adalescentia;  mors,  uita,  morbus  u.  a.  gibt  man  nun  den  schülem 
eine  Übersicht  der  genannten  Wörter,  oder  hat  man  sie,  gleich  als  sie 
genannt  wurden,  aufschreiben  lassen,  so  empfinden  sie  sofort  selbst 
das  bedürfiiis  nach  ordnnng  und  einteilung,  nnd  gelingt  es  ihnen 
unter  anleitnng  des  lehrers  passende  rubriken  aufzufinden»  so  halten 
sie  dieselben  gewiss  flir  einen  Wiederholungsfall  fest  und  füllen  dann 
die  einzelnen  elassen  desto  vollständiger  mit  ihrem  nun  sehen  ge- 
sichteten vorrath  aus.  80  würden  sieh  ihnen,  om  bei  dem  angegebe- 
nen beispiel  zu  bleiben,  etwa  animus,  corpus,  res  militariB,  res 
nrbanae  als  leitende  gesichtspunete  bieten  und  hierzu  leicht  die  ent- 
sprechenden Unterabteilungen  bestinunen. 

Wer  übrigens  praktische  versuche  mit  dieser  gruppierenden 
repetitionsmethode  macht,  wird  wohlthnn,  seine  mitwirkung  bei 
der  claseifiiBierung  mOglidist  zurücktreten  zu  laesen,  damit  den 
knaben  die  freude  daran  als  an  ihrem  eignen  werke  unverkürzt 
bkibe;  auf  streng  logische  Scheidung  kommt  es  ja  vorlftuflg  ebenso 
wenig  an ,  wie  ai^  absolute  voUstttndigkeit. 

Wie  sieh  nun  beim  einüben  der  vocabeln  überhaupt  zur  be- 
lebung  des  Unterrichts  und  zur  anlehnung  dieser  Übung  an  andere 
die  bildung  von  sttsen  empfiehlt,  so  ergibt  sich  dies  gerade  aus  der 
bedeutungsmäszigen  anordnung  der  wOrter  ganz  von  selbst,  haben 
die  Schüler  zb.  unter  der  rubrik  res  militaris  die  substantiva  bellum, 
dux,  exercitus,  copiae,  auxilia,  castru,  arma,  gladius,  hasta,  scutum, 
uulnus,  pax  und  die  verba  pugnare,  expugnare,  defendere,  uincere, 
necare,  munire  u.  a.  genannt,  so  verbinden  sich  mit  jenen  Substan- 
tiven dann  leicht  und  natürlich  geeignete  adjectiva,  wie  dux  fortis, 
duxfelix,  dux  peritus;  proelium  atrox,  proelium  crueutura;  certamen 
singulare;   fuga  turpis;  arma  cruenta,  arma  ferrea,  andererseits 
stellen  sich  ebenso  unmittelbar  subcitantiva  mit  verben  zu  redens- 
arten  zusammen,  wie  bellum  gerere,  proelium  committere,  arma 
capere,  cladem  accipere,  uictoriam  reportare,  pacem  facere,  castra 
ponere,  castra  mouere.  sind  diese  Vorübungen  geglückt,  wer  möchte 
noch  zögern,  zur  bildung  von  sLLtzen  zu  schreiten?  das  kann  schon 
der  Sextaner  leisten,  wenn  er  in  der  beschriebenen  weise  angeleitet 
worden  ist,  und  er  soll  dann  und  wird  dann  nicht  blos  so  allgemeine 
Sätze  bilden  wie  dux  proelium  commisit,  post  hoc  proelium  pax  facta 
^st,  bestes  pugna  cruenta  oioti  sunt,  sondern  es  bietet  sich  ihm  der 
aas  dem  lesebuch  gewonnene  historische  stoff  ganz  natürlich  zur  Ver- 
wendung dar,  und  wir  dürfen  erwarten,  dasz  derselbe  rasch  in  die 
bezeichnete  form  gekleidet  wird,  also  hören  wir,  homerischen  sagen- 
stoff  vorausgesetzt,  aus  dem  munde  des  sextaners  zb.  folgendes: 
Giaeci  cum  Troianis  per  decem  annos  bellum  gesserunt;  Hector, 
^liami  regis  filius,  ab  Achille  interfectns  est;  Troia  urbs  a  Qraeds 
expugnata  et  deleta  est;  Ulixes  per  multas  terras  errauit,  nam  iram 
^eptuni  monerat;  Minema  Ulizem  Semper  adiuuabat,  itaque  ex 
osmibas  periculis  seruabatur. 


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236         Zur  methode  des  lateinischen  elementaxunterhchts 

Welchen  nutzen  solche  aus  einem  gedankeninhalt  entsprungene 
Sätze  vor  jenen  obigen  haben ,  braucht  nach  dem  frUher  über  lese* 
bücher  gesagten  nicht  mehr  erörtert  zu  werden. 

Der  ungemeine  nutzen  der  gruppierenden  repetitionsmethode, 
mag  sie  nun  durch  grammatische  oder  durch  gegenständliche  ge- 
sichtspuncte  bestimmt  sein,  scheint  unzweifelhaft,  und  zumal  die 
Übungen  der  letzteren  art  dürften  wesentlich  dazu  beitragen ,  das 
latein  auf  den  schulen  wieder  eigentlich  lebendig  zu  machen, 
ich  kann  versichern,  dasz  lehrstunden,  in  denen  vocabeln  in  der  ge- 
schilderten weise  repetiert  und  in  zahlreichen  beispielen  verwertet 
werden ,  sich  zu  den  belebtesten  gestalten ;  sie  befriedigen  und  er- 
freuen lehrer  wie  schüler  und  gewähren  einen  sicheren  erfolg. 

Neben  der  vocabelrepetition  ist  noch  ein  anderes  gebiet  zu  nen- 
nen, auf  dem  wir  für  Übungen  im  lateinsprechen  räum  und  reiche 
veranlassung  finden,  und  das  zugleich  nicht  weniger  einen  ausgiebi- 
gen, angemessenen  lesestoff  zur  wesentlichen  Voraussetzung  hat. 
es  ist  dies  die  Satzlehre,  dieselbe  fällt  zwar  dem  deutschen  Unter- 
richt zu,  indessen  darf  man  es  als  selbstverständlich  voraussetzen, 
dasz  auf  den  drei  unteren  stufen  des  gymnasiums  oder  doch  wenig- 
stens in  sexta  und  quinta  latein  und  deutsch  in  6iner  band  liegt, 
wie  dies  von  der  pädagogik  schon  längst  als  berechtigte  und  unum- 
gängliche forderung  anerkannt  worden  ist.  der  lehrer  wird  nun 
diese  Vereinigung  dazu  benutzen,  satzbildungsübungen  in  beiden 
sprachen  zugleich  vorzunehmen,  wenn  er  also  in  einer  deutschen 
stunde,  nachdem  für  ein  gegebenes  gedankenverhlQtnis  deutsche  bei- 
spiele  in  genügender  sah!  gebildet  sind ,  auch  lateinische  Sätze  for- 
dert, so  wird  hkrin  kein  einaiditiger  eine  beeintrSchtigung  des 
deutschen  unierricbts  erblicken,  yielmehr  wird  man  lugeboi  mllssen, 
dass  gerade  durch  diese  ftbertragung  auf  die  fremde  spra^  die 
form  des  satzes ,  der  nnieisehied  der  dnea  sateform  vor  der  anderen 
um  so  klarer  ans  licht  tritt. 

In  sexta  beechrSnken  sieh  diese  Übungen  im  wesentliehen  auf 
das  verhSltais  der  coordination,  und  ich  mOchte  auch  nicht  rathen, 
darttber  hinaus  su  gehen,  obwol  die  lateinischen  lesebüoher  um  des 
pronomens  willen  relativrerbindungen  und,  um  den  coi^junctiT  vor- 
zuftthren,  temporal-  und  causalnebensfttee  mit  cum,  final*  und  oon* 
secutivstttaEe  mit  ut  und  ne  enthalten  mfissen.  an  dieser  stelle  kSnnen 
eben  solche  yerbindungen  nicht  entbehrt  werden,  und  der  sehttler 
lernt  alhnShlich  sich  hüieinfinden,  allein  das  erfassen  dieser  art  des 
ffedankenverhSltnisses  bleibt  doch  bei  der  mehrzahl,  m^ner  erfiJi* 
rung  nach,  ein  mangelhaftes  und  gestattet  nicht  freie,  selbstthfttjga 
anwendung  su  fordern,  darum  erstrebe  man  auf  dieser  anfirngsstnle 
lieber  ein  klares  durchdringen  der  coordinierenden  BatsTerbinduag^ 
ein  siel,  das  sich  bei  allen  sdiOlem  erreichen  Ittsst,  sowdt  sie  nicht 
durchaus  unb^abt  sind,  zugleich  aber  auch  ein  siel,  das  dem  nicht 
geringfügig  erscheinen  wird,  der  sich  die  mannigfrdtigkeit  der  hier« 
durdi  gebotenen  formen  vergegenwBrtigt.  innerhalb  dieses  be- 


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auf  dem  gymnatinm. 


237 


schränkten  kreises  soll  demnach  der  schüler  su  einer  solchen  ge- 
wandtheit  geftirdert  werden,  dasz  er  einerseita  gegebenesätze  dieser 
art  sicherimd  g|)ftiifig  zn  analysieren,  andererseits  für  ein  üim  durch 
ein  beispiel  oder  nur  dnrch  ein  bnchstabenschema^^  bezeichnetes 
gedankenverlittltnie  deutsche  sowol  als  latemisobe  sfitze  auf  der  stelle 
zu  bilden  vermag,  dies  fortwährende  nebeneinanderstellen  und  ver- 
gleichen beider  sprachen  wird  nicht  blos  za  einem  klaren  verstttnd- 
nis  der  grammatischen  Verhältnisse  führen,  zb.  zu  einer  scharfen 
sonderung  der  copulativen,  adversativen  und  causalen  conjunctionen, 
sondern  auch  die  vertrantiieit  mit  der  fremden  spräche  vorzflglich 
befördern. 

Diese  Übungen  sind  trockner  und  schwieriger  als  die  früher  be-  ^ 
sprcchenen ;  wie  trefflich  also,  wenn  wir  ihnen  durch  passenden  ge- 
dankeninhalt  frische  und  leben  zu  verleihen  in  den  stand  gesetzt 
sind!  die  beharrlichkeit  des  lehrers  belohnt  sich  übrigens  auch  hier: 
bald  faszt  die  bessere  hälfte  der  classe  interesse,  das  Verständnis 
wächst,  die  lust  und  freudigkeit  teilt  sich  allen  mit,  und  so  geht 
diese  denkarbeit  in  erwünschter  weise  vorwärts. 

Ich  meine,  in  diesem  verfahren  arbeiten  sich  der  deutsche  und 
lateinische  Unterricht  wahrhaft  band  in  band,  wie  es  ja  auf  den 
unteren  stufen  der  schule  geschehen  soll  und  musz,  um  den  knaben 
richtiges  denken  und  sprechen  zu  lehren,  während  freilich  jetzt  noch 
oft  genug  deraelbe  lebrer  beide  gegenstände  unbewuszt  oder  gar 
mit  absieht  so  getiennt  behandelt,  als  hätten  sie  keine  gemeinsame 
auigabe. 

Was  das  grammatische  pensum  selbst  anbetrifft,  so  genügt  es 
an  dieser  stelle  kurz  darauf  hinzuweisen,  dasz  man  sich  durchaus 
möglichst  auf  die  regelmäszigen  formen  zu  beschränken  habe,  dies 
gilt  insbesondere  von  den  declinationen.  so  sind  die  griechischen 
Wörter  der  ersten  declination  erst  in  der  quarta  nachzutragen  und 
bei  der  dritten  declination  auszer  den  drei  hauptregeln  für  das  genus 
alle  übrigen  in  das  quintapensum  zu  setzen,  wenn,  wie  es  ja  wol 
allgemeiner  brauch  ist,  der  schüler  bei  jedem  wort  das  geschlecht 
mit  lernt  und  jedesmal  bei  nennung  desselben  mit  angibt,  wenn 
zugleich  die  Übersetzungsbücher  den  betreffenden  stoff  so  ordnen, 
dasz  zuerst  die  substantiva  mit  regelmäszigem  geschlecht  ein- 
geübt, dann  in  besonderen  und  auch  unter  sich  auseinander  gehalte- 
nen abschnitten  die  unregelmäszigen  masculina,  feminina  und  neutra 
vorgeführt  werden,  so  ist  was  notwendig  erscheint  geschehen,  und 
es  bleibt  dem  lebrer  nur  noch  die  aufgäbe,  aus  den  letzterwähnten 
abschnitten  die  vocabeln  und  natürlich  auch  die  diesen  entsprechen- 
den Sätze  zu  stieichen,  welche  für  den  sextaner  überflüssig  sind,  so 
wUrde  ich  zb.  aus  dem  neunten  capitel  des  Übungsbuches  von  Spiesz 
folgende  Wörter  entfernen :  calix ,  cortex ,  turtur,  uultur ;  uicissitudo, 
eognitio,  pecus,  teUus;  aequor,  cadauer. 

über  derartige  sehemata  bei  besprechang  des  qnintapensnine  ein 

näheres. 


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238         Zur  methode  des  lateinitchen  elementaronterrichtB 


Vielleicht  halten  andere  noch  mehrere  Wörter  für  entbehrlich, 
und  in  der  that  kommt  ja  in  der  sezta  allea  darauf  an ,  den  lemstoff 
zu  beschränken  und  so  TereuiiaGlieii|  daa  was  dann^lunit  wird,  be- 
wahren die  Schüler  um  so  treuer  und  verwenden  es  um  so  vieboitiger. 

Dagegen  hat  der  lateinische  elementarunterricht  schon  in  der 
Bexta  auf  zwei  puncte  gewicht  zu  legen,  die  bis  jetzt  an  manchen 
schulen  entweder  gar  nicht  beachtet  werden  oder  erst  auf  höheren 
classen  berücksichtigung  finden,  der  schüler  muss  gleich  von  vorn- 
herein die  lateinischen  Wörter  in  der  richtigen  Schreibweise  an- 
schauen und  sich  einprägen,  damit  er  nicht  später  —  etwa  nach 
anleitung  des  band  weisers  der  lateinischen  rechtschreibung,  eines 
niiszuges  aus  dem  hülfsbüchlein  für  lateinische  rechtschreibung  von 
WBrambach.  Leipzig.  Teubner  1872.  2.  auÜ.  1876  —  wieder  um- 
zulernen braucht,  es  ist  deshalb  eine  einheitliche  Orthographie  für 
übcrsetzungsbuch  und  grammatik,  ftir  die  ausgaben  der  Schriftsteller 
und  für  lexica  dringend  zu  wünschen,  und  so  lange  wir  dieser  Über- 
einstimmung entbehren,  halte  ich  den  lehrer  fUr  verpflichtet,  die 
schüler  wenigstens  in  einem  beschränkten  masze,  also  bei  häufig 
vorkommenden  Wörtern,  die  richtige  Schreibung  in  ihren  büchern 
selbst  herstellen  zu  lassen. 

Noch  wichtiger  erscheint  die  richtige  ausspräche  der  Wörter, 
zu  diesem  zwecke  ist  sowol  in  der  grammatik  als  in  den  vocabel- 
verzeichnissen  die  länge  und  kürze  der  silben  anzugeben ,  vor  allem 
aber  musz  der  lehrer  deutlich  und  bestimmt  aussprechen  und  conse* 
(^uent  daraufhalten,  dasz  die  schüler  das  gleiche  thun. 

Somit  bin  ich  am  schlusz  der  betrachtung  des  sextanerpensums 
angelangt,  wenn  ich  hoffen  darf,  dargelegt  zu  haben ,  wie  sich  an- 
fangsübungen  im  mündlichen  gebrauch  der  lateinischen  spräche  aus 
einer  gründlichen  methodischen  behandlung  dieses  pensums  von 
selbst  ergeben  und  sich  ungezwungen  an  die  lectüre  eines  geeigneten 
lesebuches,  an  die  vocabelrepetitionen,  an  die  Satzlehre  anschlieszen, 
80  bedarf  es  andererseits  kaum  der  Versicherung,  dasz  eine  energische 
durchführung  dieses  Verfahrens  in  einem  bedeutenden,  vielleicht 
überraschenden  erfolge  reichen  lohn  findet,  die  vielseitige  Verwen- 
dung des  mit  dem  gedächtnis  aufgenommenen  Stoffes  bringt  eine 
geistigere  durchdringung  desselben  zu  wege  und  läszt  ihn  tiefer 
wurzeln,  der  von  verschiedenen  gesichtspuncten  ausgehende  münd- 
liche gebrauch  der  spräche  führt  zu  gröszerer  freiheit  und  gewandt- 
heit  des  ausdrucks  überhaupt,  das  freudige  bewusztwerden  des  fort- 
sclirütens  erregt  und  erhöht  die  lust  am  gegenstände,  so  wird  der 
lehrer  seine  schtüer  im  positiven  wissen  fester  und  für  die  spräche 
lebendiger  angeregt  der  Weiterbildung  überliefern,  als  es  auf  ge- 
wObnlidiem  wege  möglich  ist.  denn  wie  ist  in  der  that  darchschnitt- 
lioli  das  resnltit  des  ontorriehts  in  der  sexta  beschaffen?  man  hört 
am  jahresschlnss  etwa  in  einer  lehrstnnde  oder  beim  öffentlidmi 
examen,  wo  doch  der  examinierende  sein  bestes  aufenzeigen  nicht 
nnterlBszt,  ein  mecbaniscbes  flieszendes  hersagen  des  dem  gedichtnis 


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auf  dem  gjnmasium. 


239 


eingeprägten;  genusregeln,  declinations-  und  conjugations formen 
werden  im  günstigen  fall  richtig  angegeben,  das  übersetzen  aber, 
zu  dem  der  lehrer  dann  wohl  fortschreitet,  wenn  er  mit  jenen  fragen 
die  geduld  seiner  zuhörer  auf  die  probe  gestellt  hat,  geht  langsam 
und  mühsam  von  statten,  oder,  was  schlimmer  ist,  es  tritt  hier  das 
ein^^elemte  hervor. 

Eine  derartige  leistnng  ist  vielleicht  oft  resuLtat  einer  gtmmw' 
haften  thätigkeit,  und  ein  verhäi^iismässiger  wert  soll  ibr  nicht 
abgesprochen  werden,  indessen  kann  sie  den  kundigen  nicht  be* 
friedigen,  weil  sie  deutlich  beweist,  dasz  die  schüler  noch  nidit  zum 
wirklichen  Verständnis ,  zu  freier  und  selbstthätiger  anwendung  des 
lernstoffes  gefördert  worden  sind,  man  fühlt  sich  hierbei  versucht 
zu  fragen,  wie  der  betreffende  lehrer  selbst  mit  diesem  ergebnis  der 
anstrengimg  eines  ganzen  jahres  zufrieden  sein,  wie  er  überhaupt 
bei  dem  gewöhnlichen  verfahren  an  diesem  nnterricht  volle  frende 
liaben  könne,  aber  freilich  ist  dies  auch  gar  nicht  der  fall,  gerade 
jimge  lehrer  sehnen  sich  oft  nach  anderm  nnterricht ;  auf  der  anfangs- 
stufe,  mmnen  de,  könne  man  eben  nur  mechanisch  vorgehen,  nur 
^edSchtnistldltigkeit  in  ansprudi  nehmen,  die  rttcksicht  auf  dniken 
xmd  vmtehen  trete  erst  spftter  in  geltung,  und  deshalb  sei  es  loh- 
nender und  erfreulicher,  in  mittleren  und  oberen  dessen  zu  unter- 
richten, die  erfahrung  wird  sie  lehren,  wie  sehr  die  schaler,  wenn 
sie  nicht  von  firtth  auf  zum  verstehen  und  anwenden,  zur  freiheit  der 
geistesthätigkeit  angeleitet  worden  sind,  auch  in  höherem  alter  zu 
lein  mechanischer,  gedäehtnismftsziger  aneignung  des  ihnen  geböte* 
sen,  immer  schwieriger  werdenden  und  ohne  geflbte  denkknft  gar 
nicht  mehr  faszbaren  materials  hinneigen ;  wie  überaus  ungeschickt  ^ 
und  zaghaft ,  zuweilen  selbst  trotzig  widerstrebend  sie  sich  zeigen, 
wenn  man  sich  hier  damit  nicht  begnügt,  sondern  sie  consequent 
zum  denken  nötigt. 

Wenn  es  sich  dem  gegenüber  erreichen  lüszt,  dasz  der  sextaner 
nicht  blos  die  regelmäszige  formenlehre  sicher  beheiTScht,  über  einen 
ausreichenden  vocabelvorrath  verfügt  und  in  den  allgemeinen  gram- 
matischen kenntnissen,  die  auf  dieser  stufe  in  betracht  kommen, 
wohl  geschult  ist,  sondern  dasz  er  auch  diese  einzelnen  momente  zu 
einem  wahrhaft  lebendigen  Zusammenhang  verbindet  und  dieselben 
auf  der  grundlage  eines  angemessenen  historischen  Stoffes  aufö 
mannigfaltigste  anzuwenden  versteht,  wer  mochte  nicht  nach  diesem 
ziele  streben?  so  bewahrt  der  schüler  sein  wissen  nicht  gewisser- 
maszen  in  getrennten  fächern,  sondern  hat  durch  nachhaltige  Übung 
das  bewusztsein  gewonnen,  dasz  alle  demente  seiner  bildung  eine 
enge  and  fruchtbare  beziehung  zueinander  haben,  dasz  sie  ineinander 
greifen  und  sich  ergänzen  und  beleben  sollen  und  können  nun 

über  diese  notwendige  wechselbesiehang  spricht  sich  unter  andern 
Sehrader  in  seiner  eraiehniigt-  nnd  nnterriobUlebre  %  104  mit  groizer 
«ntschiedenhelt  aus.  ich  eitlere  nur  einige  werte:  ^was  helfen  alle 
wiederholangen  der  nnregelmiszigen  verb»,  was  das  gehäufte  memo- 


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240 


P.  Klaoökes  dbuBgsbflclier. 


liat  er  sein  ganEes  erworbenes  gnt  stets  nur  Terwendniig  bereit  und 
behauptet  in  folge  dessen  sebon  eine  yertrantere  stellang  zn  der 
fremden  spräche. 


rieren  ron  Toeabeln,  was  die  beate  tystematik  des  syntaktischen  nnter- 
richts,  wenn  von  allen  diesen  dingen  jedes  auf  seinem  besondern  platze 
bleibt  und  wenn  nun  dem  schüler  die  unsägliclie  und  niemals  befrie- 
digend verlautende  austrenguns;  zugemutet  wird  das  todte  selbst  zu  be- 
leben, den  Tom  lebrer  ▼ernaeblKssigten  snsanunenbanff  selbst  sn  finden 
und  die  zerstreuten  glieder,  welehe  er  nicht  gelernt  hat»  ans  gemein- 
samem und  lebendigem  mittel puncte  zn  betrachten,  Bnnmehr  vu  den 
gebrauch  selbst  su  sammeln  und  zu  verbinden  1' 

(schlosz  folgt.) 

BARMEN.  Wilhelm  fries. 


23. 

AUFGABEN  ZUM  ÜBERSETZEN  AUS  DEM  DEUTSCHEN  INS  LATEINISCHE 
FÜR  SECUNDA  IN  GENAUEM  ANSCHLUSZ  AN  DIE  GRAMMATIK  VON 
ELLENDT-8EYFFERT  UND  AN  DIE  LATEINISCHE  LECTÜRE  VON  PAUL 

KLAUCKfi.  Berlin,  W. Weber.  1875.  zweite  auflagb  ünter 

DEM  TITEL  AUFGABEN  ZUM  ÜBBE8BTZBN  AUS  DEM  DEUTSCHEN  INS 
LATBOnSOHE  BÜR  OBERE  0LAB8EN  VON  PAULKLAUCKE.  Berlin, 

W.Weber.  187T. 

ÜBUNGSBUOB  BUM  ÜBBBSBTBBN  ▲US  DBIf  DBOT80HBN  IXB I1ATBIHI8CHB 

fOb  vnvKBSmtmiDA  yor  f a ui»  kl a vckb.  Berlin,  W.  Weber.  1877. 

Wenn  der  recensent  der  zweiten  aufi.  der  Menzelschen  Übungs- 
stücke (Hannover  1876)  in  der  zeitschr.  f.  d.  gymnaeialweaeii,  1878, 
8.  240  ihnen  als  einem  wahren  und  echten  rüstzeog  geistiger  gym- 
nastik  die  wärmste  teilnähme  der  fachgenossen  wünscht,  so  musz 
leb  erklären ,  mich  aus  dem  gründe  nicht  in  gleichem  grade  wie  der 
recensent  für  sie  erwärmen  zu  können,  weil  sie  der  immer  mehr 
und  mehr  sich  bahnbrechenden,  von  höchster  maszgebeuder  seite  ge- 
stellten forderimg  einer  concentration  des  lateinischen  unterrichte 
durch  anschlusz  der  schriftlichen  Übungen  an  die  classenlectüre  nicht 
gerecht  werden,  die  klagen  über  die  geringen  erfolge  des  lateini- 
schen Unterrichts,  wie  sie  zb.  bei  Menge  in  seinem  repetitorium 
zum  ausdruck  kommen ,  sind  zum  groszen  teil  auf  den  didaktischen 
fehler  zurückzuführen,  dasz  der  lateinische  aufsatz,  der  prügeljunge 
der  modernen  pädagogen,  die  lateinischen  Übersetzungsübungen, 
die  lectüre,  der  theoretische  Unterricht  als  vollständig  getrennte  ele- 
mente  tractiert  wurden  und  sehr  häufig,  wie  die  schulnacbrichten 
verrathen,  noch  tractiert  werden,  trotz  der  wünsche  und  Vorschriften 
der  leiter  unseres  Schulwesens,  von  dem  6inen  in  zähem  festhalten 
an  der  tradition,  von  dem  anderen  in  folge  des  einflusses  der  vis 
inertiae  nach  dem  Ovidischen  video  jneliora  proboque,  deteriora 


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P.  Klaucke«  fiboogtbucher. 


241 


sequor.  es  ist  mir  nicht  bekannt;  dasz  man  schon  ausführlich  für 
den  lateinischen  Unterricht  der  oberen  classen  die  vorteile  erörtert 
hStte,  welche  aus  einer  straffen  concentration  der  einzelnen  teile  des- 
selben erwachsen,  für  den  lateinischen aufsatz hat  W. Hirschfelder 
in  der  zeitschr.  f.  d. gymn.-w.  1873  s.  337  ff.  die  neue  methodik erörtert, 
nichts  destoweniger  prangen  in  den  Programmen  jähr  aus  jähr  ein 
die  abgedroschenen  themata,  deren  bearbeitung  der  pseudonyme 
Galbula  bei  Gestewitz  in  Düsseldorf  in  usum  delpbinorum  in  einem 
zum  teil  schauderhaften  latein  sich  nicht  hat  entgehen  lassen :  quibus 
rebus  Selon  de  civitate  Atheniensium  optime  meruerit.  (statt  Solon 
kann  nun  jeder  vir  clarissimus  des  altertums  eingesetzt  werden.) 
quam  mobilis  sit  aura  popularis.  sehr  beliebt  ist  Romanos  bis  salutem 
debuisse  Aspiratibus;  fortuna  plerumque  eos,  quos  pliirimis  bene- 
üciis  ornavit,  ad  duriorem  casum  reservat,  ich  erinnere  mich  noch 
mit  entsetzen  der  zeit,  als  ich  plötzlich,  ohne  die  geringste  an- 
ieitung  bekommen  zu  haben,  mich  in  dienotwendigkeit  versetzt  sah, 
eine  abhandlung  zu  schreiben  über  litterarum  radices  amarae,  fructus 
laetiores  und  virtus  negata  tentat  iter  via,  bis  ich  endlich  die  ein- 
sieht bekam,  dasz  es  gar  nicht  darauf  ankomme,  was  man  schreibe, 
man  brauche  sich  nur  eine  Sammlung  von  loci  über  Themistocles, 
Pericles,  Alcibiades,  Fabricius,  Hannibal,  Regulus,  Cicero  etc.  an- 
zulegen und  mit  diesen  exempla  zu  wirtschaften  —  exemplis  com- 
probandum  est  war  und  ist  eine  sehr  beliebte  clausula  jener  themata. 
doch  genug  von  diesem  unfug,  der  es  glücklich  so  weit  gebracht 
hat,  dasz  die  freien  lateinischen  ausarbeitungen  in  einen  unverdien- 
ten miscredit  gekommen  sind,  so  dasz  sie  zb.  jüngst  aus  den  reicbs- 
landen  Elsasz- Lothringen  verbannt  wurden  ^   zur  Vertiefung  und 
gründlichen  aneignung  der  lateinischen  lectüre  werden  sie  kaum  ent- 
behrt werden  können,  das  flüchtige  übersetzen  der  classiker  beför- 
dert nur  die  obei-flächliclikeit,  die  schriftliche  reproductioil  nach  der 
formalen  und  materialen  seite  nach  den  verschiedensten  gesichts- 
poncten  ist  zur  erreichung  der  Unterrichtsziele  des  gymnasiums 
gendezu  unentbehrlich;  die  schriftliche  durcharbeitung  des  gelese* 
neii  fördert  den  schtOer  in  jeder  beziehuug:  der  Inhalt  wird  ihm 
klarer  und  befestigt  sich ,  er  gewinnt  aus  dem  mnaterantor  seinen 
vooabelr  und  phrasenschatz,  er  lernt  das  lexicon,  die  grammailk  ent- 
hehren,  knrx  er  lernt  anf  eignen  fttszen  stehen*  bei  der  er* 
kUmng  des  dassikeni  TergegenwSrtigt  er  sidi,  das»  er  von  allem, 
WM  in  der  stunde  behandelt  wird,  anwendmig  sn  maehen  haben 
^d|  seine  anfinerksamkett  wird  angespannt,  er  lernt  die  nntx- 
losigkeit  desgebrauchs  der  ttbersetsungen  kennen*  die 
Verbindung  der  kotnre  mit  den  sehiiftliehen  arMten  nnd  die  obli« 

^  Tergl,  darüber  die  sehr  interesiaaten  aasführnngen  und  erläate- 

rnn^en  des  Bchulraths  dr.  Baumeister  in  der  gymnasialzeitschrift 
diesea  jahres  im  märz - april-heft.  über  die  verbindiing^  der  lectüre  mit 
den  scbriftliGhen  arbeiten  vergl.  die  einsichtsvollen  programme  von 
Uppeneamp.  Konits  18<^  1869.  Pesen  1874. 


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242 


P.  KlauckeB  fibangtbücber. 


gatorische  präparation  nach  einem  dem  standpuncte  des  Schülers 
angepassten  commentar,  —  das  sind  die  beiden  mittel  allein,  um 
den  gebrauch  der  Versionen  in  unseren  schulen  unmöglich  zu  machen, 
solche  commentare  gibt  es  leider  nur  sehr  wenige,  mit  einem  Weiszen- 
bomschen  Livius,  einem  Classenschen  Thukydides  läszt  sich  freilich 
in  der  schule  nichts  anfangen;  eine  comraentierte  Schulausgabe 
musz  allgemein  eingeführtes  lehrbueb  werden,  wie  ein  historisches 
.  hilfsbnch,  eine  schulgrammatik,  die  durcbarbeitung  des  commentars 
musz  controlliert  werden,  über  dieses  thema  werde  ich  bald  gelegen- 
heit  nehmen  mich  ausführlicher  zu  verbreiten,   die  einzigen  ilber- 
setzungsbücher,  die  nach  meinen  obigen  auseinandersetzun gen  unter 
umständen  geeignet  wären,  ihren  zweck  zu  erfüllen,  sind  die  von 
dem  Oberlehrer  am  gymnasium  zu  Landsberg  a.  W.,  PaulKlaucke, 
ausgearbeiteten ,  welche  ich  der  berücksichtigung  der  fachgenossea 
mit  gutem  gewissen  empfehlen  kann,   dasz  Herr  Klaucke  seineA 
zweck  einigermaszen  erreicht  hat,  lehrt  die  thatsache  dasz  vom 
december  1874  bis  zum  märz  1878  eine  starke  aufläge  verkauft  iat 
von  recensionen  der  ersten  pflege  ist  mir  nur  eine  zu  gesiebt  ge- 
kommen, eine  andere  scheint,  nach  den  eigenen  äuszerungeiiKlaiiclMS, 
auch  nicht  erschienen  zu  sein,  diese  einzige  beurteilung  eines  80 
eminent  wichtigen  buches  steht  im  Jahrgang  1876  8.  719 — 729  der 
Zeitschrift  für  gymnasialwesen  und  hat  den  Oberlehrer  dr.  Mensel 
am  Friedricbs-Gymnasium  zu  Berlin  zum  veifiuser.  sie  ist,  wie  das 
nicht  anders  zu  erwarten  gewesen,  ftür  die  sweite  aufläge  von  be- 
stimmendem einflusz  gewesen* 

Machen  wir  uns  nnn  einmal  mit  dem  inbalt,  dann  mit  der 
methode  der  Klanekesolien  bUcber  bekannt  und  seilen  wir  zn,  wie 
er  bessernd  bei  der  zweiten  revision  zu  werke  gegangen  ist 

Das  bndi  von  1875  ist  fttr  seonnda  im  allgemeinen  bestimmt 
nnd  bearMtet  Linns  XXI  mit  der  Überschrift:  nrsachen  nnd  anfai^ 
des  sweiten  pmischen  krieges;  XXII:  der  sweite  pnnisehe  krieg  Ins 
zur  Schlacht  bei  Oannft,  diese  wähl  musz  Jeder  gut  heissen,  denn 
diese  beiden  Li vianischen  btteher  haben  auf  unseren  gymnasien  kano- 
nische geltnng  bekommen,  der  lectttre  zu  gründe  legen  wird  man 
jetrt  am  besten  die  ausgaben  von  E.  Tücking  (Paderborn,  Ferd* 
Seb(Sningh),  die  allein  den  standpunct  des  sohtQers  gehörig  wahroi. 
von  Ciceros  Schriften  sind  bearbeitet  die  in  jeder  seennda  gelesenen 
reden  pro  Archia  *der  prozesz  des  Archias*,  pro  Deiotaro,  pro  Liga- 
rio,  pro  Sezto  Boscio  iänerino,  de  imperio  Cn.  Pompei  und  die  Catili- 
nariae,  'der  prozesz  des  Deiotarus,  des  Ligarius,  des  Sextus  Boseins, 
der  Oberbefehl  des  Cnejus  Pompejus,  Cic^os  Verdienste  um  den 
römischen  staaV.  bedenken  habe  ich  nur  über  die  voi*aussetzung 
der  lectüre  sämmtlicher  CatUinarischen  reden,  deren  bearbeitung 
22  selten  einnimmt,  ich  musz  aus  eigner  erfahrnng  bekennen,  dasz 
mich  die  lectüre  sämmtlicher  vier  reden  ausserordentlich  ermüdet 
hat,  es  wird  den  schülem  nicht  anders  ergehen,  das  rhetorische 
pathos  kann  unmöglich  für  den  dürftigen  iiüialt  entsch&digen.  ab- 


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F.  Klaacke*  übangtbOober, 


343 


gesehen  davon  habe  ich  gegen  die  lectüre  der  zweiten  rede  auch  sitt- 
liche bedenken,  wie  widerlich  ist  zb.  die  Schilderung  der  genossen 
des  Catilina,  qui  accubantes  in  conviviis,  complexi  mulieres  impudi- 
cas,  vino  languidi,  conferti  cibo,  sertis  redimiti,  unj^uentis  obliti, 
debilitati  stupris,  eructant  sermonibus  suis  caedein  bonorum 
atque  urbis  incendia  und  vieles  andere,  auch  die  vierte  rede  kann 
den  ein  druck  nach  der  am  meisten  fesselnden  dritten  nur  abschwächen, 
wir  werden  an  der  lectüre  der  ersten  und  dritten  jedenfalla  genug 
haben,  auch  der  Lälius  ist,  und  zwar  recht  ausftihrlich ,  bearbeitet 
worden.  Meusel  sagte:  mancher  würde  vielleicht  statt  des  Lälius 
lieber  den  Cato  maior  haben,  gegen  beide  aber  haben  sich  schon 
wiederholt  gewichtige  stimmen  ausgesprochen,  und  ich  musz  diese 
bedenken  teilen,  ich  halte  die  lectüre  des  Cato  und  des  Lälius  in 
untersecunda,  wo  sie  jetzt  gewöhnlich  gelesen  werden,  für  einen 
verfrühten  genusz.    sie  gehören  zu  den  philosophischen  schriften, 
und  diese  haben  ihre  Stellung  einzig  und  allein  in  der  prima,  in 
untersecunda  kann  von  einem  tieferem  Verständnis  dieser  muster 
filr  die  form  des  lateinischen  aufsatzes  in  der  ersten  classe  gar  keine 
rede  sein';  wo  man  sie  nur  zu  Übersetzungsübungen  benutzt,  da  mag 
man  diese  perlen  ebenso  abnutzen,  wie  irgend  eine  andere  beliebige 
Schrift  eines  alten  autors.  in  secunda  ist  und  bleibt  der  hauptschrift- 
steller  Livius,  von  dem  doch  jeder  schüler  mindestens  vier  bücher  ge- 
lesen haben  musz,  zugleich  muster  für  den  historischen  stil,  die  eigen- 
heiten,  versteht  sich,  abgezogen,  wenn  aber  noch  Ciceronische  reden 
nebenher  gehen,  so  kann  man  bei  einer  gründlichen  behandiung 
nicht  mehr  als  zwei  bücher  von  dem  umfange  des  21.  und  22.  be- 
liandeln.  ich  habe  es  daher  sehr  vermiszt,  dasz  Klaucke  in  seinen 
«ofgaben  für  secunda  nur  2  bücher  denselben  zu  gründe  gelegt  hat. 
in  einem  Übungsbuche  für  secunda  hätte  ich  gerne  den  Lälius  ver- 
mint, die  zweite  aufläge  freilich  führt  einen  ganz  anderen  titel: 
ftr  obere  classen,  als  stoff  für  die  exercitien  der  primaner  hftt  mir 
der  abschnitt  Won  der  freundschaft'  s.  203—224  treffliche  dienste 
geleietetw  die  «rate  aufläge  enthielt  und  es  enthllt  die  iweite  nooh 
die  TemhwOmng  des  cSttilina  nach  SaUnsfc  und  die  iixsaoheai  des 
Krieges  der  rOmer  mit  Jugurtha  nach  Ball.  Jng.  1—34.  diese  wähl 
bim  ich  in  einem  buche,  welches  schritt  für  schritt  der  stuiarischen 
ckssenlectflre  folgen  soll ,  keine  glOckHche  nennen,  wenn  die  eohrilt- 
liehen  flbnngen  mit  der  ketfiie  band  in  band  gehen  sollen,  so  ist 
milglicliste  einbeit  der  Vorbilder  m  fordern,  ich  halte  es  iHr  ver- 
hshrt,  in  gleicher  aasdebttung  nach  einander  oder  wol  gar  neben 
«hiander  eine  rede  Cioeroe,  eine  sdixifk  von  Sallnst,  ein  bnch  Ton 
lAvins,  eine  philosophische  schrifk  Ciceros  lesen  tu  lassen,  dabei 
ban  weder  die  geistige  dnrehbüdnng,  noch  der  lateinisehe  stü  ge- 


*  der  locus  über  die  voluptas  insbesondere  c.  12  ff.  spricht  zu  dem 
primaner  mit  so  eherner  stimme,  daaz  ^eiue  worte  nie  ganz  verhallen 
idSDaen. 


244  P.  Klaackes  übangsbücher. 

Winnen;  der  schüler  musz  verwirrt  und  zerstreut  werden,  meiner 
ansieht  nach  darf  man  die  Sallustlectüre  höchstens  privatim  oder 
cursorisch  treiben  lassen  ;  in  diesem  falle  aber  findet  deraltertümelnde 
historiker  in  einem  Übungsbuche  für  secunda  keine  stelle,  die  letz- 
ten 17  Seiten  des  alten  buches  füllen  anmerkungen,  zum  grSsfz- 
ten  teile  Unterscheidungen  lateinischer  synonymen;  unter  dem 
texte  befinden  sich  kurze  anmerkungen ,  die  entweder  auf  die  im  an- 
hange ausgeführten  bemerkungen  hinweisen,  oder  das  vocabel-  und 
phraseologische  material  an  die  band  geben,  so  weit  es  aus  der 
lectüre  nicht  geschöpft  werden  konnte,  die  stücke  selbst  sind  so 
gearbeitet,  dasz  diejenigen  regeln  der  lateinischen  syntax,  deren 
Überwindung  und  beherrschung  nur  durch  fortgesetzte  mündliche 
und  schriftliche  Übungen  erreicht  werden  kann,  durch  fortwährende 
anwendung  in  den  Vordergrund  gestellt  werden,  ohne  dabei  das  ein- 
schlagende stilistische,  phraseologische  und  synonymische  material 
zu  vernachlässigen;  in  letzterer  beziehung  ist  das  buch  von  Menzel 
Vorbild  gewesen,  dabei  ist  in  jedem  abschnitt  eine  classe  von  regeln 
vorzugsweise  vertreten,  einen  ganz  besonderen  nachdruck  legt  der 
Verfasser  mit  recht  auf  die  einübung  der  fragebätze,  den  gebrauch 
der  fut.  conj.,  der  hypothetischen  sätze  in  allen  formen  ihrer  erschei- 
nung,  der  formen  der  directen  und  indirecten  rede,  den  gebrauch 
des  abhängigen  und  unabhängigen  conjuQctivs,  des  infinitivs ,  des 
gerundiums.  der  schüler  hat  mit  diesen  ausdrucksformen  fortwährend 
zu  ringen,  bis  er  sie  beherrschen  lernt,  gewandt,  mühelos  sie  ge- 
braucht mit  gestählter  kraft,  immer  wieder  tritt  an  ihn  die  not- 
wendigkeit  beran,  zu  nnterscheiden  zwischen  nancisci,  adipisci,  con- 
sequi,  assequi,  impetrare^  zwischen  potestas,  potentia,  opes,  zwischen 
praecipue,  inprimis,  maxima,  potissimnm,  cum  —  tiun,  nominatiiiL 
denn  gutta  eavat  lapidem  saepe  eadendo,  das  ist  der  riditige  päda- 
gogische grondsata,  der  den  Torteser  leitete,  wir  haben  ein  syste- 
matiseh  angelegtes  werk  der  pSdagogik  Tor  nna,  das  die  nnsystema- 
tlscben  SeTflertschen  fibungsbUeher  in  ^eser  riohtnng  tief  in  den 
schatten  steUt.  man  yeigleiehe  nur  emmal  das  tiel  gebranchte 
ftbnngsbneh  Air  seennda  dieses  renommierten  latinisten«  die  meistaL 
stttoke  sind  wörtliche  ttbersetxmigen  von  abschnitten  ans  den  orar 
tiones  latinae  virorum  recentioris  aetatis  diserttssimornm  GraevH. 
Wyttenbacfaii.  Mnreti.  Hemsteihnsii.  Facciolati  Emesti  usw.  ed. 
Antomos  Baumstark.  Fribnigi  1825|  wo  bald  eriBhlt  wird,  wie 
man  sieh  gegen  Terlenmdungen  nnd  schmShnngen  su  verhalten  habe, 
bald  ttber  das  hazardspiel,  Uber  Gnstev  Adolph  von  Sdiweden,  ttber 
Saladin  gesprochen  wird.  natOrlidi  sind  in  sdchen  Stoffen  &st  alle 
Wendungen  der  lateinlsehen  dietkm  don  schlller  unbekannt»  er  wiid 
also  in  zahllosen  anmerkungen  unter  dem  texte  mit  dnem  solch«» 
Schwall  von  neuen  ausdrucken  und  constructionen  flbogossen,  dass 
er  sich  kaum  dorchfinden  kanUf  geschweige  dass  er  sich  dieses  zer- 
streute material  de  omnibus  Latkiae  lingnae  rebus  et  quibusdam  alüs 
2um  dauernden  besitie  machen  kOnnte«  ein  solches  systemloses,  im- 


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P.  Klaucke«  Übungsbücher. 


245 


pädagogisches  buch,  das  mit  den  anderen  unterricht^zweigen  in  gar 
keinem  zusammenhange  steht,  wurde  aber,  und  wird  auch  noch  jetzt, 
als  das  non  plus  ultra  von  feinheit  und  brauchbarkeit  gelobt  und  ge- 
braucht, glücklicher  weise  mehren  sich  die  anzeichen,  dasz  die  zeiten 
der  herrschaft  des  Seyffert^chen  formalismus  ihrem  ende  entgegen 
gehen,  die  Sejffertschen  bOcher  kennzeichnen  den  standpunct  der 
herrschaft  des  latinismus  um  seiner  selbst  willen,  wir  treiben  aber 
jetzt  nur  noch  latein  um  der  ihm  innewohnenden  stählenden  kraft 
und  des  immerhin  bedeutenden  bildungswertes  seiner  literatur  willen, 
ich  habe  es  für  nötig  gehalten,  die  Stellung  zu  charakterisieren,  die 
Klaucke  als  Vertreter  der  neuen  richtung  einem  hauptvertreter  der 
alten  richtung  gegenüber  einnimmt. 

Die  grammatik,  deren  benutzung  neben  seinem  übungsbuche 
Klaucke  allein  voraussetzte,  ist  die  Ellendt- Seyffertsche,  die  jetzt 
entschieden  am  meisten  verbreitete,  es  wird  jetzt  schon  jeder  ande- 
ren grammatik  schwer,  sich  noch  ein  bescheidenes  plätzchen  zu  er- 
obern, und  diesen  groszen  Wirkungskreis  verdankt  sie  zumeist  dem 
umstände,  dasz  sie  mit  dem  in  ihr  zur  behandlung  gekommenen 
material  dem  bedfirfnis  der  schale  am  meisten  entgegen  kommt, 
dam  ^unsere  dickleibigen  grammatiken  [vor  allem  Zampt  und  F. 
Schultz] ,  die  aUen  alles  sein  wollen  und  darum  eben  keine  schul- 
grammatiken  sind,  berllQlDBiöhtigen  twar  andi  die  eüberae  latinitSt 
in  ibxen  anmerlnmgen  und  Uem  gedraekton  paragraphen,  haben 
aber  eben  dadurch  dem  lehrer  den  praktiadien  gebraudi  derselben 
ftbr  die  schule  unendlich  erschwert  und  sich  selbst  durch  die  vor- 
nuflchung  der  grammatischen  und  rhetorischen  elemente  der  syntaz 
den  weg  zu  einer  einfiushen  und  übersichtlichen  construciion  des 
Systems  erschwert,  der  sdiule  thut  eine  grammatik  not,  welche  nur 
die  allgemeinen  und  traditionellen  typen  der  classischen  prosa  CSsars 
undCioeros,  und  nichts  weiter,  zur  anschanung  bringt'  goldene 
Worte  Morits  Seyiferts  aus  dem  jähre  1846.  nach  diesen  gesidits- 
puneten  ist  die  EUendtsche  grammatik  bearbeitet,  in  wie  unvoU- 
kommener  weise,  das  hat  erst  in  unseren  tagen  sur  Uarheit  gebracht 
Bndolf  Marg  in  seinen  bemerkungen  zur  lateinischen  schulgram- 
matik.  beilage  zum  Jahresbericht  des  königlichen  gymnasiums  zu 
Meaeriis  1878,  deren  anfinerksame  berttoksichtignng  in  rerbindung 
xnit  dem  umstand,  dasz  zur  herausgäbe  und  bearbeitung  der  neuen 
ausgäbe  ein  tttchtiger  kenner  des  Ciceronischen  spradigebraucbs, 
prof.  H.  Busch,  gewonnen  ist,  dem  buche  von  unendlichem  nutzen 
sein  wird,  wenn  trotz  dieser  neuen  aussiebten  der  herr  Tcrfasser 
der  'bemerkungen'  die  frage,  ob  die  EUendt-Sejffertsdie  grammatik 
ansaicht  habe,  die  einheitsgrammatik  fttr  die  deutschen  gymnasien 
m  werden,  verneint,  weil  sie  sonst  ein  ganz  neues  buch  durch  Snde- 
ningen  in  der  anordnung  und  darsteUiing  des  lehrstoffes  werden 
mflsatCi  so  musz  doch  hervorgehoben  werdeui  dasz  die  neue  ausgäbe 
eine  grosse  anzabl  der  ausstellungen  des  verfaszers  der  bemerkungen 
schon  vor  dem  erscheinen  derselben  hinweggerttumt  hat,  dasz  der 


246 


P.  Klauckes  übuugbbücher. 


rest  sich  leicht  mit  näcLstem  hinwegräumen  läszt,  ihr  somit  nichts 
im  wege  steht,  * einheit><,'rammatik'  zu  werden,  wenn  schon  der 
deutsche  nicht  sehr  für  die  einheit  ist,  es  aber  doch  contra  naturam 
sui  generis  werden  soll. 

Es  konnte  daher  nur  gebilligt  werden,  dasz  Klancke  die  EUendt- 
Seyffertsche  grammatik  trotz  ihrer  formellen  mftngel;  um  ihrer 
materiellen  Vorzüge  willen ,  seinen  übungsstflcken  zu  gmnde  legte, 
leider  ist  er  TOn  diesem  richtigen  wege  wieder  in  die  irre  gegangen 
in  folge  von  concessionen  an  andere  granunatikeB  und  dnceh  das 
bestreben  veranlasst,  seinem  buch«  anch  dort  eingang  zu  verseh äffen, 
wo  andere  grammatiken  gebrancht  wmten.  aa  ist  in  anm«r- 
knngen  der  sweiten  ausgäbe  aneh  nc!ch  F*  Sehnita,  Meiring  und 
Zftmpt  citiert  worden«  mit  welchem  rechte  diese  bQcheri  deren  ge- 
brauch in  immer  kleinere  kreise  sich  yereng en  wird  ?  warum  denn 
nicht  die  weit  brauchbareren  grammatiken  tob  Berger,  Moississtzig- 
Gtllhausen,  Hadvig-Qenthe?  der  yer&sser  hätte  an  EUendt  -  M. 
Sejffert  -  A.  Seyffert  •  Busch  festhalten  soUsn  um  des  einheitUdien 
Charakters  seines  buches  willen,  und  an  dem  Wirkungskreise  jmer 
grammatik  I  der  von  tage  zu  tage  ein  ausgedehnterer  wird,  sii^  be- 
gnügen sollen,  auch  die  Übrigen  wandelungen,  die  der  titel  der 
zweiten  aufläge  erfahren  hat,  l^greife  ich  nidii  Ittr  *obere  dassen* 
ist  das  buch  doch  nicht  bestinunt,  sondern ,  da  der  verf.  nun  ein 
Übungsbuch  fllr  untersecnnda  herausgegeben  hat^  ftlr  obersecaada. 
hMistens  den  abschnitt  Aber  Liilius  wird  man  auch  in  prima,  falls 
man  dort  diese  schrift  lesen  wird,  gebrauchen  kOnnen.  es  ist  ferner 
kein  grund  einsusehen,  warum  die  bessic^nng  In  ggusnem  an- 
schlusz  an  die  lateinische  lectQre  weggeblieben  ist.  das  ist  ja  gerade 
das  characteristisciie  dieses  buches.'  was  den  inhalt  dieser  sweiten 
ausgäbe  anlangt ,  so  ist  derselbe  yermehrt  worden  durch  vier  Num- 
mern, sftmmtlich  im  anschlusz  an  die  Isctllreyon  Caes.  de  bell.  galL: 
nr.  12.  Unterwerfung  der  Senonen,  Menapier  und  Nervier  (VI  1 — 
10).  13.  die  Sitten  und  gebrauche  der  alten  Gallier  (VI  11—20). 

14.  die  Sitten  und  gebrauche  der  alten  Deutschen  (VI  21 — 23)« 

15.  Casars  räche  anAmbiorix  (VI  29 — 44).  was  sollen  in  einem 
buche  für  obere  classen  diese  abschnitte  aus  Cäsar?  wieder  eine 
misliche  concession!  Meusel  hatte  gewünscht,-  dasz  der  verf.  ein 
oder  einige  bücher  Cäsars,  in  ähnlicher  weise  bearbeitet,  der  neuen 
ausgäbe  hinzufügen  möchte,  weil  für  den  anfang  der  erste  Über- 
setzungsstoff zu  Liv.  XXI  nicht  ausreichen  dürfte,  wird  denn  aber 
jeder  lehrer  immer  gerade  mit  Liv.  XXI  anfangen?  und  ist  denn 
Caes.  de  bell.  gall.  statarische  lectttre  der  seeunda,  welche  von  den 
Übungsstücken  begleitet  werden  soll?  Elaucke  hat  nun  gar  durch 
die  bereitwillige  berücksichtigung  dieses  Meuselschen  yerlangens  die 


*  meine  ansstelloog  besieht  «ieh  anf  den  titel  des  umiehlafi.  erat 
nachträglich  ersah  ieb  die  Terschiedenhelt  des' nmscblagtttelt  ron  dem 
titel  des  titelblatts. 


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P«  Xlauckes  Übungsbücher^  247 

inconsequenz  begangen,  diese  Cäsarstticke,  die  nach  terlia  gehören, 
seinem  buche  für  obere  classen  einzuverleiben,  ich  erlaube  mir  also 
den  dringenden  Vorschlag  zu  machen ,  die  dritte  ausgäbe,  im  gegen- 
satze  zu  den  aufgaben  für  untersecunda,  direct  für  die  obersecunda 
zu  bestimmen,  im  übrigen  aber  zu  dem  alten  titel  'in  genauem  an- 
achlusz  an  die  grammatik  von  Ellendt-Seyfiert  und  die  lateinische 
lectüre  der  obersecunda*  zurückzukehren,  statt  des  Lälius,  Cäsar 
und  Sallust  aber  noch  Liv.  I.  II  und  ein  paar  Ciceronische  reden, 
falls  der  räum  es  gestattet,  zu  bearbeiten,  etwa  die  divinatio  in 
CScilinm,  die  zweite  philippische  und  die  Verrina  de  signis,  letztere 
vor  allem  für  diese  stufe  geeignet,  das  sind  freilich  groszo  Umgestal- 
tungen, deren  berecbtigung  und  möglichkeit  der  verf.  reiflich  über- 
legen mag.  mir  erscheinen  dieselben ,  um  den  character  des  buches 
zu  wahren ,  unumgänglich  notwendig,  augenblicklich  ist  die  färbe 
und  haltuug  desselben  eine  unentschiedene  und  schwankende  ge- 
worden. 

Weitere  veittndenuigen  der  zweiten  aufläge  beziehen  sich  auf  die 
TermehroDg  des  anhanges,  'damit  der  schüIer  dadurch  in  den  stand 
gesetzt  wird,  ttber  alle  unter  dem  texte  stehenden  bemerkungen  und 
fngm  wfyoTaiUm  sa  erhalten',  com  teil  anf  grund  der  neuen  Stilistik 
TonHaacke.  Berlin  1876,  in  der  ich  rameiat  eine  etellanaagabe 
der  beispiele  Tenniaee*  hinter  dem  anhang  befindet  Mn  in  der  neaen 
ausgäbe  ein  yerzeichnis  der  stücke,  wele^  ein  bestimmtes  gramma- 
tisches pensam  enthalten,  so  dasz  bei  einem  sich  euistellenden  not- 
stande  sofört  auf  die  beseitigung  desselben  hingearbeitet  werden 
kenn,  die  vermehrang  des  anhanges  ist  eine  reieUiehe  geworden, 
ick  glaube,  dass  der  verl  mit  anhtaf ung  neoen  stoffios  nicht  fortia- 
fahren  brandht,  yielmehr  sein  augenmerk  auf  eine  Sichtung  und  aus- 
merzung des  Torhand«ien  wird  richten  mflssen*  und  er  wird  wohl 
thon,  wenn  er  dabei  nicht  den  traditionellen  regeln,  namentlich 
einer  spinOsen  synonymenrieeherei,  ohne  eigene  prfifüng  der  be- 
reefatigang  derselben  folgt,  sondern  seine  regeln  aufbaut  auf  grund 
eigener  beobaebtungen  des  Sprachgebrauchs  der  dassiker.  ich  hebe 
das  erste  beste  beispiel  heraus.  Klaneke  adoptiert  und  lehrt  einen 
ontersehied  zwiachen  idoneus  ond  aptuS|  idon.  *der  durah  seine 
ejgenschaften  und  aator  (hfttte  wol  hassen  mflssen  *seine  natur') 
tttnglich  ist,  wosu  benutzt  zu  werden,  den  man  zu  seinem  zwecke 
biaochen  kann;  aptus,  der  passend  ist  ^was  zu  tbun'  (er  ist  passend 
ni  arbeiten  y  dOrfte  doch  sdiwerlich  gesagt  werden),  dieser  unter- 
schied ist  in  sich  haltlos  und  unlogisch;  denn  ein  mensch,  der  zu 
«hier  arbeit  tauglich  ist,  ist  eben  tauglich,  zu  dieser  arbeit  benutzt 
m  werden ,  und  so  sagt  denn  auch  Cicero  Lael.  1, 4  Gatonem  induzi 
senem  disputantem,  quia  nuUa  videbatur  aptior  persona,  quae  de 
iUa  aetate  loqueretur  und  gleich  darauf  in  ganz  demselben  sinne 
idonea  mihi  Laelii  persona  visa  est ,  quae  de  amicitia  dissereret. 
ieh  meine,  diese  stellen  sind  schlagend,  wir  bedürfen  eben  einer 
ssynon^nik,  welche  auf  einer  neuen  selbständigen  durchforschung 


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248 


P.  Klauckes  Übungsbücher. 


des  Ciceronischen  Sprachgebrauchs  basiert;  wir  werden  dabei  viel 
bailast  los  werden,  so  rausz  ich  auch  bestreiten,  dasz  der  unter- 
schied zwischen  'metuere  aus  vorsieht,  besorgnis,  timere  aus  feig- 
heit,  schwäche,  vereri  aus  scheu,  achtung*  zutreffend  ist,  meine 
beobachtungen  sprechen  durchaus  dagegen,  zu  hosticus,  s,  256,  ist 
hinzuzufügen :  dichterisch ,  mit  rticksicht  z.  b.  auf  Hör.  c.  III  2,  7 
ex  moenibus  hosticis.  zur  erläuterung  dürften  kurze  beispiele  durch- 
aus nötig  sein,  zur  erkennung  des  Unterschiedes  von  disserere  und 
disputare^  der  indes  nicht  überall  zu  statuieren  ist,  ist  ein  locus 
classicus  de  erat.  II  3,  13  dixit  permulta  de  eloquentia  eum  cum 
Antonio  disseruisse  et  tanquam  in  schola  ad  Graecorum  consuetudi- 
nem  disputasse.  —  bei  is  qui  derselbe,  welcher  wird  moniert :  'kein 
komma!'  das  mag  Klaucke  mit  dem  herausgeber  und  erklärer  des 
Cato  maior  Julius  Sommerbrodt  ausmachen,  welcher  noch  in 
der  siebenten  aufl.^  c.  IV,  10  schreibt:  ego  Quintum  maximum, 
eum,  qui  Tarentum  recepit.  Nauck  und  Lahmeyer  haben  das 
geforderte,  nachdem  der  unterschied  zwischen  Africus  und  Africanns 
angegeben  ist,  heiszt  es  'ebenso  Galliens,  Gallicanus;  Hispanicus, 
Hispaniensis ;  Siculus,  Siciliensis;  Trojanus'  (das  j  dürfte  nun  end- 
lich zu  beseitigen  sein)  mit  beziehung  zuvörderst  auf  Seyffert  §  127 
II.  b.  3.  4.  das  'ebenso'  musz  durchaus  beanstandet  werden,  denn 
der  gebrauch  ist  gerade  in  diesem  puncte  ein  sehr  willkürlicher,  was 
bei  Seyffert  steht,  ist  ganz  ungenügend,  wie  z.  b.  der  blosze  hin- 
weis  auf  Scipio  Africanus  und  Scipio  Asiaticus  lehrt,  der  krieg 
CSsan  und  der  Römer  mit  den  Galliern  heiszt  bellum  Gallicum,  mit 
den  Spaiiieni  aber  bellum  Hispaniense.  der  krieg  der  Griechen  vor 
Troia  heisst  bald  bellum  Troicum ,  bald  bellum  Troiannm.  jeder 
emselne  fall  ist  besonders  za  ontersuchen.  die  Schreibung  inchoare, 
s.  252,  entspricht  nicht  den  revidierte  Forderungen  der  lateinisdieii 
Orthographie,  s.  2$8  steht  in  beiden  an^gaben  blandire.  a.  268  d«r 
zweiten  ausgebe  ezperire.  die  zegel  flW  'wShle^'  ist  za  erwd- 
tem  durch  die  termini  tedmid  fttr  die  wähl  des  interrex,  der  flami- 
nes,  des  dictator,  magister  eqnitum,  der  virgines  Yestales,  der 
sacerdotes  usw.  —  dasz  causa  nur  die  absieht  bezeichnet,  ist  un- 
richtig. •  beweis:  Gic.  de  orat  m  58  cum  tempestatis  causa 
opere  prohibentur,  in  folge  des  wetters.  155  rtacbi  translatio  insfci- 
tuta  est  inopiae  causa,  der  mangel  ist  die  Teranlassung. 
unter  Versammlung'  s.  268  fehlt  die  Unterscheidung  von  ooetnsund 
consilium.  manus  sibi  inferre  ist  Tiel  gebrBuchlicher  als  afferrein 
der  bed.  band  an  sich  legen«  silentio  braucht  keineswegs  immer  mit 
praeterire  verbunden  zu  werden,  s.  267  *pater  darf  nie  im  bOd- 
lichen  sinne  gebraucht  werden';  nidit  zutrefifond,  vgL  Gic.  de  or. 
II  3,  10  Isocrates,  pater  eloquentiae.  im  gegenteil  Sorof  maolrt 
zu  I  3, 9  darauf  aufmerksam,  dasz  Cicero  in  den  bflcheni  de  oratore 


<  diese  aufl.  ist,  beiläufig  gesagt,  durah  viele  unangenehme  dnick- 
fehler  entatellt.  . 


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P.  Qaaok«!  flbimgsbildier. 


laeert  den  iropus  pamu  famoht  bat,  wie  das  hinzugefügte  quad 
bewMse.  aaaiinm  Undetamm  artiom  procreatrieqn  qnandam  et  qiiaei 
paientem,  denn  ne  panlo  dnrior  tranalatio  eise  Tideainr,  moUienda 
«t  praepotito  saq»e  Terbo  (de  or.  HI  165).  —  cor  erlttaterung  des 
iintenGliiedes  swischen  dno  ambo  nterqne  ist  das  charakteristische 
beispiel  hinsnznseiien  ans  Menges  rep.  dno  senatores  mihi  obyiam 
pmi  &eti^  ambos  salntavi,  nterqne  resalntavit  —  die  ilbersetiinigs- 
arten  iDr  unser  s.  b.  sind  zn  TervoUstindigen  dordi  qnidem  und 
das  eiemplom  fictnm  mit  nt  si,  nicht  blos  wie  Menge  angibt,  deseen 
behauptungen  ml&bh  mit  grosser  vorsieht  anfronshmen  sind ,  ndt 
dem  eoai,  perf.,  sondern,  wie  Berger  richtig  bemerkti  mit  dem  coig« 
ftberhsnpt,  vgl.  z.  b.  CÜcero  Cato  6, 17  similssqne  sont»  nt  si  qni 
dieant  'sie  gleichen  s.  h.  denen,  die  da  behanpten  wUrden.'  — 
wenn  Eland»  mit  Menge  sagt:  nt,  Teint  — ■  als,  wie  s.  b.,  wenn 
ehuetaie  gegenstände,  nsmen  usw.  als  erfciftrcmg  oder  eilSnterong 
beigefligt  werden,  so  ist  diese  regel  viel  znenge  gefaszt  nnd  bezieht 
neh  mar  auf  sfttae  wie:  mnlii  gloriose  mortui  snnt,  nt  Leonidasi  nt 
Spuninondas,  alii,  aber  schon  nicht  mdir  anf  das  letzte  Mengesche 
beiipid:  mniti  gloriose  mortui  sost,  nt  (Tslnt)  fipaminondas  sine 
gemitu  com  sangiune  Titam  effluere  sensit.  Tgl.  dazu  de  or.  II  61, 
348  tantmn  interist,  qnod  gravüas  honestis  in  rebus  et  severis, 
locus  in  turpicnlis  et  quasi  deformibas  ponitar,  velut  iisdem  yerbis 
et  Isndare  frag!  servuin  possumus  (so  können  wir  z.  b.)  et,  si  est 
seqtuan,  iocari.  hier  wird  die  vorhergehende  behauptung  durch  an- 
f&hnmg  eines  beispiels  mit  velut  begründet,  diese  erlttaterung  gibt 
Elaacke  aber  gerade  für  den  gebrauch  von  nam,  enim.  wir  sehen 
wieder,  der  untenchied  ist  haltlos,  nicht  besser  steht  es  mit  der 
untencheidung  von  fateor  confiteor.  de  or.  II  87,  366  quare  con* 
Iteor  equidem  huius  boni  naturam  esse  principem.  wo  wird  hier 
*dne  schuld  oder  etwas  nachteiliges'  eingestanden?  confitoor  ist 
hier  nichts  anderes,  als  concedo.  —  dasz  man  nur  gratiam  refem 
pro  aUqna  re  sagen  dttrfe,  stimmt  wenigstens  nicht  zun.  Liviani« 
sehen  qpradigebranoh,  denn  XXII  32  heiszt  es  legatis  gratiae  actae 
pro  mnnificentia  curaque. —  'bewundem,  mirari  sich  wundem  oder 
▼erwnndem  über  etwas  seltsames,  ungewöhnliches ;  admirari  etwas 
groszarüges,  TOiireffliches  bewundem,  anstaunen.'  dasz  auch  admi- 
rari wie  mirari  gebraucht  wird,  beweist  Cic.  de  or.  II  3,  12  quod 
ubi  audivit,  commotus  Crassua  surrexit  omnesque  admirati  (sich 
verwundemd)  maiorem  aliquam  esse  causam  eorum  adventus  suspi- 
cati  sunt;  ebenso  III  102.  159  hoc  in  genere  persaepe  mihi  admi- 
randum  (=  mirum,  mirabile)  videtur,  und  II  69  hoc  loco  ne  qua 
Bit  admiratio.  —  die  anmerkimg  über  ^kleid*  ist  zu  verbessern 
nach  Wölfflin  zu  Liv.  XXI  4:  vestitus  tracht,  vestimentum  con- 
cret  nie  einzelner  anzug;  vestis  das  kleid  kqt*  ^Hox^v  auch  collectiv 
im  sing,  so  viel  als  garderobe.  die  anm.  über  'in  '  wird  der  general- 
regel  nicht  gerecht ,  dasz  in  libro  gesagt  wird ,  wenn  eine  stelle  des- 
selben, libro  wenn  das  ganze  buch  gemeint  ist.  nr.  2  in  steht,  'wenn 
H.  jahib.  t  pha  V.  pUL  n.  »m.  ists.  iin.6  a.  s.  17 


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250 


F.  KUnciket  übmgsbfidier. 


die  dem  sehrifteteller  eSgeatamliche  adiraibweise  beseielmefc  werden 
soll,  istVnir  nicht  reobt  -renttndlieh.  die  amn.  über  'glttck*  ist  to 
«nToUstlliidig.  —  gegen  'conüngit  Tom  gewtlnschien  ziuammflii- 
treffidn  glfleklicher  ereignisse,  es  gelingt'  spricht  z.  b.  Cic.  LaeL  2, 0 
nec  nllo  caen  erbitror  hoc  conetanti  homini  posee  contingere,  ut 
nlla  intermiesio  fiat  offieii  (es  kairn  ihm  nipht  passieren),  aach  der 
nntersehied  iwischen  *plurimi  die  grOsste  anzahl  yon  einem  ganzen; 
pleriqne  sehr  TielCi  ohne  rfieksicht  auf  em  ganzes*  llszt  sidi  nicht 
dnrchftthren.  das  beweist  schon  der  gebranch  des  gen.  plurimonuB, 
das  beweist  aneh  Cic.  de  or.  II  73,  296  com  Orassos  plnrimis  TSiliii 
("«  mit  sehr  Tiden  Worten)  eloqnentiam  landaret. 

Atqtie  haec  gnidem  haetenns.  was  sich  gegen  den  inhalt  der 
sjnisktisdien  regeln  bd  EUendt-Seyieii  an  der  band  der  dassiscben 
antoren  yorbringen  iSszt,  mag  ein  ander  mal  Torgetragen  werdes» 
zur  vereinfadumg  der  traditionellen  behanptongen  lieit  sidi  nodi 
sehr  yiel  thnn. 

Ich  komme  zu  dem  letzten  ponct  meiner  besprechnng  der  beidm 
ausgaben  der  'aufgaben',  last  not  least,  zum  capitel  Uber  die  dentwdie 
form  der  stücke.  C.  Lorenz  hat  in  der  bespreehong  der  zweiten 
aufläge  der  Menzelschen  ttbongsstacke  (z.  f.  g.  1878  s.  234  ff.)  Men- 
zel eine  Vorlesung  über  deutschen  stU  gehalten  und  hat  den  ausdnick 
des  buches  wie  einen  schüleraufsatz  durchcorrigiert«  es  ist  in  der 
tbat  wunderbar,  zum  teil  geradezu  haarsträubend  mit  welcher  gleich- 
giltigkeit  und  nachlftssigkeit  in  Schulbüchern  deutsch  gescl^iebeD 
wird,  der  lateinische  ansdmek  haftet  vielen  in  folge  der  oft  ans- 
schHessUchen  beschäftigung  mit  dieser  spräche  so  an,  dasz  man  glsor 
ben  mnss,  die  fUhigkeit  sich  in  ihrer  mnttersprache  rein ,  klar  und 
schon  anszudrttcken,  ist  den  Verfassern  mehr  und  mehr  verloren  ge- 
gangen, wenn  die  beschäftigung  mit  dem  lateinischen  sonnglflckliche 
folgen  hat,  dann  wäre  sie  ein  heilloses  nnglttck.  aber  es  wird  ja  im 
gegenteil  versichert,  dasz  die  erkenntnis  der  gesetze  des  uns  contrSr 
«ii^egengesetzten  idioms  fördernd  nnd  klärend  wirke  auf  den  be- 
WQSzten  gebrauch  der  eignen  spradie.  dann  mnss  aber  der  deutsche 
ansdruck  des  lateinischen  lehrers  und  der  seiner  schüler  ebenso  wie 
der  ansdruck  der  lehrbücher  streng  überwacht  werden,  kein  latinis- 
mns  darf  durchgelassen  werden,  der  wert  der  Übersetningstlbungen; 
mündlich  und  schriftlich ,  liegt  ja  gerade  in  dem  ringen  der  geister, 
das  antike  idiom  und  seine  gedanken  in  das  moderne  Idiom  in  schön- 
ster und  feinster  weise  umzukleiden  und  umzuformen,  die  Menzel- 
schen stücke  ebenso  wie  die  Klauckeschen  zeigen  uns  eine  er- 
schreckende rohheit,  ja  fehlerhaftigkeit  des  ausdrucks.  zum  beweise 
dafür  setze  ich  aus  den  ausgaben  der  Klauckeschen  aufgaben  von 
1875  und  1878  beliebige  ausschnitte  her:  s.  80  der  arzt  Phidippuß 
war  durch  belohnungen  bestochen  worden  (praemiis  corrumpere  ali- 
quem  heiszt  nichts  anders ,  als  jemanden  bestechen),  s.  82 :  er  kam 
zum  Pompejus,  um  mit  ihm  gegen  Caesar  zu  kämpfen,  das  thöricht- 
ste,  das  er  damals  hätte  thun  können,  diese  häszliche  Wendung  für: 


P.  Elaackes  fibong^bücher. 


251 


es  war  das  tbörichtste,  was  er  than  konnte ,  kehrt  häufig  wieder  um 
das  quo  nihil  stultius  facere  potuit  zu  erzielen,  es  ist  die  gcfahr  vor- 
handen, dasz  durch  das  fortwährende  einprägen  solcher  Wendungen, 
der  lateinische  stil  eine  gräulich  gezierte  fUrbung  bekommt.  Klaucke 
thut  in  diesem  puncte  wirklich  des  guten  etwas  zu  viel ,  namentlich 
häaft  er  abhängige  sätze  mit  non  dubito  quin  in  einer  weise,  dasz 
man  sagen  musz,  die  schüler  gewöhnen  sich  dadurch  an  ein  wahres 
barbarenlatein.  constructionen  wie  s.  82:  'die  Schlacht,  von  der  es 
allgemein  bekannt  ist,  wer  in  ihr  über  den  andern  den  sieg  davon 
getragen  hat'  entstellen  auch  die  neue  ausgäbe,  gibt  es  etwas  ge- 
schmackloseres als  folgenden  satz  in  beiden  ausgaben :  'sollte  aber 
jemand  fragen,  was  ihn  antrieb  dies  zu  thim,  so  ist  es  nicht  hinläng- 
lich klar,  weshalb  er  sich  dazu  bewogen  fühlte'  V  das  heiszt  deutsch ; 
die  veranlassung  oder  die  beweggründe  zu  dieser  that  ist  oder  sind 
nicht  aufgeklärt,  nur  in  dieser  fassung  kann  der  satz  gut  lateinisch 
werden  und  in  dieser  fassung  gibt  er  dem  schüler  gelegenheit  sein 
Verständnis  für  den  unterschied  des  deutschen  und  lateinischen  aus- 
drucks  zu  beweisen,  statt:  ob  er  eine  bcleidigung  rächen  wollte, 
musz  es  heiszen:  ob  er  sich  wegen  einer  beleidigung  rächen  wollte 
iniuriam  ulcisci,  die  Klauckesche  fassung  hat  ja  nichts  merkwürdiges 
an  sich,  eine  undeutsche  und  ebenso  unlateinische  Wendung  ist 
s.  83:  was  nun  aber  den  Charakter  des  Dejotarus  anbetrifft,  wie 
wenige  gab  es  damals  in  Rom,  die  nicht  gewuszt  hätten,  wie  beschaf- 
fen derselbe  war.  welcher  gebildete  mensch  spricht  so?  es  ist  ja 
gerade  die  aufgäbe  für  den  schüler  einen  ausdruck  wie  Mie  beschaffen- 
heit  seines  Charakters'  gut  lateinisch  wenden  zu  lernen,  wenn  Klaucke 
p.  VII  der  2n  ausgäbe  sagt,  dasz  solche  ungeschickten  sätze  'der 
Übung  wegen  vereinzelt  stehen  geblieben  sind',  so  musz  ich  zunächst 
das  'vereinzelt'  bestreiten,  diese  schwerfälligen,  undeutschen  sätze 
sind  zum  gröszten  teil  stehen  geblieben,  so  dasz  ich  wenigstens,  so 
trefFliche  seiten  das  buch  hat,  wie  ich  zur  genüge  auseinandergesetzt 
zu  haben  hoffe,  lediglich  aus  diesem  gründe  es  niemals  verantworten 
zu  können  erkläre,  ein  derartig  stilisiertes  buch  den  schülern  in  die 
bände  zu  geben,  für  meinen  gebrauch  musz  ich  die  sätze  jedesmal 
umformen,  also  der  Übung  wegen  sind  solche  sätze  stehn  geblieben? 
nein  der  Übung  wegen  müssen  sie  gerade  in  geschmackvolles  deutsch 
umgewandelt  werden,  seltsam  ist  es  aber  dasz  Klaucke  einzelne  sei- 
ner Schwerfälligkeiten  entschuldigen  will  durch  berufung  auf  ver- 
einzelte stilistische  Wendungen  derart  aus  unserer  litteratur.  wir 
sollen  doch  die  gebildete  Umgangssprache  unserer  zeit  in  ihrer 
oomctfn  regelinftssigkeit  uns  zum  muster  nehmen,  und  nicht  ver- 
einielte  saloppe  odiir  iSngst  antiquierte  xedewendungen  unserer 
sehrifksteller.  wenn  Klaucke  fBr  sich  stellen  aus  Goethe,  Schiller, 
Geibel,  Spielhagen,  Scbeffsl,  Ebers,  Hettner,  Jul.  Schmidt  citiert, 
so  beweist  das  eben  nur,  dasz  auch  dem  besten  Schriftsteller  nacb- 
Ifissigkeiten  in  die  feder  lanlen,  oder  dasz  man  frflber  einmal  viel- 
leicht so  und  so  bat  sagen  dürfen,  unser  spracbgeftlhl  strSabt 

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252 


^P.  KUackes  Übungsbücher« 


sich  aber  dagegen,  was  bei  jenen  mfinnern  vereinzelt  vorkommt, 
das  hat  Klaucke  aber  gebSuft  und  durch  diese  häufungen  wird 
sein  ausdruck  unerträglich,  wird  Kl.  wol  den  ausdruck  die  ewige 
da 88 elbigkeit  als  nachahmungswert  aufstellen,  blosz  weil  Schil- 
ler ihn  sich  gestattet  hat,  oder  sich  in  eine  stiefgewordene 
mutter  Goethes  verlieben?  —  wir  sehen  Klauckes  entschuldigun- 
gen  sind  principiell  haltlos,  was  sollen  wir  aber  zu  groben  fehlem 
sagen,  wie  diese  sind,  die  sämmtlich  in  der  2n  ausgäbe  stehenge- 
blieben sind : 

Was  den  übrigen  teil  der  anklage  anbetrifft,  so  war  es  ein 
doppelter  s.  85. 

Was  euch  anbetrifft,  die  dies  gethan  haben  würden  s.  59. 

Ich  und  andere  haben  eingesehen,  wie  thöricht  sie  gehandelt 
haben  s.  44. 

Für  was  für  ein  feldherr  Fabius  zu  halten  sei!  s.  44. 
Hier  angelangt,  wurde  ihm  gemeldet  s.  44. 
Anklagen  und  beschuldigen  wird  sehr  häuüg  verwechselt  z.  b. 
46. 

Für  'dem  staate  nicht  zum  schaden  gereichen'  sagt  man  doch 
jedenfalls  besser  'keinen  i;chaden  bringen'  s.  44. 

Das  gepäck  zusammenpacken  s.  43. 

Den  wir  hätten  loben  und  ihm  folgen  müssen  s.  43. 

Wenn  man  es  ihm  früher  Übertragen  hätte,  den  krieg  zu  füh- 
ren s.  42. 

Und  während  von  den  übrigen  dingen,  jeder  nnr  einem  zwecke 
dienlich  ist!  s.  206. 

Nachdem  anoh  nicht  der  geringste  umstand  übergangen  war, 
der  sieli  auf  die  angelegenheiten  bezogen  hätte  (statt  'bez^). 

Man  mnsz  daran,  zweifeln,  ob  jemals  einer  das  mit  xeeU 
freundMliaft  genannt  hat,  wovon  ich  nidit  weiss,  man  ihm 
(dem  *dasM)  nicht  richtiger  den  namen  'gesdü^tererhindiuig'  bei- 
legt B.  212, 

Er  sprach  vor  ihnen  nnier  yielen  anderen  (es  wird  eui' 
tum  verlangt)  auch  fölgendes  s.  118.  so  fi»t  regelmftssig. 

Wenn  so  etwas  in  einer  revidierten  ansgabe  stehen  bleiben  fcaniii 
8|E>  wissen  wir  in  der  that  nicht,  was  wir  von  dem  vwf.  denken  sol- 
len, ist  es  naohlBsBigkeit  oder  mangel  an  Sprachgefühl?  ' 

Oft  gibt  Elaneke  durch  seine  nndeutschen  Wendungen  das  sof- 
gelöst,  was  der  schfller  gerade  selbst  sn  finden  hat.  so  wenn  er  etgt 
(s.  212)  das  schönste  und  engste  band  ftr  das  schönste,  engste  band, 
beispiels  wegen  führe  ich  den  Horas  an  für  s.  b.  Horas  I  s.  216:  ist 
um  so  schwieriger,  als  niemals  einer  einen  durchsehanen  kann 
(erinnerten  das  bekannte  Venn  einer  wttsst  wie  einem  istl*)  flr 
einer  den  andern,  s.  215  man  duf  das  wohlwollen  seiner  mitbttigsr 
nicht  vernachlässigen  für  ignorieren,  der  vers  iUe,  novmn  vs- 
teri  temere  qui  mutat  amicum  s.  217,  den  Klaucke  von  Seyfet  ent- 
lehnt hat,  enthält  nach  der  S^yfortschen  grammatik  zwei  fehler, 


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P.  £laacke8  übungsbueher. 


nemlicb  veteri  für  yetere  und  die  messung  texnere,  während  er  selbst 
s.  307  seiner  grammatik  tem^re  aufführt. 

Dasz  die  recognition  der  zweiten  ausgäbe  keine  recht  sorgf&ltige 
gewesen  ist,  geht  auch  daraus  hervor,  dasz  einige  namensverwechs- 
lungen  und  falsche  namensformen  stehen  geblieben  sind.  s.  88  musz 
es  statt  Castor  Cäsar,  s.  41  statt  P.  Terentius  C,  s.  204  statt  Lälius 
Scävola,  s.  57  Canusium  für  Canusia  heiszen  u.  dergl.  m.  ich  kann 
mich  bei  diesen  bUchem  nicht  länger  aufhalten,  weitere  mitteüangen 
stoben  dem  herm  verf.  auf  wünsch  brieflich  zur  Verfügung. 

Bei  dem  bericht  über  das  Obungsbuch  für  untersecunda  werden 
wir  kurz  sein  können,  der  inhalt  dieses  167  Seiten  starken  buches 
ist  ganz  in  derselben  weise  ausgearbeitet,  wie  in  dem  buche  für  obere 
classen;  er  schlieszt  sich  eng  an  die  gewählten  autoren  an.  an  Caes. 

V  1  — 23  Cäsars  zweiter  krieg  mit  Britannien  s.  1  — 11.   an  Caes. 

V  24 — 37  die  niederlage  der  Römer  bei  Aduatuka  s.  12  — 19.  an 
Caes.  V  38 — 52  die  bestürraung  der  Winterquartiere  des  Quintus, 
Cicero  s.  20 — 24.  an  V  53 — 58  der  aufstand  der  Trevirer  s.  24  — 
27.  an  Liv.  VIII  1 — 6  die  Ursachen  des  Lalinerkrieges  s.  27 — 37. 
an  VIII  7  Titus  Manlius  Torquatus  s.  38—40.  an  9  — 11  der  Latiner- 
krieg  s.  40 — 43.  c.  22.  23  ist  verarbeitet  zu  dem  abschnitt  Ursachen 
des  zweiten  Samniterkrieges  s.  43 — 46.  c.  24  zu  tod  des  königs  Ale- 
xander von  Epirus  s.  47 — 49.  c.  25.  26  zu  eroberung  Neapels  s.  50 
~52.  der  abschnitt  des  zweiten  Samniterkriegs  folgt  Liv.  Vm  27 
— 40  8. 52 — 71.  die  ersten  19  capita  des  IX  buches  gaben  den  stoif 
zu  den  abschnitten  die  niederlage  der  Börner  bei  Cail^miit  d«r  Bö- 
rner raohe  an  den  Samnitem  und  Boms  und  MaoedonieiiB  mnohi  sur 
zeit  Alexanders  des  grossen.  0.  101 — 140  kbnen  sioli  m  Gioeros 
Cato  wßmm  an;  dm  Mt  im  bndm  Mkm  anmerkungen,  die  diMmal 
sKiwntlich  in  den  aabaag  vai'wieteii  sind,  unter  dem  texte  sind  kein» 
notan.  som  •ohlnsa  ist  ebanftUs  «in  Taneidknia  der  sMakt  beigefügt, 
wekfae  aiB  beetimmtae  pensum  der  grammatik  behandeln,  die  c*> 
|nta  seleeta  der  latoiniMhen  grammatik,  stüistik  und  Synonymik  sind 
la  danalben  weise  in  dan  einaehian  atHoken  ▼artroten»  wie  in  dem 
ersten  buehey  nur  dasa  dia  arklirenden  onmarkungan  in  aualttkr- 
Uclwrer  weise  dem  noch  sobwtteheren  sohAkr  xn  bilfa  kommen, 
schwierigere  partiaen,  wie  die  bebandlnng  der  irrealen  bedingungs- 
sfttae  sind  aas  den  absehniiten  nach  OSsar  fem  gehalten,  damit  sie 
aaeh  sehen  ia  obertortia  rerweadet  werden  kOnnea.  dieser  nmstaad 
se^^  nas  sohoa  die  sehwaakende  haltaag  dieses  aof  dem  titel  ans- 
drOckEeh  der  untevseonnda  augewiesenea  buches.  dieselbe  sohwan- 
keade  haltaag  zeigt  sich  femer  darin,  dasz  der  verl  die  stfteke  an 
bestinunto  tdle  der  schuUectllre  aaschlieszt,  deaaoofa  9.  IV  erklirt, 
er  hatte  dieses  buch  eiamal  (?)  so  eiageriohtet,  dasz  es  nch  aicht 
aa  die  elassealeetttre  aaschHeeze,  was  aar  so  zu  verstohea  ist,  dasz 
er  aidit  wül,  dasz  die  betreffenden  abschnitte  aus  den  dassScera  ia 
der  Bohole  gelesea  werdeai  deshslb  bat  er  die  aus  dem  texte  gezoge- 
aen  Toci^hi  und  redensarten  hiatea  ia  dea  aamerknagea  angegebea. 


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P.  Klaackes  übungabfioher. 


damit  schwindet  aber  ftlr  mich  die  bedeutung  des  buches,  denn 
lectüre  und  schriftliche  Übungen  müssen  band  in  band  geben ,  wie 
ich  oben  auseinandergesetzt  habe/  ich  kann  weder  anerkennen,  dasz 
die  stücke  des  ersten  buches  xa  sohwierig  sind ,  noch  dasz  der  stoff 
desselben  nieht  axuanküm,  für  eins  grtlndliolie  sehrifüiche  durch- 
arbeitnng  ist  der  lalialt  des  enten  bmelMS  mehr  als  ausreichend, 
wenn  ich  dieses  buch  dennoch  wiUkommen  heisio,  so  geschieht  dies 
ans  dem  gründe,  weil  es  mir  als  eigimung  des  erstell  dient;  die 
Liviusabsehnitte  ersetsen  mir  den  für  mich  nicht  ▼erwekdbaren  stoff 
aus  Sallnst»  murngsnabm  ist  es  mir,  dasz  der  Caio  ftr  die  anter- 
seeuida  verwandet  worden  ist,  der  Terf.  sagt,  um  die  focm  der  sh- 
handlnng  vonofttiiran.  das  halte  ich  f&r  die  nntersecmida  ÜDr  Ter» 
frllht.  erst  in  oberseconda  soll  mit  kleinen  historischen  refeFttoi 
und  mit  argnmenten  über  gelesene  stoffe  begonnen  werden,  lllr  die 
abhandlnng  ist  erst  in  prima  zeit  und  gelegenheii  jede  überstflbr- 
«zung  und  Verwirrung  ist  bei  diesen  ftbongCQ  verderblich,  dodi  w- 
dient  hervorgehoben  sn  werden,  dass  die  formeUen  mSngel ,  welche 
dem  ersten  buche  anch  noch  in  seiner  sweiten  ausgäbe  anhaften,  ia 
diesem  viel  seltener  geworden  sind,  ungeschickte  sfttse,  aus  dem 
nicht  sQ  billigenden  bestreben  hervorgegangen,  möglichst  viek  sjU' 
tektisehe  Schwierigkeiten  in  einen  sate  zosammensadiingen,  fiadei 
sich  allerdings  auch  hier  wieder  z.  b.  s.  101  daher  war  es  ihm  ui- 
zweifellmft,  dass  anch  Atticns  von  den  lasten  des  alten  befreit  soa 
wArde,  wenn  er  dieses  hoch  gelesen  haben  würde,  wenn  ihn 
selbst  idoht  schon  die  anibrtigong  desselben  alle  beschwerden  des 
alters  aufgehoben  hBtte^  von  seinen  liebgewonnenen  Verbindungen, 
wie  Won  dem  wir  wissen,  dasz  eP  ond  dem  ewigen  ^nicht  sweifehi, 
dasz  er*  kann  der  ver£  nickt  lassen,  leteteres  kommt  s.  b.  anf  s.  103 
sechs  mal  vor.  soldi  eine  stilprobe  mnss  ja  dem  schfller  anm  ekel 
werden,  ausserdem  enthfilt  diese  seite  fiut  nichts,  wie  fragesStee,  so 
dasz  das  ganie  ins  lateinische  übersetzt  einan  Hbmos  seltsaaiMieni- 
dmek  macht  was  soll  das  heissen;  ja  sogar  Hannibal  selbst  boQ 
ihm  das  lob  zuerteilt  haben,  dasz  er  von  ihm  gesagt  habe  s.  104,  wo 
sich  er  auf  das  subjeot  des  regierenden  satses  Hannibal  bezieht? 
stett  der  Übersetzung  von  interest  mit  ihm  war  gelegen,  empfiehlt  s»h 
die  Wendung  *es  lag  in  seinem  interesse'.  unstatthaft  ist  die  Wen- 
dung 8.  106  und  so  begierig  wsr  er  danach  sich  seiner  unterhaltaag 
zu  erfreuen,  als  ob  er.  sagt  man  *ich  ahme  dich  nach'  in  der  Ver- 
bindung darum  laszt  uns  jene  menschen  nicht  nachahmen?  s.  106. 
und  so  findet  sich  vieles,  woran  man  billig  anstoez  nimmt/  in  den 
anmerkungen  heiszt  es  s.  141  nr.  6:  was  —  anbetrifft  ist  nicht 


^  die  sehüler  befindoo  sich  ja  ausserdem  im  besitse  dieser  «atorea 
nnd  können  die  vucabeln  also  anf  compendiarischem  weg«  beziehen, 
ein  desiderat  des  ersten  buches  ist  eine  berUcksichtigang  der  lehre  von 
der  aatE-wortstellnng  und  der  lehre  Tom  periodenbau. 

*  ieh  kann  et  mir  nicht  venagen  noeh  eine  ttilprobe  mltsateileB: 
p.  108  fleht:  Cioero  lüsst  dieses  gesprfteh  vom  Calo  —  halten! 


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P.  Elauokes  übongsbacher. 


25^ 


durch  einen  satz  zu  geben,  sondern  gewöhnlich  dadurch,  dasz  das 
betonte  wort  an  den  anfang  gesetzt  wird,  dagegen  ist  zu  sagen, 
dasz  die  formel  quod  attinet  ad  durchaus  nicht  so  ohne  weiteres  zu 
verbannen  ist,  wie  Liv.  VIII  2  quod  ad  Sidicinos  attineat  beweist, 
femer  läszt  Klaucke  die  form  mit  quod  im  anschlusz  an  einen  gan- 
zen satz  unberücksichtigt:  quod  me  Agamemnonera  aemulari  putas, 
falleris.  was  das  anbetrifft,  dasz  du  meinst,  oder  besser:  was  deine 
meinung  anbetrifft,  s.  145  steht  manum  sibi  offerre!  s.  108  ist  für 
die  Übersetzung  von  'und  nicht  viel  mehr'  verwiesen  auf  »Seyffert 
§  343  anm.  4,  wo  es  heiszt:  'und  nicht  in  einem  bestimmt  und  scharf 
ausgesprochenen  gegensatze  heiszt  nicht  neque'.  dagegen  spricht  Cic. 
pro  Deiot.  10,  28  quod  si  saltatorem  avum  habuissea  neque  eum 
virum,  unde.  bei  gelegenheit  des  hinweises  s.  95,  18  auf  Seyffert 
281  a.  4  will  ich  bemerken,  dasz  nach  imperativsUtzen  für  si  in  dem 
nachsatze  nicht  nur  das  fut.,  sondern  auch  das  praes.  steht,  vgl.  Cic. 
pro  Ligar.  30  die,  te,  Caesar,  de  facto  iudicem  esse:  taceo.  zu  dem 
binweis  s.  56,  18  auf  Seyff.  §  308  a.  2  ist  nicht  au.szer  acht  zu  las- 
sen, dasz  die  regel  in  der  fassung  'nach  voraufgegangener  allgemei- 
ner frage  heiszt  an  so  viel  als  doch  wol?*  schief  ist.  denn  Cic.  Tusc. 
I  7,  13  hat  an  tu  egressus  etc.  nach  einer  'allgemeinen*  frage  den 
sinn  'doch  wol  nicht*,  der  Zusammenhang  musz  jedesmal  entschei- 
den, zum  schlusz  noch  die  bemerkung,  dasz  Seyffert  wie  so  vieles 
grundlos,  so  auch  die  behauptung  ohne  grund  aufgestellt  hat,  dasz 
.  (§  344,  2)  in  der  correctio  nicht  aut  potius  gesagt  werden  dürfe,  denn 
Cic.  sagt  in  demselben  briefe  an  Atticus  IV  1,  1  zweimal  primis  tem- 
poribus  erroris  nostri ,  aut  potius  furoris ,  particeps  fuisti  und  ad 
cumulandum  gaudium  conspectum  aut  potius  complexum  mihi  tuum 
defuisse.  vgl.  Cat.  35.  und  auch  an  die  regel  von  optimus  quisque 
hat  er  sich  nicht  gebunden,  denn  im  Lael.  heiszt  es  10,  34  in  opti- 
mis  quibusque. 

So  groszes  Interesse  ich  an  dem  erscheinen  der  Klauckeschen 
Übungsbücher  genommen  habe,  so  treffliche  dienste  sie  auch  in 
meiner  hand  meinen  schülein  geleistet  haben,  so  musz  idi  doch 
mein  nrteil  dahin  abgeben,  dasz  sie,  falls  sie  schttlem  mm  ttgllehen 
gebranche  fibergeben  werden  sollen,  einer  grOndliohen  dnrchsidit 
bmIi  ilunr  tmmtShm  Mite  nntenogen  werden,  dnai  aie  dem  sweoke 
einer  Terbindnng  von  leetttre  und  gramniati8di*stiK8ti8ohen  Übungen 
doxeh  eine  reinigung  des  materiek  mtSax  ctoiaibar  gemaohi  werden 
mllasen.  wenn  diee  geeohieht,  so  werden  sie  auf.  die  hebnng  and 
mrbeeaerung  des  lateiniaoheB  nntemektB  anf  gymnasien  Snnent 
finusht-  nnd  segensreidi  einwirken. 

ManBiTi.  Walthbr  OaBHanDi. 


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2Öß  Kritificbe  notisen  zu  den  bescblüseen 

(11.) 

S&ITI8GHS  NOTIZEN  ZU  DEN  BESCHLOSSEN  DER 
BERLINEB  OBTHOGBAPHISCHEN  CONFEBEI^Z. 

(•ehloM.) 


IV«  Grosse  anfangsbachstaben. 

Hier  mOdiieii  wir  nur  die  ihatsftehliche  bemerkung  maclien, 
dass  die  ansnahme  des  §  28  die  klein  geschriebenen  banpi- 
wdrter  so  sehr  yerdmikelt«  die  nrsprUnglicbkeit  und  lebendigkeit 
der  yorstelliiiig  so  sehr  beeintrSchtigt«  dass  es  fttr  die  schule  sdion 
&Bt  jetzt  nötig  ist,  z.  b.  sn  ^rings'  (im  Binge)  n.  dgL  erUftnuigai 
za  geben;  und  umgekehrt  sn  dem  grossgescmiebenen  eliristli(£BD 
*N8ehsten',  dass  es  ursprünglich  nur  den  nahen  nachbam  bezeidh 
nete.  —  Soll  dagegen  kölnisä  (§  29, 1)  Uein  geschrieboi  woden, 
so  mögen  es  auch  die  von  Ortsnamen  abgeleiteten  'wörter*  auf  -er 
(§  28,  7);  sie  sind  in  der  that  keine  snbstantiva  im  gen.  plnr.  mflhr; 
die  kölnische  Zeitung  ist  unserm  jetzt  lebendigen  dentschen  sprach- 
bewnstsein  dasselbe  wie  die  kölner  Zeitong;  mangelt  im  letztern 
falle  —  und  wie  wenige  werden  sich  dessen  bewust !  —  die  flezion, 
80  haben  wir  dagegen  Eölnerinnen  neben  den  Kölnern, 

Y.  Fremdwörter. 

üebor  diese  haben  wir  uns  am  Schlüsse  der  artikel  ^zur  conser- 
vativen  reform  unserer  nationalen  rechtschreibnng'  principiell  dahin 
ausgesproclieii,  dasz  ansh  Mer  wie  überall  Orthographie,  Ortho- 
epie nnd  lebendiges  spmehbewnatsein,  sinnliche  anschaulichkeit 
nnd  Unmittelbarkeit  der  Tolkaetjmologie  untrennbar  seien,  da 
nun  die  Fremdwörter  im  ganzen  nach  allen  richtungen  ein  Übel  und 
teils  ganz,  teils  minder  entbehrHdi  sind,  so  soUian  1)  alle  entbelir- 
UcUen  fremdwörlsr  als  sehidlicher,  mmrdanMclnr  ballasi  dozdi  Mit- 
sprechende deutsche  worte  ersetzt  werden;  z.  b.  mit  unMnn  raiolif- 
postmeister  und  generaktab:  recommandiert  durch  eingesohridben, 
poete  restaate  durdi  postlagernd,  Distanz  durch  Abstand,  Intervsll 
durch  Zwischenraum,  Lisiere  durch  Sanm,  Baad,  Posiiioin  ämk 
Stellung,  BaTin  dnrdi  Schlucht,  Hohlweg,  Oemieniiig  durch  Eiiir 
schliesEung.  2)  die  weniger  entbehrlidien  sollen  möglichst  genuaii* 
siert,  zum  mindesten  in  schrift  und  ausqnraehe  möglichst  dentsoh 
bebaaddt  wodsn:  Leutnant,  Kompanie,  Büro,  E(»tor;  und  3)  wo 
angftnglich,  auch  dem  stamme  und  dem  sinne  nach  dem  dentsebeB 
spracbgeiste  angenShert  werden,  sei  es  durch  aalehnungen  worte 
Shnlichen  klanges,  oder  sei  es  durch  rückübersetsung  und  sonstige 
Verdeutschung,  z.  b.  BiTouao  Beiwacht,  Tablette  Theebrett,  Album 
Allbuch,  im  Wörterverzeichnis  aber  sollten  alle  Fremdwörter,  wena 
unphonetisch  geschrieben,  mit  der  deutschen  ausspräche  versehea, 
wenn  nicht  allgemein  bekannt,  übersetzt,  wenn  nicht  entbehrheb, 


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der  Berliner  oithographisoben  oonferens.  267 

möglichst  naeh  gestalt  and  gebalt  Tordeutaelit,  oder,  weBO  eiiibelu> 
üeh,  eingeklammert  und  möglichst  verdrttngt  werden*  ^  Wie  die  * 
cnihograiihie  ee  nicht  Tennetden  kann,  die  reine,  richtige  deatsobe 
ausspreche  xn  empfahlen,  so  möge  sie  —  falls  den  firemdwöriem 
eiuMl  in  der  dent sehen  er£ographie  eingrosies,  schwieriges 
capitel  ToUer  regeln  und  ansnahmen  und  reidlch  die  httlfte  des 
deatschen  wSrterTeneiöhnisses  eingerSomt  werden  soll:  alsdann 
mOge  sie  es  nidit  versehmlhen,  die  remen  dentsehen  wttrter  m 
sDipfohlen,  vor  fremdwOrtenn  sn  wsrnen  wie  vor  orthographischen 
filänn  nnd  wie  Tor  proymrialismen  in  wortediats  nnd  grammatik, 
m  aoBspradie  nnd  ansdmekswelse«   demgemlSB  können  dani^die 
mdsteii  fremdwOrier  mit  der  beigefügten  anstpracfae  eingeklammert 
und  flbersetzt,  event  mit  Terdentschter  Schreibung  oder  in  vollstän- 
diger Terdentschong  wiedergegeben  werden,    z.  b.  §  30  (Souper 
8np6)  Abendessen;  (Toast  Tost)  Trinkspruch;  §  33  (Diskurs)  Ge- 
spiich,  Auseinandersetzung;    (Kapitän)  Hauptmann;  (Domäne) 
Krongut,  Staatsgut;  (Fontäne)  Springquell,  Springbrunnen. 

Gegen  eine  in  eingebürgerten  fremdwörtern  unpbonetiscbe 
Schreibweise  aber  möchten  wir  noch  insbesondere  uns  erklären,  wie 
chs  für  den  laut  ks  oder  x  eine  unphonetische  Schreibung  ist ,  so  ist 
auch  (§  34)  cb  für  den  laut  k  in  eingebürgerten  fremdwörtern  un- 
phonetisch.  hat  sich  sonst  pelasgisches  x  zu  germanischem  g  und 
deutschem  k  entwickelt,  und  sprechen  wir  die  hier  gemeinten  x  auch 
k ,  weshalb  sollen  wir  nicht  auch  hier  in  der  schrift  mit  bewustsein 
die  lautverschiebung  nachholen,  weshalb  sie  nicht  auch  k  schreiben, 
wie  wir  es  sprechen,  zumal  gute  beispiele  uns  vorleuchten  ?  schrieb 
doch  schon  vor  tausend  jähren  Otfried  von  Weiszenburg  im  Reichs- 
lande  seinen  'Kxist'  und  verleibt  noch  heute  unser  kaiserliches  und 
kfinigliches  cabinet  flir  Verdienste  den  entsprechenden  ^Karakter'. 

Wörter  wie  Vogt^  Veilchen,  Sklave  und  brav  §  34  gelten  nicht 
mehr  als  fremdwörter;  imd  wie  sollte  man  sie  deutscher  schreiben 
können?  f  etwa  wäre  wenigstens  bei  den  beiden  letzten  falsch^  weil 
zu  scharf,  vgl.  reifen,  Strafe  gegen  brave,  Sklave,  Fre?eL 

§  35.  Trotz  der  durchgängigen  nichtbezeiohnnng  der  qnanti- 
tftt  in  fremdwörtern  hat  doch  der  schreibgebranch  instincthr,  wenn 
g^gen  die  deutsche  anssprache  der  ton  aufs  ende  des  wertes  fiÜlt, 
denselben  durch  angäbe  der  qnantität  kenntlich  gemacht;  nnd  xwar 
i|idiei£Mjh  höchst  eharakteristischer  weise:  d)  kein  andeeer  langer 
voeal  ward  im  anslsnl  gedehnt  ale  dee  eineige  im  dentechen 
oft  (und  an  der  betrdfenden  stelle  immer)  tonlose  e,  s.  b.  Allee» 
^'inse,  TgL  ABe,  Arme.  5)  leigt  die  game  thstsache,  wie  wichtig 
^  sagahe  der  tonqnantitftt  ist,  so  sdgt  der  sdir  hSnfige  fsdl  der 
™^  betonter  enddlbeKi  durch  doppdooBsonani,  dasz  gerade 
kllrsnngaseichen  für  die  erkennbarkeit  der  ton- 
f naatitftt  yon  demselben  nutsen  mid  demselben  werthe  ist,  wie 
jedes  andoe  mittel  dieselbe  m  beieiohnen,  vgl.  Appell,  Ballett,  Eapi- 
^8<gai  Apfel,  ballet,  KapiteL  —  Haben  wir  aber  der  tonkeint- 


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258 


Kiitische  notuen  sa  den  bescblüssen 


liebkeit  wegen  neue  doppelconsonanten  in  fremdwörter  eingesetzt, 
80  dürfen  wir  uns  sicher  die  behufs  der  tonkenntlichkeit  berechtigte 
doppelconsonanz  in  deutschen  wörtem  nicht  nehmen  lassen !  z.  b. 
indeß,  unterdeß,  Hindemiß,  Königinn.  —  §  35  c  endlich  zeigt,  dasz 
es  auch  in  fremdwörtern  bei  der  notwendigkeit  der  quantitätsangabe 
nicht  darauf  ankommt,  ob  die  silbe  hoch-  oder  tieftonig  ist,  z.  b. 
'Schatulle,  Atlasse'.  —  üeber  die  bezeichnung  des  langen  und  kur- 
zen i  in  fremdwörtern  wird  an  dieser  stelle  (V)  nicht  gehandelt, 
sondern  unter  II  B.  dort  spricht  §  16  a,  i>  und  c  von  fremdwörtern 
mit  i  und  ie.  hier  zeigt  sich  vielleicht  auch  äuszerlich  die  schiefe 
stelfung,  in  welche  der  tonvocal  i  durch  die  ßaumersche  ansieht 
von  seiner  tonlosigkeit  gerathen  ist. 

Man  kann  bei  der  behandlung  der  fremdwörter  verschiedene 
wege  gehen;  entweder  man  läszt  sie  in  schriftform  und  klang 
wie  sie  sind,  oder  man  ändert  sie.  ersteres  empfiehlt  sich  besonders 
für  alle  entbehrlichen  fremdwörter;  sie  erinnern  alsdann  in  form 
und  klang  an  ihren  Ursprung,  sie  sind  als  solche  lästig,  und  die 
deutsche  spräche  ist  gegen  die  gefahr  ihres  eindringens  geschätzt, 
oder  aber  man  ändert  die  fremdwörter.  dem  phonetischen  Cha- 
rakter unserer  nationalen  Orthographie  oder  auch  dem  buchstäb- 
lichen Charakter  unserer  nationalen  Orthoepie  gemäsz  kann  nun 
diese  änderüug  der  fremden  wÖrter  zunächst  von  beiden  endpuncten 
aus  statt  haben :  entweder  läszt  man  ihre  ursprüngliche  schriftliche 
form  und  spricht  sie  nach  deutscher  Orthoepie,  z.  b.  Toast 
(zweisilbig) ,  Mexiko  (x  »  ks) ,  Leutenant  (nt ,  nicht  »■  ng) ,  oder 
man  läszt  die  ursprüngliche  ausspräche  und  gibt  sie  in  deutscher 
Orthographie  wieder,  z.  b.  Tost  (mit  langem  o  wie  Trost), 
Meehiko,  Kompanie,  vieles  hieng  hier  davon  ab,  ob  wir  das  wort 
ans  btlchem  Torwiegend,  oder  im  lebendigen  mfindliohen  yerkefar 
entlelmten.  jedes  fremdwort  aber,  welekes  anf  latentibehrlichkeit 
und  bfii^erraobt  anaprnoii  maeht,  wM  mik  der  leifc  den  mam  oder 
den  -andern  weg  der  deataehen  natnnlisslion  eiaaehlagen  mtoaii. 
oder  man  ftszt  das  fremde  wort  von  beidoB  enden  zngleieli 
an,  nm  ihm  flbr  enge  und  ohr  deataehere  geaialt  (orthograplüe)  und 
deutscheren  klang  (orthoepie)  zu  geben,  z.  b.  Kontor ,  LenbiaBi. 
endUoh,  wenn  mOgüeh,  ▼ersncht  man  fremde  wSrter  naoh  deut* 
scher  Volksetymologie  ?SUig  zu  Terdentadhen  und  an  vei- 
dentüchen,  ihnen  doreh  libersetnmg,  umdentong  and  anlehnang 
nicht  nur  deatsebe  aaaapcaohe  nnd  geatalt  Ittr  auge  und  ohr,  soa^ 
dem  anch  für  die  Toratellang  dentlii&n  denisdien  ainn  nnd  gehatt 
zu  geben.  letzteres  geadiieht  z.  b.  wenn  wir  weder  New  (York) 
aproohen,  noch  Nju  e(£reiben,  sondern  Neu  adweiben  nnd  spredm 
und  —  denken;  wenn  wir  statt  IGlano  Ifaihnd  aetzen. 

VI.  Silbentrennung. 

Die  alten  trennten  ni«»ht  nach  ailben  wie  wir,  aondeni  naeli 
bnchataben.  man  kann  sich  im  dentaehen  dem  im  allgemeinea 


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der  Berliner  oxthograpiiuchen  oonferenz. 


25D 


feststehenden  schreibgebrauch  anschlieszen ,  oder  man  stellt  ein 
princip  auf.  in  letzterem  falle  aber  ist  man  auch  verpflichtet,  das- 
selbe consequent  durchzuführen,  wir  trennen  die  schriftsilben  pho- 
netisch, d.  h.  nach  Sprechsilben,  wir  sprechen  und  betonen 
aber  die  silben  nach  der  logischen  bedeutung ;  wir  scheiden  die  be- 
tonten hauptßilben  ( Stammsilben  und  wichtigere  vor-  und  nachsilben) 
von  den  unbetonten  nebensilben  (mit  -  e).  —  So  trennen  wir  in 
spräche  und  also  auch  in  schrift  (weil  im  sinne)  Zusammensetzungen 
in  ihre  mehr  oder  minder  selbständigen  teile,  hier  liegt  also  keine 
ab  weichung  von  der  sprechsilbentheorie  vor,  sondern  eine  conse- 
quenz  derselben,  z.  b.  ' Kirchen- tür',  'voU-enden'.  —  An  die  tren- 
nung  nach  ganz  selbständigen  Wörtern  schlieszt  sich  zunächst  die 
nach  feststehenden  bekannten  vorsilben  und  selbständigen  stämmen, 
z.  b.  'Ob-acht',  'be  ob-achten',  ^Lang-samkeit',  'Ge-spinnst'.  ■— 
Schwierigkeit  machen  nur  die  nachsilben ,  und  auch  diese  nur,  inso- 
fern sie  nicht  consonantisch  anlauten  (die  trennung  von  -lieh,  -keit 
u.  dgL  ist  also  noch  leicht),  denn  es  zeigt  sich  bei  den  Sprechsilben 
auch  das  bestreben,  nicht  mit  einem  vocal  zu  beginnen,  insbesondere 
bei  den  nachsilben.  —  Stehen  mehrere  (verschiedene)  consonanten 
zwischen  der  haupt-  und  der  vocalisch  anlautenden  nachsilbe,  so  ist 
die  teilung  noch  leicht,  z.  b.  'Las-ten',  'Wos-pe',  ^\ch-sel',  *An-ker', 
*Monar-chie'.  —  Steht  zwischen  haupt-  und  nachsilbe  nur  ein  (nach 
laue  und  zeichun)  einfacher  consonant,  so  wird  derselbe  einfach  der 
nachsilbe  überlassen:  z.  b.  'Fa  ne',  *Bezie-hung',  *nä-hen',  'schlie- 
szen'  ('Mo  narchie').  —  Und  wie  einfache  consonanten  werden  auch 
die  consonantischen  doppellaute  z  und  z  behandelt  (denen  pf  zwar 
verwandt,  aber  wegen  der  Schreibung  nicht  gleich  ist),  z.  b.  'hei-zen', 
'He-xe*  (dagegen  'klop  fen'  und  wieder  wegen  der  Verwandtschaft 
von  p  und  f  *6m-pfinden',  wo  p  unorganisch).  —  Schwieriger  aber 
wird  auch  hier  die  frage  erst,  wenn  zwischen  hanpt-  und  nachsilbe 
ein  laut  steht,  der  diireh  mehrere  bnchstaben  ausgedrtlckt  wird,  also 
1)  eb,  sch,  ng;  2)  th,  ph;  3)  alle  sogenannten  swdlf  (oder  ?ienehn) 
doppelocoiBOiiaateB  (nftoh  ktlnen)  bb,  pp,  ck,  tt  (tz),  mm  usw.  die 
phoMÜk,  die  spraehsübentlMOrie ,  seheint  fllr  volMtaidige  über- 
laigmig  des  einfachen  lautet  an  die  naehailbe  sn  sprechen;  dae 
äuge  dagegen,  die  mehrfaddieii  des  leichens  fBr  den  einhettlidien 
liä,  ferner  die  dmer  der  famgangehalteiien  halliToeale,  endlieh  der 
wiiaenaehaiftliche  irrtam,  welcher  anoh  selbst  bei  den  sediB  mnten 
oder  zeitloeen  momettiaaeii  lanten  die  doppeleonBOiiaBi  fllr  swei  ge- 
sprodiene  lante  aaseh  (s.  zur  conserr.  ref.):  knrz,  der  lonere  schein 
hat  in  der  jRnads  teilweise  nnd  ohne  erkennbares  prindp  ftr  eine 
teihmg  des  zusammengesetsten  Zeichens  entschieden,  dieser  bnch- 
stabliäen  treuMmg  mag  ja  bei  den  zehn  in  betraehi  kommenden 
halbrocalen  oder  ^neiconsonaaten  (1^  sch^  ss,  oh,  amit  im,  ng, 
IT  nnd  ph)  auch  dne  lautliche  teilung  in  der  spräche  gegenflber- 
ttshen,  insofern  diese  linte  a]9  zeitenttaltende  andi  so  tälbar  sind, 
dasz  jeder  teil  noch  &  gaaie  qualitftt  des  lautes  entfallt,  indes  ist 


260 


Kiitiflcbe  notiien  xa  den  beschlüssen 


dies  bei  den  sechs  zeitlosen  muten  nicht  der  fall ,  ihre  exietenz  ist 
auf  eine  unteilbare  Zeiteinheit  beschränkt;  man  kann  sie  nur  zer- 
legen in  das  lautlich  leere,  weiches  ihnen  vorangeht,  während  der 
YoUstfindige  schlusz  der  betreffenden  organspalte  jeden  hauch  und 
laut  abschlieszt  —  vmd  in  die  bei  der  Öffnung  folgende  explosion, 
die  momentane  mute  selbst.  —  Die  praxis  hat  nun  bei  den  beiden 
nicht  deutschen  zeichen  der  alten  aspiraten,  bei  dem  beutzutage 
vollständig  stummen  und  momentanen  th  und  bei  dem  vollständig 
zum  hauchlaut  gewordenen  ph,  desgleichen  bei  ch  und  ebenso  bei 
sch  zu  gunsten  ihrer  Unteilbarkeit  entschieden,  z.  b.  *Lo-thar*,  Tro- 
phet',  *Bräu-che',  Hö-schen';  bei  ng,  femer  bei  pf,  sp,  st,  tz  undck, 
teils  laut-,  teils  buchstabenverbindungen ,  schwankt  die  praxis,  vgl. 
verh.  s.  27  mit  s.  151.  bei  den  zwölf  (oder  vierzehn)  doppelzeichen 
bb,  dd,  gg,  pp,  tt  und  tz  und  dt,  ck,  ff,  ss,  mm,  nn,  rr,  11,  d.  h.  bei 
den  zum  zeichen  voraufgehender  vocalkürze  trotz  des  einfachen  con- 
sonantischen   lauts  doppelt  geschriebenen  consonan tischen  bucb» 
Stäben,  wird  bei  der  trennung  das  zeichen  geteilt,  mag  nun  der  eine 
laut  an  sich  ein  dauerlaut  oder  ein  zeitloser  sein,   manche  nehmen 
auch  wieder  ck  und  tz  aus ;  ersteres  wegen  des  ungleichmäszig  ver- 
doppelten Zeichens,  tz  aus  demselben  gründe,  obschon  der  letiii 
buchstabe  desselben  allein  zw^i  laute  enthält  und  das  zeichen  des 
erst  gesprochenen  lautes  nochmals  besonders  als  kürzungszeicben 
vor  sich  hat.  dem  z,  dieser  übervollständigen  aspirata  wird  dann 
endlich  von  manchen  auch  noch  die  andere  übervollständige  aspiiiU 
pf  zugestellt,  obschon  letztere,  wie  aus  zwei  allerdings  eng  vflllNllf 
deB«n  lauten,  so  auch  aus  iwei  getrennten  buchstaben  besteht  Frie- 
der andera  «adlkli  wwandeln  <ä  und  tz,  ersteres  mit  mehr,  lettiem 
mit  wfliiigir  neht  bei  der  treimung  in  k-k  lod  s-s* 

Wir  sehen,  die  imtioheriieit  ist  groei,  ds«  gedlelitiiis  wird  ohne 
•nfitsUung  und  dnrehfilhrung  eines  bestimmten  pcincips  sterk  be- 
lastet daseinÜMhstewardieelassiseke  trennnng  naohhnob* 
stehen,  das  dentsche  trennt  jedodi  naeh  silben.  dahsbei 
wir  ranMchst  (der  logischen  betmuing  entspreehend)  die  logieoh- 
grammatiseken  silben;  eine  reform  snf  üorar  grundlage  «m 
dnrohans  einladi,  die  Toesliseh  anlantenden  naelirilben  würden  ab- 
getrennt, so  wie  sie  sindt  abweichend  vom  bisher  ftUiohsn,  sleo 
X.  b.  niflkt  nnr  wsr*nm,  hin-efai,  sondern  aiäcth  scfaliess-en,  prevss-iiot 
Sodann  haben  wir  die  phonetischen  oder  sprechsilbsB. 
sie  weichen  nnr  im  letstgenanntwi  Alle  Yon  den  gismmatisch-kgi- 
scben  ab,  nemlich  bei  Tocsüsch  anlantenden  la^^fSi^yfft,  dennoch 
wird  eine  reform  der  trennong  anf  gmndlage  der  spceohsilben  sdMS 
schwerer:  die  daaereonsonantsn  gehOren  oft  sn  beiden  spraohsilben, 
s.  b.  in  Bonnerstag  ist  das  s,  welches  den  expirati<«sdnick  hit 
(s.  erört.  zur  Berl.  orth.  von  1871  s.  26),  noch  eher  bei  der  drittes 
silbe;  in  Handlung  tritt  die  pause  Tor  der  mute  d  ein.  liehen  wir 
den  consonantischen  laut  in  gie-szen  zur  letzten  silbe,  so  müszten 
wiresanchinha-ssennndehernodiinSehni-tter.  jene  abweichimg 


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der  Beriineff  orchograpliischea  coolereiu. 


261 


von  der  grammatik  (Han-dlung) ,  diese  von  dem  buchstäblichen 
augenschein  des  geschriebenen  usus  (ha-ssen,  Schnitter)  sind  uns 
wol  noch  fremder  als  die  logisch  grammatische  trennung  giesz-en, 
Schnitt-er.  —  Endlich  haben  wir  die  dem  auge  anschaulichen 
schreibsilben.  eine  consequente  buchstäbliche  trennung  würde 
{von  der  logischen  wie  von  der  phonetischen  abweichend)  nicht  nur 
t-Ä,  p - f ,  c - k ,  sondern  auch  n-g,  p-h,  t-h,  c-h  usw.  trennen. 

Jetzt  haben  wir  ein  gemisch  aus  allen.  1)  zu  gründe  liegt 
(wie  der  betonung  und  ausspräche)  die  logische  trennung,  nicht 
allein  bei  Zusammensetzungen.  2)  bei  den  vocalisch  anlautenden 
Dftchailben  weicht  die  phonetische  trennung  von  der  logischen 
ab,  und  nun  herscht  diese.  3)  sowol  die  natur  der  laute  (stumme 
und  dauernde  consonanten,  muten  und  halbvocale)  als  die  natur  der 
büchstaben  (einfach  geschriebene  doppellaute  und  einfach  lautende 
doppelbuchstaben)  hindern  die  consequente  durchführung  der  pho- 
netischen trennung  und  nun  tritt  hier,  wo  nach  dem  klang  nicht 
getrennt  werden  kann  und  nach  dem  sinn  nicht  getrennt  werden 
soll,  die  buchstäbliche  trennung  nach  dem  augenschein  er- 
gänzend ein.  und  diese  ist  endlich  4)  nicht  einmal  conseqnent, 
da  die  doppelbuchstaben  ng  und  ch  (und  sch)  wenigstens  gleich- 
mäszig  behandelt  werden  müsten,  während  ph  und  th,  ck  und 
tz,  pf  und  st  usw.,  jedes  nach  besonderm  grundsatze  beurteilt 
werden  kann.  —  Was  wir  zuerst  (unter  2)  der  phonetik  gewan- 
nen, als  wir  die  streng  logische  trennung  ihr  zu  liebe  verlieszen, 
haben  wir  reichlich  der  buchstäblichen  trennung  wieder  aufopfern 
müssen ,  als  grammatik  und  schrift  die  streng  phonetische  trennung 
unmSglich  machten,  bedenken  wir  endlich,  dasz  beim  gewöhnlichen, 
nicht  absichtlich  ^langsamen'  sprechen  die  Silbentrennung,  ja  selbst 
die  worttrennung  keine  scharfe  ist,  dasz  u.  a.  in  der  rede  statt  der 
achriftpausen  zwischen  den  wörtem  sogar  von  zwei  zusammen- 
atoszenden  gleichen  oder  ähnlichen  consonantischen  lauten  auch 
Bni  4iner  gesprochen  wird  (z.  b.  bis  sieben,  aof  Füssen,  mit  Thieren, 
mit  dir  usw.) :  so  möchte  die  'logische'  trenniing  ebenso  der  phone- 
tik von  allen  am  nächsten  kommen,  wie  die  ^etjmologisdM*  aniUrat- 
btMiebnimg  aach  ans  phonetiaoliem  gründe  der  oüid.  «(oalani* 
Mhärfong  Tonnziehen  ist.  unsere  Orthographie  oder  schrift  will 
Mklieh  pbonetiioli  sein,  der  spraohe  entepreehen;  unsere  aossprache  • 
und  betonung  aber  will  logisdi  soIb.  ee  kann  nun  aber  hei  der  un- 
▼oHkommenheit  aller  orihograpbisolisii  miitel  und  dem  nattriidien 
ieliwaaken  und  nflanderen  jeder  spiaefae  keine  Orthographie  die 
kwte  je  Tollkommen  wiedergAen.  so  wird  denn  der  scfareibgebraneh 
^  wo  er  wem  nftohstes  »el,  die  spnwhe,  doeh  nieht  erreichen  kann, 
•m  besten  nach  d^jenigen  seite  von  derselben  abweidieni  nach 
vekber  das  nel  der  spraehe  selbst  liegt :  und  das  ist  das  logisch- 
gnmmatisehe  ideal,  von  dem  sieb  ja  die  spuohenur  wenig  enäamt. 

Zeigt  sich  doch  dasselbe  bestreben  Aber  die  phonetik 
hinaus  logisch  deutlich  zu  sein  auck  bei: 


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262  Sritiaclie  notisan  sa  d«n  beMhlfiiteD 

VII.  Bindestrich  und  apostroph. 

Dmb  änt  bindMtneh  nidht  nur  In  goBammenaetmngwi  Met 
soll,  sondem  ebenso,  wenn  eine  endimg  nur  einmel  gosetzt  isl; 
*in  froli-  nnd  Mbsr  isit^  würde  sine  nieht  naehalinrangswtrdig» 
fireilisit ,  die  sieh  der  diohter  einmal  genommen,  indirsct  empfeiUai 
oder  doeh  gatheissen.  man  lasse  diesen  seltenen  ftll  entweder  m* 
erwihnt,  oder  man  gebe  ihn  in  anmerkong  imd  kennidehne  üm  ib 
das,  was  er  ist,  als  settene  nnd  nieht  loboiswerthe  poetisehe  Horn, 
oder  würde  man  etw»  die  bekannte  seitongsanzeige  billigen:  % 
wird  jemand  gesneht,  der  mieh  ras-,  meine  Fraa  firia-  und  wim 
kinder  amüsieren  kmm*?  nnd  doeh  war  Imt  die  abgetrennte  sadimg 
eine  selbstilndigere  als  oben,  und  doeh  konnte  dem  masnne Int ^ 
räum-  und  gelderspamis  erwünscht  sein!  mindestens  also  möge 
man  hinter  *  ebenso  wenn'  zufügen  'mitunter  bei  dichtem'  l^gl. 
§  40  rt).  denn  jede  Orthographie  ist  nur,  wenn  sie  wissenschaftlich 
gründe  erörtert,  eine  reine  Orthographie ;  sobald  sie  praktisch  wird 
und  regeln  aufetellt,  ist  sie  eine  angewandte  Orthographie  und  hat 
das  im  auge  zu  behalten ,  worauf  sie  angewandt  wird :  die  deutsche 
spräche  und  ihre  grammatik.  —  Ueberall  aber  scheint  es  uns  ud- 
umgänglich  notwendig  zu  sein,  die  Orthographie  mit  der  Orthoepie 
und  Volksetymologie  grundsätzlich  zu  verbinden:  eine  Verbin- 
dung, die  ebenso  naturnotwendig  als  der  Orthographie  insbesondere 
förderlich  ist.  denn  nur  die  Orthoepie  gibt  der  Orthographie  einen 
festen  rückhalt  und  beide  beruhen  an  tausend  puncten  im  letzten 
gründe  auf  der  Volksetymologie. 

§  40.  Beim  apostroph  scheint  der  gar  nicht  so  seltene  fall, 
dasz  "s*  nicht  eigentlich  'das  pronomen  es'  sondem  vielmehr  der 
artikel  ^das'  ist,  übersehen  zu  sein,  z.  b.  'Und  haVs  Büblein  mitge 
nommen'.  denn  hier  ist  auch  nicht  'die  präposition  mit  dem  von 
ihr  regierten  artikel  verschmolzen  wie  in:  am,  beim,  unterm,  ans, 
ins',  freilich  liegt  zwischen  dem  vollen  Mas  Bttblein'  und  dem 
apostrophierten  *  's  Bttblein'  noch  die  verkfinte  form  'es  Bfiblein' 
in  der  mitte;  allein  diese  mittelform  ist  nur  mundartlieh,  wShrend 
jene  beiden  erstsm  in  der  nhd.  schriftspraehe  Yollkommen  imtade- 
lig  sind. 

Das  Wörterverzeichnis 

möchten  wir  cum  sdüusz  nieht  gans  Tergessen  haben ,  wenn  audi 
die  folgenden  notizen  keinen  ansptmoh  «of  vdktSndifj^eit  erheben 
können,  auch  liegt  es  Ja  wol  nahe,  das  dass  wörtenrens^ehnis  bä 
der  immerhin  kni^p  banessenen  Session,  die  dem  orthogiapbisdwn 
reichstage  dentscber  nation  fttr  die  erste  nnd  zweite  Iwang  dar 
reformgesetie  TetgOnnt  war,  verhMtnismgssig  am  wenigsten  doidir 
gearbeitet  werden  konnte. 

Das  wort  Gleis  fttr  Qeleise  ist  so  reeht  geeignet  nns  die  sdt^ 
ton*  nnd  YOcaUosigkeit  der  elisionsilMiigen  'e'-silben  zn  zeigen. " 


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« 

der  Berliner  orthograplritchen  coaferenz. 


26ä 


Solche  'e'  fügen  wir  übrigens  nicht  nur  zwischen  zwei  consonanten 
ein  z.  b.  mhd.  geborn,  nhd.  geboren;  sondern  auch  zwischen  vocal 
und  consonant,  z.  b.  angeblich  immer  zwischen  au  und  r,  wie  Bauer, 
Mauer,  mögen  wir  sie  übrigens  schreiben  oder  nicht  schreiben,  in 
der  ungebundenen  rede  ist  kaum  ein  unterschied  zwischen  Maoerer 
und  Maurer,  zwischen  thuen  und  thun,  sehen  und  sehn. 

Die  doppelconsonanz  in  ^falls'  vedangte  auoh  die  von  der  com- 
mission  hergestellte  in  'bifschen*. 

In  Wörtern  wie  cirkus  und  zirkus,  koncert  und  konzert,  kon- 
cession  und  konzession  ist  das  c,  welches  auch  so  der  deutschen 
ausspräche  entsprechen  würde,  in  k  verändert;  das  andere  c,  welches 
deutsch  z  lautet,  in  den  einen  formen  unverändert,    es  scheint 
wtinscbenswerth  entweder  beide  c  zu  ändern,  wie  es  auch  die  con- 
ferenz  bei  diesen  Wörtern  erlaubt ,  oder  beide  zu  lassen  (circus,  con- 
cert,  concession) ;  der  mittelweg  hat  etwas  sonderbares  und  unent- 
schiedenes,   vgl.  compagnie  und  kompanie  §  33,  1  anm.  1,  nicht 
auch  etwa  companie  oder  kompagnie.    bei  anderen  Wörtern,  z.  b. 
encjclopädie  und  enzyklopädie  hat  die  conferenz  auch  diese  beiden 
wege,  den  ganz  conservativen  und  den  ganz  reformierenden,  einge- 
schlagen und  den  den  obigen  formen  entsprechenden  mittelweg  (en- 
cyklopädie)  übersprungen,  wieder  bei  anderen ,  z.  b.  cyklus  ist  nun 
umgekehrt  gerade  blosz  dieser  mittelweg  aufgenommen;  der  den 
aufgeführten  formen  von  encyklopädie  entsprechende  erste  und 
dritte  weg  (cyclus  und  zyklus)  fehlt,  noch  bei  anderen  endlich,  z.  b. 
klassifiziren,  wird  der  ursprüngliche  und  der  mittelweg  (classificiren 
und  klassificiren)  sofort  übersprungen  und  nur  der  dritte  ausschliesz- 
lich  aus  deutschen  dementen  angeführt  usw.  —  Da  c  dem  k  (vgl. 
§  1)  ursprünglich  gleich  ist  und  erst  später  und  nur  teilweise  dem 
z gleich  geworden,  so  könnte  ein  ersatz  des  letztem  c  durch  z  man- 
chem notwendiger  als  der  des  erstem  c  durch  k  erscheinen;  und 
dann  hätten  wir  in  obigen  wörtera  noch  den  zweiten  zwischenweg 
drcuB,  conzert,  conzession,  enzyclop&die ,  zyclns,  classifiziren  usw. 
uid  dies  um  so  mehr,  als  ein  bleiben  des  wie  k  lautenden  c  (vor  a, 
0,  Q  und  consonanten)  niemals  den  leser  in  Verlegenheit  setzt;  da- 
gegen das  wie  z  lautende  c  (und  t)  wenigstens  am  wortsehlusse 
seUediterdings  niemals  belassen  werden  kann,  s.  b.  P^yinz,  Justiz 
m.,  weil  hier  die  sehieibung  c  (und  t)  der  deatsohen  ansspraohe 
Qubedingt  widefetreben  würde.  —  Hier  wiie  nun  TieUddit  dooh 
wol  die  yier&ehe  Wahl  und  quäl,  oinma,  zircns,  cixlnis  und  tirkns» 
nach  strenger  eonseqnens  za  mindem:  naeh  der  aaalogie  Ton  com- 
pagnie imd  kompanie  wttnaohen  wir  entweder  den  fremden  bneh* 
ttabeftbeBtaiid  ToUatfindig  gewahrt  (ooneert)  —  so  weit  er  nieht 
etira  der  dantBohan  ansspradie  bei  fiaderang  des  lantbeatandea  dea 
tendiin  wortea  unbedingt  widerq;»riebt  (z.  b.  Justiz)     oder,  wenn 
die  ^ehreibuBg  ohne  einen  zwang  seitens  der  anaspradie  geändert 
wird,  dann  aneh  yollstSndige  tndemng  (konzert,  nicht  aber  auch 
conzert  oder  koncert)! 


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264 


Kriti&che  notizen  zu  den  beschlüseen 


Bräutigam  mit  kurzem  und  Griesgram  mit  langem  a  Mtn 
dnrch  §  2  anm.  uuteräcbiedslos  da. 

Alarm  und  April  würden  durch  11  eine  deutschere  gestalt  an- 
nehmen, weil  .kürze  und  be  tonung,  even.t.  anlehnung  an  lärm  deut- 
licher wäre. 

Neben  der  römischen  münze  As,  besi-er  Afs,  fehlt  As  =  Aas 
und  das  Afs  der  karte.  —  Ebenso  neben  malen,  Maler,  gemälde 
mahlen,  Müller,  Mühle. 

Trennungen  wie  Stereo  skop,  Atmo-sphäre  stehen  nicht  im  ein- 
klang  mit  Mo-narchie  §  37.  —  An  letzterer  stelle  iat,  nebenbei  be- 
merkt, eine  klammer  zu  viel  oder  zu  wenig. 

Bouquet(Strausz)  und  Paket  (Pack)  möchte  man  gleichmäsziger 
behandelt  sehen ;  ebenso  Budget  und  Büffet  (letzteres  hat  in  §  35  tt). 

Femer  legt  Postillion  (vieUeicht  genauer  mit  einem  1  oder  Ij) 
neben  Posiillon  eine  ähnliche  behandlang  für  Billet  nahe,  u.  a.  m.  , 

Brezel,  Stmpaze,  Spaziren,  Eapnse,  Notizen,  Miliz  n.  dgl  ob»  ' 
ts  zeigen,  dasi  jedes  ts  überflüssig;  bez.  aber  mfiste  auch  hinr ü dis  i 
tonkttnM  anzeigen. 

Bat  *Eaft'  §  SO  sdNii  dar  'Kaffise'  §  35  a  sielit  adur  ob- 
gleifili  ans. 

Ebenso  Nnnuner  neben  Hiun«ro  und  nunierieren;  lebtsM 
wort  und  kannolkrt  bitten  wol  naob  §  10  a  ibr  o  oinbllaini  mOiaa, 
wibrend  kopiren  Ton  Kopie  ein  e  bitte  erbalten  mllBeen  nach  §  10  (; 
denn  es  wird  ja  smehen  ieren  und  iren  ontersdneden. 

Femer  liebt  neben  Kontrolle  und  kontrolliren  der  eonteokiir 
gans  wildfremd  daran  —  trote  Likür,  niebt  Liqiiear!  weshalb  abo 
nidit  naeb  beiderseitiger  aaalogii  ench  KontroiUOr  vieUaebt 
stpiter  mit  tonTerseizung  Kontroüer? 

Zwikb,  Diilob  trots  Zwillidi,  DrUlicb;  Gmmt  trotz  Gw 
met;  Taft,  Samt  trotz  Talrt  nnd  Snnmot;  Zimt  trots  ZimM^ 
n.  äjgi  stimmen  nicht  mit  Obm  wegen  Oheim;  zehn  wegen  sehea; 
naekt  wegen  nackend  n.  dgL  nu 

Ebenso  stimmt  ^ebenMs*  (niebt  eben&ls)  niebt  reolt  mi 
'unterdes'  (nicht  nnterdels)? 

I>ie  Fee,  pbu.  Feeen  ni^d  Feen«  stimmt  awar  mit  §  11  anm.;  , 

allein  bei  der  leetüre  des  letzten  kosunt  die  beiechtigimg  der  kibr- 
Sern  form  nicht  recht  snm  ansdruck;  beispiele  filr  diese  fom  i>  I 
spräche  and  schrift  wttren  deshalb  in  §  11  erwitaischt 

Neben  sebwindeHg,  schwindlig  usw.  kommen  andere  werter 
zu  kurz,  bei  denen  nur  die  apostrophierte  fönn  ao^ftthrt  ist,  z.  b.  ' 
atechlig,  gleichschenklig  usw.  ob  nnd  bez.  wie  kurz  das  in  frage 
kommende  halbe  'e'  gesprochen  wesden  soll,  mag  ja  jedem  ttber- 
lassen  bleiben;  aber  das  e  ganz  yerbannen  hiesze  den  stemm  Stachel, 
Schenkel  usw.  und  die  endung  -ig  (nicht  -lieh)  verdunkeln  tukI 
würde  nnsem  dichtem  und  metrikem  lumOtiger  weise  ihre  ftM^  | 
einschränken. 

Was  die  binweisiugen  auf  die  betrefifenden  regeln  betrifit»  to  i 


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der  Berliner  oribographuolien  oonfereaz.  265 

stehen  sie  bald,  bald  stehen  sie  nicht,  wo  sie  ebenso  erwartet  werden, 
z.  b.  bei  Findling  [§18  anm.  2];  bald  endlich  könnten  mehrere 
Paragraphen  angezogen  werden,  z.  b.  bei  Fliese  steht  *§  22*  [über  f] ; 
«benso  gut  konnte  man  den  §  8  ttl>er  ie  und  den  §  24  ff.  Uber  f  er- 
warten. 

Wer  'gäh  und  jäh  §  14'  liest,  wird  eher  dort  eine  bestimmung 
über  g  und  j  suchen  als  über  auslautendes  h.  —  üebrigens  würde 
iDan  nach  jenen  beiden  formen  auch  neben  jählings  und  jach  eine 
Schreibung  mit  g  erwarten. 

Desgleichen  erscheint  neben  Hoboe  und  Oboe  nur  ein  Hoboist: 
2wei  Instrumente  und  ein  musikant  ist  zu  wenig  oder  zu  viel! 

Wie  unter  G  gäh  vor  jäh  steht,  so  finden  wir  unter  F  die  selte« 
jaem  formen  mit  fünf-  vor  den  üblichen  mit  fünf-  genannt. 

Ob  'gang  und  gäbe'  die  üblichste  form  ist  oder  gar  '  Tichten 
und  Trachten'  dürfte  man  bezweifeln,  in  'Dichten  und  Trachten* 
ist  genügende  alliteration  und  mehr  bedeutung;  will  man  bei  den 
beiden  ersten  alliterierenden  worten  auch  noch  die  assouanz,  so  mag 
man  ^gang  und  gäbe'  gestatten. 

Neben  'geratewoP  liegt  die  andere  volkstümliche  etjmologie 
*geradewol'  wol  gerade  nicht  fern,  vgl.  immer  gerade  zu. 

Wie  wir  die  halbfremde  endung  -ieren  an  manche  deutsche 
Stämme  hängen,  wie  wir  bei  numerieren  zunächst  an  die  deutsch 
gewordene  nummer  denken,  so  würde  der  soldat  seinen  zimmer- 
und  zeltgenossen  wol  eher  wieder  erkennen,  wenn  er  seinen  Kame- 
raden nicht  nur  mit  K,  sondern  auch  mit  mm  schriebe;  wie  er  ja 
auch  das  a  kurz  spricht. 

Der  theorie  über  die  silbe  -nisz  hat  auch  *Homis*  seine  not- 
wendige doppelconsonanz  zum  opfer  bringen  müssen  trotz  des 
sing,  die  Hornisse,  trotz  des  hochtons  auf  der  zweiten  silbe, 
trotzdem  hier  die  endung  -nisz  gar  nicht  vorliegt. 

Hotel  würde  durch  11  zugleich  seine  ktirzenbezeichnung  und 
Beinen  accent  erhalten ;  ebenso  Lavendel ,  Gurrende ,  Kalender  usw. 
durch  ein  &  zugleich  accent  und  offene  ausspräche. 

In  Wörtern  wie  Mosaik,  Husar,  Musik,  Bisiko  n.  dgl.  sprechen 
wir  doppeltes  weiches  s,  d.  h.  weiches  s  trots  Torausgehender  yocal- 
kflne,  eine  lautverbindung  also,  die  wir  so  lange  nicht  mit  buch- 
Btaiben  beseichnen  kOnnen,  ab  wir  für  doppeltes  scharfes  S  das 
Mieheu  tob  doppeltem  weiäiem  8  einsehmuggeln. 

Wörter  wie  Kolrabi  nnd  EoUbri  beweisen,  dass  aneh  alle  an- 
<lem  Wörter  auf  ie  ihr  e  misseii  ktaiisn,  ohne  dass  das  end-i  be- 
Mb  seiner  betonung  in  die  gefahr  kime»  wie  ein  end-e  erdrückt  zu 
werden.  —  Und  so  gut  wie  Offism  wtürde  auch  Offistr  und  jedes 
wort  anf  -ier  seinen  ton  bewahren,  wenn  anoh  e  fehlte. 
Main  fehlt  in  §  18.  Schooner  in  §  15. 
Da  m  dem  plnr.  Mnselmanen  (ond  MnselminBer)  nur  der  eine 
ttag.  Muselmann  angegeben ,  so  hfttten  wir  hier  den  sing«  mit,  den 
phv.  ohne  doppelconsonanz,  also  sogar  den  umgekehrten  fäll  yon 

N. Jtlirb.  (,  phil.  tt.  pid.  n.  abt.  1878.  hfL  6  n.  6.  18 


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366  KritiMhe  notiien  m  den  betchUitiai 

-nis,  plur.  -niflse;  wlliraid  Wie  wie  Pilgrim  PilgriBie,  notiz  aotim 
dam  gnraden  gegensatz  zu  der  conseqatnten  aawendimg  der  Ter- 
dopplimg  bilden,  wie  sie  die  in  diesem  puncte  etjmoioginflieBde 
eonferois  nur  bei  stanmsUben  zuläszt;  vgl.  dagegen  aber  ndi 
wieder  Moritz,  Stieglitz  osw.  —  Uebrigens  batte  berr  von  Banwr, 
als  er  8.  57  leine  banptregel  ttber  die  quautitit  formulierte,  ridiSg 
gesagt  *in  betonten  silben'  (nidit  in  stammsüben!)  wird  konir 
Tooal  durdi  verdoppelong  beseiebnetl  bier  kann  nna  in  der  tiat 
nur  die  entsebiedenste  rttekbebr  Ton  der  etymologiaierendea  stanm- 
silbenibeorie  retten  nnd  Uarbeit  und  oonaeqoens  mid  wirkfiebe  en- 
fsebbeit  bringen. 

Zn       konnte  wol  ancb  Pär  erlanbt  werden,  s.  §  dl. 

Ponellan  müste  in  dentscber  sehreibimg  das  11  ▼ereiafiidNB 
wegen  des  tonlosen  e  und  des  tones  anf  der  letzten  (das  11  nfbd» 
den  ton  anf  die  Torletzte  zieben) ,  und  da  das  wort  nicht  aas  Ponel 
nnd  lan  sasammengesetzt  ist,  vgL  Marzipan. 

Ein  Bobwieriges  wort  ist  Paqnet,  resp.  Paket;  dem  das  toUo* 
etymologische  Packet  (Pack)  würde  allmählich  den  ton  auf  die  erste 
ziehen,  während,  wenn  wir  e  als  betont  bezeichnen  wollten,  im  Me 
seiner  JstU'ze  tt  (vgl.  kokett  §  35  &)  einzutreten  hätte,  im  falle  seiner 
länge  aber  gar  ee ! 

Portugiese  könnte  gleich  Marquise  ohne  schaden  der  ausspräche 
schon  jetzt  das  e  verlieren ;  denn  f  ist  (wie  auch  ß  im  gegensatz  za 
fs)  ein  sicheres  zeichen  für  vorausgehende  länge  und  betonung,  we- 
nigstens zwischen  zwei  vocalen. 

Statt  Nied-  und  Neidnagel  dürfte  man  vielleicht  Nietnagel 
wünschen  wegen  nieten;  denn  der  'Niednagel  (am  Finger)'  s.  39  ist 
seltener  notwendig,  als  der,  den  der  handwerker  zum  nieten  braucht. 

Hifthorn!  wie  die  commission  mit  recht  Sündflut  und  nicht 
Sintflut,  Maulwurf  und  nicht  Moltwurf  feststellt,  so  möchte  man 
doch  auch  gar  zu  gern  Htifthom  festhalten,  mag  es  tausendmal 
nicht  'historisch'  richtig  sein;  man  kann  es  sich  doch  im  ruhenden 
zustande  als  am  riemen  über  die  Schulter  bis  zu  der  hüfte  herab- 
hängend vorstellen.  'Hift'  aber  hat  für  uns  so  wenig  sinn  und  klang 
als  mhd.  hiufan!  hatte  doch  unser  reichskanzler  und  unser  cultns- 
minister  mit  vollstem  rechte  jeden  reactionären  sog.  'Historiker' 
principiell  von  der  teilnähme  an  der  conferenz  ausgeschlossen;  nur 
grundsätzliche  anhänger  des  bis  ins  nhd.  hinein  die  lebendige  pho- 
netik  vertretenden  conseryativen  Baumerschen  echt  historischen 
reform princips  zugelassen,  aber  freilich  hat  auch  schon  y.  Baumer 
6.34  Hifthorn!  aber  wir  haben  auch  sonst  (s.  72  f.)  schon  gefunden, 
dasz  er  dem  mhd.  ea  liebe  mitunter  leider  seinem  eigenen  bessern 
Ich  untreu  wird,  vor  allem  aber  hat  auch  selbst  y.  Banmer  noch 
nicht  neben  dem  lebendigenondvolkstüm liehen  phonetischen 
Charakter  der  nhd.  Orthographie  den  ebenso  lebendigen  und 
yolkstümliehen  logiseben  Charakter  der  nhd.  etjmologie 
in  ausspräche  und  betonung  und  ymteUung  mit  klarem  bewustseiB 


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der  Berliner  orthograpluBclieii  ooniiereDS.  267 

als  princip  erkannt  und  aufgestellt,  wie  er  der  phonetischen  Ortho- 
graphie an  tausend  puncten  zu  gründe  liegt.  —  Soll  unser  wort  also 
vielleicht  doch  noch  nicht  Hüfthom  sein,  so  erfinde  man  etwa  Hülf- 
horn oder  Hilfhom,  welches  zu  hülfe  ruft  oder  rufen  hilft,  oder  man 
ersinne  sonst  etwas  verständliches,  mit  todtera  mhd.  aber,  das  wer- 
den wol  selbst  die  pseudo-historiker  seit  ihrer  grundsätzlichen  aus- 
schlieszung  von  der  Berliner  conferenz  erkennen,  wollen  wir  uns  im 
einigen,  volkstümlichen  neuhochdeutschen  kaiserreiche  keinen  lebens- 
kräftigen geistigen  besitzstand  mindern  lassen ! 

Neben  Schlittschuh  finden  wir  auch  das  altempfohlene  Schritt- 
schub; aber  zum  gehen  und  schreiten  dient  jeder  schuh,  nicht  zum 
schleifen  und  gleiten,  wie  der  scblitten,  für  de^  ^Schritten'  doch 
nicht  angeht. 

Neben  stets  finden  wir  stätig  und  neben  diesem  auch  statisch 
mit  der  endung  -isch.  letztere  dürfte  wol  ebenso  fallen,  wie  Ko- 
mersch  und  kommerscbieren,  die  sich  im  Baumerschen  verzeichnia 
noch  finden. 

Neben  dem  unbedingt  richtigen  mittels  (vgl. behufs,  falls  u.a.) 
ist  mittelst  zugelassen  und  vermittelst  sogar  allein  angeführt:  jeden- 
falls wäre  auch  hier  die  form  mit  s  zuzusetzen  und  der  richtigem 
form  an  beiden  stellen  auf  irgend  eine  weise  der  vorzug  einzu- 
räumen. 

Walfisch,  Walhalla,  Walküre,  Walnusz,  Walplatz,  Walrat,  Wal- 
rosz,  Walstatt  mit  kurzen  und  mit  langen  a,  finden  sich  ununter- 
schieden  nebeneinander;  auch  hier  zeigt  sich  wieder  seit  dem  Weg- 
fall der  dehnungszeichen  in  Wahl  die  entschiedene  notwendigkeit 
der  kürzuugszeichen  in  Wal ,  also  Wall. 

-wärts  wird  nicht  unter  w  gesucht,  sondern  bei  rückwärts,  vor- 
wärts, seitwärts. 

Im  index  haben  wir  Weidwerk  und  in  §  18  Waid. 

Neben  weitläufig  finden  wir  weitläuftig,  und  bei  Zeitläufe  ist 
die  nebenform  Zeitläufte  sogar  vorangestellt;  auch  hier  wird  sich 
irgend  eine  weise  finden  lassen,  das  bessere  zu  empfehlen  durch 
Stellung,  klammer  oder  das  wörtchen  'auch'  oder  'besser  als'* 

Aehnlich  wäre  bei  'Zwetsche,  Zwetschke,  Zwetidige'  der  ein- 
fftehern,  leichter  zu  sprechenden,  wohlklingendem  und  Yerbreitetem 
form  der  yorzug  zu  geben. 

Wildbret  hat  kein  tonloses  e,  wie  s.  b.  liebet,  ^det,  wandert; 
doeh  ist  es  weder  em  fremdwort  wie  Paket  oder  Bttfiet,  noch  ein 
Brett  wie  Tbeebrett  die  offene  ansspradhe  des  e  ft,  der  ton  auf 
demselben  nnd  die  'yolkstttmliohe  ansohaulioihkeit  des  jägerwortes 
«wilder  braten'  —  alles  drängt  zn  *WüdbrtttV 


Es  haben  uns  nun  einsichtsToUe  nnd  kenntnisreidie  fachmän- 
ner  £Ür  die  yolle  einigung  in  der  deutschen  Schriftsprache  eine  feste, 
treffliche  gmndlage  bereitet;  noch  harrt  das  werk  des  endgiltigen 
aosbaaes  und  letzten  abschlusses,  cn  dem  auch  wir  einige  beitrige 


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268        Uebcr  Schillers  verhiUtuis  zum  clasaischen  alteitiuu. 

hofften  steuern  zu  dürfen.  —  Möge  es  den  Staatsmännern ,  welche 
an  der  spitze  unserer  nation  stehend  die  Berliner  conferenz  berufen 
haben,  demnächst  vergönnt  sein,  auch  auf  diesem  gebiete  für  die 
vielen  millionen  Deutschen  im  reich  und  auf  der  ganzen  erde  das 
•werk  der  einheit  und  einigkeit  vollendet  zu  sehen,  die  macht  zum 
siege  ruht  in  ihren  bänden:  und  wer  zum  guten  ziel  die  kraft  besitzt, 
der  bat  auch  das  recht  und  die  pflicht  sie  zu  gebrauchen. 

MAaiAW£IL£B  BEI  DÜKEN.  P.  DiDOLFF. 


24. 

Ü6£B  SCHILLEBS  YEBHÄLTNIS  ZUM  GLASSISCHEN 

ALTERTUM. 

Vortrag,  gehalten  im  wiiMiiichaftlicheii  Yerem  «a  Nordliansen. 


Eine  Untersuchung,  welche  die  beschäftigung  Schillers  mit  dem 
classischen  altertum  zum  gegenständ  hat,  kann  in  verschiedenem 
sinne  und  zu  verschiedenem  zwecke  geführt  werden,  sie  kann  ent- 
weder auf  die  methode  dieser  Studien  selbst  gerichtet  sein,  d.  h. 
den  plan  derselben ,  wenn  ein  solcher  überhaupt  vorhanden ,  sowie 
seine  Verwirklichung  darthun.  ihre  nähere  aufgäbe  würde  es  in 
diesem  falle  sein,  dem  Ursprung  und  verlauf  dieser  bildungsarbeit 
nachzugehen,  die  lehrmittel,  die  dem  dichter  zu  geböte  standen,  die 
art,  wie  er  sich  derselben  bediente,  den  aufwand  an  kraft  und  zeit, 
den  er  für  nötig  hielt,  endlich  seine  natürliche  begabung  auf  diesem 
gebiete  kennen  zu  lernen,  um  gestützt  auf  die  summe  dieser  be- 
trachtungen  über  die  tiefe  und  den  umfang  seiner  kenntnis  des 
classischen  altertums  zuverlässigen  aufschlusz  zu  gewähren.  —  Diese 
darstellung  würde  sich  auf  rein  historischem  boden  bewegen 
und  einzig  das  philologische  Interesse  befriedigen.*  —  Einen 
anderen  standpunct  für  die  Untersuchung  bietet  der  einflusz, 
welchen  die  lectüre  der  alten  und  das  eindringen  in  die  antike 
lebensanschauung  auf  die  künstlerische  und  wissenschaft- 
liche thätigkeit  Schillers  ausüben  muste.  denn  wie  hoch  wir 
auch  von  der  selbsttbätigkeit  und  energie  seines  geistes  und  von 
der  eigenart  seines  Schaffens  denken  mögen,  so  werden  wir  ihn 
doch  nicht  von  der  bedingtheit  der  menschlichen  natnr  lossprechen 
können,  die  in  jede  geistige  Wirksamkeit,  anch  in  die  höchste  dea 

'  den  hif  torisehen  gesichtspnnet  hebt  beionden  die  dem  verf.  dieact 
Tortragfs  erst  nach  becndigung  seiner  arbeit  bekannt  gewordene  ab- 
handlang von  L.  Hirzel  hervor  ('über  Schillers  beziehungen  zum  alter- 
tom%  Aarau  1872),  auf  welche  hier  für  alles  historische  detail  zu  ver- 
weisen genügt,  doch  verdienen  auch  die  in  dieser  abhandlnng  enthaltenen 
bemerknngen  über  den  einflnss  der  elassischen  Stadien  anf  flehillen 
bÜdnngsgang  dnrdbgehends  beaebtnng. 


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üeber  Schülers  yerhftltnu  Emn  olaenscheii  altertom.  269 

schaffenden  dichtergeistes  fremde  eleraente  eingehen  läszt  und  der 
Spontaneität  bevorzugter  geister  zum  trotz  selbst  das  vollkommenste 
litterarische  product  zu  einer  wie  auch  immer  mit  freiheit  durch* 
läuterten  und  veredelten  Umbildung  des  von  auszen  her  aufgenom- 
menen Stoffes  herabsetzt,  bei  Schiller  aber  kann  die  erwartung, 
dasz  seine  classisehen  studien  auf  seine  viel  verzweigte  productiye 
thStigkeit  einflusz  gewonnen  haben ,  auch  aus  seiner  persönlichkeit 
gerechtfertigt  werden,  denn  das  macht  eben  seine  volle  eigentüm- 
lichkeit  aus,  dasz  jene  höchst  energische  art  zu  producieren,  die  zu- 
nächst in  dem  rastlosen  weben  seiner  unerschöpflichen  phantasie, 
aber  vielleicht  noch  mehr  in  dem  ringen  mit  neuen  theoremen  zum 
Vorschein  kommt,  dasz  diese  durchaus  selbstth&tige,  aus  dem  innern 
stammende  art  der  arbeit  sich  mit  der  anscheinend  entgegengesetz- 
ten Fähigkeit,  alles,  auch  das  geringste  und  kleinste  in  sich  auf- 
zunehmen, leicht  und  wahrhaft  neidlos  verbindet,  wir  hören  es  aus 
dem  munde  eines  seiner  feinsinnigsten  freunde,  dasz  er  auch  den 
'kleinsten  vorrath  an  stoff  in  sich  aufzunehmen  nicht  verschmähte', 
und  selbst  für  die  geringsten  motive,  über  die  ein  anderer  gedanken- 
los hinwegsah ,  einen  offenen  sinn  und  ein  klares  auge  besasz;  aber 
wir  vernehmen  auch  aus  demselben  munde  die  lösung  des  räthsels, 
das  uns  in  einer  solchen  Vereinigung  heterogener  naturgaben  ent- 
gegentritt. —  Passivität  war  für  diese  rastlos  strebende  persön- 
lichkeit in  keinerlei  form  möglich,  und  insoweit  als  dieselbe  mit 
jeder  reception  verbunden  ist,  ist  Schiller  allerdings  für  aufnähme 
fremden  bildungsstoffes  nicht  zugänglich  gewesen,  die  receptivität 
seines  geistes  zeigte  sich  in  der  ihm  verliehenen  leicht  igkeit,  alles, 
anch  das  geringe,  zu  sehen  und  in  der  treue,  mit  der  er  es  sah;  aber 
was  er  immer  in  sich  aufgenommen,  wollte  er  nicht  als  todten  be- 
sitz in  seinem  innern  ruhen,  sondern  nur  als  stoff  für  eine  neue, 
lebendige  durcharbeitung  gelten  lassen,  so  schlug  das  receptive 
Clement  seiner  natur  sogleich  in  seinen  gegensatz  um  und  ward  von 
dem  angestrengtesten  triebe  des  Schaffens  und  der  glücklichsten 
Originalität  begleitet,  das  blosze  von  keinem  anderen  unmittel- 
baren zwecke  als  dem  des  wissens  geleitete  studiren  bat  er,  wenn 
wir  jenem  freunde  glauben  dürfen,  überhaupt  nicht  gekannt;  das 
wissen  sei  ihm  zu  stoffartig,  die  kräfte  des  geistes  zu  edel  erschienen, 
um  in  dem  stoffe  mehr  als  ein  material  sur  bearbeitung  zu  sehen.  — 
Sonnten  aber  alle  eindrücke,  die  er  von  auszen  her  ans  der  land- 
tthaftHcben  Umgebung,  aus  den  kreisen  der  geselligkeit  und  dem 
berodieii  meiiinngsaustauscli  yielBei^  entwickelter  naturen,  aus  den 
politischen  stürmen  und  litterarischen  etrümungen  seiner  zeit ,  vor- 
nehmUch  aber  ans  'der  stiUen  leetOre  empfieng,  konnten  alle  diese 
eindrücke  mit  gleicher  lebendigkeit  in  seiner  seele  haften,  so  muste 
nch  die  weit  der  alten,  als  er  yerbSltniamfiszig  spit  nnd  gereift  an 
QrteU  in  sie  eintrat,  mit  besonderer  stSrke  in  sonem  geistesleben 
.  geltend  machen,  seinem  nachdenken  begegneten  hier  anziehende 
Probleme,  seine  poesie  wnrde  Ton  hier  ans  mit  nenen  ideen  be- 


270        Ueber  Schillers  verhältnia  zum  classischen  altertum. 

fruchtet,  und  sein  immer  auf  das  ganze  gerichteter  sinn  muste  sich 
in  dieser  Sphäre  neuer  anschauungen  um  so  leichter  befriedigt 
fühlen ,  als  sie  in  der  that  eine  directe  ergänzung  seiner  bisherigen 
bildung  waren.  —  Diese  bestimmung  seiner  künstlerischen  und 
wissenschaftlichen  laufbahn  durch  das  Studium  der  alten  Schrift- 
steller ist  der  zweite  standpunct,  auf  den  sich  unsere  Untersuchung 
stellen  könnte,  sie  würde,  in  diesem  sinne  gefaszt,  die  anregungen, 
die  er  von  den  alten  empfangen,  zu  sammeln,  die  wissenschaftlichen 
resultate  derselben,  an  die  er  bei  seinen  forschungen  anknüpfte, 
festzustellen,  die  ideen,  mit  denen  er  sich  von  dort  aus  durchdringen 
liesz,  herauszuheben,  vor  allem  die  Schöpfungen  seiner  muse  immer 
auf  dieses  6ine  ziel  hin  zu  zergliedern  haben  und  hierdurch  zu  einer 
auf  das  antike  dement  gerichteten  analyse  seiner  gesamten  werke 
werden,  diese  arbeit  kann  dem  nicht  erlassen  bleiben,  der  ein 
volles  Verständnis  von  Schillers  dichtungen  gewinnen  will;  um  den 
künstlerischen  werth  derselben  zu  begreifen,  musz  man  sich  vor 
allem  der  elemente  bewust  sein,  aus  deren  Vereinigung  sie  der  dich- 
tende genius  erschaffen  hat.  nicht  mehr  die  methode  und  der 
umfang  seiner  philologischen  Studien,  sondern  die  hinterlassen- 
schaft  des  dichters  bildet  nunmehr  den  gegenständ  der  er« 
Qrterung.  das  blosz  gelehrte  interesse  ist  dem  adlgemein  kttnst- 
lleriseheu  gewichen,  in  dem  wir  uns  alle  begegnen,  zumal  wenn  es 
sich  an  der  geliebten  Persönlichkeit  des  diohtors  bethfttigen  soll,  der 
nns  allen  ins  herz  und  aus  dem  herzen  gesungen  hat.  gleiehwol 
reicht  zur  erschöpfuug  des  gegenständes  auch  eine  solche  wOrdigong 
seiner  individualitftt  nicht  aus.  den  lauf  seiner  gedanken,  den  ström 
seiner  diohtung  bis  an  die  quelle  zu  verfolgen,  ist  ein  gesehttft,  das 
uns  in  die  mitte  seiner  kirnst  versetzt ,  und  ihn  selbsti  die  ganze 
einheitliche  persönlichkeit  verstehen  Ittszt,  aber  wir  sind  ihm  und 
uns  noch  mehr  schuldig.  — 

In  den  werken  eines  dichters  spiegelt  sich  vor  allem  dje  ge- 
sammthftit  eines  nationalen  lebens  ab,  und  wol  ihm,  wenn  er  in 
ein  reiches  und  irisches  Volksleben  gestellt  ist,  damit  sein  genias 
eine  weit  finde,  deren  Widerschein  uns  entztU^en  kann,  aber  er 
empfängt  nicht  nur  das  beste,  was  seine  nation  in  spräche  und 
Sitte,  in  knnst  und  liUeratur  besitzt,  sondern  erweitert  und  vertieft 
die  bildung  seines  Volkes  aus  eigenster  kraft,  das  wort  des  Herodot, 
dasz  Homer  und  Hesiod  den  Griechen  ihre  gStter  g^ben,  mm  von 
jedem  wahrhaftigen  dichter  gelten  und  ist  keineswe^  auf  die  sphSre 
der  religion  zu  begrenzen,  jene  empfingen  von  ihrem  volke  den 
gestaltenbildenden  trieb ,  der  die  natur  in  ein  menschliches  dasein 
umsetzt,  und  schufen  im  schönsten  einklang  mit  dieser  volksmSszigen 
naturanschauung  die  weit  der  olympischen  götter,  in  deren  Verehrung 
Jahrhunderte  gläubig  verharrten«  sie  hatten  eine  charakteristische 
Seite  griechischen  denkens  und  fühlens  erfaszt,  um  sie  der  nation  in 
unendlich  veredelter  gestalt  zurückzugeben,  von  jedem  dichter,  auch 
dem  modernen,  gilt  das  gleiche,  in  einem  weit  höheren  sinne,  aU 


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Ueber  Schillers  verhältuiä  zum  cläääischea  altertum.  271 

wenn  wirblos  an  die  einzelnen,  wie  sehr  auch  immer  vollendeten 
kunstwerke  denken  wollten,  kann  oder  musz  er  vielmehr  den 
schätz  der  nationalen  bildung  bereichern,    das  volk  gibt  ihm  das 
Organ  der  äuszerung,  die  spräche;  und  er  hat  die  pflicbt ,  nur  auf 
ihre  reinsten  klänge  zu  lauschen,  wo  ihn  aber  die  gewalt  und  eigen- 
art  des  geflihles  überkommt,  da  darf  ihm  auch  der  glückliche  mo- 
ment  die  zunge  lösen,  und  er  hat  das  recht,  die  neue  empfindung  in 
ein  neues  gebilde  zu  kleiden,  das  alsbald  zu  allgemeinem  gebrauch 
in  den  bestand  der  spräche  eingeht,  diese  schöpferische  Stellung  be- 
hauptet er  auch  in  dem  reiche  der  ideen  und  anschauungen ,  die  die 
nation ,  der  er  angehört,  in  allen  kreisen  des  lebens,  in  der  familie, 
im  Staat ,  in  der  religion,  in  kunst  und  Wissenschaft  ausgeprägt  hat. 
auch  hier  gibt  er ,  was  er  empfangen ,  geläutert  und  vertieft  zurück, 
dichter  und  philosoph  sind  hier  in  gleicher  oder  doch  ähnlicher  läge, 
aufgezogen  in  der  einheimisohen  fadldung  dernation,  aber  bemüht 
und  gewisz  auch,  wenn  schon  in  verschiedener  art  berechtigt,  die 
Wahrheit  des  gefühls  oder  des  begriffs  zugleich  in  der  fremde  zu  er- 
l^uischeii,  suchen  sie  beide  mit  der  combinatorischen  kraft  des  eigenen 
geistes  aus  der  fremden  bildung  die  nationale  zu  ergänzen  and  setzen 
deutUobere  begnlEe  nnd  richtigere  anschanmigenfttr  die  Wissenschaft, 
neue  weisöi  der  empfindung,  veredelte  gattungen  der  kunst  und 
wirksamere  formen  der  äuszenmg  in  curs ,  die  in  ihrer  gesammtheit 
eine  höhere  cultur  darstellen  und  das  leben  der  nation  oft  auf  Jahr- 
hunderte beherschen.  wer  wollte  nun  verkennen,  dasz  Schiller,  der 
in  der  schärfe  seines  intelleotes  und  der  wttrme  seiner  phantasie 
gleichzeitig  den  beruf  zum  dichter  und  philosopben  besasz,  in  dieser 
höchsten  weise  anf  das  leben  der  nation  eingewirkt  bat?  wohin  wir 
blidken,  sehen  wir  ihn  anf  ungewohnten  Inhnen  wandeln:  in  der 
lyrik  weisz  er  einen  neuen  ton  anzuschlagen,  der  auch  noch  für  die 
tiefsten  Wahrheiten  einen  poetischen  aosdrupk  zu  treffen  vermag, 
9dt  erneuten  anlfiufen  sucht  er  die  aufgäbe  der  tragödie  in  immer 
hiAiaem  einne  zu  lösen,  neue  ästhetische  tbeorien  foiden  von  ihm 
aoagehend  eingang  in  die  deutsche  litteratnr,  in  der  gescbicbtscfarei* 
bmig,  für  weldie  ihm  das  talent  nicht  versagt  war,  stammt  von  ihm 
jene  kühne  richtong,  die  dem  snbjeot  das  recht  einräumt,  den  ge- 
Biehteten  stoff  ans  sich  heraus  znr  geschichte  zu  construieren.  die 
anhabe  des  niodemen  dichtere  findet  nnd  zeichnet  er  mit  ihren  vor- 
teOen  und  mSngehi,  an  ihrem  gegensatz,  und  wo  er  auftritt,  redet 
er  zu  uns  in  einer  neuen  spräche ,  deren  adel  wir  auch  in  der  dtirf- 
tigsten  nachahmung  vernehmen  müssen,  für  diese  bereicherung  des 
geistigen  lebens  unserer  nation  ist  nun  wiederum  seine  beschäftigung 
ndt  der  alten  litteratur  ein  sehr  wichtiger  factor  geworden,   die  er- 
kenntnis  dessen,  was   an  griechischen  elementen  durch 
seine  Vermittlung  in  das  geftihls-  und  gedankenleben 
unseres  volkes  eingedrungen  und  in  demselben  sich 
festgesetzt  hat,  ist  mithin  der  dritte  und  letzte gesichtspunct, 
von  dem  sich  unsere  betrachtung  leiten  lassen  könnte,  zwar  nicht 


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272        Ueber  Schülers  Terbältois  sum  claasischen  altertam. 

allein,  aber  doch  namentlich  auch  durch  seine  Wirksamkeit  bat  das 
deutsche  volk  eine  einsieht  gewonnen  in  das,  was  man  die  Wahrheit 
griechischen  geistes  nennen  kann,  weil  es  für  alle  zeit  gelebt,  gedacht 
und  empfunden  ist,  hat  dann  in  dieser  Wahrheit  sich  selbst  veredelt 
und  veijüngt,  manche  nationale  Verschiedenheit  und  noch  mehr  ge- 
meinsamkeit  au^fimden,  und  ist  auf  diesem  wege  zu  einem  klareren 
bewusztsein  seiner  selbst  gelangt,  dürfen  wir  aber  unsere  bekannt- 
Schaft  mit  den  griecben  und  diese  bereicherung  unseres  eigenen  ass 
dem  hellenischen  leben  aaeh  aof  Schillers  thätigkeit  zorOckfOhrea, 
80  wird  bei  einer  darstellung  seiner  classischen  Stadien  auch  dessen 
zu  gedenken  sein,  welche  antiken  bestandteile  unsere  nationale  cultnr 
durch  seine  mittlerschaft  in  sich  aufgenommen  hat.    eine  soldi» 
kritik  unserer  cnltar  —  denn  diese  wird  jetzt  statt  des  einzelnen 
kunstwerks  einer  seigliederang  unterworfen  —  richtet  sidi  ebah 
deshalb,  weil  es  unsere  cultur  ist,  an  das  nationale  intoweec 
kann  doch  nttchst  der  pflicht,  sich  gegen  fremde  unterdrtlckung  19 
schütsen,  eine  nation  keine  würdigere  aufgäbe  finden,  als  sidi  iknr 
selbst  bewusxt  sn  werden,  und  Sa  dasein  als  ein  durch  bestinunke 
«nflttsse  gewordenes  zu  begreifen.  —  So  sehe  ich,  wie  mich  der 
gegenstsad  dieser  betrachtung  auf  drei  Tersohiedenen  wegen  an  drei 
venchiedenen  sielen  fahren  würde,  aber  indem  ich  die  ausdehmog 
dieser  wege  überblicke,  darf  ich  mir  Ihre  begleitung  auch  nur  fü 
einen  derselben  nicht  erbitten,  Tielmehr  werde  ich  mit  ausdrHA- 
lichem  yerzicht  auf  jede  wissensdhafUiobs  yollstSndigkeit,  mich  dl^ 
auf  beschrSnken  müssen,  nach  onem  kurzen  hin  weis  auf  die  haupt- 
sftchlichsten  data  aus  dem  verlaufe  von  Schillers  Studien,  den  gehalt 
antiker  ideen  in  seinem  poetischen  nachlasz  zu  ermitteln  und  ihre  in 
unserem  litteraturleben  nachwirkende  kraft  mit  wenigen  w<Hrten  an- 
zudeuten. — 

Die  sitte  der  zeit  Hess  ihn  zuerst  und  zwar  wShrend  seines  auf* 
enthaltes  zu  Ludwigsbnrg  und  in  der  akademie  &8t  ausschlieszliclk 
mit  den  Römern  bekannt  werden,  wenigstens  die  griechischen 
originale  blieben  ihm  beinahe  ganz  verschlossen,  seine  kenntnis  der 
griechischen  spräche  kann  nur  gering  gewesen  sein,  kaum  dasz  einmal 
in  anerkennender  weise  seiner  griechischen  lectüre  gedacht  wird,  ans 
dem  Plutarch  konnte  er  freilich,  da  ihm  nur  die  Übersetzung  bekannt 
ward,  weder  des  fremden  idioms  noch  des  antiken  geistes  herr  wer- 
den, in  dem  Studium  dieses  historikers,  der  auch  der  lieblingssehrift- 
steller  seines  ersten  tragischen  beiden  werden  muste,  klärten  und 
befestigten  sich  einzig  die  anschauungen,  die  er  auf  directerem  wege 
über  die  römische  weit  aus  römischen  Schriftwerken  ziehen  konnte,  der 
römischen  prosa  wird  nirgends  als  eines  gegenständes  seiner  schul- 
lectüre  gedacht,  ohne  dasz  wir  zu  der  annähme  berechtigt  wären,  sie 
habe  wirklich  nicht  dem  kanon  jener  lectüre  angehört,  zwar  behaupte- 
ten, wie  damals  überall,  so  auch  auf  der  Ludwigsburger  lehranstalt 
und  der  schwäbischen  fiirstenschule  die  dichter  den  ersten  platz,  aber 
es  läszt^ich  leicht  nachweisen,  dasz  er  mit  dem  besten,  was  dieröm« 


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üeber  Schillers  yerhältniB  zum  clABflischen  altertnm.  273 

litteratur  auf  dem  gebiete  der  geschichtschreibimg  geleistet  hat,  wol 
vertraut  geworden  ist.  im  21.  lebensjahre  erkannte  er  dem  Sallust  die 
palme  zu  und  wählte  aus  ihm  das  wort,  welches  uns  mit  dem  hin- 
weis  auf  die  kürze  des  lebens  gemahnt,  ein  dauerndes  gedächtnis 
unseres  namens  zu  stiften,  um  es  einem  Jugendfreunde  ins  Stamm- 
buch zu  schreiben,  sowie  das  motto,  welches  die  Mannheimer  ausgäbe 
des  Fiesko  in  die  weit  hinaus  begleiten  sollte,  und  wie  er  dem  röu- 
ber  Moor  nur  die  eigene  begeisterung  für  die  groszen  menschen  des 
Plutarch  andichten  konnte,  so  würden  sich  auch  in  den  papieren  des 
Don  Carlos  schwerlich  abgerissene  gedanken  aus  dem  Tacitus  ge- 
funden haben,  wenn  der  dichter  den  Tacitus  nicht  aus  eigner  lectüre 
gekannt  und  geachtet  hätte,  dasz  er  den  Livius  später  aus  reinem 
forminteresse  und  mit  vielem  vergnügen  las ,  teilt  er  Körner  selbst 
mit;  immerhin  aber  nimmt  die  lectüre  römischer  prosa  in  seinem 
späteren  loben  mehr  die  stelle  für  einen  bestimmten,  zuweilen  sogar 
höchst  praktischen  zweck  ein.  er  bedient  sich  der  Schriften  des 
Caesar,  Tacitus,  Sueton  als  notwendiger  geographischer  und  geschicht- 
licher Zeugnisse  in  den  Vorbemerkungen  zur  gescbichte  des  abfalls 
der  Niederlande  und  gedenkt  für  seinen  väterlichen  Ijeruf  sich  eine 
direete  belehrung  aus  Quintilian  zu  erholen,  aber  die  lateinische 
schule,  welche  ihren  naraen  mit  der  that  führte,  hatte  ihn  von  vorn- 
herein in  einen  guten  contact  mit  der  römischen  litteratur  gesetzt,  es 
bleibt  gewis,  dasz  er  auch  die  römische  prosa  zu  jedem  gebrauch  für 
lebenszeit  beherrschte,  tiefer  noch  hat  er  sich  in  die  römischen 
dichter  hineingelesen.  er  ward  mit  Horaz  bekannt,  ohne  zunächst  in 
dar  Batten  Zufriedenheit  und  dem  unstreitigen  aber  begrenzten  talente 
dieses  dichtere  einen  vollen  zusammenklang  mit  der  eignen ,  rastlos 
strebenden  natnr  sa  finden  oder  aneh  nur  die  metrisdie  techjiik  des- 
selben in  mehr  als  zwei  Tmaeiheii  naehsnahmen,  doeb  ergänzte  er 
später  m  derselben  seit,  ak  er  aiöh  in  die  komOdie  nnd  aatire  der 
BOmer  einlebte,  die  Horadscben  Stadien  durch  die  lectüre  der  briefe, 
ftr  welche  ihm  Wieland  ein  berafener  Wegweiser  wurde,  und  schäiat 
die  Horaasobe  oorreetbeit,  die  er  in  den  güttem  Oriedienlands  er- 
feieht  zu  haben  glanbt.  er  las  femer  schon  als  schtller  mit  entsehie- 
deaer  neigung  den  Ovid,  zog  ans  ihm  die  erste  kenntnis  der  mytho- 
Icgie  und  verwertete  sie  in  der  dramatisierten  lyrischen  operette 
Semele,  er  fand  endlich  eine  erste  wahrhafte  belnedigung  in  der 
Aeneide,  zu  der  er  später  wiederholt  ans  rein  künstlerischem  inter- 
osse  snrttekkehrte,  und  mit  der  jene  formbildende  ttbersetzongs« 
arbeit  aiihebt,  die  ihn  yon  Mhen  und  kleinen  anfingen  aus  —  sie 
beginnt  mit  dem  'stürm  auf  dem  iyrrhener  meer'  im  j.  1780  und 
wurde  1789  mit  Bürger  um  die  wette  geflbt  —  zuletzt  auf  die  höhe 
fener  'wunderbar  klaren  octaven'  stellte,  in  denen  er  sich  der  spräche 
und  des  geistes  der  fremden  di<^tang  vollkommen  sicher  z^^  — 
Und  hier  ist  es  auch,  wo  wir  uns  der  geeammten  einwirkung,  £e  die 
rGmische  litteraturwelt  auf  Schiller  gefibt,  am  leichtesten  bewuszt 
werden  können,  denn  in  dem  stadinm  Virgils  laufen  in  der  that  die 


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274       Ueber  Schillers  Terhältois  zum  clasBischeii  altertam. 

beiden  durchaus  verschiedenen  richtungen  zusammen,  durch  welche 
seine  beschäftigung  mit  der  römischen  geschichte  und  litteratur  für 
ihn  von  bedeutung  geworden  ist.  es  sind  zunächst  nur  wenige,  aber 
sehr  deutlich  heraustretende  ideen,  die  er  von  hier  empfing,  auch  ist 
ihr  einflusz  nicht  sowol  eine  bereicherung  seines  inneren  lebens  zu 
nennen;  vielmehr  wurde  das,  was  durch  die  anläge  der  natur  und 
den  geist  der  zeit  bereits  zu  bestimmten  charakterzügen  in  ihm  aus- 
gebildet war  und  sein  sinnen  und  denken  erfiillte ,  durch  die  an- 
schauung  der  römischen  Vergangenheit  nur  bestärkt,  gereinigt  und 
abgeklärt,  wenn  gefUhle  und  ideen,  in  denen  wir  getrieben  durch 
innere  impulse  oder  durch  die  forderungen  unserer  zeit  mit  vorüebe 
verweilen,  an  concentrierter  innigkeit  alle  litterarischen,  überhaupt 
alle  mittelbaren  eindrücke  überbieten,  so  ersetzen  diese  durch  die 
klarheit  der  gestaltung  und  die  unbewegte  ruhe,  mit  der  sie  uns 
entgegentreten ,  was  ihnen  an  inbrunst  abgeht,  zu  dieser  macht  des 
geschehenen  tritt  aber  hier  noch  die  einfachheit  und  geschlossenheit 
antiker  Verhältnisse  und  individualitäten  hinzu,  die  eine  ganz  andere 
bpiache  zu  unserem  herzen  reden  als  die  zusammengesetzten  Charak- 
tere und  verwickelten  Interessen  der  modernen  zeit.  00  erklärt  sich, 
dasz  die  erscheinungen  der  römischen  und  heroischen  weit,  die  flir 
Schiller  zusammenfielen,  dem  jüngling  mit  der  kraft  von  idealen 
vorschwebten,  wenn  wir  anders  diese  bezeichnung  verwenden  wollen, 
wo  immer  ideen  sich  in  personen  verkörpert  und  in  bestimmten  Zei- 
ten verwirklicht  haben,  weldies  die  ideen  gewesen ,  die  ihn  an  das 
heroisoli-rOimMhe  daaein  ftsadten,  ergibt  sioh  bei  einer  analjse 
seiner  geistigen  totalittt  die  mitgill  seiner  nator  ist  hier  zu  seliei- 
dmt  Ton  den  zeitbehersehenden  ideen,  die  er  in  deh  anfiialim  ud 
seiner  Persönlichkeit  assimilierte,  in  seinem  naturell  tritt  nmi  so- 
gleich die  anf  hohe  siele  gerichtete  Sinnesart  hervor,  unkk»  Uber 
das  gewöhnliche  sich  flberall  mit  bewnsster  kOhnheit  empoihebt 
ist  doch  dieser  zag  snm  erhabenen  spSter  in  dem  messe  der  gnmd- 
ton  seiner  diditung  geworden»  dass  er  vielleicht  gerade  ckwwegtti 
der  besonderen  formen  entbehren  konnte,  weide  sidi  diepoesie 
der  erhabenheit  zu  geben  pflegt,  zu  dieser  hohen  ftthl-  imd  denkart 
tritt,  wie  Gervinos  sich  aosdrflckt,  der  sinn  Air  das  hand^de  leben, 
die  sehnsudit  nach  aussen,  nach  kenntnis  der  wdt,  nach  sdiaffeiidsr 
thfttigkeit.  man  könnte,  glanbe  ich,  am  kürzesten  sagen  ^diethatsa- 
irende%  weil  sich  in  diesem  begriffo  genau  so,  wie  ee  bei  Sduller 
der  fidl  war,  das  streben  nach  eigner  thfttigkeit  mit  dem  Bsihtki- 
sehen  wo^fidlen  an  fremder  handlung  zusammen  denken  Hut 
gewis  schössen  diese  beiden  triebe  in  Sdüllers  natnr  aus  demelhiB 
wurzd  auf  y  aus  dem  gelBhle  der  eignen  kraft  und  tOditigkeit,  wel- 
ches das  Vorrecht  groszer  mBnner  ist.  aber  sie  bleiben  darum  doeh 
verschieden,  denn  dort  ihssen  wir  das  siel  seines  strebens»  Uor 
seine  lust  am  streben  ins  aoge,  und  wShrend  dort' das  strebtn 
auch  als  ein  bloez  ideelles  denkbar  wäre  und  allein  in  empfindongen, 
gedanken  und  entworfen  verlanüsn  könnte,  ist  es  hier  gerade  die 


Ueber  Schillers  verhältais  zum  claaaiBcliea  altertum.  275 

freude  an  dem  zur  that  gewordenen  eigenen  und  fremden  willen,  die 
ein  kennzeichen  seiner  begabung  bildet,   so  geartet  trat  Scbiller  in 
eine  zeit  ein,  die  die  rückkehr  zur  natur  und  eiufachbeit,  den  bruch 
jeden  zwanges ,  die  äuszerste  freiheit  für  alle  formen  des  lebens ,  für 
die  entwicklung  des  einzelnen,  die  geselligkeit ,  die  religion  und 
namentlich  die  politik  forderte  und  gerade  da  am  lautesten  forderte, 
wo  SchUler  seine  Jugend  verlebte,  und  der  druck  am  meisten  empfun- 
den wurde,  diese  freiheitslust  stärkte  sich  an  dem  widerstände,  der 
ihr  begegnete,  und  hiesz  thatkraft  und  Charakterstärke  überall  und 
in  jeder  gestalt  willkommen,   im  einzelnen  nahm  sie  dann  den  ge- 
bieten entsprechend ,  auf  denen  sie  sich  äuszerte ,  besondere  formen 
an  und  tritt  bald  als  religiöse  toleranz,  bald  als  republikanischer 
trotz,  der  keinen  despoten  und  keine  bevorzugten  stände  verträgt, 
endlich  aber,  wo  sie  das  joch  der  menschheit  und  die  fesseln  des 
jahrbunderts  brechen  will,  als  eine  art  von  verjüngtem  heroi^^mus 
auf,  denn  den  heroen  wohnte  ja  eben  diese  tüchtigkeit  ein,  das  volk 
vom  Ungemach  zu  befreien  und  eine  neue  cultur  aus  eigener  kraft 
beranfzuführen.  —  Mit  diesem  empfindungsinhalt,  der  teils  aus  der 
eignen  brüst  quoll,  teils  von  auszen  hineinströmte,  lernte  Schiller 
düi  «Itea  Heroen  und  die  Römer  kennen,  er  fand  hier  in  klarer  be- 
stimmtheit,  was  in  ihm  lehte,  zunächst  die  heldengrOase  über- 
banpt,  die  Ittr  die  hOoIuten  gUter  der  menaebhdt  die  hOelialeB  apfer 
briagt  de  trat  ihm  in  den  mnatem  des  Plntarch  entgegen  nnd  gab 
ilun  den  gedanken  an  einen  dentsehen  Plntarch  ein,  an  dem  er  auch 
ia  spiteren  jaliren  mit  Torliebe  festhielt,  als  ein  soMes  von  home* 
riMliem  geiste  freilich  weitentfemtes  heldenideal  stellt  er  Hektor  in 
den  bekannten  liede  dar«  das  suerst  in  die  ilnber  eiiigeUgt  wurde, 
er  fand  sodann  bei  den  BOmem  jenen  repablicaniscben  frei- 
beitsdnrst,  der,  um  sich  in  genügen,  anch  das  band  swisdien 
nter  nnd  söhn  serschneidet,  nnd  Yerhexrliohte  ihn  in  dem  Bömer- 
^og  des  Bmtns  nnd  Caesar,  an  dm  sich  der  rftuber  Moor  erfrentj 
«r  iiuite  dann  die  mit  soldiem  sinne  gepaarte  tngendstolze 
strenge  altrOmischen  wesens  auf  nnd  schuf  ans  ihr  die  ge- 
stalt des  Yenina,  eines  zweiten  Yurginins,  sogar  die  Inst,  nch  in 
liehen  tOnen  vernehmen  zu  lassen,  das  römisch-rhetorische 
Pathos  fand  eingang  in  seine  spräche,  er  qn>&F^tiu8ierte  überhaupt 
mit  dem  erhabnen  Stoffe  der  römischen  gesohichte,  die  den  an- 
bhfik  einer  nngehenien,  wd  höchste  ziele  gerichteten  kraftanstren- 
gung  gewährt,   daher  die  fortgesetzten  bis  in  die  briefe  Uber  Don 
Carlos  und  den  Wallenstein  hineinspielenden  reminiscenzen  aus  der 
römischen  geschiohta,  daher  endlich  die  noch  im  jähre  1802  mit  leiden- 
schaCtlicher  wttrme  gegen  Humboldt  geäuszerte  absieht,  in  höheren 
lebtnigahren,  wenn  ihn  das  feuer  der  dichtkunst  verlassen  sollte, 
«ine  gesohichte  Roms  zu  schreiben,  freilich  mochte  damals  den  drsr 
inatischen  dichter  auf  der  höhe  seiner  entwicklung  nicht  die  blosse 
erbabenheit  des  Stoffes,  sondern  gerade  die  dramatische  kraft  dieser 
gMchichte  ansiehn.  gleidiwol  dürfen  wir  auch  ans  jener  jagend- 


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276       Ueber  Schülers  yerbältois  sam  olaBsiBcben  altertum. 

bekanntschaft  mit  den  römern  einen  einflusz  auf  seine  spätere  dra- 
matische laufbahn  herleiten,  wohnte  ihm  auch  von  natur  jene  freude 
an  dem  handeln  der  menschen  ein,  so  muste  doch  gerade  diese  rich- 
tung  seines  gemütes  sich  in  der  anschauung  der  römischen  volksart 
befestigen,   hier  trat  ihm  zum  ersten  male  geschichte  und  zwar  die 
geschichte  des  volkes  entgegen,  das  wie  kein  anderes  seinen  beruf 
im  handeln,  nicht  im  erkennen  sah  und  sein  dasein  mit  einer  wahr- 
haft weltbewegenden  thätigkeit  ausfüllte,    sollte  es  nicht  erlaubt 
sein,  wenn  auch  nicht  den  keim,  so  doch  wenigstens  die  entwicklung 
jenes  politisch-historischen  Interesses,  das  wir  sobald  an  ihm  wahr- 
nehmen, auf  dies  sein  erstes  historisches  studium  zurückzuführen? 
zum  dramatischen  dichter  konnte  es  ihn  nicht  machen,  denn  der 
dramatische  wird  wie  der  dichter  überhaupt  geboren,  aber  dazu 
konnte  es  ihn  bestimmen ,  dasz  er  seine  dramatischen  stoffe  von 
Fiesco  an  mit  einer  einzigen  ausnähme  ans  den  groszen  ereignissen 
der  Weltgeschichte  entnahm,   er  hat  damit  der  deutschen  tragödie 
ihren  weg  gezeigt,  nicht  den  einzigen,  aber  den  höchsten,  auf  dem 
sie  wandeln  kann,  mit  richtigem  gefühl  erkannte  er  seine  fundstätte 
in  den  begebenheiten ,  mit  denen  ein  neuer  abschnitt  der  Welt- 
geschichte beginnt,    die  Vergangenheit  ist  an  sich  selbst  idealisiert 
und  gleich  dem  mythus  poetisch  zurecht  gemacht;  das  stojBniche 
interesse  weicht,  sobald  wir  das  handeln  der  menschen  in  den  käm- 
pfen entschwundener  zeiten  betrachten,   und  so  ist  es  ganz  richtig, 
dasz  wie  er  selbst  sagt,  im  leben  untergeben  musz,  was  im  gesange 
unsterblich  fortleben  soll.  —  Wenn  jene  neubelebung  heroischer 
und  altrömischer  denkart  in  der  litteratur  nicht  stand  gehalten  hat, 
ja  sogar  auf  abwege  fuhren  konnte ,  so  liegt  in  diesem  verfahren 
Schillers,  die  tragOdie  aus  historischem  stofif  zu  bilden,  und  in  der 
Stetigkeit,  mit  der  er  es  übt,  thatsSchlich  eine  förderung  unseres 
litteratorlebens,  der^  wir  uns  als  seines  Verdienstes  aus  nationalem 
interesse,  nicht  bloss  aus  dankbarkeit  gegen  den  abgeschiedenen  be- 
wttszt  werden  müssen.  — 

Die  behauptnng,  dasz  in  der  lectüre  der  Aeneide  die  beiden 
einwirkungen  seiner  bekanntschaft  mit  derrümischen  üämtor  ni- 
sammenlaufen,  ist  aber  bis  jetst  nnr  znr  hfilfte  bewiesen,  er  ftad 
dort  eme  grosze,  folgenreiche  begebenheit,  er  fand  die  epische  gai- 
tnng,  für  die  er  spftter  wenigstens  die  glfloUiohsten  entwtbfe  ersum, 
et  fend  endlich  einen'  beiden,  der  die  römischen  stammtogenden  in 
sich  vereinigt,  dies  macht  in  der  that  die  gesammtheit  ideeller  an- 
regnng  ans,  die  er  aus  dem  Bömertum  zog,  aber  wir  hOren  ancfa,  dasz 
er  mit  eifer  nnd  s^Onstem  erfolg  zwei  bücher  der  Aeneide  fibmebt.^ 
und  80  mag  es  denn  hier  gesagt  werden,  dasz  die  bildnng  seines 
sprachlichen  augdmcks  auch  durch  die  achnlnng  der  ktc^iiseheii 
spräche  bewirkt*  ist.  die  anfinerksamkeit,  welche  die  fi!emde  form 
erfordert,  macht  die  Übung  derselben  zum  wirksamsten  büdungs« 
mittel  für  den  stil  in  der  mnttersprache.  hatte  nun  Schiller  durch 
die  allseitig  bezeugte  gewandtfaeit,  mit  der  er  latonisch  schrieb,  und 


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Ueber  Schülers  yerhältius  zum  claaslichen  altertam.  277 

durch  den  erfolgreiehen  beirieb  lateinischer  versification  sein  dar- 
BteUendes  talent  bereits  in  entschiedenster  weise  gefördert,  BO  liess 
er  demselben  in  jener  mühevollen  übersetzunggarbeit  eine  neue,  noch 
(iirectere  hilfe  angedeihn.  Durch  sie  lernte  er  mäszigung  und  gedald, 
die  seiner  überschwftnglichen  und  unruhigen  diktion  nicht  anders  als 
höchst  förderlieh  werden  muste.  — 

£s  lüge  am  nttdiaten,  yon  hier  aus  sogleieh  seiner  ttbersetsungen 
griediifldier  poesien  su  gedenken,  wenn  nicht  Tor  allem  das  gestBnd- 
ms  TorausKusehioken  wttre,  dasz  er  in  der  rdm.  geschickte  und  Utte« 
ratnr  wol  maonichfaohe  anregung  finden,  aber  keineswegs  des  geistes 
der  antiken  diohtkunst  inne  werden  konnte,  der  antike  lebensgehalt 
BtoUt  fkäi  in  dem  griechisehen  yolke  dar  und  konnte  darum  den  Unter- 
gang das  selbstBndigen  griechischen  Volkslebens  nicht  lange  über- 
dioeni.  so  bleibt  es  denn  fireillch  wahr,  dasz  er  wfthrend  desjenigen 
lebeosabsdinittes,  in  welchem  der  Unterricht  für  gewöhnlich  zum 
abscfaliisz  gelangt,  eine  kenntnis  der  Griechen  nicht  erlangt  hat. 
nur  das  iSszt  sidi  fragen ,  ob  dies  wirldich  zu  beklagen  ist,  oder  ob 
es  nicht  yielmehr  ^e  glttckliche  fügong.  war,  die  i^  zunAchst  aus- 
BcUiesilich  mit  den  werken  modemer  dichter  in  berOhrung  brachte 
—  denn  auch  in  den  BOmem  lebt  modernes  bewusztsein  —  um  ihn 
dann  desto  sicherer  den  gegensatz  zu  seiner  bisherigen  lebensrich- 
tuig  ae^Ewsen  zu  lassen,  der  sich  fttr  ihn  in  dem  hellenismus  auf- 
thafc,  —  Wir  werden  uns  durch  den  hervorstechenden  gebrauch 
mythologischer  bezeichnungen  auch  in  den  gedichten  der  1.  periode 
nicht  bestimmen  lassen,  seine  bekanntschaft  mit  den  Griechen  frUher 
ZQ datieren,  als  die  ausdrücklichen  Zeugnisse  erlauben,  welche  den 
beginn  derselben  in  die  zeit  seines  aufenthalts  in  der  Lengefeldscben 
familie  und  des  ersten  Verkehrs  mit  Wieland  setzen,  eine  äuszer- 
liche  kenntnis  der  mytbologie  hatte  er  aus  Ovid  gezogen ;  in  der 
that  aber  haftet  gerade  jener  ersten  verliebe  für  mythologische  dik- 
tion eine  gewisse  äuszerlichkeit  an,  die  sich  sehr  deutlich  von  der 
sinnvollen  auffassung  unterscheidet,  mit  der  er  später  den  gedanken 
ffijtliisch  einzukleiden  versteht,  dürfen  wir  aber  hiernach  den  aus- 
gangspunct  seiner  griechischen  studien  in  das  jähr  1787  verlegen,  so 
üiüisen  wir  in  der  that  über  die  Schnelligkeit  erstaunen,  mit  der  er 
^ter  dem  fremden  himmel  und  auf  dem  neuen  poetischen  boden 
feich  heimisch  fühlte,  zumal  wenn  wir  bedenken,  dasz  er  von  haus 
aus  den  alten  nicht  durchaus  gleichgeartet  war  und  namentlich  die 
an  Goethe  wahrnehmbare  antike  fähigkeit,  die  dinge  in  ruhe  auf 
sich  wirken  zu  lassen,  nicht  besessen  hat.  gestand  er  doch  später 
selbst,  dasz  ihn  Homer  und  Shakspeare  gerade  deshalb  anfangs  nicht 
befriedigt  hätten,  weil  er  sich  in  ihrer  darstellung  der  personen  und 
ereigaisse  vergeblich  nach  dem  mitgefühl  des  dichters  umgeschaut 
habe.  >-  Aber  die  Schnelligkeit,  mit  der  er  trotzdem  diesen  poeti- 
sehen  Umschwung  in  sich  vollzog ,  ist  nicht  das  einzige  phänomen, 
^em  wir  auf  dem  gebiete  seiner  griechischen  *  Studien  begegnen, 
vuaderharer  noch  erscheint  das  Verhältnis,  in  welches  hier  die 


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278 


Ueber  Schülers  Terhftlims  sum  dassischen  altertom. 


geringfÜgigkeit  der  Diittel  zu  der  gediegenheit  seiner  erkenntnis 
tritt,  jene  fthigkeit,  die  ihn  auch  bei  beschränktem  stoffe  eine  sehr 
vielseitige  weltansicht  gewinnen  liesz,  findet  Humboldt  gerade  in 
der  art  und  weise  bestätigt,  mit  der  er  sich  den  geist  der  antiken 
dichtung  aneignete,  seine  bekanntschaft  stützte  sich  auf  einen 
mäszigen  umfang  der  lectüre  und  vor  allem  fast  ausschlieszlich  auf 
Übertragungen,  die  dem  Verständnis  des  Originals  gewöhnlich  um  so 
gefährlicher  werden,  je  mehr  sie  nach  eigener  künstlerischer  Vollen- 
dung streben,  gleichwol  faszte  er  bald  genug  das  wesen  antiken 
lebens  und  Schaffens  in  immer  feineren  linien  auf  und  liesz  sich  auch 
über  diese  wissenschaftliche  erkenntnis  hinaus  in  seiner  poetischen 
thatigkeit  von  griechischen  ideen  bestimmen.  —  Wer  gerecht  urteilen 
-svill,  darf  Schillers  aneignung  des  alterturas  nicht  an  der  wesentlich 
verschiedenen  Goetheschen  reproduction  antiker  gattnngen  messen, 
denn  was  bei  Goethe  eine  folge  seiner  angeborenen  naiven  lebens- 
anschauung  war  und  sich  als  ein  gleichsam  unbewuszter  und  dämm 
müheloser  act  vollzog,  wurde  für  Schiller  allerdings  eine  arbeit  des 
geistes,  deren  schnellen  und  glücklichen  verlauf  wir  eben  bewun- 
dern müssen,  jener  tauchte  sich  bei  der  beschäftigung  mit  den 
alten  nur  in  sein  eigenes  dement,  und  dichtete  aus  dem  ganzen  und 
vollen  des  antiken  geistes  heraus,  dieser  muste  sich  ihn  zum  besitz 
erringen  und  faszte  ihn  mehr  von  auszen  her  in  die  mitte  vorrückend 
mit  aller  schärfe  in  seinen  einzelnen  Seiten  und  bestimmungen  auf. 
Die  götter  Griechenlands,  mit  denen  er  seine  griechischen  studien 
seinen  lesem  ankündigte*,  bestätigen  alles,  was  zur  Charakteristik 
jener  studien  gesagt  werden  konnte:  zunächst  das  von  Humboldt 
bemerkte  vermögen ,  mit  geringer  hilfe  sich  in  eine  fremde  Sphäre 
hineinzufinden,  denn  sie  entstanden  bald  nach  dem  beginn  der  neuen 
lectüre  und  beweisen  dennoch,  dasz  er  die  griechische  weltaufassung 
in  einer  bestimmten  beziehung  richtig  erfaszt  hat,  sodann  bestätigen 
sie  auch  den  zwischen  ihm  und  Goethe  auf  diesem  gebiete  bestehen- 
den unterschied,  denn  sie  sind  durchaus  kein  eigentlich  aus  dem 
antiken  geiste  stammendes  product,  vielmehr  bleibt  dieser  dem  ge- 
mixte fem  und  fremd,  und  es  wird  ihm  eben  nur  als  einem  für  den 
dichter  entschwundenen  gute  nachgesungen,  endlich  aber  ist  es  doch 
auch  hier  nur  eine,  allerdings  die  wichtigste  seite  dieses  geistes,  in  die 
der  dichter  eingeht,  nemlich  die  äuszerung,  die  er  sich  auf  dem  gebiete 
der  religion  gegeben  hat.  der  dichter  feiert  die  griechische  religion 
als  religion  der  Schönheit,  die  vermöge  des  regsten  wechselverhält- 
nisses  ebenso  sehr  das  leben  der  menschen  künstlerisch  zu  gestalten 
und  den  menschen  zu  vergöttlichen  vermöge ,  wie  sie  selbst  umge- 
kehrt in  der  kunst  ihr  vollkommenstes  dasein  hatte  und  die  götter 
an  die  menschen  heranrückte,  dieser  preis  schlieszt  einen  angriff  auf 
die  religion  der  Wahrheit  ein,  die  in  der  von  der  vemunft  geforderten 


*  über  die  erste,  etwas  voraafliegonde ,  äuszere  Veranlassung  de» 
gedichtes  8.  Hirzel  p.  17 — 19. 


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Uaber  Schillert  Terhftltiiis  Bmn  ckiriichen  altertmn. 


279 


einheit  Gottes  ausgeprägt  ist.  eine  solche  einzig  der  Wahrheit  die- 
nende gottesverehrung  habe  nur  die  natur  entgöttem,  und  die  heiter- 
keit  des  leben s  durch  düstere  Vorstellungen  vom  tode  trüben  können, 
ohne  doch  für  den  Verlust,  den  gelühl  und  phantasie  erlitten,  unsere 
Vernunft  mit  der  Wahrheit  selbst  zu  entschädigen ,  die  uns  nun  ein- 
mal im  irdischen  leben  versagt  sei.  so  nimmt  die  ausftihrung  der 
Ideen  namentlich  in  der  ursprünglichen  gestalt  der  dichtung  einen 
polemischen  Charakter  an,  während  sich  aus  dem  bewustsein,  dasz 
die  polytheistische  religion  und  die  mit  ihr  verbundene  poetische 
lebensanschauung  unwiederbringlich  dahin  ist,  die  elegische  grund- 
Btimmung  des  gedichtes  erklärt,  wer  könnte  verkennen,  dasz  mit 
diesem  gesange  die  christliche  religion,  wie  sie  durch  confessionelle 
anffassung  und  eine  bestimmte  zeitrichtung  geformt  war,  in  offener 
weise  bekämpft  wird?  aber  wer  möchte  auch  in  dieser  poesie  über- 
haupt eine  dogmatische  absage  und  nicht  vielmehr  die  aus  dem 
munde  des  überraschten  dichters  strömende  begrUszung  der  schön- 
sten weit  erblicken,  die  je  gewesen  istV  und  es  ist  nicht  die  blosze 
begeisterung ,  die  uns  in  diesem  grusze  rührt,  er  ist  wirklich  voll 
der  tiefsten  lehren,  dasz  in  unseren  religionsgebräuchen  unsere 
sinne  ganz  vergessen  werden  und  dasz  die  bildung  der  sinne  doch 
auch  eine  bildung  des  menschen  als  eines  vernünftig- sinnlichen 
Wesens  ist,  dasz  dort  die  kunst  die  würdigste  Stellung  einnahm, 
während  sie  bei  uns  gar  oft  in  schmähliche  dienste  tritt,  dasz  dort 
die  ungebundene  natur  und  jeder  Vorgang  des  täglichen  lebens  die 
menschen  an  die  götter  gemahnte,  während  bei  uns  die  strenge 
Scheidung  von  schöpfer  und  geschöpf  auch  eine  kluft  zwischen  dem 
dienste  gottes  und  der  weit  befestigt;  dasz,  wie  Hoffmeister  sagt, 
der  Wahrheit,  dem  verstände  und  der  Vernunft  nichts  entzogen  wird, 
wenn  wir  der  Schönheit,  der  einbildungskraft  und  dem  gefUhle  ihr 
recht  geben,  das  alles  sind  Wahrheiten,  die  wol  damals  in  ihrem  poe- 
tischen gewande  dem  misverstande  ausgesetzt  waren  und  ein  sehr 
lebhaftes  litterarisches  für  und  wider  bewirken  konnten,  aber  darum 
doch  in  voller  gültigkeit  bestehen  und  unser  volk  noch  heute  zur 
pflege  der  kunst  aufrufen,  in  der  es  so  lange  zurückbleibt.  — 

Reiner  noch,  weil  befreit  von  aller  leidenschaft,  und  in  den  grö- 
sten  umrissen  wird  die  bildungsaufgabe  der  kunst  in  den  künstlem 
dargestellt,  einem  von  Sch.  mit  unermüdetem  fleisze  durchgeführten 
und  durch  die  treuste  mitarbeit  Körners  ausgefeilten  gedichte.  die 
kunst  ist  es,  die  den  menschen  von  dem  Wohlgefallen  an  der  bloszen 
Symmetrie  natürlicher  gestalten  zur  Veredlung  seines  lebens  in  der 
familie,  zum  dienste  gottes  und  der  höchsten  ideen,  sowie  zu  einem 
immer  planmäszigeren  schaffen  und  zu  einer  milden  totalansicht  des 
lebens  geführt  hat.  wol  ist  sie  nach  ihrer  schönsten  Wirksamkeit  in 
einen  langen  Schlummer  versunken,  aber  von  osten  hereinziehend 
hat  sie  sich  im  abendlande  verjüngt  und  wird  segen  stiften,  so  lange 
ihre  jünger  beherzigen,  dasz  die  würde  der  menschheit  in  ihre  bände 
gegeben  ist.    weil  die  Zeichnung  des  berufes  der  kunst  im  steten 


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280       Üeber  Schillers  Yerhältiii8  sum  classuchen  altertum. 

hinblick  auf  ihre  Verwirklichung  bei  den  griechen  entworfen  ist,  füh- 
ren wir  auch  dies  gedieht  unbedenklich  auf  seine  bekanntschaft  mit 
der  griechischen  dichtung  zurück,  spiegelte  sich  doch  der  ganze  ver- 
lauf seiner  entwicklung  in  seinen  poesion.  —  Daher  konnte  Gervinus 
mit  gutem  rechte  sagen ,  dasz  wenn  Schiller  in  jenem  gedichte  die 
kunst  als  den  eigentümlichen  besitz  des  menschen  besonders  darum 
preist,  dasz  sie,  ahnend  und  im  symbol,  das  reich  der  erkenntnis 
und  bitte,  der  Wahrheit  und  tugend  spielend  eröffnet,  dies  gerade 
seiner  eigenen  erfahrung  entnommen  war,  der  eben  in  ein  bewusztes 
leben  erneuter  Sittlichkeit  und  vernunftthätigkeit  eingehn  wollte 
und  durch  seine  dichtung  deutlich  den  weg  zur  geschichte  und  Phi- 
losophie nahm.  — 

Nur  ganz  kurz  können  wir  nunmehr  des  Verlaufes  seiner  grie- 
chischen lectüre  gedenken ,  die  ihn  von  jetzt  an  durch  das  leben  be- 
gleitet, er  begann  in  dem  kreise  der  Lengefeldschen  damen  mit  der 
Vossischen  Odyssee  und  berichtet  an  Könier,  den  vertrauten  jedes 
litterarischen  Schrittes,  den  er  thut,  am  20  aug.  1788  über  den  ge- 
nusz  sowie  über  den  vorteil,  den  er  für  die  reinigung  seines  ge- 
schmacks  aus  diesen  Studien  zu  ziehen  hofft,   die  Ilias  las  er  gleich- 
zeitig in  einer  prosaischen  Übersetzung  und  will  überhaupt  von  guten 
Übersetzungen  zu  den  originalen  fortgehn.    auf  den  Homer  kommt 
er  später  immer  wieder  zurück,  es  ist  aber  ganz  unmöglich,  alle 
brieflichen  Zeugnisse  über  die  erneuerung  dieser  lectüre  anzuführen, 
namentlich  die  zweite  hälfte  der  correspondenz  mit  Goethe  hallt 
förmlich  wieder  von  beiderseitigen  andeutungen  und  mitteilungen 
über  die  homerische  dichtung.  neben  Homer  las  er  schon  im  verein 
mit  den  Lengefeldschen  schwestem  den  Euripides,  und  diesen  gewis 
nicht  zufällig,   denn  seiner  damals  noch  modernen  gefühlsart  muste 
die  Sentimentalität  dieses  modernsten  der  antiken  dichter  und  das 
Übergewicht,  das  bei  ihmrhetorik  und  reflexion  behaupten,  freilich  am 
schnellsten  zusagen;  und  es  mag  darum  buchstäblich  wahr  sein, 
wenn  er  berichtet,  dasz  eine  scene  aus  den  Phönizierinnen  ihm  und 
seinen  freundinnen  bald  thränen  gekostet  habe,  aus  einem  briefe  an 
Körner  vom  24.  oct.  1791  ergibt  sich,  dasz  auch  schon  Aeschjlus 
in  den  kreis  der  Studien  gezogen  war,  wiewol  die  Übersetzung  des 
Agamemnon,  mit  der  er  sich  damals  trug,  nicht  zur  ausführung  ge- 
langte,  am  25  aug.  1797  erfolgt  in  einem  briefe  an  K.  eine  nach- 
richt  über  die  erneuerung  der  lectüre  des  Euripides.    er  las  damals 
den  Orest  und  Hippolyt  und  fand  einen  groszen  abstand  zu  Sopho- 
kles,  so  war  er  damals  auch  bereits  in  die  werke  des  vollendeten 
tragikers  eingedrungen,  und  es  stimmt  damit  die  an  Goethe  gerich- 
tete mitteilung  vom  4  april  desselben  jahres  über  das  beendete  Stu- 
dium der  Trachinierinnen  und  des  Philoktet,  auf  den  er  schon  früher 
von  Kömer  aufmerksam  gemacht  war.   im  anschlusz  an  diese  mit- 
teilung  erfolgt  eine  rühmende  Zergliederung  der  Charaktere ,  und  in 
ganz  ähnlicherweise  bildet  könig  Oedipus,  den  er  bereits  1790  seinen 
akademischen  Vorlesungen  über  die  tragödie  zu  gründe  gelegt  hatte, 


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Ueber  Schillers  yerhältnia  zum  cluaiacliexi  altertum.  2dl 

den  gegenständ  eines  späteren  briefes  an  Goethe  vom  2  ocfb.  1797, 
während  sich  ein  richtiges  urteil  über  die  gesamrate  Sophokl.  tragödie 
in  einem  briefe  an  prof.  Stivern  vom  26  juli  1800  findet.  —  dieser 
innige  verkehr  mit  Homer  und  den  tragikern  -wiewol  auch  Aristo- 
phanes  ein  mal  erwähnt  wird  —  sowie  der  bereits  im  j.  1789  an  K. 
gerichtete  klagende  ausruf  'warum  habe  ich  nicht  griechisch  genug 
gelernt,  um  den  Xenophon  und  Thukydides  zu  lesen,'  machen  es 
sehr  erklärlich,  dasz  er  im  j.  1795  in  einem  briefe  an  Humboldt  den 
festen  entschlusz  äuszert,  die  lücken  in  seiner  grammatischen  kennt- 
nis  dieser  spräche  zu  beseitigen,  um  sich  ganz  frei  in  den  originalen 
bewegen  zu  können,  wir  müssen  die  wahrhaft  rührenden  methodi- 
schen Vorschläge  Humboldts  übergehen,  der  am  liebsten  diese 
'griechischen  Studien  selbst  geleitet  hätte,  und  auch  auf  die  Schwierig- 
keiten hinzuweisen  nicht  vergasz,  die  mit  einer  solchen  autodidakti- 
schen beschäftigung  verbunden  sind,  ist  doch  auch  der  entschlusz, 
obschon  er  noch  im  j.  1800  von  neuem  hervortritt,  in  der  beabsich- 
tigten gründlichkeit  nicht  zur  ausführung  gelangt,  was  freilich  be- 
dauernswert ist,  aber  noch  weit  mehr  zu  beklagen  wäre,  wenn  die 
schärfe  seiner  intuition  ihm  nicht  den  geist  auch  in  der  fremden 
hülle  geoffenbart,  und  so  eine  gütige  natur  über  jene  lücke  in  seiner 
ausbildung  hinweggeholfen  hätte.  —  So  muste  er  sich  in  der  prosa, 
namentlich  in  der  poetik  des  Aristoteles,  die  er  früher  allein  und 
später  mit  Goethe  zusammen  las ,  freilich  mit  einer  Übertragung  be- 
gnügen, bei  den  dichtem  dagegen  liesz  er  auch  das  original  nicht 
ungelesen,  wie  er  denn  in  einem  briefe  vom  20  oct.  1788  als  wissen- 
schaftlichen apparat  für  die  beabsichtigte  Übersetzung  der  Eur.  Iph. 
in  Aulis  den  griech.  text  an  erster  stelle,  und  daneben  erst  die  lat. 
Übersetzung  des  Bamesius  und  die  französische  des  theütre  grec  von 
Brumoy  bezeichnet.*  —  Jene  Übersetzungsarbeit  übertrug  er  nem- 
lich  auf  das  neue  litteraturgebiet  und  begann  sie  mit  dem  erwähnten 
stück,  'diese  arbeit,  schreibt  er  an  Kömer,  übt  meine  dramatische 
feder ,  führt  mich  in  den  geist  der  Griechen  ein ,  und  gibt  mir ,  wie 
ich  hoffe,  unvermerkt  ihre  manier.'  es  ist  freilich  keine  treue  wieder- 
gäbe des  Originals  und  sollte  es  auch  nicht  sein,  gleichwol  ist  der 
knappe  griechische  ausdruck  wenigstens  in  den  trimetera  zuweilen  gut 
getroffen,  und  in  den  chorliedera,  wo  die  antiken  versmasze  aufge- 
geben werden  musten ,  entschädigt  der  edle  ausdruck  für  jenen  un- 
vermeidlichen Verlust,  der  antike  geist  blickt  im  verlaufe  des  ganzen 
nach  Humboldts  ausdruck  wie  ein  schatten  durch  das  ihm  geliehene 
gewand,  aber  gleichwol  ^yird  man  nach  dem  urteil  desselben  kriti- 
kers  vom  anfang  bis  zum  ende  beim  antiken  festgehalten,  dasz  der 
botenbericht,  welcher  die  rettung  der  Jungfrau  erzählt,  von  Schiller 
weggelassen  ist,  möchte  ich  nicht  mit  Hoffmeister  tadeln,  das  drama, 


'  in  einem  briefe  an  Körner  gesteht  er  allerdings,  dasz  die  latei- 
nische Übersetzung  des  Josua  Barnes  ala  die  treueste  sein  eigentliches 
original  gewesen,  e.  Hirzel  p.  21. 

■N.  jihrb.  f.  phil.  n.  pftd.  II.  abt.  1878.  hfu  6  tt.  6.  Id 

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282        lieber  ÖchüleiB  verbaltiiis  zum  classuchen  altertum. 

soweit  eB  ein  allgemein  menschliches  Interesse  erweckt,  ist  in  der 
that  mit  Iphigen.  entschlusse  zu  sterben ,  an  sein  ende  gelangt,  das 
rettungswunder  konnte  nur  den  griechischen  zuhörem  wegen  ihrer 
bekanntschaft  mit  dem  mythus  nicht  vorenthalten  werden,  ein 
ebenso  richtiges  urteil  wie  in  diesem  puncte  zeigt  Sch.  in  der  seiner 
Übersetzung  vorangeschickten  Würdigung  der  ganzen  dichtung.  bald 
nach  beendigung  dieser  arbeit  erschienen  im  achten  hefte  der  Thalia 
einige  scenen  aus  den  Phönizierinnen  tibersetzt,  weitere  pläne  wur- 
den durch  entwürfe  zu  eigenen  productionen  durchkreuzt.  —  Auch 
hier  bewährte  diese  arbeit  ihren  sprachbildenden  einflusz,  und  hier 
zumal,  wo  der  maszvoUe  ausdruck  zugleich  den  im  reinsten  masze 
gefaszten  gedanken  wiedergiebt.  dasz  er  während  der  Jenenser  be- 
rufsthätigkeit  auch  der  griechischen  geschichte  sein  interesse  nicht 
versagte,  beweist,  um  ihrer  wenigstens  erwähnung  zu  thun,  seine 
abhandlung  über  die  gesttzgebung  des  Lycurg  und  Solon.  —  Rei- 
chen auch  seine  historischen  quellen  für  den  heutigen  standpunct 
der  Wissenschaft  nicht  aus,  so  fesselt  doch  das  kritische  verfahren, 
das  er  einschlägt,  schon  an  sich  selbst,  noch  mehr  aber  der  reichtum 
der  geäuszerten  Ideen,  und  die  lichtvolle  darstellung,  die  ihn  auch 
hier  nicht  verläszt.  — 

Wenden  wir  uns  zu  dem  antiken  gehalte  seiner  poesieen,  so  lääzt 
sich  im  gebiete  der  lyrik,  die  vielleicht  am  stärksten  mit  ihm  ge- 
sättigt ist,  der  griechische  einflusz  deutlich  nach  bestimmten  stufen 
und  Steigerungen,  in  denen  er  verläuft,  verfolgen.  —  wenn  der 
lyrische  dichter  in  noch  directerer  art,  als  der  dichter  überhaupt, 
mit  der  eignen  auf  die  fremde  empfindung  wirken,  und  jedes  lyrische 
erzeugnis  nicht  mehr  aber  auch  nicht  weniger  als  eine  dargestellte 
empfindung  sein  soll,  so  kann  doch  die  aufgäbe,  das  gefühl  darzu- 
stellen, die  empfindung  zu  gestalten,  in  doppelter  weise  gelöst  wer- 
den, denn  die  allgemeinheit  der  aufgäbe  verbietet  nicht,  dasz  ent- 
weder dae  empfinden  über  das  gestalten,  oder  dieses  über  jenes 
Bich  emporhebt  im  letzten  falle  gewinnen  wir  die  gestalt,  die  zwar 
freilich  der  empfindung  nicht  entbehren  darf,  aber  doch  eigentlich 
für  sich  selbst  die  haupteache  ist;  das  daretdlen,  veräuszerlichen, 
ausmalen  ist  die  hauptsache,  das  mittel,  als  weiolieB  hier  das  ftnsier- 
liche  ersoheintf  fllngt  an  zum  selbetsweek  zu  werden,  das  gestalten 
der  empfindung  hXLt  nne  im  geschltfte  des  gestaliene  anf.  umgekehrt 
kann  die  kunst  des  dichtere  sieh  bemühen,  alle  gestalt  in  empfindung 
anftnlQsen  und  sich  jenem  lyrischen  Terstnmoien  zu  nfthem,  das 
niebte  mehr  findet,  daran  es  sich  iuszem  kann,  das  ttusaere,  welches 
nicht  fehlen  kann,  gilt  nur  als  träger  und  bezeichnung  des  gefüUs. 
der  letztere  standpunct,  auf  dem  die  lyrische  aufgäbe  im  strengeran 
sinne  gelöst  wird,  ist  der  der  Goetheschen,  ttberhaupi  der  modwaen 
Ijrik,  auf  dem  ersteren  steht  die  lyrik,  oder  da  dies  urteil  auch  im 
weiteren  sinne  &8zbar  ist,  die  poesie  der  alten,  zufrieden  mit  die- 
ser weit,  die  ihnen  die  hOchste  ist,  und  mit  dem  ftuszeren,  das  sie 
umgibt,  aber  ebendarum  auch  zuMeden  in  ihrem  Innern,  und  frei 


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Ueber  Sobillen  TerbUtnis  mm  elnnuwhen  altertanL  28S 

Ton  jeder  yerzeliranden,  ungestillten  empfindang,  haben  sie  aa  dem 
darstellen  als  solchem  ihre  freade  und  stärke,  erbeben  das  ftiuntere 
durch  die  ideen,  die  sie  darin  yerkOipert  sehen,  und  entfidten,  weil 
ihnen  die  sinnliche  weit  mehr  gilt  als  wia,  m  der  zeidmimg  derselben 
eine  knnst,  die  wir  nicht  haben  oder  nur  aa  ihrer  band  erlangen 
kiSnnen.  — 

Und  hier  ist  es  nun ,  wo  sich  die  einwirknng  der  alten  auf 
Sobillen  Ijrik  snnttobat  und  im  weitesten  umfang  geltend  machte, 
er  war«  wiewol  aus  yerschiedenem  gründe,  darin  mit  ihnen  gleich- 
gestimmt, dasz  er  jenes  yersunkene  aufgehn  im  gefühl  und  also  aneh 
das  lied  nicht  kennt,  den  Griechen  fehlte  meist  die  für  diese  Stim- 
mung notwendige  innerlicbkeit ,  Sob.  aber  war  fortwährend  viel  za 
sehr  auf  ideen  gerichtet,  als  dass  er  eine  solche  herschaft  des  ge- 
fühis  in  sich  hätte  aufkommen  kssen.  dagegen  blieb  er  in  seinem 
Verhältnis  snr  erseheinnagswelt  und  in  der  kraft  der  veranscban- 
lichung  von  ihnen  weit  entfernt,  gleichgültig  gegen  die  erscbeinnng, 
in  der  sie  nur  die  entgeistete  materie  sab,  eriiob  sich  seine  phantasie 
sogleich  in  übersinnliches  gebiet;  an  grenze  aber,  an  kUrheit  und 
bestimmtheit  konnte  sie  sich  nur  im  reiche  der  sinne  gewöhnen, 
und  80  lernte  er  denn  von  den  Griechen  das  Interesse  für  dieäuszore 
weit,  und  mit  ihm  die  treue  und  Wahrheit  der  darstellong,  sowie  die 
yielfiMhen  mittel,  die  die  erfindsamkeit  der  alten  zum  zweck  der 
Teranschaulichung  zu  Terwenden  pflegt,  schlagende  bei  Wörter,  oft- 
mals direct  aas  Homer  entlehnt,  sinnvoUe  metaphem,  überraschende 
büdoT,  onomatopoetische  maiereien,  wirksame  eontraste,  steigeran* 
gen,  Umschreibungen  und  wortbildnereien,  grossartige  schilderongen 
der  Örtlichkeit  oder  baadlung,  sovrie  alles,  worin  sich  immer  die 
plastik  bewiüiren  kann,  geben  seinen  poesieen  ein  antikes  gepräge. 
der  Mifmerksame  leser  kann  für  diese  tecbnik  belege  in  jeder  Strophe 
finden,  von  Homerischen  rcminiscenzen  nenne  ich  nur  'die  unnah- 
baren bände  des  Äaciden'  in  Hektors  abschied,  wo  die  ursprüngliche 
lesart  dem  homerischen  ausdruck  zu  liebe  geopfert  wurde ,  die  'pur- 
purne finsternis  im  taucher',  der  'rinder  breitgestimten  schaaren' 
in  der  glocke ,  'könig  Rudolfs  heilige  macht'  im  grafen  Yon  Habs- 
burg ,  Ajas  als  'thurm  der  Achäer'  im  siegesfest  und  jenes  epische 
Wollenden  des  geschickes'  ans  Eassandra.  doch  sind  diese  an- 
klänge für  sich  genommen  von  keiner  bedeutung.  weit  wichtiger 
ist,  dasz  der  dichter  hier  in  eine  schale  plastischer  besonnenheit 
gieng,  die  seinem  eigenen  talente  auch  neue  weisen  der  veranschau- 
lichung  öffnete,  so  weisz  er  im  taucher  das  entsetzen  sehr  wirksam 
doroh  die  Unbestimmtheit  des  neutrums  —  und  schaudernd  dacht 
iehs,  da  krochs  heran  — ;  in  der  bürgschaft  die  Spannung,  in  der 
uns  das  herz  klopft,  darch  die  gehäufte  copula  und  die  flüchtigen 
dact jlischen  rhythmen ;  im  ring  des  Polykrates  die  Vorstellung  des 
l^ückes  durch  die  darstellung  seines  Werdens  hervorzubringen,  die 
Vollendung  dieser  kunst  zeigt  sich  an  den  lebensieichen  wenn  auch 
in  färbe  nnd  ton  Terschiedenen  darstellongen,  die  ans  das  griechische 

19* 


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284 


Ueber  Schülers  TwhältuU  som  clasaiachen  altertom. 


theater  in  den  kranichen  des  Ibjküs ,  die  arbeit  in  den  Schmelzöfen 
und  die  messe  im  gang  nach  dem  eisenhammer,  die  erlegnng  deB 
drachen ,  den  kochenden  Strudel  der  Charjbdis  und  so  viele  andere 
Situationen  vergegenwärtigen,  dies  plastische  geschick,  und 
diese,  man  könnte  sagen,  epische  bereicherung  seiner  lyrik  stellt 
die  erste  stufe  des  griech.  einflusses  dar.  es  läszt  sich  aber  darüber 
hinaus  eine  zweite  wahrnehmen,  hatte  Schillers  muse  schon  von 
haus  aus  eine  deutliche  neigung  fQr  das  didaktische  gehabt,  so  rauste 
gerade  diese  durch  die  lange  poetische  pause,  die  mit  'vemunftthStig- 
keit  und  ideenerzeugung*  ausgefüllt  war,  eine  nachdrückliche  Ver- 
stärkung erfahren,  ideen  poetisch  darzustellen,  dazu  konnte  nun 
zwar  die  dichtung  der  alten,  bei  denen  die  dichter  so  recht  eigent- 
lich die  weisen  und  lehrer  der  menschheit  waren,  am  besten  anleiten, 
das  glcichnis,  das  symbol,  überhaupt  jedes  reale  correlat  erhebt 
sich  jetzt,  wie  es  bei  ihnen  so  oft  der  fall  ist,  von  dem  blosz  ver- 
anschaulichenden raotiv  zum  vebikel  des  gedankens,  zum  adäquaten 
ausdruck  der  zu  gründe  liegenden  idee.  gleichwol  ist  es  auf  dieser 
stufe  nicht  sowol  die  methode  der  alten,  als  der  von  der  antiken 
Phantasie  erzeugte  stoff,  den  Sch.  zu  verwerten  pflegt,  die  Wirklich- 
keit nemlich,  die  ihm  die  sinnlichen  Substrate  der  ideen  zu  liefern  hat, 
ist  entweder  die  des  geschehenen,  also  die  geschichte,  oder  die  des 
gedichteten,  also  der  mythus,  und  gerade  in  diesem  hat  er  die  ur- 
sprüngliche Wahrheit  mit  sicherem  blicke  wiedergefunden,  oder  eine 
höhere,  von  dem  dichtenden  volksganzen  nicht  geahnte  angeschaut, 
und  zwar  wird  entweder  nur  ein  einzelner  bezug  in  dieser  weise 
ausgedrückt,  oder  die  häufung  solcher  mythologisch  gefaszter  bezüge 
leiht  dem  gedichte  eine  durchaus  mythol.  spräche,  oder  es  geht  der 
grundgedanke  selbst  völlig  in  den  mythus  ein.  zahlreiche  beispiele 
hat  Cholevius  für  die  erste  form  gesammelt,  so  wird  in  dem  reiche 
der  schatten  (Humboldts  lieblingsgedicht)  der  gedanke,  dasz  der 
naturgewalt  nur  der  verfallt,  der  ein  'sinnliches  interesse  an  den 
dingen  nimmt',  in  Persephones  geschick  verbildlicht,  die  erst  durch 
den  genusz  des  apfels  dem  *Orkus  unwiderruflich  anheimfiel';  wäh- 
rend die  Wahrheit,  dasz  der  mensch  nur  durch  kämpf  geläutert  zu 
höherer  herlichkeit  gelangt,  durch  Herakles  loos  verbürgt  wird,  dem 
Hebe  den  pokal  erst  reichen  durfte,  als  er  die  bahn  der  kämpfe 
durchmessen.  —  Für  die  zweite  form  ist  die  elegie  'das  glück',  für 
die  dritte  das  epigramm  'Odysseus'  ein  beleg,  denn  der  grundgedanke, 
dasz  das  glück,  nach  welchem  wir  jähre  lang  strebten,  oft  da  ist, 
wenn  wir  es  am  wenigsten  glauben,  und  ein  zufall  es  uns  gleichsam 
im  schlafe  gewährt,  während  uns  selbst  das  organ  fehlt,  es  zu  er- 
kennen, dies  eben  sollen  wir  an  Odysseus  lernen,  der  alle  gewässer 
nach  der  heimat  durchkreuzte,  und  'endlich  trägt  das  geschick  ihn 
schlafend  an  Ithakas  küste,  er  erwacht  und  erkennt  jammernd  das 
Vaterland  nicht',  ganz  ähnlich  ist  es  in  der  klage  der  Ceres  die 
^Sehnsucht  der  menschen  nach  dem  ewigen  und  der  geisterweit*  und 
die  ihnen  zum  ersatz  gegebene  Schönheit,  die  in  den  klagen  der 


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Ueber  Schiller»  Terhältnis  zum  clasuAcheii  altertam.  285 

gÖttin  widertönt,  der  nun,  da  sie  des  persönlichen  Verkehrs  mit  der 
tochter  beraubt  ist,  nur  durch  die  spräche  der  blumen  von  der  ver- 
lorenen eine  künde  zu  teil  wird,  aber  auch  in  dem  eleusi^chen  fest 
ist  das  Verhältnis  zwischen  dem  inhalt  und  dem  äuszeren  dasselbe, 
nur  dasz  hier  die  ideen  von  der  bildung  des  rohen  naturmenschen 
durch  den  ackerbau  universeller,  die  auafUhrung  aber  dramatischer 
geworden  ist.  — 

Damit  haben  wir  uns  der  dritten  stufe  des  antiken  einflusses 
genähert,  bisher  wurde  die  idee,  das  allgemeine  durch  das  beson- 
dere veranschaulicht,  als  ein  solches  besonderes  verwendete  Sch. 
zwar  keineswegs  ausschlieszlich,  aber  doch  mit  Vorliebe  den  mythus. 
aber  der  wert  des  besonderen  stieg  in  seinem  bewustsein.  "  das  be- 
sondere wird  jetzt  selbst  gegenständ  der  darstellung.  nur  musz  ein 
solches  einzelnes  factum  einen  ideellen  gehalt  bewahren,  diese  dar- 
stellung des  besonderen  findet  im  gebiete  der  balladen  statt,  denn 
so  nannte  Sch.  meist  jene  dramatisirten  poetischen  erzählungen, 
welche  besonders  tief  in  die  nation  eingednmgen  sind,  hierbei  ist 
entweder  nur  der  äuszere  stoff  der  begebenheit  dem  alter- 
tum  entlehnt,  die  idee  aber  von  allgemein  menschlicher  geltung,  so 
in  der  bürgschaft,  wo  die  freundestreue  verherlicht  wird,  oder  es  ist 
umgekehrt,  wie  im  taucher  und  im  alpenjäger,  das  äuszere  der  be- 
gebenheit dem  altertum  fremd,  der  grundgedanke  aber,  dasz  das 
übertreten  aus  unserer  Sphäre  ein  eingriff  in  die  göttlichen  rechte 
ist,  zwar  allgemein  verständlich,  aber  doch  insofern  wesentlich  antik, 
als  maszhalten  in  allem  die  cardinaltugend  der  Hellenen  war.  end- 
lich kann  aber  auch  begebenheit  und  idee  zugleich  in  antikem  boden 
wurzeln ,  wie  im  ring  des  Polykrates ,  wo  man  mit  dem  bloszen  ge- 
fühl  der  Unbeständigkeit  ungewöhnlichen  glUckes  nicht  auskommt, 
und  gerade  die  Vorstellung  von  dem  neide  der  götter  sich  nur  aus 
der  griechischen  auffassung  der  gottheit  als  eines  durch  die  moira 
beschränkten  wesens  erklärt,  lösen  wir  aber  die  schale  jenes  natio- 
nalen dogmas  ab,  so  erhalten  wir  freilich,  wie  in  aller  echten  poesie, 
den  kern  einer  Wahrheit  von  unbeschränkt  menschlicher  geltung, 
denn  das  bewusztsein  der  abhängigkeit  von  einer  höheren  macht, 
deren  wir  dann  am  wenigsten  versichert  sind,  wenn  wir  im  vollsten 
besitz  zu  sein  wähnen ,  ist  in  allen  Völkern  zu  allen  Zeiten  lebendig 
gewesen,  in  den  kranichen  des  Ibykus  ist  die  begebenheit  antik 
und  die  darstellung  ein  abschnitt  aus  dem  griechischen  leben  von 
breitester  ausdehnung  und  vollkommenster  objectivität,  aber  auch 
die  idee  der  gewalt  künstlerischer  darstellung  als  einer  unsichtbaren 
blosz  durch  den  geist  geschaffenen  kraft  über  die  menschliche  brüst 
ist  zwar  allgemein  verständlich  und  von  Schiller  selbst  mit  Vorliebe 
ausgedacht  —  man  denke  nur  an  die  macht  des  gesanges  — ,  gehört 
aber  doch  anderseits  namentlich  dem  antiken  ideenkreise  an  und 
liegt  nicht  nur  dem  mythus  von  Orpheus  zu  gründe ,  sondern  tritt 
auch  in  den  thränen  des  dulders  Odysseus  beim  gesang  vom  hölzer- 
nen pferde  und  mancherlei  anderen  sagenhaften  und  geschichtlichen 


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286       lieber  Schillers  Terhältnis  sum  claesuchen  altertom. 


Zügen  heraus,  auch  die  idee  in  Hero  und  Leander  trägt-  antikes  ge- 
präge,  da  die  alten  gern  die  elementare  kraft  der  natur  als  gegnerin 
des  menschenherzens  und  menschonwillens  darstellen,  hier  unterliegt 
die  liebe  der  tückischen  see,  gewinnt  aber  in  dem  tode  der  Hero 
einen  moralischen  sieg,  und  wir  werden  mit  der  erhebenden  gewis- 
heit  entlassen,  dasz  nur  der  leib,  nicht  die  seele  der  notwendigkeit 
verfallen  sei.  man  merkt,  dasz  der  dichter  damals  mitten  in  tragi- 
schen entwürfen  steht,  jener  groll  mit  der  notwendigkeit  ist  auch 
das  antike  residuum  in  dem  grundgedanken  der  Kassandra,  dasz  nur 
der  irrtum  das  leben,  das  wissen  aber  der  tod  sei,  eine  Wahrheit,  die 
wir  in  ähnlicher  Situation  aus  dem  munde  der  Jungfrau  von  Orleans 
hören,  ton  und  tinktur  ist  in  jenem  gedichte  nicht  minder  antik, 
wie  in  seiner  stofiflichen  fortsetzung,  dem  siegesfest,  bei  dem  Seh., 
wie  er  selbst  sagt,  ganz  geflissentlich  in  das  volle  saatenfeld  der 
Ilias  hineinfallen  wollte,  die  auffassung  ist  hier  lyrisch,  die  charakter- 
zeichnung  der  auftretenden  beiden,  wie  noch  eine  neuere  Unter- 
suchung nachweist.  Homerisch  treu,  die  ideen  von  der  Unsterblich- 
keit des  rubmes ,  dem  tode  für  das  Vaterland ,  dem  lobe  des  weins, 
zu  deren  trägem  die  heroen  gemacht  sind,  entstammen  dem  antiken 
geiste,  aber  auch  der  von  Kassandra  verkündete  schluszgedanke,  dasz 
alles  irdische  wesen  rauch  sei,  klingt  oft  durch  die  lebensfreude  der 
antiken  poesie,  auch  der  römischen  hindurch,  wie  denn  das  am  ende 
auftretende  bild  von  der  sorge,  die  das  rosz  des  reiters  und  das  schiff 
umschwebt,  directe  nachahmung  einer  bekannten  Horazischen  stelle 
ist.  wenn  Cholevius  den  zauber  aller  dieser  gedichte  ebendarin  sieht, 
dasz  wir  hier  die  mächtige  und  spröde  natur  des  altertums  in  einer 
bewegten  und  erweichten  Stimmung  erblicken,  dasz  sich  die  Schön- 
heit der  gestalt  mit  seelenvollem  leben,  die  kraft  der  Charaktere  mit 
dem  schmelz  eines  zarten  sinnes  verbindet,  so  ist  damit  zugleich  der 
einflusz  ausgesprochen ,  der  bis  auf  unsere  tage  für  die  anschauung 
der  gebildeten  aus  solcher  poesie  entströmt,  denn  in  der  that  hat 
diese  Vermählung  der  classischen  und  romantischen  lebensanschauung 
nicht  nur  das  pomörium  unserer  poesie  erweitert,  sondern  auch  eine 
bereicherung  unseres  gesammten  geistigen  lebens  herbeigeführt,  das 
sich  in  jenem  gegensatz  fort  und  fort  verjüngen  kann,  wenn  hier 
durch  die  antiken  Studien  eine  poetische  gattung  oder  doch  wenig- 
stens eine  neue  art  der  bestehenden  geschaffen  wurde,  so  kann  man 
die  xenienpoesie,  zu  welcher  der  erste  gedanke  nach  Palleskes  über- 
zeugendem nach  weis  von  Schiller  ausgegangen  ist,  als  die  restauration 
einer  durchaus  antiken  form  d.h.  des  epigramms  ansehen,  schla- 
gende kürze  und  antithetische  schärfe  erinnern  sehr  deutlich  an  die 
griechische  herkunft,  und  es  sind  in  der  sehr  umfangreichen  Samm- 
lung allerliebste  sächelchen  und  wahrhaft  classische  kleinigkeiten 
enthalten,  was  zunächst  . wie  witz  und  willkür  des  dichtenden  sub- 
jects  aussieht,  ist,  genauer  gesagt,  doch  auch  ein  schönes  Zeugnis  der 
erlangten  objectivität,  die  den  dingen  und  personen  ins  herz  sieht 
und  ihr  wesen  mit  kühnem  griff  und  in  einem  moment  heraushebt. 


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Ueber  Sdullen  verhlütiiis  anm  claariichen  altertom. 


281 


Von  hier  aus  treten  wir  am  passendsten  auf  das  dramatische 
gebiet  über ,  denn  die  objective  Tollendung ,  welche  sich  Sch.  in  der 
freundschaft  mit  Goethe  und  namentlich  in  der  wachsenden  intimität 
mit  den  alten  zueignete,  läszt  sich  zwar  schwerer  erfassen  als  andere 
griech.  einflüsse  innerhalb  der  dramatischen  poesie,  weil  sie  wie  eine 
neue  luft  und  ein  neues  licht  die  handlung  umfangt  und  ebendarum, 
weil  sie  überall  ist,  nirgends  zu  sein  scheint,  musz  aber  gleich wol 
als  der  höchste  vorzug  angesprochen  werden,  der  für  den  dichter 
noch  zurück  war  und  nur  durch  das  zusammentreffen  jener  beschäf- 
tigung  mit  einer  sehr  kräftigen  willensdirection  erreichbar  wurde, 
diese  kunst  der  objectivität  d.  h.  der  fähigkeit  mit  der  eignen 
Überzeugung  und  der  schönen  aber  tendenziösen  reflexion  zu  ver- 
stummen und  als  subject  nur  in  der  kunst  vorhanden  zu  sein,  mit 
der  die  räumliche  und  zeitliche  bestimmtheit  und  die  eigentümlich- 
keit  der  personen  als  einheitlicher,  unantastbarer  Charaktere  zur 
darsteliung  gelangt,  war  von  der  wiederaufnähme  der  dramatischen 
entwürfe  an  für  Schiller  gegenständ  eifrigen  bemühens.  nur  darf 
man  nicht  glauben,  dasz  er  das  aufgeben  der  subjectivität  mit  dem 
aufgeben  der  kunst,  beherschung  des  Innern  mit  der  herschaft  des 
äuszeren ,  treue  und  natur  der  darsteliung  mit  der  wiedergäbe  der 
bloszen,  schlechten  natürlichkeit  verwechselt  hat;  er  besasz  eine  viel 
zu  hohe  Vorstellung  von  den  aufgaben  der  kunst,  und  dieselbe  war 
in  der  anschauung  der  alten  nur  zu  sehr  erhöht,  als  dasz  er  nicht  in 
seiner  darsteliung  den  dingen  ihre  profane,  hin-  und  zufällige  Wirk- 
lichkeit abgestreift  und  das  masz  seiner  idealen  weit  geliehen  hatte, 
es  ist  ausdrücklich  bezeugt  und  wird  von  Gervinus  mit  recht  hervor- 
gehoben, wie  er  in  den  vorarbeiten  zum  Wallenstein  ganz  geflissent- 
lich der  manier  absagte,  die  personen  zu  Organen  seines  herzens,  zu 
trägem  seiner  grundsötze  und  neigungen  zu  machen,  wie  er  sich 
zwang,  gegen  die  beiden  der  handlung  kühl  zu  bleiben,  und  wie  er 
bei  diesem  und  allen  folgenden  dramen  keine  mühe  scheute,  um  sich 
in  die  kreise  hineinzuleben,  in  deren  mitte  die  handlung  vorläuft, 
er  studiert  das  österreichische  militär  in  Karlsbad ,  besucht  in  Eger 
das  rathhaus  und  das  haus,  in  dem  Wallenstein  ermordet  wurde,  er 
betrachtet  das  bild  desselben,  er  liest  zu  gunsten  des  kapuziners  den 
Abrahami  a  Santa  Clara  und  astrologische  Schriften  für  die  figur  des 
Seni,  er  versenkt  sich  in  die  troubadourpoesie ,  um  die  einflüsse  am 
hofe  Karls  VII  zu  überschauen,  er  excerpierte  nicht  weniger  als 
sechs  Chronisten,  um  die  alpinische  landschaft  und  die  schweizerische 
Volksart  kennen  zu  lernen,  der  speciellen  historischen  Vorstudien 
nicht  zu  gedenken,  die  er  sich  bei  keiner  seiner  spätem  dramatischen 
arbeiten  erliesz.  es  ist  noch  ein  excerpt  erhalten,  welches  ganz  kurze 
bemerkungen  über  die  formation  der  schweizerberge,  über  die  lebens- 
weise  ihrer  bewohner,  über  die  meteorischen  und  klimatischen  eigen- 
tümlichkeiten  sowie  über  die  fauna  und  flora  dieses  landes  enthält: 
in  der  that  ein  zuverlässiges  zeugnis  der  ernsten  dem  weben  seines 
genius  yoraufgeschickten  arbeit,  auf  die  er  überall  fuszte,  auch  wo 


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28S        Ueber  Schillers  Verhältnis  som  dassischea  altertum. 

uns  ein  gleicher  einblick  in  die  Werkstatt  seines  geistes  nicht  vet*- 
stattet  ist.  wir  vernehmen  diesen  neuen  geist  der  dichtung,  der  das 
idealisieren  nur  still  aus  dem  wesen  der  dinge  heraus  betrieb ,  zwar 
am  lebhaftesten  im  Wallenstein  und  Teil,  aber  es  ist  nicht  wahr, 
dasz  er  sich  aus  den  mittleren  stücken  zurückgezogen  habe,  auch 
liegt  der  grund  jener  grelleren  objectivität  nicht  allein  in  dem 
Charakter  von  Schillers  begabung.  freilich  waren,  wie  schon  Fiesco 
zeigt ,  die  groszen  staatsactionen ,  der  lärm  der  waffen ,  beiden ,  her- 
scher und  Soldaten,  sowie  ein  auf  breiter  fläche  sich  abspielendes 
Volksleben ,  überhaupt  die  weit  des  willens  sein  eigenstes  bereich, 
denn  der  männlich-kräftige  sinn,  der  aus  ihm  sprach  fand  sich  hier 
und  nur  hier  selbst  expliciert;  und  die,  welche  die  ruhige  empfin- 
dung  für  die  heimat  seines  geistes  hielten,  haben  ihm  einen  schlech- 
ten dienst  erwiesen  und  konnten  schon  durch  die  maszlose  manier 
seiner  ersten  empfindungsergüsse  ihres  Irrtums  inne  werden ;  gleich- 
wol  ist  es  der  zusammenklang  seiner  natur  mit  dieser  materie  nicht 
allein,  sondern  die  materie  selbst,  die  das  hervorkehren  der  objectiven 
darstellung  gerade  hier  verlangte,  die  breite  des  öffentlichen  daseins, 
die  fülle  realen  lebens,  welche  sich  in  das  äuszere  ganz  hineinlegt 
und  für  die  inneren  Vorgänge  und  kämpfe  der  seele  wenig  räum 
läszt,  erforderte  in  der  that  eine  wachsame  beachtung  der  Wirklich- 
keit, sodann  nehmen  wir  selbst  die  bestimmte  fUrbung  in  der  ört- 
lichen und  zeitlichen  Sphäre  um  der  zuständlichkeit  wegen  noch 
leichter  wahr,  als  in  dem  gebiete  der  persönlichkeit ,  endlich  aber 
pflegen  leser  und  hörer  gerade  für  jene  geschichtlichen  und  örtlichen 
Verhältnisse  am  besten  vorbereitet  zu  sein,  und  finden  nun  ihre  auf 
anderem  wege  gewonnenen  anschauungen  gerade  in  jenen  dramen 
am  schnellsten  bestätigt,  thatsächlich  aber  steht  die  darstellung  des 
katholischen  rituals  in  Maria  Stuart,  des  getriebes  am  englischen 
hofe,  des  abschiedes  der  Maria  von  ihren  getreuen,  der  wunder- 
gläubigen mittelalterlichen  weit  in  der  Jungfrau^  der  sicilianischen 
landschaft  und  ihrer  südlichen,  erregten  menschheit  in  der  braut  von 
Messina  an  anschaulichkeit  und  sprechender  treue  hinter  dem  lager 
Wallensteins ,  der  tafelscene  in  den  Piccolomini ,  den  Vorgängen  in 
Eger,  dem  lieblichen  eingang  des  Teil,  der  Vereinigung  auf  dem 
Bütli,  dem  apfelschusz  uud  anderen  gerühmten  auftritten  nicht 
zurück,  auch  die  Charaktere  sind  fast  durchgehends  aus  der  Wirk- 
lichkeit in  die  poetische  weit  hineingedichtet ;  die  stimmführer  im 
lager,  die  generäle  in  des  feldherrn  Umgebung  und  dieser  selbst,  dsr 
biedere  schwedische  oberst,  die  intrigante  und  ehrgeizige,  aber 
bocbherzige  gräfin  Terzkj,  der  sinnlich-glühende  fanatische  Mortis 
mer,  das  beldenmfidchen  von  Orleans,  die  anspruchslosen,  aber 
ebarakterfestoii  landleate  von  Schwyz,  Uri,  Unierwaldeniui4  toviele 
andere  grimdTeriehiede&e  ezistenzen  werden  mit  gleiobaii  geiehiok 
erfaszt  und  gleichem  interesee  dnrchgeflührt. — Der  grosie  hislonMhe 
nun  und  das  eigentUdi  dxamatisehe  talentf  weichet  die  handlang 
auf  jfther  bahn  dahinfBhrt,  dasa  uns  du  hm  Uopft  und  wir  Beiaee 


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Ueber  Scbillen  yerliftltiiis  nun  clattitchen  «Itertaiii«  289 

gleichen  nicht  finden  kOnnen,  kennzeichnen  Schillers  dramatisohes 
wirken  von  an&ng  an,  aber  diese  hehen  naturgaben  konnten,  aus  spe- 
calativer  thätigkeit  herübergerettet^  für  eich  allein  jene  reiche,  iebene» 
yoUe  Wirklichkeit  nicht  erzeugen ,  die  wir  in  den  spfiteren  dramen 
genieszen.  die  kunst,  in  allen  Situationen  heimisch  za  sein,  und  sich 
in  die  fülle  menschlichen  daseins  zu  zerschlagen ,  war  nicht  durch 
historische  thätigkeit,  noch  weniger  durch  philosophische  erreichbar 
tmd  bleibt,  auch  wenn  wir  dem  verkdir  mit  Goethe  das  seine  zollen, 
der  «msterbliche  gewinn,  den  Sch.  aus  den  Studien  der  antiken  dich« 
ter  gezogen  haL  und  in  der  freude  Uber  diesen  gewinn  yeigeseen 
wir  die  zahlreichen  antiken  anklänge  und  enllehnungen ,  von  denen 
Bnaa  tragi^en  durchdrungen  sind,  selbst  im  Teil ,  wo  die  Volks- 
sprache das  antike  nicht  I  cgOnstagte,  faod  Hoffineistefs  genauigkeit 
den  homerischen  ausdruck  in  vereinzelten  Wendungen  wieder,  Ger- 
vinus  wollte  in  Maria  Stuart  und  der  Jungfrau  von  Orleans  in  viel- 
fachen reminisoensen  das  Studium  der  alten  entdecken«  nimmt  aber 
offenbar  diesen  ausdruck  in  weiterem  sinne ,  da  er  an  den  biUmen- 
gereobten,  regelmässigen  aufbau  denkt«  —  Die  reichste  ernte  musz 
ein  Boloher  sammelfleisz  von  vornherein  in  der  braut  von  Messina 
erwarten,  gleich wol  erstaunt  auch  der  gettbte  leser  der  griechischen 
tn^die,  wenn  er  das  entlehnte  gut  in  einer  geordneten  Übersicht, 
wie  sie  die  Gerlingersche  monographie  gewährt,  nun  wirklich  zu« 
sammenerblickt.  um  die  rein  ideellen  demente,  die  ausnutzung  des 
mythol.  Stoffes  und  die  anschlttsse  an  bestimmte  stellen  zu  Übergehn, 
finden  wir  nicht  blosz  bestimmte  bühnengebräuche,  wie  die  beschrän- 
knng  der  zahl  der  handelnden  personen,  die  ankündigung  ankommen- 
der personen ,  sondern  vor  allem  jene  feierliche  spräche  wieder ,  die 
sich  in  den  wiederholten  klagerufen,  den  emphatischen  Wieder- 
holungen und  vor  allem  den  bombastischen  wortcompositionen  alt- 
epischen und  Aeschyleischen  andenkens  manifestiert,  man  denke  nur 
an  ausdrücke  wie  Wölker  wimmelnde  stadt,  säulengetragenes  dach, 
gottverfluchte  band,  götterbegünstigtes  haus,  himmelumwandelnde 
sonne'  und  so  vieles  andere,  ja  selbst  die  stichomythie,  jener  Wech- 
sel der  rede  vers  um  vers,  bei  welchem  oft  fragen  und  antworten, 
einwürfe  und  Widerlegungen  wie  pfeile  hin  und  her  geschnellt  wer- 
den, ist  in  diesem  stück  geflissentlich  zur  darstellung  gelangt,  denn 
ein  sehr  glückliches,  nur  nicht  bewusztes  beispiei  bietet  schon  der 
dialog  Leicesters  und  Mortimers  in  Maria  Stuart  dar. 

Nächst  der  objectivität  lehnte  sich  Sch.  in  der  letzten  periode 
seines  schaff'ens  auch  in  der  ethopoiie,  der  Zeichnung  der 
Charaktere  an  die  alten  an.  die  objective  darstellungsweise  der 
Griechen  darf  nicht  mit  dem  individualisierenden  verfahren  moderner 
dichter  verwechselt  werden,  die  griech.  tragödie  gibt  mit  modernen 
dichtungen  verglichen  mehr  die  gattungen  als  die  individuen.  der 
hauptsächlichste  grund  hiervon ,  den  Cholevius  unter  mehreren  an 
sich  richtigen  aber  accidentiellen  gerade  nicht  anführt,  ergibt  sich 
aus  der  Stellung  des  Individuums  in  der  alten  weit,  der  wert  des 


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290       Ueber  Sohilien  TwrhMtoii  nun  clniritchmi  altectom. 

emidnflii  mnate  unendlich  Btflig«B  durch  die  christliche  reUgion,  die 
den  menschen  nur  als  menadlie»«  nicht  etwa  als  freien,  gäiüdeten 
oder  grieohiMben  menaehea  gdten  Ifteit.  li^  aber  die  nneildlißlis 
bedeatong  des  indiTidnnme  ak  soldien  auaMdbelb  des  aataken  gt- 
iMhtekreiaee»  so  ist  die  grieolnadie  tnigOdie  gani  im  reohii  ümlraiit 
nidit  an  die  darsteUnng  dar  partieolinii  inditidiiBliiBt  an  aebeD. 
dteae  dgenttmlidikeit  nun,  welehe  die  ohaiakteve  mdnr  an  Idadba 
endieinmigen  äla  eigentflmlidMii  indiTidoen  madifte  —  an  IdeeOa^ 
niebt  in  aabjectiTen,  denn  die  enibaliaamkeit  des  dichtendes  wat/Kk 
nnd  also  die  objectiiritBt  der  griecb.  konst  bleibt  hierbei  dudbn 
bestehn  ^  war  Ton  Schiller  nieht  nnbemerirt  geblieben,  er  sduaA 
am  4  april  1797  aa  Goethe,  es  sei  ihm  bei  der  leelltre  des  SopL 
an%efiüleny  dass  die  Charaktere  der  griecb.  tragddie  mriir  oder  weni- 
ger ideale  masken,  nicht  eigentliche  individnen  seiea,  wie  er  sie  bei 
Shak.  oder  Goethe  seibat  finde,  so  sei  Odyssens  im  Ajax  nnd  Fhi- 
loktet  nnr  das  ideal  der  listigen,  über  ihre  mittel  nie  Terlegenea 
engherzigen  Ungheit,  Kreon  im  Oedifras  und  äi  der  Antigene  bloss 
die  kalte  königs würde,   man  kommt,  f&hrt  er  fort,  mit  solciien 
Charakteren  in  der  tragödie  offenbar  viel  besser  aus ,  sie  exponieren 
sich  geschwinder,  ihre  züge  sind  permanenter  und  fester,  die  Wahr- 
heit leidet  dadurch  nicht,  weil  sie  bloszen  logischen  wesen  ebenso 
entgegengesetzt  sind  als  bloszen  individuen.   wir  hören  aus  diesen 
Worten  leicht,  dasz  Sch.  in  diesem  stück  bei  den  alten  das  fand,  was 
ein  ausflusz  Beiner  natur  war  und  sich  hier  von  haus  aus  mit  einer 
antiken  lebensform  berührte.  —  Es  behagte  ihm  jene  feste,  geschlos- 
sene typische  art  der  persönlichkeit,  weil  er  selbst  im  menschen  nur 
das  feste  und  bleibende,  die  gattung  zu  suchen  und  zu  achten  ge- 
wohnt war.  der  gattung  aber  haftet  jene  antike  einfachheit  an,  wenn 
man  sie  mit  dem  reichtum  der  individualität  vergleicht,  in  dem  sein 
hoher  sinn  mehr  das  unerschöpfliche  spiel  des  zufalls  als  die  berech- 
tigte mannichfaltigkeit  der  menschlichen  natur  zu  erblicken  sich  ge- 
wöhnt hatte,   darum  wird  man  eigentlich  auch  nur  sagen  können, 
dasz  er  in  seiner  Vorliebe  für  typische  Charaktere  durch  die  alten 
bestärkt  sei.  jedenfalls  haftet  an  seinen  dramatischen  figuren ,  wie 
Humboldt  es  nennt,  ein  gewisser  glänz,  der  sie  von  eigentlichen 
naturwesen  unterscheidet,   nicht  als  ob  die  föhigkeit  zu  individuali- 
sieren ihm  versaf^t  gewesen  wäre,  er  leistet  oft  mit  wenigen  strichen 
viel;  man  denke  z.  b.  an  den  deutschen  herrn,  den  Tiefenbach  im 
Wallenstein,   aber  allerdings  bricht  er  die  thätigkeit  bald  ab  und 
vergönnt  uns  meist  nur  einen  leichteren  umrisz.  —  Wer  könnte  ihm 
—  obschon  es  geschehen  —  daraus  einen  Vorwurf  machen,  wenn 
nur  wirklich  die  treue  der  natur  gewahrt  ist?  es  wird  immer  in  der 
modernen  kunst  der  einfache  neben  dem  gebrochenen,  complicierten 
Stil,  die  classische  neben  der  charakteristischen  Schönheit  bestehn, 
und  wer  für  diese  geneigt  ist,  der  möge  jener  nicht  die  bereditigiBig 
des  daseins  bestreiten.  — 

Ein  weiterer  pnnct,  in  welchem  Schiller  die  griediisehe  tcsgSdis 


üeber  SohiUen  verliSltiiif  snm  daasMohen  aHertam.  291 

zum  master  wKhlte,  liegt  in  der  exposition  der  handlang,  er 
Umd,  wie  erGoefhe  am  2  ootober  1797  mitteilt,  daas  im  kömg  Oedi- 
pus  nkht  der  geringste  Torteil  der  sei,  daai  man  die  ausammen- 
gesetacteste  handlung,  welehe  der  tragiaditti  form  gana  widerstrebe, 
dabei  zu  gründe  l^en  kdnne,  indem  diese  handlang  ja  aohon  ge- 
adielmi  sei  und  mithin  ganz  jenseits  der  tragödie  fUle.  dasu  komme, 
dasB  das  geschehene,  als  anabSnderlieh  seiner  nator  nach  viel  ftlrch- 
terlioher  sei  als  das,  was  etwa  geschehen  möchte,  der  Oedipas,  sagt 
er,  ist  gleichsam  nor  eine  tragische  analysis,  alles  ist  sehen  da,  es 

•  wM  nur  heraosentwickelt.  das  kann  in  der  einfachsten  handlang 
und  in  einem  sehr  kleinen  zeitmoment  geschehn,  wenn  die  begeben- 

;  heiten  auch  noch  so  compliciert  und  von  umständen  abhängig  waren, 
wie  begünstigt  das  den  poeten.'  in  der  that  hat  er  sich  diesem  ver- 
fahren, das  besonders  Euripides  aber  mehr  mit  manier  als  mit  ge- 
schick  anwandte,  in  Maria  Stuart  und  der  braut  von  Messina  ange- 
schlossen, ja  er  überzeugte  sich,  wie  er  an  Goethe  schrieb,  gerade 
dadurch  von  der  tragischen  qualität  des  ersten  Stückes,  dasz  man  die 
katastrophe  gleich  in  der  ersten  scene  sähe,  und  indem  die  handlung 
des  Stückes  sich  davon  wegzubewegen  scheine,  ihr  immer  näher  und 

t  näher  geführt  werde.  —  Doch  dürfte  es  fraglich  sein,  ob  es  wirklich, 
wie  Schiller  meint,  ein  vorteil  für  den  poeten  sei,  das  ende  der  ge- 
schehenen zum  anfang  der  dramatischen  handlung  zu  machen,  falls 
er  anders  unter  vorteil  eine  erleichterung  verstanden  hat.  ich  glaube, 
dasz  Schillers  geschick  von  der  wähl  der  ergiebigsten  stoffe  abge- 
sehen in  keinem  stücke  mehr  hervortritt,  als  in  der  exposition  der 
handlung.  einen  persönlichen  grund  hier  nach  erleichterung  zu 
streben,  kann  er  am  wenigsten  gehabt  haben,  aber  schwerlich  dürfte 
auch  erleichterung  heiszen  können,  dasz  man  in  den  schlusz  der 
historischen  den  beginn  der  scenischen  handlung  verlegt,  um  nun 
durch  die  kraft  der  phantasie  und  etwa  mit  geschickter  berücksich- 
tigung  des  vergangenen  eine  ganz  neue  folge  von  Veränderungen  fast 
aus  dem  nichts  herauszuschaffen,  and  wenn  ihm  nun  dies  doch  ge- 
lungen, wenn  die  spannongi  in  die  uns  die  ersten  acte  von  Maria 
Stuart  versetaen,  nach  meinem  gefühl  nicht  eben  geringer  ist,  als 
die,  mit  der  wir  Wallenstein  nach  £ger  folgen,  so  mag  denn  freilich 
in  jener  tragisdien  analjsis  ein  vorteil  des  poeten  liegen,  da  sie 
ihm  den  zugaag  zu  einer  höhem  kirnst  und  die  möglichkeit  einer 
neuen  bethätigong  seines  genise  erschliesst.  — -  ObjectiYität  der 
darstellang,  Zeichnung  der  Charaktere,  exposition  der 
handlung  zeigen  unverkennbar  die  spuren  seiner  beschäftigang 
mit  der  grieohischen  tragOdie,  and  doch  ist  die  kritik  an  diesen  anti- 
ken einflössen  still  rorfibergegangen ,  um  sich  desto  lauter  Uber  die 
annähme  der  antiken  schicksalsidee  vernehmen  zu  lassen,  die 
manche  beurteiler  in  allen  stfloken  vom  Wallenstein  an,  die  meisten 
nnr  eben  in  diesem  and  besonders  in  der  braut  Yon  Messina  aus- 
gepilgfc  luideii.  —  Der  yorwnrf ,  der  frflher  g^gen  die  griechische 
tngddie  erhoben  wurde,  dasx  das  Schicksal  in  ihr  keinen  raam  für 


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292       Ueber  Schillers  verbaltnis  «un  olaniichen  altertom. 

die  Freiheit  des  menschlichen  willens  lasse,  ist  nun  zwar  neuerdings 
dorch  eine  tiefere  erforschung  des  griechischen  dramas  in  seiner 
ganzen  Verkehrtheit  erkannt;  aber  die  anerkenn ung  der  griechi- 
schen tragOdie  auch  in  diesem  punct  pflegt  man  nicht  auf  unseren 
dichter  auszudehnen,  der  gerade  hier  die  griechische  tragödie  nicht 
richtig  erfaszt,  und  jener  untragischen  auffassung  des  Schicksals,  die 
man  früher  in  ihr  finden  wollte,  den  eingang  in  seine  dramen  ver- 
stattet habe,  die  auffallende  aporie,  die  hierdurch  entsteht,  dasz  das 
Schicksal  als  eine  blinde  den  unschuldigen  und  schuldigen  in  ein 
gleiches  verderben  hereinziehende  macht  niemals  in  der  griechischen 
knnst  vorhanden  gewesen,  und  dasz  Schiller  doch  aus  ihr  gerade 
jene  auffassung  gezogen  habe ,  ISszt  nun  aber  doch ,  wie  ich  glaube, 

eine  lösung  zu.  In  den  griechischen  mythen  wird  zuweilen 

der  frevel  des  ahnherrn  an  dem  nachgeborenen  geschlechte  geahndet, 
diese  herbe  anschauung  ist  jedoch  keineswegs  eine  eigentümlichkeit 
des  griechischen  volkes  sondern  das  gemeinsame  eigentum  des  ge- 
sammten  höheren  altertums ,  wie  sie  denn  auch  der  Vorstellung  des 
alttestamentlicben,  eifrigen  gottes  zu  gründe  liegt,  der  die  sünden 
der  Väter  an  den  kindern  heimsucht  bis  ins  3  und  4  glied.  sie  ent- 
springt aus  dem  schwachheits-  und  abhängigkeitsgefühl  der  men-  • 
sehen,  faszt  die  gottheit  wesentlich  als  die  strafende,  heilige  gewalt, 
den  menschen  aber  als  das  nichtige  auf  und  gelangt  eben  deshalb 
nicht  zur  anerkennung  der  menschlichen  Willensfreiheit,  sobald  nun 
diese  ihre  herkunft  und  damit  ihr  wert  verkannt,  sobald  der  nacb- 
druck  auf  das  unschuldige  leiden  gelegt  war,  ftlr  welches  man  keine 
anderen  als  die  nächsten  äuszerlichen,  zufälligen  gründe  fand,  war 
der  Übergang  von  dem  strengen  gott  zu  jenem  düstern  fatum  voll- 
zogen, und  der  gedanke  an  eine  recht  -  und  zwecklose  notwendigkeit 
zum  durchbruch  gelangt,  sind  antike  denker  selbst  in  diesem  glau- 
ben befangen  gewesen,  so  können  wir  sie  entschuldigen,  macht  es 
doch  der  Wissenschaft  noch  heute  mühe,  die  ursprünglichen  religiösen 
anschauungen  der  Völker  nach  ihrem  wahren  wert  zu  erkennen,  die 
tragödie  aber  hat  sich  gerade  das  unsterbliche  verdienst  um  die  bil- 
dung  des  volkes  erworben,  jene  alten  götter  gestürzt,  den  menschen 
befreit  und  nur  für  dasjenige  schuldig  erklärt  zu  haben,  was  er 
wissentlich  begeht,  sie  bemächtigte  sich  allerdings  jener  mjtben, 
aber  sie  machte  den  rachegeist,  der  durch  jene  familien  schreitet,  zu 
einem  gerechten  gott,  der  die  nachfahren  nicht  die  fremde  schuld 
der  ahnen,  sondern  nur  die  neue  eigene  büszen  läszt.  und  so  ist  das 
böse,  welches  die  böse  that  fortzeugend  zu  gebären  verflucht  ist, 
nicht  das  unverdiente  leid,  das  unverschuldete  und  daher  untragische 
Unglück,  sondern  die  neue  vergehung  und  die  durch  diese  neue 
schuld  verwirkte  neue  strafe,  man  kann  sagen,  dasz  ein  schwacher 
nachhall  an  jene  strenge  anschauung  zurückbleibt,  weil  auch  die 
neuen  vergehungen,  wie  sehr  sie  an  sich  die  sühne  fordern,  an  die 
alten  gekettet  sind ;  und  es  dürfte  hier  die  quelle  des  früheren  irr- 
tums  zu  suchen  sein;  aber  die  tragödie  gab  mit  gutem  recht,  nach- 


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Ueber  schülen  verhältnia  som  dassisclieii  altertom. 


283 


dem  sie  sich  von  der  schuld  des  nacbgeborencn  geschleehtes  über- 
zeugt, jene  mytben  nicht  auf,  da  sie  die  überhebung  des  menschlicben 
geschlecbts  gerade  hier  in  den  gewaltigsten  gestalten  T(H!gebildet 
fand,  wie  sie  historisch  durch  die  groszaiitige  anschauung  des  ge- 
straften fibermutes  des  persischen  königs  hervorgebracht  wBr,  so 
beleuchtete  sie  nun  nach  Gervinus  bemerkung  mit  dem  einen  ge- 
danken  des  überhebens  der  menschlichen  natur  wie  mit  einem  licht- 
vollen blitze  eine  menge  ihrer  alten  stammsagen,   nnr  in  einigen 
dieser  motjve  weist,  wie  schon  bemerkt,  die  vorhandene  und  nach- 
weisbare schuld  auf  eine  frühere  zurück,  wie  z.  b.  im  könig  Oedipus. 
in  den  meisten  steht  die  tragische  that  auch  in  mythischer  hinsieht 
ganz  frei  für  sich,  überall  aber  hat  die  kunst,  und  dies  ist  vor 
allem  festzuhalten,  die  that  des  beiden  als  für  sich  bestehend  und 
aus  dem  freien  willen  erwachsen  aufgefaszt,  überall  also  den  men- 
schen nur  in  dem  kämpf  mit  der  vernünftigen  göttlichen  macht,  der 
sittlichen  notwendigkeit,  nicht  mit  einer  blinden  naturgewalt  dar- 
gestellt. —  Von  dieser  ersten  form  des  tragischen,  wo  die  indivi- 
duelle freiheit  mit  der  objectiven  Sittlichkeit  ringt,  ist  sie  sodann  zu 
der  weiteren,  nicht  listhetisch  höher  aber  uns  modernen  näher  stehen- 
den  fortgeschritten,  wo  die  besonderen  gestalten  des  sittlichen 
lebens  gegen  einander  auftreten  und  der  held  unschuldig  als  triiger 
des  einen  princips  durch  die  bekämpfung  des  gleichberechtigten  ent- 
gegengesetzten in  die  schuld  verstrickt  und  ebendadurch  zum  tragi- 
schen beiden  wird,    eine  andere  auffassung  des  tragischen  ist  auch 
für  unser  bewusztsein  nicht  möglich.  —  Ganz  im  einklang  mit  der 
griechischen  tragödie  hat  Seh.  selbst  in  seiner  schrift  über  das  tra- 
gische unter  dem  Schicksal  nichts  anderes  als  eine  teleologische  Ver- 
knüpfung der  dinge,  eine  gerechte  Ordnung  und  macht  der  dinge 
verstanden,   gleichwol  wird  in  zwei  tragödien  dem  Schicksal  aller- 
dings eine  gröszere  Selbständigkeit  gegönnt.  — -Als  er  den  Wallenstein 
schrieb,  fand  er,  dasz  der  eigne  fehler  des  beiden  zu  viel  an  seinem 
Unglück,  das  Schicksal  zu  wenig  thue,  da  doch  die  steme  des  Schick- 
sals nur  eben  in  der  brüst  des  beiden  liegen  können,  in  der  braut 
von  Messina  aber  kehrt  er  die  radicale  natur  jener  gewalt  noch 
deutlicher  hervor,  thatsächlich  ist  Wallenstein  historisch  so  durch- 
aus 'richtig  gegriffen'  und  von  so  entschieden  tragischer  kraft,  die 
braut  von  Messina  aber  eine  so  anziehende  restaiiration ,  dasz  wir 
über  jene  neuerung  hinwegsehen  und  es  künftig  noch  mehr  werden, 
gleichwol  fragen  wir,  wie  kam  sie  zu  stände  ?  ich  glaube,  dasz  hier- 
bei die  natur  des  dichters  und  die  art  seiner  gi*iechischen  studien  in 
gleicher  weise  zu  erwägen  sind,  zunächst  die  natur  des  dichters :  ihr 
"War  nichts  mehr  zuwider,  als  das,  was  man  sehr  richtig  die  verwelt- 
lichung der  tragödie  genannt  hat.   und  wie  auch  nicht?  niemand 
hat  den  festen,  groszen,  freien  willen  des  menschen,  den  geschlos- 
senen, starken  charakter  in  höheren  tönen  gefeiert  als  Schiller,  die 
grösze  und  freiheit  aber  kann  natürlich  nur  an  der  grösze  des  geg- 
^ers  sich  messen,  wie  hätte  er  seine  beiden  in  eine  armselige  fehde 


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294        Ueber  Schülers  verhSÜtois  zum  claseischen  altertum. 

mit  Conventionellen  Vorschriften,  socialen  normen,  schlimmen  nei- 
gungen  schicken,  überhaupt  in  die  plattheit  des  alltäglichen  lebens 
stellen  können  ?  um  die  ganze  kraft  des  beiden  zu  zeigen,  ward  die 
ganze  majestät  der  göttlichen  macht  hervorgekehrt,  und  so  am  ende 
der  freiheit  des  menschlichen  willens  zu  ehren  jene  starre  und  strenge 
notwendigkeit  auf  den  thron  gesetzt,  vor  der  auch  der  freiste  und 
stärkste  wille  zu  nichte  wird,  damit  war  geschehen,  oder  konnte 
doch  geschehen,  was  eben  nicht  geschehen  sollte,  zwar  das  grosze 
gigantische  Schicksal,  welches  den  menschen  erhebt,  wenn  es  den 
menschen  zermalmt,  hatte  sich  eingefunden,  um  den  helden  zu  zer- 
malmen ,  aber  ob  es  in  dieser  grösze  gedacht  auch  den  helden  noch 
erheben  und  vor  allem  uns  erheben  kann  und  nicht  vielmehr  betrü- 
ben musz,  wenn  wir  sehen,  dasz  für  diese  unnahbare  und  unfaszbare 
gewalt  schuld  und  Unschuld,  freiheit  und  notYi'endigkeit ,  bewusztes 
und  unbewusztes  thun  zusammenfallen?  nicht  dasz  der  dichter  die- 
sem ziele  zugestrebt  hätte,  aber  die  eigene  natur  konnte  ihn  aller- 
dings gerade  in  dieser  richtung  weiter  führen,  als  die  kunst  ver- 
stattete, zumal  wenn  sie  durch  andere  äuszere  einflüsso  verstärkt 
wird,  und  als  ein  solcher  ist  hier  die  lectüre  der  griechischen  tragö- 
die  zu  bezeichnen,  seine  griechischen  studien  traten  zeitweilig  in 
das  Stadium  einer  man  könnte  sagen  stofflichen  leidenschaftlichkeit 
ein,  mit  der  sein  sonst  so  feines  Verständnis  der  form  nicht  schritt 
zu  halten  vermochte,  so  war  er  geneigt,  gerade  bei  den  stücken, 
wo  die  ursprüngliche,  herbe  fassung  des  Schicksals  noch  in  der 
mythischen  grundlage  erkennbar  ist,  in  diesem  mythischen  stoffe 
haften  zu  bleiben  und  sich  in  jene  starre  grösze  des  Schicksals  zu 
versenken 5  und  indem  er  so  den  stoff  anschaute,  ward  er  eben  darum 
des  Sieges  nicht  inne,  den  hier  bereits  die  kunstform  über  den  stoö, 
die  tragödie  über  den  mythus,  die  vernünftige  gottheit  über  die 
naturgewalt  davonträgt,  darüber  wird  sich  am  wenigsten  wundem, 
wer  da  weisz,  welche  Schwierigkeiten  der  analysierenden  Wissen- 
schaft die  tiefe  axüage  mancher  griechischen  stücke  his  in  unsere 
tage  bereitet  hat.  — 

In  ganz  ähnlicher  weise  dürfte  über  die  einführung  des 
griechischen  chorszu  urteilen  sein .  j  enes  fast  stofinicbe  ergreifen 
der  griechischen  tragödie  wirkte  auch  hierbei  mit  einem  znge  seines 
inneren  zusammen,  nur  dasz  er  sich  dieser  richtung  vollkommen  be- 
wuszt  geworden  ist.  die  natnrwahre  darstellung,  die  er  Tornehmlieh 
Ton  den  alten  gelernt,  hatte  in  ihm  niemals  die  Überzeugung  fon 
der  wtlrde  der  kunst  geschwftcht.  je  Iftnger  je  mehr  arbeitete  <r 
innerhalb  dmelben  dim.  schlechten  natmäismns  entgegen,  nicht 
die  natnr  vor  die  sinne ,  sondern  den  geist  dar  nstnr  Ter  die  ein* 
bildnngskraft  zn  bringen,  war,  wie  er  selbst  sagt,  und  wurde  mehr 
und  mehr  sein  bestreben,  er  schickt  sich  an,  die  illusion  absichtlich 
zu  zetstCbcen,  sucht  in  seinem  Qn6rsch5|>flichen  geiste  nach  immer 
neuen  mitteln  der  Symbolik,  um  insbesondere  der  tragOdie  ihren 
idealoi  boden,  ihre  poetische  freiheit  zn  wahren«  er  findet,  dasz  man 


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Geber  ScbiUer»  Teriiftltois  siua  clMBiBelie&  alteKtum.  295 

lurch  eiiift^hmiig  «iiur  metrischen  spräche  der  poetiMhen  tragödie 
schon  um  emen  groszen  schritt  näher  gekommen  seL  mit  solchen 
pltee»  trug  er  sich,  als  die  liebe  zu  der  griechischen  weit  ihn  mit 
never  keftigkeit  anfiel,  kein  wunder,  dasz  er  in  der  einfährung  des 
chors  den  entscheidenden  schritt  zur  Vollendung  jener  eymboUk  sah 
und  in  der  braut  von  Messina  mit  seinem  beispiel  vorangieng.  das 
Torwort,  welche»  er  jenem  stttck  yoranachiokti  enthlüt  nidit  nur  die 
denkbar  beste  poetische  apologie  seines  yerfahrens»  acmdem  «ach 
eine  historisch  oder  philologisch  Tollkommen  riditige  wttrdiginig  des 
«ntiken  ohors.  gkidiwol  haben  sich  kxiiisi^e  stünmen  gegen  die 
bereohtigang  dieses  dnmatiugischen  mittels  und  namentlich  gegen 
die  «rt  erklfti,  in  wekher  die  anhabe»  die  er  skh  selbst  gesdhaßn, 
▼on  Schiller  gelöst  wird,  hatte  er  auf  den  nachteil  des  modernen 
didhters  hingewiesen,  der  in  ermangelung  des  chors  als  yertreters  der 
idealen  reflozion  und  des  lyrisdh-episohtti  elemsnts»  sich  im  dialog 
Tergessen  mttsse  und  der  sprechenden  person  betraditiingen  in  den 
mxmd  an  legen  gezwungen  sei,  die  nur  ein kaltcrmsehaoer  anstellen 
kfinne,  wodoreh  ein  stillstaad  in  der  handlung  und  also  auch  in 
nnserem  afiele  entstehe,  so  wurde  hiergegen  gesagt,  dass  die  ver- 
gröszerte  zahl  der  darstellenden  krSfte  nnd  £ß  eompliciertwe  be* 
wegtheit  des  modernen  dramas  einem  erfindsamen  dichter  ttb«r  diesen 
mangel  hinweghelfen  könne,  hatte  er  sich  auf  den  absoluten  idealis- 
mus  der  kunst  berufen,  so  unterschied  man  eben  diese  kunst,  wie 
dies  z.  b.  Hoffmeister  tbut,  und  glaubte  fttr  die  moderne  charakter- 
tragüdie,  die  sich  im  innersten  getriebe  der  menschlichen  loiden- 
scbaft  abspielen  müsse,  des  chors  entbehren  zu  können,  vor  allem 
aber  masz  man  den  cbor  der  braut  von  Messina  an  Schillers  eigener 
definition.  er  selbst  hatte  schon  bemerkt,  er  habe  den  cbor  zwar  in 
zwei  teile  geteilt  und  im  streite  mit  sich  selbst  dargestellt,  aber  dies  sei 
nur  dann  der  fall,  wo  er  als  wirkliche  person  und  als  blinde  menge 
mithandle,  als  chor  und  als  ideale  person  sei  er  immer  eins  mit  sich 
selbst.  —  Während  die  einen  hierin  nur  die  unerfüllbare  forderung 
sahen,  sich  den  cbor  zugleich  als  cbor  und  als  nichtchor  zu  denken^ 
nahmen  andere,  wie  Cholevius,  zwar  an  der  parteistellung  anstosz, 
hoben  aber  den  geringen  äuszeren  umfang  hervor,  in  dem  sie  er- 
scheine, und  wiesen  gewis  mit  recht  auf  die  sonstige  volle  würde  der 
tragischen  erhabenheit  hin,  die  der  chor  sich  im  ganzen  verlaufe  der 
handlung  bewahre.  —  Nicht  minder  ist  der  grund,  der  den  dichter 
bestimmte,  abweichend  von  seiner  eigenen  theorie  den  chor  in  die 
handlung  eingreifen  zu  lassen,  gegenständ  einer  verschiedenen  be- 
urteilung  geworden,  man  fand  ihn  zunächst  in  Schillers  Überall  auf 
die  that  hin  drängendem  Charakter,  aber  schon  Humboldt  hatte  über 
subjectiven  gemütszug  hinaus  die  objective  Ursache  entdeckt, 
er  selbst  formuliert  in  einem  hriefe  an  Schiller  die  Schwierigkeit 
ganz  richtig,  die  ebendadurch  entsteht,  dasz  bei  uns  neueren  alles 
notiTiert  sein  müsse  nnd  man  doch  den  chor  nicht  motivieren  kttnne, 
ohne  seinem  reinen  begriff  zn  schaden,  aber  während  die  einen  ans 


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296        Ueber  Schülers  Terbältois  zum  claesischen  altertamu 

diesem  resultat  voreilig  das  mislingen  der  ganzen  absieht  folgerten, 
kam  Humboldt  selbst  durch  gröszere  consequenz  zu  einem  ganz 
anderen  ziele,  'der  chor,  sagt  er,  ist  wie  der  himmel  in  einer  land> 
ßchaft;  es  versteht  sich  von  selbst,  dasz  er  da  ist,  denn  jede  handlang 
geht  durch  das  gerücht  schneller  oder  langsamer  ins  volk  und  pro- 
saisch ausgedrückt  ist  der  chor  nur  immer  das  urteilende  volk,  die 
Achiver,  die  immer  leiden,  wenn  die  könige  rasen  (quicquid  delirant 
reges,  plectuntur  Achivi).  auch  hier  noch  mehr  strenge  zu  fordern, 
scheint  mir  moderne  unart  zu  sein,  die  wieder  aus  dem  leidigen 
begriff  der  illusion  herstammt.'  wer  möchte,  wenn  sich  solche  stim- 
men vernehmen  lassen,  das  letzte  wort  sprechen,  aber  wozu  auch? 
oder  ist  es  nicht  der  schönste  triumph  des  genies,  durch  seine  kühn- 
beit  den  Scharfsinn  der  besten  aufzubieten  und  eine  reinere  erkenntnis 
von  den  mittein  und  dem  wesen  der  kunst  zu  wecken  ?  nnd  es  ist 
ja  die  kübnheit  des  genius  als  solche  nicht  allein,  vor  der  wir,  wie 
überall ,  so  auch  hier  bewundernd  stehn.  einen  eigentümlichen  reiz 
gewährt,  was  man  auch  sagen  möge,  die  auferstehung,  die  das  antike 
hier  in  sitte,  gefühl  und  ausdruck  mitten  in  einer  romantischen  weit 
gefeiert  hat;  endlich  aber  begegnen  wir  einer  Vollendung  der  lyrik, 
die  an  fülle  der  ideen,  an  erhabenheit  und  anmut  der  bilder,  endlich 
an  würde  des  ausdrucks  sich  dicht  neben  das  antike  vorbild  stellt 
und  die  begeisterung  begreiflich  macht,  mit  der  dies  einzige,  poe- 
tische gebilde  in  Deutschland  begrtiszt  wurde.  — 

Wie  sich  die  gesammte  moderne  historische  tragödie  an  Schiller 
anschlieszt,  der  zwei  baupterfordernisse  gerade  für  diuse  gattung, 
den  historischen  sinn  und  die  objective  darstellung,  vornehmlich  den 
alten  verdankte,  so  rief  die  braut  von  Messina  trotz  des  gegensatzes, 
in  den  sich  die  romantiker  zu  Schiller  stellten,  vermöge  einer  merk- 
würdigen ironie  der  thatsachen  gerade  jene  flut  romantischer  schick- 
salstragödien  hervor;  und  die  Müllnersche  schuld  heftete  sich,  wie 
Gervinus  sagt,  sogar  dicht  an  den  letzten  vers  des  Schillerschen 
stflckes  an.  freilich  bat  sich  die  stoffliche ,  unfeine  nachahmung  in 
ihrer  Inst  am  überbieten  auch  hier  nicht  verleugnet,  und  der  verruf, 
in  den  das  fatnm  gekommen,  ist  ganz  besonders  den  romaatikeni 
anf  die  rechnung  zu  setzen.  ^ 

Es  bleibt  noch  übrig  von  dem  einflösse  zn  qmchen,  den  die 
elaanaehaii  stndien  anf  Sdiillers  wissenschaftliehe  thStigkeit 
gehabt  liaben.  seine  selbstbewoBite  art  der  aneignung  fremden 
etoifes  liesz  ihn  gerade  hier  su  bestimmten,  auch  fir  die  forscbung 
deatlidi  lieraiin^riiigeiideB  xetnltaten  gelangen.  —  Oleichwol  man 
ioh  wegen  des  vmfangs,  im  andi  diese  Hbmieht  gewinnm  wttrde» 
davon  abselm,  das  einzelne  nllier  m  betesehtoiu  es  würde  sieli  dabei 
«ne  doppelte  Verwertung  antiker  ideen  Mstellen  lusen,  sie  sind 
znnSchst  fttr  ilm  andi  hier  wiedemm  das  mittel  geworden,  den 
wissensehaftlidien  stoff  zu  Teranschanlieben,  er  benutzt  daber  aacb 
hier  den  mjthus,  vielleielit  nirgends  treffUeber  ek  im  eingang  dsr 
sehrift  ^flber  anmnt  nnd  wUrde*  nnd  in  der  abhandiong  aber  das  er- 


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B.  Suphan:  Herders  sämmtiicbe  werke. 


297 


habene.  er  exemplificiert  mit  antiken  Institutionen  ,  lebeusnormen, 
Charakterzügen,  sodann  aber  bilden  jene  antiken  ideen  und  for- 
schungen  auch  den  zweck,  das  object  seines  Studiums,  und  zwar 
geht  er  nicht  nur  bei  den  praktischen  künstlem  sondern  auch  bei 
den  theoretikern  und  pbilosophen  in  die  schule,  um  gestützt  auf  die 
beobachtungen ,  die  er  an  alten  kunstvverken  selbst  machte,  und  an- 
knüpfend an  die  wissenschaftlichen  lehrsätze,  namentlich  des  Aristo- 
teles, die  ästhetischen  grundbegriflfe ,  das  wesen  der  poetischen  gat- 
tungen ,  endlich  den  unterschied  der  antiken  und  modernen  bildung 
immer  tiefer  zu  ergründen,  die  resultate,  zu  denen  er  hier  gelangt 
ist,  sichern  ihm  nicht  nur  in  der  Wissenschaft  vom  schönen  sondern 
auch  in  der  geschichte  der  griechischen  litteratur  seine  stelle,  ein 
merkmal  aber,  das  sehen  wir,  kennzeichnet  die  gesammtheit  seiner 
cJassischen  studien.  überall  bat  er  in  der  antiken  cultur  die  blei- 
benden, allgemein  menjjchlich  gültigen  demente  erkannt,  von  den 
nationalen  schranken  befreit,  zu  reineren  gestalten  fortgebildet  und 
eine  ceae  Verbreitung  derselben  vermittelt.  —  Einer  solchen  thätig- 
keit  wird  niemand  das  prädicat  der  grösze  versagen.  — 

I^OBDHAUSEN.  CarL  ScHIRLITZ. 


25. 

HBBDEBB  SXlIllTLICHE  WERKE.     HERAU86B0EBEN  VON  BERNHARD 

B  UP  HAH.  BD.  1.  2.  Berlin  Weidmannsohe  buchhandlung  1877. 

Als  Lacbmann  im  jähre  1838  seine  kritische  ausgäbe  der 
Schriften  Leasings  veranstaltete,  rief  dieses  ein  allgemeines  erstaunen 
hervor,  hier  wurde  einem  deutschen  Schriftsteller  dasselbe  recht 
zugesprochen,  dessen  man  bisher  nur  die  alten  classiker  gewürdigt 
hatte,  gesammtausgaben  unserer  schriftsteiler  waren  vordem  nur 
das  werk  der  buchhöndler  gewesen,  die  im  günstigen  falle  noch 
einige  litterarische  freunde  des  verstorbenen  zu  hilfe  genommen 
hatten,  um  nach  eigenem  ermessen  das  zusammenzustellen,  was  man 
ungefähr  für  den  hauptausdruck  seines  Schaffens  erachtete,  es  kam 
nicht  darauf  an,  den  Schriftsteller  in  seinem  allmählichen  werden 
nach  den  verschiedenen  phasen  seiner  entwickelung  hin  zu  verfolgen, 
sondern  ein  möglichst  abgerundetes  bild  seiner  classioitBt  zu  geben; 
nicht  für  das  tiefere  Studium  unseres  geistigen  lebens,  nur  zum 
ästhetischen  genusse  waren  jene  ausgaben  bestimmt,  so  wurden 
denn  Jugendarbeiten,  polemische  Schriften,  deren  stark  individueller 
ausdruck  dieses  bild  ruhiger  classicität  störte,  unbedenklich  ge- 
ändert, verktUrzt  oder  ganz  weggelassen,  dazu  kam,  dasz  man  den 
trat  in  der  sorglosesten  weise  behandelte:  man  tlberliesz  die  revision 
desselben  meist  dem  buchdrucker,  und  so  haben  sich  z.  b.  bei  Ooethe 
imd  Sobiller  eine  grosze  menge  der  sinnlosesten  druckfebler  m» 
genistet,  deren  anfsnchung  unserm  Heinrieb  Dttntzer  manche  schwere 

K.  Jahxl).  f.  phU.  o.  pftd.  U.  «bt.  1878.  hfl.  5  u.  6.  80 


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29S  B.  Suphan:  Herders  sämmtliche  werke. 

stunde  bereitet  hat.  Lachmanns  verdienst  bleibt  es ,  zuerst  dieser 
yersündignng  an  unsern  classikern  ein  ziel  gesetzt  zu  haben,  und 
wie  sehr  die  kritisch  sorgfältige  behandlung  der  ausgaben  dem 
Schriftsteller  selbst  za  gute  kam ,  zeigt  am  deutlichsten  das  beispiel 
Leasings,  seit  dem  erscheinen  der  Lachmannschen  ausgäbe  hob  sich 
das  Studium  desselben  in  auffallender  weise:  man  trat  mit  ganz 
anderem  gefühl  an  einen  Schriftsteller,  den  ein  philolog  ersten  ranges 
80  achtungsvoll  behandelt  hatte,  besonders  auf  den  schulen  wurde 
dies  sichtbar,  selbst  alte  philologen,  die  bisher  die  deutsche  lectüre 
nur  als  müszigen  Zeitvertreib  beachtet  hatten,  lasen  jetzt  die  Schriften, 
welche  durch  des  kritischen  meisters  Lachmann  arbeit  ihrer  Sphäre 
näher  gerückt  waren,  und  mit  sichtbarem  fortschreiten  bürgerte  sich 
die  lectüre  Lessings  im  unterrichte  der  höheren  schulen  ein.  aus 
den  Schulprogrammen  läszt  sich  nachweisen,  wie  seit  dieser  zeit 
Lessing  einen  immer  festeren  platz  in  der  schule  gewonnen  bat:  er 
war  gewissermaszen  neu  erworben  für  den  Unterricht. 

Nach  Lachraanns  vorgange  haben  wir  zunächst  die  Schiller- 
ausgabe Karl  Gödekes  erhalten;  mit  Goethe  hat  Bemays  den  anfang 
gemacht,  und  aus  den  wurzeln  dieser  Studien  ist  schon  eine  reiche 
zahl  litterarhistorischer  abhandlungen  aufgegangen,  die  uns  viele 
punkte  im  entwickelungsgange  jener  dichter  in  ganz  neuem  Hellte 
gezeigt  und  ein  viel  eingehenderes  und  sichereres  yerständniä  ihrer 
Schriften  vermittelt  haben. 

Wenn  nun  irgend  einer  unserer  groszen  classiker  einer  kriti- 
schen ausgäbe  bedurfte,  so  ist  dies  Herder,  freilich  haben  wir  eine 
stattliche  gesammtausgabe  seiner  werke,  veranstaltet  unter  den 
auspicien  seiner  gemahlin,  der  treuen,  verständnisvollen  gefUhrtin 
seines  lebens,  von  männem,  die  wol  berufen  schienen  zu  solcher 
aufgäbe,  einem  Ch.  G.  Heyne,  Joh.  v.  Müller,  J.  G.  Müller  —  und 
doch,  wie  wenig  entspricht  gerade  diese  Sammlung  den  anforderun- 
gen,  die  wir  an  eine  gesammtausgabe  der  Herderschen  Schöpfungen 
zu  stellen  haben!  die  herausgebergingen  von  dem  gedanken  aus, 
das  geistige  bild  Herders  in  seiner  Vollendung  vorzuführen,  ihn  als 
den  groszen  classiker  uns  zu  zeigen,  nicht  sein  allm&hliches  ent- 
stehen, seine  durchbildung  zu  demselben  darzustellen,  der  unglück- 
lichste gedanke  war  zunächst  der  des  schematisierens :  man  risz 
Herders  werke  in  drei  grosze  abteilnngen  aus  einander  und  fahrte 
somit  den  leser  gleich  darauf  hin,  ihn  nnr  im  bruchteil  zu  gemessen, 
natürlich  fand  die  schönwissenschaftliche  abieilung  den  weitesteü 
leserkreis ,  geschichte  und  philosopbie  schon  einen  besohritiktereny 
und  die  abteilung  *zar  tbeologie'  blieb  nnr  fOr  fachmltainer  aufge- 
spart, aber  aucb  in  der  anordnung  innerhalb  der  eioE^oi  abtolim* 
gen  wnrde  nadh  bestimmiem  scbema  willkflrlich  Terfahren:  man 
stellte  ohne  rüeksielit  auf  dironologische  Ordnung  das  Torwandte 
2n6ammen,  nnd  selbst  abbaadlnngen,  die  organiseb  zasammenlihi^en 
nnd  unmittelbar  aiif  einander  hinwiem,  wurden  anseinandergerisaeii, 
weil  die  eine  bier,  die  andere  da  dem  titel  naeb  seitenstttdce  fand. 


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B.  Suphan:  Herden  sftmmtliche  werke.  299 

endlich  die  kritik  des  textes  selbst  war  eine  durchaus  willkttrlicho. 
aUzuherbe  Suszernngen  und  urteile  -  und  wie  viele  der  art  finden 
sich  bei  Herder!  —  oder  auch  weitere  ausführungen  wurden  gemil- 
dert oder  gestrichen;  was  noch  lebenden  vielleicht  anstosz  geben 
konnte,  wurde  weggelassen,  und  so  finden  wir  lücken  im  texte, 
oder  manche  andeutung  bleibt  rätselhaft  und  unverständlich,  weil 
der  text  an  anderer  stelle  vorsichtig  abgeschwächt  ist.  einen  begriff 
von  Herders  entwickelungsgange ,  ein  volles  bild  seines  geistigen 
Wesens  zu  geben,  ist  diese"  ausgäbe  durchaus  unzureichend,  und 
gerade  Herder  ist  ein  schriftsteiler,  der  nur  dann  wahrhaft  gewürdigt 
werden  kann,  wenn  wir  ihn  in  seinen  schärfsten  und  bestimmtesten 
eigentümlichkeiten  erfassen,  gleich  in  seiner  ersten  bedeutenderen 
Schrift,  den  'fragmenten'  geht  er  ins  feld  gegen  die  abgeschliffene 
classicität:  die  Originalität  bestimmt  ihm  den  wahren  wert  der 
spräche,  die  idiotismen  sind  der  vorzügliche  Wegweiser,  das  genie 
derselben  zu  ergründen,  so  war  auch  sein  eigener  stil  wild  flutend, 
oft  kühn  und  selbstwillig,  aber  das  treue  bild  seines  stürmisch  er- 
regten geistes.  in  dieser  Urgewalt  müssen  wir  den  jugendlichen 
Herder  kennen  lernen,  um  zu  verstehen,  wie  erschütternd  sein  erstes 
auftreten,  wie  bewältigend  seine  persönlichkeit  wirkte,  der  selbst  der 
junge  himmelstürmende  Goethe  bewundernd  sich  beugte. 

Wenn  es  das  streben  unserer  zeit  ist,  durch  ein  möglichst  tiefes 
eingehen  in  die  gründe  der  erscheinungen  ein  Verständnis  für  die 
gegenwart  zu  gewinnen,  so  erschlieszt  sich  gerade  mit  der  umfassen- 
den kenntnis  Herders  ein  reiches  feld,  in  dem  viele  der  bedeutendsten 
erscheinungen  unseres  geistigen  lebens  ihre  wurzel  haben,  und  dies 
feld  wird  uns  erschlossen  durch  die  kritische  ausgäbe  der  Schriften 
Herders,  welche  dr.  Suphan  in  Berlin  unternommen  hat.  auf  die 
notwendigkeit  einer  solchen  ausgäbe  war  schon  seit  längerer  zeit 
dringend  hingewiesen;  aber  die  fordeiung  wäre  ein  pium  desiderium 
geblieben,  wenn  nicht  unser  würdiger  altmeister  prof.  Zacher  in 
Halle  den  gedanken  energisch  erfaszt  und  zur  ausführung  gefördert 
hätte,  durch  kaiserliche  munificenz  wurden  die  mittel  zu  den  um- 
fassenden vorarbeiten  gewährt  und  das  erscheinen  der  ausgäbe  in 
einer  ihrer  bedeutung  würdigen  gestalt  ermöglicht;  in  Bernhard 
Suphan  aber  fand  Zacher  die  geeignete  kraft,  die  ebenso  mit  kriti- 
scher schärfe  wie  mit  warmer  begeisterung  das  schwere  werk  zu 
erfassen  wüste,  denn  eine  überreiche  fülle  von  material  war  zu 
bewältigen,  der  handschriftliche  nachlasz  Herders,  welchen  das 
preuszische  ministerium  von  den  erben  desselben  zum  grösten  teil 
käuflich  erwarb ,  bot  nicht  nur  die  manuscripte  fast  aller  werke  aus 
Herders  reiferer  periode ,  sondern  auch  aus  früherer  zeit  eine  grosze 
zahl  von  entwürfen,  vorbereitenden  Studien,  älteren  ausarbeitungen, 
sowie  späteren  nachträgen  und  abänderungen ;  daneben  ungedruckte 
abhandlungen,  welche  als  verbindende  glieder  zwischen  den  einzelnen 
schon  bekannten  abhandlungen  zum  Verständnis  derselben  von 
groszer  Wichtigkeit  sind,   hier  war  es  die  schwierige  aufgäbe  des 

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300 


B.^Supbaii:  Herders  sämmtliche  werke. 


herausgebers  zu  sichten  und  zu  ordnen,  und  nur  durch  ein  treues 
hineinleben  in  die  Wandlungen  von  Herders  stil  und  die  gestaltung 
seiner  handschrift  ist  es  ihm  möglich  geworden  vor  allem  eine 
chronologische  Sicherheit  zu  erlangen,  die  ausbeute  dieser  Studien 
werden  uns  hauptsächlich  die  späteren  bände  bringen;  für  den  ersten 
band  war  es  die  schwierigste  aufgäbe,  die  ersten  schriftstellerischen 
arbeiten  Herders  ausfindig  zu  machen,  die,  meist  anonym,  in  den 
*Bigi8cben  gelehrten  beitragen'  und  den  ^Königsberger  gelehrten 
nnd  politischen  Zeitungen'  erschienen  waren,  bei  der  groszen  masse 
von  w&hlbarem,  welche  dem  herausgeber  vorlag,  ist  dieser  mit 
lobenswerter  mäszigung  Terfabren«  ^nioht  was  Herder  allenfalls 
schrieben  haben  künnte,  sondern  was  er  —  falls  nicht  alle  kiitischea 
merkmale  trttgen  —  wirklich  geschrieben  hat'  wurde  aaiJB^ommen. 
ein  besonders  glttcklicher  umstand  war  es  dabei,  dasz  anabbängig 
von  Suphan  einer  unserer  tüchtigsten  forscher  auf  dem  gebiete  der 
litteraturgeschichte,  prof.  R.  Haym  in  Halle  zumswecke  einer  bio- 
graphie  Herders  sich  die  ermittelung  von  dessen  frtthesten  drack- 
Schriften  zur  aufgäbe  gestellt  hatte,  in  überraschender  weise  fand 
es  sieh,  dass  beide  gelehrte  bis  auf  geringe  abweichongen  in  ihrer 
auslese  völlig  flbereinstimmten. 

So  sind  denn  bereits  die  bdden  ersten  b&nde  der  neuen  Herder- 
ansgabe  erschienen^  welche  die  schnften  Herders  bis  sum  jähre  1768 
umfassen,  die  sorgfslt  und  seh&rfe,  mit  welcher  der  nrsprting^Uche 
tezt  ermittelt  nnd  hergestellt,  die  flbersichtlichkeit  der  conoordanz 
mit  den  ongmalausgaben,  der  feine  taot,  mit  dem  nichts  wertvolles 
ttberaehen  nnd  wiedemm  jede  wertlose  anh&nfong  TOn  Yariaaten 
yermieden  ist,  müssen  selbst  die  strengsten  ansprttche  hefinedigen. 
die  anmerkongen  sind  kurz  und  knapp,  aber  es  bleibt  nichts  dunloeles 
oder  dentsames  unberücksichtigt 

Der  erste  band  bringt  uns  die  Jugendarbeiten.  Herders  bis  zn 
seinem  ersten  epochemachenden  werke,  den  fragmenten  über  die 
neuere  deutsdie  litteratur.  von  den  seht  nummem  die  hier  gegeben 
werden,  sind  mehrere  geradezu  neu  entdeckt  und  für  die  litteratur 
wiedergewonnen,  sind  auch  diese  jugendwerke  Herders  im  ganzen 
von  geringerer  bedeutung,  so  erregen  doch  einige  von  ihnen  immer- 
hin ein  lebhaftes  interesse.  so  die  abhandlnng:  haben  wir  noch  jetzt 
das  Vaterland  und  das  publicum  der  alten?  mit  hinreiszendem 
Schwünge  verherrlicht  hier  der  jugendliche  Herder  den  Patriotismus, 
die  richtung  auf  das  nationale,  die  späterhin  der  hauptimpuls  seines 
Schaffens  wurde,  ebenso  finden  sich  unter  den  recensionen  bchon 
mehrere,  in  denen  die  spätere  geistesrichtung  Herders  in  höchst 
charakteristischer  weise  vorgezeichnet  ist.  das  hauptinteresse  nehmen 
aber  die  fragmente  über  die  neuere  deutsche  litteratur  in  anspruch, 
welche  die  zweite  hälfte  dieses  bandes  bringt,  schon  die  entstehungs- 
geschichte  derselben,  wie  sie  Suphan  in  der  einleitung  erzählt,  ist 
im  hohen  grade  fesselnd.  Herder  selbst  hatte  mit  der  ersten  Samm- 
lung, die  1767  ohne  seinen  namen  erschien,  ein  ungewöhnliches 


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B.  Supban:  Herden  B&nimtHche  werke.  801 

anfsehn  erregt:  schon  ein  jähr  später  wurde  eine  nene  anflage 
nötig ,  und  Herder  arbeitete  zn  diesem  zwecke  die  erste  sammliiiig 
Tollständig  um.  diese  nmarbeitang  war  gedruckt,  aber  noch  ehe  sie 
der  Öffentlichkeit  übergeben  war,  erschien  eine  böswillige  kritik  der- 
selben in  der  Hallischen  deatechen  bibliothek:  Kioti  hatte  sieh  ein 
exemplar  der  nenen  bearbeitnng  anf  unrecht mäszigem  wege  zu  ver- 
schaffen gewQSzt  und  suchte  nun  das  buch  gleich  bei  seinem  er- 
scheinen zu  yemichten.  Herder  ttbte  eine  scharfe  räche:  er  bewog 
den  Verleger,  das  buch  überhaupt  nicht  heranssageben,  und  so  hatte 
Klotz  die  lächerlichkeit  begangen  ein  buch  zu  recensieren,  das  ttber^ 
haupt  nicht  erschien,  freilich  muste  diese  raehe  schwer  gezahlt  wer- 
"  den;  die  zweite  Umarbeitung  blieb  dem  publicum  verschlossen,  und 
erst  nach  Herders  tode  veröffentlichte  Heyne  dieselbe  in  der  ge* 
sammtausgabe»  zu  einer  zeit  also,  wo  sie  nicht  mehr  die  unmittelbare 
Wirkung  ftuszem  konnte,  wie  zur  zeit  ihrer  abfassimg.  wollen  wir 
nun  den  einflusz  bemessen ,  den  diese  fragmente  gehabt  haben ,  ro 
dürfen  wir  immer  nur  auf  jene  erste  form  ihres  erscheinens  zurück- 
gehen, denn  nur  in  dieser  fassung  war  sie  in  den  bänden  des  publi- 
eoms,  und  diese  durfte  also  nicht  unterdrückt  werden,  wie  dies  Heyne 
in  seiner  ausgäbe  gethan  hat.  Suphan  gibt  daher  die  fragmente  in 
der  form,  wie  sie  zuerst  erschienen,  und  wir  erhalten  damit  erst  den 
richtigen  maszstab  zur  beurteilung  Herders  bei  seinem  ersten  auf- 
treten, auch  den  schlnszabsobnitt  der  dritten  Sammlung  der  frag- 
mente: *ein  anhang  von  einigen  Streitigkeiten  der  litteraturbriefe 
mit  Elopstock  und  Gramer*  finden  wir  in  der  neuen  ausgäbe  wieder; 
Heyne,  dem  alle  Streitigkeiten  von  grund  aus  zuwider  waren,  hatte 
ihn  ohne^  weiteres  weggelassen. 

Zu  dem  ersten  bände  ist  jetzt  auch  schon  der  zweite  getreten, 
er  bringt  zunächst  die  oben  erwähnte  Umarbeitung  der  ersten  Samm- 
lung der  fragmente ,  nach  Herders  manusetipt  verbessert,  und  die 
bedeutenden  Umarbeitungen  und  Vermehrungen  der  zweiten  und 
dritten  Sammlung,  die  sich  in  dem  schriftlichen  nachlasse  fanden; 
dann  den  torso  über  Thomas  Abbts  Schriften  aus  dem  nachlasse  ver- 
mehrt um  ein  zweites  stück ,  sowie  eine  reihe  von  Zusätzen  und  aus- 
fuhrungen, die  ursprünglich  für  den  torso  bestimmt  waren,  während 
diese  schrift  in  der  Cottaschen  gesammtausgabe  unter  die  geschicht- 
lichen werke  gelegt  wurde,  findet  sie  bei  Suphan  die  richtige  stelle 
gleich  nach  den  fragraenten,  denn  an  diese  schlieszt  sie  sich  zunächst 
ihrer  inneren  natur  nach  an,  während  sie  zugleich,  besonders  in  den 
neu  veröffentlichten  teilen  des  zweiten  stOcks  auf  die  kritischen 
Wälder  überleitet  und  so  als  das  richtige  bindeglied  zwischen  den 
beiden  ersten  epochemachenden  Schriften  Herders  erscheint. 

Ueberblicken  wir  den  reichen  schätz,  welchen  uns  diese  beiden 
ersten  bände  bieten,  wie  anders,  wie  viel  reicher  und  voller  erscheint 
•uns  jetzt  das  bild  des  jugendlichen  Herder!  dieser  feurig  bewegte, 
nach  allen  selten  des  wissens  hin  ausstrebende  geist  wird  uns  jetzt 
erst  faszbar,  und  wir  verstehen  die  mächtige  Wirkung,  die  sein  erstes 


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£•  Kueneii:  die  deatichea  daaaiker. 


auftreten  heryorrief.  somit  ist  einer  unserer  groszartigsten  geister 
waia  neue  in  das  leben  surfickgernfen»  nnd  das  eingehende  Studium 
seiner  Schriften,  zu  dem  diese  ausgäbe  uns  auffordert,  wird  nicht  onr 
in  viele  einzelnei  bisher  unbekannte  beziehungen  klarheit  bringen, 
sondern  auch  im  groesen  und  ganien  eine  fdrdemng  unseres  geistigoi 
lebens  schaffen« 

Nicht  der  geringäte  anteil  wird  dabei  der  sehnle  anfallen,  dena 
wie  Herder  seine  lanfbahn  als  lehrer  in  fiiga  begann  und  als  ephoro« 
der  sebulen  in  Weimar  endete,  so  hat  er  and^  einen  grossen  M 
seiner  geistigen  thfttigkeit  der  pftdagogik  zugewendet  säoainBiga 
entwarf  er  in  grosiartigen  umrissen  das  ideal  ein«r  scbnloi  das  ei 
spiter  in  gereiften  jaluen  zu  Weimar  bei  der  reoiganisatioB  des 
gymnasiums  in  musterhafter  weise  yerwerten  konnte,  eine  gaan 
reihe  seiner  abhandlungen  behandelt  geradezu  pädagogisdie  fragen, 
aber  auch  in  alle  den  anderen  Schriften  tritt  Herder  der  lehrer  uns 
immer  und  immer  wieder  entgegen,  nadi  allen  selten  hin  die  bOoii* 
sten  ziele  der  bildung  und  zugleich  der  erziehung  uns  steckend,  so 
werden  Herders  werke  nicht  bloss  dem  lehrer  der  litteratur  von  In- 
teresse sein,  sondern  jedem  strebsamen  lehrer  überhaupt  als  eine 
'fundgrube  pädagogischer  Weisheit'  Tielfach  anregung  und  fBrdoruog 
bringen. 

Die  rüstige  kraft  des  herausgebers  Ittszt  uns  hoffen,  dasz  das 
vollständige  erscheinen  des  auf  32  bände  berechneten  Werkes  sich 
nicht  in  zu  lange  zeit  verzögern  wird. 

Scblieszlich  müssen  wir  rühmend  anerkennen ,  dasz  die  Weid- 
mannsche  bucbhandlung  durch  eine  höchst  saubere  und  geschmack- 
volle äuszere  ausstattung  der  bedeutsamkeit  des  Unternehmens  rech- 
nung  getragen  bat.  der  preis  ist  dabei  ein  verhältnismäszig  so  geringer, 
dasz  die  beschaffung  des  Werkes  nicht  blosz  den  lehrerbibliotheken 
überlassen  bleibt,  sondern  auch  privaten  leicht  ermöglicht  wird. 

NOHDHAUSEN.  FeRSCBMAIIN. 


26. 

i>nB  DBUTSOHmr  olassikeb,  bblXutbbt  inio  qbwGbdiot  füb  gw- 

NA8IBR,  BBAL-  UHD  HÖHBBB  TÖGHTBB8CHULBN  TON  BDUASn 
KU B MBH,  KÖNIOL.  BBIUNAB-OIBBOTOB.  1«  bIsDABXH:  SOHIL- 
UARS  WILBBLM  TBLL.  71 1.  12.  —  2.  bXndOHBH:  BOBIXiLBBS  JOHG- 

vntv  TOH  oblbans.  88  s.  IS.  Terlag  von  C.  Boemke  Gie.  In 
Cöln.  187T  u.  78. 

Nachdem  bei  uns  Deutschen  in  den  letzten  decennien  ein  neues 
nationales  leben  erwacht  ist,  macht  sich  neben  anderen  lobenswerten 
richtungen,  namentlich  neben  der  sorgfältigen  erforschung  der  vater- 
ländischen geschichte  auch  ein  höheres  streben  geltend,  der  studieren- 
den jagend  das  verstttndnis  grosserer  am&ngreicherer  werke  der 
deutschen  litteratnr  zu  erschlieszen.  dasz  der  Verfasser  yorliegeiuter 


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£.  Kaenea:  die  deatacheu  claasiker. 


303 


-erläuterangen  nun  von  den  in  den  schulen  gelesenen  dramen  Schil- 
lers zunächst  Teil  bearbeitet  hat,  scheint  in  der  nationalen  bedeutung 
dieses  dramas  überhaupt,  sowie  in  der  leichtern  Verständlichkeit 
desselben  und  in  dem  das  jugendliche  gemllt  besonders  ansprechen- 
den Stoffe  wol  begrtlndet.  was  nun  die  behandlungs weise  selbst  an- 
geht, so  musz  zuerst  der  standpunct,  den  der  verf.  eingenommen 
hat,  kurz  bezeichnet  werden,  er  hat  es  sich  zur  aufgäbe  gesetzt, 
die  studierende  jugend  methodisch  in  die  dichtung  einzuführen, 
damit  diese  ein  mittel  sowol  zur  intellectuellen  und  sittlichen,  als 
auch  zur  ästhetischen  und  nationalen  bildung  werde,  eine  kurze  In- 
haltsangabe soll  zunächst  den  schüler  über  den  ideengang  des  ganzen 
dramas  orientieren  und  so  sein  intere^se  für  dasselbe  von  vornherein 
wachrufen,  sodann  wird  auf  den  inhalt  der  einzelnen  acte  genauer 
eingegangen,  der  verf.  führt  uns  durch  sämmtliche  aufzüge  des  dra- 
mas und  betont  namentlich  jedesmal  genau  das  fortrücken  der  hand- 
lang, er  schlieszt  sich  hierbei,  so  viel  als  möglich,  an  die  werte  des 
dichters  an,  um  dieselben  für  den  schüler  nutzbar  zu  machen  und  so 
Schillers  vollendete  form  demselben  in  leichtester  weise  zum  eigen- 
tum  zu  geben ,  ohne  jedoch  in  den  fehler  zu  verfallen ,  eine  blosze 
Paraphrase  des  Schillerschen  textes  zu  liefern,  hierauf  werden  die 
handelnden  personen  einzeln  besprochen,  ihre  ursprüngliche  Stellung 
und  äuszeren  lebensumstände ,  ihr  empfinden,  denken  und  wollen, 
ihre  absiebten  und  pläne,  ihre  leidenschaften,  die  inneren  conflicte, 
wie  sie  in  der  Wechselwirkung  zur  handlung  entstehen  und  sich  lösen, 
werden  genau  beschrieben  und  bieten  das  material  zur  Zeichnung 
der  Charaktere,  nachdem  diese  sowol  in  ihrer  Sonderheit,  wie  in  ihren 
heziehungen  zum  ganzen  erkannt  und  gefaszt  sind ,  entwickelt  der 
Verfasser  die  idee  des  Stückes,  entgegen  den  ansichten  namhafter 
litterarhistoriker  hält  er  mit  recht  fest  daran,  dasz  nicht  Teil  der 
eigentliche  held  des  dramas  ist,  sondern  das  schweizerische  volk. 
ausgehend  von  der  widmung*,  womit  der  dichter  die  überöcndung 
eines  exemplars  seines  Wilhelm  Teil  an  Dalberg  begleitete,  weist  er 
nach,  dasz  er  vor  allen  den  glücklichen  zustand  des  harmlosen  hirten- 
volkes  zur  anschauung  bringen  wollte,  dieses  volk  wurde  aber  ge- 
nötigt, zur  Sicherung  seiner  Unabhängigkeit  zu  den  waffen  zu  greifen, 
als  Sänger  der  echten,  wahren  freiheit,  welche  die  heilsame  schranke 
des  gesetzes  ehrt  und  achtet ,  als  einsichtsvoller  denker,  welcher  be- 
reits in  beredten  werten  im  Spaziergang  und  in  der  glocke  den  da- 
mals so  laut  sich  geltend  machenden  verderblichen  misbrauch  der 
freiheit  verurteilt  hatte,  ergriff  er  die  gelegenheit,  *die  schützung 
angeborener  und  ererbter  rechte,  die  freiheit,  deren  schöne  frucht 


doch  wenn  ein  volk,  das  fromm  dio  lieerdeu  weidet, 
sich  selbst  g.enng,  nicht  fremden  guts  begehrt, 
rlen  zwang  abwirft,  den  es  unwürdig  leidet, 
doch  selbst  im  zorn  die  menschlichkeit  noch  ehrt, 
im  glücke  selbst,  im  siege  sich  bescheidet: 
das  ist  unsterblich  und  des  liedes  wert. 


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£.  Kuenea:  die  deutsclien  classiker, 


die  mäszigung  und  selbstbeherschung  ist,  den  ausschreitungen  der 
französischen  revolution  entgegenzustellen,  muste  nicht  zu  einer^ 
zeit,  wo  die  reichsidee  nur  noch  ein  hohler  name  war  und  der  tag 
von  Jena  bevorstand,  wo  der  fremde  eroberer  das  reich  in  trümmer 
warf  und  seinen  fusz  auf  das  niedergeworfene  Vaterland  setzte,  muste 
da  nicht  der  dichter  deutscher  freiheit  zu  einer  that  schreiten,  die 
wol  eine  niederlage  auswetzen  konnte  ?  er  schritt  zu  dieser  that,  die 
ein  sieg  war,  in  der  Schöpfung  seines  Wilhelm  Teil,  so,  und  nicht 
anders  faszte  der  dichter  den  gedanken,  ein  groszes  volksschaaspiel 
zu  dichten,  in  welchem  alle  jene  angeführten  ideen  mit  der  Tellsage 
in  einklang  zu  bringen  und  zu  einer  festen  einheit  zu  verschmelzen 
waren,  diesen  so  überaus  schwierigen  punct  löste  der  dichter,  wenn 
auch  nicht  vollständig  nach  den  hergebrachten  begriffen  der  kunst 
(denn  dazu  war  der  an  sich  verschiedenartige  stoÜ  nicht  geeignet], 
aber  doch  in  einer  herrlichen  weise,  was  nie  ein  dichter  vor  ihm  ge» 
wagt,  auch  der  unsterbliche  Britto  nicht,  das  wagte  Schiller  in  küh- 
ner gestaltungskraft.  nicht  der  einzelne  Teil,  sondern  ein  gan- 
zes Volk  wird  der  held  des  Stückes.*  —  hierauf  verbreitet  der  verf. 
sich  über  die  locale  förbung ,  womit  der  dichter  den  Schauplatz  der 
handlung  ausgeschmückt  hat.  den  worten  M.  Carrieres  über  diesen 
punct  wird  noch  eine  stelle  aus  den  novellen  Eudolph  Toepffers  zu- 
gefügt, wodurch  die  vorwürfe,  Schiller  habe  bei  der  beschreibwig 
der  Schweiz  zu  sehr  idealisiert,  entkräftet  werden,  es  folgt  büh 
weiter  eine  kurze  geschichte  der  entstehung  des  dramas  und  angäbe 
der  haupt quelle  desselben,  dann  die  eigentliche  geschichte,  sowie  die 
sage  selbst,  ihre  entstehung,  entwickelung  und  ausbau.  dasz  der 
verf.  diese  puncto  erst  am  Schlüsse  erörtert,  findet  unsem  ungeteilten 
beifall.  wir  halten  es  nemlich  ftir  entschieden  verkehrt,  die  schüler 
mit  den  äuszeren  umständen  der  entstehung  eines  dramas  u.  dgl. 
bekannt  zu  machen ,  bevor  sie  in  das  drama  selbst  eingeführt  sind, 
in  der  angäbe  der  geschichte,  sowie  bei  den  mitteilungen  über  ent- 
stehung, entwicklung  und  ausbau  der  sage  folgt  der  verf.  den  neue- 
sten forschungen,  wie  sie  namentlich  von  G.  Meyer  von  Knonauiu- 
sammengestellt  sind,  hier  müssen  wir  jedoch  bemerken ,  dasz  der 
verf.  das  märchen  vom  Teil  zu  kurz  und  nur  in  parenthese  behandelt, 
wir  verweisen  deshalb  auf  Simrocks  bandbuch  der  deutseben  mjtho- 
logie  8.  247  ff.,  wo  das  erste  vorkommen  der  Tellsage  genau  nachge- 
wiesen und  ihre  bedeutung  erschöpfend  gewürdigt  wird,  den  anhang 
bildet  eine  blumeniese  der  schönsten  (35)  Sentenzen  aus  dem  dranii* 
Denselben  methodischen  gang  hat  der  verf.  in  seinen  erllnto' 
rangen  zar  j an gf ran  von  Orleans  eingeschlagen,  einen  besOB- 
deren  abschnitt  widmet  er  dem  vaterländischen  in  diesem  dnntt* 
mit  recht  bebt  er  hervor,  wie  der  dichter  hier  als  prophet  sdneB 
Volkes  auftritt  nnd  die  erbebung  von  1813  in  ahnungsvollem  geiste 
Terzeiefanet.  er  weist  weiter  darauf  hin,  wie  diese  von  vaterllndi- 
scbem  geist  getragene  dichtung  ebenso  wie  der  Teil  nach  den  tagen 
Ton  Jena  und  Tilsit  sur  entfesselung  der  preuszisehen  Tolkekraftund 


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£.  Kuenen:  die  deutschen  claadker. 


ao5 


zur  natioBalen  erhebung  beigetragen  bat,  und  scbliesst  mit  den  wer- 
ten: *aucb  das  deutscbe  Tolk  hatte  seine  Johaana.  der  gcist  der 
liochseligen  kSnigin  Louise,  der  hehren  dnlderin,  wurde  dem  deut- 
aohen  volke,  was  Johanna  den  Franken  gewesen,  dieses  grosze  weltr 
geechiohtliehe  drama,  welches  den  kämpf  des  deutech^n  idealismns 
gegen  den  materialismus  Napoleonischer  eroberungspolitik  zum 
gegenstände  hatte,  fand  jedoch  erst  seinen  scbluszstein  50  jähre  spä- 
ter in  der  feierlichen  wiedererweoknng  des  dentsohen  kaisertums  in 
d^  person  Wilhelm  I  von  Freuszen.  da  wurde  im  saale  von  Ver-- 
sailles  die  dulderin  in  ihrem  sehne  yerherlicht,  glfinzend  wie  die  yer- 
kllnmg  der  jungfrau  von  Orleans  in  Schillers  dichtung.' 

Ein  überblick  des  baues  des  dramas  veranschaulicht  die  den 
forderungen  der  Aristotelischen  poetik  entsprechende  technik  des- 
selben, ob  jedoch  der  verf.  die  kenntnis  dieser  Aristotelischen  aus- 
einandersetzungen  bei  allen  lesem  voraussetzen  darf,  lassen  wir 
dahingestellt,  die  auf  die  Schilderung  der  Charaktere  folgenden  be- 
merkungen  über  entstehung,  name,  zeit,  ort,  spräche  und  vers  finden 
wir  ausreichend  für  den  leserkreis,  den  der  verf.  zunächst  ins  auge 
gefaszt  hat.  auch  der  abschnitt  über  die  historische  jungfrau,  dem 
eine  sorgfältige  quellenangabe  beigefügt  ist,  bietet  unseres  eracbtens 
das  zum  Verständnisse  notwendige  in  ausgibiger  fülle,  es  folgt  dann 
ein  abschnitt  über  Visionen,  zwar  finden  wir  nicht,  dasz  dieser  punct 
zum  verstänbnisse  des  dramas  unmittelbar  beitragt ,  allein  das  hohe 
interesse,  welches  die  frage  nach  dem  wunderbaren  in  dera  leben  der 
jungfrau  von  Orleans  hat  und  welches  sich  namentlich  auch  heutzu- 
tage der  erklärung  wunderbarer  erscheinungen  zuwendet,  mag  diesen 
excurs  nicht  nur  entschuldigen,  sondern  sogar  rechtfertigen,  auch 
wir  stimmen  den  zum  schlusz  angeführten  worten  Hirzeis  gerne  bei, 
wonach  'die  historische  jungfrau  eine  glücklich  organisierte  mit  den 
edelsten  anlagen  ausgerüstete  persönlichkeit,  die  zwar  menschlichen 
schwächen  unterworfen  war,  aber  sich  rein  erhalten  hat  von  dem 
schmutze  der  Sinnlichkeit  und  Selbstsucht,  ein  gemüt,  kindlich  ver- 
senkt in  jene  schwärmerische  frömmigkeit,  für  welche  der  Vorhang 
gehoben  ist ,  der  die  diesseitige  und  jenseitige  weit  scheidet,  ein  ge- 
müt, welches  ohne  nach  rechts  und  links  zu  schauen,  ganz  aufgeht 
in  dem  groszen  gedanken,  das  recht  des  königs  und  der  freiheit  ihres 
Vaterlandes  herzustellen.'  den  schlusz  bilden  sachkundige  texterläu- 
terungen,  zunächst  für  solche  leser  berechnet,  die  ohne  lehrer  zu  der 
lectüre  dieses  dramas  schreiten. 

Wir  schlieszen  unsere  anzeige  mit  dem  aufrichtigen  wünsche, 
dasz  es  dem  Verfasser  nicht  an  zeit  und  musze  fehlen  möge,  sein 
unternehmen,  der  studierenden  Jugend  bei  der  lectüre  der  raeisterwerke 
unserer  nationalen  litteratur  ein  führer  zu  sein,  glücklich  zu  ende  zu 
führen,  dasz  er  ein  erfahrener  führer  und  seiner  aufgäbe  in  jeder  be- 
ziehang  gewachsen  ist,  hat  er  durch  die  vorliegenden  bearbeitungen 
der  beiden  dramen  Schillers  bewiesen. 

K£MP£M  A.  ftH.  Dr.  Bulamo. 


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^06      B.  Leuckart  und  H.  l^itssche:  zoologische  wandtAfelD. 

27. 

DR.  R.  LlUOKART,  PR0FR88OR  IH  LRIPZIC^  WSP  1>R-  H.  HITZBOHI, 
PROnaSOR  IM  TBARAHO,  SOOLOOISOHl  WAHDTAFELN  ZUM  OB* 

BRAUCHE  AN  UHiVRRSiTlTRir  UMD  SGROLBM.  Cassel»  Tcrlag  TOa 
Theodor  Jilcher.  1877. 

Zwei  hervorragende  fachmänner  —  die  professoren  der  Zoologie 
Leuckart  und  Nitzsche  —  sind  damit  beschäftigt,  ein  neues  lehr- 
mittel  für  den  Unterricht  in  der  thierkunde  herzustellen :  laut  pro- 
spect  100  bis  110  teils  schwarze,  teils  farbige  tafeln  gröszten  for- 
mates  (100  ;  140  cm.),  auf  welchen  die  wichtigsten  thierformen  mit 
besonderer  berücksichtigung  der  Organisation  und  entwicklang  dar- 
gestellt werden  sollen,  das  ist  ein  unternehmen ,  welches  von  Forn- 
herein  mit  hoher  freude  begrtiszt  zu  werden  verdient,  und  zwar 
ebensowol,  weil  es  einem  dringenden  bedürfnisse  abhelfen  wird,  als 
auch  aus  dem  gründe,  dasz  es  von  wissenschaftlichen  autoritäten 
ausgeht,  die  bereits  erschienenen  tafeln*  verrathen  schon  auf  den 
ersten  blick  durch  stattliches  formatund  geschmackvolle  ausfübrung, 
dasz  berausgeber  und  Verleger  etwas  brauchbares  und  schönes  zu 
schaffen  sich  angelegen  sein  lieszen.  sie  enthalten  —  und  das  wird 
lant  prospect  auch  bei  den  Übrigen  tafelnder  fall  sein  — teils original- 
figuren,  teils  copieen  aus  anerkannt  guten  specialwerken,  und  zwar 
bald  naturgetreue,  bald  schematiiche  oder  halbschematische  dar- 
Stellungen;  überall  sieht  man,  dasz  es  in  erster  linie  auf  veranschau- 
lichung der  organisations-  und  entwickelungsverhältnisse,  überhaupt 
der  charakteristischen  eigentümlichkeiten  ankommt. 

Taf.  I  behandelt  die  achtstrahligen  corallen ,  gehört  also  zum 
tjpus:  eodenterata;  taf.n  stellt  verschiedene  rhizopodendar,  beiiÜk 
daher  den  typus :  protosoa;  taf.  III  bringt  reprftsentant^  der  cra- 
staoeen,  also  des  typus:  arihropoda.  hieraus  erhellt  —  und  es  ist 
dies  im  prospect  noeh  besonden  ausgesprochen  —  dasz  die  tafeln 
nicht  in  systematisdier  reihenfolge  er^einen. 

Um  den  inhalt  der  taföhi  etwas  weiter  sn  detaillieren »  an  tat 
m  als  beispiel  gewShlt.  auf  derselben  finden  wir  in  virar  Bgma  die 
gemeine  wasserassel  (asellns  aquations)  dargestellt:  fig.  1.  mlon- 
chenk  Ton  oben  gesehen  mit  eingeseiehnetem  centralnerTen^ystem. 
fig.  2.  Weibchen  Yon  der  Seite  gesehen  mit  sSmmtlidien  gliedmasm 
und  eingeseiehnetem  henen.  Sg.  3.  siemlich  weit  entwkhelter  emr 
bryo.  fig.  4«  querschnitt  durch  den  kitrper  eines  Weibchens  auf  der 
höhe  des  3n  hmstringes.  zwei  weitere  figuren  bekeffan  die  rauhe 
kellerassel  (poreeUio  seaber),  nemlich  fig.  6  ein  Ton  oben  gesehensB 
thier  mit  eingeseiehnetem  darmkanal  nebst  leberschlftaehen,  fig.  6 
ein  von  unten  gesehenes  weibchen  mit  bmttasdhe. 

AUe  figuren  «ind  —  das  verdient  im  hinblick  auf  den  dtdakti- 


*  dem  reC  sind  bis  jetst  die  eitlen  drei  sagegangen  und  er  bebSlt 
sich  Tor,  Uber  die  folgenden  von  seit  sn  seit  an  berichten. 

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A.  Dronke:  leiifiMlen  für  den  Unterricht  in  der  geographie.  307 


gehen  zweck  der  tafeln  besonders  hervorgehoben  zu  werden  —  so 
grosz  und  deutlich ,  dasz  ihre  einzelheiten  in  einem  hörsaale  oder 
einer  classe  Ton  gewöhnlicher  grösze  noch  von  dem,  letzten  sitzen 
aus  wahrgenommen  werden  können. 

Zur  erläuterung  ist  jeder  tafel  ein  kurzer  tezt  in  deutscher, 
französischer  und  englischer  spräche  beigegeben. 

Der  preis  soll  so  geötellt  werden,  dasz  für  abnehmer  des  ganzen 
Werkes  die  tafel  je  nach  der  Schwierigkeit  der  herstellong  etwa  80 
pfg.  bis  höchstens  2  m.  kosten  wird. 

Wir  wünschen  dena  dankenswerten  unternehmen  den  gedeih- 
lichsten fortgang.  Helm. 


28. 

DB.  A.  DBOMKB,  BSAL80H0LDIRB0T0B  IN  TRUSB,  LBITPADBV fOb  DBR 
UMTBBBIOHT  IN  DBB  OBOOBAPBIB  AM  HÖHEBBK  LBHBABBTALTBH. 

Bonn,  Weber.  1877.  catm  l  (sexta)  84  e.  enrrai  11  (qninta)  106  i. 
COTSOB  III  (qnarta)  104  «.  cnxras  lY  (uotettertia)  174  s. 

Das  werk  zählt  zu  den  guten  geographischen  handbüchem. 
der  stoff  ist  auf  allen  stufen  geschickt  ausgewählt  und  übersichtlich 
gegliedert,  überall  tritt-das  terrainbild  als  das  fundamentale  in  der 
geographie  in  den  Vordergrund;  fast  durchgängig  werden  die  ursach- 
lichen beziehungen  der  geographischen  Verhältnisse  erörtert  oder 
doch  wenigstens  angedeutet;  nur  bei  den  groszen  städten  vermiszt 
man  ungern  den  hinweis  auf  die  physischen  factoren,  die  das  empor- 
kommen derselben  bedingten,  wie  sich  gebührt,  sind  die  stüdte 
meistenteils  nach  physikalischen  gesichtspuncten  geordnet,  zum  teil 
aber  auch  —  namentlich  im  IV.  cursus  —  mit  etwas  zu  viel  notizen 
über  allerlei  merk  Würdigkeiten  und  dgl.  bedacht,  die  in  dieser  aus« 
dehnung  unmöglich  didaktische  Verwertung  finden  können,  nichts- 
destoweniger verdient  aber  der  leitfaden  warme  empfehlung  ina- 
besondere für  realschulen,  für  die  er  in  erster  linie  berechnet  ist. 
die  Verteilung  des  stofifes  ist  folgende:  der  erste  cursus,  für  sexta, 
Terdentlicht  die  allgemeinsten  begriffe  aus  der  mathematischen  und 
physikalischen  geographie  und  bringt  auszerdem  noch  die  grundzüge 
der  oceanographie,  sowie  die  demente  der  horizontalen,  verticalen 
und  hydrographischen  gliederung  der  fünf  erdteile.  durch  arbeitung 
des  Stoffes  aus  der  mathematischen  geographie  verlangt  hier  der 
Verfasser  auf  alle  fälle,  das  übrige  kann  gekürzt  werden^  da  das- 
selbe auf  den  nächsten  stufen  wiederkehrt,  der  folgende  cursus,  für 
quinta,  ist  den  auszereuropäischen  erdteilen  gewidmet,  horizontale 
ghederung,  oro-  und  hydrographie  derselben  werden  hier  ausführ- 
Ucher  dargestellt;  besondere  abschnitte  über  klima,  production,  be- 
wohner,  Staaten  und  städte  treten  noch  hinzu,  da  nach  des  Verfassers 
Uisicht  von  quinta  ab  die  zeichnende  methode  beim  geographischen 


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308 


Ad  Popnlom  Gennanieiim. 


imterTiclite  in  anwendung  gebracht  werden  soll,  so  sind  schon  hier 
in  den  abschnitten  über  horizontale  gliedemng  anhaltepuncte  für 
dieselbe  insofern  gegeben,  als  auf  die  unter  gleichen  meridianen 
und  parallelkreisen  liegenden  puncte  vom  verf.  besonders  aufmerksam 
gemacht  wird,  noch  mehr  tritt  dies  im  dritten  cursus,  för  quarta, 
hervor,  der  sich  mit  der  physischen  geographie  Europas  und  mit  der 
politischen  geographie  der  europäischen  Staaten  nicht  germanischer 
bevölkerung  beschäftigt,  hier  werden  z.  b.  zur  genauen  bezeichnung 
der  läge  Europas  nachstehende  data  angeführt;  'die  drei  in  das 
Mittelmeer  sich  erstreckenden  halbinseln  Europas  —  die  Pyrenäen-, 
Apenninen-  und  Balkanhalbinsel  —  liegen  ziemlich  unter  gleicher 
breite  mit  Kleinasien,  Turkestan,  dem  nördlichen  Korea,  dem  japani- 
schen meere,  Nordcalifornien  und  den  nordöstlichen  küstenstaaten 
der  vereinigten  nordamerikanischen  freistaaten.  das  mittlere  Deutsch- 
land liegt  unter  gleichem  breitengrade  mit  den  quellen  des  Ob  und 
des  Jenissei  im  Altai,  dem  tatarischen  sunde,  der  südspitze  Kamt- 
schatkas ,  der  insel  Vancouver,  dem  südende  der  Jamebbai  imd  der 
nordküste  der  insel  New-Foundland.  der  nördlichste  teil  Scandi- 
naviens,  der  Obibusen,  die  mündung  des  Jenissei,  die  nördlichsten 
teile  des  nordamerikanischen  continents  (Barrowspitze)  und  das  mitt- 
lere Grönland  befinden  sich  ebenfalls  gleichweit  vom  nordpole  ent- 
fernt, derselbe  meridian  geht  durch  die  östliche  hälfte  Islands  und 
das  cap  des  grünen  Vorgebirges ;  es  liegen  Irland ,  die  Westküste  der 
PyrenÄenhalbinsel  mit  dem  westlichen  Marokko,  ebenso  die  ostküste 
Scandinaviens ,  der  golf  von  Tarent  mit  der  westlichen  grenze  der 
groszen  Syrte  und  dem  cap  der  guten  hoffnung  je  unter  gleicher 
länge*,  die  'geographischen  Zeichnungen'  Drenkes  (3  lieferungen 
5  mark  25  pf.)  geben  näheren  aufschlusz  darüber,  wie  Drenke  die 
construierende  methode  im  erdkundlichen  unterrichte  gehandbabt 
wissen  will,  noch  sei  bemerkt,  dasz  verf.  bei  der  einteilung  der 
deutschen  mittelgebirge  von  der  herkömmlichen  weise  insofern  ab- 
weicht, als  er  vier  gruppen  derselben  unterscheidet:  die  rheinischen  j 
mitteldeutschen,  die  norddeutschen  und  die  östlichen  gebirge.  diese 
einteilung  ist  aber  im  vierten  cursus  nicht  festgehalten  worden,  in 
diesem  letzten  hefte  ist  die  physische  und  politische  geographie  vom 
germanischen  Europa  enthalten.  0. 


29. 

AD  POPÜLüM  GERMANICÜM. 
Menae-ionio  a.  MDCCCLXXVin. 


Galli  tmnentis  lobora  aon  tein«! 

devieit  armis  nata  Thuiscone 

gens  flava:  quid  prosnnt  triumphi? 
quid  tituli  memores?    quid  altae 


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Ad  Popalum  Geimanicunu 


Aeris  columnae?    quid  spoliorum  onas 
insigne?    frustra,  credite,  vicimaSy 
nostis  subacti  dum  farentes 
moribua  obseqnimiir  seelestit. 

Ab!  qniB  yaganti  frena  licentiae 
imponet?    anri  quis  reprimet  famem^ 
nunc  omnia  audentem  nec  ullo 
flagitio  Taeaam?  quis  aestns 

Pravae  domabit  luxuriae  impios? 
quando  nefandis,  quae  patriam  premont, 
dissensionibus  levatis 

eiTibaa  una  aderit  voIuDtas? 

Heu!  civium  amens  quo  rapuit  furor 
Mentes  dolosis  artibus  obrutas? 
iam  patriae  augnsti  parentis 
tela  petunt  scelerata  pectus. 

Heu,  heu  nefaa!   qno  nil  melliia  dedit, 

nil  malus  orbi  nec  generosius 

numen  benignum,  Quilielmum 
▼ulneribus  lacerat  cruenta 

Manns  latronum,  turpiter  inquinaiu 
olim  probatam  Teutonibns  fidemr 

iamiain  trinmphat  quisquis  amplam 
invidet  Imperio  salutem. 

8io  laadem  honestam  polluimns  patrnm 
Ipsiqne  nostro  crimine  labimnr; 
ig^ava  81  Virtns  seneseitf 
turpe  viget  vitiosa  CuJpa. 

Pellas  nooentam,  qua  premeris,  Inem 
nunc,  Tentonnm  gens,  ne  moyeas  ioeot 

dulcesque  vicinis  cachinnos, 
ipsa  struens  patriae  ruinam. 

Ergo  deeoram  quid  quid  et  est  bonuni 
feeuae  gande.   carpe  iter  affperam, 
qno  dneit  incornipta  Virtns: 
daloe  ferent  pretinm  labores. 

Haee  Bi  lubenti  mente  peregeris , 
quae  nunc  agant  te ,  terga  dabnnt  mala: 
mos  Int  redibit  Paxqne  Honoiqoe  et 
aloift  Ildes  Pietasqne  Baaotai. 

Et  quod  faventes  dulce  ducis  caput 
tesero  divi,  gens  pia,  coneinas: 

inviota  Caesar,  ter  qnaierqiie 

maete,  deeae  eolnmenqne  nostrnml 

Fbidbbious  KoLDBwar, 

Gkielferbytannf. 


310    Philologische  prognunme  deutscher  höherer  lehranstalten. 


(16.) 

PHILOLOGISCHE  PBOGBAMME  DEUTSCHER  HÖHEBBB 

LEHRANSTALTEN. 

(fortseUaog.) 


Fbeienwalde  a/0.  ttftclt.  gymnasium.  11  lehrer,  6  classen,  231 
und  216  Schüler,  6  abit.  —  Dir.  dr.  Kopp:  'charakteristidcbe  stellen 
an«  rSmisehen  dichtem  in  freier  flbertragDiig\  rerf.  fibeieetst  CM 
III.  Vergil  Georg.  II  468— 638.  Horat.  epi»t.  XVI  1  —  14.  carm.  1 2. 
III  13.  I  1.  Ovid  fast.  Y  67—72.  U  196—242.  trist.  I  2, 19—62.  lU  1«, 
1 — 60.  amor.  I  16. 

KÖaiesBKBO  tn  NM.  Friedrieh-Wilbelms-gymnasiom.  7  clsssen,  12 
lehrer,  812  Schüler  im  sommer,  209  im  winter,  8  abitnrieiiten.  —  AAk 
handlung  des  dir.  dr.  C.  W.  Nanck:  'Vergil.  Aen.  II  1 — 401'.  der  ge- 
lehrte herr  verf. ,  jedem  philologen  durch  seioe  zu  vielen  malen  aufge- 
legte aasgabe  der  öden  und  e|K>deii  des  Horatius  bekannt,  gibt  in  dem 
▼orliegesdeB  progrAmm  ein  speeimen  einer  VergilerUtnuig,  die  hoffwl- 
lieh  Bttr  der  fonrier  einer  ausgäbe  der  Aeneis  sein  soll,  die,  ansstodisB 
nnd  nnterricht  hervorgegAUgen ,  sich  ebenbürtig  an  die  Seite  der  aus- 
gäbe der  lyrischen  gediehte  des  Horatius  setzen  würde.  wenn  wir 
einige  bemerkungen  machen,  so  sollen  das  Tielmehr  fragen  als  versuche 
sein,  den  bekannten  gelehrten  sa  meistern,  ref.  setst  mm  ende  fos 
Ters  8  ein  punctum,  warum?  Gossran  und  Ladewig  wihlen  daseommt. 
verf.  verschmäht  den  von  Ladewig  nach  incipiam  gemachten  absatt, 
aber  sollte  es,  wenn  auch  in  medio  uersu,  nicht  angemessen  sein?  19 
wäre  für  scbüler  caeco  lateri  zu  erklären  gewesen.  26  muste  der  aas- 
fall der  copula  snmns  erw&hnt  werden.  80  wird  dasses  Tortrefffieh  doreh 
Bchiffsgeschwader  erklärt.  34  würden  wir  den  äoloM  näher  erklärt  wün- 
schen, in  90  war  wol  pellex  zu  erläutern,  dies  sind  einzelheiteo, 
welche  dem  ganzen  nichts  von  seinem  werthe  nehmen,  eine  ansgabe 
der  Aeneis  in  der  weise,  wie  das  vorliegende  specimen  sie  ankündigt, 
wird  gleichen  erfolg  haben,  wie  die  Horatinsnnsgabo.  möge  sie  oiekt 
m  lange  anf  sich  warten  lassen. 

(forteetsnng  folgt.) 
BABTWBTBni»  H.  E.  Bbhiokd» 


(14*) 

PERSONALNOTIZEN. 

(Unter  mitbenutzung  des  'centralblattes'  von  Stiehl  und  der  'seit- 

Schrift  ffir  die  Ssterr.  gymnasien*.) 

BraMsranteB,  befSvieraogen,  verMtenafra«  nnwielinnBgen» 

▼.Bamberg,  dr. ,  Oberlehrer  am  Joaehlmsthal.  gymn.  in  Berlin,  sssi 

director  des  gymn.  in  Eberswalde  ernannt. 
Bernd  t,  dr.  prof.,  studiendirector  der  cadettenanstalt  in  Dresden ,  si^ 

hielt  das  ritterkreuz  I  cl.  des  sächs.  Albrechtordens. 
Buchwald,  dr. ,  als  director  des  zum  gymn.  erweiterten  progymu.  is 

Ffirstenwalde  bestätigt. 
Becker,  dr.,  ord.  gymn.-lehrer.  in  Nenss,  an  das  gjrmn.  an  Trier  sls 

Oberlehrer  versetzt. 
£llendt,  dr.,  oberl.  am  FriedricbscoUegiam  in  Königsberg,  als  'p'*^ 

fessor'  prädiciert. 


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Penonalnotizeik. 


311 


Honrath ,  ord.  g7mn..-1ehrer  za  Qlückstadt,  an  das  gymn.  zu  Haders- 
leben als  Oberlehrer  verseUt. 
'Heid rieh,  oberl.  am  gymn.  in  Nakd,       'profettor*  pridieiert 
Haperz,  dr.,  ord.  lebf«r  am  gyimi.  bk  Coeifald,  lam  Oberlehrer  bo- 

fördert. 

Häppe«  dr.  prof.  am  gyron.  in  Coesfeld,  erhielt  den  prensz. 'rothen 

adlerorden  III  cl.  mit  der  sehleife. 
Kselen,  dr.,  g7mii.-lehror  in  Coblens,  an  das  gymn.  an  Düren  als 

Oberlehrer  veraetzt, 

Krehl,  dr.  ord.  prof.  u.  oberbibliothekar  der  nniy.  Leipzig,  erhielt  das 
ritterkreuz  I  cl.  des  sächs.  Verdienstordens. 

dttMesnil,  dr.,  oberl.  am  gymn.  an  Qhiesen,  in  gleicher  eigensebmft 
an  das  gymn.  tn  Frankfurt  a.  O.  versetzt. 

Müller,  dr.,  prof.,  rector  der  fürsteoschule  Orimma,  erhielt  das  ritter- 
kreuz 1  cl.  des  ßächs.  Verdienstordens. 

Nerrlich,  dr.,  ord.  lehrer  am  Askan.  gymn.  in  Berlin,  zum  Oberlehrer 
befördert. 

NSIdecke,  dr. ,  director  der  höhem  t'dchterschnlo  In  Leiptig,  erhielt 

das  ritterkreuz  1  cl.  des  sächs.  Albrechtordens. 
Pappen  heim,  dr.,  oberl.  am  KöUniscbeo  gymn.  in  Berlin,  als 'pro- 
fessor'  prädiciert. 

Pseeh ,  dr.,  ord.  lehrer  am  gymn.  m  Cottbus,  zum  Oberlehrer  befördert. 
Psniy,  Franz,  direetor  des  gymn.  In  Eger,  snm  direetor  des  I  real- 

gymn.  in  Graz  ernannt. 

Peter,  dr.,  prof  ,  rector  der  flirstenscbnle  Meissen,  erhielt  das  ritter- 
kreuz I  cl.  des  sächs.  Verdienstordens. 

Qnade,  ord.  lebrer  am  gymn.  sn  Inowraslaw,  als  'Oberlehrer'  prädieiort. 

Bssmas,  dr. ,  gymnasialoberl.  an  Frankfurt  a.  O.,  snm  direetor  des 
gymn.  in  Brandenburg  ernannt. 

Ritter,  dr.,  adjunct  am  Joacbim8tbal*gymn.  in  Berlin,  zum  Oberlehrer 
befördert. 

Sehlie,  dr.,  ord.  lehrer  am  gymn.  in  Sohwerin,  snm  direetor  der 

groszberzogl.  kunstsaronilungen  ernannt. 
T.  Siebold,  dr.,  ord.  prof.  der  nniv.  MUnehen,  erhielt  den  pr.  krönen* 

orden  I  cl.  mit  dem  stern. 
StSssner,  dr.  prof.,  director  der  realscbule  I  o.  zu  Döbeln,  erhielt 

das  ritterkrena  1  ol.  des  iäehs.  Albrechtsordens« 
Trend  elenhurg,  dr.,  ord.  lehrer  am  Askan.  gymn.  \  Oberlehrern 

in  Berlin,  >  v.««j*«4 

Wald,  dr.,  ord.  lebrer  am  gymn.  in  Wandabeck,  J 
Weddigen,  dr.,  ord.  lebrer  y.  d.  groezherzogl.  realsehnle  In  Sohwerin, 

am  gymn.  in  Hamm  angestellt. 
Windscheid,  dr.,  ord.  prof.  der  univ.  Leipzig,  geheimrath,  erhielt 

das  ritterkreuz  I  «1.  des  sächs.  Verdienstordens. 


Gestorbent 

T.  Baudissin^  graf  Wolf,  bekannt  als  literarhistoriker  n.  Übersetzer, 
87  jähre  alt  am  6  april  in  Dresden,  ('über  Ben  Jonson  und  seine 
sehnle.») 

Behn,  dr.  prof.,  prUsident  der  Leopoldo-Carolinlscben  akademle,  am 

16  mai  in  Dresden. 
▼•Bibra,  freiherr  Ernst,  namhafter  reiseschriftsteller  o.  naturforscher, 

am  4  Juni  in  Nürnberg,  72  jähre  alt. 
Bogen,  dr.,  director  des  gymn.  In  Dfiren. 

Boenges,  director  der  fortbildungsanstalt  fUr  jüngere  kaaflento  in 

Leipzig,  4  juni  in  Plagwitz  bei  lieipzig,  49jährig. 
▼.Etti  nghausen,  freiherr  Andreas,  berühmt  als  pbysiker  u.  mathe- 
matiker,  82  jähre  alt  in  Wien,  am  25  mai. 


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312 


Denkmal  für  Julius  Oäteadorf. 


Farbiger,  dr.  Albert,  cooreotor  emer.  te  Leipziger  Hikalaiichiile, 
80  jähre  alt  In  Dresden  am  11  mta.  (handboeh  der  alten  gee- 

graphie.) 

Henry ,  Joseph,  prof.,  director  der  Smithsonian-institution  i|i Washington, 

starb  daselbst  80  jähre  alt  am  13  mai. 
Kfihner,  dr.  Raphael,  prof.  n.  reetor  emer.,  besonders  bekannt  durch 

seine  latein.  VL  grieeh.  grammatik,  starb  in  Hannover  am  16  aprU 

76  jähre  alt. 

Lohrs,  dr.  K. ,  ord.  prof.  der  class.  philo!,  in  Königsberg,  starb  am 

9  juni  76  Jahre  alt. 
Mahl,  stndienlehrer  an  der  lateinsehnle  In  Lohr  a.  M. 
T.  Mayr,  'Julius  Robert,  der  berühmte  entdecker  and  begrUnder  der 

mechanischen  wärmetheorio,  starb  64  jahro  alt  am  20  nirs  in 

Heilbrunn. 

Preller,  Friedrich,  ein  meister  historischer  landschaftsmalerei,  starb 

am  S8  april  in  Weimar  78  Jahre  alt  (die  Odysseelandsdiaftin*) 
Bossel,  John  Earl,  staatsminister*  zu  wiederholten  malen  der  leiter 

der  englischen  politik,  stflrb  86  jährig  am  28  mai. 
Senbert,  dr. ,  geh.  hofrath,  prof.  der  naturwissenschaften  su  iüurls- 
ruhe,  am  8  april. 

Stfirmer,  dr.,  oberl.,  prof.  am  gjmn.  in  Bromberg,  starb  49jihrig  am 

21  mai. 

Teuf  fei,  dr.  Sigismund,  ord.  prof.  der  univ.  Tübingen,  starb  daselbst 
67  Jahre  alt  am  8  märz.  (namhafter  philolog,  arbeiten  über  Aescbj- 
los,  Aristophanes,  Horas,  über  röm.  litteratorgeschichte  n.  s.  w.) 

Wolters,  dr.  Albreoht,  ord.  pro£  der  theoL  an  der  noir.  Halle,  66  jähre 
alt  am  80  mXrs. 


DENKMAL  FÜß  JULIUS  OSTENDOBF. 


Im  Sommer  des  vorigen  Jahres  schied  der  realschuldlirector  Julius 
Ostendorf  ans  dem  leben,  ein  mann,  der  dnreh  die  reinbeit  nnd  selbst- 
loeigkeit  srtnes  wirkens,  durch  seine  nnermüdliohe  hingäbe  an  den  be- 
ruf, vor  allem  aber  durch  sein  unablässiges  streben,  das  höhere  schal- 
wesen  den  aufgaben  und  bediirfnissen  unserer  zeit  und  unseres  Vater- 
landes entsprechend  gestalten  zu  helfen,  in  den  weitesten  kreisen 
Terstlndnis  und  anerkennung  gefunden  hmi. 

In  der  Stadt,  wo  Ostendorf  am  lüngsten  seine  Wirksamkeit  bat 
entfalten  können,  in  Lippstadt,  hat  sich  ans  wenicren  seiner  vielen  Ver- 
ehrer ein  comite'  gebildet,  das  sich  die  aufgäbe  gestellt  hat,  dem  vex- 
dienstvoilem  schulmanne  ein  würdiges  denkmal  zu  setzen. 

Dnrdidmngen  ron  der  hohen  bedentung  der  von  Ostendorf  ge- 
geb«ien  anregnngen  richten  die  unterzeichneten  an  die  gesinnnngs- 
g'enosRen  in  der  dentschen  lehrerschaft  und  anszerhalb  derselben  die 
bitte,  beizusteuern  zu  dem  beabsichtigten  ehrenmale  für  Ostendorf  und 
80  der  donkespflicht  mitzugenügen,  welche  das  deutsche  volk  einem 
seiner  bedeutendsten  .sehnlmSnner  sehnldet. . 

Zar  entgegennähme  Ton  beitrSgen  erklären  sieb  die  nnteneieh- 
neten  gern  bereit. 

dr.  Friedländer,  director  der  realscbule  des  JohaDoeums  zu  Ham- 
burg; Giesel,  director  der  realschule  I  o.  zu  Leipzig;  F.  Kreyssigt 
director  der  W5hlersehale  (realscnle  I  o.  nebst  bandelsschule)  zu  Frank- 
furt a*M«;  Krumme,  director  der  städtischen  realschule  lU  Brami* 
schweig;  dr.  Max  Strack,  professor,  Berlin. 


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ZWEITE  ABTEILUNG  (118a  BAND) 


sette 

22.  Zur  methode  des  lateinischen  elementarunterrichts  auf 

i       dem  g-ymnasium.    von  H\  Fries  in  Barmen  217 — 240 

23-  f.  Klaucke:  aufgaben  zum  übersetzen  aus  dem  deutschen 
V.      ins  lateinische  für  secunda  in  genauem  anschlusz  an  die 
^       g^rammatik  von  Ellendt-Seyffert  und  an  die  lateinische 
lectüre  (Berlin  1875).    zweite  aufläge  unter  dem  titel: 
^  .      aufgaben  zum  übersetzen  aus  dem  deutschen  ins  latei- 
'     nische  für  obere  classen  (Berlin  1877).  —  Uebungen  zum 
übersetzen  aus  dem  deutschen  ins  lateinische  für  unter- 
secunda  (Berlin  1877).  angez.  von  W.  Gebhardi  in  Mese- 

ritz   240—255 

(11.)  Kritische  notizen  zu  den  beschlüssen  der  Berliner  ortho- 
•  graphischen  conferenz.    von  P.  Didolff  in  Mariaweiler 

bei  Düren    (Schusz.)   256—268 

24.  Ueber  Schillers  Verhältnis  zum   classischen  altertum. 

Vortrag  von  C.  Sckirlitz  in  Nordhausen   268—297 

26.  J5.    Supkan:   Herders   sämtliche   werke   (Berlin  1877). 

a.ng'ez.  von  Perschmann  in  Nordhausen   297 — 302 

26.  JCuenen:  die  deutschen  classikcr,  erläutert  und  ge- 

g      würdigt  für  gymnasien,  real-  und  höhere  töchterschulen,  » 
I      1.    bändchen:   Schillers  Wilhelm  Teil.     2.  bändchen: 
ScHillers  jungfrau  von  Orleans  (Köln  1877.  1878).  angez. 
<      von  liuland  in  Kempen  a.  Rh   302—305 

27.  R.  Zteuckart  und  H.  Nitzsche:  zoologische  Wandtafeln 
zum  gebrauche  an  Universitäten  und  schulen  (Cassel 
1877).     angez.  von  Helm   306—307 

28.  y^.  Dronke:  leitfaden  für  den  Unterricht  in  der  geographie 

an  höheren  lehranstalten.    angez.  von  0   307 — 308 

29.  Ad.  Populum  Germanicum.  von  F.  Koldewey  ....  308 — 309 
(16.)  Philologische  programme  deutscher  höherer  lehranstalten 

von  -K.  H.  ßenicken  in  Bartenstein,    (fortsetzung)     .    .  310 
(14.)  Personalnotizen  310—312 


Im  Verlage  von  Riehard  Mühlmann  in  Halle  a/S.  ist  soeben  er- 
schienen : 

Krohll^  A.^  Zur  platonischen  Frage.   Sendschreiben  an  Herrn* 
Prof.  Dr.  E.  Zeller.    Gr.  8.    Brosch.  3  Jt  60  \ 

Von  demselben  Verfasser  erschien  früher: 

Studien  zur  Sokratisch-Platoniachen  Literatur.  Band  L  Der 
Platonische  Staat.    Gr.  8.    Brosch.  9 

  ♦ 

Sokrates  und  Xenophon.    Gr.  8.    Bro8ch.  4  JC  50  \  'i 

m 


Bei  Wilh.  En^elmann  in  Leipzig  erschien  soeben  und  ist  dorcli 
alle  Buchhandlungen  zu  beziehen: 

Encyclopädie,  Methodologie  und  Literatur 

der  Pädagogik 

von 

K.  V.  Stoy, 

Dr.  theol.  und  phil.,  ord.  Honorarprofessor  a.  d.  UniverMtät  Jena. 

Zweite  umgearbeitete  und  vermehrte  Auflage. 

Mit  einem  vollständigen  Sachregister, 
gr.  8.    Brosch.  8  Jt 

Bei  S.  Hlrzel  in  Leipzig  ist  soeben  erschienen: 

Leipziger  Studien 

zur 

classischen  Philologie. 

Herausgegeben  ^ 
von 

6.  Curtius,  L.  Lange,  0.  Ribbeck,  H.  Lipsius. 

Erster  Band. 
1 .  Heft.    gr.  8.    Preis  5  JC ' 


Mit  dem  vorliegenden  1.  Hefte  beginnt  ein  Unternehmen,  welches 
als  eine  Sammlung  kleinerer  Schriften  aus  dem  Gesammtgebiete  der 
classischen  Philologie  charakterisirt  werden  kann. 

Den  Kern  der  Sammlung  sollen  ausgewühlte  philologische  Doctor- 
dissertationen  der  Leipziger  Universität  bilden,  denen  sich  gelegentlich 
Preisschriften,  Habilitationsschriften  und  kleinere  Mittheilungen  ans 
dem  philologischen  Seminar,  wie  aus  verschiedenen  wissenschaftlichen 
Gesellschaften  Leipzigs  anschliessen  werden.  Ausserdem  behalten  ^ 
Herren  Herausgeber  es  sich  vor,  eigene  Beiträge  hinzuzufügen. 

Die  „Leipziger  Studien"  werden  in  zwei  Heften  jährlich  erscheinen, 
die  einen  Band  bilden.  Der  Preis  des  Heftes  wird  nach  dem  Ver- 
hältniss  der  Bogenzahl  4  bis  6  betragen. 

Subscriptionen  werden  in  allen  Buchhandlungen  des  In-  und  Aut- 
landes  angenommen. 


ZWEITE  ABTEILUNG 

FÜB  GYMNASIA1PÄDA60GIK  UND  DIE  ÜBBIGEN 

LEHRFÄCHER 

MIT  AU88CHLUSZ  DEB  CLA88I80HSM  PHILOLOa» 

aXBAüSOBeBBBN  TON  PROF.  DB.  HbBMAHV  MAaiUS. 


(22.) 

ZUR  METHODE  DES  LATEINISCHEN  ELEMENTAE- 
ÜNTEßßlCHTS  AUF  DEM  GYMNASIUM. 

(schloBi.) 


Folgen  wir  nun  dem  schüler  zur  zweiten  stufe  des  lateinischen 
Unterrichts,  in  der  quinta  soll  mit  repetition  der  regelmäszigen  die 
ganze  unregelmäszige  formenlehre  gelernt  und  eingeübt  werden  — 
gewisz  eine  sehr  umfangreiche  und  schwierige  aufgäbe,  die  mit  Ver- 
ständnis gelöst  sein  will,  leicht  wird  gerade  auf  dieser  stufe  der 
schüler  mit  einzelnheiten  in  einer  weise  belastet,  als  gedächte  man 
systematische  Vollständigkeit  zu  erreichen,  so  erinnere  ich  mich 
selbst  noch,  als  quintaner  nach  dem  kleinen  Zumpt  bei  den  allge- 
meinen geschlechtsregeln  gelernt  zu  haben:  masculina  sind  viele 
sträucher  und  kleinere  gewächse  auf  us,  i,  als  amarantus  (tausend- 
schön), asparagus  (spargel),  dumus  (dornenstrauch),  helleborus  (nies- 
wurz)  etc.  und  dem  analog  wurde  uns  damals  kaum  eine  regel  und 
anmerkung  erspart,  die  in  der  grammatik  stand. 

Ein  überlegter  Unterricht  wird  vielmehr  aus  dem  reichhaltigen 
pensum  alles  entbehrliche  beseitigen,  denn  das  notwendige,  was  zu 
leisten  übrig  bleibt,  stellt  dooh  noch  eine  sehr  erhebliche  menge  von 
I  Wörtern  und  regeln  dar,  und  gewisz  rührt  der  umstand,  dasz  schon 
'  in  dieser  classe  der  eifer  und  das  Interesse  des  knaben  so  oft  er- 
lahmt, eben  daher,  dasz  ihm  zugemuthet  wird,  einen  so  umÜEmg- 
reichen  und  zum  teil  so  schwierigen  stoff  aufzunehmen,  den  er  sich 
auszer  stand  fühlt,  mit  seinem  gedOohtnis  und  seinem  Terstttndnia 
zu  bewältigen. 

Ohne  schaden  wird  man  zb.  den  Inhalt  der  gennsregeln  noch 

N.  jtlul».  i:  pUL  v.  pM.  n.  abt.  1878»  hft  7.  81 


i^iyui^cd  by  Google 


314 


Zur  methode  des  lateinischen  elemeataiuntemchts 


mehr  beschränken,  als  es  bei  Ellendt>Sejfifert  anderen  grammatikern 
gegenüber  schon  geschehen  ist,  ihr  inhalt  ist  wirklich  nicht  so  wert- 
voll, dasz  sein  teilweises  darangeben  ein  verlast  zu  nennen  wäre, 
wozu  braucht  denn  der  schttler  die  Wörter  fustis,  uermis,  callis,  uectijj 
zu  lernen?  wozu  incus  oder  fornix,  calix?  alles  vocabeln,  die  in 
der  Schulpraxis  kaum  wieder  begegnen,  und  doch  verwendet  man 
noch  an  vielen  gymnasien  eine  kostbare  zeit  auf  das  einprägen  und 
einüben  der  genusregeln  in  alter  form !  da  es  denn  scheint,  aJs  sollte 
sich  zb.  die  berühmte  regel  von  den  vielen  Wörtern  auf  is  durchaus 
unverkürzt  als  heitere  erinnerung  an  die  Schulzeit  von  geschleckt  zu 
geschlecbt  vererben. 

Ganz  besonders  schwierig  ist  der  abschnitt  über  die  eigentüm- 
lichkeiten  der  casus  in  der  dritten  declination.  man  vergleiche  unter 
anderem  im  Ellendt-Seyffert  §  48  anm.  2.  wie  vielerlei  von  ein- 
ander abweichendes  hat  der  schüler  in  diesem  kurzen  absatz  zu  mer- 
ken! die  Wörter  auf  ans  und  ens  soll  er  das  eine  mal  als  adjectiva, 
das  andere  mal  als  participia  und  substantiva  unterscheiden,  fdr 
praesens  lernt  er  verschiedene  formen  des  ablativus  je  nach  der  Ver- 
bindung des  Wortes  mit  personen  oder  Sachen,  absens  und  continens 
werden  ihm  besonders  vorgeführt. 

Aehnlich  compliciert  ist  die  lehre  vom  genetiv  pluralis,  und 
noch  auf  manche  andere  puncte  könnte  ich  verweisen,  wenn  nicht 
der  besprochene  thatbestand  allgemein  anerkannt  und  als  unange- 
messen vielfach  empfunden  wäre. 

Nach  meiner  erfahrung  wenigstens  kann  man  deshalb  nur  von 
wenigen  schülern  Sicherheit  des  wissens  erwarten ,  wenn  solche 
einzelnheiten  genau  durchgenommen  werden,  und  nehmen  wir  selbst 
an,  dasz  eine  anzahl  sich  das  pensum  zur  vollen  Zufriedenheit  des 
lehrers  aneignete ,  wie  bald  gehen  dann  doch  solche  besonderheiten 
wieder  verloren!  dazu  kommt  femer  noch  die  grosze  gefahr,  dasz 
sich  durch  die  anhäufung  von  ausnahmen  die  regelmäszigen  formen 
verdunkeln ,  eine  gefahr,  die  gar  oft  Wirklichkeit  wird  und  als  solche 
in  quarta  und  tertia  zu  energischen  maszregeln  auffordert,  da  man 
nun  endlich  an  secundanem  gerade  in  den  unregelmässigen  formen 
zuweilen  eine  auffallende  Unkenntnis  beobachtet,  so  wird  der  rath 
um  so  mehr  berechtigt  und  heilsam  scheinen,  in  der  quinta  den  lem- 
stoff  möglichst  zu  beschränken  und  die  genauere,  bis  ins  einzelnste 
gehende  aneignung  der  abweichenden  Casusbildungen  mehr  allmäh- 
lich herbeizuführen,  sodann  dürfte  es  zweckmäszig  sein,  in  der 
untersecunda  noch  einmal  die  ganze  unregelmäszige  formenlehre  zu 
wiederholen,  denn  wenn  sich  in  den  extemporalien  dieser  classe 
statt  plura  und  plurium ,  statt  memorum  und  diuitum ,  statt  aequali 
und  in  praesenti,  statt  nolam  etc.  fehlerhafte  formen  finden,  so  weist 
dies  doch  nachdrücklich  und  ernst  auf  die  notwendigkeit  einer  ab- 
hülfe hin ,  und  diese  ist  eben  nach  meiner  Überzeugung  teils  in  der 
entlastung  des  quintapensums ,  teils  in  zusammenfassenden  und  er- 
gänzenden repetitionen  auf  den  höheren  stufen  zu  suchen. 


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aof  dem  gymnaginm. 


816 


Treten  diese  beschränkungen  des  Stoffes  eiiif  so  kann,  was  sonat 
aufgäbe  der  classe  ist,  um  so  vollständiger  und  befriedigender  er- 
reicht werden,  die  unregelmäszigen  verba ,  welche  man  oft  im  all- 
gemeinen das  pensum  der  quinta  nennen  hört,  erfordern  keine  allza 
grosze  anstrengung,  bringen  ja  doch  die  schiüer  eine  beträchtliche 
mahl  derselben  schon  aus  der  sexta  mit.  mehr  Schwierigkeit  macht 
die  einübung  der  yerba  anomala,  die  mit  vorzüglicher  grflndlichkeit 
erfolgen  musz. 

Der  vocabelschatz  vermehrt  sich  schon  aus  der  grammatik  be 
deutend  und  wird  auszerdem  durch  das  lesebuch  bereichert,  die 
Wiederholung  der  vocabeln  ist  in  derselben  weise  vorzunehmen,  wie 
es  bei  besprechung  des  sextacursus  näher  ausgeführt  worden,  natür- 
lich gestalten  sich  hier  diese  Übungen  immer  lohnender  und  inter- 
essanter, und  immer  reicher  bietet  äich  veranlaäsung  und  gelegenheit 
zu  Tersuchen  im  mündlichen  gebrauch  der  spräche. 

Das  lesebuch  der  quinta  darf  von  anfang  an  zusammenhängende 
stücke  erhalten,  man  könnte  an  die  Wellerschen  Herodoterzählüngen 
denken,  wenn  man  sich  nicht  eine  gröszere  mannichfaltigkeit  des 
inhalts  wünschte,  auch  würde  dann  noch  der  man  gel  an  deutschem 
flbersetzungsstoff  zu  ersetzen  sein,  ich  möchte  an  dieser  stelle  noch 
einmal  an  lateinische  originalstücke  erinnern,  deren  aufnähme  ich 
schon  früher  empfahl,  es  fehlt  an  derartigen  geeigneten  abschnitten 
wahrlich  nicht,  um  den  beweis  dafür  nicht  schuldig  zu  bleiben, 
setze  ich  ein  paar  beispiele  hierher,  auf  andere  will  ich  kurz  verwei- 
sen: Blas  cum  patriam  eins  Prienen  cepisset  hostis  ceterique  ita  fuge- 
rent,  ut  multa  de  suis  rebus  secum  asportarent,  cum  esset  admoni- 
tüsaquodam,  ut  idem  ipse  faceret:  ego  vtro,  inquit,  facio;  nam 
onmia  mecum  porto  mea.  ille  haec  lubidria  fortunae  ne  sua  quidem 
putavit,  quae  nos  appellamus  etiam  bona.  (Cic.  Parad.  1,  8  f.) 

Manent  ingenia  senibus  nec  ea  solum  in  claris  viris  sed  in  vita 
etiam  priuata  et  quieta.  Sophocles  ad  summam  senectutem  tragoe- 
dias  fecit,  quod  propter  Studium  cum  rem  neglegere  familiärem 
uideretur,  a  filiis  in  iudicium  vocatus  est,  ut  eum  quasi  desipientem 
a  re  familiari  remouerent  iudices.  tum  senex  dicitur  eam  fabulam, 
quam  in  raanibus  habebat  et  proxime  scripserat,  Oedipum  Coloneum 
recitasse  iudicibus  quaesisseque,  nurn  illud  Carmen  desipientis  uidere- 
tor.  quo  recitato  sententiis  iudicum  est  liberatus.  (Cic.  Cat.  22  mit 
aüslassung  einiger  worte.) 

Ebenso  gewinnt  man  mit  wenigen  Veränderungen  aus  Justin 
ni2  eine  leicht  verständliche  erzählung  über  die  Vernichtung  der 
gegen  Delphi  gesandten  persischen  heeresabteilung,  aus  Just.  I  7 
eine  solche  über  den  Untergang  des  lydischen  reiches,  aus  Gellius 
können  wir  vieles  ganz  wörtlich  entnehmen,  zb.  die  erzählung  von 
den  sibyllinischen  büchern  (1,  19).  Livius  1,  1  läszt  sich,  in  directe 
lede  übertragen ,  unter  geringen  Umänderungen  sehr  gut  benutzen. 

Jedenfalls  darf  der  Verfasser  eines  für  quinta  bestimmten 
Übungsbuches  sich  schou  mit  gröszerer  freiheit  bewegen ,  denn  hier 

21* 

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316 


Zar  methode  des  lataniachen  eidmentarantemchto 


werden  ja  präpositionen  und  conjanctionen  systematisch  darctge- 
nommen,  participialconstructionen ,  acc.  und  nom.  c.  inf.  eingeübt 
und  überhaupt  im  verlauf  des  jabres  immer  mehr  ein  stetig  zuneh- 
mendes Verständnis  fttr  oompliciertere  satzformen  beim  schüler  vor- 
ausgesetzt. 

Der  deutsche  Unterricht  führt  nämlich  auf  dieser  stufe  in  das 
Verhältnis  der  Subordination  ein,  wobei  dann  auch  wieder  das  der 
coordination  zu  einer  lehrreichen  und  das  denken  schärfenden  m- 
gleichung  herangezogen  wird,  die  bezüglichen  Übungen  wünsche 
ich  in  derselben  weise,  wie  ich  es  früher  aussprach ,  nicht  blos  auf 
das  deutsche  beschränkt,  sondern  zugleich  auch  auf  das  latein  Über- 
tragen ;  man  wird  sich  hierdurch  wesentlich  unterstützt  sehen  in  der 
aufgäbe,  den  schüler  zu  voller  klarheit  über  das  neue  Satzgefüge  zu 
fördern,  denn  allerdings  ist  der  fortschritt  von  der  coordination  znr 
Subordination  ein  äuszerst  schwieriger,  das  ziel  aber  bedeutend  und 
eifriger  bemühung  wert,  und  wie  einerseits  das  erfassen  des  neuen 
gedankenverhältnisses  nur  allmählich  und  durch  nachhaltige  Übung 
sich  vollzieht  und  vertieft,  auch  eine  entsprechende  Vorübung  im 
denken  auf  der  ersten  stufe  des  grammatischen  Unterrichts  vorans. 
setzt,  so  darf  man  andererseits  von  einer  genauen  Satzanalyse  und 
einer  dieselbe  ergänzenden  freien  bildung  von  Sätzen  wichtige  resul- 
tate  für  die  geistige  entwickelung  der  knaben  mit  Zuversicht  inauS' 
siebt  stellen. 

Wurde  es  zb.  dem  sextaner  bei  der  causalen  coordination  erst 
durch  oftmals  wiederholte  anwendung  einleuchtend,  wie  verschieden 
das  Verhältnis  der  gedanken  ist,  je  nachdem  ich  sie  durch  'daher' 
oder  durch  'denn'  verbinde,  so  ist  auch  in  der  quinta  das  bilden  zahl- 
reicher beispiele  notwendig ,  wenn  man  dem  schüler  die  Unterschei- 
dung der  grund-,  absichts-  und  folgesätze  oder  der  vorangehenden 
und  nachfolgenden  zeit  in  nebensätzen  (nachdem,  sobald,  als  —  ehe, 
bevor)  klar  und  geläufig  machen  will. 

Eine  eingehende  und  energische  Übung  dieser  art  ist  in  der 
quinta  durchaus  zu  fordern  und  musz  in  der  quarta  fortgesetzt  wer- 
den, wer  etwa  meint,  dies  sei  zu  viel  verlangt,  oder  dieser  punct 
sei  überhaupt  zu  stark  betont,  dem  gebe  ich  zu  bedenken,  dasz  wir 
noch  in  oberen  classen  oft  genug  auf  eine  erstaunliche  Unklarheit  in 
beziehung  auf  die  Satzlehre  stoszen ,  woraus  dann  eben  zu  schlieszen 

ich  gebrauchte  bei  diesen  Übungen  zur  darstellung  der  satsfo^ 
men  das  Bchema,  welches  Breysig  in  s^em  sehr  t&chtiffen  ausznge 
mns  der  deutschen  grammatik,  Posen  1866,  vorschlägt.  &w  erschien 
mir  praktischer  als  das  von  Lehmann  in  seinem  allgemeinen  mecha- 
nismus  des  periodenbaues,  Danzig  1833,  gegebene  und  von  NägeUbach 
in  seiner  lateinischen  Stilistik  angenommene,  es  ist  folgendes:  AB  CD 
hanptsKtie,  a  b  c  d  nebensEtie,  a'  b'  e'  d>  nebensatse  sweiten  grades, 
d;  h.  solehe.  welche  selbst  schon  von  nebensfttsen  abhängen,  a'*  c**^*' 
nebensätze  dritten  grades.  A-a-A  hauptsatz  mit  Zwischensatz.  AA,  aa 
zusammengezogene  baupt-  oder  nebensätze.  (a)  (b)  (c)  (d)  verkiirate 
nebensätze.  die  weiteren  formen  ergeben  sich  hieraus  mit  leicbtigkeit 


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auf  dem  gymmrinm. 


317 


ist,  dasz  man  es  zur  gegebenen  zeit  versäumt  hat,  dieselbe  den 
scbfilem  zum  vollen  bewusztsein  und  Verständnis  zu  bringen,  und 
dies  wird  doch  jeder  einer  schule  wie  dem  gjmnasium ,  die  gerade 
in  der  grammatischen  bildung  ein  hauptverdienst  für  sich  bean- 
sprucht und  diese  aufgäbe  ja  auch  mit  groszem  aufwand  an  zeit  und 
mtlhe  zu  leisten  unternimmt,  zum  schweren  Vorwurf  machen,  ohne 
solche  frtlhe  gewöhnung,  einen  satz  denkend  zu  betrachten  und  za 
zergliedern,  vermag  der  schüler  später  nicht  die  lateinische  periode 
in  ihrer  eigentümlichkeit  und  Verschiedenheit  von  der  deutschen  zu 
verstehen  imd  nachzubilden ,  er  wird  aber  dann  auch  überhaupt  des 
ntttigen  blickes  und  sinnes  für  stil  und  formvollendung  ermangeln. 

Man  betreibe  also  diese  Übungen  mit  eifer  und  Sorgfalt  und  ver- 
wende auch  die  lateinische  spräche  zu  beispielen.  der  stoff  hierzu 
flieszt  dem  schüler  nun  schon  reichlicher  als  in  sexta ,  darum  dulde 
man  jetzt  durchaus  nicht  mehr  in  einer  oder  der  anderen  spräche 
Sätze  aus  dem  gewöhnlichsten  leben,  wie  sie  denkfaulen  köpfen  wol 
zu  entspringen  pflegen,  denn  selbst  beim  gebrauche  eines  nicht  mit 
besonderer  rücksicht  auf  den  inhalt  angelegten  lesebuches  der  latei- 
nischen spräche  wird  doch  in  quinta  jedenfalls  die  sage  vom  troja- 
nischen kriege  vervollständigt,  die  thaten  desCodrus,  Themistokles, 
Aristides,  Alcibiades,  des  Horatius  Codes,  Mucius  Scävola,  der 
Decier,  des  Hannibal  und  anderer  werden  teils  dort  teils  durch  er- 
zählungen  des  lehrers,  teils  durch  ausführliche  darstellungen  des 
deutschen  lesebuches  bekannt,  diese  gestalten  sollen  nicht  flüchtig 
am  geist  der  schüler  vorüberziehen ,  nicht  ein  unbestimmtes ,  viel- 
leicht bald  ganz  verwischtes  bild  darin  zurücklassen ,  sondern  sollen 
sich  frisch  und  lebensvoll  erhalten,  und  hierzu  werden  ohne  zweifei 
die  besprochenen  Übungen  wesentlich  beitragen ,  die  ja  dem  schüler 
praktisch  beweisen,  wie  wertvoll  es  ist,  solches  wissen  zu  besitzen 
nnd  zu  augenblicklicher  Verwendung  sicher  bereit  zu  haben. 

Es  empfiehlt  sich  femer,  sprichwörtliche  und  sentenzartige  sätze 
auswendig  lernen  zu  lassen,  wie  sich  solche  in  den  lateinischen  lese- 
büchem  freilich  nur  in  beschränkter  anzahl  schon  jetzt  finden,  ich 
würde  vorschlagen,  diesen  memorierstoflf  in  einem  anhange  dem 
lesebuch  hinzuzufügen  und  möglichst  nach  gegenständen  anzuordnen, 
so  könnten  wir  dem  knaben,  wenn  ihm  auch  nicht  nach  der  weise 
früherer  zeiten  jeden  tag  eine  sentenz  mit  nach  hause  gegeben  wird, 
doch  einen  gewissen  schätz  von  Weisheitssprüchen  des  altertums  zum 
eigentum  machen. 

Man  wird  übrigens  schon  in  der  sexta  damit  beginnen ,  und  so 
bietet  denn  auch  das  lesebuch  von  Spiesz  für  diese  stufe  folgendes 
material : 

Sit  mens  sana  in  corpore  sano. 

Fortes  fortuna  adiuuat, 

Manus  manum  lauat. 

Certa  pax  melior  est  sperata  mctoria. 

Uictoriarum  omnium  prima  et  optima  est  se  ipsom  uincere. 


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318         Zur  methode  des  lateinischen  elementarunterhchts 

Quod  sentimus,  loquamur,  quod  loquimur,  sentiainas. 

Magnos  uiros  uirtute  metimur,  non  fortuna. 

In  dem  für  quinta  bestimmten  teile  fUgt  derselbe  Verfasser 
jedocb  nur  die  heilsame  regel  hinxa:  Septem  horas  dormiase  sst  est 
iuuenique  senique. 

Ich  habe  fUr  beide  classen  folgende  denksprüche  ausgewählt, 
um  sie  den  oben  erwähnten  hinzusofUgeiLi  verteilt  sind  sie  mit  zflek* 
sieht  auf  inhalt  und  form* 

Für  die  sexta. 

1^  an  longa ,  uita  breoia  est. 

2)  uita  sme  litteria  moiB  est  et  homisk  niiii  sefiidtara. 

3 )  homo  doetua  in  se  Semper  dinitias  habet 
4}  Auora  Musis  amica. 

b)  gutta  canat  lapidem* 

6 )  niilla  dies  sine  linea. 

7 )  littera  scripta  maaei 

8)  tantnp  scimns ,  quaatom  memoria  ienemna. 

9)  feetina  lente. 

10)  quidquid  agis,  prudenter  agas  et  respioe  finem. 
11^  errate  humaoam  est. 

12)  caiiuma  bominia  est  errare,  nnllias  nisi  iiisqiieiitis  in  erron 
persenerare. 

13)  quot  bomines,  tot  sententiae. 

14)  nihil  est  ab  omni  parte  beatwn« 

15)  nemo  ante  mortem  beatns  dioendus  est, 

16)  ealamitas  uirtutis  occasio  est 
17^  innidia  gloriae  eomes  est 

18)  amicns  eertns  in  re  incerta  cemitmr» 

19)  eaelumf  non  animwm  mntsat,  qui  trans  mare  eommt 

20)  tempora  mntantmr  nos  et  mntamnr  in  iUis. 
211  morti  nihil  tam  simile  est  quam  somnns« 

22)  par  pari 

23)  cibi  oondimentnm  fiunes,  potionis  ritis*  ^ 
24;  bis  dat,  qui  dto  dat 

"Ffke  die  quinta. 

1)  nosce  te  ipsum. 

2)  non  omnia  possumus  omnes. 

3)  ut  desint  uires ,  tamen  est  laudanda  uoluntas. 

4)  non  scholae  sed  uitae  discimus. 

5)  dies  diem  docet. 

6)  uos  exemplaria  graeca 
nocturna  uersate  manu,  uersate  diuma. 

7)  memoria  minuitur,  nisi  eam  exerceas. 

8)  quam  quisque  norit  artem ,  in  hac  86  exerceat 

9)  suae  quisque  fortunae  faber  est. 
10)  sui  cuique  mores  fingunt  fortunam* 


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Auf  dem  gymnauanu 


11)  ut  Semen tem  feceris,  ita  metes. 

12)  potest  ex  casa  uir  magnus  exire. 

13)  quoDiam  uita  nostra  breuis  est,  memoham  nostri  qaut 
maxime  longam  efücere  debemus. 

14)  contentum  anis  rebus  esse  mayiniae  sunt  oertigaimaague 

dittitiae. 

15)  male  parta  male  dilabuntur. 

16)  beatus  esse  sine  uirtute  nemo  potest. 

17)  gloria  uirtutem  tamquam  umbra  sequitor. 

18)  conscia  mens  recti  famae  mendacia  ridet. 

19)  naturam  si  sequemur  ducem ,  nunquam  aberrabimus. 

20)  est  proprium  stultitiaealiorumnitiacemere,obliaiaGiaaoraii« 

21)  incidit  in  Scyllam,  qui  uult  uitare  Cbarjbdim. 
22^  medio  tutissimus  ibis. 

23)  nitimur  in  uetitum  semper  cupimusque  negata. 

24)  uae  tibi  ridenti ,  quia  mox  post  gaudQa  flebis. 

25)  solamen  miseris  socios  habuisso  malorum. 

26)  donec  eris  felix,  multos  numerabis  amicoSi 

tempora  si  fuerint  nubila,  solus  eris. 

27)  idem  uelle  et  idem  noUe  ea  demum  firma  amicitia  est. 

28)  Concor dia  res  paruae  cresouat,  disoordia  maximae  dilabuntur« 

29)  ne  quid  nimis. 

30)  esse  oportet  ut  uioas^  non  uiuere  ut  edas. 

31)  memento  mori. 

32)  uenturae  memores  iam  nunc  estote  senectae. 

Es  wären  dies  also  für  die  sexta  31,  für  die  quinta  33,  zusam- 
men 63  sprüclie,  die  der  knabe  erfiäbrungsmäszig  spielend  erlernt, 
und  die  docb  schon  einen  ansehnlichen  gedankenschatz  darstellen. 

Im  Zusammenhang  damit  steht  das  zeitweilige  memorieren  von 
fabeln  oder  kurzen  historischen  erzählungen.  aus  jenen  wird  die 
Auswahl  kaum  schwer  fallen,  zeichnen  sich  doch  einige  durch  ein* 
fachheit  und  klarheit  derart  aus ,  dasz  sie  in  allen  lesebtichem  auf- 
nähme gefunden  haben,  ich  nenne  zb.  lupus  et  agnus,  mulier  et 
g&llina,  boues,  cania  per  flumen  carnem  portans,  uulpes  et  uua, 
grus  et  pauo,  von  denen  zwei  oder  drei  schon  in  der  sexta  memoriert 
werden  können. 

Von  kürzeren  erzählungen  finden  sich  gewöhnlich  folgende  ver- 
wendet; Codrus,  Cleobis  et  Biton,  Dionysius,  Alexander  ad  sepul- 
«mn  Cyri,  Pyrrhus  et  canis,  Romulus  et  Remus,  de  libris  sibyllinis, 
Begulns,  de  nece  Archimedis,  excidium  Carthaginis,  Cimbri  et  Teuto- 
188,  Tiberius  et  scurra.  man  wird  beim  übersetzen  dieser  oder  ähn- 
licher lesestücke  ja  leicht  erkennen,  wo  das  interesse  des  schülers 
au  meisten  erregt  ist;  unterläszt  man  es  dann  nicht,  dasselbe  durch 
einige  erklärende  bemerkungen  zu  verstärken,  '80  kann  man  das 
namorieren  einer  anzahl  leichterer  und  besonders  charakteristisoher 
•teflke  getrost  dem  freien  willen  des  einzelnen  überlassen,  die  zahl 
Wwegt  Bich  vielleicht  am  richtigsten  zwischen  6  und  12.  ganz  vor- 


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S20        Zur  methode  des  lateiniBclien  elementaruntenichts 

ztiglich  aber  möchte  ich  für  diesen  zweck  die  aufmerksamkeit  auf 
jene  bekannten  charakteristischen  anekdoten  lenken,  mit  denen  unter 
anderen  Cicero  seine  darstellung  in  den  philosophischen  Schriften 
belebt  hat.  sie  illustrieren  Sentenzen  wie  die  oben  angeführten  aufs 
wirksamste  und  eignen  sich  deshalb  am  besten  zum  memorierstoff. 
als  ein  beispiel  für  viele  diene  an  dieser  stelle  Cic.  Tusc.  1,  102 
Lacaena  cum  filium  in  proelium  misisset  et  interfectum  audisset: 
idcirco,  inquit,  genueram,  ut  esset,  qui  pro  patria  mortem  non  dubi- 
taret  occumbere.  nur  kurz  verweise  ich  noch  auf  den  schon  früher 
erwähnten  Bias  (Cic.  parad.  1, 8  f.),  auf  Solons  lemeifer  (Cic.  Cat.26), 
auf  desXerxes  unersättliche  begierde  (Cic.  Tusc.  V  20),  auf  Aleianders 
ausepruch  am  grabmale  des  Achill  (Cic.  pro  Arch.  24),  auf  den  brief 
Philipps  an  Aristoteles  (Gell.  IX  3),  auf  die  berühmte  äuszerung 
der  Cornelia  (YaL  Max.  lY  4)  und  auf  das  bekannte  wort  des  Titos 
(Suet.  Tit.  8). 

Wir  wollen  den  schtiler  nur  lernen  lassen,  was  wirklichen  und 
bedeutenden  wert  hat ,  deshalb  müssen  wir  aber  auch  darauf  halten, 
dasz  das  einmal  gelernte  nicht  wieder  verloren  gehe,  man  wieder- 
hole also  oft,  auch  in  den  folgenden  classen,  nur  so  kann  das  memo- 
rieren seinen  zweck  vollkommen  erfüllen. 

Hiermit  habe  ich  den  kreis  der  im  lateinischen  Unterricht  der 
quinta  auftretenden  Übungen  abgeschlossen  und,  wie  ich  hoffe,  überall 
genügend  darauf  hingewiesen,  wie  vielfach  und  mit  welchem  erfolge 
auf  dieser  stufe  die  lateinische  spräche  zu  mündlicher  Verwendung 
kommen  könne,  befolgt  man  die  beschriebene  methode,  so  ist  mit 
Zuversicht  zu  erwarten,  dasz  das  Interesse  fürs  latein,  welches  in 
der  sexta  bei  der  neuheit  des  gegenständes  fast  ausnahmslos  ange- 
troffen wird ,  leider  aber  oft  schon  in  der  folgenden  classe  einer  er- 
staunlichen Stumpfheit  und  einer  mechanischen  thätigkeit  platz 
macht,  nicht  blosz  erhalten  bleibt,  sondern  auch  eine  Stärkung  und 
Vertiefung  erfährt,  der  schtiler  lernt  sich  allmählich  immer  mehr  in 
der  fremden  spräche  heimisch  fühlen,  da  sie  ihm  ebenso  nahe  gerückt 
wird  wie  die  muttersprache ,  und  geht  deshalb  mit  gröszerem  eifer 
und  freudigerem  vertrauen  an  neue  aufgaben  heran ,  so  dasz  er  den 
ersten  lateinischen  autor,  der  ihm  nun  in  der  quarta  vorgelegt  wird, 
ohne  zagen  in  die  band  nimmt  und  ohne  grosze  Schwierigkeit  ver- 
steht, er  hat  eben,  weil  er  in  freier,  selbstthätiger  anwendung  der 
Sprachgesetze  geübt  ist,  weil  er  mit  den  verschiedenen  gedanken- 
und  satzformen  selbst  fortwährend  auch  in  lateinischer  spräche  ope- 
.riert  hat,  ein  unmittelbareres  Verhältnis  zum  Schriftsteller  gewonnen. 

Zwar  wird  man  auch  so  vorgebildeten  quartanern  ihren  Nepos 
nicht  sogleich  zur  häuslichen  Vorbereitung  überlassen,  vielmehr  eine 
angemessene  zeit  lang  dieselben  in  der  classe  zum  Verständnis  und 
zum  übersetzen  anleiten,  allein  man  wird  ihnen  nicht  vor  präpa- 
rieren, sondern,  was  jetzt  gewöhnlich  nur  ein  frommer  wünsch 
bleibt,  wirklich  von  der  ersten  stunde  an  mit  ihnen  zusammen 
präparieren  können,  d.  h.  die  schÜler  werden  unter  möglichst 


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auf  dem  gymnarinm. 


321 


jfoiig  hervortreteiidw  nntorsttttzimg  des  lehren  wetteifernd  die  be- 
katuigBiibekaiiiitBr  werte  und  redensarten  snolien,  den  bau  der  stttse 
mgliedern,  den  ahm  der  stelle  eich  klar  maehen  und  endlioli  einen 
passenden  deotsohen  «nadmek  wSklen.  gerade  auf  den  letaien  pnnol 
iriid  der  lelmr  sehen  in  der  qnarta  ynrt  legen  können  nnd  mllssent 
km  eben  hier  soldigt  die  trftge  gewohnheit  des  sehlllers  die  erste 
bsslsbedentimg,  die  das  lesiken  bietet,  aofrogreiliBn  nnd  so  eine  oft 
mniehtige,  noch  Öfter  gesehmaddose'ftbersetcung  zu  liefm  ihre  er* 
stsn  wuieln  und  pflanst  sich  dann  bis  in  die  oberen  elassen  fort, 
und  dies  geschieht,  obwol  in  den  speoialwOrterbfidiem  die  bedeu* 
tmige^  eines  jeden  Wortes  mit  genauer  angäbe  der  betreffmden  stel- 
Isn  gesondert  aindl .  die  gew(£nung  an  solche  naehlissigkeit  und 
gedanhsnlosigkeit  kann  doeh  aber  nur  daher  entstehen,  dasz  der 
Isfarer,  Tisületelit  in  einer  gewissen  Ungeduld,  um  nur  etwas  in  der 
Iseiflie  TOrwärts  zu  kommen,  schlechte  deutsehe  Wendungen  zulSszt 
und  aal  scharfe  Unterscheidung  verzichtet «  wenn  nur  der  sinn  un- 
geMac  getrofiPen  ist.  ganz  gewis  ist  es  teils  um  der  sache  selbst  teils 
um  der  Wirkung  willen,  die  eine  derartige  sich  fortsetzende  flttchtig- 
Iteit  und  ungrtindlichkeit  auf  die  ganze  entwicklung  des  schülers  not- 
wendig haben  mu»z,  unsre  pflicht  mit  unerbittlicher  strenge  und 
consequenz  eine  genaue,  richtige  und  angemessene  Übersetzung  zu 
fordern. 

Diese  Vorübungen  in  der  classe  brauchen  übrigens  nicht  lange 
la  dauern,  man  wird  dem  schüler  nach  wenigen  wochen  den  schrift- 
stÄÜer  zu  häuslicher  präparation  anvertrauen  dürfen,  freilich  mit 
ansnahme  schwieriger  stellen,  wie  sie  sich  bekanntlich  im  Nepos 
manchmal  finden,  diese  thut  man  nach  meiner  Überzeugung  gut  zu- 
vor in  der  schule  periode  für  periode  nach  dem  geläufigen  Schema 
xerghedem  zu  lassen,  dazu  dann  auch  andeutungen  für  das  Verständ- 
nis des  inhaltes  zu  geben,  solche  Unterstützung  der  präparation 
empfiehlt  sich  ja  auch  noch  zunächst  bei  der  lectüre  des  Cäsar  und 
später  selbst  in  oberen  elassen ,  natürlich  hier  immer  mehr  in  rück- 
zieht auf  den  inhalt,  so  dasz  man  z.  b.  wenn  eine  stelle  im  Cicero 
nicht  ohne  kenntnis  eines  capitels  der  antiquitäten  verstanden  wer- 
ben kann,  den  secundaner  und  primaner  schon  im  voraus  darüber 
unterrichtet,  nur  so  bewahrt  man  ihn  vor  fruchtlosem  umhertappen 

groben  misverständnissen.  um  nur  ein  beispiel  anzuführen, 
scheint  mir  in  der  prima  eine  kurze  erlänterung  der  pignoris  capio 
notwendig,  ehe  mau  eine  Übersetzung  von  Cic.  de  erat.  III  c.  1  ver- 
langt, der  schttler  würde  sich  bei  solchen  einzelheiten »  die  überdies 
^er  interpretation  des  lehrers  so  wie  so  zufallen ,  lange  aufhalten, 
oke  dodh  in  ennangehing  geeigneter  hilfsmittel  zu  einem  yoUen 
Verständnis  zu  gelangen,  und  so  fehlt  es  ihm  dann  an  seit,  um  seine 
t^bersetenng  durchzufeilen. 

Kehren  wir  jedoch  zu  unserm  quartaner  zurück,  nach  den 
Srammatischen  Übungen  i  die  in  sezta  und  quinta  y(»heigegangen 
^1  sieht  sieh  der  lehrer  nun  wirklich  im  stände,  jenem  aueh  eine 


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328 


Zur  xnethode  dea  lateinischen  dldmentanmterrichtfl 


längere  und  verwickelte  lateinische  periode  klar  zu  machen,  was  bei 
dem  gewöhnlichen  verfahren  mir  wenigstens  durchaus  eine  Unmög- 
lichkeit zu  sein  scheint,  femer  wird  das  übersetzen  rascher  von 
statten  gehen,  man  wird  sich  nicht  mit  einer  uita  ein  viertel  jähr  ab- 
quälen, sondern  im  laufe  des  jahres  eine  ganze  reihe  lesen  können, 

—  dem  lehrer  wie  dem  schüler  zur  gröazeren  freude.  statt  nemiich 
Verständnis  des  satzbaues ,  leichtere  auffassung  des  lateinischen  aus- 
drucks  erst  am  Schriftsteller  üben  zu  müssen,  statt  —  was  nicht  un- 
erhört ist  —  die  lectüre  zum  nutzen  der  grammatik,  selbst  der 
formenlehre  zu  misbrauchen ,  kann  man  diese  notwendigen  grand- 
lagen in  einem  masze,  wie  es  dem  standpunct  der  classe  entspricht, 
voraussetzen,  und  dieselben  werden  sich  durckdie  lectttie  von  seihst 
befestigen. 

Dagegen  versäume  man  nicht,  so  oft  sich  gelegenheit  bietet, 
schon  auf  dieser  stufe  auf  Synonyma  hinzuweisen,  von  denen  übri- 
gens einige  sogar  schon  in  quinta  erwähnt  sein  werden  z.  b.  gratias 
agere  und  gratiam  referre  und  gratiam  habere,  bellum  gerere  und 
bellum  ducere.  ich  glaube,  wir  dürfen  dem  quartaner  die  Unterschei- 
dung folgender  synonyma  zumnten: 

1.  uidere  —  cemere,  2.  amittere  —  perdere,  3.  optare  — de- 
siderare  —  expetere,  4,  mirari  —  admirari,  5,  dicere  —  loqui,  6. 
accidit  —  fit  —  contingit,  7.  rogare  —  obsecrare  —  supplicare,  8. 
regnare  —  imperare  —  regere ,  9.  obsidere  —  oppugnare ,  10.  pii- 
uare  —  orbare  —  spoliare,  11.  interficere  —  occidere,  12.  animus 
anima,  13.  uitium  —  error,  14.  casus  —  fortuna,  15.  opes  —  di- 
uitiae,  16.  cena  —  epulae  —  conuiuium,  17.  ius  —  fas,  18.  fides 

—  fiducia,  19.  hostis  —  inimicus,  20.  gens  —  famiüa,  21.  quies 
— -  tranquillitas,  22.  industria  —  diligentia,  23.  uia  —  iter,  24.  litus 

—  ripa,  25.  fruges  —  fructus,  26.  animal  —  besüa,  27.  felix  —  bea- 
tus,  28.  celeber  —  clarus}  29.  plus  —  magis,  30.  aut  —  uel,  31. 
nam  —  enim. 

Ferner  sind  bei  der  lectüre  wichtige  syntaktische  erscheinungen 
zu  beachten,  und  es  erscheint  zweckmäszig  hin  und  wieder  aus  dem 
gelesenen  beispiele  für  bestimmte  puncte  der  casus-  oder  moduslehre 
zusammenzustellen,  wenn  der  schüler  so  in  seiner  privatthätigkeit, 
etwa  in  ferienaufgaben  zum  inductiven  verfahren  angeleitet  wird, 
indem  er  durch  das  anmerken  der  einzelnen  fälle  und  ihre  verglei- 
chung  den  allgemeinen  gesichtspunct  d.  h.  die  regel,  die  jenen  « 
gründe  liegt,  gewinnt,  so  ist  dies  gewis  eine  sehr  fruchtbare  eigäft; 
zung  der  deductiven  methode  unseres  Schulunterrichts. 

Uebnngen  im  retrovertieren  werden  jetzt  gewöhnlieh  in  ted» 
und  secunda  angestellt,  nach  allgemeinem  urteil  mit  dem  besten 
folg.  ich  sehe  keinen  grund ,  warum  dieselben  nicht  schon  in  der 
quarta  begonnen  werden  könnten ,  und  verspreche  mir  davon  den- 
selben nut^n  wie  in  oberen  classen ,  nemiich  einerseits  eine  gründ- 
lichere erfassnng  der  betreffenden  abschnitte,  anderseits  eine  ge- 
wöhnung  des  Schülers  an  gutes  latein.   wenn  wir  ihm  nemiich  Öfter 


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auf  dem  gymnaiiiifn 


längere  stellen  entweder  wörtlich  oder  unter  teils  erleichternden  teils 
erschwerenden  abändemngen  znm  sofortigen  mündlichen  rücküber- 
setzen vorlegen,  so  gewinnt  er  in  der  that  ein  eingehenderes  Ver- 
ständnis fUr  den  schriftsteiler  und  eignet  sich  unvermerkt  ein  ge- 
wisses gefühl  fUr  riolitigkcit  und  wolkUog  des  lateiaisehsii  «»• 
dracks  an. 

Demselben  zwecke  dient  es ,  wenn  wir  zuweilen  ein  passendes 
capitel  zum  memorieren  auswählen  und  darauf  achten,  dasz  es  ge- 
läufig, flicszend  und  mit  angemessener  betonung  vorgetragen  wird. 

Ich  empfehle  auszerdem  noch  die  schriftlichen  Übungen  an  die 
lectüre  anziischlieszen.  ich  habe  es  selbst  meiner  zeit  gethan  und 
2war  so,  dasz  ich  die  syntaktischen  regeln  des  wochenpensums  in  ein 
oder  zwei  Neposcapitel  hineinarbeitete  und  diese  den  schülem  ge- 
wöhnlich auch  als  den  stotf  des  bevorstehenden  extemporale  bezeich- 
nete, dies  hatte  zugleich  den  vorteil,  dasz  jene  keiner  vocabeln  be- 
durften und  ihre  ganze  aufmerksamkeit  bei  der  ausarbeitung  den 
grammatischen  Schwierigkeiten  zuwenden  konnten,  man  verfährt 
bekanntlich  an  den  meisten  schulen  ähnlich  bei  den  schriftlichen 
griechischen  Übungen  der  oberen  classen,  und  ich  selbst  habe  es  in 
der  secunda  mit  Xenophon  und  Herodot,  in  der  prima  mit  Plato, 
Demosthenes  und  Thukydides  so  gehalten ,  auch  die  empfehlenden 
Zeugnisse  erfahrener  Schulmänner  durchaus  bestätigt  gefunden,  dem 
entsprechend  wird  also  im  lateinischen  Unterricht  die  lectüre  schon 
des  Nepos  verwertet  werden  können,  man  sage  nicht,  für  den  quar- 
taner  sei  ein  solcher  zusammenhängender  extemporalestoff  noch  zu 
schwierig;  dies  ist  ein  irrtum,  den  ich  schon  oben  bei  besprechung 
der  einrichtung  des  lateinischen  lesebnches  der  untersten  classen 
hoffe  widerlegt  zu  haben,  von  dem  nutzen  aber,  den  derartige 
schriftliche  Übungen  für  Vertiefung  der  lectüre  und  für  weckung  und 
schfirfung  des  Sprachgefühls  zweifellos  haben,  müssen ,  brauche  ich 
nach  den  über  das  retrovertieren  soeben  gemachten  bemerkungen 
wol  nicht  mehr  zu  reden;  ich  kann  wenigstens  versichern,  dasz  meine 
quartaner  diese  extemporalien  mit  dem  freudigsten  eifer  anfertigten, 
und  dasz  dieser  eifer  wiederum  der  lectüre  zu  gute  kam.  zur  prü- 
fung  teile  ich  hier  drei  Umarbeitungen  von  Neposabschnitten  mit, 
ganz  in  der  fassung  wie  ich  sie  damals  meinen  schülem  vorlegte, 
nur  im  vorbeigehen  erwähne  ich  übrigens,  dasz  ich  mich  nie  ent- 
schlieszen  konnte  ein  extemporale  durch  ein  häusliches  exercitium 
zu  ersetzen,  und  dasz  ich  auch  heute  noch  der  ansieht  bin,  die  letz- 
tere Übung  habe  erst  in  der  tertia  2u  beginnen  und  dann  mit  der 
ersteren  sich  regelmäszig  abzulösen. 

Sogleich  in  einer  der  ersten  wochen  des  Schuljahres  gab  ich 
auszer  zwanzig  formen  von  unregelmäszigen  verben,  mit  deren  repe- 
tition  wir  beschäftigt  waren,  nach  Milt.  c.  4  folgendes  Übersetzungs- 
stück :  'als  Darius  aus  Europa  nach  Asien  zurückgekehrt  war,  schickte 
er  den  Datis  und  Artaphernes  mit  einem  groszen  beere,  um  die  Grie- 
chen zu  bekriegen,  diese  führten,  nachdem  Eretria  erobert  und  die 


1 

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324         Zar  methode  des  lateinischeii  elementaruixterrichts 

einwohner  in  die  knechtschaft  fortgeschleppt  worden  waren,  ihre 
tmppen  in  die  Marathonische  ebene,  die  Athener  aber,  welche  er- 
kannten,  dasz  schnelle  hilfe  nötig  sei ,  baten  die  Lakedämomer  hilfe 
zu  leisten  und  wählten  zehn  feldherm.  obgleich  nun  einige  von  die- 
sen dazu  rieten  die  mauern  zu  verteidigen,  drang  doch  die  meinnng 
des  Miltiades  durch,  welcher  sagte,  die  btirger  müsten  gegen  die 
feinde  hinausgeführt  werden ,  denn  so  werde  ihr  mut  yermebrtf  der 
mut  der  feinde  vermindert  werden.' 

Nach  Hannib.  c  12  wurde  folgendes  ex  temporale  dictiert:  als 
die  Börner  erfahren  hatten,  Hannibal  halte  sich  im  reiche  des  Frusias 
auf,  schickten  sie  an  diesen  gesandte  und  verlangten  von  ihm,  er 
solle  ihnen  ihren  schlimmsten  feind  ausliefern,  welcher  vierzig  jähre 
vorher  Italien  mit  krieg  überzogen  hätte,    zu  dieser  zeit  wohnt« 
Hannibal,  der  auf  der  ganzen  erde  vor  den  Römern  nicht  sicher  war 
(tutus  a)  und  schon  im  höchsten  greisenalter  stand,  in  einem  castell, 
einem  sehr  befestigten  platz,  dorthin  reisten  also  die  gesandten  ge- 
raden wegs  und  umstellten  das  haus  mit  bewaffneten,  da  Hannibal 
gesehen  hatte,  dasz  jeder  ausgang  besetzt  sei  (Abi.  abs.),  und  dasz 
er  nicht  entrinnen  könne,  nahm  er  gift,  welches  er  bei  sich  zu  tragen 
pflegte ,  um  nicht  in  die  gewalt  der  feinde  zn  kommen,  so  schien  er 
auch  sterbend  um  nichts  kleiner  als  lebend ,  und  die  Römer  bekann- 
ten selbst,  dasz  er  ihnen  stets  viel  furchtbarer  gewesen  sei  als  alle 
anderen  feinde.' 

Man  wird  in  dieser  Übung  gegenüber  der  früheren  leicht  einen 
bedeutenden  fortschritt  zum  schwierigeren  erkennen,  so  sind  z.  b.  die 
Sätze  länger  und  complicierter,  das  pronomen  reflexiuum  wirdein 
paar  mal  verwendet,  wenn  nun  hier  besonders  regeln  über  den  ab- 
lativus  eingeübt  wurden ,  so  sollten  die  schüler  in  dem  folgenden 
extemporale ,  das  als  probearbeit  für  die  Versetzung  am  schlüsz  des 
Schuljahres  angefertigt  wurde,  gelegenheit  erhalten,  ihre  kenntnis  der 
gesammten  casuslehre  an  den  tag  zu  legen,  es  schlosz  sich  an  Pho- 
cion  c.  3.  4  an,  und  es  waren  zur  Übersetzung  volle  sechzig  minuten 
bewilligt,  excl.  dictat.  'niemand  wird  uns  überreden  zu  glauben, 
Phocion  sei  von  den  Athenern  mit  unrecht  getödtet  worden,  aber 
dennoch  empfinden  wir  schmerz  über  seinen  traurigen  ausgang.  nach 
der  Vertreibung  Cassanders  bemächtigte  sich  Polysperchon  der  her- 
schaft, und  von  ihm  unterstützt  belangte  das  athenische  volk  sogleich 
die  vornehmen  wegen  verrath  und  verurteilte  sie  zum  tode.  unter 
ihnen  befand  sich  Phocion;  er  floh  nach  Macedonien,  aber  Polysper- 
chon  befahl  ihn  nach  Athen  zu  führen,  als  er  ankam ,  strömten  die 
bürger  zusammen:  die  einen  erinnerten  sich  an  seinen  früheren  rühm 
und  empfanden  milleid  mit  seinem  unglück,  die  andern  schmähten 
ihn  aus  zom  nnd  hasz.  als  er  nun  zum  tode  geführt  wurde,  kam  ihm 
einer  seiner  freunde,  den  er  zum  treuesten  (freund)  gehabt  halt«, 
entgegen  und  rief  aus:  *das  was  du  duldest  ist  unwürdig  deiner 
tugendl*  aber  jener  erwiderte  mit  fester  stimme:  'niemand  kann 
der  misgunst  und  dem  hasz  der  Athener  entgehen  j  zwanzig  jahrd 


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auf  dem  gymnattunu 


orher  sind  mir  die  höchsten  ehren  erwiesen  worden  (affieere),  nnd 
sh  leitete  die  wichtigsten  geschäfte  (praeeese.  les),  jetit  gereicht 
dir  jene  würde  -selbst  zum  verderben.'  so  starb  Phodon  ftat  aehtsig 
ihre  alt.  pflicht  der  freunde  war  es  ihn  zn  bestalten,  da  diese  aber 
len  hasB  der  menge  fttrchteten,  so  Teiriehteten  sUayen  diesen  dienst 
offionun)'« 

Wenn  dann  noch  das  in  der  dasse  gebranchte  flbungsbach  som 
Qbenetsen  ans  dem  dentschen  ins  lateiiSsche  den  Inhalt  der  lateini- 
icben  leetOre  reicher  in  snsammenhlngenden  abschniiten  benntit, 
als  es  jetrt  der  ML  ta  sein  pflegt,  wo  selbst  sonst  treffKche  bUeher 
wie  dss  von  Meiring^*  derartigen  Stoff  nnr  spSrlich  bieten»  so  wird 
xua  eich  nicht  melor  ta  schenen  branehen,  jener  einriditnng  der 
exteioporaUen  entsprechend,  yon  dem  schflier  sofarifUiefae  imd  mtad* 
hebe  Inhaltsangaben  einzelner  capitel  zu  verlangen,  besonders  bei 
gelegenhsit  der  Wiederholung  einer  nita.    es  ist  dies  schon  eine 
freiere,  selbstttndigere  thätigkeit  und  somit  teils  eine  wertvolle  vor- 
Weitrmg  auf  die  später  folgenden  compositionen  teils  ein  sichrer 
Prüfstein  für  den  erlangten  grad  von  fertigkeit.  eine  grosze  zahl  von 
scbülerii  mag  vielleicht  beim  beginn  dieser  Übungen  sich  damit  be- 
gnügen den  Inhalt  ganz  einfach  in  kurzen  sätzen  mit  möglichster 
Vermeidung  syntaktischer  Schwierigkeiten  darzustellen,  die  bessere 
hälfte  der  classe  hingegen  wird  sicherlich  eifrig  bemüht  sein  die  er- 
worbenen kenntnisse  thunlichst  zu  verwerten,   sie  werden  längere 
Sätze  bilden,  sie  werden  sich  in  der  casuslehre  und  in  participal-  und 
inBnitivconstructionen  als  auf  einem  bekannten  gebiet  mit  freudig- 
keit  bewegen,  sie  werden  Wendungen  und  redensarten,  die  beim 
vücabellemen  oder  bei  der  lectüre  entweder  zum  einprägen  bestimmt 
oder  doch  zur  beachtung  bezeichnet  worden  sind ,  mit  Vorliebe  ge- 
brauchen, erkennt  der  lehrer  also  bei  jenen  gerade  durch  diese  Übun- 
gen am  unmittelbarsten  Unsicherheit  des  grammatischen  wissens  so- 
wie geistige  ungewandtheit ,  bei  einzelnen  vielleicht  gar  geistiges 
Unvermögen  feinere  eindrücke  des  unterrichte,  wie  sie  auf  dieser 
stufe  schon  nicht  selten  sind ,  in  sich  aufzunehmen  oder  doch  zu  be- 
wahren, so  beweisen  ihm  dagegen  die  leistungen  der  andern  in  an- 
regender und  ermutigender  weise,  dasz  seine  bemühungen  nicht  ver- 
geblich gewesen  sind,  und  für  die  ganze  künftige  entwicklang  dieser 
^filer  eröffnet  sich  ihm  eine  frohe  aussieht. 

Zu  einem  aUgemein  befriedigenden  resnltate  führt  natürlich 
^uch  in  diesen  ttbnngen  nnr  trenes  beharren,  dazu  werden  wir  jedoch 
aufgefordert,  wenn  wir  bemerken,  eine  wie  lebhafte  gegenseitige  an- 
regnng  der  schüler  sich  ans  lehrstunden  ergibt,  die  wir  einem  sol- 
<:bett  zwecke  bestinmien.  auch  der  schwache  nimmt  hier  allmählich 
f^gen  anteil,  wenn  seine  ersten  versuche  in  rechter  weise  unterstützt, 
^ine  bemühungen  frenndlicfa  anerkannt  werden,  nnd  dann  dürften 
gerade  diese  ttbnngen  an  ihm  einen  besonderen  sogen  haben,  denn 

^  2«  verb.  anfl.  1867.  Bonn.  Cohen  n.  Sohn. 


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326        Zur  methode  dea  lateixÜBchen  elementarnnteniclite 

sie  bewahren  ihn  davor  in  mechanische  pflichtthätigkeit  zu  versinken 
und  zeigen  ihm  die  freie,  selbständige  Verwendung  seiner  kenntnisse 
als  das  einzig  würdige  ziel ,  dem  er  zustreben  soll ,  und  das  jeder 
nach  dem  Verhältnis  seiner  kraft  firtiher  oder  spftteri  in  voUem  o<ier 
geringerem  masze  erreichen  kann. 

Alle  bisher  beim  quartanerpensum  erwähnten  Übungen  zu- 
sammengenommen dürften  meines  erachtens  dasjenige  erschöpfen, 
was  aus  einer  vertieften  lectüre  für  die  sprachliche  bildung  unsres 
jugendlichen  zöglings  zu  erreichen  ist.   überall  sehen  wir  reiche  ge- 
legenheit  zum  mündlichen  gebrauch  der  lateinischen  spräche  unge- 
sucht  und  ganz  naturgemäsz  sich  ergebend,  vorzugsweise  aber  wird 
man  die  Sprechübungen  in  die  zuletzterwähnten  Inhaltsangaben  ver- 
legen^  obwol  nun  noch  kurz  zu  bemerken  ist,  dasz,  dem  verfahren  in 
den  beiden  untersten  classen  entsprechend ,  neben  allen  jenen  Übun- 
gen bei  der  durchnähme  der  syntaktischen  regeln,  bei  den  vocabel- 
repetitionen  und  bei  der  Wiederholung  und  erweiterung  der  Satzlehre 
das  bilden  eigener  beispiele  stets  einhergehen  musz. 

Hiermit  hätte  ich  die  drei  stufen  des  lateinischen  elementar- 
unterrichts  betrachtet  und,  wie  ich  hoffe,  nachgewiesen,  dasz  durch 
eine  recht  innerliche,  lebensvolle  Verbindung  der  einzelnen  Übungen 
und  besonders  durch  eine  hieran  sich  ganz  von  selbst  anschlieszende 
fortgesetzte  anleitung  zum  mtLndlichen  gebrauch  des  lateinischen  die- 
ser Unterricht  echt  wissenschaftlich  behandelt  und  vertieft ,  dasz  der 
Schüler  schon  innerhalb  dieses  trienniums  zu  einem  gewissen  gefühl 
der  Sprache ,  zu  einer  verhältnismäszigen  Vertrautheit  mit  derselben 
gefördert  werden  kann,  es  bleibt  mir  nun  noch  übrig  kurz  ausein- 
anderzusetzen ,  wie  ich  mir  jenes  verfahren  in  den  folgenden  classen 
fortgeführt  denke,  und  welchen  erfolg  ich  mir  bis  zum  abschlosz  des 
gymnasialcursus  davon  verspreche. 

Zunächst  ist  consequenz  und  planmSszigkeit  notwendiges  er- 
fordernis.  alle  lateinlehrer  der  schule  müssen  sich  über  zweckmäszige 
methode  verständigt  und  geeinigt  haben,  damit  die  teile  des  ganzen 
Organismus  wirksam  ineinandergreifen,  bleibt  es  bei  einem  privat- 
untemehmen  des  einzelnen  lehrers,  dem  der  director  den  versuch  er- 
laubt, so  wird  was  er  geschaffen  in  der  Weiterentwicklung  unter- 
brochen und  geht  verloren  ohne  erwünschte  frucht  zu  bringen. 

Welchen  weg  ferner  unsere  Übungen  im  lateinsprechen  durch 
die  mittleren  und  oberen  classen  hindurch  zu  nehmen  haben,  ist  schon 
bei  der  erörterung  des  quartapensums  angedeutet  worden,  wo  ich 
die  lecttlre  vornehmlich  dazu  empfahl,  sie  bietet  ja,  an  umfang  zu- 
nehmend, immer  mehr  gelegenheit,  immer  reicheren  stoff  dazu,  die 
historiker,  Cäsar,  dann  Livius  und  Sallust,  endlich  Tucuub,  la^ücn 
sich  dazu  trefflich  verwerten,  aber  auch  bei  der  lectüre  Ciceronischer 
reden  wird  der  secundaner  und  primaner  nach  solcher  Vorbildung 
im  stände  sein  die  veranlassung  des  processes,  den  gedaiikengang 
der  Verteidigung  mit  leicbtigkeit  lateinisch  zu  explicieren.  von  den 
Horazstunden  möchte  ich  das  lateinsprechen  auch  unter  diesen  gün- 


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auf  dem  gymnauam. 


sügen  Yorbedingungen  ausgeschlossen  wissen,  dagegen  dürfte  sich 
eine  neue  anregung  dazu  ergeben,  wenn  man  Terenz  oder  Plautus  in 
den  kreis  der  in  prima  zu  lesenden  autoren  aufnimmt ,  wie  dies  ja 
jetzt  schon  an  einzelnen  gymnasien  geschieht. 

Das  retro vertieren  sowie  das  memorieren  geeigneter  absehnitte 
m  der  lectüre  ist  regelmäszig  fortzusetzen. 

Bei  der  durchnähme  grammatischer  und  stilistischer  regeln  ist 
rasches  und  sicheres  bilden  von  guten  Sätzen  mit  Sicherheit  zu  er- 
warten und  ausnahmslos  zu  fordern. 

In  derselben  weise  veranlaszt  dazu  die  Zusammenstellung  von 
phrasen,  die  immer  mehr  hervortretende  vergleich ung  synonymer 
werte  und  die  sjstematisohe  behandlung  dea  lateinischen  perioden- 
baues. 

Man  könnte  auszerdem  wenigstens  in  der  prima,  wo  die  grie- 
chische und  römische  geschichte  noch  einmal  wiederholt  wird,  über- 
sichtlichere Partien  in  lateinischer  spräche  erzählen  lassen,  wenn  man 
nicht  etwa  schon  in  der  secunda  die  besseren  schttkr  hin  und  wieder 
dazu  heranzieht. 

Will  man  endlich  noch  in  den  beiden  obersten  classen  eine  be- 
sondere Sprechstunde  einrichten  was  ich  nicht  flTr  nötig  halte ,  so 
wird  man  in  derselben  freilich  ganz  anderes  leisten  können,  als  es 
jetzt  durchschnittlich  der  fall  ist,  man  wird  diesen  Übungen  eben 
einen  ganz  anderen  Inhalt  geben  können. 

Jedenfalls  erscheint  mir  dies  erreichbar,  dasz  die  schüler  nicht 
mehr  ängstlich  und  gezwungen  sprechen  und  womöglich  nur  ein- 
gelerntes wiedergeben,  sondern  dasz  sie  einen  angemessenen 
historischen,  meist  an  die  lectüre  sich  anschlieszen- 
den  gegenständ  leicht  und  fr«i  und  flieszend  behan- 
deln. 

Gewis  kann  doch  nach  so  eingehenden  und  zusammenhängenden 
▼orfibungen  von  irgend  welcher  scheu  vor  dem  mündlichen  gebrauch 
der  Sprache  in  prima  nicht  mehr  die  rede  sein,  aber  zugleich  —  und 
dies  ist  das  bei  weitem  wichtigere  —  wird  die  beschriebene  methode 
eineraeits  für  die  schriftlichen  leistungen  und  besonders  den  lateini- 
schen aufsatz  andrerseits  füi*  das  übersetzen  der  autoren  die  segens- 
reichsten folgen  haben. 

Man  hat  ja  die  schüler  früher  und  leichter  in  das  Verständnis 
dessatzbaues  eingeführt,  sie  gründlicher  an  den  rbytbmus  der  spräche 
gewöhnt,  so  dasz  ihr  gefühl  dem  unlateinischen  ausdruck  wider- 
strebt, nach  so  vielseitigem  gebrauch,  nach  so  ununterbrochener 
anleitung  zur  freiheit  und  Selbständigkeit  müssen  ihre  lateinischen 
aufsätze  das  mechanische  und  formelhafte,  das  sie  bis  jetzt  noch  nicht 
verleugnen,  abstreifen  und  natürlichen  flusz  und  gewandtheit  an- 
nehmen, damit  ist  dann  auch  aller  anfeindung  die  spitze  abgebro- 


man  vergl.  darüber  Schräder,  erxiehnngs-  und  unterrichtslehre 
§  III  gegen  ende. 


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828         Zur  metbode  des  Uteinischen  elementarunterhchts 

eben,  sagen  die  gegner,  der  aufsatz  sei  für  die  schüler  eine  plage, 
so  weisen  wir  sie  daraufhin,  dasz  dieselben  von  anfang  an  gewöknt 
worden  sind  ihre  gedanken  sogleich  lateinisch  zu  fassen,  hierin  eben 
liegt  ja  eine  wirksame  Vorbereitung  für  die  eigene  freie  darstellung, 
und  der  fortschritt  ist  nun  ein  so  natürlicher,  dasz  wir  es  im  namen 
unserer  primaner  versichern  dürfen,  die  ausarbeitung  des  lateinischen 
aufsatzes  werde  weder  als  eine  durchaus  neue  noch  als  eine  über- 
grosze  anforderung  empfunden,  hierbei  ist  freilich  die  angemessene 
auswahl  der  themata  Yorausgesetzt,  worüber  schon  früher  das  iid%e 
angedeutet  wurde. 

Halten  sie  uns  die  mangelhaftigkeit  der  resultate  vor,  so  können 
wir  schon  jetzt  ihre  klage  nicht  als  durchaus  begründet  anerkennen 
und  versprechen  ihnen,  wie  schon  gesagt,  für  die  zukunft  noch  be- 
friedigendere leistungen.  übrigens  glaube  ich,  es  würde  zu  einer 
gerechteren  Würdigung  unserer  sache  wesentlich  beitragen,  wenn  die 
entsprechenden  deutschen  aufsätze  zur  vergleichung  herangezogen 
und  mit  derselben  schärfe  und  strenge  ihrem  werte  nach  geprüft 
würden,  unbefangene  beurteiler  würden  auch  an  ihnen  zu  einem 
nicht  geringen  teile  dürftigkeit  des  inhalts  und  uugewandtheit  der 
form  zu  rügen  haben.** 

Zweitens  wird  sich  der  nutzen  der  vorgeschlagenen  methode  an 
der  lectüre  offenbaren,  der  Schriftsteller  wird  schneller  verstanden, 
geläufiger  und  mit  mehr  geschmack  übersetzt,  es  wird  auf  die  rhe- 
torik  der  alten  und  auf  die  kunstmittel  der  darstellung  überhaupt 
näher  eingegangen  und  so  eine  bessere  Würdigung  der  einzelnen 
Schriftwerke  erreicht  werden  können,  die  lectüre  darf  sodann  einen 
weiteren  kreis  von  Schriften  umfassen,  und  die  freude  an  den  reichen 
schätzen  des  altertums  überdauert  die  laufbahn  der  schule« 

"  ich  darf  an  dieser  stelle  denjenigen  meiner  leser,  welche  der 
Sache  femer  stehen  —  fachgenossen  wissen  schon  davon  —  nicht  ver- 
schweigen, dasz  sich  in  neuester  seit  wieder  eine  einüuszreiche  stimme 
gegen  den  lateinlsehen  anfuiti  erhoben  hat.  in  EliMS-Lothriiigen  ist 
am  29  dec.  1877  eine  neue  abitnrientenprüfungserdnong  erlassen  wor- 
den ,  und  herr  schulrath  Baumeister  hat  dieselbe  im  marz-aprilheft  der 
Zeitschrift  für  gjmnasialwesen  1878  s.  291  mitgeteilt  und  kurz  erläutert, 
demnach  wird  für  die  gymnasiülabitarienten  der  lateinische  aufsats, 
das  grieehisehe  vnd  das  frainöaisehe  loriptnm  beaeitigt.  diese  arbeiten 
fallen  damit  zugleich  aus  dem  nnterricht  der  prima  weg.  als  einziger 
ersetz  soll  die  schriftliche  Übersetzung  ins  lateinische  sich  schwieriger 
und  länger  gestalten,  das  mündliche  examen  stellt  dieselben  anforde- 
rungen  wie  bisher,  nur  bleibt  das  lateinische  sprechen  unerwähnt,  über 
dies  reglement  im  allgemeinen  betraehtnogen  aasiiatellen,  ist  hier  nicht 
der  ort,  ich  möchte  nur  die  frage  aufwerfen,  ob  es  wirklieh  richtig  and 
an  der  zeit  ist,  der  jagend  die  ziele  ihrer  bildung  niedriger  zu  stecken, 
in  dem  was  herr  schulrath  Baumeister  in  betreff  des  lateinischen  «nf- 
satses  spedell  bemerkt,  habe  ich  etwas  neues  nicht  entdecken  können, 
aeh  verweise  deshalb  karm  aal  die  aasfahnungen  Hiisehfeldeis  mwoI 
am  schon  angeführten  ort  zeitschr.  f.  g.-w.  1873  s.  887  ff.  als  ebenda 
1875  8.  662  ff.  der  im  auszug  mitgeteilte  brief  eines  preuszischen  Ober- 
lehrers, der  nun  gern  ins  reichsland  auswandern  möchte,  um  der  auf- 
satscorreetor  an  entfliehen,  dürfte  niemandem  maszgebend  erscheinen. 


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auf  dem  gymaaaium.  329 

Fassen  wir  also  das  lateingprechen  als  mittel  den  einzelnen 
Übungen  in  diesem  Unterricht  durch  alle  classen  hindurch  Zusammen- 
hang zu  geben  und  den  schüler  gewissermaszen  in  der  spräche 
leben  zu  lassen,  wozu  es  sich,  wie  mir  scheint,  ganz  ungesucht 
darbietet,  und  wozu  es  sich  als  wolgeeignet bewährt,  so  fällt  dadurch 
der  einwand  hin,  der  gewöhnlich  dagegen  erhoben  zu  werden  pflegt, 
man  gibt  uns  zu  bedenken,  dasz  der  gebrauch  der  lateinischen  spräche 
aus  der  gelehrten  weit  immer  mehr  verschwinde,  dasz  den  classi- 
scben  philologen  mit  seltener  ausnähme  die  Universitätsvorlesungen 
nur  in  deutscher  spräche  gehalten,  dasz  wissenschaftliche  commentare 
und  handbücher  in  eben  derselben  verfaszt  werden ,  dasz  zur  erlan- 
gung  akademischer  würden  der  gebrauch  des  latein  nur  noch  auf 
einen  engen  kreis  beschränkt  sei,  und  dasz  diese  reform  als  ein  fort- 
schritt  begrüszt  worden,  mag  diese  Veränderung  bei  ^er  bezüglichen 
Vorbildung  der  canditaten,  wie  sie  jetzt  durchschnittlich  ist,  nicht  zu 
vermeiden  gewesen  sein,  in  ihrer  ausdehnung  halte  ich  sie  für  be- 
dauerlich, und  will  man  eine  durchgreifende  rückwirkung  davon  auf 
unser  gymnasium  geltend  machen ,  so  müssen  wir  uns  energisch  da- 
gegen verwahren,  ob  der  student  auf  der  Universität ,  der  beamte 
und  gelehrte  in  seinem  beruf  der  fertigkeit  im  lateinsprechen  bedarf 
oder  nicht,  ist  ja  für  unseren  zweck  ganz  gleichgültig,  denn  wir  trei- 
ben diese  Übung  nicht  um  ihrer  selbst  willen ,  sondern  weil  wir  in 
ihr  ein  zweckmäsziges  und  wesentliches  glied  in  der  kette  von  Übun- 
gen erkennen,  die  schlieszlich  zu  dem  erstrebten  ziele  der  gymnsial- 
bildung  führen  sollen,  wir  wünschen  aber  vor  allem,  dasz  unsere 
schüler  sich  auch  im  späteren  leben  ein  warmes  interesse  für  die 
Sprache  bewahren,  die  hauptgegenstand  ihres  Unterrichts  gewesen 
ist,  dasz  sie  das  gymnasium  mit  dem  freudigen  bewustsein  verlassen, 
durch  langes  und  angestrengtes  bemühen  im  Verständnis  und  im 
gebrauch  der  lateinischen  spräche  Sicherheit  und  freiheit  erlangt 
zu  haben,  dies  bewustsein  an  sich  schon  scheint  von  hohem  werte 
für  die  entwicklung  und  bildung  des  Jünglings  zu  geistiger  Selbstän- 
digkeit. 

Lassen  wir  uns  dagegen  aus  dem  einheitlichen,  aus  inneren 
gründen  so  und  nicht  anders  geordneten  Organismus  unseres  latein- 
unterrichts  allmählich  durch  äuszerliche  erwägungen  bestimmt  ein 
stück  nach  dem  anderen  nehmen,  so  wird  das  ziel  desselben  immer 
mehr  in  frage  gestellt,  dann  wankt  aber  auch  das  ganze  gebäude 
des  gymuasiums,  und  die  gefahr  rückt  näher,  dasz  sich  dereinst 
an  seiner  stelle  eine  moderne  schule  mit  vielfach  verzweigtem,  eines 
festen  und  beherschenden  mittelpunktes  entbehrendem  lehrplan  er- 
hebe, wir  thun  deshalb  wol  daran  die  altbewährte  grundlage 
muerer  gelehrtenschule  auf  ihrer  ganzen  ausdehnung  zu  behaupten 
imd  zu  sichern. 

Vorstehende  betrachiongen  wollten  hierzu  einen  kleinen  beitrag 
liefern,  indem  sie  die  ungemeine  lebens^  und  leistungsfUhigkeit  des 
bteinischen  elementarunterrichts  nachzuweisen  suchten,  ihr  zweck. 

V. Jahrb.  f.  phil.  n.  pid.  n.  »bt.  1878.  hfl.  7.  22 


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880 


Zur  behandlimg  des  xeligiaiisiuitemGhteB 


iit  «Exmht,  wenn  sie  in  faebgMlOtsaa  die  freudige  zuversiclit  zu 
ihrem  werk  erk^ten  und  eine  «nregimg  mr  yertie^aiig  der  metbode 
aehnleiu 


30. 

ZUB  BEHANDLUNG  DSS  BSLIOION8ÜNTBBBICHTE8  AUF 

DEN  OBERSTEN  CLASSEN  DES  GYMNASIUMS. 


Obgleieb  fBr^die  frage  naeh  der  bdhaadltmg  des  reUgune- 
unteniditea  bereite  eine  im  eigeniliehe&  siniie  des  wortee  imllbcr« 
aditee  litlerator  yoili^t  und  darum  jeder,  der  in  dieser  angelegen- 
heit  aich  noeh  snm  wort  meldet,  den  vorwiixf  befUrehten  mnsi,  das 
er  eidmi  nach  Athen  trage,  ao  wiU  ich  dodi  aelbat  auf  diese  gefahr 
hin  die  debatte  Aber  eine  ao  ungemein  wiohtige  frage  ans  dem  ge- 
biete der  Pädagogik  notdi  einmal  erOftnen  nnd  einiges,  was  i^  wih- 
rend  einer  beinahe  zehi\jShrigen  praxis  zur  belebung  des  untemdili 
wesentlich  beitragen  gefunden  habe,  in  diesen  blättern  den  fiieh- 
genossen  zu  geneigter  erwägung  vorlegen,  doch  verspreche  ich  schon 
im  voraus  mich  kurz  zu  fassen. 

Was  zunächst  den  'vortrag  der  kirchengeschichte'  anlangt,  so 
wird  wol  nirgends  die  überaus  grosze  bedeutung  des  biographischen 
elementes  bestritten  werden,  nicht  so  allgemein  anerkannt  aber 
dürfte  der  grundsatz  sein,  die  persönlichkeiten,  mit  denen  sicli  die 
kirchengeschichte  beschäftigt,  wenigstens  die  bedeutendem,  einen 
Augustinus,  einen  Bonifacius,  einen  Huss,  einen  Luther,  einen 
Spener,  einen  Schleiermacher  zum  teil  aus  ihren  eigenen  werken 
den  schülem  bekannt  zu  machen,  und  doch  acheint  mir  die  berück- 
sichtigung  dieses  grundsatzes  durchaus  geboten,  wie  dies  auch  Guthe 
verlangt,  wenn  er  in  seiner  schrift  über  nationale  erziebung  den 
keineswegs  so  ohne  weiteres  von  der  band  zu  weisenden  Vorschlag 
macht,  in  den  oberen  classen  ein  lesebuch  einzuführen,  'durch  welchea 
die  schüler  mit  den  groszen  geistern  der  kirche  in  unmittelbare  be- 
kanntschaft  gesetzt  werden.*  in  diesem  buche,  sagt  er,  mtisten  sich 
neben  proben  aus  dem  nachapostolischen  Zeitalter  Schriften  der 
groszen  kirchenväter ,  proben  aus  dem  heliand,  hymnen  der  alt- 
christlichen kirche,  das  köstliche  büchlein  von  der  deutschen  theo- 
logie.  Taulers  predigten,  vor  allen  dingen  eine  reiche  auswahl  aus 
den  Schriften  der  reformatoren  vor  der  reformation  und  Luthers 
sowie  des  ihn  umgebenden  kreises  finden,  welcher  gewinn  für 
religiöse  erkenntnis  z.  b.  den  werdenden  Luther  aus  seinem  eige- 
nen munde  kennen  zu  lernen!  wahrlich  eine  solche  lectüre  würde 
erbauung,  weckung  des  religiösen  sinneSi  aufmerksamkeit  für  reli- 
giöse entwicklungen  zur  folge  haben.  —  Aber  auch  sonstige  ge- 


Bauodi« 


WhiHBlm  Fhibb. 


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auf  den  obersten  clasten  des  gymnaeiums. 


331 


legentliohe  mitteilung  der  quellen  dürfte  zui*  Belebung  des  unter- 
lidites  nicht  unerhebliches  beitragen,  so  habe  ich  z.  b.  gefunden, 
dass  primaaer  eine  Schilderung  der  sittlichen  Verkommenheit  des 
InidentnmB  nacii  aussprfichen  von  Seneca,  Juyenal  und  Plinius  mit 
groBzem  uderesse  mit  anhOren,  nicht  minder  urteile  der  beiden 
ttbcr  die  jnden  nadi  Taeatus,  urteile  fiber  die  Christen  nach  Sueton, 
die  yeirUddigangen  daa  ehristentoms  seitens  seiner  bekenner  nach 
TMiUiaa,  Miiwciaa  Faliz,  Lactantius,  die  correspondenz  zwischen 
dem  jungem  FUniiiB  imd  Tn^aa  (P2in«  lib.  X  ep.  96  und  97)  u.  dgl.  m* 
man.  wende  mir  nieht  ein,  daai  itk  bloas  das  lateinische  und  griechi- 
solia  aaeh  In  den  rsligionaiinfteaiflkt  hmeinmischen  will,  gegen  die» 
sen  Tinrwiirf  hat  mich  aehon  vor  baaaalie  dieiszig  jähren  Pabner  in 
selmtB  genommen,  wenn  er  in  der  Torrede  an  seinem  bliximeh  der 
.  religion  und  d«r  gesdhiiohle  der  ohristlidien  kirobe  fttr  die  oberen 
danen  erangeliacher  gyxnnasien  und  andeier  hlQieren  büdnnga- 
anstalten  (Darmatadt  1848)  a.  YII  sagt :  *die  Wahrheit  ist  und  bleibt 
fieüicli  nur  6ine,  und  darum  musz  vash  die  religion  nmerea  herm 
fOa  gebildete  und  nngebüdete,  ftlr  knaben,  jttnglinge  mid  mflnner 
m  ikrem  innersten  gründe  dieselbe  sein;  doch  unterliegt  es  keinem 
swexfol,  daas  sie  nur  dann  wahres  eigentnm  des  einzehMn  wird  und 
Unbt  und  anf  aein  gesamtes  denken,  ftlhlen  und  wollen  einen  be- 
lebenden und  heiligenden  emfluaa  übt,  wenn  sie  mit  der  stnfe  seiner 
Mdung  überhaupt  in  riehtigem  TeihHlüiisae,  in  mdgliehat  ToUatSn- 
digem  einklaage  steht.  woUte  man  darum  den  jtln^ingen,  welche 
wissenschafUidie  Tortrtfge  Uber  spräche,  gesdhkdite,  naturwisaen- 
Schaft  uaw.  hOren,  einen  nur  etwaa  gesteigerten  kateoluamnaunter- 
richt  erteilen,  ao  würde  ihnen  dieaea  ala  etwaa  längst  bekanntes, 
überflüssiges,  anderen  nnierriöhtaaweigen  glekshaam  nieht  eben- 
bflrtigea  erscheinen,  gleichgültig  werden  und  in  aolohem  fidle  mehr 
Bolia£n  als  ntttaen.'  ebenso  wenig  aber  kann  ich  dem  einwand 
berechtigung  zugestehen,  daaz  die  seit  zu  einem  derartigen  vortrage 
der  kirchengeschichte  nicht  ausreiche,  man  iXazt  dann  eben  man* 
dies  andere  weg,  waa  doch  in  den  meisten  fiülen  bald  nach  dem 
abiturientenezamen  ab  unnützer  ballest  über  bord  gewücto  wird. 

Waa  in  zweiter  Hnie  die  'behandlung  der  gkubenalehre*  be- 
trifft ,  so  möchte  ich  dogmatik  mehr  in  der  form  yon  erlftuterungen 
aua  der  dogmengsfiMduclite  yorgetragen  wissen,  um  Über  die  snccesaive 
«itwiddung  und  Ibrtbildung  einzelne  kirohlidien  dogmen  die  nötige 
belehrung  zu  geben,  mit  recht  macht  Fahner  a.  a.  o.  darauf  aiä> 
meiksam,  daaz  eokhe  edäuterungen  geradezu  bedürfiiis  sind,  wenn 
die  Schüler  gelehrt  werden  sollen,  die  schale  Tön  dem  kem,  mid  die 
art  und  webe,  wie  die  lehre  des  hmn  au%efis8zt  wurde,  Yon  ihrem 
ewig  gültigen  gehalt,  wie  er  in  den  heilige  Urkunden  liegt,  unter- 
scheiden zu  lernen,  damit  würde  aich  nicht  unpassend  ein  Überblick 
über  die  yerschiedenen  erseheinungsformen  der  religion  yerbinden 
lassen,  eine  art  religionsgeschichte,  wie  ich  sie  nur  ungern  in  dem 
religionsunterricht  auf  den  höheren  schulen  mbsen  möchte,  weil 

28* 


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332  Zur  behandlaog  det  zeligioniiintemehtes 


memer  aasiclit  nach  eine  solehe  bekaoBisehaft  mit  der  gewAidii> 
liehen  entwicUimg  der  religion  eine  etwas  grösiere  iderans  sar 
folge  haben  wtlrde>  als  wir  sie  aogenUieldich,  wo  es  sich  um  dift- 
renzen  in  den  religiösen  ansdiannngen  handelt ,  bei  geistliehen  und 
laien  gewöhnlich  antre£EiB(n.  bei  der  bespiechnng  winnelnftr  MAb 
ans  der  Sittenlehre  empfiehlt  es  sidi  verwandte  anssprOche  ans  den 
sohziftstellern  des  dassisohenaltertnmsheransniiehen  (tib^B.  Schnei- 
der christlidie  klinge  ans  den  griechisoben  nnd  rOmisehen  classikeni), 
damit  der  schfiler  anch  von  Ider  ans  gelehrt  werde,  eineiBeiti  über  ' 
der  form  den  inhalt  der  alten  —  anch  den  religiösen  —  nidit  la 
vergessen,  andererseits  an  erkennen  nnd  einzusehen,  dasi  alles,  was 
die  menschheit  vor  der  erscheinnng  des  henrn  in  religiöser  nnd  sitt- 
lidier  hinsieht  erkannte,  doch  immer  nnr  ein  schwaehea  ablnld 
seiner  einsieht  in  die  tiefen  des  göttlichen  reiches  war,  nnd  dasi  .' 
die  ideen  der  ansgeieichnetsten  nnd  scharfsinnigsten  denker  vor 
ihm  erst  dnrch  ihn  ihre  Iftnterang,  verklSnmg  nnd  objeetive  gel- 
tong  erhielten  (Palmer  a.  a.  o.). 

hi  rOöksidit  anf  die  ^behandlnng  der  einleitnngswissenscbsft' 
halte  andi  ich  mit  dr.  6.  L.  Schmidt  (leit&den  som  diristliito 
religionsonterricht  in  höheren  lehranstalten  Jena  1874)  daltlr,  dan  ' 
dem  schaler  die  resnltate  der -Wissenschaft  offen  nnd  frei  voigelegt 
werden  müssen,  wenn  der  Zwiespalt  zwischen  nnserer  modernen 
bildnng  nnd  der  kirche  wieder  «nsgegliehsn  nnd  nnsere  henmter*  * 
gekommene  kircblichkeit  wieder  gehoben  werden  soll,  auch  nach 
meiner  ansieht  darf  dem  scbüler  in  der  schule  nichts  geboten  wer- 
den, was  ihm  später  bei  reiferem  nrteil  und  eigenem  stndinm  not-  , 
wendig  als  falsch  erscheinen  musz.  auch  ich  meine,  es  mtlsse  in 
einer  fttr  den  religiösen  glauben  der  jugend  so  gefährlichen  zeit  den 
Schülern  vor  allem  gezeigt  werden ,  dasz  von  der  beantwortung  die- 
ser oder  jener  kritischen  frage  keineswegs  der  bestand  des  Christen- 
tums abhänge,  dasz  religion  im  sinne  Christi  doch  noch  etwas  snde- 
res  sei ,  als  zu  dieser  oder  jener  frage  ja  oder  nein  sagen,  warum 
soll  denn  ein  schüler  nicht  erfahren,  dasz'  das  vierte  eyangelinm 
möglicher  weise  nicht  den  apostel  Johannes  zum  Verfasser  hat?  ist 
es  nicht  sicherer,  ihm  schon  in  der  jugend  zu  zeigen,  dasz  der  wert 
der  Schrift  derselbe  bleibt,  auch  wenn  die  negative  kritik  recht  be- 
halten sollte?  rüstet  man  ihn  so  nicht  mit  den  waffen  aus,  welche 
die  g^gner  dereinst  in  dem  kämpfe  g^n  seinen  glauben  zu  ge- 
brauchen belieben  werden?  nein,  wenn  das  Christentum  keine 
festere  basis  hätte  als  diese  lehrhaften  bestimmnngen ,  als  diese 
dogmatischen  und  kritischen  Voraussetzungen,  dann  dürften  "wir 
umsonst  an  der  christlichen  erziehung  unserer  jugend  arbeiten, 
dann  dürften  uns  mit  leichtigkeit  die  waflFen  entrissen  werden,  mit 
denen  wir  gegen  die  feinde  zu  siegen  hofften,  das  Christentum  ist 
die  religion  der  liebe:  den  spuren  gehen  wir  nach,  von  dieser 
quelle  aus  verfolgen  wir  den  Strom,  der  in  das  grosze  Weltmeer 
mündet,  von  da  aus  betrachten  wir,  was  der  ström  alles  mit  sich 


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aul*  den  obersten  claBsen  des  gymnasioms.  333 

geführt  bat.  das  frommt  mehr,  als  die  kirchliche  tradition  zu  stützen 
suchen. 

Bei  der  *lectüi*e'  der  heiligen  schrift  habe  ich  des  öftem  Bansens 
bibelwerk  in  der  schule  benutzt  und  zwar,  wie  ich  versichern  kann, 
ohne  eine  abnähme  des  interesses  für  den  gegenständ  bei  den  Schü- 
lern zu  ben[ierken.  wird  dadurch  Luther  zurückgesetzt  oder  sein 
verdienst  geschmälert?  nimmermehr,  die  schüler  erkennen  eben 
nur,  um  ein  beispiel  anzuführen,  desto  deutlicher  die  Vorzüge  der 
hebräischen  poesie,  gewinnen  nur  die  desto  festere  Überzeugung, 
dasz  auch  hier  eine  dichterische  begabung  und  begeisterung  zu  finden 
ist,  die  sich  jeder  andern  ebenbürtig  an  die  seite  stellen  darf. 

Für  die  'lectüre  der  neutestamentlichen  bücher  in  der  ur- 
sclirift'  empfiehlt  sich  durchaus  eine  streng  philologische  erklörung. 
auch  dadurch  gelangt  der  schüler  zu  der  einsieht,  dasz  das  Christen- 
tum und  dessen  Urkunden  nicht  nur  eine  echt  wissenschaftliche  be- 
handlung  vertragen,  sondern  zu  ihrem  richtigen  Verständnis  geradezu 
erfordern,  der  Inhalt  braucht  darüber  keineswegs  vernachlässigt, 
ebenso  wenig  Unklarheit  oder  Verwirrung,  wie  einige  meinen,  durch 
diese  methode  in  den  köpfen  der  schüler  erzeugt  zu  werden.  — 
Wenn  ich,  wie  gerade  in  den  letzten  zwei  jähren,  in  der  secunda 
und  prima  viele  fichttler  habe,  welche  an  dem  hebräischen  Unterricht 
teilnehmen ,  so  weise  ich  auch  vielfach  auf  die  beziehuxig  des  neu- 
testamentlichen Sprachidioms  zn  dem  hebräischen  hin,  namentlich 
auf  die  wörtlichen  Übersetzungen  hebräischer  vedensarten,  auf  die 
blofige  Übertragung  der  abgeleiteten  bedeutungen  eines  hebräischen 
Wortes  auf  das  griechische,  auf  die  nach  dem  vorgange  des  hebräi- 
schen erfolgte  neubildung  von  Wörtern  und  cönstructionen ,  sowie 
ftberfaanpt  auf  die  dnrch  den  Zusammenhang  mit  dem  hebräischen 
verursachte  bereicherung  des  griechischen  spraofaschatzes  n.  dgl.  m. 
stets  aber  gebe  ich  eine  kurze  Charakteristik  der  nentestamentlichen 
dietion  nach  den  verschiedenen  bestandteilen,  ans  denen  sie  zn- 
Mmmengesetst  ist.  doch  dehnt  sich  dieselbe  —  dies  fttge  ich  aus- 
drOcUich  hinzu,  nm  misverstSndnissen  vorzubeugen  —  kaum  je 
über  dne  stunde  aus* 

Üeber  die  notwendigkeit  einer  teilweisen  Umgestaltung  des 
Unterrichtes  in  der  biblischen  geschichte  später  I 

OuuBSSsm*  A.  Bieder. 


81. 

DER  RÖMERBRIEF  IN  DER  GYMNASIALPRIMA.    EIN  EXEGETISCHER  VER- 
SUCH VON  DB.  THi£L£.  Leipzig,  6.  G.  Teubuer.  1878.  VI  u.  95  s. 

Sb  will  fast  scheinen,  als  ob  auf  dem  gebiete  des  hOhem  reli- 
8WÄ8unterrichts  nach  und  nach  die  Überzeugung  allgemein  herschend 
SWorden  ist ,  dasz  es  vor  allem  auf  einen  immer  mehr  sich  vertie- 


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334  Thiele:  der  BOmerbrief  in  der  gymiittnalprima. 

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fendeii  bibeliiiiierrieht  ankoiiiiBe.  fttr  die  dnrdfafüirang  dieser  ideo 
sieUen  nch  freilich  manohe  schwierigkeiteB  in  den  weg*  mM  eo- 
wöl  bei  derwahl  dee  Stoffes,  die  beTonagnag  des Mien ieetome&tB 
ist  aelbstverstfadlicb,  imd  es  ist  liiigst  ttblioh,  die  hmptsftehlieTistaa 
neatestameiiilidMii  edhriften  in  den  oberen  ebssen  mdgüchet  im  w- 
test  m  lesen,  besonders  gilt  dies  yom  Bdmsrbrief ,  der  wol  gegen- 
wBrtig  in  jeder  eTUgeliadien  gymnasiniprims  gelesen  wird,  aber 
gerade  hier  seigen  si^  die  sehwierigkeitsn  eines  stehen  bibelnntsr- 
riehts  drailieh.  adion  die  allgemeinen  ezigetischan  sehwkrigkeihBi 
sind  gross  gong,  so  dass  man  nur  langsam  nnd  mit  anstrengimg 
Yorwfirts  kommt,   daen  kommen  mm  aber  nodi  die  besondmi 
methodiadien»  die  ezegese  dem  iweek»  der  sdmle  nnd  ^weiell  dem 
staadpimet  der  primn  angemessen  sn  machen,  eine  sishiderUSmag 
des  BQmeriiriefii  mnas  dooh  wosentlioh  anders  sein  als  eine,  wie  sie 
der  stndenl  on£  der  nnivernüt  Terlangt.  das  ist  fbeoretledi  laicht 
angegebeot  praktisch  aber  sich  des  naterseliasdes  bewnst  an  Umben, 
ist  weit  schwerer,   toü  einem  grammatisch  riditigen  ventSndniB 
mnss  natllflich  in  beiden  ftllen  ausgegangen  werden,  ttbnigena  aber 
pflegte  man  ürtther  den  BOmerbrief  in  der  edmle  als  testimoninm 
fOr  die  kirchliche  rechtfartignngslehre  sn  lesen,  wie  die  behandlnqg 
auf  den  nniyersitftten  mdst  fihnlieh  war.  jetit  behandelt  man  den 
Inief  nicht  nnr  aof  der  nniversitit  als  selbstzwedc,  sondern  kommt 
immer  mehr  dahin,  in  der  sehnle  einen  tthnlichen  gesichtsponct  auf- 
anstellen,   der  briief  wird  gelesen ,  weil  er  das  wichtigste  denkmal 
des  panlinisohen  geistes  nnd  damit  eine  schrift  ist»  mit  deren  dogma- 
tischer darstellung  tief  religUtoer  gedanken  keine  wetteifert,  des- 
halb liegt  aber  in  dieser  richtung  auch  kein  principieller  onterschiad 
zwischen  der  behandlung  des  briefes  auf  der  schule  und  der  nuTer- 
sität.  der  unterschied  liegt  vielmehr  in  der  art  und  weise  der  aos- 
führungi  die  auf  der  Universität  gleichmftsiig  nnd  allseitig  sein  mnsz, 
wlQuraid  sie  in  der  sohnle  sich  an  vielen  pnncten  bedentend  besehrKa- 
ken  kann ,  oft  mehr  nur  die  leitenden  grundideen  zum  Tollen  Ver- 
ständnis zu  bringen  strebt,  als  alle  einzelheiten,  in  den  wenigstm 
fiülen  sich  aber  auf  kritische  aaseinaadersetzungen  ftinlassen  kann 
und  darf,  sondern  sich  im  gansen  mit  aufsteUn^g  einer  positivea 
erklttrung  begnttgt 

In  diesem  sinne  ist  die  in  der  Überschrift;  genannte  neue  erUft* 
rung  des  Bömerbriefs  geschrieben,  die  sowol  des  oben  gekennzeich- 
net^ gesichtspunctes  aJs  der  eigentümlichen  durchftthrang  sich  klar  | 
bewoszt  ist.  in  bezug  auf  erstem  sagt  der  verf.  im  Vorwort:  'nicht 
an  einer  gelehrten  kritik  der  bibel,  nicht  an  dem  system  einer 
confessionellen  dogmatik ,  sondern  an  der  classischen  litteratur  des 
Christentums,  den  büchem  des  alten  nnd  des  neuen  testaments,  in- 
dem wir  auf  derselben  positiven  basis  wie  die  unteren  classen,  nun- 
mehr aber  an  der  läutern  quelle  selbst  schöpfend,  ans  ihren  ge- 
schichten  und  lehren,  was  es  um  die  heilsökonomie  gottes  auf  erden 
und  den  weg,  der  som  leben  fahrt  und  einen  demütigen  ^^bea  in 


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Thiele :  der  Eömerbrief  in  der  gjmnasialprima,  335 

der  friicht  der  guten  werke  ist,  schriftgemäsz  und  aus  der  schrift 
überliefern  und  entwickeln,  hat  die  religionsstunde  der  oberen  gyra- 
nasialclassen  das  ihr  eigentümliche  gebiet  der  thätigkeit  und  das  den 
gymnasialen  zielen  entsprechende  object  der  arbeit.*  —  Der  verf. 
hält  für  seine  aufgäbe,  'in  analoger  weise  und  auf  derselben  linie 
wie  die  interpretation  eines  classischen  autors  die  von  dem  heiligen 
schriftsteiler  schöpferisch  erzeugten  ideen  nachdenkend  zu  ergrün- 
den und  ohne  fremdartige  Zusätze  und  nur  nachbildend  wiederzu- 
geben und  allmählich  als  glieder  gröszerer  umfassender  gedanken- 
gruppen  zu  begreifen.*  —  Die  bearbeitung  des  briefes  ist  eine  ganz 
Yerschiedenartige,  bald  wird  sorgfältig  dem  einzelnen  wort  nach- 
gegangen, bald  summarisch  tibersichtlich  verfahren,  bald  wird  aus 
einzelnen  bausteinen  ein  gröszerer  bau  vor  unseren  äugen  zusammen- 
gesetzt, bald  in  umrissen  das  fertige  gebäude  gezeichnet,  natürlich 
erhebt  diese  bearbeitung  nicht  den  anspruch ,  inhaltlich  wesentlich 
neues  zu  bieten,  der  verf.  sieht  seine  aufgäbe  in  'der  Auswahl  des 
exegetischen  materials,  in  der  unbefangenen  schlichten  darlegnng 
des  inhalts  in  der  einem  lehrgegenstande  der  schale  entsprechenden 
form  der  darsteUnng'.  er  httlt  sich  ftlr  berechtigt  und  verpflichtet 
zur  freiesten  benntzung  des  gesammten  vorhandenen  exegetischen 
materials  bis  auf  den  sachgemftszen  ansdraok;  besonders  senlieszt  er 
sieh  in  der  erklärung  an  v.  Hofmann  an;  namentlieh  nennt  er  anazer^ 
dem  Meyer  imid  Philippi.  in  der  emzelerkttrang       der  rerf«  iiatllv* 
Udi  manchen  widerspmdi  Mlen,  beeondere  maiiebe  erkttnmg  t.  Hol- 
aumns,  wenn  de  anoh,  wie  immer,  originell  imd  geisMeh  iet|  wird 
fflsnoheiBeite  nicflii  angenommen  werden,   aber  ttber  diesen  pmet 
woUen  wir  mit  dem  ywf,  niebt  reehien,  da  er  ja  denilieh  genug  den 
eehwegpmiet  seiner  aorbeH  auf  aatees  legt,  wie  er  den&Mioli  eigenes 
durehfbrseben  der  exegetisoheii  lüterainr  als  selbstrmttliidlM  rer- 
aoflsetst  nnd-  lordert  man  kaom  die  sobrift  direet  dem  nntenriehl  ta 
gnmde  legen ,  man  kann  sie  aber  auch ,  und  das  wird  das  riditilgere 
Sehl  f  als  regulator  und  beraiber  ftr  den  nnterriebt  branehen,  jeden- 
IsÜs  wird  sie,  ans  lebendiger  präzis  entstanden,  jedem,  der  den 
BSmerbrief  in  der  prima  za  bebandahi  bat,  Ton  nutsen  sein. 

Der  wfl  si^  ab  Ton  einer  besondem  einlätong  in  den  brief 
mit  rttcksidit  anf  die  naeh  dem  lebiplan  (auch  wol  vielerwlrts  sonst) 
Torangdiende  gesehidite  des  apoatoliseben  seitalters.  er  empfieblt 
statt  dessen  eine  erliiilenmg  der  bedeaisemen  werte  des  briefes,  wie 
Xdptc,  v6^oc,  KÖCMOC,  cdpS,  d]LiapT(o  nsw«,  ein  gewis  sn  beaebten- 
der  gedenke.  YoUes  leben  gewinnen  diese  werte  freiliob  erst  im 
lebendigen  gnsammeahang,  £^eidiwol  aber  ist  eine  ToiMuige  orim* 
tiersag  ttber  ibren  gehalt  besonders  ancb  lllr  die  prSparstion  der 
sebttler  empfoUenswert.  aber  die  bisfcorisdien  Tetbttltnisse  des  brie* 
fts,  die  ja  in  einer  dnleitang  anseinandergeeetat  an  werden  pflegen, 
mftssen  docb  klar  nnd  eindSinglieh  TorgdMbrt  sein  «nd  aneb  wtii- 
rand  des  gansen  briefes  lebendig  exfadton  werden«  in  dieser  bki* 
ridit  sdieint  dem  ref.  etwas  an  wenig  geseheben  m  sein;  er  bitte 


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336  Thiele:  der  Kömerbrief  in  der  g^mnasialprimai 


z.  b.  bei  dem  abschnitte  c.  9 — 11  ein  specielleres  herauserklSren  aus 
den  individualitäten  des  schreibenden  und  der  römischen  gemeinde 
gewünscht,  ebenso  im  ganzen  paränetischen  teil,  der  übrigens  sehr 
kurz  behandelt  wird,  wie  es  freilich  die  praxis  wegen  des  nahen 
semesterschlusses  häufig  fordert,  aber  welche  Schlaglichter  können 
aus  den  geschichtlichen  Verhältnissen  z.  b.  auf  c.  14  und  besonders 
c.  13,  1—7  fallen! 

Das  wichtigste  bleibt  freilich  immer  der  mehr  abhandelnde  teil 
des  briefes.  im  grusz  (1,  1 — 7)  ist  Ton  den  einzelnen  werten  aas- 
gegangen,  während  y.  8— 17  nur  inbaltBangabe  und  Zusammenhang 
gegeben  wird,  in  1,  18 — 28  gebt  der  weg  von  der  einzelerklänmg 
zu  umschreibender  Übersetzung;  zu  2,  9 — 3,  4  ist  nach  kurzer  an- 
gäbe des  Zusammenhangs  nur  eine  etwas  ausgeftthrtere  flbersetzong 
gegeben,  erklttmng  und  Inhaltsangabe  und  gliadorung  werden  mit 
eüunder  yerwoboi  o«  8,  5— -31;  c*  4.  ist  wieder  küRer  und  nur 
flhenlehtlicli  behandalt.  und  in  solehor  vetachiadanhtit  geht  es 
weiter. 

üm  «n  Bodi  ansehanlioberes  bild  von  der  weise  des  rerf.  sa 
geben,  wihlen  wir  etwa  e.  5  ^Christas  und  Adam'.  1,  v.  1 — 5 
^Christos  und  die  heilsgater*.  in  der  nachweisong  des  snssmniflB* 
hangs  mit  dem  bisherigen  wird  der  gedaake  gewonnen,  dass  Christos 
es  ist,  der  den  weg  zu  den  gütem  des  nenen  testaments  erOflhet 
dann  folgt  erklärung  einielner  werte,  besonders  biKOiui66nP6C,  elpri- 
V11V,  Kai  (v.  2),  4Xic(c  und  dtairfi  toO  6eo0,  und  endlieh  eine  Aber- 
aetiung.  dasselbe  Terfshren  wiicd  eingeschlagen  im  zweiten  ab- 
sehnitt  v.  6 — 11  ^Christas  und  sein  erlOrangswerk*,  wo  der  grund 
fttr  diese  heüsgttter  spendende  Wirksamkeit  Christi  aoseinander- 
gesetst  wird,  (mfiste  hier  aber  nicht  6  mit  t.  5  in  engen  m* 
sammenhang  gesetzt  werden?  der  ganze  abschnitt  würde  an  klar- 
hrit  gewinnen,  die  erUirung  des  prisens  cuvkrnci  wire  fimlish 
anfkogebem.)  im  3n  absofanitt  r.  12—14  'CSiristns  nnd  Adam*  wer- 
den bei  dem  bertthmten  ix^*  4»  irdmc  fifiaptov  drei  der  widitigsien 
erklürongen  angeltthrt  (hier  feUt  die  [I^mnssdie],  weldie  {bM^nov 
faszt  sls :  der  gewalt  der  sOnde  nnterworfen.  beUftofig  sei  hier  auf 
die  in  schnlkreisen,  wie  es  schont,  noch  zu  wenig  bekannte  sefaarfo 
nnd  TieUaoh  neue  erklärung  des  Bömerbriefii  Yon  Idpeios  in. der 
protestantenbibd  aufmerksam  gemacht)  —  es  Mg^  v.  15—19  *die 
macht  der  sOnde  und  der  gnade*,  dasz  ^Beeer  abschnitt  mit  dem 
vorigen  eng  zasammenhängt,  wird  hervorgehoben,  aber  es  tritt  nieht 
hervor ,  dasz  der  gegensatz :  Adam  und  Christus  aubh  hier  noch 
durchgeht.  —  Endlich  v.  20  und  21  Mas  Verhältnis  dee  geseises 
zur  sttnde  und  zur  gnade',  es  heiszt  da:  'zu  diesen  w^tgeschicbt* 
liehen  mächten  (sttnde  nnd  gnade)  hat  auch  das  gesetz  Mosis  — 
ein  bestimmtes  Verhältnis,  eine  heilsökonomische  relation'  usw. 
würde  die  behandluug  dieser  verse  nicht  gewonnen  haben  durch  w- 
rtickgehen  auf  Paulus  und  seine  juden-christlichen  lehrer,  denen  das 
gesetz  bisher  als  das  eigentlich  epochemachende  erschien?  —  p.  39 


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H.  Warschauer :  Übungsbücher  zum  übersetzen  usw.  337 

—41  werden  ttbrigens  die  ersten  5  capitel  ihrem  gedankengange 
iiach  noch  einmal  in  tibersichtlicher  weise  zusammengefaezt. 

Mag  dies  genügen,  um  eine  anschauung  von  dem  buche  zu 
geben,  das  wir  als  einen  dankenswerthen  beitrag  zur  förderung  des 
hShem  religionsunterriohts  begrüszen  und  damit  allen  fachcollegen 
empfehlen  wollen. 

Bemdsburq.  Beiuihabd  PaM8CH. 


82. 

DB.  H.  WABSOBADBB,  GbUNOSBUOH  ZUM  ObBRBBTZBN  AÜS  DSU 
DBUTSCDBBB  IH  DAS  IiATBIBISCHB  FÜR  QUABTA,  Hl  AB80BLU8B  AN 
DZB,  OEBr1uOHLIOH8TBB  OBAMMATIKBN,  BBS0HDBR8  AN  DIB  YON 
BLLBHDT-SBTSVBBT.    MIT  WÖRTBBTERZEICHNIS.  8.  X  Und  188 

DBSait.  fOb  tbbtia«  XII  und  188     Jenai  K  frommwin,  1876. 

Bei  der  groszen  anzafal  lateinischer  Übungsbücher,  welche  an 
den  verschiedenen  schulen  im  gebrauch  sind,  ist  man  vielfach  und 
gewis  mit  recht  geneigt  neue  derartige  erscheinungen  etwas  mis- 
tnmisch  anzusehen,  zumal  gar  manche  der  neu  erscheinenden  in 
oichis  wesentlichem  von  den  bereits  vorhandenen  sich  unterscheiden 
und  gar  oft  schon  die  rege  gemachten  hoflkrangen  imd  erwartongen 
getSoBcht  8  ind.  und  doch  kann  es  jedem  lefarer  abt  erwttnscht  sein, 
Biohdem  er  eine  reihe  von  jähren  daaeelbe  ülnnigsbBeh  snm  mtlnd- 
Mm  tlbereetzen  mid  vol  exeroHieii  beamtst  hat«  za  mem  andern 
gnüm  zu  kltamen,  dm  üene  sfttet,  nenen  Inhalt,  neue  gruppiening 
Uetot;  dnceh  solchen  Wechsel  allein  kann  ja  anch  der  nnerkuibten 
benntnmg  von  gsneraiion  tu  generation  sich  forterbender  Tersionen 
wulnam  gesteuert  werden,  daher  wird  also  immer  das  erscheinen 
amr  tthnngsbUcher  nicht  nnr  nicht  ttberflflssig  sondern  erwünscht 
und  notwendig  sein,  sofern  sie  «ach  .wirklich  nenes  in  form  oder  in- 
halt,  oder  in  beider  hinsieht  bieten,  solches  nimmt  nun  der  verfiisser 
der  oben  Tcneicfaneien  bttcher  Itlr  sich  -nnd  seine  werkohen  in  an- 
spnuk  nnd  referent  gesteht  dasselbe  und  damit  dieexistensberechti- 
gnng  der  bttcher  Ton  Tomherein  gern  nnd  willig  za.  der  Terfbsser 
hat  nicht  die  absieht,  fabrikmftszig  für  alle  oder  doch  die  meisten 
dassen  des  gymnasinms  ttbangBbtt«äer  zu  liefsm,  er  hat  sich  auf  die 
beiden  dassen  beschrünkt,  wdehe  in  dieser  beziehang  anerkannter- 
nuttsen  die  bedflrftigsten  sind  und  fttr  welche  geeigneten  ttber- 
Bebongsstoff  zu  bjetwi  am  schwierigsten  ist  (vergU  Mensel  zeitschr. 
f.  d.  gymnasialweien  XXVJLU  s.  831  und  837).  die  mfindlichen  über- 
Befczungen  aus  dem  deutschen  ins  lateinische  nnd  die  exeroitien  oder 
Mripta  sollen  sich  in  IV  und  m  anschlieszen  an  die  capitel  der  syn^ 
tax,  welche  in  diesoi  dassen  durchgenommen  werden,  nun  hat  der 
sohlfler,  wenn  er  in  die  quarta  konunt,  in  quinta  meist  nnr  einzelne 
Atze  aus  dem  deutschen  ins  lateinische  ttbersetst,  nur  selten  ganz 
einfiiehe  zusammenhingende  stttckchen.  da  ist  der  sprang  ein  sehr 


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338  .        H.  Wanoliftaflr:  fibnugibücher  zum  übenetzen 

groszor  und  die  arbeit  fttr  ihn  sehr  schwer,  wenn  er  in  IV  von  ao- 
fang  an  und  durchaus  nur  zusammenhängende  übnng^ücke  zu  über- 
setzen hat,  wie  sie  z.  b.  die  aufgabensammlong  von  F.  Schultz 
bietet,  ein  Wechsel  zwischen  einzelnen  sfttzen  and  zusamm^hängen- 
den  stücken  wird  zunächst  diesen  Übergang  eileiehtafii;  dazu  kommt, 
dasz  einzelne  sfttze  fttr  jedes  einzelne  capitel  der  syntn  nicht  bloez 
in  quarta  sondern  auch  noch  in  tertia  dem  lehrer  sehr  erwünscht 
sein  müssen  zu  besserer  nnd  gründlicherer  elnflbnng  der  betr.  regeln, 
da  doch  in  jedem  Mti  ein  beispiel  m  denselben  gegeben  worden 
kann,^  wie  das  bei  nisammenbftigenden  stilekeii  möglich  ist 
(vgl.  die  sehr  rlebtigen  bemerkongen  TerfiMsers  in  der  voneAe 
zam  tortialiefte  s.  IV).  nnd  wiedemm  nnr  oder  doeh  banptsädiKdk 
(wie  z.  b.  Ogtemuam  nnd  Bpiess)  einxelne  sitie  mag  man  doch  meU 
stens  —  nnd  nach  des  referenten  ansieht  mit  recht  -*  einem  qmn^ 
taner  oder  gar  einem  terdaner  nicht  mehr  bieten,  etwas  inbaltroUere, 
auch  sachlich  belehrende  nnd  —  interessante  sadien  müssen  aneb 
für  diesen  zweig  des  nnternohts  gegeben  warden.  demgemSsi  bietet 
der  Tcrf^  weder  nur  einselne  sllse,  noch  nnr  zusammenhängende 
atttcke,  sondern  — *  wie  es  «och  Mensel  a»  a.  o.  s.  897  fordert  —  bti- 
des;  er  gibt  fttr  jedes  capitsl  der  syntaz  erst  eni  ftberseitsnngestück, 
das  ans  einzelnen  unter  sich  nicbi  zinaiiiiaenhiiignnden  sttaen  be- 
steht, sodann  ein  oder  einige  znsamnwmbtegende  atflcke;  jene  wird 
man  besonders  zmn  mündlichen  flbennfxen  behnft  einprägung  der 
frinzfllnen  regeln  bennftsen,  in  der  aohnle  dnrehnehmen  nnd  aben, 
diese  besonders  als  ezerdiia  anfSvligeB  lasium,  aomit  klftHiiB  die 
bücher  als  *ttbnngd>tleher*  nnd  als  *an%abensammlni^en*  zugleich 
dienen. 

In  bezog  anf  die  anordnnng  acbliesafc  sieb  der  verfL  an  die 
Ellendt-Seyfiertsche  gramaiattik  an,  weil  *jenes  lefarboch  in  der  let^ 
ten  seit  ein  nidit  zn  bestreitendes  princ^pat  unter  den  htainiasiiiii 
söhnlgianuDatiken  sich  erworben  hat'  (vorrede  z.  tertlabeft  a.  IIQ; 
die  bücher  werden  aber  andi  bei  anderen  grammatiken  gebrauokt 
werden  künnen.  in  dem  quartahefte  bildet  dem  aaüuig  ein  abschnitt^ 
*  Wiederholung  und  ycrübung'  überschrieben,  welober  snnfidist  dia 
zweck  hat,  die  emprSguig  der  gsbrinchlichsten  sstalbmien  za  e^ 
zielen,  wie  sie  dem  qusrtaner  in  seiner  leetOre  TOikcmmen^  dieser 
abschnitt  entbllt  nur  einzelne  attae.  zn  nlherer  erilnterung  mügea 
hier  die  übersdniften  der  einzeln«  stücke  atebsn:  I  eoninnetioiM 
temporales;  II  participium  coniunctem;  III  abbtmis  absolntns;  PT 
gerundium  nnd  gernndivom ;  V  aocosatiTns  cum  infinitiyojYI  ncmi* 
natiTUs  cnminfinitivo;  Yllut  finale;  ne;  Terba timendi;  Vulutcon- 
seontiyum;  non  dubito  quin;  IX  fragesStae;  Z  das  pronoHasn  per- 
sonale und  possessiTum  der  dritten  person  in  unabhSngigen  und 
abhftngigen  Sätzen.  ~  daran  hat  man  fttr  die  eratcn  woohen  in  der 
quarta  ein  ansreiohendes  pensum  zur  Übersetzung,  welches  anr  he- 
fostignng  und  Ordnung  des  bisher  mehr  gelegentlich  nnd  sporadisek 
schon  eitomten  dienen  kann  und  für  die  in  den  fdganden  stOefcsa 


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aus  dem  deutschen  iu  das  lateiuibclie  für  quarta  uud  tertia.  339 

vorkommenden  satzformen  einen  guten  grund  legt,  sodann  enthält 
dieses  heft  den  nötigen  tibersetzungsstoff  zu  dem  gemeiniglich  der 
quarta  zugewiesenen  teile  der  syntax,  der  lehre  von  der  übereinstim- 
ntnng  der  satztdle  und  von  den  casus,  beispielsweise  sei  der  für  den 
ablatiy  gebotene  stoff  hier  angegeben :  a)  ablativus  causam ;  glorior, 
(con)£ldo,  nitor,  acqniescOf  contineo,  consto ;  contentus  fretus,  20  ein- 
zelne Btttze ,  zusammenhängende  stücke  37/38  'Alexander  rächt  die . 
Bohandtiiat  der  Branchiden*.  h)  ablativus  instrmnenti ;  ablativus  limi- 
iationis,  20  emselne  sätze,  zusammenliiiigende  stücke  39/40  'kennt- 
nisso  ntttea  mAar  als  reichtnm*.  c)  ablatiyus  modi ;  20  einzelne  sätze, 
msammmihängqnd»  ttfloke  41/42  ^Ajax'.  d)  ablatiTos  mensurae;  ab- 
Istivu  ooBpttttikiiiis;  ablativus  pretü,  20  einselne  sfttze,  znsammen- 
hängende  sMoks  43/44  IsokratM*.  e)  verb»  der  irawmg,  20  ein- 
stlne  sfttze,  zusatnauadA^giBttde  siflok»  45/4G  *di6  GalH«r  JiMelilieaMii 
▼on  der  drOokenden  heraohsft  der  BOmer  doh  sn  befreien*,  f)  abundo, 
esreo,  compleo,  orbo  eta;  opus  esse,  20  eisMliie  iftte,  snsattmea- 
klageiide  stüöke  47/48  ^Atalaats  und  H^fKNnsnes'.  g)  dignus  ete.; 
utor,  firnorete.  20  eineehie  sStee»  mwmimenbangendee  etll<^49'eiif 
wslehe  Seminunis  sieb  der  elleinlieisehaft  bemBebiigt  hsA\ 
dsrsnf  folgen ,  wie  bei  jedem  eaeiis,  vier  sasemmsBbIngeBde  stttoke  . 
m  wiederholnngy  'Alenndsr  von  Pherft  wird  auf  anstülsn  seiner 
gattin  ermordef.  —  Den  seUnss  des  heftes  bilden  noch  mehr  als 
vier  Seiten  einselMr  sKtee  nnd  21  snssinmenhlngeiide  MiAe  xor 
wiederholnng  Aber  die  gesenunte  easnslehre. 

In  »hnliBher  weise  bietet  das  ttbvngsbneh  fVür  tertie  sonidttt 
wieder  einen  anslOhriiohen  absehnitfc  rar  wiederbohmg  der  oasna- 
lehze  mit  dnsehlass  der  präposiiionen,  dOrasanunenbSagende  stieke; 
es  gibt  sodenn  flbereetsnngssioff  ra  der  syntaz  des  verbs,  anoh  hier 
der  anordnmig  von  Ellsndt-SsjxffiBrt  feilgend,  imd  bietet  sdiliesilieh 
als  lotsten  absehnitt»  rar  wiedesliolnng  der  gssammt^taK,  34  ra- 
sammüihlagende  stdckie.  aneb  ans  diMem  hefts  sei  es  dem  ref.  ge- 
stattet, den  übersetrangsstoff  ra  einem  eapitsl  anmgeben:  Y  der 
indieativ  nnd  coiyonctiv  in  nebenstttsen  nadi  ein  nnd  derselben  eon« 
jnnetion«  a)  coniunotiones  temponies  (seitsätse),  20  einselne  sfttse» 
wie  bei  jeden  der  folgenden  nummem,  znsammenhSngende  stOeke 
54,  $5,  56 'wer  ist  wnkriuift  wolthltig?'  5)  eoninnotiones  eansales 
(begrOndongssitse),  57|  68, 59  'wodnxoh  Aleiander  versnlasst  worde, 
den  NTslem  die  freiheit  ra  lassen*,  e)  eoainnetionee  eondioionales 
(bedingongssStse)  1)  si,  nisi,  simodo,  dorn,  modo,  dammodo,nednm, 
60,  61,  62,  63  'Xenophon,  wegen  fibermats  angeklagt,  reditfertigt 
sich',  2)  nisi  (ni)  und  si  non;  nisi  qnod,  nisi  forte,  nisi  vero,  64,  65 
'OiffiiB  grttszt  seinen  Titos  aof  das  berslidiste'.  d)  conionotiones 
coieessivae  (einräomende  nebenstttse),  66,  67  'Columbus  entdeckt 
neues  land'.  e)  coniunotiones  comparativae  (vergleichende  nebeop 
B&tze),  68,  69  *  vergleichung  des  menschlichen  lebens  mit  einem 
flösse'.  —  Durch  die  so  überall  durchgefttbrte  teilung  der  einzelnen 
eapitsl  in  versehiedene  kleinere  absebnitte  wird  die  feste  einttbung 


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340  H.  WanduHiffir:  übangfibflclier  com  übeneiMB 


der  einzelnen  regeln  in  mfladUdier  und  sdunfUicker  flbmebimg 
sicher  bewirkt  und  dureh  die  hftnfigen  wiederhohmgsanfgaben  das 
gelernte  immer  fcsk  nenem  befotlagt  dazu  geben  &e  beiden  hefte 
guten  nnd  reieklielieii  stoff  tum  mflndlichen  nnd  ediziiyielia 
Überietien,  fttr  exerdÜA  gewia  anereieheiid  für  mdirere  jalire,  die 
ly.  heft  fitar  S,  das  IIL  heft  fttr  3  jähre,  was  doch  aneli  u&t  wa  hiOi» 
gen  ist» 

Auf  die  answahl  und  gestaltang  des  stoffss  hat  der  yerf.,  wie 
maa  es  allerdings  wol  verlangen  darf,  besonders  grosse  Sorgfalt  w 
wendet,  die  oben  mitgeteilten  flbersehriften  der  «isammmihingen 
den  sttteke  je  einee  abschnittes  der  beiden  hefte  werden  eine  hin* 
reiehende  TorsteUnng  geben,  Ton  weleher  art  dieselben  dordh*^ 
ganzen  bttdier  sind,  übersetsangen  ans  lateinisdien  antoren  hat  der 
Terf.  absiehtlioh  aoegesdhlossen  mit  bemfimg  airf  das  eompetentB 
urteil  C.  y.  Jans  (seitsohr«  f.  das  gymnasialwesen  UYii  s.  537  ft), 
dessen  winken  und  lordemngen  der  verf.  ttberhaupt  TielfiMh  gefolgt 
ist;  auch  sind  es  ja  nicht  aussehlieszlibh  oder  auch  nur  hanptsl^ 
lieh  der  alten  gesduchte  entnommene  stoff»,  man  findet  Tiebsdir, 
und  besonders  natOrlidi  in  dem  buche  fttr  m,  alle  genres  der  Uber- 
Setzung  Yertreten,  wie  sie  in  n  und  I  vorgelegt  werden,  naftar- 
geschiditliche  uMb  und  Ueine  abhandlungen,  briefo,  reden,  ge- 
schichten  aus  alter  und  neuer  seit,  dabei  braudit  kaum  nodi  herrcr- 
gehoben  zu  werden,  dass  denstolEnidit  etwa  anderen tt,bung8btichem 
ein&di  entnommen  ist,  sondern  finei  und  selbetSndig  vom  verf.  zs- 
sammengetrsgen  und  verarbeitet,  so  dass  die  betr.  regeln,  zu  wdchen 
die  stttdce  gegeben  sind,  immer  hiufig  darin  vorkommen;  m  den 
wiederholungsstticken  finden  sich  immer  alle  betr.  regeln  vieUaeh 
und  im  bunten  gemisch  aagebradit.  die  ansdrucksweise  hat  der 
verf.  dem  standpunct  des  schfQers  angepasst;  die  spräche  ist  weder 
zu  kindlich  und  ein&di,  nodi  audi  zu  schwerftllig  oder  gar  unve^ 
stBndliohi  was  man  ja  an  mancHen  anderen  derartigen  bttdum  zu 
tadeln  hat;  proben  deutschen  stUs  wird  freilich  kein  verstlndigar  in 
einem  solchen  tlbungsbuche  suchen. 

Der  verf.  ist  bestrebt  gewesen,  die  sdifller  in  den  mittleren 
dessen  gehörig  für  die  oberen  vorzubereiten,  ihren  verstand  zn 
BchSrfen  und  sie  in  den  stand  zu  setzen,  ohne  immerfort  desdeutseh- 
lateinische  lexicon  zu  benutzen ,  in  den  oberen  dessen  ihre  exerdtia 
und  lateinischen  anfisfttee  anzufertigen,  dieser  zweck  wird  nach  des 
ref.  meinnng  durch  sorgföltige  benutzung  dieser  bücber  gewis  er- 
reicht werden  k5nnen.  freilich  hat  der  schttler  an  der  bewältigmig 
des  Stoffes  zu  arbeiten,  da  der  verf.  es  ihm  nicht  leicht  macht;  es 
ist  absichtlich  vermieden ,  dem  schttler  'überall  krücken  zu  bieten', 
es  wird  vielmehr  immerfort  an  seine  denkkraft  appelliert,  ohne  doch 
zu  viel  ihm  aofruerlegen.  auch  der  lehrer  wird  bei  der  benutzosg 
dieser  bücher  zu  arbeiten  haben,  aber  das  ist  gewis  kein  nachteil  für 
die  Schüler  und  kein  fehler  dieser  bttdier.  —  von  wesentlicher  be- 
deutnng  ist  das  gttnzliche  fehlen  von  erUftrenden  bemerknngen  nnd 


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aoB  dem  deutsoben  in  das  UieiiiisGbe  für  qnarta  und  tertia.  341 

lunweianagen  imd  besonders  yob  vocabelii  unter  dem  texte;  den 
nötigen  Wortschatz  findet  der  scbüler  indem  wOrterverseiehnis, 
welches  zu  jedem  hefte  besonders  gearbeitet  nnd  diesem  beigegeben 
ist;  nad  wo  sonst  noch  bemerknngen  dem  verf.  nOtig ersäiienen, 
8in4  dieselben  hinter  dem  texte  gegeben ,  aber  nnr  sehr  wenige ,  71 
in  dem  quartahefte«  100  in  dem  tSa  Hl,  phxasen,  sjntaetisehe  nnd 
stilistisehe  andeatu^gen  in  knaiypster  form,  aber  meist  Yerstibidlieh 
genug,  enthaltend,  das  wörterVerseichniB,  welehes  iBr  lY  Tiel  ans 
der  Phraseologie  des  Kepos  nnd  Ittr  m  besonders  viel  material  ans 
Caesar  enthalt,  gibt  nicht  alle  in  den  betr.  heften  yorkommenden 
wOrier,  der  yerf»  yerlangt  mit  recht,  dasz  der  schtller  nach  IV  schon 
dnen  yocabelschats  mitbringe  nnd  diesen  in  yerwerten  suche,  nnd 
in  dem  für  III  bestimmten  wird  wieder  yieles  nicht  alles  — 
roranegesetst  yon  dem,  was  in  dem  qnartahefte  sieh  findet,  indem 
so  nadi  des  verfl  absidit  das  ttbersetsen  ans  dem  deutschen  ms  latei- 
nisdie  mit  der  lectOre  gewissermassen  band  in  band  geht  nnd  das 
Yocabolar  gerade  die  wOrter  enthSlt,  mit  welchen  der  sdilller  in  den 
betr.  beiden  dessen  und  nachher  auch  in  II  und  I  am  meisten  zu 
operieren  hat,  wird  die  wflnschenswerte  genauere  einprflgung  dieser 
wOrter  durdi  ihr  hftufiges  yorkommen  im  lateinischen  und  deutschen 
flbersetsungsstoff  gewis  besser  und  grttndlidier  erreicht  werden,  als 
es  durch  systematisohe  yocabularien  geschehen  kann.  —  jene  anord- 
nung  aber  hat  den  grossen  yorteil,  dasz  der  scbüler  beim  mtlndlicben 
übersetsen  nidit  die  äugen  zwischen  dem  texte  und  'der  unterweit 
der  noten'  bin-  und  herschweifen  lassen  kann,  was  ihn  in  verwirrang 
bringt  und  in  steter  unrahe  hält,  was  auch,  wie  der  yer£  mit  recht 
bemerkt,  *den  lebendigen  yerkehr  zwischen  lehrer  und  schtller 
henmit'  (vergl.  Meusel  a.  a.  o.  s.  833).  und  hat  man,  wie  das  doch 
oft  geschehen  wird,  für  die  mündliche  Übersetzung  d&e  priparation 
auf  ein  oder  mehrere  stücke  aufgegeben,  so  wird,  wo  diese  büdier 
eingeführt  sind ,  der  schüler  sich  auch  wirklich  präparieren  müssen; 
er  kann  sich  nicht  auf  das  verlassen,  was  'unten'  steht,  alle  seine 
hilfe  findet  er  *hinten%  und  da  musser  zu  hause  nachgesehen  haben.  ^ 
—  £8  wird  nach  dem  gesagten  kaum  noch  der  bemerkung  bedürfen, 
dasz  auf  eine  grammatik  an  keiner  stelle  des  buches  verwiesen  wird. 

So  empfehlen  sich  nach  des  ref.  meinung  diese  bücher  sehr  zur 
einführung  und  zum  gebrauch  auf  unseren  gymnasien,  mehr  als  viele 
andere  Übungsbücher  und  au^bensammlungen ;  der  schüler  wird 
aus  ihnen  etwas  tüchtiges  lernen  und  durch  sie  gehörig  für  die  obe- 
ren dassen  vorbereitet  werden  und  ihr  Inhalt  wird  weder  lehrem 
noch  Schülern  langeweile  und  überdrusz  erregen. 

Selbstverstttndlich  finden  sich  einzelheiten,  gegen  welche  man 
«nsstellungen  und  einwendungen  erheben  mag,  und  auch  ref.  will 

^  man  vergl.  auch  die  richtigen  bemerkungen  über  die  'noten- 
Stilistik'  in  der  überhaapt  an  trefiflichen  aasführangen  reichen  und  sehr 
gediegenen  schrift  von  J.  Bothfaehs:  'syntazis  ornata,  extemporieren, 
-eonstrnieren,  praeparieren^  Harburg  1875,  a.  14  ff.  s.  28. 


442  *         H.  Wanehaner:  fibnugibficber  mm  übenetiett 

dflnrtiges  nun  folgen  lassen,  einiges  davon  beruht  ja  auf  subjecti- 
vcm  urteil ,  anderes  aber  wird  hoffentlieh  auch  der  verf.  bei  silier 
neuen  aufläge  der  bertlckaiohtigung  fttr  wert  halten. 

Zunächst  ist  in  besQg  amf  die  Schreibung  der  griechischen  und 
römischen  eigennamen  gröszere  g^siehiattszigkeit  sa  empfehlen;  der 
▼sir£  schreibt  die  grieolüseheii  Ortsnamen  meist  auf  cSf  Sestos«  lol- 
kos  etc. ,  aber  Epidauru^  m  s.  51 ,  die  griechischen  personennamea 
teils  auf  os^  Lasos,  Ischilaos,  teils  «af  uSy  Patroklus,  Klitus,  Cadmas; 
IV  8.  83 :  'Ptolemäu^  des  Lagof  söhn',  gar  vielfach  schwankt  in 
griechischen  und  römischen  namen  k  und  c:  Calydon,  Carthsgo« 
Colchis,  Corsica,  Cadmus,  Cato,  neben  Elnpea,  Kroton,  Krassus, 
Elitus,  Elazomenä;  Africa  neben  .EAnomns;  III  s.  d  steht  ^kaiser 
Klaudiuä\  s.  44  ^Appius  CIoimUiis'.  —  In  dem  wfirtenrerzeichnis  fttr 
IV  £ahlt  die  weitaus  gröszere  menge  der  eigeimamen,  nicht  blosz 
solche,  imsm  form  im  deutschen  und  lateinischen  gleich  ist  und  dsrai 
genitiY  Tom  schtüer  richtig  gebildet  werden  kann,  sondern  auch 
solche,  welche  im  dentsoben  in  anderer  form  erscheinen  als  im  latei- 
nischen, oder  über  deren  dedination  die  schttler  auf  dieser  stufe  noch 
unsicher  sind  und  bei  denen  sie  eE&hrungsgemSsz  viel  fehlen,  der 
verf.  scheint  in  dieser  beziehung  dem  schüler  doch  wol  etwas  zu  viel 
zuzumuten  und  ist  dabei  nicht  consequent.  so  fehlen  z.  b.  Ovid,  Ae- 
sop  (doch  Admet .  .  .  Admetus),  Alexander,  Ceres,  Oedipus,  Ver- 
cingetorix,  Orgetorix  (doch  Dumnoriz  angegeben),  Horaz^  Terenz, 
Salamis^  Colchis  (doch  Osiris,  Tyndaris),  Bubicon,  Agamemnon, 
Xenophon,  Ki*eon,  Calydon  (doch  lason,  Laocoon),  Messenier, 
Sidonier,  Saguntiner, Uneller (doch  Sicyonier,Arverner,Agri- 
gentiner,  Vej enter  sind  angegeben),  Neapel,  Venedig  (letzteres 
findet  sich  dagegen  im  Wörterverzeichnis  für  III)  usw.  in  dem  für 
III  sind  fast  gar  keine  eigennamen  mehr  angegeben,  der  verf.  setzt 
sie  nun  als  bekannt  voraus;  da  hätten  aber  auch  Britannia  und 
Mediolanum  fehlen  sollen,  zumal  sie  sich  schon  in  dem  wörter- 
verz.  für  IV  finden,  dem  referenten  würde  es  richtiger  erscheinen^ 
wenn  in  dem  buche  für  IV  alle  vorkommenden  eigennamen  mit 
hinzufügung  der  genitivendung  in  einem  besonderen  Verzeichnis 
gegeben  würden,  nach  art  von  P.  Schultz  oder  R.  Möller,  in  dem  fiii' 
III  müsten  dann  ebenso  alle  in  IV  nicht  vorgekommenen  in  dersel- 
ben weise  aufgeführt  werden. 

Vermiszt  hat  ref.  und  notiert  deshalb  hier  als  fehlend  (mit  weg- 
lassung des  schon  von  anderen  recensenten  angeführten')  im  wörter- 
verz.  für  IV:  wieder  aufblühen  (s.  3),  vorschnell  (s.  3),  oheim  (s.  10), 
von  Silber  (s.  17),  nicht  verdienen  (s.  19),  untergeschoben  (s.  24), 
auf  seinen  betrieb  (s.  42;  unter  ^betreiben'  ist  studcre  gegeben, 
was  aber  an  der  stelle  nicht  passt),  entwaffnen  (s.  47),  patriot  s. 
98).  noch  viele  andere  Wörter  stehen  nicht  da,  aber  diese  wird  man 
nach  des  ref.  ansieht  am  wenigsten  bei  einem  quartaner  voraussetzen 

^  z.  b.  Jenaer  litteratnneitmur  1876  nr.  40.  pftdagog.  afehiv  187i 

8.  Ö93  f. 


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aas  dem  deutflchen  in  das  lateiniache  für  qiuurta  und  tertia.  343 

dürfen,  und  der  verf.  wird  dem  um  so  weniger  widersprechen  kön- 
nen, als  mehrere  der  angegebenen  worte  (oheim,  vorschnell,  nicht 
verdienen,  patriot)  im  wörterverz.  für  III  angegeben  sind,  in  diesem 
fehlen  noch  ausdrücke  für  'der  ämter  entsetzen'  (s.  30;  unter  'ab- 
setzen' steht  nur  removei'e)^  'münzen  prögen'  s.  35,  Verhältnis'  s.  52. 

In  dem  Übungsbuche  für  lY  ist  die  zu  dem  satze  'welches  die 
gesinnung  derselben  gegen  das  Vaterland  wäre'  (s.  1)  gegebene  be- 
merkung:  'welches  bezieht  sich  auf  gesinnung'  für  einen  angehenden 
quartaner  nicht  verständlich  genug ;  derselbe  kann  daraus  nicht  ent- 
nehmen ,  dasz  das  pronomen  im  genus  mit  dem  Substantiv  überein- 
stimmen musz.   ebenso  ist  es  für  einen  angehenden  quartaner  nicht 
genügend,  wenn  zur  Übersetzung  von  'allzuviel  arbeiten*  (s.  4)  das 
wörterverz.  nur  bietet  'allzuviel  nimis*  ]  dasz  dabei  der  genit.  partit. 
stehen  soll,  muste  hinzugefügt  werden,  irre  führen  kann  den  quar- 
taner die  bemerkung  18  inquit  zu  'sprach  man' ;  besser  wäre  inquam 
zu  setzen.  —  Unter  'niederlegen'  findet  sich  für  IV  nur  dqyonerey 
für  'er  legte  die  dictatur  nieder'  (s.  1)  wird  unter  'dictatur'  auch 
noch  ahdicare  gegeben ,  aber  die  construction  dieses  verbs  ist  nicht 
hinzugefügt ;  ebenso  fehlt  die  construction  von  cetiloreni  facere  unter 
'benachrichtigen',  überhaupt  findet  sich  bei  vielen  verben,  deren 
construction  im  lateinischen  vom  deutschen  abweicht,  diese  nicht 
angegeben,  besonders  im  tertiahefte,   der  tortianer  mag  sich  ja  rath 
holen  können  in  einem  lateinisch -deutschen  lexicon;  aber  der  quar- 
taner? —  Für  'in  die  flucht  schlagen'  wird  nur  geboten  fugare^  in 
fugm  coniicere]  weshalb  nicht  auch  dare  und  converterc?  auch  f lin- 
dere in  diesem  sinne  und  fmidcre  atque  fugare  für  'völlig  besiegen* 
neben  deuincere^  welches  der  verf.  allein  bietet,  musz  der  schüler, 
wenigstens  doch  in  III,  lernen,  während  unter  'macht'  angegeben 
sind  (IV)  potestaSy  opes,  facultaies,  steht  unter  'brechen* :  'macht  opes, 
vires\  unter  'verderben*  enthält  das  wörterverz.  für  IV  '=  zu  schän- 
den werden  perire']  daraus  kann  der  quartaner  nicht  entnehmen, 
wie  er  übersetzen  soll  'dasz  alle  feldfrüchte  verderben  werden*.  — 
rV^  8.  124  steht  lautuwiac,  III  s.  178  richtig  lautuwiiae;  andere 
druckfehler  sind  IV  s.  13  peneiw^usz,  IV  s.  22  Megarder  (s.  118 
richtig  Megarcer),  III  s.  151  bem.  32  praetero.    die  bezeichnung 
ftnperat.  futur,  III  s.  161  bem.  16  ist  wenig  üblich,  auch  nicht  in 
Ellendt-Seyfferts  grammatik.   endlich  mag  noch  als  äuszerlichkeit 
moniert  werden,  dasz  im  Wörterverzeichnis  für  III  alle  mit  /  an- 
Isotenden  Wörter  in  einem  artikel  verzeichnet  sind,  während  das 
wörterverz.  für  IV  sie  nach  Jvocal  und  Jconsonant  sondert,  ist 
diese  ungleichmäszigkeit  beabsichtigt? 

Doch  diese  und  andere  derartige  mängel  beeinträchtigen  die 
brauchbarkeit  der  bücher  wenig  oder  gar  nicht,  die  äuszere  aus- 
stattung  derselben  ist  angemessen,  der  druck  gut  und  correct,  der 
preis  billig,  so  dasz  auch  in  dieser  hinsieht  die  bücher  sich  zur  ein- 
flUming  sehr  empfehlen. 

Batzeburo.  Wilbhlm  Yollbrecht. 


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344    G.  Stier;  Material  fttr  den  mittelhochdeatecheD  Unterricht 

SS. 

8TIBB,  a.,  DIB.  DX8  BBRSOOL.  FBAH0I80B1IM8  VSD  DBB  pIdAOO- 
GIOMB  SU  2BBBBT,  KATBBIAL  FÜB  DBB  XITTBLHOOBDBUTSOBBK 
UNTBBBIOBT  AUF  HÖHBBBB  LBBBAB8TALTBM.  BBTHALTBBD:  6E- 
8OHI0BTUOH-OBOORÄPHI80HB  BINIAITUBa,  FOBMBBLBHBB ,  WÖR- 
TERBUCH,    ANHANG    ÜBER    NBUHOCHOEUTSCHE  ORTHOQBAPBH. 

▼ierto  anfl.  Ldpng,  B.  G.  Teubner.  1877.  8.  YiU,  100  a. 

Wenn  es  im  allgemeinen  als  überflüssig  erscheinen  kann,  neue 
auflagen  bereits  früher  bewährter  und  in  mehreren  Wiederholungen 
erschienener  bücher  einer  besprechung  zu  unterziehen ,  so  ist  dieser 
grundsatz  für  das  oben  angezeigte  werk  keineswegs  zutreffend,  ein- 
mal ist  dasselbe,  nachdem  es  bereits  in  der  3n  aufl.  aus  anderm  ye^ 
läge  in  den  besitz  der  B.G.  Teubnerschen  Verlagsbuchhandlung  über- 
gegangen war,  nunmehr  seit  einem  jähre  auch  in  der  der  genannten 
officin  eigentümlichen  soliden  und  eleganten  ausstattung  erschienen; 
und  sodann,  was  die  hauptsache  ist,  es  ist  in  der  that  ein  teilweise 
anderes  geworden,  referent,  welcher  die  4e  aufl.  seit  ihrem  erschei- 
nen beim  Unterricht  in  der  secunda  des  hiesigen  gymnasiums  benutzt 
hat,  kann  versichern,  dasz  dieselbe,  ohne  die  Vorzüge  der  früheren 
auflagen  aufzugeben,  sich  durch  mancherlei  änderungen,  selten  ktir- 
zung,  häufiger  Vermehrung  des  Stoffes  aus  einer  zum  studium  des 
altdeutschen  mehr  anregenden  als  anleitenden  skizze  zu  einem  für 
Unterrichtszwecke  vollständig  ausreichenden  leitfaden  ergänzt  bat. 

Zu  den  Vorzügen  der  früheren  bearbeitungen  rechnet  referent 
namentlich  zweierlei:  einmal  die  mit  sicherem  tact  getroffene  aus- 
wahl  und  sichtung  des  Stoffes,  wobei  die  neue  aufl.  durch  verschie- 
dene erweiterungen  (so  in  der  lehre  von  der  lautverschiebung,  der 
flexion  des  schw.  verbums,  der  unregelmäszigen  comparation,  dem 
Bnmenile  u.  a.)  manche  lücke  ergänzt,  in  anderen  fällen  eine  prä- 
cisere  fassung  des  schon  frtther  gebotenen  herbeigef&hrt  hat.  viel- 
leicht hätte  dabei  hier  und  da  noch  mehr  geschehen  können,  um, 
ohne  den  lemstoff  eigentlich  zu  vermehren,  dem  lernenden  dieses 
oder  jenes  sprachliche  gesetz  noch  mehr  zn  verdeutlichen,  so  hätte 
ref.  gewünscht,  bei  der  IsatTersehiebung  auch  die  behandlung  der 
labialen  und  gnttnralen  in  derselben  weise  wie  die  allerdings  r^^ 
mftszigere  fenchiebnng  der  dentalen  durch  beispiele  illustriert  n 
sehen,  n&d  die  der  letstmn  am  liebsten  mit  gesonderter  berOeksü^ 
tigung  der  stellimg  das  wwHmmisa^  ob  im  an-,  in-  oder  anslant 
«nch  bei  der  l^bre  vom  mnbnt  nad  der  hvechnng  würde  das  bei- 
bringen je  eines  beispiels  fttr  jeden  nmlaatenden  oder  gebrocihMMB 
Yoeal  (es  fehlen  belege  fttr  ^  0,  fi  —  iu ,  ou  —  On,  no  —  tle;  in 
—  ie)  erwünscht  gewesen  seiiu  ein  etwa  ergänzendes  dietat  des  leh- 
rers  ¥rird  leieht  misTerstaaden, 

Die  zweite  eigentttmlichkeit  des  Stiersc^eii.^materials',  die  ref- 
in  dieser  weise  in  keinem  Ähnlichen  leitfbdm  gefünden  zu  haben  sid 
erinnert,  besteht  darin,  dasz  zwischen  der  dem  adilller  fremden 


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H.  Stier:  material  für  den  mittelliochdeutscbeu  Unterricht  345 

mittelhoclideutscben  und  der  ihm  geläufigen  neuhochdeutschen  sprach- 
stufe durch  berücksichtigung  von  Spracherscheinungen  aus  den  da- 
zwischenliegenden Jahrhunderten  gewissermaszen  eine  brücke  des 
Terständnisses  gebaut  wird,    das  aus  der  i.  g.  sehr  conservativ 
überlieferten  bibelsprache  dem  schüler  vertraute  idiom  Luthers ,  die 
vielfach  altertümlichen  Wendungen  des  kircbenliedes,  ebenso  die  bei 
neueren  dichtem,  namentlich  Uhland,  vorkommenden  und  besonders 
im  reim  erhaltenen  Archaismen,  endlich  so  mancher  nicht  immer 
beachtete  ältere   ausdruck  unserer  modernen  spräche,  der  durch 
formelhaften  gebrauch  oder  durch  frühzeitige  fixierung  in  zu- 
sammengesetzten Worten  sein  dasein  gefristet  hat,  dienen  als 
willkommene  mittel,  dem  lernenden  den  geschichtlichen  Zusammen- 
hang zwischen  altem  und  neuem  zu  zeigen  und  manche  wortbilder 
und  Wortbedeutungen,  die  ihm  im  mittelhochdeutschen  auf  den 
ersten  blick  fremdartig  entgegentreten ,  als  etwas  bekanntes ,  wenn 
auch  nur  geahntes,  erscheinen  zu  lassen,  auch  das  englische  wird  in 
dieser  weise  mannigfach  verwertet,  wobei  freilich,  wie  die  Sachen 
einmal  stehen,  zu  fürchten  ist,  dasz  dieses  analogen  nur  einem  gerin- 
gen bruchteil  der  schüler,  etwa  den  realschttlem,  zu  gute  kommen 
wird.  —  Auch  diese  seite  des  leitfadens,  auf  die  ref.  als  ein  vorzüg- 
liches mittel,  ein  reges  interesse  für  die  sache  hervorzurufen  —  nach 
Herbart  das  erste  didaktische  erfordernis  —  ein  ganz  besonderes 
gewicht  legt,  hat  in  der  neuen  aufläge  eine  wiederholte  prüfung, 
resp,  Verbesserung  und  ergänzung  erfahren. 

Hochwillkommen  wird  es  lehrenden  wie  lernenden  sein,  dasz 
der  nie  teil  der  3n.  aufläge,  welcher  eine  auswahl  von  lexikalisch 
besonders  bemerkenswerten  mittelhochdeutschen  Worten  enthielt, 
namentlich  solchen,  die  seit  jener  periode  ihre  bedeutung  gewechselt 
haben,  nunmehr  zu  einem  vollständigen  Wörterbuch  für  das  nibe- 
iangenlied  und  Walther  erweitert  ist.  zwar  bieten  die  meisten  mittel- 
hochdeutschen Chrestomathien,  deren  eine  ja  dem  altdeutschen  Unter- 
richt zu  gründe  gelegt  zu  werden  pflegt,  ein  leidliches  glossar;  indes 
ist  es  wünschenswert,  dasz  der  schüler  zu  einer  vollständigen 
textausgabe  jener  beiden  classischen  werke  ein  ausreichendes  lexika- 
lisches hilfsmittel  in  bänden  hat,  schon  um  etwaiger  privatlectüre 
willen,  und  sodann  bietet  des  verf.  Wörterbuch  eine  selbständige, 
stels  zuverlässige  arbeit,  die  in  maszv oller  weise  zugleich  etymolo- 
g-isch- linguistisches  material  beibringt,  gewünscht  hätte  ref.,  dasz 
TTorte,  welche  unverändert  in  das  neuhochdeutsche  übergegangen 
sind,  wenigstens  dann  mit  aufgenommen  wären,  wenn  sie  ihre  flexion 
verändert  haben,  z.  b.  helt  (stm.)  u.  dgl.  —  Der  ^anhangüber  Ortho- 
graphie' hat  eine  durch  die  Berliner  conferenz  gebotene  Umgestal- 
tung erfahren,  deren  regeln  zum  teil  auch  auf  die  Schreibung  des 
bacbes  selbst  von  einflusz  waren,    da  indes  die  betreffenden  ver- 
bandlungen  während  der  drucklegung  nur  erst  ungenügend  bekannt 
geworden  waren  (s.  vorrede  s.  VII),  so  war  hier  eine  Vollständigkeit 
zu  erreichen  nicht  möglich. 

N. Jahrb.  f.  phil.  a.  päd.  II.  abt.  1878.  hfU  7.  88 


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846  Yainluigeii:  eyitem.  Tendchnlt  Ton  programmabliaBdlimgen  uiw. 

Die  aassiattong  des  bvcbes  ist  eise  yorzügliche,  der  dmok 
anssercnrdeiiflieli  comct  an  dnidkfeUem  sind  dem  usf.  ansier  doi 
beiden  in  der  Torrede  namhaft  gemaehten  fdgende  aufgestoswn: 
8«  19  8. 13  T.  Q.  ist  zn  lesen  os  statt  As,  s.  35  s.  6  n.  praet»  statt 
pxaes.,  im  wdrterbnolie  s.  60,  6,  s.  1  t.  o.  stf.  statt  swfL  Fem« 
hfttte  im  wOrterbnohe  s*  77  aufgenommen  werden  sollen  ioerkme  nd 
s*  57  nnter  *hexse  swn.'  erwihnt  werden  sollen,  dass  einaelne  cssss 
des  wortee  anch  stark  gebildet  encbeinen,  s.  b.  se  berse  Nib.  1174^  3. 

Zbbbst.  H.  ZuRBoae* 


34. 

SYSTEMATISCHES  VERZEICHNIS  DER  AUF  DIE  NEUEREN  SPRACHE», 
HAUPTSÄCHLICH  DIE  FRANZÖSISCHE  UND  ENGLISCHE,  SOWIE  DIE 
SPRACHWISSENSCHAFT  ÜBERHAUPT  BEZÜGLICHEN  PROGRAMM- 
ABHANDLUNGEN, DISSERTATIONEN  UND  HABILITATIONSSCHRIFTEN. 
NEBST  EINER  EINLEITUNG.  VON  HERMANN  VARNHA  GEN.  AK- 
HANG  ZUR  ENCYCLOPÄDIE  DES  PHILOLOGISCHEN  STUDIUMS  DER 
NEUEREN  SPRACHEN,    HAUPTSÄCHLICH  DER  FRANZÖSISCHEN  UND 

ENGLISCHEN  VON  B.  SCHMITZ,  gr.  8.  XYIII  Und  100  8.  Leipzig 
1877.  C.  A.  Kochfi  verlagBliandlung. 

Während  fttr  die  alte  pbilologie  schon  seit  geraumer  seit  in  den 
betreffenden  werken  W.  Engelmanns  und  C.  H.  Hemnanns  die  oft 
sdiwer  sn  erlangenden  sehnlprogramme,  dissertationennnd  Ihnlielw 
Schriften  an&ahme  geftanden  beben,  fehlte  ein  yeneicfanis  der  auf 
die  neueren  sprachen  besflgliöhen  sehriften  so  gut  wie  gans,  da  in 
der  bekannten  encyidopttdie  Ton  prof .  Schmita  nur  die  akadoniscfaen 
Programme,  dissertationen  ond  habilitationsschrifiMi  einen  plaia  ge- 
fanden habem  es  lag  somit  der  gedenke  nahSt  ein  mOgUchst  v^- 
stibidiges  yerseiehnis  aller  programmabbaadlmigen  anch  fttr  die 
neneren  sprachen  abzufassen,  dr.  H.  Yamhsgen  hai  sich  dieser  eben 
so  m11he?ollen  als  dankenswerten  arbeit  nntersogen  und  swar  so, 
dasz  seine  arbeit  einen  anhang  zu  dem  ebengenannten  werke  von  B. 
Schmitz  bildet,  in  einer  vierzehn  seiten  fttllenden  einleitung  gibt 
nns  der  Verfasser  einen  gehmgenen  abrisz  der  geschickte  des  Pro- 
gramms und  der  dissertation  sowie  eine  systematiscbe  flbersidit  der 
bibliographie  der  programmlitteratur.  letztere  scheint  nahezu  voll- 
stündig  verzeichnet  sn  sein;  referent  yermisst  nm*  auf  s.  XIV  den 
Zusatz  9  dasz  die  österreichischen  programme  von  1872/3  durch 
H.  Ficker,  die  von  1873/4  durch  J.  Gutscher  in  der  Zeitschrift  fttr 
die  österreichischen  gymnasienXXy  (1874)  s.  375—390 resp.  XIVI 
(1875)  s.  795 — 802  zusanmiengestel»  worden  sind,  ond  dasz  neuere 
dings  die  österreichische  regierang  selbst  fttr  die  veröffantlichiuig 
der  im  kaiserreicbe  erschienenen  programme  sorge  trSgt:  vgl.  Ö8t6c<- 
reichisches  Verordnungsblatt  1876  stttck  YHL  —  Die  anordnoag^ 


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Yambagen:  System.  Terzeichnis  von  programmabhandlungeu  usw.  347 

stoifes  war  dem  ref.  in  den  grundztigen  durch  die  encyclopädie  vor- 
gezeichnet,  wenngleich  er  auch  im  einzelnen  hie  und  da  davon  ab- 
gewichen ist.  für  einen  glücklichen  gedanken  halten  wir  es,  dasz 
aach  die  litteratnr  der  übrigen  in  der  encyclopädie  nicht  behandelten 
sprachen  verzeichnet  wird,  die  titel  der  abhandlungen  sind ,  soweit 
referent  nachgeprüft  hat ,  meist  genau  und  vollständig  bis  auf  die 
seiienzahl  wiedergegeben,  dasz  einzelne  versehen  untergelaufen  sind, 
wer  wollte  das  dem  Verfasser  zu  hoch  anrechnen !  so  lesen  wir  s.  6 : 
Penka,  Carl,  ein  beitrag  zur  vergleichenden  casuslehre.  Wien?  1874. 
das  fragezeichen  nicht  nur  —  die  abhandlung  wurde  ausgegeben  als 
Programm  des  real-  und  obergymnasiums  im  9n  bezirk  — ,  sondern 
der  ganze  ütel  wird  bei  einer  neuen  aufläge  zu  tilgen  sein ,  denn  er 
lautet  *über  die  entstehung  der  synkretischen  casus  im  lateinischen, 
griechischen  und  deutschen,  ein  beitrag  zur  vergleichenden  casus- 
lehre\  s.  10  (Kaufmann,  semitische  bestandtteile  cett.)  war  DiZlin- 
gen  zu  schreiben,  s.  11  ist  Windischs  schrift  über  die  relativprono- 
mixia  nicht  dissertation^  sondern  habilitationsschrift,  s.  13  A.  ?on 
Qnerickes  diasertation  de  linguae  vulgaris  reliquiis  apud  Petroninm 
nicht  eine  solche  Yon  Leipzig,  sondern  von  Königsberg,  s.  26  ist  bei 
*Krtlg«niiaan,  welche  Veränderungen  er£Eduren  die  lütesten  lateini- 
schen  huchstaben  im  französischen'  das  wort  'ältesten'  zn  tilgen, 
eine  ttbersetsnng  von  Oomeilles  Cid  verfaszte  Franito  nidit  Frandto. 
Dnbois  vergleichung  der  Iphigenien  des  Euripides  ond  Racine  ist 
1869  nicht  1670  erschienen.  Bonterwek  nicht  Bonterwedt  —  so 
wiederholt  s.  69  nnd  60  —  lautet  dar  aame  des  Terstorbenen  direc- 
ioxB  des  gymnasiums  zu  Elberfeld.  YittorioAIfieris  Ägide  ftbersetiie 
A.  S^taoasU  nicht  Sdhmidl^  (s.  77). 

Doch  das  sind  kleinigkeiten,  TerBefaeiiy  die  in  einem  werke,  wie 
es  das  yorliegende  ist,  fast  unausbleiblich  sind*  für  eine  neue  auf- 
läge dürfte  es  sich  gewis  empfehlen,  bd  sdbriflen,  die  spftter  in  er^ 
Weiterter  gestalt  dem  buchhsndel  übergeben  oder  in  einer  Zeitschrift 
yerüffantlicht  worden  sind,  dies  ausdrücklich  anzugeben;  leider  scheint 
dies  nur  zweimal  bei  Löwe  (s.  57)  und  Callenberg  (s.  60)  geschehen 
zu  sein,  sind  doch  sMisduiften  oder  im  buchhandel  befindliche 
Schriften  im  allgemeinen  bei  weitem  zugänglicher  als  schulschriften 
und  dissertationen.  so  sind  beispielsweise  Wilhelms  programm  de 
infinitiYi  vi  et  natura  (s.  6)  zu  einem  stattlichen  budie  erweitert, 
Autenrieths  syntazis  comparatiTae  partionla  terminus  in  quem  (s.  7) 
über  das  doppelte  yermehrt,  Baithels  dissertation  (s.  37)  über  den 
gebrauch  und  die  begriffliche  entwicklang  der  altfranzüsisdien  prae- 
positionen  unter  etwas  yeründertem  titel  76  selten  stark  dem  handel 
llbergeben  worden.  Windischs  Untersuchungen  über  den  ursprong  des 
xelativpronomens  in  den  indogermanischen  sprachen  (s.  11)  sind  nur 
ein  brnditeil  einer  grOsnren  in  Curtius  Studien  zur  griechischen  und 
lateinischen  grammatik  II  (1669)  s.  303 — 241  erschienenen  abhand- 
lung. allerctiugs  ist  Wackemagels  programm  über  die  dramatische 
poesie  (s.  19)  in  seinen  klemen  Schriften  nicht  wiedergedmckt,  wol 

28* 


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348  Wünsche  eines  bibliothekan. 

aber  Th.  Meyers  längst  vergriffene,  treffliche  programme  Uber  Eari- 
pides,  Racine  und  Goethe  in  den  unlängst  von  E.  Frohwein  herauK- 
gegebenen  Studien  (Gera  1874  s.  215 — 412). 

Dasz  eine  absolute  Vollständigkeit  in  aufzeichnung  von  Schriften 
dieser  art  geradezu  unmöglich  ist,  weisz  jeder^  der  sich  in  ähnlichen 
Zusammenstellungen  versucht  hat.  indes  müssen  wir  es  dankbar  an- 
erkennen, dasz  Vamhagen  alles  mögliche  geleistet  hat,  besonders 
wenn  man  in  betracht  zieht,  dasz  ein  versuch  wie  der  vorhegende 
zum  ersten  male  unternommen  ist.  der  Verfasser  hofft  f&r  daBfiu- 
zösische  und  englische  eine  wenigstens  annähernde  ToUstRndigkeit 
erzielt  zu  haben,  eine  neue  aufläge  wird  gewis  das  werk  einer  üuner 
gröszeren  Vollkommenheit  entgegenftOuren.  Termiszt  habe  idi  i.  b. 
K.  Foth,  die  Verschiebung  der  lateinischen  tempora  in  den  romani- 
sehen  sprachen.  Straszburg  1876.  8.  (aneh  im  2n  bände  der  nma- 
niachen  stadian);      Lindner,  lobgedieht  anf  die  zusammenkimft 
Franz  I  mit  Karl  Y  In  Aignea  mortos.  naeh  dem  originale  sof  dir 
Bostoeker  nniverntitsbibliotiiek  henusgegeben.  8.  (295.)  Boatoek 
1875.  Programm  der  grossen  stadtsehnle  war  b^früszmig  dar  30s 
Terhandhmg  dentsdier  philologen  nnd  sdialmSnner;  J.  Frank.,  Uber 
J.  B.  Loois  de  Gresset  und  sdnen  *M6ehant'  8.  (s.  :35— 58.)  Kilob* 
bnig  1876.  gjmn.  -  progr.;  Ahn ,  John  Ifiltons  leben  imd  poetiscl» 
werke.  Enpen  1862.  progr.  der  höheren  bUrgorschole.  von  Oeoir 
majn  Stadien  zu  Shake^eares  Jnlins  Caesar  ist  1876  dne  lbrfc> 
Setzung  in  8  nnd  36  s.  eriduenen.  Aug.  Fritz,  die  Menieebmi  d« 
Plantos  nnd  die  eomedj  of  errors  des  Shakespeare  in  ihrem  verittit- 
nisse  als  original  nnd  nachahmende  hearbeitung.  8.  (31  s.)  Pisiiio 
(Mitterburg)  1874.  gymn.-programm,  endlich  Jos.  Cnlot,  le  vieende 
della  poesia  italiena  nd  secolo  XVUI.  8.  (29  s.)  GOrz  1871.  gynn.- 
programm. 

Ein  treffliches  antorenregister,  das  jedoch  durch  hinznftgoig 
der  T(ffnamen  an  ttbersichtUdikeit  gewonnen  hfttte,  scÜiesztdssbadi, 
dem  wir  ans  Toller  Überzeugung  £e  weiteste  Tcrbreitnng  wünsdien. 

GvBA.  Bin>OLF  Kluszuahh. 


85. 

WÜNSCHE  EINES  BIBLIOTHEKAES. 


Der  entsetzlidie  baDast,  welchen  die  programme  fiOr  diebiblio- 
theken  bilden,  hat  schon  so  oft  Teranlassung  zu  klagen  gegeben,  da» 
es  sdieinen  mnsz,  als  könne  kanm  noch  etwas  neues  daräer  gesagt 
werden,  indes  die  Inderungen ,  wdche  in  der  jüngsten  zeit  mit  d«r 
Zurichtung  yoigenommen  worden  sind,  habni  £e  sache  fttr  des 
bibliottiekiff  nicht  yerbessert,  sondern  nodi  yersdilimmert,  so  dasi 
es  nch  wol  der  mUhe  lohnt,  die  angelegenheit  einer  nBhem  bespff* 


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Wüngohe  eineB  bibliothekaanu 


349 


cfanng  zu  miteiziehen.  betrachten  wir  znnSohst  die  ganze  einrichtong 
äw  Programme,  wie  sie  jetzt  ist»  mit  allem,  was  darum  und  daran 
hingt. 

Die  zahl  der  programme,  welche  jetzt  eingeliefert  werden,  ist 
eine  viel  grössere  als  früher,  weil  nidit  blos  preuszische,  sondern 
auch  anszerprenszische  eingesandt  werden,  indes,  in  diese  yermeh- 
nuig  der  arbeit  als  in  etwas  nnTormeidliehes  wollen  wir  bibliotbekare 
uns  schon  mit  wttrde  fügen,  aber  wir  glauben  verlangen  zu  können, 
dasz  bei  der  einriditong  der  programme  auf  uns  auch  ein  wenig 
rOeksicht  genommen  werde,  inwiefern  dies  mit  leicbtigkeit  ge- 
flehehen  könne,  davon  zu  reden  ist  der  zweck  der  folgenden  Zeilen. 

Dasz  das  format  aller  von  Tenbner  ausgegebenen  programme 
gkioh  ist,  das  ist  schon  ein  fortsdhritt  dasz  die  wissenschaftlidien  ab- 
handlungenabsr  in  separatdruck  erscheinen  können,  ist  für  den  biblio- 
tiiekar  ftuszerst  iSstig,  und  für  ihn  wünschenswert,  düs^z  diese  neuerang 
wieder  ans  der  weit  geschafft  werde,  man  denke  sich  beispielsweise 
einen  bibliothekar  unter  hunderten  von  Programmen,  die,  dem  eben 
angekommenen  packet  entquollen,  des  ezp^erens  harren,  da  nun 
nicht  zu  verlangen  ist,  dasz  bei  der  Verpackung  aUe  programme 
nach  einem  bestimmten  principe  geordnet  gelegt  werden,  cUes  viel- 
mehr nachher  sacke  des  bibliotiiekars  ist»  so  wird  es  diesem  sehr  oft 
begegnen,  dasz  er  beim  sortieren  jetzt  den  amtlichen  teil,  eine  viertel- 
stimde  spfiter  vielleicht  den  wissenschaftlichen  teil  in  die  bände  be- 
kommt, noch  ftrger  aber  wird  die  sache,  wenn,  wie  es  factisch  vor- 
kommt, wissenschaftliche  abhandlungen  ohne  irgendwelche  an- 
gäbe von  zeit  und  ort  in  die  weit  gesandt  werden,  solcher  ab- 
handlungen liegen  mir  vor:  hjmenopterologische  beobachtnngen  aus 
der  mark  Brandenburg  von  dr.  F.  Rudow;  die  innere  gliederung  des 
platonischen  dialogs  vom  Staate,  vom  ordentlichen  gymnasiallehrer 
dr.  Eutzner;  der  wissenschaftliche  unterriebt  auf  gymnasien  vom 
Oberlehrer  dr.  Wenzel,  letztere  scbrift  hat  auf  dem  titel  die  num- 
mer  171.  was  soll  man  damit?  endlich:  die  romantische  schule  in 
Frankreich  und  ihr  hauptvertreter  Victor  Hugo,  am  ende  steht 
der  name  des  Verfassers,  über  sie  soll  wahrscheinlich  das  orakel 
Mushacke  befragt  werden,  für  den  Verfasser  einer  abhandlung  ist 
es  freilich  ohne  zweifei  höchst  angenehm,  von  dem  amtlichen  teile 
des  Programms  ganz  unabhängig  zu  sein,  aber,  wenn  djan  herren 
verfiassem  von  abhandlungen  diese  concession  gemacht  werden  soll, 
dann  erfordert  die  billige  rücksioht  gegen  den  bibliothekar,  dasz  auf 
dem  titelblatt  der  abhandlung  ebenso  wie  auf  dem  des  amtlichen 
teües  die  Zusammengehörigkeit  beider  teile  sofort  erkannt  werden 
kann,  auch  die  sonstige  einiichtung  des  titelblattes  läszt  manches 
zu  wünschen  übrig,  nur  wenige  orte  und  anstalten  sind  es ,  welche 
(wie:  Wehlau,  realschule,  Wittstock,  gynmasium,  Clausthal,  gym- 
nasium)  ort  und  zeit  an  einer  sofort  in  die  äugen  springenden  stelle 
anbringen«  bei  dem  einen  programme  stehen  diese  angaben  hier, 
bei  dem  andern  da,  bei  dem  einen  ist  der  druck  so,  bei  dem  andern 


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860 


WUnache  eines  Mbliotiiekai«. 


so«  es  und  dies  swsr  seheiikVsr  ftnsserliche,  Udnlidie  dinge,  fOr  des 
bibliothekar  aber  sind  sie  es  dnrebaiis  i^t.  ihm  ist  es  durebaiu 
nicht  gleichgflltig,  ob  er  jene  angaben  bald  findet,  oder  ob  er  erst 
das  ganse  titelbSitt  In  seiner  oft  söfanMcelhaften  Ter&ssung  dnich- 
soeben  mnss.  biofig  steht  auf  dem  titelblatt:  ^scfanlnaehrichten  yom' 
director.'  nach  dem  namen  des  mannes  kann  man  ja  im  programm 
hermnblättem.  oft  wird  ancfa  ein  nnbedmokter  bimter  ninschlag 
dem  Programm  zur  nerde  gegeben;  das  ist  das  unpraktischste,  was 
man  sich  denken  kann«  so  wie  jeder  suchende  das  gewünschte  miter 
den  andern  gegenständen  gewöhnlich  soletst  findet,  oder  jemand, 
der  in  den  sipfeln  eines  tasäentaches  den  namenszag  sucht,  diesen 
in  der  regel  erst  im  yierten  sipfel  entdeckt,  so  gebt  es  einem  bei 
einem  programm  mit  unbedmcktem  Umschlag,  man  bekommt  es  In 
der  regel  von  der  verkehrten  seite  in  die  band  und  mnss  es  erst 
etliche  male  hin-  und  herdrehen ,  ehe  man  die  richtige  entdeckung 
des  woher?  was?  wer?  gemacht  hat.  bedenkt  man,  dasz  sich  diese 
procedor  so  ziemlich  jedesmal,  wenn  das  programm  in  die  band  ge- 
nommen wird,  wiederholt,  so  wird  jeder  zugeben,  dasz  eine  menge 
zeit  durch  solche  dinge  ganz  nnnOtigerweise  dem  bibliothekar  ent- 
zogen wird. 

Was  nun  die  Verwertung  der  programme  anbetrifft,  so  wird  sieb 
die  einrichtung;  dasz  jede  einzelne  anstalt  bestimmen  kann,  welche 
Programme  sie  ttberhaupt  jedesmal  haben  will,  auf  die  dauer  wol 
nicht  bewähren,  wenn  schon  die  frühere  Verteilung  der  programme 
an  die  einzelnen  anstalten  der  mftngel  nicht  entbehrte ,  so  wird  der 
nutzen  dieser  geistesprodncte  jetzt  schwerlich  ein  gröszerer  sein, 
bisher  sollten  alle  programme  der  monarcbie  an  jede  einzelne  anstalt 
gelangen;  tbatsächlich  war  dies  aber  nicht  der  fall,  man  kann 
ÜBtctisch  als  bibliothekar  yon  keiner  anstalt  mit  bestimmtheit  Torher- 
sagen ,  ihr  programm  von  diesem  oder  jenem  jähre  sei  vorhanden, 
sondern  die  antwort  auf  eine  eventuelle  frage  wird  immer  seim 
müssen :  ich  werde  sehen,  obs  da  ist.  ist  also  der  bezweckte  nutzen 
nach  altem  brauche  schon  beschränkt,  so  wird  das  jetzt  noch  schlim- 
mer werden,  es  kann  schwerlich  vorausgesehen  werden,  welche  Pro- 
gramme man  einmal  zu  brauchen  gedenkt,  und  welche  nicht,  ist 
aber  ein  programm  nicht  bestellt,  dann  bekommt  man  es  einfach 
nicht,  bekommt  es  im  falle  eines  Wunsches  wahrscbeinlidi  Überhaupt 
nicht,  und  man  wird,  glaube  ich,  sehr  oft  hören  müssen:  ja  das  haben 
wir  nicht. 

Fassen  wir  nun  das  in  betreff  der  einrichtung  der  programme 
wünschenswerte  zusammen,  so  hätten  wir  folgendes  auf  dem  herzen : 

1)  Es  werden  alle  programme  der  monarcbie  event.  deutsch- 
lands  für  jede  anstalt  bestellt  imd  derselben  zugesandt.  2)  die 
wissenschaftliche  abhandlung  sei  in  demselben  bände  mit  den  schul- 
nachrichten;  wenn  aber  getrennt,  nicht  ohne  jede  angäbe  von  ort 
und  zeit  wie  die  oben  citierten.  3)  ort  und  zeit  seien  an  einer  so- 
gleich in  die  äugen  springenden  stelle,  und  zwar  bei  allen  pro- 


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ZvL  Shaketpearee  Macbeth. 


351 


grammen  an  derselben^  gedruckt,  (in  der  stKdtiscfaen  bibliotbek  ta 
Brealaa  werden ,  so  viel  erinnerlich ,  folgende  yermerke  auf  die  Pro- 
gramme geschrieben:  links  oben  in  die  eckename  der  anstalt,  ort, 
jähr;  rechts  in  die  ecke  der  name  des  yerfassers  der  abhandlang,  in 
dieser  weise  alle  programme  einzurichten,  würde  sich  als  sehr  zweck- 
m&szig  empfehlen.)  4)  verbannt  seien  alle  unbedmekten,  bunten 
Umschläge,  ausgenommen  höchstens  die  dedicationsexemplare.  5)  auf 
dem  ütcdblatte  stehe  stets  der  name  des  directors.  um  Irrtümer 
imd  Terwechslangen  zu  vermeiden,  ist  es  oft  notwendig,  den  betr. 
Damen  zu  wissen,  wozu  also  erst  snohen  lassen  ?  endlich  6)  empfiehlt 
et  sieh,  dasz,  wie  das  von  vielen  anstalten  auch  bereits  beobachtet 
wird,  z.  b.  den  Berliner,  durchweg  dies  durchgeftlhrt  werde,  dasz 
jede  anstalt  dem  rücken  ihrer  programme  eine  bestimmte  färbe  gebe 
ond  lasse,  diese  kleinigkeit  hilft  dem  bibliothekar  auch. 

'Dies  die  wünsche  eines  bibliothekars,  die  unmittelbar  aus  der 
er&bnmg  entsprungen  sind.  v. 


86. 

Zü  SHAKESPEARES  MACBETH. 


Vor  jähren  haben  wir  in  diesen  blättern  (bd.  96,  393 — 397)  auf 
einen  harten  chronologischen  Widerspruch  aufmerksam  gemacht,  der 
sich  im  dritten  acte  von  Shakespeares  Macbeth  findet,  wo  in  scene  1 
und  übereinstimmend  in  scene  3 ,  sowie  im  anfang  von  scene  4  die 
zeit  abends  7  uhr  ausdrücklich  genannt,  bezeichnet  und  voraus- 
gesetzt wird,  während  unmittelbar  darauf  am  ende  von  scene  4  ohne 
irgend  welche  Zwischenhandlung  ebenso  unzweideutig  eine  sehr 
späte  nachtstunde  —  eine  stunde,  bei  der  man  streiten  kann,  ob 
sie  schon  morgen  oder  noch  nacht  ist  —  bezeichnet  wird,  wir 
haben  versucht,  das  poetische  motiv  nachzuweisen,  welches  in  den 
äugen  des  dichters  und  des  unkritischen  zuhörers  oder  lesers  die 
widersprechenden  Zeitbestimmungen  je  an  ihrem  ort  so  vollkommen 
gerechtfertigt  erscheinen  läszt,  dasz  sie  die  discrepanz  übersehen : 
und  wir  glaubten  daraus  schlieszen  zu  dürfen ,  dasz  der  dichter  wol 
überhaupt  in  beziehung  auf  solche  Widersprüche  sorgloser  zu  sein 
pflege,  als  vielfach  z.  b.  bei  behandlung  der  sog.  Homerischen  frage 
vorausgesetzt  wird,  unsere  darlegung  ist  denn  auch  kurze  zeit 
darauf,  wenn  auch  ohne  nennung  der  bezugsquelle  von  A.  Weidner 
in  seinem  commentar  zu  den  zwei  ersten  büchem  der  Aeneis  bei 
besprechung  der  Widersprüche  im  Vergilius  benutzt  worden. 

Indem  wir  das  stück  zum  dritten  male  mit  einer  realprima 
lesen,  stoszen  wir  im  zweiten  acte  auf  einen  ganz  ebenso  schroffen 
^derspruch  in  der  Zeitbestimmung,  der  uns  seither  entgangen  ist, 
und  auf  den,  so  viel  uns  bekannt,  noch  niemand  aufmerksam  ge* 


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362 


Zu  Shakespeares  Macbeth. 


macht  hat.  in  den  ersten  worten  der  ersten  scene ,  Banquo  und 
Cleance,  wird  die  zeit  ziemlich  genau  bestimmt:  der  mond  ist  unter, 
es  ist  12  uhr,  wol  etwas  später:  Macbeth  tritt  ein,  nach  kurzem  ge- 
spräeh  mit  Banquo  bleibt  er  zurück,  und  der  berühmte  dolchmonolog, 
welcher  nun  folgt ,  setzt  vollkommen  deutlich  die  tiefe  mittemacht, 
zwischen  12  und  1  uhr  etwa,  voraus,  der  mord  geschieht  und  das 
gespräch  der  gatten  unmittelbar  nach  der  that  wird  durch  ein 
klopfen  von  auszen  unterbrochen,  das  sie  in  ihr  zimmer  zurück- 
scheucht, aber  das  klopfen  wiederholt  sich  und  der  pförtner  er- 
scheint: als  er  geöffnet,  gibt  er  dem  eintretenden  Macduff  sehr 
genau  die  zeit  an:  *wir  haben  gezecht  bis  zum  zweiten  hahnen- 
schrei'  —  3  uhr  morgens  nach  Komeo  und  Julie  act  IV  scene  4 
(Delius)  —  darnach  hat  er  wol  einen  kurzen  schlaf  gethan,  aus 
welchem  ihn  das  klopfen  —  dasselbe  klopfen,  das  Macbeth  und  die  ' 
Lady  verscheucht  —  aufweckt:  denn  Macduflf  und  Lenox  sind  er- 
schienen, um  den  könig  zu  wecken,  was  nicht  wohl  vor  4  oder  5  uhr 
morgens  zu  denken  ist. 

Es  verhält  sich  demnach  genau  so  wie  mit  dem  widersprucli 
in  dem  folgenden  act,  und  wir  haben  somit  in  dem  tief  durchdachten, 
80  fein  in  allen  einzelheiten  motivierten  stücke  auf  mäszigem  räume 
zwei  chronologische  Unmöglichkeiten:  und  dies  bei  einem  dichter, 
der,  wie  bei  dieser  gelegenheit  bemerkt  werden  mag,  unter  aJlen 
dramatikern  die  hautigsten  und  die  genauesten  Zeitbestimmungen 
gibt,  diese  Unmöglichkeiten  erklären  sich  sehr  einfach  aus  poeti- 
schen gründen:  der  dichter  brauchte  beide  male  an  zweiter  stelle 
eine  andere  zeit  als  an  der  ersten,  und  er  machte  sich,  wenn  er  es 
ja  selbst  bemerkt  hat,  nicht  das  geringste  gewissen  daraus,  dem  Zu- 
schauer diesen  salto  mortale  zuzumuten,  vielleicht  hätte  er,  Aristo- 
teles und  allen  Professoren  der  ästhetik  zum  trotz  geglaubt,  dasz 
dergleichen  zu  den  ersten  und  notwendigsten  Privilegien  der  poesie 
gehöre,  wir  wiederholen,  dasz  jede  in  Homer  nachweisbare  chro-  i 
nologische  Unmöglichkeit  mit  diesen  Shakespearischen  verglichen 
geringfügig  ist:  und  dasz  eine  solche  bei  einem  dramatischen  dichter 
verzeihlicher,  erklärlicher,  möglicher  sei  als  bei  einem  epischen, 
leuchtet  nicht  ein.  im  gegenteil:  dem  hörer  entschwinden  natur- 
gemäsz  dergleichen  einzelheiten  rascher  und  lassen  im  gemüt  einen 
minder  lebhaften  eindruck  zurück  als  dem  zuschauen 

Köln.  0.  Jä^euu 


37. 

Zü  ZWEI  STEUiEN  AÜ8  GOETHES  WEHKEN. 


In  'dichtung  und  Wahrheit'  teil  3  s.  66  (ausgäbe  letzter  band) 
lesen  wir  folgende  worte:  'es  stellte  sich  nemlich  dem  Schauspieler 
Le  Cain,  der  seine  beiden  mit  besonderem  theatralischen  anstand, 
mit  erhol ung,  erhebung  und  kraft  spielte,  und  sich  vom  natttr- 


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Zu  zwei  tteUeD  aot  Goethes  werken 


363 


lieben  und  gewöhnlichen  entfernt  hielt,  ein  mann  gegenüber'  U8W. 
ich  bekenne  überhaupt  nicht  zu  Terstehen,  wie  ein  Schauspieler  seine 
helden  mit  erholung  spielen  kann,  aach  ist  das  mir  sehr  wunder- 
bar,  dasz  bei  einem  Schauspieler,  der  besonderen  theatralischen  an- 
stand entwickelt  und  in  seinem  spiel  zu  einer  auszerordentlioheii 
kraft  der  darstellung  sich  erhebt,  doch  gleichzeitig  von  einer  er- 
holung die  rede  sein  soll,  endlich  scheint  mir  der  rhythmische 
baa  der  stelle  gegen  ein  drittes  hauptwort  neben  erholung  and 
kraft  zu  sprechen,  es  ist  mir  deshalb  aoszer  allem  zweifei,  dass  in 
dem  Worte  erholung  ein  fehler  verborgen  liegt,  die  ausgäbe  TOn 
K.  Goedeke  aus  dem  j.  1874  bringt  die  stelle  in  der  alten  fassong. 
entweder,  dürfen  wir  nun  annehmen,  ist  erholung  verhört,  ver- 
schrieben  oder  verdruckt,  und  es  gilt  nun  das  ursprüngliche  wort 
wieder  zu  finden ,  oder  das  wort  ist  auf  eine  falsche  art  in  den  text 
gekommen,  in  den  es  nie  und  nimmer  gehört  hat.  so  viel  ich  mich 
umgesehen  und  nachgedacht  habe ,  so  habe  ich  doch  kein  wort  ent- 
decken können,  welches  als  lautlich  einigennaszen  fthnlich  durch 
erholung  hätte  verdrängt  werden  können,  als  das  nachfolgende 
unzweifelhaft  richtige  erhebung  selbst,  daher  scheint  mir  auch 
an  dieser  stelle  gar  kein  wort  verdrängt,  sondern  umgekehrt  eins 
zu  viel  in  den  text  gekommen  zu  sein,  ich  bin  daher  der  meinung, 
dasz  erholung  gestrichen  werden  müsse,  die  art,  wie  es  in  den 
text  kommen  konnte,  ist  nicht  allzu  schwer  zu  entdecken,  der 
Schreiber  hatte  durch  falsches  hören  oder  abschreiben  erholung  in 
den  text  gebracht;  später  setzte  er  das  richtige  erhebung  über 
erholung  und  der  setzer  stellte  nun  aus  gedankenlosigkeit ,  oder 
weil  das  falsche  wort  erholung  nicht  deutlich  oder  gar  nicht  aus- 
gestrichen war,  beide  worte  neben  einander  in  den  text  ein,  ohne 
dasz  ein  coiTector  oder  kritikev  den  irrtum  gewahrte. 

In  der  'neuen  deutschen  dichterhalle',  welche  von  Rud.  Fasten- 
rath in  Herisau  redigiert  wird,  habe  ich  vor  einigen  wochen  (bd.  1 
nr.  20  s.  271  f.)  einen  fehler  am  endo  des  ersten  absatzes  vom 
12n  capitel  des  3n  buches  der  ^  wanderjahre '  (bd.  23  s.  156  der 
ausgäbe  letzter  band)  nachgewiesen,  dort  sagt  Odoardo:  'die  natur 
ist  durch  emsigkeit  der  menschen,  durch  gewalt  oder  Überredung 
zu  nötigen.'  so  viel  leuchtet  doch  jedem  auf  den  ersten  blick  ein, 
dasz  die  n a t u r  nicht  durch  Überredung  genötigt  werden  kann, 
durch  gewalt  und  Überredung  werden  nur  menschen  genötigt 
(vergl.  Plutarch  im  Themist.  c.  21,  Plato  in  den  gesetzen  s.  722  B). 
man  könnte  nun  meinen,  dasz  nach  den  werten  der  menschen  die 
ähnlichen  der  mensch  durch  ein  leicht  erklärliches  versehen  aus- 
gelassen worden  seien,  dagegen  spricht  aber,  dasz  sowol  der  natur 
als  den  menschen  gegenüber  hier  der  mensch  als  handelnd  gedacht 
ist,  d.  h.  es  handelt  sich  hier  um  die  herschaft  des  menschen  sowol 
über  die  natur  als  über  seines  gleichen,  der  zusatz  der  menschen 
zu  emsigkeit  erscheint  hiemach  gänzlich  überflüssig,  ja  unpassend, 
unter  berufong  auf  das,  was  Goethe  selbst  s.  15S  des  6n  bandes  der 


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354    Phiiologitohe  prognunme  deatecher  höhmr  lehranstalieiL 


nachgelassenen  werke  (Stuttgart  und  Tübingen  1833)  über  hör-, 
schreib-  und  druckfehler,  mit  specieller  rücksicht  auf  seine 
eigenen  werke,  sagt,  nehme  ich  daher  an,  dasz  sein  Schreiber  für 
der  mensch  fälschlich  der  menschen  hörte,  und  weil  Goethe  die 
Worte  vielleicht  bis  zu  diesem  genitiv  in  einem  zuge  vorgesprocben 
hatte,  ohne  sie  nachher  zu  wiederholen,  derselbe  auf  eigene  band 
hinter  der  menschen  ein  komma  setzte  und  so  durch  zwei  fehler, 
den  falschen  genitiv  und  das  unrichtige  komma,  die  ganze  stelle  in 
Unordnung  brachte,  die  ursprünglich  offenbar  also  lautete:  'die 
natür  ist  durch  emsigkeit,  der  mensch  durch  gewiUt  oder  Über- 
redung zu  nötigen.* 

ElSBMACH.  F.  SbHBWALD. 


(16.) 

PHILOLOGISCHE  PROGRAMME  DEÜTSCHEE  HÖHEEEß 

LEHRANSTALTEN, 
(fortoetsonsr.) 


CtöauTz.  gymnMinm.  9  eUssen,  18  lebrer,  279  und  877  schfUer, 
2  abiturienten.  —  Dr.  Otto  Bucbwald:  'Horner  in  Lukians  Behriften*. 
Lukians  Vorliebe  für  dicbtercitate  hänpt  mit  der  bestimmung  seiner 
Schriften  zu  öffentlicher  Vorlesung  eng  zusammen,  bei  solchen  wurden 
derartige  citate  äuszerst  beifällig  aufgenommen.  am  meisten  citiert 
Loldsn  den  Homer,  dabei  iet  anlfilhg  der  grelle  weehsel  des  nrteilf 
des  L.  fiber  H.  verf.  will  diese  eigentümliche  stellmig  näher  beleoeh- 
ten.  er  fuhrt  zunächst  die  citate  decoratirer  natur  auf,  deren  zweck 
es  ist,  einen  gedanken  Lukians  in  annehmlicher  form  wiederzugeben, 
danach  bespricht  er  die  parodieen  Horn,  verse  und  bezeichnet  sie  als 
«HS  der  naehabmitng  des  Afistophanes  hervorgegangen;  sie  sind  pro- 
dacte  einer  übermütigen  laune.  die  nariae  bistoriae  sind  teilweise  pa- 
rodieen des  Homer,  die  parodierten  verse  verteilen  sich  auf  den  fischer, 
Charon,  tragischen  Zeus  und  die  entlaufenen,  diese  Schriften,  mit  aus- 
nähme der  leisten,  die  als  anecht  gilt,  werden  in  beziehong  auf  ihre 
parodieen  eharakterisiert.  weiter  wird  im  allgemeinen  Lnldans  stellang 
snm  alten  götterglanben  erörtert  nnd  dabei  anf  einige  bedeutende  Schrif- 
ten verwiesen,  auch  auf  die  frage  nach  der  Stellung  der  obrigkeit  za 
Lukians  Spöttereien  wird  weiter  eingegangen  und  vermutet,  dasz  er  um 
seiner  stellang  zum  heidnischen  götterdienste  willen  in  Ungnade  ge- 
fallen sei.  hierfür  beruft  sieh  verC  anf  *die  ▼erlenmdang'  eap.  14^  die 
feindliche  Stellung  Lukians  gegen  den  alten  götterglauben  ist  der  grund 
mancher  ausfälle  auf  Homer;  es  fehlte  ihm  der  rechte  sinn  für  die 
naiven  Verhältnisse  der  Hom.  götterweit,  die  götter-  und  todten- 
gespräche  sind  wesentlich  ein  angriff  auf  Homer,  obschon  sie  ihn  selten 
erwähnen,  in  ähnlicher  sehirfe  des  nrteils  hält  sieh  der  Menippos. 
hier  wird  gegen  K.  F.  Hermann  gestritten  und  geleugnet,  dasz  L.  bei 
den  götter-  und  todtengesprächen  ein  so  harmloses  ziel  vor  äugen  ge- 
habt, wie  es  H.  annimmt,  die  Schriften  sollen  vielmehr  dazu  gedient 
haben,  dem  verifasser  mit  dem  gleicbeesinnten  pnblicnm  fühlung  gewin- 
nen sn  lassen  vor  dem  eigentlichen  Kampfe  gegen  die  gotterwelt  ein 
hauptangriffspunct  ist  das  unklare  Verhältnis  zwischen  parzen,  Schick- 
sal, Terhttngnis  und  Vorsehung  in  den  Hom.  gedichten.    dies  greift  er 


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Philologische  {yrogramme  deutscher  höherer  lehnmstaUen.  355 


in  dem  überführten  Zeus  an,  aber  anch  sonst  noch  kommt  er  auf  das 
Verhältnis  der  gotter  zum  Schicksal  zurück.  Lukian  will  die  ohnmacht 
der  götter  dartun.  diese  absiebt  tritt  besonders  im  tragischen  Zeus 
henor.  ab  nrheber  der  Terkehrten  snsiehten  Aber  die  götter  wird  von 
LukiiD,  wie  einst  von  Xenophanes ,  Homeros  angesehen,  ebenso  wird 
Homeros  verspottet,  wo  Lukian  die  landläufipren  ansichten  von  der 
Unterwelt  lächerlich  macht,  in  gleicher  weise  greift  Lukian  die  orakel 
und  Opfer  an  und  wo  er  letztere  verspottet,  muäz  Homeros  wieder  her- 
lislten.  tarn  der  Opposition  gegen  die  althergebrachten  anschannngen 
erklären  sieh  einige  sehr  harte  äoszerungen,  die  Lnhian  tibcr  die  dichter 
von  sich  gibt,  harmloser  sind  die  Spötteleien  über  wunderbare  erzSh- 
hngen  uud  übertriebene  ausdrücke  Homers,  so  im  träum  oder  haushahn, 
im  Charon;  auch  die  vielberühmte  blindheit  Homers  sowie  die  Hom. 
fragea  der  gleiehEcitigen  Hom.  kritilcer  werden  rerhöhnt;  andererseits 
iit  Lakian  voll  lobes  der  dichterischen  bedeutang  Homers,  besonders 
anerkennend  spricht  er  sich  über  die  gleichnisse  aus,  auch  die  sittliche 
und  erziehliche  bedeutung  Homers  erkennt  Lukianos  preisend  an. 

Landsbebg  a.  d.  W.    gymnasium  mit  realclassen.    20  classen,  716 
Schiller  isi  sommer,  701  im  winter.   ansahl  der  lehrer  nnd  abitnrienten 
nicht  angegeben).  —  Abhandlung  des  prorector  Christian  Haupt: 
'Igesilaos  in  Asien.'    verf.  beginnt  mit  Umgrenzung  des  themas.  als 
wesentlichste  quelle  gelten  ihm  die  Hellenica,  sie  sind  allein  mass- 
gebend, die  Tita  des  Agcs.,  die  Xenoph.  namen  trägt,  ist  untergescho- 
ben, die  spätem  berichte  über  Ag.,  sind  für  das  leben  des  königs  ohne 
bedeutung.    seide  gründe  für  unechtheit  der  vita  gibt  H.  an.    doch  er- 
klärt er  ihr  zeugnis  für  nicht  ganz  unwichtig,  da  sie  die  Zweitälteste 
Schrift  über  das  leben  des  Ag.  sei,  von  ihr  hängen  Nepos,  Plutarch, 
Psnssnias  mehr  ab  als  ron  den  Hellenicis.   die  nachrichten  dieser  drei 
autoren  werden  charakterisiert,    dann  bespricht  TCrf.  die  nachrichten 
bei  Diodoros,  der  aus  verlorenen  quellen,  Ephoros  und  Theopompos, 
Xenoph.  Hellen,  ergänze.     doch  sei  vor  leichtfertigem  gebrauche  des 
Diodoros  zu  warnen,    es  fügt  sich  ein  urteil  an  über  den  echten  Xeno- 
pbon,  worin  er  sich  für  die  berichte  über  896—894  nnd  die  person  des 
Agfls.  dem  urteile  von  Breitenbach  anschlieszt.    er  will  unter  Zugrunde- 
legung von  Xen.  zeigen,  dasz  A.  für  das  jähr  394  nicht  hochstrebende  plane 
gehegt,  nicht  an  eineu  eroberungszug  nach  Susa  gedacht  hat.     er  be- 
ginnt mit  Vorlegung  der  Verhältnisse,  in  weiche  Ag.  eingriff,    diese  ent- 
wiekelung  Iftsst  sieh  natürlich  nicht  hierher  übertragen,  sie  ist  aber 
durchaus  sachgemäsz  gehalten  und  gibt  in  kurzen  zügen  den  denkbar 
trefflichsten  überblick  über  die  geschichte  der  ionischen  colonien  in 
Asien,    zu  Agesilaos  kommt  verf.  wieder  bei  besprechung  der  bericht- 
erstattung  von  der  rüstung  der  Perser  zur  see,  welche  nach  Sparta  ge- 
Isngte.   er  behandelt  Lysanders  nnd  Ages.  auftreten  bei  dieser  nach- 
liwt  und  Spartas  TCrhandlungen  über  dieselben,  besonders  sind  die 
beweggründe  zu  dem  entschlnsz  und  vorschlage  des  Agesilaos  ge^ren- 
Btand  seiner  behandlnng.    erörtert  wird  besonders  die  scene  in  Aulls 
und  die  benrteilung  derselben  bei  den  alten  autoren.    Ag.  wollte  zum 
▼ollbesitae  der  königlichen  macht  kommen,  die  er  nur  im  felde  hatte, 
wollte  Ibmer  des  einflusses  des  Lysandros  ledig  werden,  und  hoffte  end- 
lich groszes  gegen  die  Perser  auszurichten,  gründe  des  Staatsinteresses 
oder  besonderes  gefühl  für  Griechenlands  ehre  oder  die  absieht  Spartas 
darch  preisgebung  der  loner  erworbene  schände  wieder  got  zu  machen, 
haben  den  Ag.  nicht  geleitet.  Tcrf.  widerspricht  diesen  Ton  rielen  ge- 
teilten meinnngen  entschieden.    Lvsanders  Interesse  an  einem  kriege 
mit  den  Persem  wird  dargethan  und  die  nichtübereinstimmnng  desselben 
mit  dem  spartanischen  hervorgehoben,  nur  nach  einer  seite  hin  diente 
des  Ag.  Vorschlag  dem  Interesse  Spartas,   die  öfioiot  wurden  eineii  teil 
^r  ö«0|ieiovec  los.  Ag.  schlag  vor,  ihn  selbst  mit  200  neodamoden,  6000 
Peloponnesiem  und  80  Spartiaten  sur  fortsetsnng  des  kampfes  gegen 


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356    PhüologiAche  Programme  deatocher  höherer  lehranatalten. 


die  Perser  auszusenden,  und  auf  den  Vorschlag  wurde  eingegangen,  in 
Asien  zog  Ag.  gleich  Derkyllidas  an  sich,  er  brachte  seine  tmppenmacht 
«Qf  etwa  16000.  Terf.  föhrl  nun  die  politisch-mUitftriBche  läge  Tor, 
welche  Ag.  vorfand.    Tisaaphernes  verhandelt  mit  Ag.  und  es  kommt 
ein  vertrag  zu  stände,  wonach  Tiss.  anfragen  will,  ob  der  könig  die 
autonomie  der  HellenenstaHten  in  Griechenland  zugeben  wilL    so  lange, 
bis  antwort  eingelaufen,  soll  Waffenstillstand  sein,   während  desselben 
entfernt  Ag.  den  Ljsendros.    Tissapb.  erfüllt  die  bedingangen  nieht, 
sondern  erklärt  den  krieg.    Ag.  beginnt  militärische  massnabmen,  die 
verf.  nicht  zu  verstehen  erklärt,    das  thatsuchliche  wird  entwickelt. 
Ag.  zog  gegen  Karieu.    was  ihn  dazu  veranlaszte,  ist  nicht  klar,  viel* 
leicht  einige  äuszere  momente.   die  erfolge  des  zages  waren  onbedeiK 
tend.   im  winter  wurde  für  eine  reiterei  gesorgt  nnd  das  beer  in  krie- 
gerischen stand  gesetzt  verf.  macht  hier  eine  art  excurs  über  die  be- 
deutung  der  beute  im  alten  kriege  und  besonders  bei  den  Spartanern, 
weiter  sacht  er  klarzustellen,  wie  sich  die  nachrichten  aas  Asien  be- 
wahrheitet« welche  anlass  zur  sendang  des  Ag.  gegeben,   hier  wirddis 
unglenbwiirdigkeit  der  berichte  des  Isohr.  nnd  Com.  Nep.  berührt,  da- 
gegen dem  Diodoros  glauben  beigemessen,    verf.  stellt  dar,  wie  er  sich 
nach  Diodoros  und  Xenoph.  Hellen,  den  Zusammenhang  denkt,    die  dar- 
legung  zeichnet  sich  durch  klarheit  aus  und  ist  daher  der  eingehenden 
Prüfung  der  gelehrten  anf  dae  wärmste  sn  empfehlen.  Agesilaee  wird 
in  folge  der  nachrichteu  fiber  fortschritte  der  Perser,  welche  Kooon 
unterstützte,  zugleich  vaOapxoc.   verf.  berichtet  nun  weiter  von  des  Ag'. 
auftreten  zu  lande,    er  täuschte  die  Perser,  indem  er  in  das  Hermoa- 
thal  zog«    am  Paktolos  kam  es  zur  Schlacht,  in  welcher  Ag.  siegte  und 
das  feindliche  lager  nahm.  Terf.  spricht  ein  urteil  über  die  schlaebt 
und  ihr  ergebnis.   Tissaph.  ward  ermordet  und  durch  Titliranstes  e^ 
setzt,    er  begann  mit  Verhandlungen  auf  anderer  basis,  es  wurde  auto- 
nomie  der  städte  gegen  abzug  des  Ag.  anfreboteu.   Ag.  wies  Tithraustes 
nach  Sparta,  wo  seine  vorschlage  verworfen  wurden,  zum  nachteil  für 
die  kleinasiat.  Griechen,  wie  verf.  darlegt.  Tithraustes  verwies  den  A^r. 
aus  Lydien  nach  Phrygien  und  er  gieng  auf  den  gemachten  verschlag 
ein,  dafür  mit  einer  kleinen  summe  bezahlt,    sein  auftreten  in  Phrygien 
wird  geschildert,   es  kam  zu  Verhandlungen  mit  dem  konige  der  Paphla- 
gonen,  die  zu  einem  büuduiäse  führten,  das  sich  jedoch,  dank  der  h&b- 
sucht  der  grieehisehen  grossen,  bald  wieder  löste.    Ag.  empfand  dies 
als  harten  schlag,    im  gleichen  winter  Verhandlungen  mit  Pharnabazos 
über  Vertragsverhältnis  zwischen  Griechenland  und  der   satrapie  des 
Pharnabazos.    das  auftreten  des  Pharn.  bei  dieser  gelegenheit  wird 
beurteilt,  dann  auf  darstellong  der  Verhältnisse  in  Griechenland  einge- 
gangen., hier  loderte  jetzt  die  kriegsflamme  gegen  Sparta  empor,  vert 
sucht  zu  erklären,  wie  Korinth  und  Theben  jetzt  dazu  gekommen,  gegea 
Sparta  fechten  zu  wollen,    wie  in  Theben  nnd  Korinth  gegen  Sparts, 
so  war  in  Sparta  die  Stimmung  gegen  die  früheren  bundesgenossen.  es 
kam  zum  kriege,  für  den  Theben  auch  Athen  gewann.    Lysandros,  mit 
den  bundesgenossen  gegen  Hellas,  gegen  Thebens  beer  gesandt,  fiel  bei 
Haliatos,  Pausanias,  mit  den  Peloponnesiern  nachrückend,  trat  in  Ver- 
handlung,  von  der  diplomatischen  thätigkeit,  welche  sich  an  Pausanias 
abzug  aus  Büotien  schlosz,  findet  sich  keine  nachricht  bei  Xenophoo» 
wol  aber  bei  Diodor,  nach  welchem  verf.  bericht  erstattet,    daram  er- 
örtert er  das  auftreten  der  Lakedaimonier  gegenfiber  diesem  umsehwonge 
der  dinge,  sucht  zu  erforschen,  ob  Agesilaos  von  den  Vorgängen  in  der 
heimat  gewust,  worüber  sich  nirgends  bestimmte  nachrichten  tinden,  wir 
vielmehr  auf  combinationen  angewiesen  sind.    verf.  bejaht  obige  frage 
und  macht  auf  die  von  Ag.  ergilffenen  maszregeln,  welche  sowol  weitere 
Operationen  gegen  Persien  als  sehnelles  eingreifen  in  die  enropäbchen 
angelegenheiten  ermöglichten,  aufmerksam,     darnach  wendet  er  sich 
zur  erörterung  der  frage,  was  wol  Agesilaos  für  das  jähr  394  in  Aaiea 


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Philologische  programme  deutscher  höherer  lehraustalten.  357 

so  tbnn  beabsichtigte,  wenn  die  earopHiscben  yerbSltnisse  einen  dritten 

Iddsiig  gestattet  hätten,  zuerst  legt  er  die  mannigfachen  antworten  iJter 
Tind  nener  Schriftsteller  auf  diese  frag^e  vor,  er  selbst  billigt  im  ganzen 
Xenophons  anffassuiig.  Xen.  berichtet,  Ag.  habe  394  so  weit  als  mög- 
lieh nach  Osten  marschieren  wollen,  für  dies  unternehmen  muste  er 
aidi  allein  auf  sein  beer  yerlassen.  das  vorgefundene  beer  hatte  Ag. 
srSndlich  reorganisiert,  im  asiatischen  kämpfe  auch  dreimal  mit  ihm 
aem  feinde  gegenübergestanden  und  zum  teil  schlappen  bekommen,  am 
ernsthaftesten  war  die  siegreiche  Paktalosschlacht  gewesen,  nach  des 
Tsrf. '  meinnng  konnte  der  weitere  krieg  nur  ein  raubkrieg  werden, 
militärische  erfolge  waren  sehr  sweifelhaft.  als  siel  des  hrieges  blieb 
nur  Mysien  übrig,  verf.  beseichnet  hier  in  knrsen  sttgen  das  ziel  der 
asiatischen  politik  Spartas,  des  Ag.  plan  gegen  Mysien  kam  in  folge 
der  Abberufung  nicht  zur  ausführung.  es  werden  am  schlusz  noch  die 
letiten  matsregeln  des  Ag.  in  Asien  erörtert,  er  Hess  unter  Eaxenos 
4000  mann,  wahrscheinlich  Peloponnesier,  snrüek.  verf.  bertthrt  auch 
noch  den  Widerspruch  in  dem  benehmen  der  Städte  Sparta  gegenüber 
nnd  macht  den  versuch,  den  abfall  zu  erklären,  die  eingehenden  unter- 
sachangen  des  verf.  verdienen  wärmste  anerkennung  und  ref.  darf 
wimseb  nnd  hoffoung  aussprechen,  dass  die  historische  Wissenschaft 
aach  diese  untersuchong,  ob  sie  schon  in  einer  schulgelegenheitsschrift 
enthalten  ist,  in  ihrem  nutzen  verwenden  werde,  darin  wird  verf.  ge- 
wis  hinreichenden  lohn  für  den  fleisz  und  die  mühe,  die  er  aufgewandt, 
findeo,  mag  ihm  auch  vielleicht  in  manchen,  ja  in  vielen  puncten  auf 
grand  neuer  eotdechnngen,  tieferer  forschungen  in  znknnft  widersprochen 
werden. 

Marburq.  (ind.  lect.  aest.)  Julius  Caesar  schickt  voraus  die  abh. 
von  C.  Fr.  Weber:  'de  M.  Valeri  Messallae  qui  dicitur  libello  de  pro- 
genie  August!  pars  II.'  im  ersten  teile  zeigt  verf.,  dasz  das  büchiein 
im  15b  jahrh.  entstanden,  stur  bestätigung  dieser  ansieht  werden  im 
zweiten  teile  die  qnellen  des  autora  nnd  die  codd.  der  schrift  gepräft« 
dann  die  inneren  gründe  der  Verweisung  der  schrift  in  die  späte  zeit 
gegeben,  der  verf.  der  schrift  de  progenie  Augusti  bezieht  sich  mehr- 
fach im  allgemeinen  auf  quellen,  namentlich  nennt  er  den  Vergi- 
Htti,  avsserdem  den  Liuins.  ans  beiden  namen  ist  anf  die  seit  sn 
schlieszen,  VergUins  war  zwar  ein  stets  gelesener  schriftsteiler,  aber  nicht 
m  Italien  bis  zur  zeit  von  Dante,  ebenso  war  Livius  im  ganzen  mittel- 
tlter  ein  verschlossenes  buch,  erst  seit  Petrarcha  eingehender  bekannt. 
Mis  beiden  umständen  ist  auf  späte  entstehung  des  hier  behandelten 
Iniehes  sn  sehliessen.  'an  einer  andern  stelle  besieht  sich  der  yerf. 
tinserer  schrift  auf  etwas,  das  nur  Dionys.  Halic.  II  34,  Flut.  Romnl.  16 
lind  C.  Jul.  Solinus  I  20  erzählen.  Weber  meint,  hier  sei  SoHnus  seine 
quelle  gewesen,  da  die  beiden  anderen  Schriftsteller  in  latein.  ausgaben 
Qfit  später  entstanden,  auch  der  verf.  vielfach  von  Dionys.  Halic.  ab- 
weicht Solinus  war  in  jener  seit  bekannt,  nnd  er  gibt  Bomi  geburts- 
jthr  an  wie  der  pseudonymus.  derselbe  bezieht  sich  femer  um  Darea 
Fhrygius  und  auf  Sextus  Rufus.  als  quelle  ist  für  ihn  femer  zu  ver- 
zeichnen Franz.  Petrarcha.  ihn  weist  als  quelle  für  die  schrift  de  pro- 
genie Augusti  verf.  durch  schlagrende  Zusammenstellungen  aus  Petrarcbas 
uitae  viromm  inlustrium,  pseudo-MessaUa  nnd  LiTins.  beide  Petrarcha 
und  der  von  Petrarcha  selbst  benutzte  Livius  sind  quelle  des  Messalla 
de  progenie  Augusti.  der  möglichen  auffassung,  als  habe  Petrarcha 
den  Messalla  benutzt,  tritt  verf.  mit  stichhaltigen  gründen  entgegen. 
Heudo-Messalla  hat  den  Sextus  Bufus  nachgeahmt,  das  wird  wieder 
wurch  gegenBberstellnog  der  betreffenden  stellen  dargethan.  die  £&!• 
Behling  ergibt  sich  auch  daraus,  dasz  ps.-Messalla  nach  Rufus  that> 
Bachen  erwähnt,  welche  über  das  Augusteische  Zeitalter  hinausliegen, 
weiter  sucht  Weber  aus  den  manuscripten  etwas  für  die  zeit  der  ent- 
>tehuog  des  buches  zu  gewinnen,    im  14 — 15n  säculum  keine  spur  von 


* 


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368   PhflologiBche  prognunme  dentiolier  hObmr  lehrrnnstalten. 


der  auffindung  eines  codex  des  Messalla  de  progenie.   wir  haben  sieben 
codd.    diese  werden  in  zwei  classen  geschieden,  jede  derselben  hat 
einen  andern  index  über  der  Bchrift.    besonders  wird  der  codex  Meoe- 
oatimniit  behandelt   an  gewiaaen  glaubt  Weber  etwas  au  dem,  wti 
die  einzelnen  codd.  ansfier  dem  pseudo- Messalla  bieteo,  und  zählt  dies 
auf.    darauf  wird  zu  den  innern  gründen  übergegangen,  aus  denen  das 
15e  jahrh.  als  die  zeit  der  entstehung  der  Schrift  hervorgeht,  zuerst 
erörtert  Weber  plan  und  zweck  der  arbeit  des  pseudo-Messaila.  der 
▼on  ihm  selbst  angegebene  sweek  Ist  ein  fingierter,  er  will  Yielnelir 
einen  abrisz  röm.  gescbichte  geben,   dieser  wahre  zweck  weist  das  bach 
ins  15e  jahrb.    weiter  bespricht  Weber  den  inhalt  des  buches  and  zu- 
erst die  geographischen  dinge,  die  darin  berührt  sind,    die  geo^rspbie 
war  in  Italien  stark  vernachlässigt,  erst  seit  dem  13n  jahrh.  begann 
mao  sieh  wieder  mit  ihr  sa  besehlftigen,  erst  seit  dem  I6n  jalukwu- 
den  die  griech.  geographen  in  lat.  Übersetzungen  in  Italien  gelesen,  aof 
die  zeit  dieser  beschäftigung  weist  pseudo-Messalla  hin,  in  ihr  ist  sein 
•werkchen  entstanden,    das  rerrathen  manche  von  den  gebrauchten  aus- 
drücken,   die  von  p8.>M.  als  von  den  Römern  erobert  anfgefdhrten 
iSnder  sind  von  ihm  aiu  Seztns  Bolhs  entlehnt,  die  angaben  aoi  dam 
p^ebiete  der  geographie  widersprechen  der  setznng  des  ps.-liL  ins  15e 
jahrb.  nicht.    W^eber  geht  über  zur  besprechung  der  cbronologiscben 
dinge  beim  verf.  jenes  buchs.    Roms  gründung  setzt  er  nach  äoUnos 
fest,   in  manchen  datierungen  schiieszt  er  sich  an  Livius  an.   wo  er 
mit  Livins  stimmt,  kommt  er  aneh  mit  Bolinns  Qberein,  wo  er  m 
jenem  abweicht,  weicht  er  auch  roa  diesem  ab.  die  meisten  zeitbestim- 
mnngen  stammen  aus  Sextus  Rufns;  an  zwei  stellen,  28,  3.  29,  3,  kommt 
er  mit  Hieronymus  chron.  Ens.  II  271  and  canon  II  338.  340.    aus  die- 
ser abhängigkeit  dos  psendonymos  folgt  gleichzeitigkeit .  oder  spätere 
entstehnngsseit  des  bnches  de  progenie  AngasU.    noch  sicherer  ergibt 
sich  die  seit  der  entstebang  aas  dem  besondem  eifer  für  heraldik,  den 
der  verf.  zeigt  und  ebenso  bei  seinen  lesem  voraassetzt  und  der  ganz 
dentlich  auf  die  zeit  der  ritterlichen  tourniere  hinweist,  nut  denen  die 
heraldik  in  snsammenhang  steht,    gewöhnlich  sind  die  heraldiacheB 
seichen  in  Deutschland  im  12n  jahrh.,  in  Italien  im  13n  nnd  14n  jabrh. 
geworden,    auch  in  den  erzählten  thatsachen  findet  Weber  einige  be- 
lege für  die  von  ihm  angenommene  späte  entstehung  des  schriftchens, 
die  wenigstens  die  aus  anderen  gründen  gewonnene  ansieht  bestätigen, 
bei  der  gelegenheit  ttnssert  sieh  Weber  eingehend  über  die  geschicht- 
lichen Studien  der  Italiener  nach  dem  Wiederaufleben  der  wissensehsfteo. 
die  blüte  derselben  konnte  wol  den  yerf.  zu  seiner  Schrift  anregen, 
zum  teil  stimmt  er  mit  Vergilius,  Livius,  Rufus,  in  anderen  weicht  er 
von  der  allgemeinen  Überlieferung  ab,  anderes  erscheint  als  ganz  neu, 
aber  teils  falsch,  teils  wenigstens  nnglanbwfirdi^.    die  belege  dafür 
werden  angegeben,    weitere  spuren  nachaugnsteiseher  entstdinng  dei 
büchleins  erkennt  Weber  in  der  ursprünglichen,  erst  von  einem  spaten 
oorrector  geänderten  lesart  gentilium  in  1,2,  im  gebrauche  das  chroni- 
con  Hieronjmi,  in  der  niedrigen  Schmeichelei  gegen  Angustas,  in  der 
erwähnnng  der  italienisehen  spräche,  auf  spätere  seit  weisen  aneh  dii 
Worte  des  index  orator  disertissime,  welche  ein  hervorragendes  anssiMS 
der  redekunst  und  der  redner  in  der  geburtszeit  der  schrift  bezeugen, 
ebenso  ausdrücke  wie  rem  tot  saeculis  remotissimam  scrutaturus,  anti- 
quitus  morem  fuisse  susp ender e  arma  in  templis  post  exactam  militiam, 
sowie  was  SS,  6  steht  Bomnlnm  ^  eomplectator.  hiernach  geht  WeUr 
zur  belenchtnng  der  form  über,  um  anzuzeigen,  das  etwa  un  Tocsbel' 
schätz,  in  den  formulis  dicendi,  im  stil  sich  finde,  das  auf  spätere  zeit 
als  die  Augusteische  weise,  was  mit  der  diction  des  14n  und  15n  jabrh. 
Stimme,   zuerst  sammelt  Weber  vocabnla  inusitata,  darauf  worte,  die 
der  gewohnheit  der  gnten  zeit  zuwider  gebraneht  nnd  mit  nenei  ba- 
dentong  Tersehen  sind,  dann  einzelnstehende  formein,  In  deren  ge- 


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PhOologiscbe  programme  deutscher  höherer  lehnukttalten.  359 


brtnche  Terf.  yom  gemeingiltigen  latein  abweicht,  fenier  grammatisehe 
besonderheiten,  sowol  formeller  als  syntaktischer  art,  schlieszlich  weist 
er  die  mängel  im  stile  und  in  der  darstellang  nach,  das  endergebnis 
Webers  können  wir  nar  unterschreiben  und  demselben  das  sugeständ- 
Bis  BUieheiiy  da»  er  g«iii  riditig  dM  leitalter  des  toh  ihm  behandelten 
blcheSi  an  dessen  Ursprung  aus  der  zeit  des  Augustus  schon  lange  mit 
recht  gezweifelt  wurde  und  das  seit  langer  zeit  niemand ,  der  über  M. 
Valerias  Messalla  Coruinas  gearbeitet,  mehr  fUr  echt  gehalten,  abge- 
lten von  dem  heransgeber  Raphaele  Meeenate,  sicher  bestimmt  hat. 
die  witseneehaft  wird  ee  Julius  Caesar  gewie  Ton  hersen  danken,  data 
er  eine  derartige  schrift  veröffentlicht  hat,  statt  sie  in  den  papieren 
des  yerf.  einen  unverdienten  tod  finden  zu  lassen,  wir  bedauern  nur, 
diu  uns  der  erste  teil  der  arbeit  nicht  zugänglich  war.  gewis  wäre  es 
vislen  leeem  dieser  zeittehrift  angenehm  gewesen ,  aach  Aber  ihn  ein 
nferat  sa  lesen. 

MzssRiTz.  konigl.  gymnasium.  7  classen,  13  lehrer,  181  Schüler  im 
Sommer,  180  im  winter,  9  abiturienten.  —  Abhandlung  des  Oberlehrer 
dr.  Schäfer:  'de  locis  quibus  perfectum  coniooctiui  pro  plusquamper- 
feeto  eoninnetivi  eoninnotione  enm  praeeedeate  seriptiim  est*,  ein- 
Isitang  geht  aus  von  dem  festen  und  sichern  gebrandie  der  coniunction 
cam  bei  den  alten,  der  selten  ein  bedenken  zulasse,  die  stellen,  in 
welchen  sich  eine  abweichung  ünde  von  der  gewöhnlichen  ausdrucks- 
weise, sind  selten,  eine  classe  derselben,  die  nemlich.  wo  coni.  perf. 
für  oonL  plusquamperf.  naeh  enm  sn  stehen  seheiat,  wiU  verl  erörtern, 
zuerst  wird  Justinus  genannt  als  einer,  der  perf.  eoni.  fiir  ploiq.  ooni. 
gebraucht,  zuerst  bespricht  verf.  6,6:  tanta  —  uictoriam.  hier  sind 
zwei  facta  als  solche  neben  einander  gestellt  ohne  rücksicht  auf  den 
historischen  fortgang.  es  folgt  6,  2  quibus  —  seruauit;  11,  13  cum  ad  pug- 
um  —  ^nisissent;  12,  16  qtiam  enm  Aeaeidamm  et  q.  seo.;  14,  4  tanto 
~  superanerit;  14,  5  tantum  —  laterent;  82  ausg. :  moderationis  — 
temptassent;  37,  1  Mithridates  —  redderetur;  44,  2:  cuius  ea  —  uide- 
retur.  verf.  wendet  sich  zu  Vell.  Paterc.  und  behandelt  II  122  qui 
foerit.  dann  folgen  iTIorus  3,  20  bellum  —  calamitatem;  1,  14  quo 
spsriret;  3,  2  ntnnsqae  —  nestris;  8,  5  inde  —  eonsnmeretnr;  8,  19 
•0  BS  — -  nenerit  Liv.  21,  13  cum  ille  —  neni.  endlich  Cic.  ad  fam. 
9,  14  nam  —  ardentius;  ad  Attic;  17,  7  perspici  —  postulauerit;  ad 
Attic.  12,  8  nee  uero  —  subuenturus  esset;  ad  Qu.  fr.  1,  1  factum  est 
adducere;  Brut.  26  sed  uec  est  —  elinguis;  de  fin.  1,  7  quod  uero 
leeaii  —  imperli;  de  deor.  nat.  1,  S5  idem  faeit  —  neeessaiiom;  1,  d8> 
stomachabatur  senez  —  aeeeperit;  de  legg.  2,  3  nee  enfm  —  peedm; 
pro  Flacc.  12  licuisse  —  decesserit;  in  Pison.  24  cum  uero  non  modo 
—  rapiebat;  in  Verrem  I  extr. :  dicimus  C.  Verrem  —  abstulisse;  in 
Verrem  II  5  quae  cum  —  miserit;  HI  80  tu  magno  —  datum;  I  2  equi- 
don  —  indioio;  IV  68  qved  antem  —  sematwn  est;  69  mihi  eredite-~ 
oppidorum;  pro  BoBC  Am.  45  ego  haec  —  scripta  sit;  |Hro  Claent  16 
quid  unquam  —  possent.  derartige  erörterungen  über  einzelne  puncto 
der  grammatik  und  belegung  der  gewonnenen  ansichten  über  einzelne 
eiieheinaogen  durch  beispiele  aus  den  verschiedensten  gebieten  der 
litteratur  ist  gewinnbringend  und  man  kann  nnr  wQnsehen»  dassi  verf,, 
der  sich  besonders  begabt  erweist  sur  aaffassung  und  erörterung  gram» 
matischer  dinge,  in  dieser  richtung  seine  Studien  fortsetzt;  nur  möch- 
ten wir  ihn  bitten,  bei  abermaliger  Veröffentlichung  gewonnener  gram- 
nttiseher  ergebnisse  vom  gebrauch  der  lateinischen  spräche  abzusehen, 
von  den  mitgeteilten  stellen  ans  Gieero  sttdit  das  latein  des  verC  in 
wenig  erfreulicher  weise  ab.  und  wozu  denn  überhaupt  heute  noch  so 
viel  latein  schreiben,  wir  sind  ja  Deutsche,  so  laszt  uns  auch  hierin 
deutsch  sein,  wirklich  wissenschaftliche  ergebnisse  nehmen  sich  im 
Msade  der  deutschen  spräche  sehr  gut  aus,  aber  allerdings  gewährt 
«SIS  nieht  die  mSgliehkeit,  gedankenamnt  doroh  wortreiohtom  an  ver- 


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360    Phüologisohe  piogramine  d«iitieli6r  liOlmr  lehrauBtalten. 


d«eken.  diese  g^slir  liegt  aber  bei»  gebrauohe  einer  todten  tpradie 

überaus  nahe. 

pATSCHKAü.  städt.  kath.  gymn.  Schuljahr  1873 — 74.  6  classen, 
10  lebrer,  226  Schüler.  —  Abb.  des  Oberlehrer  dr.  Lariscb:  'ein  beitrag 
wm  Mtik  dei  ereteii  bnebet  der  nataralee  ^puieetfoBes  dee  Seneck*,  ils 
seblnss  des  Saganer  prof^ramms  von  1870.  die  Siteele  ]M.t  die  Hüi- 
bergensis,  ist  stark  interpoliert,  es  sind  daher  für  die  n.  qn.  vor  allem 
£  und  W  nebst  L  zu  berücksichtigen;  nur  vro  sinn  und  Sprachgebrauch 
gegen  diese  mss.  streiten,  darf  yon  ihnen  abgewichen  werden.  Terf. 
beliebt  eieb  auf  die  avegabeit  vob  Haaee  and  Fiebert  tewie  aef  9^ 
diss.:  de  Sen.  n.  qn.  codice  Leid.  Voss,  et  locis  ttlofiim  ab  Yinoentio 
Bellovacensi  excerptis.  Breslau  1865.  prol,  §  2:  inter  duas  tantnin 
interest  WL ,  tantnm  fehlt  £,  steht  in  W  über  der  zeile,  in  L  am  raode, 
bat  also  im  arcbetypns  Tor  interest  über  der  seile  oder  am  rande  g«« 
standen  und  ist  in  £  Tergessen.  altera  mnItMei  sopra  liane  eelifiMB 
excedit  geben  EWL  für  das  an  sich  mögliche  mul/o.  et  ex  tenebris 
erutos  EW.  verf.  bespricht  hier  die  bedeutnng  von  ernere  und  den  ge- 
brauch des  Wortes,  um  die  richtigkeit  der  lesart  von  KW  zu  begrüudeo. 
§  8  totos  In  se  tendat  nacb  EWL  tendere  bier  in  der  bedeatung  'riolitai 
eder  sieb  riebten  anf  etwas*  sss  animo  et  eogitatione  in  se  ipsum  fe€0- 
yerti.  an  et  ad  nos  nach  EWBL.  liber  est  et  potens  nach  EW.  ipse 
est  enim  unter  beziehung  auf  andere  stellen  und  F.  Schultz  lat.  sprach!. 
§  442,  2.  §  4.  peritnrum ,  nisi  subjnde  impleretor  nach  EWL.  für  im- 
pleatnr,  weleber  eonionetiTns  potentialis  nur  sebr  geewnngen  eiUirt 
werden  konnte,  während  der  snbianctivas  conditionalis  völlig  sinngemlsf 
ist,  durch  ähnliche  stellen  hinreichend  bestätigt  und  durch  die  mss. 
empfohlen  wird.  §  6.  qui  robustior  est  ualitudinario  für  in  ualit.  §  6. 
quae,  omnibus  qnidqoid  ab  stallt,  sibi  ipsi  neget  nach  £W.  nec  ambitio 
W,  nen  in  E  nnr  sebreibMIer.  lazat  et  praeparat  naeh  BWL.  S  7. 
despiciens  et  angnstam  BW.  verf.  rermutet  auch  hinter  apertum  msii 
noch  ein  et.  §  11.  observat,  ubi  quaeque  Stella  primum  terris  Inmen 
ostendat,  ubi  culmeu  summum  eius  cursus  sit,  quousque  descendat  nach 
£W.  diese  lesung  wird  begründet.  §  12.  qaantum  est  enim  nach 
EWL.  inplebit  wird  naeb  BWL  gestrieben ,  an  paneis  sunmanB  dii- 
nun  spatinm  wird  est  ergänzt,  das  eindringen  von  inplebit  durch  ein 
ausfallen  von  ferat  erklärt,  dies  genüge  als  probe  des  Verfahrens  des 
Verfassers  und  zuf^Ieich  um  alle  diejenigen,  die  sich  mit  Senecastudien 
beschäftigen,  auf  die  arbeiten  des  verf.  aufmerksam  zu  machen,  ein 
aussog  ans  einesi  Programme  dieses  inbalts  ISsst  sieb  Hiebt  gsbss, 
wenn  man  niebt  etwa  nur  die  herstellungen  an  wichtigen  stellen 
registrieren  will,  womit  aber  das  verfahren  des  verf.  wenig  gezeichnet, 
anch  denen,  welche  sich  mit  ähnlichen  Studien  abgeben,  nicht  gedient 
wäre,  jenem  musz  man,  wenn  man  nutzen  haben  will,  auf  seinem 
gansen  wege  folgen,  diese  kOnnea  davon  nichts  haben«  dass  ihaen  för 
diese  und  jene  stelle  die  lesart  eines  oder  mehrer  bester  cod.  mitgeteilt 
wird,  möchte  verf.  bald  zeit  gewinnen,  nach  Haase  und  Fickert  eine 
neue,  sich  an  die  haiipthss.  in  der  von  ihm  bisher  befolgten  weise  an- 
Bchlieszende  ausgäbe  des  nat.  quaest.  oder  des  ganzen  Seneca  tn 
liefern. 

(fortsattvag  folgt.) 
Babtekbtein.  H.  K.  Bbnioibn* 


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ZWEITE  ABTEILirNG  (U8a  BAND). 


seitä 

(22.)  Zar  methode  des  lateinischen  elementarunterrichts  auf 

dem  gymnasium.    von  H'.  Fries  in  Barmen,    (schlusz)  .  313—330 

30.  Zur  behandlung  des  religionsunterrichtcA  auf  den  ober* 
8ten  classen  des  gymnasiuras.    von  A.  Rieder    in  Gum- 

binnen   330—333 

31.  Thiele:  der  Römerbrief  in  der  gymnasialprima.  ein  exe- 
getischer versuch  (Leipzig  1878).    angez.  von  ß.  Pansch 

»    in  Rendsburg   333—337 

82.  ff.  Warschauer:  Übungsbuch  zum  übersetzen  aus  dem 
deutschen  in  das  lateinische  für  quarta,  im  anschlusz  an 
die  gebräuchlichsten  grammatiken,  besonders  an  die  von 
EUendt- SeyfFert.  mit  Wörterverzeichnis.  —  Desgl.  für 
tertia  (Jena  1876).  angez.  von  ff*.  FoUbrecht  in  Ratze- 
burg   337—343 

33.  G.  Stier:  material  für  den  mittelhochdeutschen  Unter- 
richt auf  höheren  leliranstalten.  enthaltend:  geschicht- 
lich-geographische einleitung,  formenlelire,  Wörterbuch; 
anhang  über  neuhochdeutsche  Orthographie,  vierte  auf- 
läge (Leipzig  1877).  angez.  von  H.  Zurhorg  in  Zerbst.  344 — 846 
84.  ff.  Varnhagen:  systematisches  Verzeichnis  der  auf  die 
neueren  sprachen,  hauptsächlich  die  französische  und 
englische,  sowie  die  Sprachwissenschaft  übeihaupt  be- 
züglichen Programm -abhandlungen ,  dissertationen  und 
habilitntionsschriften.  nebst  einer  einleitung.  anhang 
zur  encyclopädie  des  philologischen  Studiums  der  neueren 
sprachen,  hauptsächlich  der  französischen  und  englischen 
von  B.  Schmitz  (Leipzig  1877).    angez.  von  R.  Klussmann 

in  Gera  34(^348 

36.  Wünsche  eines  bibliothekars.    von  N  3*8 — 351 

36.  Zu  Shakespeares  Macbeth,  von  0.  Jäger  in  Köln  .  .  351 — 362 
87,  Zu  zwei  stellen  aus  Goethes  werken,    von  F.  Sehrwald 

in  Eisenach   352—354 

(16.)  Philologische  programme  deutscher  höherer  lehranstalten. 

von  H.  K.  Benicken  in  Bartenstein,    (fortsetzung)     .    .  364—360 


XXXIII.  Versammlung 

deutscher  Philologen  und  Schulmänner. 

Nach  dem  zu  Wiesbaden  im  vorigen  Jahre  gefassten  Be- 
schhisse wird  die  XXXIII.  Versammlung  deutscher  Philologen 
und  Schulmänner  in  Gera  stattfinden. 

Da  Seine  Durchlaucht  der  Fürst  die  Statuten gemässe 
höchste  Genehmigung  zur  Abhaltimg  des  Congresses  ertheilt 
haben,  so  schreiben  wir  hierdurch  die  Versammlung  auf  die 
Zeit  vom  30.  September  bis  3.  October  1878  aus  und  laden 
die  Fach-  und  Berufsgenossen  zu  zahlreicher  Betheiligung  ein 
mit  der  Bitte,  sich  wegen  Beschaffung  guter  und  bilhger 
Quartiere  möglichst  frühzeitig  an  den  mitunterzeichneten  Dir. 
Dr.  Grumme  in  Gera  wenden  zu  wollen.  Vorträge  und  Thesen 
sowohl  für  die  Plenarsitzungen  wie  für  die  Sectionen  bitten 
wir  baldigst  anzumelden. 

Gera,  Jena, 
Director  Grumme*  Professor  Delbrück« 


Im  Verlage  des  Unterzeichneten  erschienen  folgende  nach  dem 


Stammprincip 


bearbeitete  Lehrbücher  für  den  lateinischen  Elementarunterricht: 

Dr.  Oscar  Bertling,  Lateinisches  Elementarbuch  für  Sexta, 

Zweite  Auflage.    1878.    Preis  JL  1.60. 
Dr.  Oscar  Bertling,  Lateinisches  Elementarbuch  für  Quinta. 

1878.    Preis  1.60. 

Dr.  Oscar  Bertling,  Lateinische  Formenlehre. 

.    1877.    Preis  Ji.  1.—. 

Der  Verfasser  bietet  hier  auf  Grund  erfolgreicher  praktischer 
Versuche  einen  genau  ausgearbeiteten  Lehrgang  des  Lateinischen  für 
Sexta  und  Quinta,  durch  welchen  das  wissenschaftlich  zwar  allgemein 
anerkannte,  aber  für  den  Elementarunterricht  hier  und  da  noch  be- 
anstandete • 

Stammprincip 

ohne  Schwierigkeit  zur  Anwendung  gebracht  werden  kann.  Die  Bert- 
ling'schen  Lehrbücher  finden  nicht  nur  allerorts  unbedingte  Anerken- 
nung, sondern  auch  mehr  und  mehr  Einführung  in  Gymnasien.  Den 
Herren  Directoren  und  Lehrern  des  Lateinischen  stellt  der  Unter- 
zeichnete auf  gefl.  Verlangen  Freiexemplare  zur  Kenntnissnahme 
gern  zur  Verfügung, 


Bonn. 


Emil  StrauSS,  Verlagsbuchhändler. 


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ZWEITE  ABTEILUNG 

FÜB  GYMNASIALPÄDAGOGIK  üiSD  DIE  ÜBfilGEN 

LEHRFlGHEB 

MIT  AUSSCHLC8Z  DBB  CLAB8ISCHBH  PUlLOLOaiB 

HEBAUSOEGEBRN  VOK  PBOP.  DB.  HeBMANN  MaSIUS. 


88. 

NOCTES  SCHOLASTICA£. 


Die  bildung  des  jungen  philologen. 

Es  war  ziemlich  spät  geworden,  als  wir  von  tische  aa&tandenf 
und  die  henren  anstalt  machten ,  sich  in  des  Taten  stnbe  surflckzn- 
aiehen  nnd  dort  das  abgehrochene  gesprioh  fortiusetzen. 

Was  haben  wir  nnn,  sagte  die  junge  fran  prediger,  den  lieben 
langen  tag  Ton  Ihnen  g^bt,  nnd  was  werden  wir  nun  noch  von 
Ihnen  haben?  da  haben  Sie,  hOre  ich,  bei  hennetisch  geschlossenen 
thllren  gesessen  nnd  Ihren  hochwohlweisen  ratii  gepflogen;  bei 
tis^e  haben  Sie  dann  nna  armen  nnglflckliehen  wesen  kanm  eines 
hlickes ,  geschweige  denn  «Ines  wertes  gewürdigt,  und  nns  nur  ein- 
aelne  broäen  von  Ihrem  gespr&che  kosten  lassen,  ans  denen  ein  an- 
derer als  ich  klug  werden  mag;  und  jetst  wollen  Sie  sich  wieder  ab- 
sondern nnd  nns  nnserm  Schicksal  ttberlassen«  ich  denke,  das  darf 
Hiebt  geschehen,  nnd  ich,  obgleich  die  jüngste  von  nns  dreien,  lege 
dagegen  feierlichen  protest  ein.  wir  sind  vielleicht  nicht  im  stände, 
Ihnen  schritt  für  schritt  anf  dem  dnnklen  pfade  Ihrer  forsdiungen 
zu  folgen,  aber  es  ist  nns  doch  nichts  von  dem  gleicfagflltig,  was  Sie 
80  selv  beschftftigt,  nnd  wir  werden  doch  im  allgemeinen  gegenständ, 
aweek  nnd  zeit  fiirer  debatten  zn  verstehen  im  stände  sein,  nnd  nns 
freuen,  wenn  wir  verstehen,  was  Sie  meinen,  nnd  wenn  es  nns  leicht 
wird  zn  folgen,  denn  dasz  Sie  noch  lange  nicht  fertig  sind,  sondern 
noch  mit  grossen  dingen  nmgehen,  war  Ihnen  mit  halbem  auge  ab- 
znselien. 

Es  geschah  so,  wie  die  junge,  schöne  nnd  entschlossene  fran 
wollte,  indes  der  tisch  abgeräumt  wnrde,  begaben  wir  uns  in  die 

N.  iahrb.  f.  phil.  u.  pä  J.  II.       1878.  hK  8.  24 


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362 


Noctes  Bcholasticae, 


grosze ,  helle  und  warme  stube  meines  vaters ,  und  saszen  dort  bald 
um  den  runden  tische  bereit,  das  grosze  und  gute  zu  empfangen,  was 
da  kommen  sollte,  nur  die  mutter  war  leise  hinausgegangen  und 
kam  bald  mit  zwei  flaschen  des  edelsten  rheinweins  zurück ,  die  von 
dem  Jubiläum  meines  vaters  übrig  waren,  triumphierend,  dasz  sie 
solche  schätze  unter  ihrem  verschlusz  habe ,  setzte  sie  die  flaschen 
Tor  die  herren  und  befahl  mir  die  gläser  zu  bringen,  so,  sagte  sie, 
nun  ist  alles  bereit:  nun  kann  das  gespräch  beginnen. 

Was  war  es  also,  nahm  die  frau  prediger  wieder  das  w(»i,  was 
die  herren  so  interessierte  und  fesselte,  dasz  sie  darüber  bans  nnd 
hof,  frau  nnd  kind  vergaszen? 

Sie  haben  wol  schon  von  meiner  frau  gehört,  erwiderte  ior 
onkel ,  was  uns  zn  dieser  ungewöhnlichen  zeit  hierher  geführt  hat 
unser  Georg  ist  urplötzlich,  ohne  dasz  wir  darauf  vorbereitet  waren, 
der  jurispradeni  ungetrsu  geworden  und  nnter  die  philologen  ge- 
gangen, daran  ist  nun,  wie  ich  den  Georg  kenne,  nidiis  an  lidttn, 
nnd  ich  möchte  au«^  nidits  daran  Andern;  er  mnaa  nun  aräien  vag 
gehen,  wenn  ioih  ea  nnr  erlebe,  daaa  er  ein  in  amnem  Ibdie  solider 
und  tttchtiger  — 

und  ein  guter  und  fronuner,  ergänzte  die  mutter  Georgs  — 
menach  wird,  wir  wOnscben  nnr,  dauss  er  den  rechten  weg  gehe,  und 
data  er  ihn  recht  gehe,  d.  h.  daai  er  ein  eehter  philologe  worde.  oder 
yielmdir  ein  tttchtiger,  philologisch  gebildeter  lehrer.  denn  das  ist 
doch  wol  daa  swl,  auf  das  er  loaarbeitet  ao  kamen  wir  daiaof  in 
fragen,  waa  zu  einem  tttehtigen  lehrer  gehOre,  und  waa  er  stodieres 
mOsse,  um  ein  solcher  zu  werden,  da  haben  Sie,  liebe  frau,  des 
gegenständ  unserer  debatte.  wir  gerieten  dabei,  ganz  gegen  unser« 
absidit,  immer  tiefer  und  tiefer  hinein,  so  daaa  wir  durttber  alles 
Tergassen  und  selbst  Ihre  ankunft  nicht  bemerkten. 

Ach  lassen  Sie  doch  den  spott,  sagte  die  junge  fran  Srgorlieb, 
und  sagen  Sie  uns  lieber,  waa  Sie  bei  Ihrem  tiefim  ainnen  und  brt- 
ten  herausgebracht  haben ,  d.  h.  durch  was  fibr  Studien  Sie  Ora 
Georg  und  jeden  andern  philologen  zu  seinem  amt  und  berufe  tot- 
zubereiten  gedachten,  ich  habe  mir  die  sache  nicht  so  schwer  vor- 
gestellt, wer  ein  festes  ziel  hat,  bildete  i(^  mir  ein,  werde  auch  seliea 
den  weg  zu  finden  wissen,  wenn  er  das  ziel  stetig  im  auge  behalte, 
und  man  könne  einem  jungen,  tüchtigen  manne  den  weg  zu  finden 
selbst  ftberlassen.  es  sind,  sagt  man,  viele  wege,  die  nach  Born  ftk- 
ren;  die  hanptsache  ist,  daaz  man  nach  Bom  konunt. 

Die  Sache  ist  doch  nicht  so  leicht,  sagte  der  onkel,  als  Sie  glau- 
ben; wir  giengen  dabei  etwas  langsamer  zu  werke:  es  war  doch 
nötig,  die  frage  schirfer  zu  feasen  imd  zu  fixieren,  wir  machten  da* 
her  einen  unterschied  zwischen  der  reinen,  ungemischten  und  as- 
geteilten  philologie,  wie  sie  etwa  der  treiben  könnte  oder  mttste,  der 
ein  akademisches  lehramt  im  auge  bitte,  und  deijenigen,  welche  der 
zukfinftige  gymnasiallehrer  zu  treiben  bitte,  die  erstere  interessierte 
uns  weniger;  wir  beschrinkten  uns  auf  das  letztere,  mein  söhn  ni 


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Koetes  acholasticae. 


368 


in  9mm  absiebten  sehr  besobeiden.  er  ist,  scbreibt  er  mir  in  seinem 
lebten  briefe,  mit  der  ganzen  seelepbilologe,  aber  nur  in  der  yorans- 
Setzung,  dass  er  in  einem  sebnlamte  diese  seine  wissensobaft  fttr  eine 
empföngliche,  strebende  Jugend  verwerten  kOnnte;  ermOdite  aber 
imih  nicht  lehrer  sein,  wenn  es  nicht  der  kreis  des  philologischen 
wSre,  in  dem  er  seine  lehrthätigkeit  ttben  könnte*  er  mOchte  weder 
die  Philologie  ohne  ein  schnlamt,  noch  ein  schnlamt  ohne  die  Philo- 
logie, in  der  Terbindnng  dieser  beiden,  des  philologen  nnd  des  leh- 
ren, lag  die  grosse  Schwierigkeit  unserer  frage,  mit  dem  philologen 
allem  witien  wir  schon  fertig  geworden,  die  grosse  schwieri^^roit  lag 
in  dem  philologen  als  lehrer. 

Fahren  Sie  nur  fort,  sagte  meine  matter;  Sie  haben  einen  in- 
teiMsanten  und  zugleich  wichtigen  gegenständ  der  besprecbuug 
gehabt. 

Hier  nun  Überzeugten  wir  un.s  ])alcl,  dasz  allerdings  jeder  lehrer 
von  kernhaftigkeit  einen  mittelpunct  für  seine  geistige  thätigkeit, 
für  sein  wissen  und  streben  haben  müsse,  wie  z.  b.  die  philologie 
oder  die  geschichte  oder  die  mathematik,  dasz  es  aber  nicht  aus- 
reiche, in  einem  dieser  fächer  ganz  gediegen  und  solide  zu  sein,  son- 
dern dasz  für  ihn  eben  als  lehrer  gewisse  andere  Wissenschaften, 
ich  sage  nicht  kenntnisse,  iinerläszlich  seien,  ohne  die  seine  bil- 
dung  als  lehrer  und  erzieher  nur  eine  mangelhafte  und  geradezu  ver- 
stümmelte sein  würde. 

Wie  meinten  Sie  das,  sagte  meine  mutter,  Wissenschaften  und 

nicht  kenntnisse? 

Nun  ich  denke,  dasz  man  viele  kenntnisse  besitzen  könnte  ebne 
Wissenschaft,  und  ebenso  Wissenschaft  ohne  gerade  eine  ausgebreitete 
fölle  von  kenntnissen.  kenntnisse  sind  eine  vielheit»  Wissenschaft 
ist  eine  einbeit;  kenntnisse  liegen  ausgebreitet  neben  einander,  die 
Wissenschaft  wächst  wie  ans  einer  einfachen  wurzel  hervor;  kennt- 
nisse erwerben  sich  bei  einem  offenen  geist  durch  nmgang,  lectüre 
hbw.  leicht,  Wissenschaft  ist  die  frucbt  eines  intensiven  und  anhalten- 
den Studiums;  kenntnisse  erregen  oft  staunen  und  bewunderung, 
Wissenschaft  wird  immer  acbtung  erwerben.  Sie  sehen,  dasz  es  mir 
als  vater  vielmehr  um  Wissenschaft  als  um  kenntnisse  zu  thun  ist. 
natürlich  können  sich  auch  kenntnisse,  wie  dies  in  den  exacten  Wissen- 
schaften zum  teil  der  fall  ist,  zusammenscblieszen  und  verdichten, 
und  so  zur  Wissenschaft  werden,  wie  jene  umgekehrt  nach  allen  Seiten 
hin  ihre  fühlhömer  ausstrecken,  sich  erweitem  und  mit  einer  kröne 
?on  kenntnissen  umgeben  kann. 

Ich  habe  immer  geglaubt«  sagte  meine  mutter,  dasz  die  Wissen- 
schaft aneh  nur  in  einem  schon  etwas  hohes  und  seltenes  sei,  und 
oftmals  von  meinem  manne  die  klage  gehOrt,  dasz  die  zahl  derer,  die 
eme  einzige  Wissenschaft  besitzen  nicht  groBz ,  ja  in  einem  stetigen 
abnehmen  begrijßen  sei,  und  nnn  wollen  Sie,  wie  ich  vermute,  zu  der 
einen  fachwissenschalt  aene  Wissenschaften  hinzufflgen?  hmszt  das 

24* 


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o64 


Noctes  scholasticae. 


nicht  einen  jungen  mann  überbürden?  und  werden  Sie  nicht  dordi 
diese  erweiterung  des  Studiums  seine  Vertiefung  und  Samm- 
lung in  seiner  eigentlichen  fach  Wissenschaft  yermindem? 

Ich  fürchte  nicht ,  sagte  der  onkeL  aber  halten  Sie  zunächst 
fest,  dasz  unsere  absieht  war,  den  idealen  und  seiner  idee  ent- 
sprechenden lehrer  zu  construieren,  etwa  wie  im  alterimn  Cicero 
nnd  Quintilian  den  idealen  redner  constmierl  haben,  sie  fragten 
nicht,  wo  ist  nun  der  redner ,  den  wir  sndien?  ist  es  DemoBthflnes? 
ist  es  Cicero?  sondern  sie  faszten  den  redner  in  seinem  begriff  nnd 
in  seiner  Vollendung  ins  auge ,  wie  er  in  ihrer  idealen  snacimaiig 
lebte,  nnd  maszen  nach  diesem  bilde  die  wirUiehen  redner.  sie  stie- 
gen nicht  von  den  vorhandenen  rednem,  fiüheren  oder  noeh  leben- 
den, zur  idee  des  redners  anf,  sondern  von  dieser  idee  desselben 
ZQ  den  einzelnen  and  wirldii^en  rednem  hernieder,  so  wellen 
auch  wir  nicht  den  verUltmssen  nnd  zustSnden  der  jetzigen  Idirer- 
weit  za  nahe  treten;  im  gegenteil  wissen  wir,  dass  nachahmung 
glSnzender  Vorbilder  und  bdapiele,  lange  präzis  nnd  erfohrung,  auf 
vergleichung  und  nachdenken  mhend,  ein  natllrlicher,  im  einzelnen 
das  rechte  treffimder  taot,  anch  da,  wo  die  vollendete  lehrerbildnng 
fehlt,  das  fehlende  ergSnsen  nnd  das  mangelnde  verdecken  kann,  so 
dasz  der  einzelne  lehrer  oft  viel  besser  ist,  als  er  nach  seiner  wiasesr 
schaltlichen  bildung  erseheinen  würde,  aber  wenn  anch  hier,  wie 
überall  y  der  edle  mensch  in  seinem  dunklen  dränge  sich  des  rechten 
weges  wol  bewuszt  ist,  so  sind  doch  alle  jene  mittel^  als  da  sind  praxis, 
erfahrung,  nachahmung  usw.  nur  snbsidiftre,  die  einen  gelegentlich 
auch  wol  im  sticfae  laraen,  und  meist  gerade  da,  wo  man  ihrer  am 
meisten  bedarf.  jeden&Us  entbinden  sie  uns  nicht  von  der  Verpflich- 
tung, den  idealen  lehrer  anfinisnchen.  wenn  nun  zur  ansbildung  des 
idealen  lehrers  gewisse  Wissenschaften  gehören,  die  meinetwegen 
wenige  wirkliche  lehrer  in  sich  vereinigen,  so  ist  das  nebensadw, 
was  etwa  der  philologie  dadurch  f&r  eine  minderung  widerMrt;  wir 
suchen  zunSchst  nur  das  begrifflich. notwendige  festzustellen,  und 
werden  dann,  wenn  dies  erkannt  ist^  auch  mittel  und  wege  finden, 
die  einzelnen  Wissenschaften  mit  dieser  absoluten  forderung  in  ein* 
klang  zu  setzen,  unsere  sorge  wird  es  dann  sein,  zu  überlegen,  was 
z.  b.  aus  der  pMologie  werden  wird,  wenn  dem  jungen  lehrer  noch 
die  und  die  Wissenschaft  zugemutet  wird,  denn  fi:eilich  wird  sich 
auch  die  philologie  gewisse  modificationen  gefidlen  lassen  müssen, 
wenn  sie  genötigt  ist,  in  der  seele  eines  jungen  mannes  anderen 
disdplinen  neben  sich  räum  zu  gestatten. 

Weiter,  weiter  drSngte  meine  mutter. 

Wir  meinten  also,  dasz  der  philologische  lehrer  sich  als  lehrer 
erweisen  mllsse  durch  eine  theologische  und  eine  philologische  bil- 
dung: ich  verstehe  immer  wissensäiaftliehe;  wir  erkannten  dies  als 
einen  hanptfehler  des  Wieseschen  reglements,  wür  wollen  es  koiz  so 
nennen,  dasz  in  diesem  nicht  die  absolute  notwendigkeit  dieser 
doppelten  bildung  anerkannt,  sondern  beiden  disciplinen  fSr  ge- 


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Noctes  scholasidcae. 


366 


wisse  tßüe  der  platz  unter  denen  angewieaen  ist,  fOr  die  nur  eine 
allgemeine  bildnng  erforderlich  ist. 

Ich  Ternrate,  dasz  Sie  an  der  allgemeinen  bildong  anstosz 
nehmen,  sagte  meine  mntter.  ist  es  nicht  schon  erfreulich,  dass  es 
wenigstens  jetzt  gesetzlich  mü^lich  ist,  diejenigen  vom  schnlamte 
fern  zu  halten,  wdche  in  diesen  dingen  völlig  unwissend  oder  ihnen 
geiadezn  feincUich  sind? 

Nein,  erwiderte  der  onkel.  was  ist  denn  allgemeine  bildong? 
wollen  Sie  mir  das  erklttren?  es  ist  ein  so  nichtssagendes  wort,  ein 
so  dehnbarer  begriff,  der  je  nach  belieben  bald  ins  unendliche  auf- 
geblasen, bald  bis  auf  wenige  allgemeinheiten  zusammengedrttckt 
weiden  kann:  ich  weisz  von  jungen  leuten,  die  eine  allgemeine  bil- 
dong in  der  xeligion  zu  besitzen  glaubten,  und  nach  entstehung,  bil- 
dong und  abschlusz  des  alttestamentlichen  kanon  befragt  wurden, 
imd  von  andern,  die  ihre  allgemeine  bildung  in  der  philosophie  durch 
eine  eingehende  prttfung  über  CSartesius,  Baoo,  Hobbes  und  Locke  dar* 
legen  sollten  :  und  wenn  nur  dies  zur  allgemeinen  bildung  gehörige 
ein  so  festes  und  faszbares  wttre ,  wie  es  etwa  der  Jurist  im  römischen 
recht  vor  sich  hat,  wenn  nur  nicht  den  subjectivsten  meinungen,  phan- 
tasieen  und  bypothesen  dabei  thflr  und  thor  geöffnet  wUre !  ich  sage 
Ibnen,  es  ist  etwas  völlig  wertloses :  ein  nebelgebilde  ohne  kern,  ein 
qnantum  von  kenntnissen  ohne  innem  zusanunenhang,  ohne  einbeit, 
ohne  beziehung  auf  ein  princip,  ohne  zweck  und  ziel,  ich  halte  es  für 
leichter,  sidi  auf  beiden  gebieten  eine  wissenschaftliche  kenntnis  als 
diese  allgemeine  bildung  zu  erwerben,  das  musz  auch  der  urheber 
des reglements  eingesehen  haben,  wie  wir:  er  hat  sich,  da  er  daran 
verzweifelte  die  solide  Wissenschaft  durchzubringen,  mit  diesem 
schatten  der  Wissenschaft  begnttgt. 

Sie  wollen  also ,  nahm  meine  mutter  wieder  das  wort,  dasz  der 
jnnge  lehrer  nicht  ein  gewisses  gröszeres  oder  geringeres  quantum 
von  kenntnissen ,  nicht  eine  allgemeine  bildung  in  religion  und  phi- 
losophie ,  sondern  eine  wissenschaftliche  einsieht  und  kenntnis  mit- 
bringe :  wissen  Sie  auch  wol,  was  Sie  da  fordern? 

Qewis>  verehrte  frau,  erwiderte  der  onkel;  aber  ich  bedenke, 
dasz  es  in  der  Wissenschaft  gewisse  grade  und  abstufungen  gibt,  auf 
denen  der,  welcher  sie  treibt,  mehr  oder  minder  hoch  emporsteigfcy 
und  die  man  durchaus  alle  erstiegen  haben  müste,  um  in  der  Wissen- 
schaft als  ein  mann  der  Wissenschaft  gelten  zu  können,  die  Wissen- 
schaft ist  sowol  an  und  fOr  sich  eine  im  fortschreiten  begriffene  als 
auch  in  jedem  einzelnen,  der  sich  ihr  widmet,  eine  sich  allmählich 
vollendende,  es  ist  also  z.  b.  nicht  meine  ansieht,  dasz  jemand  etwa 
eine  hohe  theologische  bildung  besitzen  müsse,  um  zu  einem  schul- 
amte  thätig  zu  werden,  wol  aber,  dasz  er  des  wissenschaftlichen 
Sinnes  und  geistes  teilhaftig  sei ,  der  ihn  von  innen  heraus  zu  höhe- 
rem Wachstum  in  die  Wissenschaft  hinein  befähige. 

Es  ist  mir  neu,  was  Sie  sagen,  entgegnete  die  mutter;  ich 
habe  immer  geglaubt,  dasz  die  Wissenschaft,  jede  Wissenschaft  ein 


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366 


Noctes  teholMticae. 


ganses  sei,  das  man  als  ganses  fiwseB,  als  ganzes  an  sich  zielieii 
mfisie. 

Ohne  sweifel,  nur  dasz  dies  ganze  kein  absolotes,  sondern  ein 
relaÜTes  ist.   zunlehst  denken  wir  ans  die  Wissenschaft  als  eine 
lebende,  d.  h.  als  eine  entweder  von  innen  heraus  sidii  entwickelnde 
oder  Ton  aossen  in  ihrer  entwioklong  gefilrderte.  die  fortsdiritte  in 
einer  Wissenschaft  sind  bald  rascher  und  rapider,  bald  langsamer, 
bald  scheinen  sie  ganz  ao&ahören  und  die  Wissenschaft  im  absterben 
begriffisn.  es  ist  gesagt  worden,  dasz,  wenn  ein  in  einer  Wissenschaft 
darchans  tttohtigw  mann  etwa  flinf  jähre  fem  von  Europa  und  ohne 
jeden  connez  mit  Europa  bliebe,  er  bei  seiner  rOckkehr  oft  gar  nicht 
mehr  die  technische  spräche  dieser  Wissenschaft  yerstehen  würde, 
so  drttngt  die  wissensdiaft  hier  Yorwirts,  wihrend  sie  auf  etnem 
andern  gebiete  wie  erstorben  scheint,  genug  es  gibt  keine  absdute 
Wissenschaft,  sondern  nur  die  Wissenschaft,  wie  sie  in  einer  bestimm- 
ten zeit  sich  gestaltet  hat.  wer  diese  wissensdiaft  nun  so  beheischte, 
dasz  er  auf  ihre  bisherige  entwieklung  zurftckbHck^  und  im  vorwis 
ihre  weitere  entwicUung  divinimnd  erkennen  kOnnte,  von  dem 
würde  ich  sagen,  dasz  er  auf  der  hOhe  seiner  Wissenschaft  stflnde. 
wie  wenigen  ist  nun  dies  vergönnt!   selbst  die  heroen  in  einer 
Wissenschaft  ergreifen  eine  der  vielen  disciplinen,  welche  diese 
Wissenschaft  umfeszt,  und  ftlhren  die  Wissenschaft  weiter,  indem  sie 
diese  bestimmte  disciplin  weiter  führen.  fCLr  uns ,  die  wir  nicht  zu 
diesen  heroen  ztthlen,  ist  es  genug,  wenn  wir  das  princip  einer  Wissen- 
schaft, die  specielle  art  ihrer  entwieklung  und  die  von  innen  ha^ 
aus  treibenden  krfifte,  das  ziel,  auf  das  sie  zustrebt,  ihren  umfang 
und  ihre  wesentlichen  zweige  kennen ,  und  zwar  nicht  als  BusEerlich 
gelernte,  sondern  als  innerlich  ergrififene,  in  unser  ganzes  wesen  ver- 
arbeitete und  durchlebte,  es  sind  nicht  die  kenntnisse ,  welche  den 
theologen  ausmachen,  sondern  der  sinn  und  geist  der  theologie,  den 
er  in  sich  trägt,  und  dieser  sinn  und  geist  kann  sehr  wol  derselbe 
sein  in  dem  gelehrten  professor  der  theologie  und  in  dem  einfachen 
und  einsamen  dorfpfarrer,  der  an  allen  den  fortschritten  seiner 
Wissenschaft  wenig  oder  gar  keinen  teil  genommen  hat.  so  wollen 
wir  auch,  dasz  der  junge  philologe,  den  wir  zum  lehr  er  erziehen, 
nicht  ein  vollendeter  pldlosoph  oder  theologe  sei,  wol  aber,  dasz  er 
von  dem  geiste  dieser  Wissenschaften  durchdrungen  und  beseelt  sei. 
dieser  geist  kann  mehr  oder  weniger  kraftigkeit,  lebendigkeit  haben; 
es  ist  aber  derselbe  geist,  der  in  den  ersten  auffingen  der  Wissen- 
schaft wie  in  ihrer  späteren  ausbildung  vorhanden  sein  mnsz.  es  ist 
derselbe  geist,  der  die  Wissenschaft  aus  sich  hervortreibt  und  die 
personen,  welche  der  Wissenschaft  dienen,  durchdringt,  derselbe 
geist,  der  die  einbeit  der  Wissenschaft  bildet  und  die  jfinger  der 
Wissenschaft  vom  höchsten  bis  zum  kleinsten  zu  einer  lebendigen  Ge- 
meinschaft und  einheit  verbindet. 

Das  ist  alles  recht  schön,  sagte  meine  mutter;  dadurch  wird 
aber  die  last  nicht  vermindert,  die  sie  den  armen  jungen  leuien  auf- 


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Noctes  scholaaticae. 


367 


legen,  wie  viel  zeit,  wie  viel  arbeit,  um  diesen  geist  kennen  zu  lernen 

und  zu  gewinnen ! 

Als  ich  jung  war,  sagte  der  professor,  bin  ich  jähre  lanp-  in  die- 
ser und  jener  Wissenschaft  umhergegangen  als  ein  fremder,  ich 
lernte  in  der  geschichte  zahlen  und  namen  und  glaubte  wol,  dasz  dies 
geschichte  wäre,  zufällig  bekam  ich  Rankes  fUrsten  und  Völker  von 
Südeuropa  in  die  bände:  von  diesem  augenblicke  an  wüste  ich,  was 
geschichte  sei.  es  ist  mir  mit  Ritter  ebenso  gegangen,  manche  an- 
dern werden  sich  so  Schleiermachers  und  Neanders  erinnern,  darin 
sind  die  geister  verschieden:  den  einen  packt  es  mit  augenblicklicher 
gewalt,  der  andere  ringt  sich  aus  nacht  und  nebel  mühsam  empor. 
Sie  müssen  wenigstens  die  möglichkeit  zugeben,  dasz  es  für  den 
empfänglichen  und  fähigen  geist  keines  erdrückenden  Studiums  be- 
darf,  um  zu  wissen,  was  religiöser  sinn  und  philosophische  ged&nken- 
form  sei. 

Ich  gebe  das  zu,  sagte  meine  mutier,  aber  ich  kann  den  rechten 

nutzen  noch  nicht  erkennen. 

Nehmen  Sie,  liebe  freundin,  irgend  eine  Wissenschaft ,  und  stel- 
len Sie  den  mann  von  allgemeiner  bildung  und  den  von  dem  geist 
der  Wissenschaft  durchdrungenen  neben  einander,    es  sei  die  ge- 
schichte. keine  Wissenschaft  ist  mehr  geeignet,  sich  liebhaber  und 
dilettanten  zu  gewinnen,  sie  bietet  eine  fülle  des  interessanten  und 
pikanten ,  sie  gibt  febselnde ,  oft  hochromantische  erzählungen  von 
ereignissen;  sie  überrascht  durch  jähe  contraste,  sie  läsztuns  an  den 
Schicksalen  von  porsonen  teil  nehmen,  indem  sie  uns  reizt,  uns  mit 
ihnen  zu  identificieren,  sie  hält  auch  das  ethische  und  religiöse  inter- 
esae  lebendig,  indem  sie,  gegen  wart  und  Vergangenheit  verknüpfend, 
uns  ein  höheres  walten  in  denselben  erkennen  läszt.  treten  wir  mit 
wissenschaftlichem  sinn  an  die  geschichte.   unsere  neugier  ist  nicht 
gespannt,  ereignisse  und  personen  haben  keinen  poetischen  reiz ;  wir 
wollen,  was  uns  von  den  dingen  erzählt  wird,  prüfen,  ehe  wir  aus 
ihnen  Schlüsse  ziehen,   wir  prüfen  die  erzählungen  auf  die  glaub- 
würdigkeit  der  erzähler,  auf  die  innere  Wahrscheinlichkeit,  die 
Wissenschaft  ist  vor  allem  kritisch,   sie  will  nicht  bewundern ,  son- 
dern verstehen,   verstehen  aber  heiszt  die  wirkenden  kräfte  kennen, 
welche  ein  ereignis  oder  eine  reihe  von  ereignissen  hervorgetrieben  ' 
haben,  und  die^r  wirkenden  kräfte  sind  unzählige,  aus  der  tiefe,  aus 
der  Verborgenheit  arbeitende,  zum  teil  solche,  die  wir  nur  divinieren 
können,    nach  diesen  kräften  forscht  der  historiker.  Droysen 
hat  den  treffenden  ausdruck  forschend  verstehen  hiefür  ge- 
braucht.   Sie  können  unmöglich  noch  fragen,  was  uns  die  wissen- 
schaftliche bildung  leistet  im  gegensatz  zu  der  allgemeinen  bildung. 
sie  stellt  uns  auf  einen  andern  standpunct,  gibt  uns  ein  anderes  auge 
um  zu  sehen,  gibt  uns  andere  kriterien,  um  zu  urteilen ;  sie  lehrt  uns 
vergleichen  und  entscheiden,  combinieren  und  auseinanderhalten;  sie 
Weist  uns  in  die  tiefen,  aus  denen  die  erscheinungen  emporsteigen, 
und  erhebt  uns  zu  den  höhen,  von  denen  wir  eine  weit  überblicken. 


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368 


Noctet  tdbolABÜcae. 


Sie  setzen  hierbei  immer  den  gelehrten  lorscher  voraus,  sagte 
meine  mutter. 

Nein,  ich  meine  vielmehr,  dasz,  wer  nur  einmal  die  Wissenschaft 
gekostet,  nur  ein  einziges  problem  derselben  hat  lösen  helfen,  nie  in 
seinem  leben  den  sinn  und  geschmack  dafür  verlieren  wird,  er  ist 
darum  noch  nicht  der  wissenschaftlich  durchgebildete  mann  gewor- 
den, aber  er  hat  die  richtung  des  gei>t«s  erhalten,  die  zur  wissen- 
schaftlichkeit führt,   ich  sagte  vorher,  eine  seite  von  Ranke,  von 
Ritter  habe  hingereicht,  mir  eine  ahnung  davon  zu  geben,  was  ge- 
schichte,  was  geographie  als  Wissenschaft  sei;  damit  bin  ich  kein 
historiker,  kein  geograph  geworden;  aber  ich  hatte  eine  richtung 
erhalten ,  die  ich  nie  verloren  habe,   es  war  der  keim  zu  dem ,  was 
später  aus  mir  f,'e worden  ist  oder  hätte  werden  können,  dasz  dieser 
keim  sich  entwickle  zu  einem  bäume,  erfordert  freilich  viele  mühe 
und  arbeit ;  es  geschieht  nicht  von  selbst,  dasz  das  wissenschaftliche 
denken  erstarke ,  dasz  die  Vorstellungen  sich  verdichten ,  dasz  eine 
geläufigkeit  entstehe  in  diesen  denkoperationen,  dasz  eine  fülle  ana- 
loger erscheinungen  zu  geböte  stehe  und  zur  band  sei;  aber  das  müs- 
sen Sie  doch  sagen ,  dasz  man  auch  bei  dem ,  der  in  den  anfangen 
stehen  geblieben  ist,  bleiben  wir  bei  dem  dorfparrrer,  und  wenn  er  nur 
den  mund  aufthut,  sofort  erkennen  kann,  ob  er  die  wissenschaftliche 
weihe  erhalten  hat.  der  quantitative  unterschied  zwischen  ihm 
und  dem  professor  ist  ohne  zweifei  ein  unendlich  groszer,  qualita- 
tiv aber  sind  sie  gleich,  aus  6inem  mutterleibe  geboren,  von  ^iner 
milch  genährt,  von  einer  band  erzogen,  was  wir  verlangen ,  ist  also 
nicht,  dasz  der  junge  lehrer,  den  wir  erziehen,  eine  volle  theologische 
oder  philosophische  bildung,  so  weit  man  dabei  von  voll  reden 
kann,  mit  zum  schulamte  bringe,  wol  aber,  dasz  er  einer  wissen- 
schaftlichen auffassung  und  behandlung  dieser  gegenstände  fähig-  sei, 
und  fragen  Über  erziehung,  zucht,  regierung,  strafe,  methode,  kurz 
das  ganze  öflentliche  und  private  schulleben  nicht  als  routinier  aus 
roher  empirie  und  praxis  oder  in  blinder  leidenschaftlichkeit,  sondern 
als  ein  durch  diese  Wissenschaften  gebildeter  und  geschulter  mann 
beurteile,   wie  sehr  uns  aber  männer  in  diesem  geiste  not  thun  und 
wie  sehr  sie  uns  fehlen,  wie  sehr  ich  sie  vermisse,  darüber  ist  hier 
doch  wol  nicht  der  ort  zu  sprechen. 

Wie  so?  sagte  meine  gute  mutter,  die  den  onk^  nicht  loslassen 
wollte. 

Erstens  ist  es,  abgesehen  von  aller  berufsthätigkeit,  etwas  hohes 
und  erhebendes,  einen  menschen,  jung  oder  alt,  vornehm  oder  gering, 
zu  sehen,  wie  er  einfach  in  der  furcht  des  herm  steht  und  schlecht 
und  recht  so  seinen  weg  durch  das  leben  geht;  ich  wenigstens  beuge 
und  demütige  mich  vor  jedem  mütterchen,  das  in  der  sonntagsfrühe 
zur  kirche  schleicht,  vornehmlich  aber  freue  ich  mich  von  herzen, 
wenn  ein  junger  mann  nicht  blosz  eine  feine  kunst  und  Wissenschaft 
besitzt,  sondern  daneben  sich  ein  kindlich  frommes  gemüt  bewahrt 
hat.  es  ist  das  aber  kaum  anders  möglich,  als  dadurch,  dasz  er  sich 


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Noetes  8cholaBtioa& 


in  besag  aaf  sein  religiöses  sem  und  leben  erhebt  Uber  dnmpliBS  mei- 
nen  nnd  sporadische  Torstelliuigeii  sa  einem  wohlbegründeten«  in 
sieb  soflfliiunenhftngenden  und  fest  geschlossenen  bewustsein  und 
wissen,  des  ist,  wie  gesagt,  für  mich  der  schOnste  anblick,  ein  ge- 
bildeter geist  und  ein  kindHohes  gemüt.  dies  wünsche  ich  dem  jun- 
ticn  mann  nnd  meinem  Georg  um  seiner  selbst  willen,  sodann  aber 
wird  er  als  ein  mann ,  der  sich  nicht  von  wind  und  weiter  treiben 
läszt,  sondern  einen  festen  sinn  und  eine  stetige  unwandelbare  rich- 
tuDg  bat,  die  auf  gott,  auch  seinen  beruf  auffassen  als  einen  dienst, 
den  er  einem  hohen  herm  leistet,  und  für  den  er  dermaleinst  rede  und 
antwort  stehen  soll,  auch  seine  schüler  werden  ihm,  wenn  sie  sehen, 
dasz  ihn  eine  grosze  und  starke  Überzeugung  beherscht,  und  dasz  er 
in  seinem  denken ,  urteilen  und  handeln  kein  kind  des  augenblicks, 
der  laune  und  willkür  preisgegeben,  sondern  ein  in  gott  gegründeter 
und  befestigter  mensch  ist,  mit  achtung  und  vertrauen  betrachten 
und  seine  Wirksamkeit  gern  annehmen,  erleichtem  und  fördern« 
aacb  sein  Unterricht,  nioht  etwa  blosz  der  in  der  religion,  wird  von 
dieeem  geist  durchdrangen  sein,  der  ohne  viele  oder  wenige  finonune 
redensarten,  doch  der  jugend,  die  dafür  recht  wol  ein  feines  Ver- 
ständnis bat,  eine  ahnung  gibt,  dasz  alle  Wissenschaft  und  knnst 
doch  niebt  das  höchste  sei,  ja  ein  eitler  und  thörichter  besitz,  wenn 
einleistes  und  hödistee  fehlt,  auf  welches  all  unser  sein  und  streben 
beugen  wird,  daher  halten  wir  drei  mftnner  denn  einen  wissen- 
iduälichen  geist  in  der  religion  und  ebenso  in  der  Philosophie  fttr 
«Bimerlassliohee  erfördemis  eines  jungen  philolcigischen,  wiettber- 
iiaupt  Jedee  lehren. 

Idi  sdie,  sagte  meine  mutier,  dasz  mein  herr  und  gemahl  mir 
winkt  es  nnn  zu  lassen.  Sie  haben  Termutlich  noch  einen  weiten 
weg  vor,  auf  dem  wir  Sie  nicht  hemmen  wollen,  aber  wenn  wir 
wieder  in  der  stadt  sind ,  werden  Sie  mir  ein  und  das  andere  tröst- 
liche wort  auch  über  die-philosophie  sagen  müssen:  jetzt  aber  dür- 
fen wir  doch  bei  Ihnen  bleiben,  dafür  könnte  ich  Ihnen,  wenn  je 
lür  etwas  gut  sagen ,  dasz  wir  aufmerksame  und  dankbare  zuhöre- 
rinnen  sein  werden. 

Wir  haben,  nahm  der  prediger  das  gespräch  auf,  den  jungen 
mann,  den  wir  erziehen  wollen,  doch  immerhin  schwer  belastet,  in- 
dem wir  ihn  zu  einer  so  mannichfaltigen  wissenschaftlichen  bildung 
verpflichtet  haben,  wie  sollen  wir  es  nun  anfangen,  dasz  wir  den 
jungen  mann  vor  überbürdung  schützen?  wir  wollen  doch  kein  ab- 
gearbeitetes und  erschöpftes  geschlecht  von  lehrem  in  die  schulen 
bringen,  die  menschliche  kraft  ist  einer  hohen  Steigerung  fUhig, 
^ochnur  bis  zu  bestimmten  grenzen;  wer  diese  überschreiten  wollte, 
würde  sieh  selbst  yemichten.  nun  ist  der  beruf  eines  lehrers,  wie 

ja  besser  wissen  als  ich,  ein  beruf,  der  mehr  als  irgend  ein  an- 
derer arbeitskraft,  energie  und  ausdaner,  Mache  und  lebhafligkeit, 
körperliche  und  geistige  gesundheit  fordert,  und  die  theologie,  so 
viel  ich  davon  verstehe ,  eine  so  ins  unendliche  sieh  ausd^nende 


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370 


Koctat  ■oholaaticae. 


Wissenschaft,  dasz  ich  begierig  bin  zu  hören,  wie  Sie  die  kunst  des 
jungen  lehrers  bei  dieser  dreifachen  belastung  schonen,  und  die 
philologische  bildang  Tor  schwerer  euibuBze  und  beeinfcräcbtigttiig 
sebützen  wollen. 

Wenn  ich  nicht  irre,  sagte  hierauf  der  professor,  so  hat  S  vbel 
in  einer  kleinen  schrift  über  die  deutschen  Universitäten  die  forde- 
rung  aufgestellt,  dasz  überhaupt  das  akademische  Studium  etwa  auf 
zehn  semeater  erweitert  werde,  um  die  studierenden  sowol  durch 
kenntnisse  und  fertigkeiten  für  ihren  beruf  ftihig  zu  machen,  als  auch 
über  die  blosze  dressur  zu  erheben,  und  zu  freien  und  selbständigen, 
im  denken,  urteilen,  wollen  unabhängigen  jungen  männem  zu  bilden, 
wie  es  ja  die  deutschen  hochschulen  im  gegensatze  zu  den  französi- 
schen und  englischen  immer  als  ihre  aufgäbe  betrachtet  haben. 

Es  ist  das,  sagte  mein  vater,  eine  der  vielen  gutgemeinten  phan- 
tasieen,  gegen  die  ich  mich,  wie  gegen  jede  abhilfe  der  art  erklären 
würde,  erstens  gehen  die  lehrer  an  den  gjmnasien  aus  einem  ziem- 
lich unbemittelten  stände  hervor;  für  diese  gehört  eine  fünfjährige 
Studienzeit  zu  den  Unmöglichkeiten,  aber  auch  wenn  der  Staat  die 
mittel  zu  dieser  ausdehnung  der  Studienzeit  verschaffte,  so  gibt  es 
auch  für  diese  ein  bestimmtes  masz,  das  nicht  wol  tiberschritten  wird, 
der  tüchtige  junge  mann  fühlt,  so  wie  er  eine  gewisse  stufe  erreicht 
hat,  ein  bedürfnis  von  dem  gewonnenen  mitzuteilen,  und  eine  aver- 
sion  vor  längerem  besuch  von  Vorlesungen,  mögen  diese  auch  interes- 
sant und  für  ihn  wichtig  sein,  wenn  diese  zeit  gekommen  ist ,  musz 
man  den  jungen  mann  los  -  und  freigeben,  und  das  weitere  ihm  selbst 
überlassen,  er  wird  sich  dann  schon  selbst  helfen,  und  sich  ohne 
grosze  mühe  auf  gebieten,  die  er  noch  nicht  kennt,  zurecht  finden, 
es  genügt  oft  wenig  zeit  dazu,  um  einem  von  der  schule  wohl  vor- 
bereiteten, geistig  frischen,  lebhaften  und  energischen  jungen  mann 
eine  solche  befUhigung  zu  geben,  die  für  die  bedeutendste  Wirksam- 
keit im  amte  und  in  der  Wissenschaft  ausreicht,  ja  es  ist  erstaunlich, 
wie  junge  leute,  die  später  das  höchste  geleistet  haben,  ihre  univer- 
sitätszeit  mehr  dazu  benutzt  haben ,  sich  überall  in  der  Wissenschaft 
umzusehen  und  ihrem  geiste  anregung  und  interesse  zu  verschaffen, 
als  sich  mit  energie  auf  ihr  eigentliches  fach  zu  werfen  und  hierin 
zu  concentrieren.  die  länge  der  zeit  thut  es  nicht,  es  wäre  vielleicht 
etwas  anderes,  wenn  junge  leute,  die  sich  in  der  prüfung  bewährt 
hätten,  nach  einer  zwei-,  dreijährigen  Schulzeit,  die  mittel  zu  einem 
erneuten  Studium  gewährt  werden  könnten,  um  sie  zu  höheren  schul- 
stellen zu  qualificieren.  indes  auch  dies  ist  bedenklich,  da  nicht  jeder 
die  neigung  hat,  sich  auf  diese  weise  in  seinen  Studien  weiter  zu 
bilden  und  zu  vervollkommnen,  unsere  hilfe  musz,  wenn  eine  hilfe 
wünschenswert  ist,  anders  woher  kommen,  aus  der  art  und  weise, 
wie  die  philologischen  studien  betrieben  werden. 

Sie  denken  einen  neuen  weg  einzuschlagen,  :>agte  der  predi^er, 
ich  bin  begierig  ihn  zu  hören. 

E«s  ist  kein  neuer  weg,  sagte  mein  vater,  sondern  der,  den  wir 


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Noetes  seholaaticae, 


371 


selbst,  der  professor  and  ieh,  gigangen  sind,  als  ich  noch  jung  war, 
war  68  niobts  seltenes,  dasz  ein  junger  mensoh,  wenn  er  gefragt 
wurde,  was  er  studieren  woUte,  unverzagt  antworte:  theologie  und 
Philologie  (denn  das  war  die  rangfolge  der  beiden,  theol(^e  und 
Philologie,  nicht  umgekehrt);  das  dritte,  die  Philosophie,  Torstand 
sich  Ton  selbst,  und  das  waren  keine  leeren  werte,  denn  niemand 
wollte  die  philologie  Aber  bord  werfen,  wenn  er  die  Schulbank  hinter 
sich  liedz,  und  die  theologie  liesz  uns  vollständig  zeit  und  räum,  um 
der  alten  freundin  von  der  schule  her  die  band  zu  reichen,  so  habe 
ich  erst  theologie  und  daneben  ein  wenig  philologie  getrieben ,  und 
dann  später,  als  ich  mich  in  meinem  berufe  entschieden  hatte,  philo- 
logie und  daneben  die  noch  rflckständigen  theologischen  Stadien,  wie 
katechetik,  pastoraUehre  usw.  ich  wollte  das  wenige ,  was  mir  noch 
fehlte^  nicht  liegen  lassen,  mit  freuden  denke  ich  noch  bis  jetzt  an 
diese  geschickte  combination.  sie  ist  mir  wolthuend  gewesen  für 
nein  ganzes  leben. 

Wie  war  das  möglich?  fragte  die  frau  prediger. 

Das  war,  sagte  mein  vater,  sehr  wol  möglich,  die  theologischen 
hauptwissen  Schäften  waren  kurz  und  knapp  gehalten;  den  Studenten 
WDrde  in  Halle  eine  anweisnng  snr  regdang  ihrer  theologischen  Stu- 
dien in  die  hände  gegeben,  der  wir  ans  gern  anvertrauten,  die  phi- 
lologie aber  war  damals  noch  jung  und  frisch,  munter  and  leicht 
geschürzt ,  und  hüpfte  wie  ein  junges  mädchen  mitten  umher  zwi- 
ahen  den  theologischen  collegien ,  wShrend  sie  jetzt  wie  ein  altes 
«ckwerbekdenes  mütterchen  keucht,  es  ist  nicht  sa  verwundern, 
wenn  die  schlanke  dirne  auch  aaszer  dem  hause  viele  und  was  für 
eifrige  Verehrer  fand. 

Sie  scherzen,  sagte  die  junge  frau,  mehr  als  ich  sonst  von  Ihnen 
gewohnt  bin. 

Das  kommt  daher,  weil  ich  mich  wieder  jung  and  leichtiierzig 
fühle,  wenn  ich  an  jene  goldene  zeit  zurückdenke,  es  war  in  der 
that  so,  wie  ich  sage,  seitdem  nun  hat  sich  nicht  blosz  der  äaszere 
umfang  der  philologie  erweitert,  sondern  es  sind  auch  im  Innern  der 
Philologie  Wissenschaft  auf  Wissenschaft  entstanden  oder  doch  ent> 
wickelt ,  so  dasz  ganze  strecken  landes,  welche  früher  unbebaut  und 
unbeachtet  lagen,  jetzt  die  vollsten  und  üppigsten  saaten  tragen, 
endlich  ist  in  diese  philologie ,  wenn  man  sie  noch  so  nennen  kann, 
gleichsam  ein  neuer  geist  gekommen,  gegenüber  den  alten  unbefan- 
genen und  harmlosen  anschauungen  neue  gesichtopuncte,  neue  auf- 
fassungen,  neue  Ideen,  neue  kriterien,  so  dasz  man  das  alte  liebe  haus 
iu  dem  man  vor  jähren  so  glücklich,  so  zufrieden  gewesen  ist,  nicht 
mehr  wiedererkennt. 

Ich  kann  mich  in  ihre  Stimmung  recht  wol  hineindenken,  sagte 
die  junge  frau,  aber  Sie  sollten  in  der  ausbreitung  und  dem  Wachs- 
tum Ihrer  Wissenschaft  nur  ein  zeichen  von  gesundheit  und  lebens- 
kraftigkeit  sehen,  es  hat,  habe  ich  mir  sagen  lassen,  Wissenschaften 
und  kttnste  gegeben ,  welche  nach  hoher  blttte  allmählich  zu  welken 


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372 


Nootes  Boholasticae. 


begannen  und  dann  erloscben,  was  kann  man  nun  einer  Wissenschaft 
schöneres  wttnschen,  als  dass  sie  sich  so  yeijflngt.  alt  werden  und 
veralten  ist  ein  übel  ding,  wie  ftlr  uns  menschen,  so  überall,  doch 
heben  Sie  einmal  den  schleier  von  Ihrer  bühne ,  damit  wir  die  ent- 
Wicklung  ihrer  Wissenschaft  nfther  sehen,  die  Sie  als  ein  onglOck  be- 
klagen ,  wie  es  scheint. 

Ohne  zweifei,  erwiderte  mein  vater,  ist  die  spräche  ein  haupt- 
bestandteil  der  philologie,  mag  man  sie  als  einen  teil  des  geistigen 
lebens  der  alten  oder  als  mittel  um  dies  geistige  leben  kennen  zu 
lernen  fassen;  philologie  ohne  auf  die  ^pracbe  gerichtetes  Studium 
ist  nicht  donkbar,  von  welcher  philologie  auch  ii-gend  die  rede  ist. 
diese  spräche  nun  wurde  von  den  alten  selbst  als  etwas  gegebenes 
hingenommen,  über  dessen  Ursprünge,  bildung,  ahnlichkeiten ,  Ver- 
schiedenheiten, Verwandtschaften  usw.  die  Ki>mer  ein  wenig,  die 
Griechen  gar  nicht  nachgedacht  und  nachgeforscht  haben,  alle  spä- 
teren sind  ihnen  darin  gefolgt,  denn  alles ,  was  etwa  die  humani- 
sten  oder  später  die  hoUänder  darin  versucht  haben,  ist  sowol  unbe- 
deutend als  auch  völlig  verfehlt,  da  gieng  vor  etwa  100  jähren  durch 
die  entdeckung  des  sanskrit  auch  für  die  alten  sprachen  ein  neues 
licht  auf.   die  lautlehre ,  die  flexion ,  die  composition  erhielten  eine 
neue  auffassung  und  eigentliches  Verständnis;  auch  die  syntax,  welche 
anfangs  zurücktrat,  fieng  an,  sich  umzugestalten,  die  casuslehre  ist 
eine  neue  geworden;  auch  die  lehre  von  den  modis,  z.  b.  conjunctiv, 
Optativ ,  infinitiv  ist  von  neuen  gesichtspuncten  aus  behandelt  wor- 
den, vieles  liegt  noch  in  der  Zukunft;  noch  ist  alles  im  werden;  wer 
will  sagen,  ob  und  wo  die  sache  zu  einem  stillstand  kommen  und 
festes  von  problematischem  scheiden  wird,    diese  vergleichende 
betrachtung  der  sprachen  ist  nun  eine  ungeheuoue  erweiterung  der 
philologischen  aufgäbe.   Curtius  und  Delbrück  empfehlen  nun, 
dasz  in  den  ersten  semestem  sanskrit  gelernt  werde,  natürlich  wie 
der  anfänger  latein  und  griechisch  lernt,  nicht  um  die  formen  zu  er- 
kennen, zu  verstehen,  sondern  um  sie  bis  zur  geläufigkeit  zu  bil- 
den ,  um  eine  mechanische  fertigkeit  darin  einzuüben,  daran  sollen 
sich  interpretationsübungen  schlieszen ,  bei  denen  auf  das  veda  ein 
gi'össeres  gewicht  gelegt  werden  soll,  als  auf  das  classische  sanskrit  — 
Homer  und  Plate !  mit  der  vergleichenden  grammatik,  die  den  schlusz 
bildet,  kehren  diese  Studien  zu  den  classischen  sprachen  zurück,  vie- 
les andere  wird  sich  daran  setzen,  wie  eine  vergleichende  mythologie, 
zu  der  längst  ausätze  gemacht  sind,  ich  denke  mir  einen  wanderer, 
der  eine  letzte  höhe  noch  vorsieh  zu  haben  glaubte,  und,  nun  er  diese 
erstiegen  hat,  eine  neue  unabsehliche  weite  vor  sich  erblickt,  so 
etwa  ist  mir  zu  mute,  ich  will  gar  nicht  erwähnen,  dasz  diese  Stu- 
dien mächtig  in  die  classischen  Studien  eingreifen,  wir  können  den 
Homer  nicht  mehr  lesen,  wie  früher;  die  homerische  grammatik, 
sonst  eine  rumpelkammer  von  willkürlichkeiten,  tritt  hell  und  klar 
hervor  und  erleichtert  uns  und  den  Schülern  das  Verständnis  der 
formen;  aber  dies  alles  setzt  Studien  voraus,  vor  denen  ich,  wenn 


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Noctes  scholasticae, 


373 


ich  noch  einmal  jung  werden  und  meine  bildung  neu  ansetzen  wollte, 
zurückweichen  würde,  rechnen  Sie  nun  dazu,  dasz  die  jungen  leute 
in  diese  neue  weit  eintreten  mit  einem  interesse,  gegen  das  das  alt- 
classische  an  bedeutung  verliert  und  verlieren  musz.  wer  sanskrit 
erlernt  hat,  glaubt  ein  philologe  erster  qualität  zu  sein,  und  blickt 
mitleidig  herab  auf  die ,  welche  in  alter  weise  ihren  weg  gehen  und 
ihre  arbeit  thun.  gott  mag  wissen ,  was  aus  uns  werden  soll. 

Eben  dieselbe  erscheinung,  das  anwachsen  und  anschwellen  der 
Wissenschaft  treffen  wir  an,  wenn  wir  das  innere  der  Wissenschaft 
betrachten. 

Friedrich  August  Wolf  hat  in  seiner  schönen  schrift  über 
die  altertumswissenschaft  eine  reihe  von  disciplinen  aufgezählt, 
welche  jene  umfaszt.  es  sind  ihrer  24.  man  kann  nicht  sagen,  dasz 
in  diesem  Verzeichnis  eine  wesentliche  disciplin  fehle ,  aber  die  vor- 
handenen haben  sich  teils  immens  erweitert,  teils  seitenäste  aus  sich 
herausgetrieben,  die  wieder  zu  eigenen,  selbständigen  disciplinen  ge- 
worden sind,  man  erwartet,  dasz  der  ausgebildete  junge  philologe 
iü  jeder  dieser  disciplinen  einigermaszen  bekannt  sei. 

Als  ich  in  Berlin  studierte,  hörte  ich  bei  Zumpt  eine  Vorlesung 
über  römische  geschichte  und  antiquitäten,  er  faszte  diese  beiden  als 
eins,  das  werden  in  der  geschichte,  das  gewordene  und  bleibende  in 
den  antiquitäten;  er  setzte  die  antiquitäten  da  ein,  wo  sich  eine  In- 
stitution zu  fixieren  anfieng  oder  angefangen  hatte,  es  war  eine 
höchst  geschickte,  für  die  Studien  höchst  nützliche  anordnung.  ich 
wüste  nicht,  warum  ein  gleiches  verfahren  nicht  in  der  griechischen 
geschichte  t^tattiindeu  könnte,  die  idee,  dasz  ich  so  sage,  jener  in- 
sütuiej  ihr  Zusammenhang  mit  der  innern  geschichte  der  Staaten, 
der  verlauf  der  bisherigen  Untersuchungen ,  der  momentane  stand- 
punct,  auf  dem  diese  Untersuchungen  jetzt  stehen  usw.  liesze  sich 
vortrefiflich  in  6ine  Vorlesung  zusammenziehen,  wenn  man  in  der  ge- 
flcliiohte  alle  die  gegenstände  fallen  liesze,  welche  den  studierenden 
von  der  schule  her  bekannt  sind,  denn  das  kann  doch  nur  allein  der 
xweok  dieser  Vorlesungen  sein,  den  jungen  mann  auf  den  punct  zu 
stellen ,  und  durch  hinweis  auf  das  geschehene  dasa  sa  be&higen, 
dasz  er  den  fernem  gang  der  farsehung  verstehen,  mid  sich,  activ 
oder  passiv,  an  demselhen  heteiligen  kaim.  C.  F.  Hermann  üi  QOt* 
tingen  hat  wol  einmal  oder  Sfker  das  ganae  Offentliehe  leben  eines 
Volkes  so  zusammengelunct  statt  desaen  sind  nidit  bloss  die  aati- 
qnitSten  zu  einer  besondmn  Wissenschaft  geworden,  sondern  diese 
hat  sich  in  die  poUtisdien,  socialen  nnd  privataltertlüner  gesondert, 
es  ISsst  sich  dies  bestreben,  die  Wissenschaft  su  spedaUsieren 
und  za  gliedern  weiter  und  weiter  yerfolgen,  und  wer  wollte  mxk 
dieses  fortscbrittes  nicht  erfreuen,  nur  dasz  dabei  leicht  die  idee  der 
eiaheit  und  des  ganzen  yerloren  geht,  und  der  junge  mann  dieser 
Vielheit  gegenfibcor  rathlos  ist,  wo  er  mit  seinem  Studium  ansetaen 
soll,  wir  können  noch  hinzunehmen  die  unendliche  extension,  in 
der  die  disciplinen  behandelt  werden,  die  griechische,  die  rOmische 


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374 


Noctes  Bcholabticae. 


litteraturgcschichte  erfordern  jetzt  je  2  beniester.  Boeckh  trug  zn 
meiner  zeit  die  ganze  griechische  litteraturgeschichte  bis  auf  den 
letzten  rhetor,  grammatiker  und  scholiasten  in  einem  sommerseme- 
ster,  allerdings  sechsstündig,  und  bis  in  die  ersten  tage  des  Septem- 
ber hinein,  vor.  auch  die  10  Semester  Sybels  würden  nicht  ausreichen, 
um  den  Studenten  Verständnis  und  urteil,  Selbständigkeit  und  Sicher- 
heit des  Wissens  zu  geben,  inzwischen  wächst  uns  so  viel  nenea 
heran,  die  griechischen,  die  römischen  Inschriften,  und  was  sich  daran 
schlieszt,  dasz  ich ,  offen  gestanden ,  nicht  sehe,  wie  der  junge  phüO' 
löge  zeit  finden  und  kraft  gewinnen  soll ,  allem  gerecht  zu  werden, 
es  scheint  ja  selbst  von  oben  her  beachtong  zu  finden,  wenn  jemand 
sich  in  der  kunstgeschichte  und  in  der  antiken  technik  nicht  iinbe> 
kannt  zeigt,  doch  ich  ermüde  Sie,  liebe  freundin,  schon  jetzt,  wo 
ich  nur  die  ttuszerlichsten  hindemisse  und  möglichkeiten  miaerer 
philologischen  «nsbildang  erwfthne. 

Bie  ermtlden  mich  nicht,  sagte  die  taute;  aber  8ie  ersehreeken 
und  hettobeE  mii^,  sieht  bkies,  indtm  ich  fllr  meiiieii  Georg  sorge, 
Bondorn  indem  ieh  denke,  was  ane  den  viden  jungen  lenten  werden 
soll,  die,  mflde  und  abgearbeitet,  wie  sie  sind,  wau  sie  es  vedUdi 
meinen,  die  sehnlen  mit  ihrem  geiste  erflülen  imd  mit  ihrem  wiUsn 
behersohen  sollen,  wie  eng  geflossen  oad  gedrungen  ist  dagegen 
die  jurispmdenz,  der  Qeoig  so  leichtsiimig  den  rftflken  zugekdut 
hat;  wie  sicher  in  ihrem  baa  die  medicin  mid  die  theologie,  and  wid 
leicht  nnd  ISoet  sa  nmfiMsen«  sagen  Sie  mir  nnr,  nm  gottse  willen, 
wie  Sie  selbst  nnd  mein  gntsr  mann  es  nur  angefimgen  haben,  so 
leidlidie  pbilologen  sn  werden. 

'  Daranf  kommen  wir  vielleicht  noch,  sagte  mein  vater  iSohelnd ; 
denn  daraof  that  er  sich  besonders  viel  zu  gnte,  dass  er  vor  einem 
oensor  wie  Tiaehmann  spielend  das  schtaste  eiamen  gemacht  hatte, 
aber,  wenn  Sie,  meine  liebe  fimmdin,  vor  der  aufgäbe  des  jungen 
Philologen  bangen,  so  bleibt  nns  finsilieh  nidits  flbrig,  als  dass  wir 
sehen,  wie  wir  der  philologie  anf  anderm  wege  beikommen  kOnnmii, 
als  dmroh  dies  monstmm  von  Wissenschaft.  nndgelSngees  nns  nieht 
aof  dieser  seite  i^id  beim  ersten  male,  so  lassen  wir  niokt  ab,  wie 
wir  in  die  nihe  des  edelwiUs  —  denn  die  philologie  ist  kein  mon» 
strum  —  herankonunen.  erlauben  Sie  mir  nur,  dass  ich  in  meiner 
weise  ihm  nahe  su  kommen  versnobe. 

Der  name  philologie  ist  nicht  neu;  aber  er  hat  nicht  immer 
das  bedeutet,  was  wir  dmnter  verstehen,  der  erste,  welcher  skk 
Philologe  nannte,  war  der  Alexandriner  Eratosthenes,  naeh  ihm 
Atej  n  8.  sie  nannten  sich  so  wegen  der  viel&chen  und  mannig£al* 
tigen  'gelehrsamkeit,  die  sie  besMsen,  nieht  wegen  der  besonderen 
richtong  auf  das  sprachlidie  und  das  verstSndnis  der  alten  antoren* 
in  jenem  sinne  ist  das  wort  auch  ferner  gebraucht  ein  gewieaer 
Martianus  Capeila  hat  ein  geschmaokloses  buch  ttber  die  hochseitdee 
Herour  und  der  philologie  geschrieben,  welches  eine  art  encyklopftdie 
ist  sn  den  damaligen  diadplinen  des  Schulunterrichtes«  düM  bock 


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l^octes  scholasticae. 


37Ö 


hat  sich  dann  und  weit  verbreitet  in  geltung  erhalten,  und  mit  ihm 
ohne  zweifei  der  name  der  philologie  in  dieser  bedeutung  als  be- 
schäftigung  mit  der  erudition ,  mit  gelehrtem  wissen  und  dem  das- 
selbe vermittelnden  Schulunterrichte,  diese  gelehrsamkeit  bezog  sich 
auf  Worte  wie  auf  sachen :  mythologisches ,  antiquarisches ,  histori- 
sches usw. ;  alles  was  des  erklärens  und  bemerkens  wert  war  in  einer 
so  sehr  auf  curiositäten  gerichteten  zeit,  fiel  der  philologie  zu.  mit 
dieser  beschöftigung  verband  sich  die  kritik,  welche  sich  auf  die 
Schriftwerke  einer  vergangenen  zeit  bezog,  und  auch  diese  bald  in 
einem  groszen  und  hohen  sinn,  bald  ins  kleinlichste  sich  verlierend, 
wesentlich  war  das,  was  wir  philologie  nennen,  aufgäbe  des  gram- 
maticus,  im  unterschiede  von  dem  elementarlehrer ,  grammati- 
ita,  der  im  lesen  und  schreiben  u.  dgl.  unterrichtet,    man  unter- 
schied  auch  den  grammaticus  von  dem  philologus,  nicht  gerade  zum 
vorteil  des  letzteren,  dann  tritt  der  name  in  einer  andern  bedeutung 
hervor,  welche  sich  mehr  dem  jetzigen  begrifte  nähert.  Wolf  wüste 
sehr  wol,  was  er  wollte,  indem  er  darauf  bestand  in  Göttingen  als 
Studiosus  der  philologie  eingeschrieben  zu  werden;  er  wollte  da- 
mit aussprechen,  dasz  er  sich  das  Studium  des  griechischen  und  römi- 
schen alter tums  als  beruf  seines  lebens  erwählt  habe. 

Es  ist  nun  nicht  unders  zu  erwarten,  als  dasz  dieses  studium 
bei  den  verschiedenen  nationen,  bei  denen  es  tiefer  eindrang,  und  in 
den  verschiedenen  Zeitaltern  sich  eigentümlich  gestaltete,  bald  be- 
schränkte es  sich  völlig  auf  die  werke  der  alten ,  und  begnügte  sich 
diese  zu  entdecken,  lesbar  zu  machen,  nachzuahmen  und  nachzubil- 
den, kritisch  und  exegetisch  zu  behandeln  usw.  bald  verband  es  sich 
mit  den  verschiedensten  gegenständen,  und  wurde  nicht  nur  als  selb- 
^'i'tiidiger  gegenständ  in  zahlreichen  adversarien  getrieben ,  sondern 
tiklete  als  eigentliche  gelehrtensprache  das  mittel  zur  mitteilung  von 
jttristischen,  historischen,  mathematischen,  philosophischen  usw.  for- 
sebimgen  und  erörterongen,  wie  wir  dies  z.  b.  bei  den  fürsten  der 
fiuusSsischen  philologen,  bei  Josef  Scaliger,  Isaak  Caean- 
boiiQs  und  Clandius  Salmasias  erblicken,  was  Scaliger  für  die 
olasfiiker  gethan  hat,  hat  er  doeh  nur  beilftufig  gethan;  er  hatte  das 
glück,  wohin  er  seinen  blick  richtete,  sofort  das  rechte  und  bedeu- 
tende sa  sehen  imd  zn  trefifon,  nad  in  raeeh  gefurtigten  arbeilen  das 
mnster  lllr  alle  folgenden  Zeiten  aufimstettin.  seine  haiqvtarbeit  lag 
auf  einer  andern  seiie;  das  hanj^erdienst  war  firaiUeh  die,  dass  er 
Rof  lange  Zeiten  den  philologisciien  stndien  sehier  neuen  hehmat  eine 
bestunmte  riehtong  gab^  die  dori;  auch  im  groszen  und  ganzen  inne 
a^ehalten  ist.  ein  ihm  verwandter  gcist  war  B entle j,  der  phüologe 
Mr  alle  aettai,  so  lange  es  eine  fäflologie  geben  wird;  denn  er  hat 
ÜBr  htSkeaee  wie  Ar  niedere  kritä  die  hOehsten  mnster  aufgestellt; 
VOLT  dasz  er,  wie  er  von  natnr  war,  keine  schule  am  sidi  versam- 
nelt  hat. 

Es  wttre  nun  Interessent  nnd  lehrreich  zu  sehen,  wie  die  philo- 
ogie  sich  im  laufe  von  Jahrhunderten  thfttig  bewiesen  hat.  professor 


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376 


Nocies  scholasticae. 


Lucian  Müller  hat  eine  geschichte  der  philologischen  bestrebun- 
bungen  in  Holland  gegeben ,  wo  uns  eine  reihe  groszer  namen  von 
Scaliger  an,  wie  Johann  Friedrich  Gronov,  Hemsterhusius,  Buhnken, 
Peerlcamp  und  Cobet  sowol  das  zeitweise  sinken  als  die  wieder- 
erhebung  und  den  neuen  schwang  der  philologischen  Studien  er- 
kennen läszt,  die  diese  ausgezeichneten  männer  bewirkt  haben,  es 
war  eine  gute  sitte,  dasz  die  studierenden,  ehe  sie  zu  ihren  fach- 
studien  schritten,  lüngere  zeit  einen  propädeutischen  Unterricht  hat- 
ten, der  sich  hauptsächlich  im  philologischen  bewegte,  dies  hatte 
den  vorteil,  dasz  einerseits  auch  bei  Juristen,  medicinern  u.  a.  ein 
tüchtiges  philologisches  wissen  und  ein  lebendiges  Interesse  an  der 
Philologie  und  den  werken  der  alten  sich  fand,  anderseits  aber  auch 
die  Philologen  yeranlaszt  wurden,  über  die  engen  grenzen  ihrer 
Wissenschaft  hinauszugehen.  Hemsterhusias  hatte  als  jonger  mana 
au^gezeiohnete  mathematische  Studien  unter  Bemouilly  gosiacht, 
Bnjoiken  sich  dazu  bereitet,  das  römische  recht  Tonntragen ;  nur  & 
systematische  theologie  mied  man^  tun  nicht  in  die  wideriiehen  stxei- 
tigkeiten  zwischen  Arminianem  und  Gomaristen  hineingezogen  n 
werden.  Sie  sehen  schon  hieraus,  wie  die  phüologie  proteosarÜg  mk 
den  Verhältnissen  angepaszt  hat,  im  kern  wesentlich  dieselbe  und  im 
gleichen  geiste  thätig  und  schaffend ,  nach  aussen  hin  dagegen  ver» 
schieden  gestaltet  und  oingestaltet ,  stets  foxh  erneuernd  und  ihre 
lebenskraft  beweisend,  namentlich  sobald  ausgezeichnete  persönlieb' 
keiten,  einsefai  oder  verbundeiiy  sie  aus  der  etwaigen  lethargie  zu  er- 
wecken und  neu  zu  beleben  Terstanden.  Dacier  beklagte  sichia 
seiner  denkschrift  an  Napoleon  I,  dasz  die  philologie  im  abnehmen 
und  verschwinden  sei,  und  dass  nin  die  jeist  kbendw  gMatm  nur 
eine  allzukleine  sahl  vorhanden  sei,  wdehe  jene  einst  eisetsen  klSnnew 
in  wie  glftnsender  weise  haben  sidi  seHdem  diese  Stadien  in  Frank- 
reich  veijflngt! 

Aber wnsthnt  das  alles,  sagte  die  tmte nngediildig,  nrnmeinem 
Qeorg  einen  weg  sn  zeigen,  wie  er  mit  siehttheit  sieb  su  einem  eMim 
phildogen  Inlden  könne« 

Ich  denke,  wir  sehen  sn,  wie  tOehüge  philologen  in  alter  nnd 
neuer  seit  sich  gebildet  haboi,  nicht  um  es  so  sn  maehen  wie  sie, 
sondern  um  zu  sehen,  dasz  es  möglich  sei,  auch  auf  aaderm  wege  nb 
dem  jetzigen  sich  emporzuarbeiten,  sollten  wir  nicht  bei  gatem 
talente,  unermfldetem  fleisze,  des  sieles  uns  stets  bewnsst,  eben  dahin 
gdsngen  kOnnen,  wohin  jene? 

Das  gebe  gott,  sagte  die  tsnte. 

Wir  besitzen  eine  grosse  sshl  von  lebensbeschreibnngeii  deut- 
scher und  auswärtiger  gelehrten,  in  denen  auch  ihres  bildungsganges 
erwtthttung  gesdneht  bei  &st  idkn  sehen  wir,  dasz  sie  si«^  auf  der 
universitAt  entweder  gar  nkht  mit  specifisch  philologischen  Stadien 
abgegeben ,  oder  diese  wenigstens  nicht  systematisch  mit  rOdcsicht 
etwa  auf  eine  Wissenschaft  der  philologie  getrieben  haben,  als  iier- 
vonagendstes  beispiel  kann  uns  Friedrich  August  Wolf  dienen,  der 


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Noctes  Bcholasticae. 


377 


sptttere  begrttiider  der  philologie  als  einer  altertums Wissenschaft, 
sein  erster  gang  war  nach  der  bibliothek,  deren  schätse  ihm  mit 
liberalem  vertrauen  ssu  dienaten  gestellt  wurden;  der  Vorlesungen, 
wekhe  er  besuchte ,  waren  wenige  und  nicht  gerade  philologische, 
er  hiSrte  philosophisches  bei  Feder  und  Meiners,  naturgeschichte  bei 
ffinmeiibach ,  ältere  kirchengeaohichte  bei  Walch ,  mit  besonderem 
iBtereese  bei  Michaelis  alttestamentlichee.  die  philologischen  colle* 
giflD,  die  er  bei  Heyne  und  andern  b($rte,  waren  für  ihn  wertlos, 
seine  ganze  bildnng  war  mif  eigenes  Studium  begründet,  es  blieb  in 
Güttingen  andh  anter  den  professoren  nicht  nnbekannt,  in  welcher 
weite  Sdv  junge  autodidakt  arbeite,  rem  den  Yorleeongon  interessier- 
ten ihn  eben  di»v  welohe  sich  durch  gelehrsamkeit  oder  doroh  fbin- 
hat  und  scbSrfe  der  nntersnchnng  empfiüilen;  nirgends  ist  eine  spur 
m  einem  methodischen,  noch  weniger  von  einem  systematischen 
stadinm;  dies  verhehlte  er  weder  sieh  noch  andern;  ja  es  war  viel- 
leieht  ein  anlasz  ftr  ihn,  sobald  er  in  Halle  als  docent  auftrat,  vor. 
aUen  darauf  zu  denken,  dass  er  seme  suhdrer  zu  einer  voUstfindigen 
keimtnis  der  Wissenschaft  anleitete;  er  wollte  sie  gegen  die  Ifidcen* 
baftigkeit  und  das  sporadische  schtttzen,  welche  er  selbst  durch* 
gemtusht  hatte,  es  war  dies  aber  die  weise,  wie  alle  froheren,  welche 
spSter  eine  bedeutnng  erlangten,  ihre  bildung  betrieben  hatten. 
Johann  Matthias  Gesner,  der  Vorgänger  Heynes  auf  dem  GOt- 
tmger  l^stohl,  hatte  in  Jena  studiert  was  er  dort  trieb,  iraren 
orioitaliflcfae  sprachen,  philosophie,  mathemstik,  geschiehte;  vor  allem 
flefalosz  er  ukk  an  den  theologen  Buddeus  an;  Ton  seinen  phüologi- 
sdben  Studien  ist  wenig  die  rede,  er  war«  ab  ob  sich  diese  sdte  der 
büdüng  von  selbst  finden  werde  Iftr  einen  jungen  mann,  dessen 
interesse  j  geschmack  und  arbeitsfUngkeit  durch  allgemeine  kennt- 
nisse  erweckt  wären,   eben  dasselbe  hören  wir  von  Ernesti.  er 
hatte  auf  der  pforte,  besonders  durch  benutzung  der  schulbibliothek, 
eine  gründliche  Vorbildung  erhalten,  dann  auf  den  Universitäten 
Wittenberg  und  Leipzig  setzte  er  die  philologiachen  Studien  unter 
Borger  fort ,  daneben  aber  trieb  er  mit  eifer  tbeologie  unter  Werna- 
dorf, Philosophie  unter  dem  Wolfianer  Schlosser,  mathematik  unter 
Hase  und  später  unter  Hansen  in  Leij^zig.   von  der  Vielseitigkeit 
und  gediegenheit  dieser  allgemeinen  bildung  zeugt  ein  buch ,  initia 
doctrinae  solidioris,  das  lange  zeit  als  encyklopädisches  lehrbuch  ge- 
dient hat.    so  ist  er  zwar  kein  philol og,  wie  ihn  Wolf  gefordert 
haben  würde,  wol  aber  ein  zweiter  praeceptor  Germaniae  ge- 
worden, der  als  lehrer  die  alten  autoren,  namentlich  das  lateinische, 
mit  lebendigem  sinne  aufgefaszt,  geschmackvoll  erklärt  und  ihren 
geist  in  die  seelen  seiner  schüler  eingepflanzt,   die  eleganz  im  ge- 
brauch der  lateinischen  spräche ,  welche  die  sächsischen  schulen  bis 
in  unsere  zeit  auszeichnete,  ist  Ernestis  verdienst. 

Da  warf  Friedrich  August  Wolf  die  bisherige  weise  der 
Philologie  um,  indem  er  ihren  begritf  als  altertumswissenschaft 
iaszte.  diese  idee  hat  ihn  schon  in  der  ersten  zeit  seiner  akademi- 

M.  Jahrb.  i:  phil.  u.  pfid.  II.  9hU  1S78.  hft.  S.  26 


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378 


Koctes  gcholasticae. 


sehen  Wirksamkeit  beseelt,  20  jähre  später  hat  er  sie  in  der  Goethe 
gewidmeten  '  darstellung  der  altertumswissenschaft einer  unver- 
gleichlichen Schrift  auch  für  diejenigen,  die  in  der  hauptsache  nicht 
mit  ihm  tibereinstimmen ,  niedergelegt,  indem  er  diese  idee  unab- 
lässig ausbildete,  hat  er  vor  allen  die  pbilologie  als  eine  Wissenschaft 
ftlr  sich  hingestellt,  und  von  ihrer  bisherigen  dienstbarkeit  und  ihrer 
propädeutischen  geltung  für  immer,  wie  es  scheint,  emancipiert.  aUe 
späteren  haben  diesen  standpunct  festgehalten,  hier  und  da  die  aus- 
drucke schärfer  gefasst,  die  teile  der  altertums Wissenschaft  anders 
geordnet  und  gruppiert,  nach  meinem  dafürhalten  ein  leichtes  spiel 
im  Bidimii  hafcn,  wähemd  Wolf  sich  in  die  stürmende  see  hiiMir 
wagte,  imd  das  gefiUirdete  «ohiff  mit  fester  mid  külmer  band  bineim- 
braebte. 

£&  sobeint,  sagte  der  predigttr,  Sie  betrachten  dies  als  das 
eigeiurte  Terdienst  Wolfs,  dass  er  die  philologie  ans  ihrem  sporadi- 
.sehen  zustande  beimas  ta  einer  Wissenschaft  erhoben  bat. 

Das  ist  es  auch,  sagte  mein  Tater.  es  ist  nichts,  was  nicht  n»tar 
seineil  httnden  sich  belebt  und  neu  gestaltet  hätte,  seine  comncientare 
cn  den  aotofen,  welche  er  behandelt  hat,  leigen  die  feinste  behend- 
Inng,  das  besonnenste  masshalten  in  den  anmerkungen;  seine  Über- 
setzungen sowol  die  ins  deutsche  als  die  ins  lateinisobe  sind  imitber- 
trefflich;  jede  seiner  wissenschaftlichen  Vorlesungen  ist,  auch  wo  die 
f<«8chung  iSngst  Aber  sie  hinansgegaagen  ist,  anregend  und  beleh- 
rend* aber  in  dem  allen  sind  ihm  aadoro  glek^  gewesen  oder  nahe 
gekommen;  was  ihn  ttber  alle  eibebt»  iet,  dan  er  die  phüolqgie  als 
Wissenschaft  gefaszt  hat  es  war  dies  keine  kleine  that,  sa  einer  leit, 
wo  der  phibmthropismns  in  soner  bUlte  stand,  und  in  seiner  un- 
mittelbaren  nihe  cinflusirBiehe  Tertreter  hatte,  er  hat  eine  gaase 
reihe  von  TiMrlesungcn  darauf  verwandt,  diese  idee  an  verarMtsB 
und  fortsubilden;  keine  seiner  apStersn  yotleaungen  war  der 
heren  gleidi.  er  hat  diesen  gegenständ  oifonbar  zum  centmm  saiaer 
thätigkeit  gemachte  er  legte  um  diese  Vorlesung  eine  anaaU  grOsie- 
rer  und  kleinerer  wisaenschaftUdien  Vorlesungen,  die  sich  in  einem 
dreyHirigen  cnrsns  so  siemlidi  wiederholten;  was  er  nieht  in  aol- 
eben  speciellen  coUegien  vortrug,  behandelte  er  in  der  encyklopBdie. 
von  seinen  eigenen  verworrenen  autodidaktiscAien  Stadien  her  be- 
trachtete er  ea  als  erstes ,  die  philologie  ab  ein  ganses  lu  faaeen. 
wer  diesen  dreijährigen  cursns  bei  ihm  durdimadite,  durfte  als  ein 
durchgebildeter  philologe  gelten,  er  selbst  gab  etwas  darauf,  dam. 
man  alle  seine  Vorlesungen  hMe,  daas  man  tkk  ihm  gans  hingab, 
dass,  wer  philologe  sei,  dies  ganz  sei  und  werde,  aus  dar  aaU  dieser 
bildete  er  sich  einen  engem  kreis,  den  er  in  sein  seminar  zog.  was 
diese  ihm  zu  verdanken  sieb  bewust  waren ,  haben  alle  bis  an  ihren 
tod  offen  bekannt,  der  teuerste  unter  meinen  lebrem  war  einer  die- 
ser  sdifiler  Wolfs ;  ich  sasz  gerade  neben  ihm  bei  tische  als  er  tief 
erschttttert  sagte:  Wolf  ist  todt. 

Sie  sagten  eben,  sagte  der  prediger,  Wolf  habe  die  philologie 


u'ijui^cd  by  GüOgl 


Noctes  scholasticae. 


zur  wissent=chaft  erhoben,  und  er  habe  sie  als  ganzes  gefaszt;  wel- 
ches war  denn  die  emheitliche  idee,  aus  welcher  ihm  diese  wiasen- 
gcbaflt  entsprang? 

Er  faszte  das  classische  altertnm,  wie  es  sich  in  seinen  ttnfiSngen 
und  seinen  ausläufem  gegen  das  orientalische  und  gegen  das  moderne 
seharf  abschlosz,  als  eine  weit  ftlr  sich;  die  erkenntnis  dieser  weit 
Bnn  nach  allen  selten  des  natürlichen  und  nationalen,  des  histori- 
schen und  politischen,  des  religiösen,  künstlerischen  nnd  wissen- 
schaftlichen lehens  erkannte  er  als  die  aufgäbe  der  philologie;  gram- 
matik,  hermeneutik  und  kritik  waren  gleichsam  das  organon,  mit 
welchem  diese  erkenntnis  bewirkt  wurde,  diese  idee  haben  dann 
alle,  die  später  die  philologie  als  Wissenschaft  behandelt  haben, 
verfolgt  und  weiter  entwickelt.  Wolf  hatte  in  der  schon  erwähnten 
sciirift  die  altertumswissensehaft  im  nmrisse  dargestellt,  nnd  am 
schlusz  derselben  unter  24  nummem  die  teile  derselben  aufgezählt 
80  lose  und  wie  auf  einen  bindfiiden  gesogen  hat  er  sieh  diese  teile 
natürlich  nicht  gedacht;  aber  er  bat  es  anten  überlassen,  diese  teile 
zu  ordnen  nnd  sn  gruppieren,  diese  gliedenmg  nnd  organisiemng 
der  Philologie  ist  niobt  so  s^diwierig,  nachdem  der  erste  glflddiofae 
warf  gethan  war;  sie  ist  in  mannioh&chster  weise  Ton  Boeäb,  Bem- 
liardj,  Bitsdil  nnd  andern  versnebt  worden,  es  macht  wenig  ans, 
ob  man  die  grammatik  in  das  organon  einfügt,  oder  als  eine  sttte 
des  geistigen  lebens  des  altertums  betrachtet,  wie  es  auch  nnwesent- 
lieh  ist,  ob  man  dieses  leben  mitBoeckh  nnier  die  mbriken  des  poli- 
tischen,  privaten,  religiösen  nnd  wiasenschafÜiöhen  lehens  bringt, 
oder  mit  Bitsehl  nach  den  4  Sphären  des  guten,  des  heiligen, 
des  schönen  nnd  des  wahren  ordnet,  es  ist  dodi  sehlieezlich 
Wolf  nnd  nnr  Wölf,  der  durch  wort  nnd  that  die  philologie  befestigt, 
erhoben  und  ihr  ihr«  aufgäbe  angewiesen  hat. 

Mein  vater  hielt  ein  wenig  inne.  was  hilfk  uns  das  aber,  sagte 
der  Prediger,  snr  lösung  unserer  sorgen  und  sweifel?  wir  wollten 
aichi  wissen,  wie  sich  die  philologie  zur  Wissenschaft  gestaltet  hat, 
und  wie  wir  sie  als  wisaensdiaft  fimen  soDen,  sondern  wie  wir  den 
jungen  philologen  endehen  sollen,  ohne  jene  Wissenschaft  und  trota 
jener  Wissenschaft,  wir  erkennen  ja  (ich  spreche  nemlich  für  die 
lieben  und  verehrten  frauen  hier)  die  Wissenschaft  gern  an,  diese 
Wissenschaft  aber  führt  uns  nicht  zu  unserem  ziele;  sie  stellt  viel- 
mehr dem  jungen  manne  eine  kaum  zu  lösende  aufgäbe,  und  ich  bin 
überzeugt,  Sie  selbst,  verehrter  herr  director,  kennen  einen  richtweg, 
der  kürzer  und  sicherer  uns  dies  ziel  erreichen  löszt. 

Nun  denn,  so  müssen  wir  es  schon  versuchen,  dem  edlen  wilde 
von  einer  andern  seite  beizukommen,  auch  ich  habe  meine  bedenken 
gegen  die  aliertumswissenschaft,  und  ich  will  sie  Ihnen  nicht  ver- 
hehlen, sagte  mein  vater. 

So  lassen  Sie  hören,  sagte  die  tante. 

Erstens  also  setzt  dieselbe  eine  in  sich  abgeschlossene  weit  vor- 
aus; eine  solche  schien  die  antike  weit  zu  seinj  Boeckh  hat  diese  an- 

26* 


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380 


l^octes  acholaaticae. 


tike  weligeibtvoll  und  treffend  gegen  das  orientalische  und  gegen  das 
moderne  abgehoben  und  in  diesem  gegensatse  charakterisiert,  auoh 
andere,  z.  b.  Otfried  M filier  haben  die  griechische  weit  in  dieser 
ureignen  indiTidualitftt  vor  äugen  gehabt,  seitdem  aber  ist  uns  der 
Orient  immer  nSher  nnd  näher  gerückt  and  in  die  altertomsstudien 
ein  Tergleichendes  dement  gekommen,  das  wir  gar  nicht  m^ir 
abweisen  können,  die  lateinisehe  und  die  griechische  spräche  können 
wir  nicht  mehr  bloss  als  organon  für  die  reproducierende  erkenntnis 
des  altertoms  noch  als  einen  teil  des  rein  geistigen  lebens  der  alten 
betrachten;  sie  müssen,  nm  verstanden  sn  werden,  unter  das  licht 
der  sprachvergleidumg  gestellt  werden,  es  wird  nicht  mehr  lange 
danem,  so  steht  auch  eine  vergleichende  mythologie  vor  ans;  die 
gestalten  der  homerischen  götterweit  haben  ans  Iftngst  über  sidi 
hinansgewiesen  in  eine  noch  freilich  in  donkel  nnd  nebel  g^Hllta 
weit,  die  sich  aber  bald  lichten  nnd  aofldiren  wird,  ebenso  ist 
es  mit  der  kons  t  der  grieehen  bestellt;  nach  den  neaesten  ans- 
grabangen  Schliemanns  in  Mycenae  kann  es  doch  nicht  zwdfel- 
haft  sein,  dasz  ein  grosser  zosammenhang  zwischen  der  Torderasia- 
tischen  and  den  anfitaigen  der  griediischen  kanst  stattfimd,  wenn  wir 
aach  die  Tcrbindenden  gliader  dieser  kette  noch  nicht  mit  sieheriieit 
nachweisen  können,  so  wird  sich  die  klaft  zwischen  diesen  beidea 
bei  forts<direitender  kenntnis  mehr  and  mehr  aasgleichen,  mid  die 
griechische  bildang  nicht  mehr  als  eine  isolierte  erscheinen,  nos 
weiss  ich  in  der  tibat  nicht,  wie  man  noch  diese  Teigleichende  be- 
traohtnng  in  einem  noch  so  sorgfältigen  sjstem  der  altertamswissen- 
sdiaft  anterzabringen  gedenkt 

Zweitens  aber  sind  doch  gewisse  teile  der  altertomswissensohaft 
vorhanden,  welche  sich  in  irgend  ein  sjstem  nicht  einreihen  lassen, 
besonnene  mBnnor  haben  sie  daher  in  eine  fimdamentaldisciplin  ge- 
bracht, für  die  Inldong  des  philologen  ist  es  nemlich  wünschenswert, 
dasz  er  sowol  die  fundstStten  der  denkmale  (im  weitesten  um- 
fange) kenne,  mit  denen  er  sich  beschäftigen  soll,  wozu  aucb  die 
Schicksale  gehören,  welche  diese  denkmale,  namentlich  derlitteratur 
im  laufe  der  Jahrhunderte  erlitten  haben,   ich  sehe,  dasz  man  seit  ! 
längerer  zeit  in  den  Vorlesungen  über  encyklopädie  der  philologie 
dieser  lehre  von  den  fundstfitten  die  gebührende  beacbtung  gewährt, 
aber  ich  sehe  nicht,  wo  sie  in  der  altertumswissensehaft  ihren  platz 
finden  soll,  noch  wichtiger  als  diese  ist  die  geschieh te  der  philo-  , 
logie,  von  den  Alexandrineni  oder  gar  von  Aristoteles  au  bis  auf  die  ' 
gegenwart  herunter,  so  dasz  wir  jetzt  lebenden  erscheinen  als  das 
letzte  glied  in  einer  langen  kette,  und  zugleich  als  solche,  denn  die 
aufgäbe  ist,  das  überlieferte  treu  und  gewissenhaft  denen,  die  nach 
uns  sein  werden,  zu  überliefem.   eine  solche  geschichte  der  philo- 
logie ist  von  vielen  lehrem  der  philologie  als  ein  wesentlicher  teil 
der  encyklopädie  betrachtet  und  gegen  die  anderweitigen  disciplinen 
sehr  bevorzugt  worden,  ein  philologe,  der  glaubte,  dieser  rücksicht 
auf  frühere  Zeiten  entbehren  zu  können,  würde  mit  all  seinem  mühen 


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Nocte»  scholaitieae. 


381 


wie  in  der  luft  schweben,  dinge,  die  längst  abgethan  sind,  als  wich- 
tige entdeckungen  mitteilen,  das  längst  erkannt- richtige  ignorieren, 
den  groszen  Verdiensten  anderer  nicht  rechnung  tragen ,  wie  man  es 
heutzutage  von  allen  Seiten  her  Gebet  inLejden  nicht  ohne  griind 
zum  Vorwurf  gemacht  hat. 

Drittens,  und  dies  ist  das  wichtigste,  ist  nicht  zu  vermeiden, 
dasz  bei  dieser  auffassung  der  philologie  die  sogenannten  realien  wie 
geschichte,  antiquitäten,  mythologie,  litteratur,  kunst,  privatleben, 
grosze  bedeutung  gewinnen,  und  dagegen  die  spräche,  das  ursprüng- 
liche hauptobject  der  philologie,  und  die  Verwendung  der  spräche  in 
rbetorik  und  poetik  zurücktreten,  professor  Leutsck  hat  sich  neu- 
lich nicht  mit  unrecht  hierüber  beklagt,  auch  die  hemeneutik  und 
knük  kommen  nicht  zu  voller  anerkennung,  wenn  sie  nur  als  orga- 
Don  gefaszt  werden;  das  mittel  zur  erkenntnis  steht  immer  niedriger 
als  der  zweck,  die  erkenntnis  selber. 

Ans  diesen  gründen  nun  yerwerfe  ich  diese  auffassung  der 
pbflologie  um  so  mehr,  wenn  ich  erwSge,  dasz  diese  auffassung, 
wie  scheint,  hftnfig  bei  den  prüfungen  der  philologen  als  masz- 
gbb  dient,  d.  h.  dasz  bei  ihnen  vielmehr  ihr  wissen  in  den  realien 
als  flure  sprachliche  bildung,  ihre  gründliche  kenninis  der  gram* 
BUkÜk,  ihre  föhigkeit  einen  autor  schnell  und  sicher  zu  erfassen,  ihre 
ibetorische  und  metrische  kenntnis,  ihre  gewandte  handhabung  des 
lateinischen  ausdrucks  im  mündlichen  und  schriftlichen  gebrauche 
insauge  gefaszt  wird,  wer  in  dieser  beziehimg  tüchtig  wäre,  wer 
dnrch  eine  sichere  Schulung  und  durch  eigene  anhaltende  und  un- 
unterbrochene Übung  in  der  hermeneutik  und  kritik  fest  wäre  und 
mit  bewusztsein  verführe,  wer  einen  gewissen  kreis  der  alten  littera- 
tur, natürlich  nicht  alles,  darchgearbeitet  und  sich  zu  eigen  gemacht 
hätte,  den  würde  ich  viel  eher  als  guten  philologen  anerkennen,  als 
wenn  er  in  den  vielgelobten  disciplinen ,  die  jetzt  den  kern  seiner 
Studien  bilden,  gründlich  unterrichtet  wäre,  die  philologie  sitzt  nicht 
im  wissen,  sondern  im  können,  daher  sind,  namentlich  aus 
Hermanns  schule^  bei  verhältnismässig  geringen  kenntnissen  viele 
<ier  ausgezeichnetsten  philologen  hervorgegangen,  sie  haben  allmäh- 
Hch  nachgeholt,  was  nachgeholt  werden  kann ,  und  sich  die  nötigen 
Kenntnisse  erworben;  die  sprachliche  Schulung  Iftszt  sich,  einmal  ver- 
säumt, nicht  nachholen,  die  wurzel  fehlt,  aus  der  die  philologie 
emporwachsen  soll,  das  preüszische  reglement  ist  verständig  und 
i^voU  gehalten. 

Sie  erwähnten  kurz  vorher  Hermanns,  sagte  der  prediger; 
glaube,  Sie  wollten  auf  ihn  hinweisen  als  den,  der  in  Ihrem  sinne 
seine  sdiüler  durch  lehre  und  Vorbild  zu  echten  philologen  ge- 
bildet habe. 

Gewis  wollte  ich  das,  und  er  ist  es,  von  dem  ich  die  züge  eines 

philologen,  die  ich  eben  zeichnete,  entnommen  habe;  ich 
■dhst  Irfn  leider  nicht  sein  schüler  gewesen;  es  fehlt  uns  jedoch  nicht 
BUtteilungen,  aus  denen  wir  über  seine  grundsätze  und  seine  praxis 


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382 


Noetei  Bcholutioae. 


urteilen  kOnnen.  HenBum  las  jähr  aus  jähr  ein  ein  eoUeg  Uber  exBen 
autor,  vorzüglich  einen  griechischen;  von  den  rOmischen  antoreii 
hat  er  nur  Plautus,  Terenz  und  Lucrez  erklärt,  unter  den  griedd- 
sehen  waren  Pindar  uud  Aeschylus  die  bevorzugten;  dieser  inter- 
pretation  reihten  sich  gewi>se  systematische  Vorlesungen  an,  welch« 
f^ich  hauptsächlich  auf  kritik  und  griechische  und  lateinische  gram- 
raatik  bezogen,  die  wenigen  realen  disciplinen,  welche  er  vortrug, 
waren  solche,  welche  mit  den  interpretationen  in  näherer  Verbindung 
standen,  über  hermeneutik  und  kritik  hat  er  weniger  oft  gelesen, 
als  man  gerade  von  ihm  erwarten  sollte,  eine  ganz  besondere  sorge 
richtete  er  auf  den  vorgerückteren  kreis  von  zuhöreiii,  den  er  in  der 
societas  graeca  um  sich  sammelte;  in  dieser  societas  wurden  die 
mitglieder  zur  8treng^ten  philologischen  thätigkeit  angeleitet,  doch 
ich  spreche  von  dingen,  die  Sie  besser  bei  Köchlj,  einem  der  ge- 
treuen Hermanns  nachlesen  können. 

Was  war  es  nun  also,  was  Hermann  als  seine  aufgäbe  be- 
trachtete ? 

Es  war  erstens  ein  können,  nicht  ein  wissen.  Hermann  war 
namentlich,  wie  tiberall  dem  schein,  dem  durch  vielwisserei  erzeugten 
schein  von  gelehrsamkeit  feind;  gegen  diesen  schein  hat  er  sich  un- 
unterbrochen mit  groszer  cnergie  ausgesprochen,  die  wahre  gelehr- 
samkeit ist  nicht  eine  üuszcrlich  erlernte  oder  gesammelte,  sondern 
eine  mit  urteil  verbundene,  in  den  eigenen  geist  aufgenommene, 
zu  einem  stück  von  uns  selbst  gewordene,  eine  solche  gelehrsamkeit, 
da  sie  nicht  ohne  gründliches  Studium,  nicht  ohne  ein  sicheres  be- 
wusztsein  der  gründe  der  Überzeugung  sein  kann,  ist  nur  in  einem 
beschränkten  kreise  zu  erwerben.  Hermann  hielt  daher  seine  zu- 
hörer  in  einem  eng  begrenzten  räume  fest,  und  nötigte  sie,  hier 
die  geistige  kraft  zusammenzunehmen,  zu  üben  und  zu  bilden,  das 
erste,  was  er  von  dem  tüchtigen  jungen  manne  forderte,  war  die 
Wahrheit  seines  Wissens ,  die  mit  lauterkeit  der  gesinnnng  eins  war. 
es  hat  zu  allen  zeiten  leute  gegeben ;  welche  sich  dieser  pflicht  des 
strengen  und  mühsamen  snchens  nach  der  Wahrheit  sn  entziehen 
suchten:  gegen  diese  äusserte  Hermann  rücksichtslos  seine  Feind- 
schaft und  Verachtung,  er  verschmShte  auch  den  kleinen  wohl  er- 
worbenen gewinn  nicht;  er  war  überzeugt,  dasz  auch  in  diesem 
kleinen  ein  suwachs  der  geistigen  kraft  und  der  gesinnung  liege. 
80  hat  er  eine  grosze  zahl  geistig  tüchtiger,  im  leben  überall  brauch- 
barer, in  der  gesinnung  fester,  ernster  und  freier  münner  gebildet, 
die,  wie  er  selbst,  der  geistes-  und  willensstarke  mann,  die  Wahrheit 
und  Solidität  ihres  wissens  in  wort  und  that  bekundet  haben. 

Wir  sind  aber,  sagte  der  prediger,  noch  immer  nicht  zu  dem 
wesen  der  philologie  Hermanns  gekommen. 

Qut  denn,  sägte  mein  vater,  das  eigenste,  was  ein  volk  besitzt, 
ist  seine  spräche,  es  äuszert  sich  der  geist  des  volks  auch  in  den  p/ra- 
miden  und  tempeln,  die  es  baut,  auch  in  den  bildem  der  gStter,  die 
es  schafft,  aber  nirgends  tritt  seine  Individualität  so  hervor,  niigends 


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Nootet  aoholaaticae. 


383 


eneheint  aeine  entwkklmig  so  Uar  und  hell,  aU  in  der  apnehe, 
welche  es  Ton  seinem  nrspnmg  an  bis  ro  seinem  yerMl  und  vnter- 
gang  b^leitet;  die  geisteseigentHmliehkeit  und  die  spnchgestaltnng 
eines  ?olkes,  sagt  Wilhelm  yon  Humboldt,  sind  so  innig  in 
«inender  verschmolzen,  dass,  wenn  nnr  die  eine  gegeben  wftre,  die 
andere  ans  ihr  mit  notwendigkeit  mttste  erkannt  werden  können, 
die  erkenntnis  der  spräche  eines  Volkes  ist  also  mehr  als  irgend  etwas 
anderes  dor  würdige  gegenständ  unserer  angestrengtesten  arbeit, 
wenn  volk  und  spräche,  beide  eins  und  innig  verbunden,  vor  andern 
SU  ihrer  erkenntnis  auffordern,  dies  letztere  ist  bei  den  Ghnecfaen  und 
Römern  der  fall,  auf  deren  gmndlagen  die  büdung  Europas  ruht, 
wenn  wir  also  durch  eine  emenerung  dieses  nusammenhanges  mit 
dem  dassischen  altertum  eine  stetige  enieuerung  unserer  cnltur 
eoehen,  so  ist  für  die  philologie  offenbar  die  spräche  das  wichtigste 
und  nächste  object,  wie  sie  das  auch  su  allen  aeitm  ins  auge  gefasst 
bat,  nicht  die  tempel,  die  werke  der  knnst  usw.,  welche  olme  die 
spnehe  stumm  sein  würden,  wie  denn  auch  die  banwerke  von 
Aegypten  und  Assyrien  stamm  sein  würden,  wenn  es  nicht  der 
genialsten  forschung  gelungen  wäre,  die  Inschriften ,  welche  sie  tra- 
gen, lesbar  und  verständlich  zu  machen. 

Nun  ist  aber  die  spräche  eine  doppelte,  erstens  die  natürliche, 
bewusztlos  in  der  flexion,  in  der  Wortbildung  und  Wortzusammen- 
setzung und  syntaktisch  weiter  entwickelte,  und  zweitens  die  zu 
werken  der  litteratur  kunstvoll  verwandte  und  zu  diebcm  zwecke  frei 
und  bewuszt  gestaltete:  die  litteratursprache.  iu  dieser  künstlerisch 
gebildeten  spräche  sind  die  Schriftwerke  der  alten  abgefaszt.  diese 
Schriftwerke,  deren  gesammtheit  die  litteratur  heiszt,  sind  das  höchste 
geistige  erzeugnis  des  aliertums ,  welches  wir  besitzen ,  das  höchste, 
wichtigste  und  uns  verständlichste,  sie  bilden  den  mittelpunct  der 
plülologie ,  ihre  erklärung  ist  die  eigentliche  aufgäbe  der  philologie. 

Zu  dem  Verständnis  dieser  werke  sind  nun  gewisse  disciplinen 
erforderlich,  zunächst  eine  kenntnis  der  sprachen  des  altertums, 
welche  uns  beftlhigt,  selbst  den  zutritt  zu  diesen  werken  zu  ge- 
winnen, sodann  eine  doctrin,  welche  uns  die  kunstformen  dieser 
sprachen  erkennen  lehrt,  diese  doctrin  enthalt  zwei  teile:  für  die 
prosa  die  rhetorik  und  die  lehre  vom  stil,  für  die  poesie  die  metrik. 
lüit  diesen  hilfsmitteln  ist  es  nun  möglich,  zu  den  alten  zu  gelangen 
und  sich  ihrer  zu  bemächtigen,  dies  Verständnis  ist  nun  entweder 
fin  natürliches,  oder  es  ist  ein  auf  wissenschaftlicher  basis  ruhendes 
und  mit  bewusztsein  betriebenes,  von  dem  pbilologen  erwartet  man 
<ias  letztere;  eine  hauptdisciplin  ist  also  für  ihn  hermeneutik  und 
kritik,  für  den  dilettanten  ist  das  erstere  genügend. 

An  die  erklärung  des  alten  legen  sich  natürlich  gewisse  kleine 
Wissenschaften,  das  drama  fordert  eine  kenntnis  des  theaten  aumes 
und  der  bühne,  der  zeit  der  aufführungen  usw,  ein  anderes  dichter- 
werk wird  man  durch  ein  colleg  über  die  gattungen  der  poesie  be- 
gleitet sein  lassen;  denn  jenes  dichterwerk  ist  vielleicht  eins  aus 


NoetM  acbolaitieae. 


einer  gronen  gattoBg  von  gediebten,  nad  mosz  Ton  der  kenntiiis 
dieser  gattung  ans  erkannt  werden«  Sie  kOnnen  das  weiter  verfolgen. 
8ie  bemerken  zugleich ,  welche  stellang  jetit  diese  dieeiplinen  ein- 
nehmen, sie  sind  nicht  mehr  um  ihrer  selbst  willen  da,  sondern  dt 
haben  den  zweck,  das  veratlndnis  der  Schriftwerke  an  nnteratHtm, 
nnd  damit  sogleich  das  masi,  innerhalb  dessen  sie  betneben  weirdcn* 
ja  erst  in  dieser  Terknl^fQng  erhalten  diese  diseiplinen  eine  lebendig- 
keit  und  fasdichkeit,  wie  ich  mir  a.  b.  eine  gmhichte  der  griechi- 
schen iiistoriographie  nicht  denken  könnte  olme  anschhisi  an  flero- 
dot,  immerhin  als  anhang  ra  dem  sehe«  erkannten  Herodot,  eine  ge- 
schichte  der  redner  nidit  ohne  beiiehnng  anf  Demosthenes.  es  ist 
diese  lebendige  Yerbindnng  des  antors  nnd  der  discq»lin,  weldie 
dieser  das  todt  gedftehtnismipzige  nimmt,  und  ihr  bedeotoDg  ge- 
wfthrt 

Sie  sehen  nnn  leicht,  dasi  es  b<*i  nnserer  anffassnng  der  Philo- 
logie möglich  ist,  in  kflneeter  zeit  in  den  geist  nnd  j^e  methode 
philologisdier  Stadien  eingeftthrt  sa  werden;  wer  an  Einern  objedie 
diese  methode  nnd  das  wesen  der  philologie  recht  ei^annt  hfttie» 
wflrde  auf  gleichem  wege  sich  weiter  bilden  können,  die  sebtier 
Hermanns  waren,  aach  die  wlirdigen  and  bemoosten  hftapterr,  weit 
davon  entfernt,  mit  der  aniversitftt  sich  als  fertige  philologen  za  be- 
trachten ;  sie  hatten  nur  die  richtung  empfangen ,  in  der  sie  selbst 
weiter  zu  gehen  hatten,  diese  richtung  und  die  kraft  eigenen  wol* 
lens  und  strebens  zu  gewinnen,  genügten  z.  b.  bei  Meineke  wenige 
Semester,  der  keim  war  in  ihn  gelegt,  aus  dem  sein  ganzes  weiteres 
wissenschaftliches  leben  sich  entwickeln  sollte.  Herniann  selbst  hielt 
ihn  für  so  fest  gegründet,  dasz  er  ihm  unbedingt  rieth,  die  ihm  an- 
gebotene Professur  in  Jenkau  anzunehmen. 

Meine  meinung  ist  also,  dasz  die  philologie  keine  altertums- 
wissenschaft,  ja  überhaupt  keine  Wissenschaft  sei,  sondern 
dasz  sie  eine  thätigkeit  sei,  und  zwar  eine  auf  gesetzen  ruhende 
und  nach  gesetzen  geübte,  nennen  wir  es  künstlerische  thStig- 
keit,  welche  den  zweck  hat,  durch  eigene  arbeit  den  geist  des  alter- 
tums  in  seinen  hervorragendsten  erzeugnissen ,  der  spräche  und  den 
werken  der  litteratur,  kennen  zu  lernen,  sie  ist  nicht  anderes  als  die 
künstlerische  thätigkeit  des  maiers,  des  musikers,  des  bildbauers. 
die  Studienzeit  ist  dazu  bestimmt,  zu  dieser  kunst  eine  anleitung  und 
in  derselben  die  notwendige  technische  Übung  zu  geben,  den  jungen 
mann  geist,  methode  und  ziel  seiner  thätigkeit  kennen  zu  lehren,  ihn 
in  eine  bestimmte  richtung  einzuweisen,  und  vor  falschen  wegen  zu 
hüten,  da  hierzu  nicht  blosz  belehrung  nötig  ist,  sondern  auch  Vor- 
bilder, so  wird  die  anleitung  ihm  solche  Vorbilder  aufstellen,  oder 
ihn  auf  dieselben  hinweisen  und  überhaupt  den  geist  des  eigenen, 
freien,  selbständigen  arbeitens  in  ihm  erwecken,  und  da  die  alten 
sprachen  sich  der  seele  nicht  besser  einpflanzen  als  durch  den  leben- 
digen gebrauch  ihrer,  so  wird  es  gut  sein,  wenigstens  eine  dieser 
sprachen  bis  zum  freiesten  gebrauch  einzuprägen. 


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Tb.  Eajaer:  des  Q.  Hoxatius  FlaccoB  oden  und  epoden.  385 


Sie  dürfen  also  ohne  sorge  um  Geozg  sein,  liebe  frenndin.  er 

hat  ein  auge  zu  sehen  und  die  kraft  zu  wollen,  wenn  diese  beiden 
da  sind,  ist  die  philologie  ein  einfaches,  leichtes,  heiteres  Studium, 
beglückend,  weil  der  sauren  arbeit  der  reelle  und  sichere  erfolg  nicht 
fehlen  whrd. 


39. 

I»8  Q»  HOBATIUS  FLACCUS  ODBH  VKD  BPODEN.    TEXT  üKD  6bBB- 
8BZU1IO  MMT  ERLÄUTSRUNOSN  VON  THEODOR  KAT8BB,  PRO- 

FESSOB  AM  GYMNASIUM  ZU  TÜBIMGBN.  Tübingen,  Franz  Fues. 
1S77. 

^Der  universitkt  Tübingen,  der  treuen  pflegerin  emster  Wissen- 
schaft zur  yierhundertjährigen  Stiftungsfeier  in  dankbarer  liebe  und 
Terehrung  gewidmet'  erscheint  ein  neuer  artikel  zur  rubrik  Hora- 
tiana.  wer  hat  nicht  mit  vergnügen  die  Goetheschen  verslein  ge- 
lesen, die  der  alte  professor  Kegimontanus  sich  für  seinen  fall  zu- 
recht gemacht : 

"Wer  hUtte  auf  .alle  Horatiana  acht 
morgens,  mittafi:,  abend  und  mltternacbt, 
der  wKr*  um  alle  seine  seit  gebracht, 
hlltte  weder  atande  noch  tag  noeli  nacht, 
und  wär'  nms  ganie  Jahr  gebracbt: 
daa  hätt*  ich  ihm  gar  aehr  Terdacbtl 

> 

indes  eine  gäbe  zur  Tttbinger  universität^nbelfeier  yerdient  schon 
einige  aufnaerksamkeit,  und  wenn  sie  auch  zur  classe  Horatiana 
zShlt.  was  ist  es  denn,  das  der  Ttlj^inger  schulmann  auf  den  ge- 
weihten tisch  seiner  alma  mater  niedergelegt  hat?  eine  ausgäbe  der 
lyrischen  gedichte  des  Horaz!  wir  haben  aber  doch  schon  eine  end- 
lose reihe  davon  in  allen  fa9on8  und  nach  allen  denkbaren  methoden 
bearbeitet,  kritische  und  unkritische,  commentierte  und  nicht  com- 
mentierte,  conservative  und  fortschrittliche,  en  rainiature  mit  gold- 
schnitt  a  la  Moritz  Haupt  und  Lucian  Müller  mit  ameisendruck  und 
dickleibige  Orelli  und  Dillenburger  mit  corpusschrift.  aber  der  neue 
Spender  hängt  auch  erläuterungen  an !  die  stim  des  kritikers  ent- 
wölkt sich  schon,  auch  eine  Übersetzung,  doch  nein!  eine  über- 
sezung  müssen  wir  mit  dem  herausgeber  schreiben,  der  das  tz  aus 
der  deutschen  schrift  verbannt  hat,  also  auch  eine  übersezung  ist 
beigegeben,  der  Verfasser  hat  also  nach  dem  princip  gearbeitet: 
wer  vieles  bringt,  wird  jedem  etwas  bringen,  er  hofft,  eine  solche 
ausgäbe  wird  den  zahlreichen  freunden  des  dichters  nicht  unwill- 
kommen sein,  ob  wol  dem  herrn  collegen  einmal  die  arbeiten  von 
Strödt  mann  (Leipzig,  Engelmann)  und  von  Obbarius  (Pader- 
born, Schöningh)  in  die  bände  gekommen  sind?  seine  empfehlung 
klingt  mir  gerade  so,  als  ob  er  glaubt  etwas  neues  geschaffen  zu 
haben:  links  der  text,  rechts  eine  Übersetzung  ^im  versmasze  der 


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386      Th.  Kayier:  dm  Q.  Hcwatiaft  Flaoeot  öden  und  ^oden. 

Urschrift' ,  dahinter  eine  tabellarieche  ttbersiisht  tther  das  leben  des 
Horas  und  die  in  dasselbe  fallenden  ereigmisse,  eine  ftbersicht  Uber 
die  composition  der  oden  und  epoden,  Schemata,  ditrre  striche  uid 
haken,  welche  die  verskunst  des  Hoiaz  venmschantichcn  solhSi 
eine  ttbersicht  der  inhaltsüberschriften  und  der  Tersrnssze  der  ein- 
zelnen lieder  wie  bei  Nauck,  ein  alphabetisches  yerzeichnis  dv 
versanftnge  wie  bei  Nanok,  —  das  ist  ja  schon  alles  dageweses! 
bei  wem  soll  sieh  nun  wol  diese  neue  insammenstellung  einhlb^ 
gern,  ich  fSrehte  sie  wird  not  haben,  sidh  unter  ihren  zahlreiclMs 
Schwestern  bahn  zn  sehaflinu  doch  wir  lesen,  dass  die  arbeit  nÜ 
ernst  und  liebe  gepflegt  ist,  sie  will  anch  weiteren  (?)  kreiaea 
wenigstens  einen  teil  des  genusses  gewShren,  den  die  beschSftiguiig 
mit  dem  dichter  in  steigendem  masse  dem  antor  selbst  bereitet  hat 
dass  derscilbe  mit  Toller  liebe  seinen  dichter  gepflegt  hat,  ist  eis 
wohlthuendes  gefühl,  das  den  leser  das  ganze  baeh  hindon^  nu* 
gend  Terlisst,  wenn  er  nur  nicht  in  seiner  alles  entsdiuldigeiidea 
und  natürlich  findenden  bewundenmg  etwas  zn  sehr  nach  reohls 
gegangen  ist.  man  kann  ein  treaer  fieeond  des  alten  Hbratius  sein 
und  ilm  recht  lieb  gewonnen  haben,  ohne  sein  assentatnr  sn  werdoi, 
oder  vielmehr  ist  das  treue,  wahre  freundschaft,  wenn  man  alles  an 
dem  freunde  schön,  tadellos  findet,  ganz  abgesehen  dsTon,  dasz  du 
wflrdigen  pergamene  doch  nicht  so  ganz  intakt  geblieben  sind 
durch  die  reihe  der  Jahrhunderte?  auch  Nauck  ist  ein  anhfinger  der 
conservativen  richtung,  aber  was  ist  der  conservatismus  Naucks 
gegen  Kajsers  text!  unter  seinem  auf  den  linken  seiten  formirten 
texte  findet  sich  ein  'delectus  variae  lectionis'.  aber  alles  ist  stell 
Terschmftht  bis  auf  fQnf,  sage  fQnf  conjecturen:  ep.  9,  17  at  ho€ 
(Bentley)  mit  Schutz  und  Naqck  u.  a. ,  selbstverständlich  II  17,  14 
GyaSy  III  16,  41  AJyattei^  was  man  wol  kaum  eine  conjectur  wird 
nennen  können,  III  5,  15  irahenti  mit  Keller  u.  a.,  und  gott  s^i 
dank  III  14 ,  11  haud  virum  expertae  für  iam.  für  diese  kühnheit 
erteilen  wir  dem  textesconstituenten  bereitwilligst  indemnität,  be- 
dauern es  im  gegenteil,  besonders  im  hinblick  auf  'die  weiteren 
kreise',  dasz  er  so  viele  andere  flecken,  häszliche  rostflecken, 
nicht  weggeputzt  hat,  weil  er  dafür  kein  auge  hat.  dabei  kommt  er 
mit  sich  selbst  in  Widerspruch,  s.  VIII  betont  er  mit  recht  die 
charakteristischen  metrischen  abweichungen  der  Horazischen  Askle- 
piadeischen,  Sapphischen  und  Alcäischen  verse  von  den  griechi- 
schen :  'in  den  Asklepiadeischen  die  gewichtvolle  spondeische  basis'. 
nichtsdestoweniger  schreibt  er  I  15,  36  ignis  Iliams  domos  mit 

trochäischem  auftakt  (also  J,  J^S^^JJ)»  obgleich  doch  sogar 
Nauck  jetst  die  vulgata  verurteilt  nun  Utszt  sich  ja  die  Lscb» 
mannsche  entschuldignng  hOren,  dann  hfttte  der  herausgeber  jenes 
metrische  gesetz  aber  nidit  als  ein  ausnahmsloses  hinsteUen  sollen; 
es  kommt  aber  noch  schlimmer^  s.  DC  lesen  wir  folgendes:  'in  den 
drei  ersten  seilen  der  Alettischen  strophe  hat  Horas  auf  die  anakm- 
sis  statt  einer  trochsischen  dipodie  stets  trochSus-spondeus  folgen 

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Th.  EajBer:  des  Q.  Uoratins  Flacona  oden  ond  epoden.  387 


lassen',  die  alten  nannteii  diese  Terbindung  bekannÜieh  epiiritus 

secundus  (J^  ^^J  J).    das  ist  eine  allbekannte,  wenn  auch  von 

allen  nicht  anerkannte  sache.  daher  lesen  H  au pt  u.  a.  III  5 ,  17 
si  fion  perires^  6,  9  iam  bis  Monaeses,  Kayser  aber  stellt  jene  regel 
fUr  Horaz  als  ausnahmslos  auf  und  schreibt  non  pcriret  und  Monae- 

sis  ( J^).   was  die  worte  auf  derselben  seite  'fürs  zweite 

die  nicht  minder  charakteristisöhe  dnrdi  das  msanuneniallen  eines 
wortsehlnsses  mit  dem  ende  des  versfosses  entstehende  dilKresis' 
fligentlidi  bedeuten  soUen,  habe  ich  nicht  yerstehen  kOnaen,  beson* 
dws  weil  er  gleich  darauf  Ton  der  cäsnr  des  Sapphisehen  yersee 
spricht,  nennt  der  TerfL  eine  Verbindung  wie  «  ^  .  w  einen  yersfuss? 
and  ein  wortscUnsi  sollte  bei  Horas  immer  mit  dem  ende  des  (wel- 
dies?)  venfuszes  susammenfidlen?  aus  einer  bemerkung  s.  381  er* 
adien  wir,  dasz  der  Tcrf.  z.  b.  dae  erste  motiv  dee  Sappidaohen  Ter- 
ses  -  w  —  einen  versfüss  nennt,  denn  dahinter  befindet  sich  ein 
perpendikulSrar  strich,  und  diesen  setzt  hinter  'yereftsze*.  nun 
soll  aber  nach  s«  IX  das  ende  des  Tersfusaes  bei  Hör*  mit  einem 
wortschlusz  zusammenfallen,  darnach  kdnnte  er  also  einen  yers  wie 
 1 

mteger  wiae  8celeri8gfi$  pun»  mtki  gebildet  haben,  denn  hier  ftUt 
seUnsz  des  ^versfnnes'  und  des  wortes  nicht  zusammen,  an  der- 
selben stelle  spricht  er  von  einer  cttsur  des  Sapphisehen  verses, 
w&hrend  in  der  metrischen  Übersicht  nur  von  düLresen  die  rede  ist, 
welche  er  durch  |  anzeigt  er  schematisiert  also  den  anfang  der 
Alcttbchen  Strophe  ^1-^  —  |^ww|.wm.  was  ist  da  nun 
diSrese,  was  ist  cftsur?  den  Sapphisehen  vers  gibt  er  in  der  form 
-w.^.|^w%^|.w.o;  da  erdie  difirese  mit  |  bezeichnen  zu 
wollen  erklSrt,  so  hat  der  Kayserscfae  Sappbiscbe  veie  weder  diSrese, 
noch  cftsur.  eine  heillose  confusion  in  so  einfochen,  elementaren 
dingen,  da,  wie  Lahrs  in  den  epimetris  seines  Aristarch  gezeigt 
hat,  die  dsur  durdiaua  nicht  von  dem  wortende  bedingt  ist,  so  ist 
an  Horazischen  stellen  wie  IV 14, 17  sjpeäa^idm  m  eerkmuime  Martio^ 
was  Nauck  für  einen  metrischen  fehler  bezeichnet,  1 16,  21  hostüe 
aratrum  exercUus  insokns  und  I  37, 14  Meniem^  lymphatam  Mch 
reotico  (Nauck :  a  Mareotico)  durchaus  nicht  anstosz  zu  nehmen. 

Dabz  Kayser  dem  latein  seines  dichters  sehr  viel  Zumutet,  sehen 
wir  aus  II  3,  9,  wo  quo  pinus  ingens  mit  'dort  wo'  Übersetzt  wird* 
wir  lesen  mit  Schütz  und  du  Mesnil  in  der  z.  f.  d.  g.  w.  december 
1875  die  atrophe  mit  folgender  interpunction: 

quo  pinus  ingens  albaque  populus 
umhram  hospüdlcm  consociare  amafU 
ramis,  ei  ohliquo  laborat 
lympha  fugax  trepidare  rivo, 
huc  vina  etc. 

steht  in  beziehung  zu  huc^  und  ist  durch  dieses  beeinfluszt.  — 
Warum  ingens  pmus  II  10,  9  saepius  venUs  agUatm  als  eme 


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388      Th.  Kajter:  des  Q.  Horatint  Flaceos  oden  und  epoden. 


kleine  ist  nun  schlechterdings  nicht  zu  verstehen,  aber  et  cdm 
graviore  casu  decidunt  turres  fordert  gebieterisch  5acr??r^;  was  band- 
scbriftUch  feBtsteht.  wie  htlbscb  Nauck:  *nicht  auf  die  häufigkeit 
der  bewegung,  nur  anf  die  heftigkeit  kommt  es  an.  aneh  werden 
Bchwaebe  bftnmchen,  nnd  nnn  gar  rohr  und  halmen,  weit  öfter 
bew^:  aber  wie  wüthet  der  stürm  in  den  belaubten  zweigen  der 
michtigen  piniel'  obgleiidi  derselbe  anf  die  dnrdliana  nieht  zntref- 
ffende  paralldisionmg  mit  Herod.  "VII  10  anftnerksam  genuudit  hd, 
liest  man  doeb  wieder  bei  Sohflts  die  verkehrte  behaoptnng,  dm 
ici  dem  S(uphu  entsivrecbe.  doeh  su  weit  geht  die  nnbefon^nheft» 
wenn  Eayser  IV  8,  17  ohne  jeden  xweifel  an  der  intaeten  ftberliefe- 
mng,  ohne  jedes  entseholdigende  wort  abdrucken  iSsst  —  Das  fm 
imemäia  (kKi^agims 

^uam  OaUbrae  Pierides  einem 
gebildeten  leser  Ids  Horasisehe  poesie  bieten  zn  wollen,  heiazt  denn 
doch  die  kritiklosigkeit  nnd  yertranensseligkeit  lu  weit  traben; 
y.  17  ist  von  einem  der  nnbeCangsten  kritiker  als  ein  tfermu  imedm' 
tMmue  beseiehnet  worden,  artua  hnffiseimo  paat  HaraMmn  tMfemdb 
ingenio  manadiäU,  warum  raubt  uns  aber  Nanek  noch  immer  des 
schonen  vers  di(fmm  laude  virum  imua  veiat  mori,  statt  uns  mit  den 
besten  kritlkmfn  mit  dem  geeckten  33n  su  veradionen? ' 

üeber  das  kriiasciie  Teihsiten  und  die  metrischen  erlftutemngen 
des  neuen  herausgebers  war*  wenig  erfreuliches  zu  berichten,  was 
bringen  die  s.  279 — 320  angehängten  erlftuterungen  schätzenswertes? 
sie  geben  durchaus  keinen  commentar  zu  den  einzelnen  gedichten, 
sondern  heben  nur  vereinzelte  momente  zur  auffassung  derselben 
heraus,  da  springt  nun  sofort  eine  geradezu  merkwürdige  abhängig- 
keit  von  Nauck  in  die  äugen,  die  auch  in  der  wähl  der  Überschriften 
und  dem  nachweise  der  harmonie  der  Strophengliederung  in  über- 
raschender weise  zu  tage  tritt,  eine  derartige  ausnutzung  der  arbeit 
eines  bestimmten  Vorgängers  hätte  irgendwo  entschuldigt,  zum  min- 
desten angezeigt  werden  müssen.  46  Überschriften  sind  der  Nauck- 
schen  ausgäbe,  eine  grosze  zahl  der  Düntzerschen  (z.  b.  I  15.  16.  17. 
33.  II  16.  19  usw.)  entlehnt,  von  den  selbst  gemachten  sind  die 
meisten  nicht  gerade  glücklich  gewählt  z.  b.  17:  rath.  I  4  früh- 
lingsfeier.  das  Naucksche:  frühlingsmahnung  trifft  den  gedanken. 
darüber  musz  ich  zu  vergleichen  bitten,  was  ich  in  diesen  Jahrbüchern 
1877,  s.  200  S,  ausgeführt  habe,  die  namensüberschriften,  wie  I  8, 

'  ieh  empfehle  berrn  Kayser  dringend  die  lectüre  des  aufsatzes 
Ton  Iforits  Haupt  '&ber  die  krltik  derHoraaischen  gedickte  ans  dem 
Jahre  1858,  jetst  in  den  opnsc.  III  42  ff.  'wer,  andrer  unmöglicbkeiteo 
des  gedankens  und  der  form  zu  geschweige!!,  glauben  kann,  dasz  Horas 
den  ältern  Scipio  Africanus  Karthapo  konnte  einäschern  hissen,  der 
glaube  auch,  dasz  ein  preuszincher  dichter,  nicht  ein  Uoraz  sondern 
irgend  welcher,  Friedrich  den  grosEen  könne  Paris  einnehmen  lassen,' 
sagt  dieser  besonnene  gelehrte,  dem  nichts  mehr  sawider  war,  als  Will- 
kür der  kritik ,  so  dasz  er  den  sonst  wob  ihm  bocbrerehrten  Lelirs  in 
seinen  Horasstudien  mente  ptane  oecaeeatu»  nannte. 


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Tb.  Eayser:  des  Q.  Horatius  Flaccus  öden  und  epoden.  389 

sind  meistens  nichtssagend,  die  lateinischen  mit  dem  bekannten  ad 
sind  wir  glücklich  in  unsern  ausgaben  losgeworden,  qualemcunque 
ducentes  origineni^  sagt  Lucian  Müller,  relicturus  fuiy  si  uUo  face- 
rent  modo  ad  ledionem  hivandam.  wo  Kayser  sich  von  Nauck  eine 
kleine  Variation  erlaubt,  geschiebt  es  regelmäszigin  deteriorem  partem. 
^meinem  Lamia',  schreibt  Nauck  über  I  26,  Kayser  'dem  Lamia'. 
Nauck:  I  14  das  gefährdete  staatsschiff;  Kayser:  das  lecke  staats- 
schiff.  dasz  eine  Überschrift  zu  I  3  wie  die  von  Kayser  gewählte  'als 
Vergil  nach  Athen  reiste'  für  die  kennzeichnung  des  gedichtes  ab- 
solut nichts  beibringt,  geht  aus  meinen  auseinandersetzungen  am  an- 
geführten orte  hervor,  die  Überschriften  zu  I  37  und  III  29  *Kleo- 
patra  und  Staatsmann  und  dichter'  habe  ich  an  derselben  stelle 
empfohlen,  von  den  selbst  gefundenen  Überschriften  kann  ich  un- 
bedingt nur  loben  127  'liebesbeichte',  II  8  'liebeszauber',  III  7  *der 
ferne  geliebte',  2G  'abrüstung',  IV  1  'rtickfall',  4  'die  Neronen', 
ep.  2  'idyUe  eines  wuchrers',  3  'gesegnete  mahlzeit',  10  'glückliche 
reise!'  dasz  sich  der  Verfasser  des  ^Jahresbericht  über  die  litteratur 
des  Horatius'  bei  Conrad  Bursian,  fünfter  Jahrgang,  Berlin  1878 
8. 33  f.  gar  nicht  die  mühe  genommen  hat,  Kaysers  leistungen  in 
ihrer  abhfingigkeit  von  Nauok  za  vergleichen,  von  ihr  keine  a]bnung 
hat,  geht  aas  seiner  gansen  besprechung,  namentlich  aber  aus  dem 
umstände  hervor,  dasz  er  den  Übersetzer  wegen  der  Überschrift  zu 
IV  2  'schwan  and  biene'  lobt ,  die  eben  Nauck  entlehnt  worden  ist. 
derselbe  si^t  von  der  Überschrift  zu  II  9  'nicht  immer',  sie  erwedke 
eine  ganz  andre  erwartung  des  lesers  als  durch  die  betrachtung  der 
dichtung  erfüllt  wird,  er  weisz  also  nicht,  dasz  aueh  diese  Über- 
schrift von  Nauck  herstammt,  und  sehr  passend  den  parSnetischen 
Charakter  des  gedichtes  zeichnet,  auszerdem  eine  Übersetzung  der 
anfangsworte  ist,  nan  Semper ^  sie  bilden  in  der  that  den  leitenden 
&den,  da  dem  tiaueniden  Valgius  Ruftis  gesagt  wird,  was  er  non 
smper  thun  soll;  non  phravU  omnes  ÄniSochiim  eenex  An^ 
HO«,  nee  w^mbem  parentes  Tratten  mtt  JPkrifgiae  seroree  lUvere 
Semper,  dnräians  verfehlt  erscheinen  mir  sSmmtliche  Überschriften 
za  in  1 — 6:  'der  wahre  mensch,  der  echte  bttrger,  mannestugend, 
Weisheit,  tai^erkeit,  frömmigkeit',  da  die  erste  dieser  oden  von  der 
genügsamkeit  handelt,  wie  die  werte  der  mitte  desiderantem  quod 
satis  est  es  scharf  ausprägen,  und  zu  einem  'wahren  menschen'  ge- 
hört dodi  noch  etwas  mehr,  da  die  zweite  ode  yon  der  wrUta  'der 
uannhaftigkeit'  handelt,  wie  sie  als  MUea^  cMUs  und,  im  gegensatz 
zu  der  weibisöhen  geschwfttzigkuit,  aroani prodiga ^  als  treue ,  ernste 
verschvriegenheit  zum  ausdruck  kommt,  da  die  dritte  von  Roms  be- 
stinunung  handelt,  insofern  es  auf  die  wsHNa  und  eonsiawHa  seiner 
bürger  gegründet  ist|  im  gegensatz  zaxperfidia  und  UeUas  Trojas^ 
da  ^e  vierte  temperanHa  feiert,  'masz  und  kraff ,  da  die  fünfte  den 
Patriotismus  in  Begulus  vor  äugen  führt,  dadiesedisteein  *thutbusze' 
den  gottlosen  und  sittenlosen  zuruft  mehrere  neue  beziehungen, 
die,  —  und  damit  sind  wir  zur  betrachtung  der  erläut er ungen 


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390      Th.  Kayser:  des  Q.  Hoifttiut  FUcens  odea  und  epcden. 

übergegangen,  —  Kajser  in  den  gedächten  gefunden  hat,  entbehren 
jeder  begrüntUmg;  so,  wenn  er  in  I  15  eine  politische  beziebung  auf 
Antonius  und  Kleopatra  ^ehen  will ,  wenn  er  I  26  aus  dem  anfange 
musis  amicus  tristitiam  et  meius  tradam  proiervis  in  niare  Cretictm 
partare  ventis^  weil  Horaz  von  den  lustigen  winden'  spricht,  folgert, 
dasz  wir  ein  gelage  im  freien  (!)  vor  uns  haben,  dasz  der  name  der 
muse  Pimplei,  oder  wie  er  schreibt  Pimplea,  eine  anspielung  auf  das 
trinken  enthält,  wenn  er  aus  I  30  o  Venus  te  Glycerae  decoram  trans- 
fer  in  acdevi  anzunehmen  sich  für  berechtigt  hält,  dasz  'die  wohl- 
habende libertine'  der  Venus  einen  tempel  gebaut  habe,  —  wahr- 
scheinlich kommen  die  grazien  solutis  zonis,  die  faciles  Njmphae, 
die  luvenias  und  Mercur  zur  Venus  zu  gaste!  — ,  wenn  er  zu  ep.  13 
folgendes  phantasiebild  entrollt:   ^das  herbstlich  -  winterliche  Un- 
wetter, das  vom  tbracischen  nord  brausende  meer,  die  grause  be 
kümmemis,  welche  die  freunde  drückt,  zuletzt  das  beispiei  des 
Achilles  —  alles  versetzt  uns  in  das  lager  vor  Philippi 
und  zwar  in  die  zeit  nach  der  ersten  schlacht,  in  folge  deren  Cassius  , 
sich  den  tod  gab.'   so  etwas  wird  geschrieben ,  ohne  dasz  auch  nur 
der  geringste  anhält  für  eine  solche  annähme  für  die  erklärung  eines 
ganz  der  griechischen  lyrik  nachgeahmten  liedes  aus  den  beziehun- 
gen  des  gedichtes  selbst  geschöpft  werden  könnte,   die  phantasie- 
gespinnste  unseres  erläuterers  werden  aber  noch  luftiger;  man  höre 
und  staune  über  folgende  märchen:  ^es  ist  ein  stürmisch -düsterer 
tag,  nicht  minder  düster  ist  die  Stimmung  der  versammelten  freunde, 
deren  gespräch  um  das  jüngste  tragische  ereignis,  den 
tod  des  Cassius,  sich  dreht.'  da  tritt  unser  Singer  auf'  (ein 
wabrer  Morand !)  *und  lieisit  die  freunde  gutes  mntes  —  noch  ist 
ja  nicht  alles  verloren  —  dem  gesebiok  entgegengehen,  sei's  auch» 
dasz  sie,  wie  einst  Achilles  vor  Troja,  ein  früher  tod  auf  fimmdem 
boden  erwarte.'   die  lateinische  spräche  bat  ein  gutes  wort  zur 
bezeichnung  eines  solchen  gebahrens,  sie  nennt  das  hariölari  \  visio- 
när wird  unser  erklärer  auch  bei  der  erläutening  des  ditbjrambos 
III  25.  bei  diesem  gedichte  ist  indes  eine  solche  Stimmung,  die  an- 
dern sterblichen  nicht  offenbartes  wahrnimmt  'in  holdem  Wahnsinn', 
erklftrlich.  da  er  vor  conjectur^  eine  unüberwindliche  abneigung 
bat ,  so  interpretiert  er  III  26  anms  als  'brechinstrument'.  'warum 
sollte  das  wort  nicht  auch  in  diesem  sinn  gebraucht  worden  sein?' 
ist  mit  dieser  frage  etwas  bewiesen?  dass  es  diese  bedeutang  hat^ 
soll  uns  aber  herr  Eajser  philologisch  belegen,  die  Strophe  qms 
Martern  tunka  tedvm  adamaiiUna  Digne  aoripamt  anU  piOven  JMeo 
Nignm  Merionm  and  ope  BaBadb  l)fMen  auperia  pmremf  in  1 6 
ist  Ton  den  berufensten  kritikem  fttr  interpoUert  erklftrt  worden*  j 
sie  unterbricht  nicht  nur,  sagt  M.  Haupt  a.  a.  o.  s.  60|  den  sn- 
sammenhang»  sondern  die  antwort  auf  Sure  fri^  wire  notwendig 
'Yarius'«  sie  macht  also  das  lob  des  Yarius  und  den  ganzen  ge- 
danken  des  einganges  su  nichte,  oder  sie  selbst  wird  duräi  dieeiffee 
Strophe  zu  baarem  unsinn.  herr  Kayser  hat  natflrlich  einen  kost- 


L  kju,^  cd  by  Google 


Th.  Kayaer:  des  Q.  Horatius  Flaccus  oden  und  epoden.  391 


baren  einfall,  der  so  passt  wie  die  faust  aufs  auge,  denn  dem  Horaz 
auch  nur  eine  zeile,  und  wenn  sie  den  grösf^en  unsinn  enthält,  ab- 
sprechen ist  todaünde:  der  Mars,  der  Meriones,  der  Tydide,  wer 
ists?  ich  habs  —  Agrippa  selbfitl  'aber  indem  Horaz  es  ablehnt, 
das  lob  des  Agrippa  zu  besingen,  verberlicht  er  ihn  indirect  durch 
die  Homerischen  büder  der  vierten  atrophe,  in  welcher  er  den 
Agrippa  wie  einen  gott  im  streit  im  schmuck  der  stählernen  rüstung 
(Mars),  im  getOmmel  dt*r  sohlaeht  (Meriones),  in  der  glorie  des  siegs 
(Diomedee)  an  uns  TorftberKiehen  lkszt.'  das.  sind  blosse  hariolatio- 
B€ik,  himgespimiste,  yielleiclit  *fein'  und  ^geistreich*,  der  interpret 
bat  aber  in  erster  lüde  der  objectiven  Wahrheit  rechnung  zu  tragen, 
snB-  nidit  unterzulegen.   selbstrerstSndlich  werden  die  ein- 
niide,  dass  die  stn^e  auch  in  dieser  ideenconstmoüon  den  ge- 
diiikengang  und  die  fonn  irollkommen  unterbricht,  dass  zweitens 
der  wäersprueh  mit  der  ersten  Strophe  seiriteHs  VaHo  noch  Ter- 
ach&rft  wird,  yoUkommen  unberücksichtigt  gelassen,  es  ist  aber  bei 
denconservativen  Horatianem,  wie  H.  Fritzsche,  genügend,  wenn 
man  erklärt  zur  partei  zu  gehören ,  um  ohne  alle  weitere  nachfor- 
schung  gelobt  zu  werden,    wenn  K.  Lehrs  die  Europaode  III  27 
*ein  blödsinniges  gedichl'  nennt,  so  mag  man  den  ausdruck  etwas 
zu  kräftig  finden,  in  der  that  wird  man  einen  viel  milderen  nicht 
brauchen  können,  und  ich  musz  bekennen,  dasz  ich  nicht  wage,  die- 
ses machwerk  meinen  schülern  als  lecttlre  zuzumuten,  für  die  ja  doch 
das  beste  eben  nur  gut  genug  sein  soll.  Kayser  nennt  es  'ein  etwas 
rtthselhaftes,  trotzdem  aber  unzweifelhaft  echt  Horazisches  gedieht*, 
dagegen  ffihre  ich  wieder  keinen  geringeren  als  M.  Haupt  ins  feld, 
der  solche  Zumutungen  vortrefflich  mit  folgenden  werten  nieder- 
schlägt: ^Horaz  hat  mit  seinem  unglücklichen  Umus  dormitat  HomC' 
rus  eine  waffe  geschmiedet,  die  nicht  nur  die  Verteidiger  aller  Wider- 
sprüche und  alles  Unverstandes  in  Ilias  und  Odyssee  mit  lust  ge- 
bnitoben,  sondern  die  sich  auch  suweilen  mit  scheinbarem  rechte 
nun  schutse  der  Überlieferung  in  den  Horasischen  dichtungen  ver- 
wenden Iftsst.  aber  so  weit  konnte  des  dichters  schlaf  nicht  gehen» 
^  er  vergass,  was  in  Born  jedes  kind  wüste»  und  dass  er,  der  be- 
aonneiLe  und  manvolle»  seine  absieht  durch  verkehrtes  geschwSts  su 
sichte  machte.' 

Die  abhttngigkeit  von  Nauck  in  diesen  erlftuterungen,  aus  denen 
ich  nachher  auch  einiges  wolgelungene  beibringen  werde,  ttbersteigt 
jedes  masz  des  zulässigen,  wie  folgende  kleine  blumeniese  beweisen 
inrd: 


Kayser: 


Nauck: 


15. 


Pyrrha.  der  kern  des  ge- 
dichts,  die  untreue  der  Pyrrha, 
Hegt  in  der  mitte,  drei  teile :  'wer 
ißts  jetzt  ?  er  wird  sich  wunder^  I 
ich  bin  gerettet.* 


eine  ungetreue,  drei 
terfe:  1)  wer  ists,  2)  er  wird  sich 
wundern,  3)  ich  bin  gerettet. 


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392      Th.  Kayser:  dea  Q.  Horatius  Flaccus  oden  und  epodeu. 


Kayser: 


Nauck: 


I  9. 


Im  W  i n  t  e r.  die  ode  besteht  1  Die  drei  ersten  strophen  sagen, 
sas  zwei  gleichen  theilen:  in  den' was  jetzt ,  die  drei  letzten,  was 


drei  ersten  Strophen  sagt  der 
dichter  seinem  Thaliarchus  ge- 
nannten freund ,  im  blick  auf  die 
winterliche  landscbaft,  was  jetzt, 
in  den  drei  letzten,  was  ttberhanpt 
in  der  jngend  zn  thnn  seL 


ttberhanpt  zn  thnn  sei. 


I  17. 


Einladung  aufs  land. 
*Faunus  liebt  mein  Sabinum ,  ich 
stehe  im  schuze  der  götter:  so 
komm  und  erfreue  dich  an  den 
früchten  des  landes,  an  schatten 
und  saitenspielf  an  wein  und 
liebe.'  wendepunct  des  gedichts 
in  der  mitte. 

n 

Gleiche  sterne.  HoraztrO- 
stet  seinen  freund  Mäcenas,  der 
sich  mit  todesgedanken  quälte: 
^nicht  ich,  nicht  die  götter  wollen, 
dasz  du  vor  mir  sterbest:  unser 
beider  geschick  stimmt  unglaub- 
lich zusammen'.  4  -f-  4  strophen. 


I  Einladung.  ^Faunus  liebt 
mein  Sabinum,  die  götter  schützen 
den  frommen  dichter:  so  komm 
und  geniesze  den  segen  der  üur, 

!  geniesze  schatten  und  saitenspiel, 
geniesze  wein  und  stille  einträch- 

j  tige  liebe.'  der  wendepunct  des 

I  gedichtes  liegtgerade  in  der  mitte. 

17. 

Gleiche  sterne.  der  didip 
ter  tröstet  den  fftr  sein  leben  za- 
genden freund  ....  'weder  die 
götter  wollen  es,  noch  ich  selbst, 
dasz  du  früher  stirbst  ....  denn 
unser  stern  stimmt  wunderbar 
überein',  das  ganze  (1  -|-  3)  -j-  4 
Strophen. 


n  18. 


Seiner  rafriedenbeit  mit  weni- 
gem (y.  1 — 14)  stellt  der  dichter 
das  ewig  unbefriedigte  streben 
mach  reichtnm  und  glänz  entgegen 
(15 — 28),  das  ihm  angesidits  des 
alle  erwartenden  todes  als  thor- 
beit  erscheint  (29--40). 


Das  gedieht  zeigt  ans  1)  dea 
genügsamen  dichter,  8)  den  un- 
befriedigten und  darum  sogar  ob- 
gerechten  und  unbarmherzigen 
reichen,  3)  das  festbestimmte  ziel 
des  den  reichen  wie  den  armen 
hinwegrafifendcn  Orcus ,  ange- 
sichts welches  zieles  das  masz- 
lose  streben  der  sterblichen  als 
reine  thorheit  erscheint. 


m  16. 


Geld  Yermag  alles:  ich  ver- 
schmflhe  es :  so  bin  ich  glttcklicber 
und  reicher  als  der  reichste.  44-3 
+  4  Str. 


AllmSchtig  ist  das  gold  (atr. 
1^4).  aber  ich  Terschmihe  es 
(str.  5—7).  80  bin  ich  glfiddidiff 
(str.  8—11). 


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Th«  Eayser:  des  Q.  Horatius  Flaccus  oden  und  epoden.  393 


Kajser:  Nauck: 

ep.  2. 

Die  pointe  liegt  im  bchlusz: 
nachdem  wir  eine  begeisterte  lob- 
preisung  des  landlebens  vernom- 
men, seiner  glücklichen  ruhe  (v. 


Nach  einer  begeisterten  Schil- 
derung des  landlebens:  seiner 
harmlosigkeit  und  ruhe,  seiner 
beschäftigungen  und  erholungen 


1—8),  seiner  angenehmen  und  je  nach  der  Jahreszeit,  seiner  häus- 
lohnenden  beschäftigungen  (v.  9 ,  liehen  glückseligkeit  und  gentig- 
—22),  seiner  freuden  und  er-  samkeit:  erfahren  wir  plötzlich, 
holungen  (v.  23  —  38) ,  seiner  dasz  der  lobredner  ein  wuchrer 
häoslidien  glückseligkeit  (v.  39  ist,  und  eben  im  begriff  sich  zu 
—66),  erfahren  wir  plötzlich,  dasz  bekehren ,  zu  seinem  waoher  zu- 
der  lobredner  ein  wuchrer  ist,  der  rüokkehrt. 
eben  im  begriff  landmann  zu  wer- 
den sofort  zu  seinem  wudier  zu- 
rfickkehrt. 

Es  wird  genug  material  beigebracht  sein,  damit  der  leser  sich 
ein  urteil  Uber  die  methode  der  ausnutzang  einer  fremden  arbeit 
seitens  des  berm  Eayser  bilde,  iob  überlasse  dem  leser  auch  die 
passende  benennung  eines  solchen  ver&hrens.  zun  mindesten  hätte 
doch  der  berr,  der  eine  arbeit  in  der  weise  zu  benutzen  fttr  angebracht 
hielt,  diese  seine  absiebt  unter  beaeicbnnng  der  benutzten  quelle  klar 
und  bestimmt  anzeigen  mttssen.  dasz  er  nicht  bona  ßde  handelte, 
geht  daraus  hervor,  dasz  er  stets  ganz  unwesentliche  änderungen 
TOigenommen,  mit  weglassung  ihm  allenfalls  entbehrlich  scheinen- 
der Worte,  mit  ganz  irrelevanten  wortvertanschnngen,  nichtsdesto- 
weniger ist  auch  die  wörtliche  tlbereinstimmung  crasz  genug,  in 
dem  Vorwort  p.  VII  thut  er  sich  etwas  darauf  zu  gute,  dasz  er  die 
composition  der  Horazisohen  oden  nAher  ins  at^e  ge&ezt  hat,  es  be- 
dOrfe  vielfoeh  nur  der  blosen  hinweisnng  auf  dieselbe,  um  so  man- 
chen mutwilligen  einfrll  der  heutigen  hjperkritik  als  unberechtigt 
zorttokzuweisen.  auch  hier  wird  mit  keuier  silbe  an  Kancks  bestre- 
bmigen  in  dieser  richtung  erinnert^  und  doch  adoptiert  Eayser  nicht 
BOT  die  art  der  bestimmung  der  gedankengliedemng  durch  z.  b.. 
1  -|-  2  1,  nein  er  hat  für  die  gedichte,  fOr  welche  Nauck  ein 
oompositionsgesetz  gefunden  hat,  dieses  ftat  regelmftszig  von  ihm, 
ohne  ihn  au<£  nur  einmal  zu  nennen,  abgesehrieben,  vgl.  die  angaben 
XU  IV  9.  13.  m  27.  24.  21.  16.  18.  15.  14.  11.  10.  9.  4.  7.  H  19. 
20. 12  usw.  wo  Nauck  eine  solche  gliederung  nicht  aufstellt,  da  er- 
scheint ihm  sicher  die  annähme  einer  solchen  bedenklich,  und  mit 
lechi  ich  habe  in  einer  recension  der  Nauckschen  ausgäbe  die  auf- 
stellung  einer  inhaltsanaljrse  fttr  den  gebrauch  der  schtQergewfinscht, 
ich  bin  aber  fest  davon  ttberzeugt,  dasz  noan  in  vielen  fSllen  in  der 
art  der  abteilung  verschiedener  ansieht  sein  wird,  und  so  kann  man 
die  selbstlndigen  Symmetrien  Kaysers,  die  er  dort,  wo  Nauck  keine 
^gegeben  hat,  selbst  zu  machen  sieb  gezwungen  gesehen  hat,  sttmmt- 
lieb  anfechten.  verdSchtig  ist  Immer  die  zerreiszung  der  Strophen 

N.jfthrb.  f.  phiLu.  päd.  Il.abt.  1878.  hft.8. 


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394      Th.  Kayser:  des  Q.  Uoralius  Fiaccua  oden  und  epoden. 

behufs  des  Bymmetrischen  nachweises.  eine  bubjectiv  aufgestellte 
Strophensymmetrie  nun  vollends  zu  einem  kritischen  princip  erheben 
zu  wollen,  ist  die  summe  alleV  verkehrtheil,  z.  b.:  für  I  6  schreibt 
Kayser  die  gliederung  l  -j-  ^  "h  1  ^^^^  erläuternden  analyse 

'deine  thaten  kann  nur  ein  zweiter  Homer,  ein  epiker  wie  Varius 
würdi^^  feiern :  ich  bin  kein  epiker,  ich  bin  blosz  ein  sänger  des  weins 
und  der  liebe',  dieser  analyse  widerstreitet  nun  aber  gerade  die  von 
Haupt  und  Lehrs  beanstandete  Strophe  13 — 16  qnis  Martern  äuü 
entschiedenste,  mit  dieser  Strophe  müste  die  analyse  lauten:  I  Varius, 

0  Agrippa,  ist  dein  mann.  II  ich  fühle  mich  für  das  grosze  epos  zu 
schwach,  ich  bin  kein  epiker,  namentlich  da  es  sich  um  unseres  kai- 
sers  und  deinen  rühm  handelt.  III  Homerische  beiden  und  gotter 
kann  niemand  würdig  besingen.  IV  sondern  ich  bin  der  dichter  des 
leichten  lyrischen  gesanges.  das  gibt  also  l-f-^+^  +  l^^ 
Strophen,    nur  wenn  die  4e  Strophe  fÜÜlt,  kommt  die  BjmBMß 

1  4-  2  1  zu  Stande,  dasz  sich  einzelne  hübsche  bemerkimgen 
in  den  erlttuterungen  finden,  soll  bereitwillig  sugestanden  werden.' 
aber  der  Verfasser  wird  es  mir  nicht  verargen  können ,  wenn  ich 
mistrauisch  geworden  bin.  zu  der  Bandnsiaode  bemerkt  er  durch- 
aus schön  und  treffend:  Mas  liebliche  gedieht  seigt  Yor  andern  das 
oharakteristische  der  Horazischen  naturauffassung.  Horaz  schildert 
die  natur,  wie  t>ie  seinen  sinnen  sich  darstellt,  er  läszt  sie  rahig  aof 
sich  wirken  und  spiegelt  sie  so  wie  sie  ist  klar  in  sich  ab,  ohne  seine 
gefühle  einanmischen,  während  der  moderne  lyriker  sich  in  dernatur 
spiegelt  und  seine  gelühle  and  empfindungen  in  sie  hinänlegt. 
binde  stehen  so  in  diametralem  g^nsata:  die  Horadsohe  nAtoraof- 
&ssnng  ist  naiv,  die  moderne  natnrbetrachtimg  ist  sentimental, 
man  vergleiche  das  Horaatsehe  gedieht  mit  Gkiethes  fiseher.  Heni 
stellt  das  bild  wie  es  ihm  t^mt  äugen  steht  klar  nnd  ansohanlich  ge- 
zeichnet Tor  nns  hin:  die  kiystallhelle  flnt,  die  felsige  grotte,  die 
darüber  sieh  erhebende  eiohe,  dem  ruhenden  pflogstier,  die  weidende 
heerde';  (Goethe  bleibt  nicht  bei  der  inszem  «rscheiniing  stehen,  er 
yerieiht  der  natur  mitfühlendes  leben,  statt  wie  Horas  ein  scharf 
umsdhriebenea  bOd  su  geben,  hebt  er  vielmehr  solche  momente  her- 
vor, die  znm  geftthl  sprechen:  das  geheimnisvolle  ranschen  des  waa- 
sers, das  feuditverklftrto  blau  des  himmels  das  ans  der  tiefe  leuditet, 
das  wohlige  selige  leben  das  da  dronten  hersdit  nsw*  von  dii«r 
solchen  Versenkung  in  das  geheimnisvolle  leben  der  natnr,  einem 
mitleben,  mitfühlen  derselboi  weiss  Horaz  nichts,  er  bleibt  bei  der 

*  weit  wichtiger  wären,  da  seiner  ganzen  anläge  nach  das  buch 
ein  kleines  Horazcompendium  für  laien  sein  zu  sollen  scheint,  kurze, 
sachliche  erläuterungen,  ohne  die  dem  leser,  dem  ''sein  latein  schon 
etwas  abhanden  gekommen',  das  Verständnis  der  gedichte  sehr  tr* 
Schwert,  ja  nnmöglieb  gemacht  wird. 

'  do(  h  wieder  zu  vi^l  zwischen  des  seilen  gelesen.  Horaz  sagt 
nur:  du  bietest  liebliche  kühle  dem  vom  pflügen  ermüdeten  stiere  nnd 
der  weidenden  heerde,  d.  b.  doch  nicht  den  pflagstier  und  die  heerde 
zeichnen! 


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Tb.  Kayser:  des  Q.  HoraÜiis  IlaccaB  odea  und  epoden.  395 

sinnlichen  anschauung  stehen ,  weisz  aber  eben  dadurch ,  dasz  er  die 
natur  in  ihrer  einfachen  grösze  und  sinnlichen  schöne  klar  und  wahr 
ohne  alle  subjective  zuthat  darstellt,  phantasie  und  gefühl  in  gleicher 
weise  zu  bewegen.'*    trotzdem  darf  man  nicht  vergessen,  dasz 
Schiller  recht  hat,  wenn  er  in  seinem  aufsatz  über  naive  und  sen- 
timentalische  dichtung  Horaz  als  den  dichter  eines  cultivierten  und 
verdorbenen  weltalters,  der  die  ruhige  glüffkseligkeit  seines  Tibur 
preist,  den  wahren  Stifter  dieser  sentimentalischen  dichtungsart 
nennt,  und  ihn  in  derselben  für  ein  noch  nicht  tlbertroffenes  niuster 
erklärt,  auffallend  ist  es,  dasz  Schiller  an  dieser  stelle  den  empfind- 
samen Tibull  vergiszt,  der  mehr  als  alle  anderen  römischen  dichter 
des  gegensatzes  zwischen  natur  und  kunst  sich  bewuszt  ist,  und  die 
freuden  eines  zurückgezogenen,  ungestörten  naturgenusses  gepriesen 
hat  mit  einer  innigkeit  und  Wahrheit,  wie  kein  anderer  vor  ihm,  und 
doch  ist  von  einem  'mitfühlen',  einem  versenken  in  die  naturstim- 
muug  keine  rede,  plastische  gebilde  treten  uns  vor  äugen,  nicht 
malerische  wie  bei  den  modernen,  die  sinnlichen  genüsse,  die  das 
leben  in  einer  reich  gesegneten  gegend  bieten,  werden  vorzugsweise 
verherrlicht,    für  die  Schönheit  der  plätschernden  quellen  haben  die 
Südländer  immer  Verständnis  gezeigt ,  man  denke  nur  an  den  aus- 
druck  KpTivaiov  TOVOC  schon  bei  Aeschylos.  aber  von  dem  divitias 
alius  fiüoo  sibi  congcraf  auro  bio  zam  'drüben  geht  die  sonne  schei- 
den' welch  ein  schritt  I 

Die  erinnerung  an  Nikolaus  Lenau  führt  uns  zum  Übersetzer 
Kayser.  dasz  die  Sapphische  strophe  auch  in  unserer  spräche  von 
wunderbarer  Wirkung  sein  kann ,  das  empfinde  ich  immer  mit  ent- 
zücken, so  oft  ich  Lenaus  'abendbUder'  lese: 

1. 

Friedlieber  abend  senkt  sieh  aoTs  gefilde; 

sanft  entschlammert  natnr,  iiin  ihre  sfige 
schwebt  der  dämmVunt;  zarte  verhttnang,  and  sie 

lächelt,  die  holde, 

Lächelt,  ein  schlummernd  kind  in  vaters  armen, 

«ler  voll  liebe  zu  ihr  sich  neip;^!;  sein  göttlich 
auge  weilt  auf  ihr,  und  es  webt  sein  odem  . 
über  ihr  antlits. 

2. 

Stille  wird's  im  walde  :  die  lieben  kleinen 
Sänger  prüf«  n  schHukelnd  den  ast.  der  durch  die 
nacht  dem  neuen  flii^e  sie  trägt,  den  neuen 
Hedem  entgegen. 

Bald  versinkt  die  sonne j  des  waldes  riesen 
heben  höher  sieh  in  die  Ififte,  nm  noeh 
mit  des  abends  flüchtigen  rosen  eich  ihr 
hanpt'sn  bekrinsen. 

*  wie  wichtig  sind  solche  parallelisierungen  für  die  ästhetische 
lüldnng  nnserer  schüler,  und  wie  wenig  wird  in  dieser  richtung  diesem 
»edürfnisee  von  nnsem  philelogisehen  Interpreten  recbnuug  getragen! 

20* 

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"1 


396      Th.  Kayser:  des  Q.  Horatiu»  Flaccus  odea  und  epoden. 

Schon  verstummt  die  matte;  den  satten  riadern 
selten  nur  enthallt  das  geglock  am  halse, 
oad  ei  pflilekt  dar  wftUeiide  saha  nur  litn^ 
dunkler«  giiter. 

Und  dort  blickt  der  schuldlose  hirt  der  sonne 
ttnaand  nac^;  dam  tinnandan  JatsI  antfiUlan 
flSf  ond  Stab,  es  falten  die  hinda  «Ich  snm 
•tUliV  gebeta. 

gegenüber  stellen  wir  in  Kaysers  überäetzuug  etwa  Hör.  III  8: 

Zum  arstan  Hftrs. 

Was  am  mKrs  am  arstan  ich  jnnggeselle 
traiba,  was  da  kränze  von  blamen  sollen , 
was  das  weihrauchkästchan  und  kohlenglut  auf 
grünem  altare. 

Nicht  bagraifst  dQ*s,  kanner  dar  baidan  sprachan? 

süszen  festschin.-ius  hab  und  ein  weisses  böcklain 

ich  gelobt  dem  Liher,  als  fast  das  banmstanmis 
Störs  mich  erschlagen. 

Hante  kehrt  dar  tag  und  so  soll  dann  hanta 

auch  der  krup:,  dar  nntar  dam  consnl  Tollos 
in  den  rauch  fanp^  mnszte,  vom  pechomsehlossaan 
korke  befreit  sein. 

Nimm ,  Mftcenas ,  nimm  der  pocale  hundert 
auf  des  freunds  des  lebenden  wohl,  und  mnnter 
bis  sam  tag  lasz  brennen  die  korken  frei  Ton 
linsen  nnd  hadarl 

Lasz  sie  rahn  die  sorgen  der  Staatsverwaltung: 
nieder  sank  ja  Cotiso^  beer  des  Dakars, 
sonst  mit  uns  führt  jetst  mit  sieh  salbst  dar  Madar 
traurige  kriege, 

Unser  erbfeiud  fern  am  hispanischen  »trand,  der 
Cantaber  trilgt  endlieh  nun  doch  die  kette, 
und  schon  rXnmt  der  Scjthe  mit  abgespanntem 
bogen  das  sohlaabtfeld. 

.Lasz  einmal  dich  geben,  und,  ein  Privatmann, 
sorge  nicht  m  sehr  um  das  Tolkes  woUfahrt; 
was  da  beut  die  stunde  geniassa  froh  und 

lasse  den  ernst  sein!   (besser:  ruhn.)' 


*  wie  Tiel  schöner  bei  Günther: 

Was  ich  hier  treibe  su  den  mftrs-kalenden 

ich  hagestolz  —  wozu  die  bluraen  blfihn, 

im  frischen  rasen  kohlen  glühn 

und  Weihrauchfässer  ihre  düfte  spenden. 

Befremdet  dich,  den  kenner  beider  sprachen? 

—  ein  freudenmahl,  ein  böckchen,  giänsend  weisx 

gelobt  ich  zu  des  BaCchus  preis, 

als  mich  dar  stun  des  baumes  fast  erschlagen! 


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4 


Th.  Eayser:  des  Q.  Horatiiis  Flaccus  oden  ond  epoden.  397 

Zuerst  ein  paar  bemerknngen  über  die  beiden  gedicbte.  die 
Lenauschen  büder  sind  nach  inbalt  und  form  so  yorzüglicb,  dasz 
kein  Horaziscbes  daneben  den  vergleich  ansbält«  die  form  der 
Sappbischen  stropbe  ist  hier  mit  dem  inbalt  so  verschmolzen «  dasz 
kein  rest  übrig  bleibt,  läszt  sich  dies  auch  von  dem  product  der 
Horaziscben  muse  sagen?  keineswegs,  der  getragene,  feierliche 
rbythmus  passt  schlechterdings  nicht  für  diese  einladung  za  einem 
gelage ,  fast  hätte  ich  gesagt  einer  kneiperei.  und  so  ist  es  mit  sehr 
vielen  Horaziscben  Uedem  der  fall,  bei  denen  die  form  eine  znföllige 
ist,  jede  andere  wftre  eben  so  berechtigt,  weit  passender  ?r1lrde  z.  b. 
die  Sapphische  strophe  f&r  IV  10  o  eruddia  adhuc  gewesen  sein,  als 
diese  pomphaften  verse,  die  man  grOszere  Asklepiadeische  nennt, 
deren  rbytbmensohwall  mit  dem  nichtssagenden  inbalt  in  einem 
sehreienden  contraste  steht.  Naucks  bemfihnngen,  die  harmonie  des 
inhalis  mit  den  jedesmaligen  rhythmen  nachzuweisen ,  treffen  ein- 
fiaeh  das  richtige  nicht,  wer  sollte  z.  b.  mit  ihm  empfinden  kennen, 
.dasz  das  metmm  in  I  21 

Dkmam  ienerae  dicUe  virffinea^ 

mtonmmpueri  didU  Cy^S^hm^ 

LaUmamque  supremo 

düectam  pemtus  lavi. 
eine  sehr  schwermüthige  Stimmung  zeigt?  weil  nun  also  das  metmm 
in  vielen  fidlen  dem  Inhalt  nicht  entspricht^  so  ist  meiner  meinung 
naeh  auch  der  Übersetzer  nicht  sklavisch  an  dieselbe  form  gebnn- 
den:  Horaz  produciarie  vieles  'als  stndie,  zur  schmeidigung  der 
spräche',  der  probe,  die  ich  von  der  art  der  Eayserschen  Über- 
tragungen gegeben  habe,  entspreeben  die  der  übrigen  gedickte,  sie 
nad  mit  groszer  sorgfolt  und  treue  gearbeitet,  frei  von  allen  sprach- 
Terrenkungen ,  nur  geben  sie  mir  in  der  peinlichen  nachbildung  der 
geseize,  die  Horaz  dem  Charakter  seiner  spräche  gemäsz  sich  auf- 
erlegen zu  müssen  glaubte,  zu  weit,  hierüber  mich  noch  einmal  aus- 
ndassen,  halte  ich  für  unnötig,  da  ich  meine  diesbezüglichen  ansich- 
ten  in  der  gymnasialzeitschrift  1876  s.  479  ff.  ausführlich  begründet 
habe,  einen  groszen  fortschritt  hat  Kayser  in  der  behandlung  der 
deutschen  spräche  für  die  antiken  rhythmen  gemacht:  er  hat  dem 
wortton  zu  seinem  rechte  verhelfen,  auch  mir,  sagt  er  s.  X,  gilt,  da 
unsere  spräche  einmal  eine  accentuierende  ist,  der  accent  als  ein 
unverletzbares  heiligtum.  jeder,  der  verse  zu  lesen  hat,  beherzige 

'  Und  dieser  tag,  der  heute  festlich  nahte 

I  naeh  jahresfritt,  er  toll  ein  fSssoben  wein 

I  vom  fest  verpichten  spund  befrein, 

das  raiieh  geschlürft  seit  Tollas  consalateJ 

Auf  freuDdes  wohl,  MSeenas,  lass  dir  gern 
den  vollen  becher  hundertmal  kredenzen  1 

1  biß  an  den  morgen  mögen  glänzen 

,  die  muntern  kerzen,  zwist  and  streit  sei  ferx^l 

I  U.  8.  f. 

>  « 


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1 


398      Th.  Eayser:  des  Q.  Hoiatiiu  FUocns  öden  und  epoden, 

doch,  was  Wilhelm  Jordan  in  der  einleitung  zu  seiner  Odyssee- 
Übersetzung  darüber  als  geübter  kenner  vorträgt,  'hundertfältig  zu 
geböte  stehen  die  beispiele  dafür,  dasz  die  nemlichen  vocale  und 
diphthonge ,  denen  beim  vortrage  nach  unserm  Sprachgebrauch  hier 
der  vollste  ton  und  vom  tacte  das  gröszeste  zeitmasz  beigelegt  wird, 
in  anderer  Verbindung  als  schwachtonig,  ja  tonlos  und  nur  einen 
geringen  bruchteil  des  vorigen  zeitmaszes  ausfüllend  gesprochen 
werden,  wir  kennen  nur  betonungs-  und  tactwerts Verhältnisse,  und 
diese  werden  ohne  rücksicht  auf  die  vocalisation  lediglich  bestimmt 
vom  gedankengewicht  der  silben  und  ihrer  diesem  gewicht  ent- 
sprechenden Satzstellung.'  bringen  wir  aber  untrere  prosaischen  be- 
tonungsverhältnisse  in  einklang  mit  dem  rhjthmus  antiker  strophen, 
so  haben  wir  noch  nichts,  was  prosa  von  poesie  unterscheidet,  oder 
wenigstens  für  unser  ehr  zu  wenig,  zur  poesie  wird  uns  unsere 
spräche  erst  durch  den  reim.*  gereimte  antike  Strophen,  wie  sie 
Gottscball  versucht  bat,  sind  unerträglich: 

Und  siDken  Völker  in  des  rerderbens  schland 
der  lals  des  elends  bleibt  auf  des  bechert  prand, 

so  oft  ihn  auch  im  Strafgerichte 
schmettert  in  scherbea  die  Weltgeschichte. 

^was  ist  geschehen?  die  einheit  des  baue?  ist  in  eine  aufdringliche 
zweiheit  zerrissen,  und  das  ist  keine  Alcäiscbe  Strophe  mehr.'  Lehrs 
im  Aristarch  h.  412.  T^enau  hat  sehr  gut  daran  gethan,  die  Sapphi- 
schen  verse  nach  dem  vorgange  Mattbissons  zu  variiren ; 

V-/  .  .  _  _  \^  ^ 

friedlicher  abend  senkt  sich  auf's  gefilde 
sanft  entsehlommert  natiir,  am  ihre  züge 

die  Stellung  des  daktylus  ist  variabel. 

Kayser  hat  sich  nun  auch  in  der  anwendung  des  reims  und  des 
modern-poetischen  gewandes  bei  der  Übertragung  antiker  poetischAr 
Schöpfungen  versucht,  und  zwar  mit  groszem  glücke. 

SOPHOKLES  ANTIGONB  DEtTTSOH  TOM  THEODOR  KAT8ER.  TfibingeD, 

yerlag  und  druck  Ton  Franz  Fues.  1878. 

Haben  wir  den  Verfasser  als  gewandten  Übertrager  antiker 
Horazischer  strophen,  durch  fremde  rhythmische  gesetze  beengt, 
anerkennen  müssen,  so  zeigt  er  uns  hier,  was  er  zu  leisten  vermag 
auf  heimischem ,  mütterlichem  boden ,  er  beweist  sich  als  einen  be- 
herscher  der  spräche  und  ihrer  poetischen  gesetze  von  nicht  gewöhn- 
licher begabung.  ein  widmungsgedicht  an  seine  gattin  eröffnet,  zu- 
gleich ein  motto  für  die  unvergänglich -schöne  dichtung,  in  fonn 

*  K.  Gottschall  nennt  ihu  den  karyatiden  unserer  deutschen 
rhythmik!  wahrseheinlich  hat  der  grosse  ftsthetiker  den  Dsmen  sof 
eine  sramaiatisehe  stufe*  mit  ^Pelide*  gebracht   ygt  poetik  I  810. 


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Th«  Kayser:  Sophokles  Antigone.  399 

eines  sonetts  die  Übertragung  des  Stückes,  das  gedieht  teilen  wir 
hier  mit,  um  den  leser  nach  dem  ganzen  b^erig  zu  machen: 

Der  Schwester  pflicbt  der  frommen  nicht  zu  fehlen 
kommt  dort  die  jnnc^ran  hohen  schritts  gegangen 
cntschloRsen  ohne  furcht  and  ohne  bangen 
für  ihre  that  den  tod  sich  sn  erwiihlen; 

Itnd  Hämon  stürmt  aus  des  palastes  sllen 
zur  felsenkluft  zur  öden  voll  vorIiuig:en 
im  prabe  noch  in  schmerzlichem  umtaiigen 
der  toien  braut  sich  sterbend  zu  vermählen; 

die  mutter  hört's  und  g-oht  mit  stummem  schweigen 
hinweg  bewältigt  von  dem  einen  triebe 
hinab  snm  kind  in  Hades*  reich  zu  steigen: 

ja  ^ines  bleibt,  ob  alles  auch  zerstiebe, 
du  kennst  dies  ^ine  wol,  es  ist  dein  eigen, 
es  ist  die  heiPge  allgewalt  der  Hebe. 

Das  stück  ist  in  act-  und  sceneneinteilung  gegeben,  mit  erlän- 
tomden  sceniscben  Vorbemerkungen,  die  iambischen  trimeter  der 
iiverbien  sind  in  die  ftinffüszigen  l)lankverbe  unserer  dranien  ver- 
wandelt;  nach  dem  vorgange  Oswald  Marbachs,  die  chöre  in  freien 
gereimten  Strophen,  die  rhythmisch  den  gegenstrophen  entsprechen, 
nach  dem  Vorgänge  Hoffmanns  in  seinen  Übersetzungen  Sophoklei- 
scher  chorgesänge,  programme  des  Sophien -gy mnasiums  in  Berlin 
1869.  1870.  Wir  geben,  sie  mit  dem  texte  und  Marbachs  arbeit  yer- 
gleiohend,  die  ersten  20  verse  als  probe: 

ANTiroNH. 

Koivdv  aOTdöeXipov  McfAH^Hf  *^dpo, 
dp*  olc6*  0TI  ZcOc  Tdkv  dir'  OiMicou  KOKdhf 

öirolcv  oöxl  vujv  fxi  Juücaiv  xcXct; 
ouö^v  T^p  oöt'  dXT€ivöv  göt"  dTr^c  dxcp, 
oöt'  alcxpöv  oöt'  ÄTiiiov  ?c6',  6ttoiov  ou 
Tüjv  ciiiv  xe  Kqt^üjv  ouk  öttujti  '  i^{h  KaKÜJv. 
Kttl  vOv  ti  toOt*  oO  <pacl  irav&niüii|i  iröXci 
KfjpuTMa  6dvat  töv  crpcrrriTöv  dprCiuc; 
fxeic  XI  KeicT^Koucac;  f\  C€  \av6dvei 
npdc  Touc  (piXouc  cxeixovTo  tuuv  dx^pwv  KOKd; 

ICMHNH. 

'€noi  M^v  oöbelc  iLiOGoc,  *AvnTdvT|,  (piXuiv 

oöe*  i^öCic  Göx*  dXTCivöc  Vk6x\  £E  ötoü 

hvoiv  dbeXqpolv  ^cx€pr)0r||H€v  6\J0, 

jaiqt  eavövTUJv  i^M^p<](  ömXr^  X^pi' 

iTt€\  bi  q)poOööc  ^cxiv  'ApT^iuiv  cxpaxdc 

tv  vuKTl      vOv,  o06iv  ot6*  öir^epov 

odt'  cÖTuxoOca  fiAXXov  oOr'  dTUijyilvn. 

ANTirONH. 

QÖT)  KaXufC,  Kai  c'  dKxöc  auXeiuüv  ttuXuiv 
To06*  O0VCK'  ^lir€)üiTrov,  Ojc  mövii  Kkitotc. 

ICMHNH 

tI  5'  icii;  5i)Xok  Tdp  Ti  KaXxaivouc'  £iroc. 


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400 


Hl.  Kajt«r:  Sophokles  Antigone. 


Marbacb  (Sophokles  3e  Ausg.  Leipsig  1868): 

Antigene. 

Ismene,  theure  Schwester,  einsige! 
sprich ,  gibt  es  noch  ein  elend,  eine  schmaeb, 
die  noeb  gefehltt  am  schon  bei  nnsrem  leben 
alle  die  grausigen  fläche  sa  erfüllen, 

mit  denen  Zeus  Oidipns  haupt  p^eschlHgen?  i 
was  nur  von  schmerz,  verderben,  scbmach  und  schände 
es  gibt,  das  fanden  wir  in  unserm  elend! 
weieit  du,  wet  dieses  teges  erstes  granen 
grannTolles  neues  uns  heranfgefuhrt, 

was  eben  jetzt  der  herold  eliem  Volke  ift 
Terkfindet  bat? 

Ismene. 

Ich  habe  nichts  vernommen, 
ich  habe  frende  nicht  noch  leid  gehört, 
seit  unsre  beiden  briider  in  den  tod 
dabingesnnken,  schrecklich  binc^eschlacbtet 
der  eine  dnreh  den  andern;  nad  seitdem  1$ 
in  dieser  uacbt  sieb  das  Argeierheer 
von  <l(r  heilrUngten  Stadt  zurückgezogen, 
bat  meinen  gram  kein  neues  leid  genährt. 

Antigene« 

Ich  daehte  mir*s  nnd  danun  liess  ich  dieh 

sn  mir  an  diesen  stillen  ort  bescheiden,  • 

da  SS  du  allein  vernftbrnest  — 

Ismene. 

Was?  o  Schwester, 
welch  neues  nnheil  wogt  in  deiner  brnst? 

Marbach  bildet  mit  dramatischor  lebendigkeit  und  dichteriscfaer 
intuition  seine  verse  dem  oxiguiale  nach,  ohne  vers  für  versmit 
philologischer  treue  wiederzugeben .  so  werden  ans  den  drei  enteo 
▼ersen  des  Originals  bei  ihm  fünf,  die  verse  9  und  10  geben  zwar 
den  sinn  das  Originals ,  schliessan  sich  aber  in  keiner  weise  seuen 
Worten  an.  er  Utozt  v.  21  Antigone  von  Ismene  nntorhroeben  we^ 
den,  dramatisch  richtig,  nach  der  form  des  textes  wiUkürHch«  b8n& 
wir  Kayser: 

Antigene. 

Mein  trautes  Schwesterhers,  Ismene,  sprich, 
kennst  da  ein  Tlterlicbes  leid,  da«  S&ens 
an  ans,  des  Stammes  lezten,  nicht  erflllHe? 
nichts  arges  gibt  es,  nichts  entseziiches, 
nichts  ist  so  schmachvoll,  «<o  entehrend,  das 
ich  nicht  geschaut  in  deinem,  meinem  wehe, 
nad  nnn  —  was  sagt  man  wieder  dass  der  fürst 
so  eben  allem  volk  Terkünden  liess? 
hast  dtt*s  gehört?  wie?  oder  weiszt  da  nicht, 
was  nnsem  lieben  droht  von  feindesband? 

Ismene. 

Von  nnsem  Heben  bab  ich  nichts  gehört, 
nichts  frohes  nnd  nichts  trauriges,  seitdem 


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Th.  Kayser:  Sophokles  Anügone. 


401 


die  beiden  brüder  uns  an  einem  tage 
gefallen  einer  durch  des  andern  band, 
and  nun  in  dieser  nacht  der  feinde  heer 
hhiwegffeBogen ,  weiss  ich  weiter  siebt« , 
nieht  gTBckficher«  sieht  ünner  denn  «iTor. 

Antigen  e. 

Ich  dachte  mir^s;  drnm  rief  ich  dich  hermiiSt 
damit  es  niemand  höre  ausser  dir. 

Ismetie. 

Was  ist's?    ich  seh,  es  wogt  etwas  in  dir. 

Die  verszahl  des  Originals  ist  streng  festgehalten,  durchweg 
möglichst  genauer  wortanschlusz  erstrebt,  die  auffassung  der  worte 
V&v  Iti  Ziujcaiv  schlieszt  sich  an  die  erklärung  von  Schneidewin- 
Nauck  au,  während  Marbach  der  gewöhnlichen  annähme  von  gen. 
abs.  folgt.  Kaysers  'es  wogt  etwas  in  dir'  gefüllt  mir  nicht  recht, 
Marbach  übersetzt  schön,  nur  nicht  genau  nach  dem  worte  des  ori- 
ginale, das  nicht  von  neuem  unheil  redet,  daran  kann  die  noch  ganz 
ruhige  Ismene  noch  nicht  denken,  sondern:  'offenbar  drängt  es  dich 
zur  mitteilung'.  Kayser  hält  streng  am  iambischen  rhythmus  fest, 
während  Marbach,  wie  v.  4  beweist,  auch  andern  rhythmen  räum 
gibt,  wenn  nur  der  taktische  rhythmus  gewahrt  bleibt,  dieser  gibt 
auch  keine  act-  und  sceneneinteilung.   bei  Kayser  reicht  der  erste 
act,  aus  4  scenen  bestehend,  bis  v.  331.  der  zweite  act  beginnt  mit 
dem  wundervollen  ersten  stasimon  TToXXd  TCt  beivd  'ob  die  weit  an 
wundern  reich*,  der  dritte  mit  dem  zweiten  stasimon  eubmjiovec 
oici  KaKOJV  dxeucTOC  aluuv,  der  vierte  mit  dem  erscheinen  des 
'.  Tiresias  v.  988,  der  fünfte  endlich  mit  der  ^r|Cic  aYT^XiKr)  1155 
,  'ihr  die  ihr  Kadmos  alte  stadt  bewohnt',  durchweg  ist  der  Charak- 
ter, wie  er  in  den  ersten  20  vcrsen  zur  erscheinung  kam,  gewahrt, 
die  Ubersetzung  zeigt  den  Verfasser  als  beherscher  des  geistes  beider 
,  sprachen,  besondern  rühm  verdienen  die  chorgesänge,  die  bei  Mar- 
bach nicht  auf  der  höhe  der  übrigen  partien  stehen,  die  einförmigen 
trochäen  wiederholen  sich  za  sehr  in  seinen  chorliedem.  es  fragt 
sich,  ob  Kaysers  chöre  den  vergleich  mit  den  Hoffmamisokeii  aus- 
halten, aushalten  wol«  doch  hält  ihm  Hofifmann  die  wage,  so  dasz 
die  entscheidung  kaum  möglich  ersdieint.  beide  aeiclm«!  sich  durch 
edle  spräche,  dichterischen  sobwung  bei  groszer  treue  im  anschlusz 
an  den  griechischen  dichter  aus.  uns  bleibt  nichts  ttbrig  als  eine 
probe  davon  mitauteilen  und  das  urteil  dem  leser  zu  llberlassen. 
vir  wählen  das  zweite  stasimon,  erste  Strophe  und  gegeostrophe: 

Hoffma  nn: 

O  gottbeglilekte ,  deren  leben 
des  Unheils  trank  nie  muste  kosten! 
i  denn  wo  der  gottheit  dunkles  weben 

gerüttelt  an  des  hauses  pfosten, 


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402 


Th.  Kayser:  Sophokles  Antigoue. 


da  wälzen  sich  der  leiden  beere 
bis  iu8  gescblecht  der  eukel  fort, 
wie  wenn  im  aufgestörten  meere 
▼on  Tbrakes  kSsten  braust  der  nord 

niicbt  schauert  empor  von  dem  untersten  Schlunds 
weit  über  die  see,  und  die  windsbrnut  stöhnt, 
dnsz  dunkel  der  sand  aufwirbelt  im  gründe, 
der  woge  rückschUg  an  das  ufer  dröhnt. 

Antistrophe: 

Im  alten  haus  der  Labdakiden , 
so  icb  Beb  wol,  ist's  alte  sitte: 
dem  leide  derer,  die  ffescbieden 
folgt  neaes  leid  mit  raschem  sehrittet  — 
und  kein  geschlecht  befreit  das  andre, 
es  stürzt  ein  gott  der  feste  grund  — : 
so  weit  der  bange  blick  auch  wandre , 
es  thnt  sich  keine  lösung  kund. 
Keht  wollte  die  einzige  worsel  ja  wieder, 
die  letzte  von  Oedipns  stamm,  umfabn  — : 
der  nächtlichen  mordstahl  mähte  sie  nieder, 
des  Wortes  tborbeit  und  der  seele  waho. 

Kay  ser: 

Selig,  wer  in  seinem  leben  nie  des  lebens  weh  geschmeckt, 
wessen  h.'ius  die  götter  nimmer  mächtig  schütternd  aafgescbreekt! 

es  wälzt  sich  der  fluch 

von  geschlecht  zu  geschleckt 
nie  rastend  fort, 

wie  wenn  in  dem  meer 

wild  brauset  der  nord: 
nacht  triefzt  sich  ensteigend  dem  finsteren  Schlünde 
weit  über  die  see,  schwarz  wirbelt  der  sand 
empor  aus  des  meeres  tiefunterstem  gründe, 
und  senfsend  stöhnt  der  flntgescblagne  Strand. 

Oegenstrophe: 

In  dem  haus  der  Labdakiden  drängt ,  icb  seh*s,  von  alter  seit 
m  dem  leide  der  gesehiednen  fort  nnd  fort  sich  neues  leid, 

und  nimmer  befreit 
ein  geschlecht  das  geschlecht, 
ein  gott  der  stüszt 
sie  alle  hinab 
und  keine  wird  erlStts 
die  wQsel,  die  leite  ans  Oadipns  hause, 
der  eben  ein  heffnnngsstrabl  noch  ersehien, 
sie  mäht  nun  der  götter  sichel  die  grause, 
des  flochergriffoen  geists  Terblendang  hin. 

offenbar  hat  Kay  ser  seine  beiden  Vorgänger  benutzt,  wie  z.  b,  der 
anfang  des  ersten  stasimon  'ob  die  weit  an  wundern  reich'  von  Mar- 
bach, einiges,  namentlich  der  rhythmas  der  vier  letzten  obigen  chor- 
zeilen,  von  Hoffmann  entlehnt  ist,  doch  nur  in  der  weise,  wie  es  die 
pflicht  jedes  wissenschaftlichen  arbeiters  ist,  sich  auf  die  schultern 
seiner  Vorgänger  zu  stellen. 


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K.  Jürgens;  efymologisohes  lehnwörterbuch  der  deutschen  spracliu.  403 

So  empfehlen  wir  denn  zur  lectttre  nach  der  durcljarbeitung 
des  Originals  in  den  gymnasien,  um  einen  harmonischen  abschlusz 
der  Sophoklesstunden  zu  gewinnen,  die  Kaysersche  Antigene,  wir 
empfehlen  sie  als  eine  bocic  ^paieivr),  ein  cujiißoXov  (piXiac  zur  er- 
innerung  an  von  den  heiligen  schauern  der  poesie  geweihte  stunden, 
—  eine  goldene  frucht  in  schöner  schale. 

Mesebitz.  Walthek  Gerhardi. 


40. 

ETniOLOOlSOIlBa  UIHIIWÖBTBBBUOH  DER  DEÜT80BBN  SPRACHE.  VOR 

K4BL  jÜBeRNB.  BrauDsohveig,  HaraLd  Bnüm.  1S77.  IV  u.  72  t. 

Der  Verfasser  dieses  btichleins  hat  bereits  vor  einigen  jähren 
ein  gröszeres  werk  erscheinen  lassen  :  'neues  etymologisches  fremd- 
wörterbuch  mit  bezeichnung  der  betonung  und  ausspräche',  sowie 
kürzlich  eine  ühnlichn  arbeit:  'etymologisches  fremdwört('rl)ueh  der 
ptianzenkuncle  mit  besonderer  berücksichtigung  der  deutschen  tiora'. 
wir  kennen  von  diesen  das  letztgenannte  gar  nicht,  das  erste  kaum 
oberflächlich  und  erwähnen  dieselben  hier  nur,  weil  in  der  vorrede 
des  lehnwörterbuchs  ausdrücklich  darauf  verwiesen  wird  und  weil 
wir  von  vorn  berein  feststellen  möchten,  dasz  wir  es  in  dem  gegen- 
stände unserer  bespreehung  keineswegs  mit  einem  erstlingsversuche, 
sondern  mit  einem  buche  zu  thun  haben,  welobes  aus  längerer  und 
eingehender  beschäftigung  mit  der  Bache  hervorgegangen  ist.  von 
einem  solchen  buche  darf  man  etwae  gutes  erwarten»  ein  solches 
fordert  die  kritik  heraus,  zumal  wenn,  wie  in  dem  vorliegenden  falle, 
an  den  nötigen  hüfsmitteln ,  vorarbeiten  und  quellen  durchaus  kein 
mangel  ist;  wenn  zu  einer  befriedigenden  lösung  der  gestellten  auf- 
gäbe eigentlich  weiter  nichts  gehört,  als  eine  wirkliche  beherschung 
des  Stoffes,  wie  sie  von  jedem  wissenschaftlich  gebildeten  Schrift- 
steller in  seinem  fache  unbedingt  zu  verlangen  ist  und  etwa  ein  ge- 
wisses gesc^ck,  um  auf  angemessene  weise  das  vorgefundene  zu 
v)rwerthen.  man  verstehe  nicht  falsch!  auch  wir  sind  der  ansieht, 
iasz  die  etymologische  erforschung  und  behandlung  selbst  unserer 
lehnwörter  im  einzelnen  noch  manche  dankbare  und  schwierige  auf- 
gäbe bietet,  allein  diesen  gesichtspunct  hat  hr.  Jürgens  gewis  nicht 
ins  ange  gefaszt ;  darauf  weist  schon  der  geringe  umfong  der  schrift 
bin,  in  die  ausserdem  noch  ^mancher  ausdruck  eine  aufnähme  ge- 
funden hat,  dem  das  eine  oder  das  andere  merkmal  eines  voUstftn- 
%en  lehnworts  fehlt',  wenn  auch  andererseits  —  wie  es  mit  der 
bitte  um  gtttige  nachsieht  heiszt  —  'einmal  ein  wirkliches  lehnwort 
übergangen  sein  sollte.'  nein!  der  verf.  hat  sich  kaum  eingebildet, 
die  Wissenschaft  als  selbständiger  forscher  zu  fördern  und  dalttr 
kum  ihm  allerdings  die  Wissenschaft  nur  herzlich  dankbar  sein* 


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404  K.  Jfirgens:  eiymologisches  lehnwOrierbucb  der  deutBchen  spiacka. 


er  bat  vielmehr  laut  seiner  vorrede  gemeint,  'eine  zusammenstclhng 
dieser  eiDgebürgerten  fremdlinge  (nem lieh  der  deutschen  lebnw^rter) 
unter  angäbe  ihrer  ableitung  dürfte  allen  sehr  willkommen  sein, 
welche,  ohne  eigentliche  fachetudien  sa  treiben,  doch  eine grflnd- 
liebe  kenntnis  der  deutschen  spräche  erstreben',    dieser  Voraus- 
setzung verdanke  die  voriiegende  arbeit  ihr  entstehen,  welche  be- 
sonders unter  scholprftparanden,  Seminaristen,  volksscbnllehrem  und 
in  Shnliehen  kreisen  zahlreiche  freunde  zu  finden  hoffe,   wir  wellen 
dem  hm«  yerf .  offen  gestehen ,  dasz  gerade  diese  stelle  es  gewesa 
ist,  die  uns  die  feder  in  die  band  drückte,  die  sorge,  jene  hoffirang 
konnte  auch  nur  in  dem  kleinsten  kreise  sieh  erfüllen,  treibt  m 
warnend  die  stimme  zu  erheben,  denn  es  wSre  in  der  that  ein  nn- 
ghlek,  wenn  auch  nur  ein  lernbegieriger  nnd  strebsamer  jttngling 
aus  dieser  quelle  seböpfen,  wenn  er  guten  glaubens  das,  was  ihm 
hier  geboten  wird,  als  ergebnisse  der  Wissenschaft  hinnehmen  wellte, 
unser  kurzes  und  hartes  urteil  geht  dahin,  dasz  dieses  lehnwibrter- 
buch  ein  nicht  nur  nutzloses,  sondern  geradezu  scbftdliches  mach- 
werk  ist.  damit  ist  eigentlich  genug  gesagt,  das  heiszt,  jeder  kenner, 
der  es  auch  nur  durchblftttert,  wird  uns  den  beweis  gern  erlassen; 
immerhin  erfordert  es  die  vorsieht  und  die  gerechtigkeit,  dasz  wir 
unser  vOUig  verwerfendes  urteil  begründen,  schlimm  und  tnarig 
genug,  dasz  uns  dies  so  leicht  wird  I 

Der  verf.  beginnt  seine  vorrede,  wie  billig,  mit  einer  erUftnmg. 
'unter  deutschen  lehnwOrtem  werden  hier  diejenigen  susdrQeke 
unserer  muttersprache  verstanden,  welche  zwar  fremder  abstammnog 
sind,  sich  aber  nach  Schreibung,  biegung  und  ausspräche  ihres  aot- 
iBndiscben  gewandes  so  vollständig  entkleidet  haben,  dasz  sie  bei 
einer  meistens  allgemeinen  Verbreitung  ihre  ursprüngliche  herkünft 
kaum  noch  erkennen  lassen  und  erfahrungsmäszig  selbst  unter  ge- 
bildeten von  mehr  als  gewöhnlicher  spradikuide  für  rein  einheimische 
Wortbildungen  gehalten  werden.'  diese  definition  ist  nicht  gerade 
sehr  kurz,  scharf  und  klar;  entweder  sie  konnte  gedrängter  sem« 
oder,  was  besser,  an  ihrer  stelle  war  dne  ttbernchtUebe  erOrtemng 
zu  geben,  etwa  wie  sie  sich  bei  Schleicher  (die  deutsche  spräche, 
le  ausgäbe  s.  114  f.)  findet,  so  dasz  unter  beibringun^  passender 
beispiele  das  Verhältnis  der  fremdwörter,  der  lehnwörter  und  der 
echt  deutschen,  einbeimischen  dargelegt  wurde,  indessen  darüber 
wollen  wir  nicht  weiter  rechten;  die  erklärung  ist  immerhin  der  srt» 
dasz  man  bei  gutem  willen  und  eigener  kenntnis  das  richtige  heraus- 
lesen kann,  geht  man  nun  aber  zu  den  aufgenommenen  und  be-  i 
sprochenen  Wörtern  selbst  über,  so  sieht  man  leider  auf  der  ersten  I 
Seite,  ja  geradezu  bei  dem  ersten  werte,  dasz  herr  Jürgens  gar  keine 
ahnung  davon  hat,  was  die  Wissenschaft  lehnwörter  zu  nennen  pflegt, 
nach  Schleicher  sind  es  die  alteren  fremden  bestandteile,  in  früheren 
epochen  aus  anderen  sprachen  aufgenommen  und  meist  nicht  mehr 
als  fremd  empfunden ,  während  die  neuen ,  noch  nicht  akklimatisier- 
ten, noch  als  fremd  empfundenen,  fremdwörter  heiszen,  letzteres 


£•  Jürgens :  etyiuologischea  lehnwörterbuch  der  deutflchen  spräche.  405 

natürlich  im  engeren  sinne ,  denn  zu  den  fremdwörtem  im  weiteren 
verstände  gehören  offenbar  die  lehnwörter  auch,  nun  wollen  wir 
auch  das  gern  zugeben,  dasz  bisweilen  die  grenze  zwischen  fremd- 
wÖrtern  und  lehnwörtern  nicht  scharf  gezogen  werden  kann;  noch 
mehr,  es  mag  in  einzelnen  fallen  ein  zweifei  entstehen,  ob  ein  wort 
lehnwort,  ob  ein  ursprünglich  deutsches  sei  —  beispiele  anzuführen 
wird  hier  kaum  nötig  sein  — ;  aber  daraus  ist  keinerlei  entschul- 
digung  zu  gewinnen  für  die  Verwirrung  und  Unkenntnis,  die  der 
verf.  in  seiner  auswahl  und  erklärung  verräth.  nach  demselben 
sind  lehnwörter:  ab,  Abend,  acht,  Acker,  Ahn,  Enkel,  an, 
Arm,  Atliem,  auch,  Auge,  ebenso  eins,  zwei  und  die  folgen- 
den Zahlwörter,  wenn  andl  einzelne  wie  f  (In  f  und  z  ehn  nicht  mit  auf- 
geitihrtsind;  femer  Fusz,  Vater,  Mutter,  Thier,  wissen  usw. 
wenn  man  das  sieht,  so  schwindelt  einem  unwillkürlich  der  köpf; 
man  fragt  sich,  welches  sind  denn  nun  eigentlich  nicht  lehnwörter? 
hat  der  gelehrte  yerf.  nie  etwas  von  Urverwandtschaft  der  indo- 
gennanisdien  sprachen  und  lautverdchiebung  gehört?  oder  hat  er 
ganz  neue  gesetze  und  theorieen  ersonnen  und  begründet,  deren 
kemitnia  uns  noch  nicht  zugegangen  ist?  ist  das  buch  vor  sechzig 
jähren  gesehrieben  oder  nachdem  die  forschungcn  eines  Bopp  und 
Qrimm,  eines  Schleicher  und  Wackernagel,  gott  sei  dank,  schon  in 
recht  weite  kreise  gedrungen  sind?  jeder  tüchtige  secundaner  kann 
hni.  Jürgens  das  auseinandersetzen,  was  zu  seiner  belehr ung  vor 
allem  erforderlich  ist  und  an  solche  autorität  wollen  wir  ihn  hiermit 
getrost  verweisen,  unsere  leser  werden  sich  aber  leicht  denken 
können,  wie  bei  einer  solchen  Unkenntnis  der  grundlagen  das  übrige 
werk  in  seinen  einzelheiten  sein  mag.  wenige  beispiele  mögen 
zeigen,  wie  nnglaubtich  selbst  das  bekannteste  verkannt,  oder  anch 
ri<£tiges  verkehrt  und  ohne  arteü  aufgenommen  wird,  wie  es  an 
aller  Sicherheit  un^  genauigkeit  fehlt,  wShrend  falsche  flittem  be- 
rechnet scheinen  den  unkundigen  zu  tftuschen.  der  erste  artikel 
lautet  buchstftblich:  'ab,  althochd.  ab,  aba,  goth.,  angelsSehs.,  d&n«, 
schwed.,  hollftnd.,  niederdeutsch  af  —  vom  lat.  o,  ab  oder  abs  (ver- 
wandt mit  gleichbedeut.  griech.  apö  [äirö],  sanscr.  opa),  von,  weg; 
—  von  —  weg,  weg.  Abend,  m.,  der  weggehende  ^  abnehmende 
tag*,  das  musz  freilidi  dem  Seminaristen  ungeheuer  gelehrt  vor- 
kommen; er  wird  sich  dergleichen  wol  gar  mit  einem  an  sich  lobens- 
werthen,  nur  leider  verkehrt  angebrachten  fleisze  einlernen  und,  wie 
das  denn  vorkommt,  sich  gewaltig  etwas  darauf  einbflden.  herr 
Jüigens  setzt  bei  seinen  lesem  wenig  voraus,  weder  die  kenntnis 
der  grieehiflohen  bnchataben,  noch  die  demente  des  lateinischen, 
noch  die  ausspräche  nur  des  französischen,  meint  er,  der  volks- 
schullehrer  könne  oder  solle  dergleichen  nun  aus  seinem  buohe  mit 
lernen?  wozu  die  griechischen  Wörter  erst  in  deutscher  Umschrift, 
dann  noch  einmal  in  griechischen  bachstaben?  wer  griechisch  lesen 
kann,  der  braucht  sie  doch  nicht  und  für  die  anderen  ist  es  unnütz; 
dazu  sind  accente  und  spiritus  usw.  in  einer  weise  oft  ausgelassen 


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406  K.  Jürgens:  etymologucbes  lehnwfirterbuch  der  deutachen spnulifl; 

oder  falseh  gesetzt,  dasz  man  geneigt  ist,  dafür  nicht  mebr  nur  den 
Hetzer  und  corrector  verantwortlich  zn  hiüten.  hei  Abenteuer  he- 
gnügt  eich  der  hr.  verf.  nicht  auf  aveivHure^  a^nture^  adventma  und 
adufimre  zu  verweieen ,  sondern  er  tischt  nns  auch  als  kOstlicbes  ge- 
rieht  auf  'vom  lat.  advSntus^  o,  tmi,  part.  perf.  {adveniumt  1  snpin.) 
von  advenire  {ad^  nach  zo,  an  auf,  gegen,  bei  usw,^  vcnifBf  kominMi, 
wohin  gelangen  »  gerathen)*  usw.  —  Wenn  an  der  bekannten  ab- 
leitung  ^Amazone'  yon  d  und  \mUc  gezweifelt  wird ,  so  finden  wir 
das  in  der  Ordnung;  nicht  aber,  wenn  es  weiter  lautet:  ^wahrschem- 
licher  ist  die  ableltung  Tom  hebr.  ama,  stark  sein*  (soll  wol  hassen 
amae).  doch  wir  würden  kein  ende  finden,  wollten  wir  auch  nur  die 
schlimmsten  verstOsze  hervorheben,  nur  noch  wenige  anfUirungen, 
weil  sie  fttr  kenninis  und  verfahren  des  hm.  vert  recht  bezeicbnend 
sind:  *Auge,  u.  plur.  -gen,  niedersftchs.  oog,  letztere  form  fOhrt 
auf  gleiehbedeut.  lat.  oculuSy  dimin.  vom  ungebrSuchl.  ocus^  grieeh. 
OKOC,  OKKOC  (6koc,  6kkoc)  etwas,  durch  das  man  siebt,  das  sehorgan 
und  was  dem  ähnlich  ist.'  abgesehen  von  der  trefflichen  zusammen- 
Stellung  der  vocale  in  oog  —  oculuß^  wird  mancher  die  hinzugefügte 
definition  etwas  tiberflüssig  finden;  aber  hr.  Jürgens  ist  gründlich, 
er  definiert  auch  acht  'als  die  zwischen  7  und  9  liegende  zahl',  dem 
entsprechend  natürlich  die  sieben  ala  die  auf  6  folgende,  die  neun 
als  die  zwischen  8  und  10  liegende  zahl,  als  ein  würdiges  seiten- 
stück  zu  dem  berühmten  in  dem  lehnwörterbuche  nun  von  uns  füot 
▼ermiszten  ä\ujTxr]E  -pex,  -pix,  -pax,  -pox^  -pux  =  fuchs  mag  unsere 
leser  ergötzen :  'Blei,  n.,  soll  wie  das  lat.  ;>ZMmZ>MW  aus  ebenfalls 
gleiehbedeut.  prrit'ch.  mölybos  oder  möUhos  —  molihdos  (^öXußoc, 
^ÖXißoc,  iLioXißboc)  auf  folgende  weise  verdreht  sein:  moUbos  =^ 
bolimos  —  boli  =  niedersächs.  blie  =  hochd.  blei;  eins  der  weich- 
sten und  zugleich  schwersten  metalle.'  bei  dingen  der  art  ist  es 
schwer  ernsthaft  zu  bleiben  und  so  möchte  das  ganze  buch  erheiternd 
wirken,  wenn  die  suche  nicht,  wie  wir  oben  bereits  andeuteten,  doch 
ihre  recht  betrübende  seite  hätte,  denn  wahrlich  betrübend  ist  es, 
dasz  in  unseren  tagen  dem  publicum,  der  jugend,  den  volksschul- 
lehtern  ein  buch  wie  das  besprochene  noch  geboten  worden  kann, 
wir  dürfen  mit  fug  und  recht  sagen  ein  gebräu ,  an  welchem  hopfen 
und  malz  verloren  ist.  wir  schlieszen  mit  einem  w^ohlgemeinten 
rathe,  weniger  an  den  verf.,  der  ihn  doch  verschmähen  wird,  als  an 
alle  diejenigen,  welche  die  belehrung  suchen,  die  jener  bieten  will: 
nemlich  sich  Weigands  deutsches  Wörterbuch  zu  kaufen,  oder  wenn 
das  zu  theuer  ist,  zu  borgen  und  sich  einen  verständigen  auszug 
daraus  zu  machen,  ein  solcher  könnte  sehr  wohl  den  zweck  erfüllen, 
den  hr.  Jürgens  im  auge  gehabt,  aber  vollständig  verfehlt  hat 

Wir  fügen  zur  vergleich ung  eine  anzeige  des  oben  besprochenen 
buches  bei,  die  wir  so  eben  in  der  Zeitschrift  'über  land  und  meer' 
nr.  46  gefunden  haben  und  überlassen  es  ganz  unseren  lesem,  sicsh 
dabei  das  nötige  zu  denken. 


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Zo  Goethes  Götz  von  BerUchingen, 


407 


*Karl  Jürgens,  dem  wir  ein  vorztigliches  etymologisches  hmd' 
Wörterbuch  verdanken,  hat  uns  nun  ancb  mit  einem  «etymologischen 
lehrwörterbnch  (siel)  der  deutschen  spräche»  beschenkt,  welches 
diejenigen  ausdrücke  imserer  muttersprachef  die  awar  fremder  ab- 
stammung  sind,  sich  aber  nach  Schreibung,  biegung  und  ausspräche 
ihres  aoslkndisclien  gewandes  so  voUstftndig  entkleidet  haben «  dasz 
sie  ihre  ursprüngliche  herkunft  kaum  noch  erkennen  lassen,  in 
alphabetischer  folge  behandßlt.  der  einblick  in  dieses  buch  ist 
Überaus  interessant;  wir  sehen,  wie  tansende  von  Wörtern,  die  wir 
heut  als  nationale  münze  ausgeben,  von  hause  aus  doch  ein  fremdes 
geprige  trugen,  das  wir  nur  nicht  mehr  unterscheiden  kdnnen,  so 
aligeschliffsn  ist  es.  wie  es  denn  eine  ganz  anr^ende  lectüre 
bildet,  so  ist  das  buch  auch  eine  wichtige  ergttnzung  unserer  band- 
bibliotbeken.' 

KöTBBN.  «      £.  Hü&m. 


41. 

ZU  GOETHES  GÖTZ  VON  BEELICHINGEN. 


In  der  erklttrenden  ausgäbe  des  Göts  von  Wnstmann  (Leipzig 
1871)  findet  sich  auf  s.  179  ein  misverstttndnis.  es  ist  die  vierte 
eeene  des  fünften  actes.  Lerse  bringt  GUttzens  fran  Elisabeth  die 
Bsefaricht  von  der  gefangennähme  ihres  mannea.  ich  muss  zu  ntthe- 
rm  verstftndnis  die  ganze  soene  hersetzen: 

Elisabeth,  wenn  er  wiederkommen  wird  —  ich  seh  ihn 
finster ,  ünster.  seine  feinde  werden  lügenhafte  Idagartikel  sohmie- 
den,  und  er  wird  nicht  sagen  kOnnen:  neini  —  Lerse.  er  wird 
imd  kann.  Elisabeth,  er  hat  seinen  bann  gebrochen,  sagt 
nein!  —  Lerse.  nein!  er  war  gezwungen;  wo  ist  der  grund,  ihn 
m  verdammen?  —  Elisabeth,  die  bosheit  sucht  keine  gründe, 
anr  Ursachen,  er  hat  sich  m  xebellen ,  missethätern,  mOrdem  ge- 
sellt, ist  an  ihrer  spitze  gezogen,  sage  nein!  Lerse.  laszt  ab« 
euch  zu  quälen  und  mich  usw. 

Wustmann  bemerkt  zu  dem  zwei  mal  wiederkehrenden  sage 
nein  der  Elisabeth :  ^  'bisweilen  wünscht  man  sich  sehnlich  den 
Widerspruch,  den  man  sonst  schwer  verträgt.  Wallensteins  tod  I  2 : 
wer  ist  gefangen?  wer  ist  ausgeliefert?  Sesin  doch  nicht?  sag 
neb,  ich  bitte  dich!'  us  ist  offenbar,  dasz  diese  erklärung  durchaus 
nicht  passt.  schon  vor  beginn  der  scene  ist,  wie  der  Zusammenhang 
Wgibt,  der  ganze  Sachverhalt  Elisabeth  von  Lerse  auseinander- 
gesetzt, sie  kann  also  diesen  nicht  noch  einmal  zweifelnd  fragen, 
sie  weisz  sehr  wohl,  dasz  Götz  an  die  spitze  der  aufrührerischen 
bauem  getreten  ist,  und  raeint  nun,  dasz  seine  feinde  diese  hand- 
lang für  bannbruch  erklären  würden,  ohne  zu  berücksichtigen,  dasz 


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408     Programme  mit  uud  ohne  wia&euächaftliche  abhandluug. 

er  dies  nur  gezwungen  getban  habe.  8ie  spricht  es  selbst  aus ,  di 
der  schein  durchaus  gegen  Götz  sei ,  und  dasz  man  die  beschi 
digung,  dasz  er  die  urfehde,  die  er  geschworen,  verletzt  habe,  nid 
durch  gründe  würde  zurückweisen  können,  sie  übernimmt  gleic 
sam  selbst  die  rolle  eines  feindes  und  anklägers  Götzens,  der  dia 
behauptung  aufstellt ,  dem  jenen  vertheidigenden  Lerse  gegenüw 
das  sag  nein!  wUre  also  an  beiden  stellen  etwa  so  wiederzugebfl 
leugne  es,  wenn  du  kannst!  d.  b.  du  kannst  dies  nicht i 
unwahr  zurückweisen.  *  ' 


42. 

PBOGRAMME  MIT  UND  OHNE  WISSENSCHAFTLICHE 

ABHANDLUNG. 


1876 

1877  1 

1  »"«^ 

f  ftr 

«.  pro* 

ohoe 

fymn. 
o.  pro- 

ohne 

u.  pro- 

okae 

7.  Schleswig-Holstein  .... 

10.  Hessen-NaflianiLWaldeek 
12.  Elsaas-Lothringen  .... 

26 
32 
18 
16 

35 
23 
10 
20 
28 
13 
38 

"  ! 

1 
16 

6 
10 

7 
7 
3 
6 
7 
6 
9 

27 
83 
18 
16 

;  35 

26 

20 
S8 

18 

38 

1 

5 
16 
2 
3 
8 

6 

3 

8 
IS 

4 
11 
4 

1 

!  27 
34 
19 
16 

35 
27 
12 
20 

13 
29 
11 

20 
3 
6 

6 
4 
7 

a 

10 

5 
U 
2 

£•  ist  besond«»  lehrreich  und  intefetsant,  dass  von  den  14  g7» 
nasien  Berlins  11  ohne  abbandlong  erteheinen  werden,  mit  abhaod 
long  otir  das  Joachimsthalische,  das  französische  und  das  Friedrich- 
Wilhelms- gymnasium.  in  der  provinz  Sachsen  betrifft  die  ab  handlang 
handschriften  uud  drucke  etc.  der  bibliotheken  bei  7  anstalten. 

GB£lFF£MB£Ba.  CaMPE. 


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ZWEITE  ABTEILTJNa  (U8r  BAND). 


leite 

38.  Noctes  scholasticae   361—385 

39.  Th.  Kayser:  des  Q.  Horatius  Flaccus  oden  und  epoden. 
text  und  Übersetzungen  mit  erläuteningen  (Tübingen  1877). 

angez.  von  W.  Gebhardi  in  Meseritz   385 — 398 

Derselbe:  Sophokles  Antigone.    ins  deutsche  übertragen 

(ebd.  1878).    angez.  von  demselben   398 — 403 

40.  AT-  Jürgens:  etymologisches  lehn  Wörterbuch  der  deutschen 
spräche  (Braunschweig  1877).  angez.  von  E.  Müller  in 
Kothen   403—407 

41.  Zu  Goethes  Götz  von  Berlichingen.  von  R.  Sprenger  in 
Göttingen   407—408 

42.  Programme  mit  und  ohne  wissenschaftliche  abhandlung. 

von  Campe  in  Greiflfenberg   408 


3m  33cTlagc  oon  grtetiri^  ßrctJe«  in  ßxüunf&fmti^  ift  foebcn 
{(^icnen  imb  in  allen  ^nd^^anblungcn  311  tjahcn: 

^uttbett  ber  (^e^ermaxt 

«on 

Dr.  Wuguft  Selbmann/ 

Q^qmnafial  •  Xireftor  a.  ^. ,  Stitglicbe  ntetjrerer  gelehrten  ©eieQfc^aften. 

3tDcite  ocrbelferte  unb  ücrmcljrtc  ^ufia^t. 

ÖJro6  8.    ©c^eftet.   '•^Jrci«:  2.80. 

2)ic  'i)'^ott)n)enbiflfcit,  fc^on  mdt)  SaVc^fnft  eine  jnjeitc  Stuflage  öi 
bicjem  iöudje  ju  ücranftaltcii,  ift  ein  53cn)ci^  feinet  33raud) barfeit,  ^^affelf 
ift  in  ber  if)at  unentbehrlich  für  aHe,  beren  93enif  eine  33cjchäftigung  mi 
jelbftänbiger  fehlerfreier  8d)riftarbeit  crforbert. 

3n  ber  $a^n*fi^en  Suihhanblung  in  i^annoucr  erfc^ien  foeben  unb  if 
burcf)  olle  33ud)hflnblnngen  ju  beziehen: 

auf  ben  J)ö^ercn  ©c^uteii. 
©in  freiet  SBort  ernfter  9Jiahnung  on  ©Item  unb  Sc^rcr. 

S5on  • 

Dr.  ftarl  SSaltmat  Slt^tt. 

8.   geheftet  1  X 


)ogle 


ZWEITE  ABTEILUNG 

fÜB  GYMASIALPÄDAGOGIK  mi>  PI£  Ü££ia£N 

LEHBFÄCHEB 

MIT  AUS8CBLU88  DKB  CLASSISOaEH  PHILOLOOII 

HERAUSaEQEBEN  VON  F&OF.  D£.  HeKMANN  MaSIUS. 


MIT  WELCHEM  BEGHTE  NENNT  MAN  DAS  VOLK  DER 
I     GBIECHEN  VOE  ALLEN  ANDEREN  VÖLKERN  DAS 

CL  ASSISCHE  ? 

I  Ein«  Bchnlredd  «tr  nachfeier  des  gpeburtstages  fr.  maj.  des  köoi^  Albert 

gehalten  toh  Thbodob  Yocwl. 


Verehrte  und  theure  anwesende! 

Acht  tage  siad  vergangen,  seitdem  das  Saohsenland  in  ergeben* 
«heit  und  treuer  anhänglichkeit  den  geburtstag  seines  königlichen 
kerrn  und  gebieters  festlich  begangen  bat.  die  angehörigen  dieser 
%hiile,  welche  ja  der  überwiegenden  mehrzahl  nach  dem  Sachsen- 
iflnde  entstammen  nnd  in  demselben  mit  der  dem  Germanen  non 
einmal  eignen  anhSnglichkeit  an  die  heimische  schölle  ihr  engeres 
Vaterland  liehen  nnd  ehren,  haben  sicher  nicht  verfehlt,  der  festUchen 
bedentmig  des  2B  april  sieh  bewnszt  zn  werden,  zum  teil  wol  auch 
versnlassnng  genommen,  an  der  foiw  des  tages  in  irgend  einer  form 
Ml  zu  beteiligen,  trotzdem  ist  es  aber  sicher  nicht  nur  hoher  an- 
crdnung  gemftsz,  sondern  nnr  natürlich  nnd  geziemend,  dasz  die  an- 
stalten,  in  welchen  das  zukflnftige  geschledit  herangebildet  wird, 
ihiB  gewohnte  thStigkeit  nicht  wieder  aufiiehmen,  ohne  dasz  sie 
nachtrBglich  als  kOrperschaften  des  jüngst  gefnerien  fdstlichen  tages 
gedenken  und  ihre  anteilnahme  an  demselben  formell  und  feier- 
Hdi  bekunden,  indem  dies  die  unsrige  thut  in  dieser  stunde,  ist  sie 
sich  lebhaft  der  Segnungen  bewuszt,  welche  wie  das  gesammte  Volks- 
leben, so  insbesondere  auch  die  ihr  am  nttchsten  liegende  stille 
arbeit'  auf  den  gebieten  der  kunst,  Wissenschaft,  religion  und  pftda- 
gogik  unter  dem  schütze  und  regiment  des  angestammten  fClrsten- 

M.  jahrb.  f.  phil.  u.  pid.  II.  abt.  1878.  hfl.  9.  27 


410 


Warum  beuten  die  Griechen  dae  dudsche  Yolkf 


hanses  seit  jalirliiiiiderten  er&hren  hat  und  noch  bis  auf  diese  Bimide 
je  weniger  nnser  kleines  Saterland  seit  den  ^anzroUea 
tagen  Friedrichs  des  weisen  nnd  hnrftbrst  Montis  an£  den  grosMn 
gang  der  weltgesduclite  dnreh  entfaltong  Snsaerer  macht  einen 
stimmenden  eiSaflnss  hat  üben  k9nnen,  um  so  erfolgrmdier  hat  m 
anerhanntermassen  in  diesen  drei  jahrhnnderten  netoi  anderen  be- 
schftfüguugen  des  friedens  die  edelste  aller  arbeiten,  die  g eiste 8- 
arbeit  betrieben,  die  idealen  güter  der  Wissenschaft  nnd  kamt 
gehegt  and  gepflegt  com  sogen  für  sich  selbst  wie  znm  h«l  d» 
grossen  ganzen,  dem  es  vor  nnn  einem  jahnehnt  als  ein  dienendes 
glied  sich  angeschlossen  hat.  was  Dentschlaiids  nord«,  west-  nnd  ostr 
marken  in  idten  nnd  neuen  leiten  nnter  der  fllhrang  entschlossener 
und  erleuchteter  fttrsten  zu  des  Vaterlandes  wehr  und  festigung  ge- 
than,  was  das  Schwaben-  und  Frankenland  geleistet ,  die  geburts- 
und  heimstStte  so  mancher  groszer ,  bahnbrechender  geister  —  wir 
werden  es  dankbar  würdigen;  aber  ich  denke,  wir  dürfen  wol  auch 
mit  freudigem  Selbstgefühl  auf  die  mitgift  blicken,  die  Saxonia  dem 
gesammtvaterlande  zugebracht  hat  und  noch  immer  zubringt,  dasz 
dem  so  ist,  daran  bat  sicher  das  angestammte  erlauchte  fürstenhaus 
der  Wettiner  einen  hervorragenden,  ruhmreichen  anteil  von  Friedrich 
dem  weisen  und  vater  August  bis  herab  auf  das  friedensregiment  von 
Friedrich  August  dem  gütigen,  könig  Johann  und  den  ritterlichen 
fürsten,  der  jetzt  Sachsens  kröne  trägt,  mit  dem  tage,  an  welchem 
die  Vorsehung  diesen  auf  den  verwaisten  thron  der  Wettiner  berief, 
hat  könig  Albert,  sicher  nicht  ohne  schmerzlichen  verzieht  auf  die 
befriedigung  persönlicher  neigungen  das  so  oft  mit  rühm  tind  glän- 
zendem erfolg  geführte  schwert  in  die  scheide  gesteckt,  um  der  über- 
wiegenden aufgäbe  seines  Sachsenvolkes,  der  stillen  Medensarbeit, 
seine  volle  fürsorge  und  anteilnahme  zuzuwenden,  sein  Sachsenvolk 
hat  allen  anlasz ,  ihm  dies  von  herzen  zu  danken,    qywägen  wir  so- 
dann noch,  dasz  der  lebendige  und  herzliche  Zusammenhang  unseres 
Sachsenlandes  mit  dem  wiedererstandenen  deutschen  reiche  ganz 
wesentlich  durch  die  persönlichkeit  unsers  allergnädigsten  königs 
Albert  verbürgt  ist,  der  an  der  begiündung  und  festigung  dieses 
reiches  persönlich  einen  so  hervorragenden  anteil  genommen  hat,  so 
werden  gewis  bei  diesem  festlichen  anlasz  unser  aller  gedanken  und 
gefühle  sich  in  dem  6inen  herzlichen  wünsche  begegnen:  ^gott 
schirme  das  leben  seiner  königlichen  majestät,  unseres  erlauchten 
schutzherm  und  gebieters  und  gewähre  ihm  ein  recht  langes  und 
gesegnetes  regiment  1' 

Die  festliche  Stimmung  dieser  stunde,  Terehrte  anwesende,  ge- 
denke ich  sn  benutzen,  um  eine  frage  vor  Ihnen  zu  erdrtem,  die, 
wenn  sie  auoh  in  keinem  innem  Zusammenhang  mit  der  feier  dieses 
tages  steht,  doch  —  hoffe  ich  —  Ihnen  der  erwfigung  bei  diesem 
feierlichen  anlasse  nicht  ganz  unwert  erscheinen  wird,  eine  frage, 
die  man  zugleich  als  eine  herzens-  und  gewissensfirage  gelehrter 
schulen  bezeichnen  kann,  sie  lautet: 


Waram  Beinen  die  Griechen  das  elaituche  Tolk?  411 


mit  welchem  reehte  nennt  man  die  Hellenen  yor 
allen  anderen  yOlkern  der  gesohichte  das  clas- 
sieche  volk? 

Fürchten  Sie  nicht,  a.,  eine  langathinige  erOrtenmg  Ton 
einzelfragen,  —  eine  ganz  wesentlich  mit  ftbr  die  lernende  jugend 
bestimmte  schnlfestrede  soll  ja  keine  abhandlung  sein,  —  auch  nicht 
einen  maszlosen  paneg3rrika8.  liegt  doch  schon  in  der  allgemeinheit 
der  fassüng,  in  der  die  frage  gestellt  ist,  zugleich  eine  wesentliche 
bfiscbränkung. 

Dem  Volke  der  Hellenen  erkennt  man  jenes  stolze  prädicat  der 
classicität,  d.  h.  der  vorbildlichkeit  und  mustergiltigkeit  in  ästhe- 
tischer beziehung  zu ,  somit  handelt  es  sich  nicht  zunächst  und  von 
Yomherein  um  die  classischen  schriftsteiler  und  künstler,  sondern  um 
den  Charakter,  das  leben  und  streben  des  ganzen  Volkes,  von  dem 
kunst  und  Wissenschaft  doch  nur  6ine,  wenn  auch  die  edelste  er- 
scheinungsform  sind,  der  ansieht,  die  den  ruhmestitel  der  classic! tät 
anf  dem  gebiete  der  kunst  unbeschränkt  und  ausschlieszlich  für  die 
hellenische  kunst  in  anspruch  nehmen  will,  hat  stets,  wie  ich  das 
schon  von  dieser  stätte  aus  bekannt  habe ,  meine  innerste  Überzeu- 
gung, wie  andrerseits  mein  deutsches  Selbstgefühl  widerstrebt,  aber 
ebenso  unzweifelhaft  will  es  mir  wie  vielen  andern  erscheinen,  dasz 
kein  volk  der  geschichte  nach  dem  gesammteindruck,  den  es  auf  den 
beschauer  macht,  und  nach  der  vorhersehenden  richtung  seiner  ent- 
wicklung  den  ruhmeskranz  dem  Griechenvolke  streitig  machen  kann, 
vor  allen  andern  sich  entwickelt  zu  haben  nach  den  ewigen  gesetzen 
der  Schönheit  und  nach  dieser  seite  hin  lehrmeister  und  vorbild 
aller  zeiten  geworden  zu  sein,  ja,  nach  den  ewigen  gesetzen  der 
Schönheit,  denn  es  zeigen  sich  in  der  entwicklung  des  hellenischen 
Volkes  die  groszen gegensätze  der  notwendigkeit  und  f r e i h e i t , 
der  einfach^eit  und  Vielseitigkeit,  der  unmittelbarkeit 
und  reflexion,  der  Sinnlichkeit  und  geistigkeit  zu  einer 
harmonischen  einheit  versöhnt,  die  Verschmelzung  aber  dieser  gegen- 
sätze zu  einer  hökem  Synthese,  das  ist  nach  meiner  Überzeugung,  die 
ich  hei  diesem  anlasz  nur  bekennen,  nicht  begründen  kann,  hinzu- 
tretend zu  dem  ebenmasz  nnd  der  Symmetrie  der  form  eben:  ttstbe- 
tische  Schönheit. 

Notwendigkeit  un  d  freiheit,  so  lautete  die  erste  der  an- 
gefiUurten  antinomien«  'erst  auf  dem  boden  von  Hellas  ist  der  mensch 
mm  menschen  geworden,'  sagt  Hegel  und  in  verschiedenen  Wen- 
dungen haben  tausende  seitdem  diesen  aatz  ihm  nachgesprochen, 
was  besagt  dieses  viel  in  sich  fassende  wort?  nichts  geringeres,  als 
dasz  erst  im  Hellenentum  der  menschengeist  die  schranken  gebrochen 
bat,  die  seiner  entwicklung  in  kraft  und  gesundheit  entgegenstanden, 
gemeint  ist  hiermit  nicht  bloss  die  schranke  des  despotismus,  die 
viele  tausende  zu  willenlosen  werksengen  eines  einzelwillens  er> 
niedrigt,  die  der  kaatenscheidnng,  welche  durch  die  nnnatQrlichen 
acheidewttnde;  die  sie  errichtet,  ebenso  den  gesichtskreis  derer  be- 

27* 


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• 

419        Wttom  beiaian  da»  Orieehen  das  €liitwc1ie  Tolk? 


engt,  wdeha  sie  ftusBdüieszt»  wie  derer,  die  sie  einaohlieeist,  endlidi 
der  prieeterlierBoluifti  die  swieeheii  der  gottfaeit  und  ibra  Terehraii 
sich  als  mittelglied  und,  so  so. sagen,  geistige  zollgrense  einschiebt 
mit  diesen  dni  werten  ist  der  b«in  noch  nicht  ydl  ansgesprochen, 
der  anf  den  ▼Olkem  des  Ostens  und  des  Nillandes  lag.  fidsMlir 
wami  diese  drei  erscheiniingen  staatlicher  entwickhmg  nor  aosfllteN 
und  Symptome  des  wesentliiäi  unfreien  TeihlltiJsses,  in  dem  sich^ 
geisier  jener  tölker  noch  zu  ihrer  Umgebung  im  weitesten  sinne  d« 
wertes,  £ur  natur  und  den  yerhältnissen  be&nden,  in  denen  sie 
lebten,  so  lange  die  weit,  die  ihn  umgibt,  mit  deren  erscheinimgen 
und  Wandlungen  er  mit  tausend  fÜhlfftden  verbunden  ist,  fllrdflB 
geist  nichts  ist,  als  ein  gebiet  ungelöster  rftthsel,  so  lange  er 
den  grobzartigen  wundern  der  natur  mit  dumpfem  staunen  oder 
furchtsamem  entsetzen  gegenübersteht,  durch  trägheit  der  gedanken 
oder  abergläubische  scheu  davon  abgehalten,  jene  räthsel  zu  ent- 
ziffern, so  lange  ist  der  mensch,  dieses  wunderbare  amphibion  mit 
dem  gottesgeiste  und  dem  erdenleibe,  unfrei  in  seinem  erkennen, 
wollen  und  fühlen,  frei  steht  er  als  geist  dem  reiche  der  notwendig- 
keit  erst  dann  gegenüber  (ich  rede  natürlich  hier  nicht  von  freiheit 
im  höchsten  sinne  d.  h.  sittlicher  freiheit),  wenn  er  durch  die  an- 
ßtrengung  seiner  gesunden  sinne  und  des  sie  ergänzenden  Scharfsinns 
für  das  immerflieszende  reich  des  werdens  und  Vergehens  regel  und 
gesetz,  das  bestimmende  masz  und  die  lösende  ziflfer  gefunden,  sich 
somit,  wenn  auch  zunächst  nur  in  gedanken,  als  beherscher  und 
gesetzgeber  des  kosmos  hat  fühlen  lernen. 

Nicht  mit  einem  zauberschlage  nun  hat  das  griechische  volk, 
um  ein  geistvolles  bild  desselben  denkers,  Hegels,  nachzubrauchen, 
das  räthsel  gelöst,  welches  die  ägyptische  sphinx  ihm  gestellt  und 
dessen  lösungswort  kein  geringeres  war  als  —  der  mensch. 

Die  rohen  götterculte  der  sogenannten  pelasgiicben  zeit  mit 
ihren  unförmlichen  hölzernen  cultusbildern,  menschenopfern  und 
sonstigen  barbarischen  gebrauchen ;  die  mord-  und  gräuelgeschichten 
der  ältesten  heroengeschlechter,  die  plumpheit  'der  pelasgiscben 
bauten  und  vielfache  traditionen  aus  der  ältesten  zeit ,  die  der  local- 
cultus  oder  die  sammelnde  gelehrsamkeit  erhalten  hat,  sind  deutliche 
fingerzeige,  dasz  das  classische  Hellenentum  nicht  so  unvermittelt 
und  durch  ein  wunder  in  die  weit  getreten  ist«  wie  die  jongfrftaliclie 
Pallas  aus  dem  hanpte  des  göttervaters.  zwischen  den  Stämmen,  die 
dem  blätterranschen  der  eiche  von  Dodona  lauschten,  in  den  ebenen 
Thessaliens  ihre  rosse  tummelten,  und  ypn  lolkos  aus,  wie  die  sage 
meldet,  nach  einem  fabelhaften  östlichen  goldlande  mit  ungelenken 
schiffen  steuerten,  —  zwischen  ihnen ,  sage  ich ,  und  den  Vorposten 
der  kleinasiatischen  völkerfiiunilien  in  Mjsien,  Karien  und  Ljkien 
mag  ein  ebenso  wenig  wesentlicher  unterschied  bestanden  haben, 
wie  nach  Homers  schildemng  zwischen  den  bauptumlockten  Achfiem 
.  einerseits  und  den  sdhnen  des  Priamos  und  den  fttrsten,  die  ans  den 
Städten  Kleinasiens  zum  schütz  des  heiligen  üion  znsammeagestritot 


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Waram  heiszen  die  Griechen  das  clasaische  volk?  413 
» 

waren,  andrerseits,  kennt  ja  doch  Homer  weder  das  wort  *barbar', 
noch  überhaupt  eine  wesentliche  Scheidewand  der  spräche,  sitte  und 
des  Volkstums  zwischen  den  Völkern  diesseits  und  jenseits  des  ägäi- 
schen  meeres. 

Die  Herkuleskraft  des  hellenischen  Volkes  zeigt  sich  vielmehr 
darin,  dasz  es  so  schnell  und  so  unwiderstehlich  die  schlangen  zer- 
drückte, die  dasselbe  in  seiner  wiege  belästigten,  nicht  unterschätzt 
werden  darf  freilich  dabei  die  hohe  gunst  des  Schicksals,  welche  die- 
ser entwicklung  zur  freiheit  jedes  hemmnis  von  auszen  aus  dem  wege 
räumte,  wie  begünstigt  waren  bierin  die  Griechen  vor  fast  allen 
Völkern  der  geschichte,  z.  b.  vor  dem  edlen  volke  der  Perser,  der 
Qennanen  Irans,  das  nnr  «a  bald  dem  schlimmen  einflusz  der  Völker 
edag,  auf  deren  nacken  es  siegreich  den  fasz  gesetzt  hatte ! 

Wie  schnell  in  Griechenland  das  barbarentum  dem  sich  stetig 
entwickelnden  menschentum  wich ,  das  lehrt  jeder  gesang  Homers. 
nxEgenda  bei  Schilderung  hellenischer  YerhSltnisse  eine  spur  von 
despotismna,  hierarchischer  knechtnng  und  eigentlich  barbarischer 
lebensformen,  höchstens  bei  ihm  gelegentliche  hindeutungen  anfeine 
vergangene  aeit,  da  ungeschlachte  recken  sich  befshdeten  und  mord 
und  entBetaen  um  sich  verbreiteten,  ich  musz  davon  absehen ,  vor 
Ihnen  damüegen,  wie  im  verlauf  der  folgenden  jahrhnnderte  in  dem 
einen  Staate  Bpftter,  in  dem  andern  firtther,  in  dem  einen  durch  zeitige 
grflndliche  nmgestältong,  im  andern  durch  allmähliche  Umwandlungen 
mid  nicht  ohne  Schlangenwindungen  das  patriarchalische  königtum 
beseitigt  oder  wesentlich  beschrSnkt^  die  priTil^gien  der  bevorzugten 
iltnde  abgeschaffi,  die  reste  erblicher  prieaterfcttmer  Temichtet  wur- 
den, bis  Bchliesalidi  in  fast  allen  Staaten  hellemscher  sunge  sich  ein 
bflrgertnm  entwickelte,  welches  —  hier  mit  mehr,  dort  mit  weni- 
ger besdurftnlcnng  —  gleiehheit  vor  dem  gesetz,  freiheit  im  handel 
und  waadel,  jedem  einzelnen  audi  ein  gewisses  . masz  von  einsieht  in 
den  gang  der  staatsmaschine  und  einflusz  auf  denselben  gewtthrte« 
bis  zu  diesem  puncto  ist  das  römische  volk  in  seiner  entwicklung 
dem  griechischen  gefolgt;  auch  der  Qnirite  war  ja  in  staatsbflrger- 
lidier'beziehung  fjrei  wie  nur  je  ein  Athener  in  der  zeit  der  aus* 
gebildeten  demokratie.  aber  die  Unduldsamkeit  eines  stark  aus- 
geprägten Patriotismus,  einer  eigensinnigen  yolkssiite  und  be- 
ichrttnkter  volksansehauimg  lag  als  ein  bann  auf  der  gesammtheit 
wie  auf  jedem  einzelnen,  anders  in  Griechenland,  selbst  im  rauhen 
Sparta,  wo  das  leben  fast  noch  mehr  als  in  Rom  eingeengt  war  durch 
gesetze,  war  wenigstens  der  gedanke  frei  und  das  wort;  ja  es  wurde 
dort  im  lande  der  strengsten  Unterordnung  die  spräche  kecken  frei- 
muts  und  scharfer  kritik  mit  besonderem  Wohlgefallen  gepflegt, 
sprechen  wir  aber  von  Athen,  Korinth,  den  inseln,  den  städten 
Kleinasiens,  so  müssen  wir  sicher  sagen :  in  erstaunlich  hohem  masze 
hatte  daselbst  jede  kunst,  jede  forschung,  jede  regung  der  geister 
ihren  unbeschränkten  Spielraum,  freilich  ja  nicht  überall  und  zu  allen 
Zeiten  gleichermaszen.  aber  Verfolgungen  und  verketzerungen  wegen 


414 


Warum  heuzea  die  Griechen  das  claiiskche  Tolk? 


unbequemer  wissenschaftlicher  lehrs&tze  oder  unliebsamer  dichteri- 
scher ergübse  sind  bei  den  Griechen  ebenso  vereinzelt,  als  sie  bei  den 
Römern  unausbleiblich  erfolgten,  sobald  ein  werk  nicht  den  censur- 
stempel  der  patriotischen  gesinnungstüchtigkeit  auf  der  stim  trug 
oder  der  herschenden  sitte  gegenüber  anstosz  bot.  ich  spreche  nicht 
von  maszregelungen  Seiten  der  macbthaber,  nein,  von  dem  mora- 
lischen drucke,  den  in  Rom  die  öffentliche  meinung  auf  den  einzelnen 
ausübte,  in  Griechenland  verdammte  die  Öffentliche  stimme  und  das 
gesetz  nichts  —  als  das  pasquill  und  die  blasphemie;  aber  auch  diese 
gab  man  bis  zu  einem  hohen  grade  frei  in  der  festlaune  des  Diony- 
sienfestes,  wie  jedes  stück  des  Aristophanes  sattsam  beweist,  die 
geschichtsschreiber  übten  kritik,  wie  es  ihnen  genehm  war,  die  dich- 
ter verherlichten  und  verspotteten  wen  und  was  ihnen  in  den  sinn 
kam,  die  philosophen  besprachen  die  delicatesten  fragen  mit  freimnt 
auf  offener  strasze  und  oft  in  einer  weise,  die  sehr  geeignet  war 
'basz  und  Verachtung'  gegen  das  bestehende  regiment  zu  erwecken*, 
jeder  Sonderling  trieb  seine  liebhabereien  und  warb  ftir  sie  anhänger; 
die  öffentliche  stimme  sah  darin  nur  die  ausübung  des  jedem  ein- 
lelnea  sastebenden  rechtes  freier  selbstbewegimg.  processe  wie  die 
des  Anaxagorasimd  Sokrates  sind  kein  beweis  gegen  die  aofgastellte 
behauptong;  denn  anerkanntermaszen  fielen  beide  als  opfer  erregter 
politischer  parteileidenächaft,  nicht  aber  eigentlich  ab  ketzer  auf 
dem  gebiete  des  geisteslebens.  w«nn  den  hervorragendsten  scbrift^ 
stellem  Athens  die  begeistemng  nicht  verübelt  wurde,  die  sie  für 
Sparta  und  seine  institutionen  bei  jedem  anlass  an  den  tag  legtet, 
wenn  nicht  selten  die  politischen  gesinnnngsgenossen  der  einzelnen 
Staaten  ihre  Sympathien  &kt  'die  partei'  über  die  Vaterlandsliebe  setz- 
ten, sich  über  die  landesgrenzenwol  gar  in  nahem  hoehverrfttherischer 
weise  die  band  reichten,  so  wird  man  zugeben  müssen,  dasz  hiermit 
entschieden  die  grenzen  überschritten  sind,  innerhalb  derer  selbst 
ein  modemer  staat  dem  denken  nnd  fohlen  seiner  angehttrigen  freies 
spielranm  gewShren  kann. 

Und  doch  wunderbar!  trots  dieses  reichen  masses  geisti- 
ger  freiheit  macht  die  entwicUung  des  Ghriechentmns  von  anfang  bis 
EU  «ide  anf  den  betiacfater  &st  weniger  noch  den  eindmck  der  frei- 
heit  als  der  notwendigkeit.  jeder  stamm,  fost möchte  man  sagen, 
jede  Stadt  spiegelt  die  natOriidien  veriiilinisse  wieder  ^  Ton  der  sie 
umgeben  war.  die  hohle  Lakedaemon  mit  ihrer  landschaftlichen  ab> 
geschlossenheit,  Arkadien  mit  seiner  alpenweit,  BOotien  mit  seinen 
sümpfen  nnd  bleieniem  himmel,  Delphi  mit  seinem  majestfttisohr 
erhabenen  felsentheater  —  haben  sie  nicht  einen  gana  bestimmteii, 
charakteristischen  Stempel  den  menschen  anfgedrttdct,  die  diese  stSt- 
ten  bewohnten?  —  Konnte  Sokrates  den  Athener  verleugnen,  so 
sehr  er  auch  geistig  über  der  bürgerachaft  stand,  in* der  er  tobte? 
rollt  nicht  das^  schwere  blnt  des  Bitotere  auch  in  Pindars  adem?  ge- 
mahnen uns  nicht  in  den  dichtnngen  Theokrits  abgesehen  Tom  dialekt 
zahlreiche  Wendungen  und  anspielungen  an  seine  dorische  heiDii 


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Warum  heiszen  die  Griechen  das  classische  volk? 


415 


m  fernen  westen?  es  ist  schon  oft  ausgesprochen  worden,  dasz  sich 
Jriechenlands  culturgeschichte  fast  a  priori  entwickeln  lasse ,  wenn 
Dan  eine  genaue  kenntnis  der  locale,  der  stammcharaktere  und  der 
mfönge  ihrer  entwicklung  besitzt,   z.  b.  die  geschichte  der  griechi- 
ichen  litteratur  fügt  sich  so  natürlich  den  fachwerken  des  systemati- 
kers wie  eine  andere  irgend  nur  annähernd,  so  leicbt,  dasz  man  oft 
denken  möchte,  sie  sei  nur  die  bewnsste  dnrchfUhrang  eines  im  tot- 
ans  ÜBstetehenden  progiamms  gewesen,  nur  sehr  seit^  sprttnge  und 
barodcee  beranstreten  ezeentrisoher  köpfe  ans  dem  rahigen  gange 
der  entwieklnng;  im  allgemeinen  vielmebr  alle,  auch  die  erlenofatet- 
sten  nnd  originellsten  geister  im  wesentlichen  zusammenbange  mit 
der  schoUe,  der  sie  entstammen,  wie  mit  der  eulturstufe,  der  sie  an* 
gehören,  wttbrend  unser  deutscliee  yolk  in  seiner  eigenart  von  Yom* 
herein  sich  gestört  sab  durch  die  latrfniBobe  kirche  in  seiner  mitte, 
die  einwirkung  römischer  gelehrsamkeit  und  die  welschen  einflüsse 
von  jenseit  seiner  grenzen,  so  dasz  erst  nach  der  geistigen  arbeit 
langer  Jahrhunderte  das  fremdartige  mit  dem  eigenartigen  bis  zu 
einem  gewissen  grade  zu  einem  einheitlichen  ganzen  verschmolz, 
reichen  Homer,  die  lyriker,  Sophokles,  Euripides,  Aristophanes  und 
Menander  sich  die  bände  zu  einer  stetigen  kette  wie  die  ionischen 
naturforscher  und  ethnographen  dem  Herodot  und  andrerseits  den 
ältesten  naturphilosophen,  wie  endlich  Phidias  dem  Polyklet  und 
Praxiteles,  und  ebenso  harmonisch  ist  das  bild,  das  der  querdurch- 
schnitt der  einzelnen  culturepochen  uns  bietet,  das  ist  aber  eben 
auch  das  geheimnis  des  wahren  kunstwerks,  nach  der  einen  seite 
hin  frei  und  originell,  wie  ein  schöpfungswunder,  nach  der  andern 
so  notwendig  in  seinem  werden  und  sich  entwickeln  aus  der  zeit,  in 
der  es  entstanden  ist^  dem  lebensgange  des  schaffenden  künstlers 
endlich  auch  ans  sich  selbst  heraus  wie  eines  der  gewMmlichen  natur- 
dinge, die  uns  umgeben« 

Veber  die  einfaohheit  des  griechischen  lebens  —  das  war  ja 
der  nScbste  gesichtspunot  —  heätak  es  vieler  worte  nicht,  dasz  sie 
das  wesentlichste  untersdieidnngsmerkmal  von  modernem  und  anti- 
kem und  ein  ganz  besonderes  merkmal  wiederum  des  hellenischen 
Volkslebens  ist,  erhellt  bei  der  fluchtigsten  betrachtung.  nirgends 
bei  den  Hellenen  grosze  staatenkörper,  meist  bloss  festere  oder 
lockere  städtebunde.  diese  städte  selbst  aber  alle  von  bescheidenem 
Tunfang ,  die  gröszte  nicht  umfönglicher  als  die  hauptstadt  unseres 
kleinen  Vaterlandes,  die  mehrzahl  kleine  landstädte.  daher  aller 
orten,  worauf  neuerdings  in  einer  seiner  köstlichen  festreden  der 
geistvolle  Ernst  Curtius  hingewiesen  hat,  einfache,  übersichtliche, 
plastisch  -  abgegrenzte  lebensverhältnisse ,  einfache  Verwaltung,  ein- 
fache geselligkeit,  einfaches  Verkehrs  -  und  geschäftsieben,  mnemo- 
nische  talente  wie  Themistokles  konnten  leicht  jeden  bürger  mit 
Hamen  nennen,  achtsame  feldherrn  die  persönliche  tüchtigkeit  eines 
jeden  Soldaten  beurteilen  lernen,  und  der  hund  des  Alkibiades  ver- 
QUMihte  das  ganze  kleine  Vaterland  in  auiregung  zu  versetzen,  das 


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416 


W«nim  heisMii  die  Griedun  das  diariiche  Tolk? 


iaknt  waxd  leicht  dnrdi  die  vednerbObae  imd  den  geriehteaal  dar 
ganzen  gemeinde ,  bei  gelegenbeit  der  naüonakpiele  allen  Hellenen 
bekannt,  die  gewandung  leicbt  nnd  einCacb,  aus  wenigen  stücken  be^ 
stehend ,  die  des  reichen  von  der  des  armen  in  der  guten  zeit  fast 
nur  durch  die  feinheit  des  Stoffes,  die  des  beamten  von  der  des  pma- 
ten  kaum  durch  ein  geringes  abzeichen  sich  unterscheidend,  ebenso 
einfach  die  volkssitte  vom  tage,  da  das  kind  den  namen  erhielt  uad 
in  die  gemeindeliste  eingetragen  wurde,  bis  zur  Sammlung  der  asche 
in  die  urne  —  in  allem  das  gerade  widerspiel  der  mittelalterliclien 
verscbnörkelung  des  daseins  durch  pomp  und  ceremoniell,  titulaturen 
und  Privilegien  vom  gevatterstehen  bis  zum  leichenschmausz.  die 
Wohnung  behäbig  und  möglichst  isoliert  von  anderen  auf  ebener  erde 
sich  ausbreitend,  in  ihrer  grundform  ebenso  wie  der  göttertempel 
und  daü  archeion  bis  in  die  späteste  zeit  noch  an  das  schlichte  block- 
haus  erinnernd,  das  auf  abgekoppten  baum^tfimmen  ein  flachgieb- 
liges  dach  trug,  durchaus  entsprechend  den  bedürfnissen  eines  Vol- 
kes, das  vor  allem  ruhe  und  schatten  in  seinen  Wohnungen  suchte, 
imd  ebenso  in  der  kunst,  dem  idealisierten  spiegelbilde  des  lebens, 
drei  Schauspieler  gentigen  dem  drama,  ein  paar  gestaltengruppen 
genügen  zur  ausschmückung  eines  palastes  und  tempels,  einfache 
Stimmführung  genügt  im  allgemeinen  der  musik,  die  künstliche 
harmonische  verschlingung  nicht  kannte;  eine  ganz  bescheidene  an- 
wendung  der  perspective  in  der  maierei,  die  in  der  hauptsache  da- 
mit zufrieden  war,  gestaltengruppen  auf  einfarbigem  grund  zu  malen, 
und  ebenso  hat,  wie  männiglich  bekannt  ist,  philosophie,  geschichte 
und  beredsamkeit  das  gröszte  erreicht  mit  den  denkbar  geringsten 
mittein. 

Und  doch  ist  das  Hellenentnm  nicht  monoton«  macht  anderseits 
wiederum  nach  allen  Seiten  hin  TiaUnehr  den  eindrack  gröszter 
mannigfaltigkeit,ja  üppigsten  reichtums .  und  kein  wunder,  da 
alle  entwicklung  durchaus  individuell  war,  dasa  bei  aller  gleichartig- 
keit  der  grund  typen  doch  aller  orten  frisches  reichea  einzelleben  sich 
zeigte,  wie  der  boden  von  Hellas  auf  lfVnfr^qr>  flttchannuim  die grösUa 
abwechalnngen  bietet,  —  lachende  Auren,  rauhes  ackerland,  ragende 
beigspitEen  (wie  den  Pamass  von  der  höhe  des  Urirothstocks  über 
dem  Yierwaldstädtersee  und  die  arkadischen  gebirge,  deren  höchste 
apttie  die  paszhöhe  der  Schweiaeralpen  erreichen)»  hart  daneben 
sonnige  gestade  und  blaue  meeresfluthen  und  um  ctoaviolgegliedertt 
fesÜand  herum  eine  fülle  lieblicher  eilande,  —  ebenso  reiche  ab- 
Wechslungen  boten  die  menschen,  die  jenen  begnadetem  Winkel  der 
erde  bewohnten,  als  ob  das  princip  der  teilnng  der  arbeit  proda- 
miert  worden  sei ,  hat  schier  jeder  winkel  des  Tielbndbtigen  landes 
seine  besondere  Industrie  und  technik,  seine  besondere  diebtang^ 
seine  eigentümlich  gefärbte  kunstricfahmg»  gar  sieht  sn  sprechen 
Yon  den  unerschöpflichen  Tariationen  dorselben  gemeinsamen  grond* 
anschauungen  in  staatsformeii,gOttersagen,brinchen  und  traditianes. 
man  durchwandere  nur  einmal  in  einem  museum,  s.  b.  demBerluiflK^ 


Warum  hei&zeu  die  Griechen  das  classische  Yolk?  417 

den  ägyptischen  saal  mit  seinen  mumienkästen,  Sphinxen,  gehörnten 
Ammonsbildern  undschakalköpfigengöttergestalten;  den  semitischen 
mit  den  immer  wiederkehrenden  geflügelten  löwen,  den  steifen 
männergestalten  mit  gelocktem  harte  und  ragender  tiara  usw.  und 
trete  dann  ein  in  die  hellenischen  säle.  welcher  contrast  des  reich- 
tums  der  motive  zu  der  monotonie  des  vorher  gesehenen!  noch 
hervorstechender  ist  aber  diese  Überlegenheit  nach  seite  der  mannig- 
faltigkeit  auf  dem  gebiete  der  litteratur.  was  hatten  Babylon,  Tyrus 
und  Memphis  von  litterarischen  erzeugnissen  aufzuweisen,  als  Alexan- 
der der  gTosze  siegreich  in  ihre  mauern  einzog?  königsannalen, 
priesteraufzeichnungen,  rohe  cultuslieder,  geodätische  und  astrono- 
mische Protokolle,  dürftige  anfange  der  geschichtsschreibung ;  denn 
die  litteratur  des  Judenvolkes  schliesze  ich  der  kürze  wegen  von  der 
besprechung  aus.  in  betreff  der  Griechen  aber  ist  es  kürzer  die  frage 
umzudrehen:  'welches  gebiet  des  wissens  und  geistigen  Schaffens 
hatten  diese  damals  noch  nicht  angebaut?'  die  antwort  wird  lauten: 
auch  nicht  6iiie8,  denn  wenn  auch  der  ausbau  einzelner  fach  Wissen- 
schaften späteren  Jahrhunderten  vorbehalten  blieb,  die  grandsteine 
aller  waren  bereite  gelegt,  und  der  bauplan  für  sie  von  scharfsinnig 
gen  Philosophen  und  philosophisch  gebildeten  fachmttmieni  bereite 
entworfen,  eelbst  die  dem  hellenischen  geiste  fem  liegende  juris- 
pmdenz,  soweit  eie  philoeophisch  ist,  niclit  auegenommen.  der 
treuste  gradmesser  des  gedankenreiehtoms  eines  volkes  ist  seine 
BpiAche,  ein  untrüglicher,  glaube  ieb,  wenn  man  die  culturlehnwörter 
Mwcheidet  und  nur  den  teil  des  wortsohfttsee  in  betracht  zieht,  der 
eines  Volkes  individuelle  ideen  und  anschauungen  ausdrückt,  ist 
nidit  die  grieohische  spräche  nach  seite  ihres  reichtums  die  königin 
iiier  sprachen  nach  dem  urteile  allerkundigen?  drei  wesentlich  ver« 
Bchiedene  dialekte  hat  das  hellenische  volk  nicht  blosz  aasgebildet, 
sondern  anch  Jahrhunderte  hindurch  neben  einander  im  gebrauch 
gehabt  und  lifelenuisoh  verwendet*  und  doch  grenzten  die  epraoh- 
gttbiete  so  nahe  an  einander,  dass  ein  tüchtiger  wanderer  vom  ioni« 
Miien  Athen  in  Einern  tage  in  das  ftolische  wie  in  das  dorische  sprach- 
gobist  gelaogen  konnte  1  sodann  —  weldie  unerschöpfliche  ftUle  ab- 
geleitete uiä  susanunengeeetster  wOrter ,  sinnreicher  namen,  wohl« 
ievtender  abetraota  usw.  I  und  nirgends  abschlusz  und  erstarrung, 
wie  soUhe  sogar  Mhaeitig  bei  den  armen  BOmem  eintrat,  sondern 
ftbeMll  flnsz  und  frische  triebkralt,  so  dass  der  vorhandene  sprach- 
sdiits  sich  leicht  hAtte  Tersehnüftchen  lassen  durch  Weiterbildungen 
niMih  den  vorhandenen  analogien,  wenn  die  überreiche  spräche  dessen 
bedürft  hfttte.  kurs  so  ein&ch  und  einheitlich  jede  lebenserscheinung 
des  HeUenentums  an  sich  ist,  so  reich  und  mannigfaltig  ist  der  ge- 
MBuntemdrudc  seiner  entwicldung,  wie  ja  auch  die  susammensteU 
big  von  taasendm  an  dch  einihcher  und  unscheinbarer  mosaikstein- 
<te  «in  farbenreiches,  durch  die  fOUe  der  gestalten  ftMehides  ge- 
ttnuntbild  gibt*  und  die  zahlreichen  kleinen  bilder  im  epos  sich 
*QssimnenfÜgen  zum  weit-  und  zeitbild. 


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418         Warum  heiszen  die  Griechen  doa  classiacbe  volk  ? 

Zu  einer  einheit  fand  ich  auch  zwei  weitere  gegens&Ue  im 
Hellenentum  verschmolzen :  naivetät  und  reflexion. 

Auf  die  frage:  ist  das  Hellenenvolk  vor  anderen  Völkern  des 
altertums  naiv?  antworte  ich  ja  und  nein,  je  nachdem  man  das 
wort  naiv  definiert,  wenn  man  als  wesentliches  merkmal  der 
naivetät  eine  unvollkommene  auffassung  der  Verhältnisse  hinstellt 
und  den  bauplreiz  derselben  in  dem  wohlthuenden  contrast  der 
manneseinsicht  mit  der  kindesillusion  siebt,  so  ist  das  Griechentum 
meiner  ansieht  nach  weit  weniger  vorhersehend  naiv  als  das  Römer- 
tum  der  alten  zeit  und  das  mittelalterliche  Germanentum,  der  pflug- 
ftlhrende  Cincinnatus,  der  rübenspeisende  Fabricius  und  die  andern 
dunkeln  ehrenmänner  jener  zeit  —  sie  würden  gewis  jedem  Griechen 
unendlich  naiv  erschienen  sein,  wenn  sie  je  ihren  plumpen  fusz  in 
das  gebiet  des  hOhern  geisteslebens  zu  setzen  gewagt  hätten,  etwas 
naiveres  als  die  schriftstellerei  des  alten  Cato  Ittszt  sich  nicht  denken.  | 
sobald  er  einmal  nicht  zur  sache  redet  und  mit  seinem  ^cetsram 
censeo'  sich  in  das  reich  des  nicbt-tastbarm  verirrt«  zeigt  er  dk 
liebenswürdige  beschränk theit  eines  alten  sehnlknaben.  ähnliches 
läszt  sich,  glaube  ich,  behaupten  Toa  so  manchen  mittelalterlichen 
geistesproducten  niedem  ranges,  den  reimchroniken,  den  bearbei-  ; 
tnngen  antiker  sagen  vu  dgl.,  wenn  man  die  dort  gebotenen  schilde* 
rongen  und  ersählongen  mit  dem  wirklich  seienden  und  geschehenen 
vergleicht ,  wenn  man  sich  fragt ,  in  wie  weit  jene  geistesproducte 
ein  in  sieh  klares  nnd  befriedigendes  Weltbild  bieten,  dasz  das  els- 
ment  der  naivetftt  aneh  in  der  grieobischen  littentor  sattsam  yv' 
treten  ist,  soll  ja  nieht  im  mindesten  geleugnet  werden,  tkhet  wm 
beispiels  halber  den  Homer  snm  Horner  nnd  filraten  der  Epikor 
macht,  ist,  meine  ich,  nicht  in  erster  linie  seine  naivetät,  denn  das 
ist  der  gemeinsame  grondtng  aller  wabren  TolksdiebtOQg,  sondem 
eher  das  gegenteü:  ^die  mit  solcher  kmdliohkeit  ferbnndiiane  Usie 
nnd  gereifte  reflexion.  die  zeit,  die  seine  geslage  uns  schildern, 
ist  ja  eine  ein&ohe  nnd  kindliche,  die  sitte  noch  eine  nach  allen 
Seiten  hin  natflrliehe,  aber  fragen  wie  die:  was  der  mensoh  anf  disiei; 
erd^  will  nnd  soll,  elie  er  hinäsinkt  zn  den  kraftlosen  sehatfcen  der 
Unterwelt,  was  der  untertban  dem  fürsten  sobuldig  ist,  welche  rechts 
dem  gemeinen  zustehen,  der  in  der  yolksrersammlnng  vor  kOnig  und 
versammelter  ritterscbaft  das  wort  erbebt,  was  stSdte  blflben  msefat 
nnd  die  sehifi&hrt  fordert,  wie  Verträge  zu  scbliessen  sind  und  wohn- 
liebe  hSuser  anzulegen,  werden  bei  Homer  ebenso  einfach  sls  Usr 
nnd  verständig  erOrtert.  dem  entsfaeehend  ist  auch  bekanntlich  ssm 
olymp  nicht  ein  durcheinander  ne^lbafter  gOttergestalten,  senden 
eme  so  wol  organisierte  monarchie,  dasz  die  Vorgänge  im  himmsl 
ebenso  gesetnnäszig  und  motiviert  vor  sich  gehen,  wie  nur  im  wei- 
ten Troja  nnd  auf  dem  felsigen  Ithaka.  den  hellen  köpf  und  die 
scharfe  aufiiassungsgabe  des  loniers ,  des  kundigen  und  wanderlosti' 
gen,  verrttth  die  klare  landschaftsschilderung,  das  sinnreiche  geweba 
der  unzähligen  genealogischen  zusammenhänge,  endlich  auch  die 


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Warum  heiszen  die  Griechen  das  clasaische  volk?  419 

iftlnstlich  verschränkte  anläge  beider  gedichte.  und  wie  schildert 
Homer  z.  b.  die  irrfahrten  des  Odysseus?  nichts  von  Zauberschlössern 
aus  gold  und  edelsteinen,  von  unerhörten  thiergestalten,  von  bergen 
aus  marzipan  und  seen  goldenen  weines.  Scylla  und  Charybdis  und 
die  käsewirthschaft  Polypbems ,  die  insel  Dreispitz  mit  den  rindern 
des  Sonnengottes  und  das  Schlaraffenland  der  Phöaken,  die  äolische 
insel  und  das  land  der  lotosesser  mit  seiner  gefährlichen  frucht,  — 
alles  is^im  einzelnen  so  natürlich  und  realistisch  ausgemalt,  dasz 
man  schon  im  alter  tum  die  Schilderung  ganz  bestimmter  örtlich- 
keiten und  wirklich  vorhandener  oder  vorhanden  gewesener  Verhält- 
nisse darin  bat  finden  wollen.  —  Was  soll  ich  vollends  sagen  von 
der  ntLchteraen  Verständigkeit  Hesiods,  der  in  einer  zeit,  da  die 
menschheit  anderwärts  nicht  viel  über  das  erste  kindheitslallen 
binaas  gekommen  war,  mit  fast  greisenhafter  reife  über  tagend  und 
hster,  acker-  und  feldbau  gute  lehren  gab?  und  die  von  ihm  ver^ 
treteae  richtung  ist  keine  dem  geiste  des  Hellenentums  fremdartige, 
der  gesunde  realismns,  der  die  dinge  anffosst  und  darstellt ,  wie  sie 
smd,  die  Schaulust  und  der  trieb  zum  einsammeln  vielfacher  künde 
in  der  nähe  und  ferne  sind  dem  griechischen  geiste  ebenso  eigentüm- 
lieh  und  charakteristisch  für  ihn  wie  die  naturwissenschaftlichen  und 
sonstigen  gelehrten  Studien  einen  wesentlidien  bestandteil  im  gei- 
stesleben  Goethes  bildeten,  die  griechische  spruohpoesie,  die  fabel, 
die  refleetierende  elegie,  die  so  frtthseitig  sich  entwiekelnde  prak- 
tische  Philosophie,  die  zi^hlreiohen  didaktischen  elemente  in  tragOdie 
und  bnnQdie  beweisen  ebenso  wie  auf  der  andern  seite  die  so  bald 
heryortretende  neigung  zu  naturwissenschaftlichen  foraohusgen  und 
nr  beobaditimg  fremder  yOlker  und  aitten,  dass  tflchttge  Verstands« 
arbeit  bei  dem  Griechen  treulich  band  in  band  gieng  mit  dem  spiele 
der  Phantasie  und  d^  regnngen  des  gemütes.  daher  auch  die  weise 
beechrSnknng  und  bedSchtigkttt  in  aiUen  gattungen  der  kunst,  daher 
das  Tidgeriibmte  ^masz'  der  antiken  kunst.  denn  klar  und  unleug- 
bar isti  dasz  den  Hellenen  zu  dem  schönen  ebenmasz,  der  daaaiscben 
nhe  in  der  darstellnng  aller  körper-  und  Beelenbewegung  nicht  bloss 
aön  üun  gebildetes  schdnheitageftlhl,  sondern  ganz  yomehmlich  auch 
der bä  allen  semenproductionen  als  hauptibotor  mitwirkende  klare, 
besonnene  t erstand  yerholfen  hat,  jener  Märe  Yeratand,  der 
ebenso  wenig  freude  an  schwebenden,  unbestimmten  gemtttszustSn- 
de&  wie  an  ttbermä&zig  exaltierten  Stimmungen  fiuid.  daher  auch 
die  kälte  der  antike,  die  zunächst  wol  jeden  anfröstelt,  der  an  sie 
beraniritt  mit  modernen  empfindungen,  mit  der  Sentimentalität,  die 
Ikber  die  grenze  des  sinnlich  darstellbaren  in  das  gebiet  des  schauens 
und  ahnens  hinüber  geleitet  sein  will,  darum  wird  ja  im  allgemeinen 
weh  selten  die  moderne  jugend  zum  vollen  genusz  der  antike  ge- 
langen können,  wie  sie  nur  selten  zur  vollen  Würdigung  des  ganzen 
Goethe  kommt,  die  Wallungen  überquellender  begeisterung  und 
leidenschaft  müssen  dem  modernen  menschen  fremd  sein  oder  hinter 
ibm  liegen,  wenn  aus  den  kalten  marmorleib ern  der  museen  wie  aus 


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420         Wanun  heiäzeu  die  Griechen  das  classische  volk? 

den  oft  so  kühl  gehaltenen  Schilderungen  groszer  dramatischer  mS- 
mente  bei  den  dichtem  und  geschichtsschreibem  der  Hellenen  eine 
gewisse  wärme  ihm  entgegenstrahlen  soll ,  die  das  ruhige  herz  mit 
Wohlbehagen  und  reiner  freude  erfUüt,  das  stürmische  beruhigt  and 
reinigt. 

Dieses  vielbewunderte  und  nie  genug  zu  bewundernde  masz, 
das  allen  lebenserscheinungen  der  Griechen  den  Charakter  einer  ge- 
wissen plastischen  begrenzung  und  ruhe  gibt,  macht  aber  denaoch,  so 
sehr  dasselbe  durch  verständige  reflexion  bedingt  ist,  wenigstens 
mitbedingt  ist,  entschieden  mehr  den  eindruck  des  unbewusten,  un- 
mittelbaren als  des  be wüsten,  mit  einem  frischen:  'hie  bin  ich,  wie 
ich  bin,  so  nimm  mich  denn  hin',  tritt  jedes  griechische  kunstwerk 
der  guten  zeit  uns  entgegen,   der  plastiker  will  nicht  maier,  der 
histoiiker  nicht  dramatiker,  der  philosoph  nicht  dichter,  der  San- 
guiniker nicht  grübler,  das  weltkind  nicht  heiliger  sein,  g'egen  ge-  I 
machtes  wesen,  tendenz  und  geflissentliche  Schaustellung  hatte  der 
.  Grieche  eine  instinctive  abneigung,  wie  andrerseits  bekanntlich  gegen  { 
alle  graue  theorie.  dämm  steht  ja  auch  Aristoteles  mit  seiner  ab- 
Straeten  Philosophie  ebenso  wie  die  streng  methodische  Wissenschaft 
an  der  grenzscheide,  beziehentlich  weit  jenseit  der  grensscheide  der 
nationalen  blütezeit.  noch  Plato  hält  daran  fest,  dasz  eine  mitteilong 
der  tngend  viel  wirksamer  durch  ästhetische  cultur  der  gefühle,  be- 
sonders durch  stunmungsvoUe  mnsik  erfolge  als  durch  unterweisende 
belehrung ,  wenn  er  auch  dem  nationalen  satze,  dasz  die  dichter  und 
künstler  die  berufenen  l^inneister  des  volkes  seien  und  sein  mflsten, 
nicht  melir  aus  YoUem  herzen  beizupflichten  vermag,  nattlrlich  und  i 
zwanglos  entwickeln  sich  seine  tiefsinnigsten  philosopheme  in  der 
form  des  leichten  dialogs.  so  viel  als  mSglich  wird  von  ihm  die 
Übersinnliche  Idee  durch  sinnlidie  bilder  veranschaulicht  und  d» 
verhaszte  graue  theorie  mit  dem  sehmucke  fiurbenreiofaer  sohrlflstd- 
'    leriBcher  bebandlung  ttberkleidet.  statt  alles  weiteren  auch  hier  bot 
noch  einen  kurzen  blnweis  auf  die  spräche  der  Hellenen,  hm 
kunstvoll  verschrSnkten,  pomphaft  einhersohreitenden  pexioden,  ver- 
hSltnismAszig  wenig  rhetorische  •kunstmittel  —  selbst  bei  den  led- 
nem  — ;  vor  allem  aber  bei  ihnen  kein  pedantisch  festgesetster, 
in  gewissen  formen  erstarrter  sprachgebranch,  der  die  geister  aa- 
nfthemd  so  tjrranisiert  hfttte,  wie  der  der  rOmisohen  'dassiker'  die  { 
mitweit  und  naohwelt:  vielmehr  nacih  allen  selten  bin  rolle  natftr* 
lichkeit  und  zwanglosigkeit.  wie  die  gedanken  nach  einan- 
der in  der  seele  sich  ablOsen,  kommen  sie  zum  sprachlichen  ane- 
druck;  eine  gewisse  IBssige,  behagliche  breite  kennseichnet  die  grie- 
chische prosa  wis  die  Goethes;  vor  allem  aber  macht  diese  fast  stete 
den  ein^ck  des  natürlichen,  ungezwungenen,  oft  an  den  volkstea 
anklingend  und  kleine  nachlflssigkMten  si^  ungeseheut  gestattend. 
Vermöge  ihres  formen-  und  partikelreichtnms  schmiegt  sich  die  spradie 
jeder  Wendung  des  gedankens  an,  wie  ein  kölsches  gewand  der  k5r- 
perform,  die  wuchtige  länge  von  einer  reichen  fülle  kurzer  silben 


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Warmn  Heissen  iid  Gdeoken  das  eUusitohe  Tolk?  421 

* 

wie  Ton  springenden  wellen  mnhüpft ,  daher  selbst  bei  dllifkigkeit 
der  gedanken  durch  die  'himmlische  musik  der  werte'  fesselnd,  — 
gar  nicht  zn  reden  yon  dem  musikalischen  Zauber  der  dichtersprache, 
die  ja  so  reich  entwickelt  war,  dasz  sie  neben  der  prosa  schier  da- 
steht, wie  eine  ganz  andere  spräche!  daher  auch  die  unverwüstliche 
lebe  n  skr aft  jener  spräche,  die  rhetorischen  effectmittel  der  Römer 
nutzten  sich  alle  fünfzig  jähre  ab ,  bis  man  zu  guter  letzt  nach  100 
jähren  blüte  und  weiteren  100  jähren  nachblute,  an  allem  über- 
sättigt, zur  rohheit  der  ältesten  zeit  wieder  zurückkehrte,  die  grie- 
chische spräche  dagegen  hat  bis  in  die  späte  byzantinische  zeit  hin- 
ein in  staunenswerter  weise  ihre  wesentlichen  eigentümlich keiten  sich 
gewahrt,  diesen  jugendreiz,  diese  bis  in  die  spätesten  zeiten  be- 
wahrte jugendkraft  verdankt  aber  das  Griechentum  auch  noch  einem 
andern  factor,  ich  meine  seiner  in  dem  gleichgewicht  von  Sinnlich- 
keit und  geistigkeit  begründeten  gesundheit.  und  damit  komme 
ich  auf  den  letzten  punct,  für  dessen  erörterung  ich  Ihre  gütige  auf- 
merksamkeit  noch  auf  ganz  kurze  zeit  in  anspruch  nehmen  werde. 

Weil  der  Hellene  —  abgesehen  von  einigen  tiefsinnigen  Philo- 
sophen —  den  zweck  des  lebens  im  diesseits  suchte,  das  Schatten- 
dasein in  der  unterweit  daher  nur  trauernd  eintauschte  gegen  das 
leben  in  fleisch  und  blut,  war  für  ihn,  im  allgemeinen  zu  reden,  der 
körper  nicht  die  beengende  puppe  des  himmelsschnsüchtigen  seelen- 
schmetterlings ,  sondern  die  auge  und  gefühl  erfreuende  sinnliche 
anszenseite  der  seele,  das  plastische  abbild  des  inwendigen,  einen 
tiefgehenden  gegensatz  von  fleisch  und  geist  in  der  abstracten  fas- 
sung  der  jüdisch -christlichen  Sittenlehre  kannte  das  Griechen  volk 
ebenso  wenig  als  den  zwischen  weit  und  der  gemeinde  der  heiligen, 
es  liegt  mir  nicht  ob,  diesen  standpunct  zu  kritisieren^  es  gilt  nur, 
ihn  zu  constatier«!!.   inwieweit  die  religiösen  culte  die  blicke  der 
gläubigen  auf  ein  anderes  dasein  hingelenkt,  inwieweit  insbesondere 
die  mysterien  neben  ihrer  Symbolik  auch  tiefere  Überzeugungen  nach 
dieser  seite  hin  yerbreitet  haben,  läszt  sich  schwer  feststellen,  jeden- 
falls musz  man  wol  sagen,  dasz  die  platonische  anschauung,  welche 
die  materie  (wenigstens  in  einem  gewissen  sinne)  als  hemmnis  des 
geistes  ansieht,  nicht  die  allgemein  hellenische  war  und  —  charakte- 
ristisch genug!  —  auch  bei  diesem  denker  nicht  zom  hraeh  mit  der 
Sinnlichkeit  geführt  hat.  dasz  gestalten  wie  Diogenes  im  fasse  den 
zeil^nossen  nicht  ehrwürdig,  sondern  lächerlich  waren,  beweist 
schon  der  beiname,  den  diese  philosophendasse  trug;  zugleich  ist 
zu  betonen,  dasc  anch  die  askese  der  cyniker  nicht  sowol  den  charak- 
ter  der  grandsfttzlicben  fleischabtötnng  trug,  sondern  viel  mehr  den 
bizarrer  liebhaberd.  ich  brauche  nii^t  hinzuweisen  auf  den  hohen 
wert,  den  ganz  Hellas  auf  körperkrilftigung  legte;  daflOr  spricht  ja 
laut  die  grosse  Schätzung  der  gymnastischen  Übungen  und  die  hohe 
anszeichnung,  die  dem  si^ger  in  den  grossen  nationalspielen  bis  an 
Behl  lebensende  zu  teü  ward.  kOrperlidie  misgestaltung,  zumal  mit 
Ungeschick  gepaart,  machte  verächtlich,  es  bedurfte  eben  des  ganzen 


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428        Waram  heiiieii  die  Grieohea  das  clatmich«  Tolk? 

gagvngewiohts  bervomgvnder  geistiger  bedeatnng,  um  die  wleb- 
Uohen  siime  des  HeUenen  mit  dem  häikeii  des  AgMdlaas^  dem  stm- 
mela  des  Demostbenes  imd  der  stnmpfiiMe  des  lUenenhafton  Soknteg 
«aamsObaen«  so  sehr  wsr  laaii  gewISlmt,  lelderfireie  kOrper  un  sidt 
tu  sehen,  und  geneigt,  ungünstige  rflekschlfisee  Tom  nnsehOnenkSa^ 
per  Ulf  die  seele  in  msehen.  daher  anch  die  aristokratisehe  eiaantig^ 
keit  der  griechisohen  Sittenlehre,  die  über  gebühr  neben  der  sehOBci 
gesinnnng  die  sebdne  form  der  bandlnng  betonte,  der  sdave,  der 
stanbbedeckte  gebfiekte  bandwerksmann,  der  krlmer  im  sddeehieD 
kittel  erschien  hat  nnftbig  der  tagend,  zn  der  notwendig  das  moant 
der  noblesse  (iCMiXoKdTaMDt)  gehörte. 

Dem  entsprechend  war  das  yerbflltnis  der  Hellenen  za  aUsn 
dem,  was  mit  dem  worte  Sinnlichkeit  sasammengefust  werden  ksan. 
alles  was  das  dasein  behäbig  nnd  erquicklich  niadien  kann,  nieht  n 
▼ergessen  das  süsse  &r  niente  des  wohlhabenden,  andi  freimd-  nsd 
g($nnerschall  mit  eingeschlossen,  spielt  neben  dem  idealen  eine  gnne 
rolle  Ton  Homer  bis  su  den  spitesten  diehtem  der  Anthologie,  dar 
kopfschmers  des  beeres  der  10,000  nach  dem  genösse  des  datM- 
weins  war  dem  Xenopbon  eine  bemerkenswerte  tiiatsache ,  wtiiroid 
er  gleichgültig  Yorttbergieng  an  den  minen  von  Niniveh;  derselba 
Schriftsteller  —  um  nur  auf  bekanntes  hinzuweisen  —  sieht  sidi 
gemüszigt  unmittelbar  nach  dem  heldentode  des  Artapates  kübl- 
nüchtern  alle  kleinodien  zu  beschreiben,  die  jener  bei  seinem  tode 
an  sich  trug,  in  den  ergreifendsten  momenten  seiner  erzählung  ver- 
weilt der  treuherzige  Herodot  bei  der  Schilderung  sehr  trivialer  und 
profaner  einzelheiten ,  und  seine  leser  nahmen  daran  gewis  ebenso 
wenig  anstosz,  als  nachweislich  der  athenische  demos  am  satjrdrama 
nach  der  tragödie,  am  opferschmaus  nach  dem  heiligen  acte  des 
gottesdienstes.  der  ideale  heroismus  des  germanisch  -  christlichen 
herzens,  der  ohne  hab  und  gut  reich  ist,  räum  zu  haben  glaubt  in 
der  kleinsten  hütte  und  mit  einem  groszherzigen  freunde  an  der  seite 
ein  Jahrhundert  in  die  schranken  fordern  zu  können  sich  vermiszt, 
würde  kaum  den  leidenschaftlichen  Aeolern  verständlich  gewesen 
sein  und  dem  spotte  des  Aristophanes  ebenso  sicher  verfallen  sein 
wie  die  'himmelwandelnde'  philosophie  des  Sokrates. 

Wenn  man  überhaupt  tiefe  der  reflexion  und  des  empfindens 
im  germanischen  sinne  faszt  und  dabei  denkt  an  die  fülle  gottes- 
truukener  gefühle  und  heiliger  geheimnidse,  die  den  Germanen  alter 
und  neuer  zeit  der  stille  tannenwald,  der  alpensee,  die  meereswoge 
und  das  stillleben  der  ländlichen  flur  zugeflüstert  hat,  so  wird  man 
bedenken  tragen  müssen,  die  bedeutendsten  griechischen  geistes- 
producte  mit  ziemlich  bescheidenen  erzeugnissen  unserer  litteratur 
und  kunst  auf  eine  linie  zu  stellen,  je  weiter  das  Griechentum  sich 
entwickelte ,  um  so  mehr  schrumpfte  ja  das  riesenmasz  der  götter 
leiber  und  heroenges talten  zusammen  zum  ideal-schönen  menschen- 
körper-,  um  so  mehr  schwand  das  nebelhafte,  wunderbar-erhabene, 
bis  zuletzt  das  ganze  Universum,  himmel,  erde  nnd  Unterwelt,  init 


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Warom  li«»B«a  die  Griechen  das  dasnaohe  Tolk? 


423 


liebenden  und  hassenden,  handelnden  und  leidenden  wesen  an^ge* 
füllt  war,  die  alle  nach  dem  bilde  des  menschen  geschaffen  waren« 
auf  den  ruhrn  einer  erhabenheit  Tcrzichtend,  weläe  über  die  den 
mensehen  gelSnfigen  loxmen  und  masse  hinausgeht  und  loletzt  im 
g^eheimnisTollen  grau  der  nnendliohkeit  sich  yerliert,  hat  die  helle- 
niache  dichtinmst  im  sdiwesterbond  mit  einer  für  alle  aeitalter 
mastergttltigen  plastik  sich  dem  ideal  der  sohOnheit  angewendet 
und  scldeszlich  in  ihr  —  der  vollen  harmonie  nndineinanderbildnng 
▼on  geist  nud  form  —  die  vollkommenste  darstellung  des  absolnten 
gesacht  und  geftmden.  so  entstand  jene  weit  nnvergänglichür  ge- 
stalten der  dichtnng  wie  der  bildenden  knnst,  jene  idealweit  der 
mythologie  und  heroengeschicbte,  die  bis  auf  diese  stunde  die  symbol- 
spräche  der  gebildeten  menschbeit  geblieben  ist. 

Aber,  dank  dem  berrlichen  klima,  der  einfacbheit  der  yerhftlt- 
nisse  und  der  dem  Hellenen volke  eignen  groszen  genügsamkeit ,  die 
sorge  für  das  leibliche  bat  weder  die  zeit  noch  die  seele  des  Hellenen 
ausgefüllt,  zumal  da  die  sorge  für  die  profanen  bedürfnisse  des  lebens 
nur  all  zu  sehr  auf  die  schultern  der  sclaven  und  frauen  gewälzt  zu 
werden  pflegte,  was  von  einem  andern  standpuncte  aus  ja  als  eine 
kehrseite  des  griechischen  lebens  bezeichnet  werden  muaz. 

Einer  Scbillerschen  Weltanschauung  gegenüber  nennt  man  viel- 
leicht mit  recht  die  Hellenen  nüchtern  und  realistisch;  vergleichen 
wir  aber  Athen  (das  war  ja  doch  die  metropole  von  Hellas  und  kein 
begabter  köpf  der  blütezeit  war  denkbar,  der  nicht  mit  einem  tropfen 
athenischen  Öles  gesalbt  war) ,  vergleichen  wir  Athen  mit  Babylon, 
Memphis,  Sidon  und  Rom,  so  müssen  uns  die  Hellenen  ebenso  wie 
nach  anderer  seite  hin  die  Hebräer  als  die  Idealisten  des  alter- 
tums  erscheinen,  haben  sie  doch  auch  das  los  der  idealisten  erfahren 
von  anfang  bis  zu  ende,  hat  Sparte  trotz  allen  heldentums,  aller 
schwarzer  suppen  und  Eurotasbäder  je  die  ganze  Pelopsinsel  sich 
unterworfen?  hat  Milet,  hat  Athen  eine  dauemde  herschaft  zur 
See  sich  errungen  ?  hat  Griechenland  den  vielbesprochenen  heiligen 
kreuzzug  gegen  die  Zerstörer  seiner  tempel,  die  Perser,  in  dem  um- 
fange, wie  er  wol  geplant  war,  zur  ausführung  gebracht?  ist  nicht 
nach  kurzer  gegenwehr  das  hochgebildete  Hellas  dem  anprall  zweier 
halbbarbarischer  Völker,  der  Macedonier  und  der  Römer,  erlegen? 
haben  nicht  weiterhin  die  Hellenen  unter  der  herschaft  roher  pro- 
consnln  wie  an  den  höfen  der  römischen  patricier  jahrhunderte  hin- 
durch sich  zu  der  unwürdigsten  rolle,  die  sich  denken  läszt,  be- 
quemen müssen,  bofineister,  spaszmacber  und  litterarische  domesti- 
ken  der  rohen  enkel  des  Bomulus  abzugeben  ?  aber  dafür  war  ihnen 
auch  der  poetenanteil  zugefallen  bei  der  Verteilung  der  lose,  be- 
nachteiligt, besiegt  und  bedrückt,  hat  die  hellenische  nation  die 
hegemonie  iin  bereiche  des  übersinnlichen  überall  behauptet,  wo  sie 
mit  andern  nationali täten  in  berührung  kam. 

Ihre  cultur  hat  Macedonien,  das  halbe  Perserreich  überwältigt 
nnd  zuletzt  über  das  sif^eiche  Bömertnm  einen  triumph  davongetra- 


424         Warum  heiaten  die  Grieehen  das  clawischa  toHe?  I 

gen,  der  hmiderl        der  Börner  anfwiegt  die  HeUeneii  Binddi»  I 
eroberer  auf  dem  felde  des  gedaakens  wie  die  Btoer  auf  dem  der  1 
ihat!  geadelt  dnroh  die  deiünreise,  die — wie  Hont  sagt— km  1 
gei2  kennt,  als  den  nadi  ehre,  beseelt  insbesondere  Tsn  dm  OB*  I 
eigennfltsigen  Wissenstrieb,  der  den  lolmwissenidialttieheBto  | 
in  der  erkointnis  des  walwen  findet,  bat  Oriedienlaad  niefat  nnrdn  ^ 
groBien  ftigen  nach  dem  wober,  was  and  wozn  aDes  seieiidai  n 
einer  reibe  tieftinniger  Systeme  nachgeforscht,  sondern  snck  den 
grond  zur  methodischen  Wissenschaft  gelegt  und  höchst bedes- 
tendes  anf  üsst  allen  gebieten  derselben  geleistet  man  lese  va^wei 
welcher  unbegrensten  Terebrnng  noch  hentsotage  grosse  meieterdci 
ezacten  ftoher  —  am  nur  Ton  diesem  toen  tu  spredien  —  die  oüMi 
eines  Hippokrates  und  Theophrast,  eines  Enkiid,  DiqphsiitiiB  nod 
Arohimedes,  eines  Emtosthenes,  Ptolemaeas  and  Hippnch  oeDDeDl 
knüpfk  sidi'  doch  gleichsam  an  jeden  dieser  namen  die  eriimeraiig 
an  einen  neuen  sieg ,  eine  neue  eroberung  des  menschengeistes  auf 
dem  gebiete  des  unsichtbaren,    die  jahrhundertelangen  beobach- 
tungen  der  Aegypter  und  Babylonier  haben  der  nach  weit  nicht  80 
viel  gewinn  gebracht  als  der  oder  jener  schlichte  lehrsatz  jener 
lueister  der  methodik.  wie  arm  erscheint  daneben  das  grosze,  mScb- 
tige  Rom!  ja,  nur  die  Unwissenheit  oder  das  übelwollen  kann  es 
leugnen,  dasz  aller  Wissenschaft  erste  keime  dem  hellenischen  bodci 
entsprossen  sind,  denn  die  seele  aller  Wissenschaft  ist  philosophie 
und  die  geburtsstätte  dieser  edelsten  geistesarbeit  ist  (wunderbar 
und  doch  auch  nicht  wunderbar!)  dasselbe  land,  welches  Homer, 
Sophokles  und  Phidias  hervorgebracht  hat.    und  ich  spreche  nicht 
blindlings  so;  ich  darf  mich  auf  zahlreiche  aussprüchegroszermeister 
der  Wissenschaft  und  kunst  beziehen,  die  in  solchem  sinne  die  be- 
deutung  der  griechischen  geistesarbeit  aufgefaszt  und  anerkannt 
haben,  hier  gilt  es  einfach  anzuerkennen  und  zu  staunen,   so  lange 
die  Wissenschaft  Wissenschaft  ist,  werden  die  grundlegenden  werke 
der  griechischen  mathematiker,  mechaniker,  astronomen,  wie  ander- 
seits Piatos  Philosophie  und  das  organon  des  Aristoteles  zu  den 
Weltwundern  auf  dem  gebiete  des  geisteslebens  gerechnet  werden, 
wie  für  alle  Zeiten  das  epos  Homers,  die  plastik  des  Phidias,  die 
komödie  des  Aristophanes  und  das  gcfichichtswerk  des  Thuli;7di(ies 
als  solche  gelten  werden. 

Ich  bin  am  schlusz.  da  Schönheit  und  Sittlichkeit  nicht  iden- 
tische begriffe  sind,  so  hatte  bekanntlich  das  hellenische  wesen  und 
leben  auch  seine  kehrseite,  die  im  verlauf  der  geschichte  immer 
mehr  hervortrat,  war  es  unrecht  von  mir ,  dasz  ich  den  blick  fast 
ausschlieszlich  von  dieser  ab  und  den  lichtseiten  sage  wendet  habe? 
ich  denke  nicht;  denn  die  frage:  *mit  welchem  rechte  bezeichnet 
man  die  Hellenen  als  das  classische  volk  der  geschichte?^  ist  ja 
doch  nur  d'me  von  den  zahlreichen  fragen,  die  sich  in  betreff  jenes 
Volkes  stellen  lassen,  and  nur  diese  eine  galt  es  sa  beantworieo. 
jedenfalls  hoffe  ich  den  von  mir  aufgestellten  satz  insoweit  bswieseot 


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R.  Moller :  Übungsstücke  zum  übersetzen  a.  d.  deutächeu  ins  latein.  425 

wenigstens  erläutert  zu  haben ,  als  dies  bei  einer  mehr  andeutenden 
als  ausführenden,  vielleicht  nur  zu  sehr  al  fresco  gehaltenen  erörte- 
rung  mir  möglich  war. 

Ein  erfreuliches  geschäf t ,  das  mir  zum  Schlüsse  noch  obliegt, 
knüpfe  ich,  wenn  auch  nur  durch  ein  loses  band,  an  das  eben  er- 
örterte, das  hellenische  volk  reichte  wol  bei  festlicher  Versammlung 
denen  seiner  söhne,  die  sich  wol  bewährt  hatten  in  dem  oder  jenem 
wettkampfe,  zum  lohn  für  das  geleistete  und  zum  sporn  für  weiteres 
streben  ein  ehrenzeichen,  welches,  ganz  oder  nahezu  wertlos  an  sich, 
hohen  wert  erhielt  durch  den  anlasz,  bei  dem  es  gereicht,  und  die 
bedeutung,  die  demselben  von  der  öffentlichen  meinung  beigemessen 
wurde,  so  habe  ich  auch  fleiszigen  und  braven  schtilern  dieser  an- 
stalt,  aus  jeder  classe  einem,  am  heutigen  tage  im  auftrage  der  lehrer- 
conferenz  ehrenpreise  für  gute  führung  und  treues  streben  einzU' 
händigen,  (es  erfolgt  die  prämienverteilung.) 

Möge  sämmtlichen  prämiierten,  zum  glück  sind  sie  ausgewählt 
aus  einer  nicht  unbeträchtlichen  anzahl  anerkennenswerter  schüler, 
die  auszeichnung ,  die  ihnen  heute  zu  teil  geworden  ist,  ein  recht 
kräftiger  sporn  sein,  in  bescheidenheit  und  treue  wacker  weiter  zu 
streben  nach  der  seite  der  wissenschaftlichen  wie  der  charakter- 
entwickelung.  das  bisher  von  ihnen  geleistete  ist  ja  doch  nur  eine 
kleine  abzahlung  von  dem,  was  sie  sich  selbst,  den  ihrigen  und  dem 
vaterlande  für  die  zukunft  schulden,  wir  alle  aber,  die  wir  dieser 
anstalt  angehören,  wollen  in  ernst  der  pflichten  gedenken,  die  wir 
insgesanimt  und  jeder  im  besondem  in  seinem  kreise  als  glieder  der 
mensohliohen  gesellschaft ,  als  söhne  des  engern  und  weitem  Vater- 
landes zu  erfüllen  haben,  und  das  gelübde  erneuern,  so  viel  in  unsem 
krilften  steht,  diesen  pflichten  jedeneit  treu  und  unentwegt  nachzu- 
kommen ,  indem  wir  zum  schlusz  unsere  gedanken  und  gefühle  wie* 
der  sammehi  in  dem  festwunsche,  so  zu  sagen,  dem  festaccord,  der 
in  dieser  stunde  naeh-  und  ausklingen  sollte : 

*den  kOnig  segne  gott!' 


44. 

Dß.   RUD.    MÖLLER,    ÜBUNGSSTÜCKE    ZUM    ÜBERSETZEN    AUS  DEM 
DEUTSCHEN  INS  LATEINISCHE  FÜR   QUARTA  UND   TERTIA  DER 

GYMMNASIEN  ZUSAMMENGESTELLT.  8.  VIII  uiid  176.  Berlin,  Weid- 
mannache  buchhandluug.  1S76. 

Audi  diesem  bnohe  verleiht  seine  eigenart  das  recht  za  ezistie- 
eigentttmlioh  aber  ist  es  besonders  und  am  meisten  durch  die 

^nordnuig  des  Stoffes,  worin  der  verf  .  nicht  irgend  einer  grammatik 

^Igt,  sondern  einen  eigenen  gang  gewählt  hat. 

VJalub.  f.  pUL  v.  pid.  n.  ftbt.  im,  hfl.  9.  88 


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426  C.  Möller :  äbuügsstücke  zum  übersetzen  a.  d.  deutschen  ins  latein. 


Die  ersten  beiden  abschnitte  geben,  als  vorcursus  und  grund- 
läge  für  den  quartacursus,  Übersetzungsstücke  über:  *der  Substantiv, 
nebensatz,  ausgedrückt  durch  den  acc.  c.  inf.  (seltener  durch  quod 
und  ut),  der  Substantiv,  nebensatz  als  indirecter  fragesatz  —  der 
adjectiv.  nebensatz  in  der  form  des  relativ-  und  des  participialsatzes. 

—  Der  adverb.  nebensatz  ausgedrückt  durch  conjunctionen ,  parti- 
cipia  und  den  ablativ  absol.',  also  über  EUendt-Sejffert  §  288,  289 

—  §  304  —  §  141,  1  —  §  315,  317—22,  326,  327,  329  —  §  255, 
265,  266,  2  (in  der  Überschrift  jedes  abschnittes  sind  immer  die 
betr.  §§  aus  jener  grammatik  angegeben);  der  dritte  dann  über 
'das  unbestimmte  pronom.  man  —  die  conjung.  periphr.  act.  und 
und  pass.  —  Übereinstimmung  des  praed.  mit  mehreren  subj.  in  ge- 
nus,  numerus  und  person  —  apposition  —  subst.  comm.  und  mobil.', 
darauf  geht  der  verf,  nicht  zimi  genitiv  oder  accusativ  über,  womit 
in  der  regel  die  übung^-bücber  für  quarta  zu  beginnen  pflegen,  son- 
dern abschnitt  IV  ist  dem  abl.  causae,  instrumenti,  limitationis,  modi, 
mensurae,  comparationis  gewidmet,  der  verf.  begründet  diese  vor- 
wegnähme eines  teils  der  ablativregeln  also  (vorrede  s.  V  f.) :  'da  es 
schwer  möglich  sein  dürfte,  ohne  anwendung  der  gebräuchlichsten 
arten  des  ablativs  und  genetivs  und  ohne  allerlei  zeit-,  orts-  und 
raumbestimmungen  wirklich  genieszbare  beispiele  in  gröszerer  an- 
zahl  zu  componieren,  so  habe  ich  auf  die  gefahr  hin,  das  misfallen 
eines  strengen  sjstematikers  zu  erregen,  die  hierauf  bezüglichen 
regeln  aus  den  betreffenden  capiteln  der  grammatik  vorweggenom- 
men und  setze  sie  schon  vonnr.  IV  meiner  Übungsstücke  anäanacli 
nnd  nach  gelernt  veraas.'  abschnitt  V  und  VI  sind  einigen  regeln 
über  den  genetiv  gewidmet,  aber  auch  da  ist  eine  andere  Ordnung 
gewtthlt  als  die  grammatiken  sie  zu  bieten  pflegen ,  indem  zu  genet. 
possess.,  object.  und  partiL,  genet.  und  ablat*  der  eigenschait  (so 
ja  auch  Ellendt-SeyfEbrt),  genet.  nnd  ablat.  pretii,  esse  c.  genet. 
anch  der  genet.  gerundii  schon  mitbehandelt  ist.  abschnitt  Vn 
und  Vin  geben  dann  Übungsstücke  zu  dm  räum-,  orts-  und  Zeit- 
bestimmungen, IX  und  X  zu  denverbaund  adjectiva,  welche  ab- 
weidiend  vom  deutschen  mit  dem  accus.,  dat.  oder  abl.  constroiert 
werden,  XI  und  XII  zn  den  constmctionen  des  doppelten  accusativ., 
nomin.  und  dativ.  usw.  in  dieser  weise  ist  in  17  abschnitten  alles 
das  grappiert  und  vereinigt,  'was  der  schüler  in  lY  von  der  syntaxis 
casuum  erfahren  und  practisch  verwerten  soll',  daran  schlieszen  sich 
abschnitte  XVUI  bis  XXm  Vermischte  beispiele'  und  XXIY— XXV 
'zQsammenhfingende  Übungen',  jeder  absdmitt  enthftlt  10  über- 
Setzungsstücke. 

Der  hauptteil  des  buches  ist  berechnet  für  ezercitia  in  qnarta, 
wofür  bei  halb  jfthrigen  cursen  (zunächst  für  solche  ist  das  bndi 
eingerichtet,  kann  aber,  wie  in  der  vorrede  8.  VI  daiigdegt  wird, 
ebensogut  bei  jfthrigen  cursen  benutzt  werden)  den  ztoff  wOchent- 
Uch  je  ein  stück  der  ersten  17  abschnitte  bieten  soll,  im  ersten  cor- 
ans  die  mit  A  bezeichneten,  im  zweiten  B  usw.  In  iSngeren  Seme* 


C.  MöUer:  übungsettteke  &iim  übeneteen  a,  d.  deuteohen  ins  latein.  427 

Stern  sollen  dazn  noch  stücke  aus  den  folgenden  3  abschnitten  ge- 
nommen werden,  so  dasz  das  buch  für  10  halbjährige  oder  5jährige 
cnrse  ausreichen  würde,  'ohne  dasz  den  schülem  dasselbe  stück  zwei 
mal  vorgelegt  werden  darT  (vorrede  s.  HI),  der  rest  ist  dann  für 
t ertia  bestimmt  und  bietet  stoff  fttr  die  in  dieser  classe  (auch  noch 
in  Obertertia)  ja  dringend  notwendige  widerholnng  und  vervoUstttn- 
dignng  dieses  teils  der  grammatik. 

Man  wird  wol  ziemlich  allgemein  dem  verf.  beistimmen ,  wenn 
er  es  (s.  V)  für  'ziemlich  gleichgiltig*  erklärt,  *in  welcher  reihen- 
folge  der  qnarfamer  die  regeln  über  den  gebranch  der  casus  sich 
aneignet,  wemi  er  nur  überhaupt  am  ende  des  Semesters  mit  ihnen 
veirlanHit  geworden  ist  und  sie  anzuwenden  versteht',  deshalb  hält 
aber  auch  ref.  es  für  Überflüssig,  m,  erOrtem,  ob  die  vom  verf«  be- 
folgte anordnung  berechtigt  und  zweökmtaig  gewesen  oder  nieht; 
es  ist  znzngeben,  dasz  die  gmppienmg  eine  angemessene  ist,  wenn 
man  aaoh  einzelnes  anders  wünschen  mag.  so  meint  ref. ,  hätten  in 
absdinitt  IX  nnd  X  auch  die  verba  behandelt  werden  kömomi,  welche 
abweichend  vom  dentsehen  mit  dem  genetiv  constroiert  werden, 
in  abschnitt  XI  nnd  Xn  auch  utor  mit  doppeltem  ablativ  nsw. 

Den  Inhalt  der  Übungsstücke  bilden  bis  auf  die  beiden  letzten 
abschnitte  nur  einzelne  stttze,  allerdings  vielÜMsh,  besonders  ge- 
gen ende  des  bnches,  keine  ganz  kurzen,  oft  ziemlich  lange,  aber 
doch  einzelne,  zusammenhangslose  Sätze,  das  bilSgt  ref. 
nicht,  welcher  «nem  quartaner  auch  zusammenhängende  stücke  ge- 
boten wissen  will,  allerdings  hat  der  verf.  sich  bemüht  *in  jedem 
satze  eine  gesduohtlicihe  thatsache,  eine  natuxliistorische  oder  geo- 
graphische notiz,  eine  moralisöhe  sentenz  oder  ein  sprÜchwort  an- 
zubringen, oder  er  nimmt  sich  aus  wie  eine  stelle  aus  einem  briefe, 
einer  rede  oder  erzttdung'  (s.  III),  aber  es  fehlt  doch  jeder  Zusam- 
menhang, der  Inhalt  kann  dem  schÜler  wenig  oder  gar  kern  Interesse 
erwecken;  und  wenn  auch,  wie  der  verf«  fordert  (s.  VII),  der  lehrer 
den  inhalt  der  Sätze  *durdi  kurze  notizen  über  die  darin  erwähnten 
Personen  und  saehen'  erläuterfc,  so  macht  das  doch  ganz  nutzlosen 
Zeitverlust. 

Das  übersetzen  der  gebotenen  sätze  würde,  wie  der  verf.  selbst 
ausspricht  (s.  VU  f.),  dem  schüler  zu  schwierig  sein,  ohne  besondere 

hilfe.  deshalb  verlangt  der  verf.  eine  Vorbereitung  der  exercitia', 
wobei  der  lehrer  jede  periode  in  ihre  teile  zerlegen  und  construieren 
lassen,  genusregeln ,  conjugationsformen  und  anderes  aus  der  gram- 
matik wiederholen ,  auch  leicht  faszliche  synonyme  unterschiede  er- 
läutern und  namentlich  die  zu  dem  exercitium  gehörigen  syntakti- 
schen regeln  nochmals  (nachdem  sie  natürlich  schon  vorher  durch- 
genommen sind)  besprechen  und  auf  den  vorliegenden  satz  anwenden 
soll,  damit  der  schüler  sieht,  wie  der  deutsche  satz  entsprechend 
umgestaltet  werden  musz.  das  wird  sich  principell  nur  billigen  las- 
sen, wenn  nur  der  lehrer  dabei  das  richtige  masz  hält  und  nicht  so 
weit  geht,  dasz  der  schüler,  welcher  ein  gutes  gedächtnis  hat,  zu 

28* 


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488  C  MAU«r:  übangütOoke  um  tilwrMtien  a.  d.  deotecben  ii»  latem. 

baiiM  wmtor  niobts  ca  tlnm  bnuiehti  alt  nur  aitdflrmsGlEreüMiit  wrn 
in  der  Mhida  gesagt  ist 

Nun  bietet  aber  anob  der  yerC  selbst  noch  weitere  liilfe.  um 
dem  ^Ueiaeii  gymnasiasten*  in  qnarta  das  dsatsA  -  ImtemiiriM 
w5rterbaob  aocüb  sn  ersparen  und  anob  den  mmfitseasL  aeii?erimt 


sn  Tenneiden,  weldien  selbst  ein  am  ende  des  beebee  befindfinbn  j 
Tocabnlar  Tenirsadit  (idso  'som  beqwemen  aUisea')^   enid  de 
dem  scbüler  nötigen  Toeabeln,  soweit  der  ans  qnmta  mitgebnttfe  . 

Wortschatz  nicht  ausreicht,  unter  den  stücken  verzeichnet;  aar 
die  in  den  Übungsstücken  vorkommenden  eigennamen   sind  — 
was  ref.  sehr  billigt  —  sämmtlich  in  einem  besonderen  veneicii- 
nis  am  ende  des  buches  gegeben,  wenn  das  buch  alleiii  f ür  eier- 
citia  benutzt  werden  sollte,  so  könnte  diese  anordnung  ja  den  Schü- 
lern die  arbeit  nur  erleichtem  und  keinen  groszen  nachteil  her- 
beiführen; aber  gewis  wünscht  doch  auch  der  verf.  seine  Übungs- 
stücke au>zcr  zu  exercitien  noch  zu  mündlichen  Übersetzungen 
aus  dem  deutschen  ins  lateinische  gebraucht  und  namentlich  auck 
was  ref.  für  sehr  wichtig  hält,  zu  mündlicher  repetition  der  frülier 
schriftlich  angefertigten  exercitia.  hierzu  gebraucht  wird  aber  das  ' 
buch  gerade  den  nachteil  stiften,  von  dem  früher  gesprochen  ist 
nnd  dasa  ist  der  verf.  in  dem  mitteilen  der  vocabeln  sehr  splendide 
gewesen,  wenigstens  für  die  besseren  sohüler  (wibrend  die  ganz 
schwachen  doeb  noch  nicht  alles  finden  werden,  dessen  sie  bedürfen), 
nnd  bat  es  namentlieb  dnrch  die  art  der  zahlenaetnmg  nach  des 
lefefenten  meinnng  dem  echttler  gar  zn  leicht  gemacbt.  an  mek- 
leren  dentseben  worieni  welohe  im  lat.  dnnk  ein  wort  oder  eise 
pbrase  wiedergegeben  werden  edUen,  ist  wiederboH  dieaelbe  cald  ge- 
seist}  dnreb  die  nnmeriemng  wird  gleiefaesitig  anf  die  latefnlsA« 
wortsteUnng  bingewieeen;  ansserdem  beaeiobnet  nodi  das  Bsichen*),  ] 
dass  das  worti  sn  dem  es  geeetet  ist,  niöbt  ftbenetst  werdstt  ecdl,- 
dadnrbh  werden  also  gleichseitig  dem  seblOer  gewisse  Mafaeiieii  bei» 
gebracht,  wie  dasz  das  pron.  poss.  *8ein'  oft  nicht  zu  ühersetm, 
'sein  eigen'  nur  dnrch  suus  zu  geben  ist ,  u.  dgl. ,  aber  das  ist  doch 
eine  sehr  mechanische  art.  ein  paar  beispiele  mögen  das  gesagte  er- 
läutern: s.  6  'Themistocles  hatte  nach  der  schlacht  bei')  Marathon^) 
im  Toraus')  daran®)  erinnert^),  dasz  jener  sieg  nicht  das  ende,  son- 
dern die  Ursache  eines  noch*')  gröszeren  krieges  sein  werde.*  s.  7 
'wer  um*)  die  wette*)  läuft*),  musz  sich*)  anstrengen^)  und  be- 
mühen®), damit  er  siege.'  s.  29  'als  Porsena  Rom  belagerte^'),  be- 
gab     sich*")  ein  gewisser  Mucius,  ein  jüngling  von  mutigem'*) 
geiste,  in  das  lager  der  Etrusker,  um  den  könig  zu  tödten.'  s.  88  'die 
wilden**)  volksstämme,  welche  Amerika  bewohnen"),  schonen  ihre 
gefangenen  fast^*)  nie"),  sondern  fögen")  ihnen  die  grösten mar- 
tern**) und  quälen'^)  zn'*),  faissie  den  geist*^  aufgeben*^.'  so  kozo- 
men  manche  sitze  vor,  in  denen  bei  mehr  als  der  hälfbe  der  Wörter 
aablen  stehen,  und  dieses  geht  durch  das  ganze  buch  nnd  findet  sich 
ebenso  mMh  noeb  in  den  Utr  tevüa  bestimmten  stOokesu  dirletste  . 


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Am  S.  Schönboms  latemisches  Ifisebuch  für  die  qnmta.  429 

satz  lautet:  'denn  auf  eine  trfige^)  bestellte^)  saat^^)  folgt  eine 
dürftige^')  enite^^),  demjenigen  aber,  welcher  emsig**)  seine  arbeit**) 
verrichtet ^^),  bleibt*^)  nicht  leicht  der  gehoffte  lohn  aus**).'  —  End- 
lich sind  dann  noch  von  abschnitt  III  an  die  worte,  bei  welchen  eine 
frühere  regel  abermals  zur  anwendnng  kommt,  ge  s  perrt  gedruckt, 
wodurch  der  schttler  zum  nadidenken  aufgefordert  wenlen  soll« 
welche  regel  das  sei« 

Dieses  alles  zusammengenommen  scheint  dem  referenten  zu 
▼iel  hilfe  zu  sein,  und  zwar  besonders  solche,  welche  den  schttler 
des  nachdenkens  überhebt  und  die  eigentliche  arbeit  beseitigt;  und 
das  kann  ref*  nicht  billigen. 

Daneben  soll  es  aber  auch  anerkennend  hervorgehoben  werden, 
dasz  das  buch  unverkennbar  aus  langjähriger  er&hrung  und  präzis 
herrorgegangen  und  mit  grosser  Sorgfalt  gearbeitet  ist ;  es  mag  auch, 
wenn  man  das,  was  rei  ideht  hat  b^Uigen  kOnnen,  nidit  als  mingel 
einsieht,  und  wenn  man  den  vom  neorf.  eingeschlagenen  gang  fttr 
xidilig  und  angemessen  hält,  mit  nutzen  gebraucht  werden  kOnnen; 
jedenfUls  wird  man,  das  kum  re£  bezeugen,  zu  mttndliohen  und 
sdiriftlichen  eztemporalien  in  quarta  und  tertia  die  ttbungsstlloke 
mit  erfolg  und  gewisz  gern  benutzen;  das  wttrde  aber  der  yerf.  bei 
einer  neuen  auflaig^  durä  beigäbe  eines  inhaltsverzeichnisses  wesent- 
Heh  erieiöhtem«   

Der  druck  ist  fast  ganz  oorrect;  ausser  den  auf  s.  VUCI  notierten 
druckfbhlem  finden  sich  wol  nur  noch  geringe  Tersehen,  z.  b«  s.  55 
steht  unter  den  vocabebi  zu  EC  zweimal  die  zahl  15;  s.  11,  zle.  12 
tadliehe;  s.  60,  27  und  s.  61, 16  sinq.  ftr  sing.,  s.  62  X  il  zle,  2 
Teoiyw,  s<mst  -im;  s.  88,  XIV  Ä  zle.  1  Jabiades;  s.  108  XVHI  für 
AVü;  s«  159,  6^  7  oonsangidnitas.  im  ttbrigen  Ittszt  die  ausstat- 
tnng ,  wie  daa  bei  einem  Weidmannsohen  yerlagsartikel  wol  selbst- 
Terstttndlidi  ist,  nicbts  zu  wttnsohen. 

BATZBBUBe.  WiLHBLM  YoLLBBSOBT. 


45. 

A«    S.    SCHÖNBORNS    LATEINISCHES    LESEBUCH    FÜR   DIE  QUINTA 
HÖHERER  LEHRANSTALTEN.    ELFTE  AUFLAGE.    BESORGT  VON  DR. 

RUDOLF  KÜHNER.  Berlin  1877.  Mittler  und  söhn.  8.  VIT  200  s. 
LATEUIISGH- DEUTSCHES  UND  DEUTSCH- LATEIISISOHES  LEXIKON. 
104  8. 

Unter  der  zahl  der  lateinischen  Übersetzungsbücher  behaup- 
tet der  alte  Schönborn  noch  immer  seinen  platz:  er  sah  zwar  noch 
nicht  drei  menschenalter  gleich  dem  würdigen  alten  Jacobs,  dem 
bahnbrecher  auf  dem  gebiete  der  griechischen  elementarbücher, 
aber  im  zweiten  menschenaltei'  steM  er  doch  bereits  mit  einem  fusze, 


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430      A.  S.  SohOnborna  iatemiachds  le«ebach  für  die  quinia. 

und  bei  dem  praktischen  geschick  des  jetzigen  herausgebers,  weicher 
68  versteht  den  bedürfiusaen  der  schulen  gerecht  zu  werden  und  dat 
iv«rkch»ii  auf  der  höhe  der  seit  zu  erhaLten«  wird  »leh  ihm  die  ewige 
jagend  nicht  fehlen. 

Hatte  schon  die  lOe  aufläge  (erschienen  im  jähre  1874)  eise 
wesentliche  Umgestaltung  dadurch  erfahren,  dasz  die  zahl  der  anter 
dem  text  der  deut^^^cben  übersetsongsstttcke  stehenden  lateiniBchai 
yocabeln  aas  richtigen  pädagogischen  erwigongen  auf  ein  minimnm 
reduciert  wai*,  während  den  bedlirfnissen  des  Schillers  darch  eil 
sorgfältig  angelegtes  deutsch -lateinisches  leiikon  rechnang  getngm 
war,  80  legt  die  lle  aufläge  in  noch  erhöhtem  messe  zengnis  ab  toil 
dem  ruhigen  eifer  des  henMUfgebecs,  den  zwecken  and  d^  aafgaben 
der  höheren  lehranstalten  su  dienen. 

Besonders  schätzenswert  ist  die  erweiter ung  und  bereicherong, 
welche  das  werkchen  dadurch  erfahren  hat,  dasz  der  In  abteiloag 
aof  s.  46 — 62  ein  an  hang  beigegeben  ist,  welcher  den  ausgespro- 
chenen zweck  yexfolgty  das  Schllabomsche  lesebuch  für  den  gelMaach 
der  quint-a  geeigneter  zn  machen  als  dieses  bisher  der  ML  wsr. 

In  der  erwägang,  dasz  nach  dem  lehrplan  der  gymnasien  der 
qainta  yomehmlidi  &  systematische  erlemang  and  einprigongder 
sogenannten  nnr^gelmSszigen  verba  saflllt ,  nnd  in  der  erkenntnis, 
dasz  das  SchOnbomsche  hoch  in  seiner  bisherigen  anordnnng  nnd  Ter- 
fassung  ^eigentliche  übersetzangsstflcfce  zor  systematischen 
einttbong  der  sog.  nnregelmftszigen  verba'  vermissen  iSszt,  hat 
der  heraasgeber  es  sich  angelegen  sein  lassen,  diesem  mangel  in  der 
weise  abzuhelfen,  dasz  er  mit  sorgsamer  aoswshl,  geordnet  nach  den 
vier  coiyagationen,  zwölf  neae  latdnische  and  deatsohe  ttbersetznngs- 
sttlcke  zusammengestellt  hat,  in  welchen  zugleich  das  syntak- 
tische material,  mit  welchem  vornehmlich  in  der  qainta  zu  operie- 
ren ist,  and  dessen  grttndliche  aneignong  die  haaptanfgabe  dieser 
classe  ist  (accus,  c.  infin«,  partidpialoonatroction,  die  hauptregeln 
über  den  gebrauch  von  ut,  ne  usw.,  die  conjugat.  periphrast,  das 
wichtigste  aus  der  lehre  von  gemnd*  und  gmndiv.)i  in  geschickier 
weise  verarbeitet  ist. 

Die  methodischen  grundsfttze,  durch  welche  der  herausgeber 
sich  hat  leiten  lassen,  sind  dieselben,  welche  meines  Wissens  zuerst 
von  Drögen  in  einem  schStzenswerten  progranun  des  Friedrich- 
Wilhelm-Gymnasiums  zu  Berlin  (erschienen  in  den  vierziger  jähren) 
entwickelt  sind. 

Zur  festen  einprägung  der  sog.  unregelmäszigen  verba  genfigt 
nemlich  nicht  ein  mechanisches  abfragen  der  formen :  weit  frucht- 
barer ist  es,  dieselben  dem  quintaner  sofort  in  kleinen  sätzen  vorzu- 
itthren,  den  Schüler  zur  mannigfaltigsten  variieruug  derselben  anzu- 
halten und  zu  nötigen,  die  unabhängigen  sätze  stets  auch  von  einem 
verbum  sentiendi  oder  declarandi  abhängig  zu  machen,  participial- 
constructionen  mit  denselben  zu  bilden  u.  ä.  geschieht  dieses,  so 
gestaltet  sich  das  anscheinend  so  geistlose  auswendiglemen  der  for- 


A.  S.  SohOuborns  lateinuohes  lesebach  fOr  die  qninta.  431 

men  zu  einer  den  geist  anregenden  und  bildenden  Operation  und 
trägt  nicht  zum  mindesten  zu  der  gymnastik  und  zu  der  erzenguig 
von  kraft  bei,  w^che  das  Tomehmste  ziel  der  höheren  lehranatal- 
ten  ist. 

Bei  der  auswahl  und  zneammenstellnng  der  sfttze  ist  der  heraus- 
geber  sngleieh  bestrebt  gewesen,  das  pensum  der  sezta  immer  Yon 
nenem  wieder  Torzaftthren,  damit  das  anf  dieser  nnterriehtsstafe  er> 
lernte  in  stetem  flnss  erhalten  bleibe,  als  fimdgrabe  bei  der  auswidil 
der  stttze  hat  u.  a.  dielateinisohe  elementargrammatik  von  Baphael 
Etthner,  dem  rater  des  heransgebers,  gedient,  was  um  so  mehr 
bflligong  Yordient,  als  gerade  diesem  sdiolmanne  das  mibestreitbare 
verdienst  gebflhrt,  während  seines  reichen  lebens  mit  rastlosem  fleisce 
die  lateinische  litterator  ftlr  die  zwecke  der  schule  selbständig  dnroh- 
for8<^t  und  eine  bltttenlese  yon  beispielen  zusammengestellt  zu 
haben,  die  nicht  minder  wertvoll  ist  als  die  vidfaeh  ausgeschriebene 
Sammlung  von  Bamshorn. 

Dieser  anbang  ist  auch  besonders  im  druck  erschienen  und  idtä 
den  früheren  abnehmem  des  Werkes  kostenfrei  nachgeliefert 

Die  praktische  brauchbarkeit  des  buches  hat  audi  durch  den 
umstand  gewonnen,  dasz  der  herau^geber  sich  nunmehr  entschlossen 
hat,  ein  schon  von  Moritz  Seyffert  in  der  rorrede  zur  6n  aufläge 
ausgesprochenes  und  von  vielen  Schulmännern  geteiltes  bedttrfiiis  zu 
erfüllen,  die  paragraphen  der  ersten  abteihmg,  welche  die  gramma- 
tischen Vorübungen  umfaszt,  besser  zu  ordnen  und  in  einer  mehr 
systematischen  gliederung  auf  einander  folgen  zu  lassen;  diejenigen 
Paragraphen,  welche  über  das  pensum  der  quinta  hinausgehen ,  sind 
mit  einem  stenichen  versehen. 

Femer  verdient  als  eine  entschiedene  Verbesserung  der  neuen 
aufläge  hervorgehoben  zu  werden  die  durchgängige  numerieriing  der 
einzelnen  sätze  sowol  in  den  lateinischen  als  auch  in  den  deutschen 
abschnitten,  der  lehrer  wird  durch  dieselben  in  den  stand  gesetzt, 
nachdem  er  die  seinen  zwecken  entsprechende  auswahl  getroffen  hat, 
jedesmal  mit  leichtigkeit  den  schülern  das  betreffende  pensum  genau 
angeben  zu  können,  ohne  gefahr  zu  laufen  von  denselben  misverstan- 
den  zu  werden. 

Endlich  ist  der  herausgeber  auch  in  dieser  neuen  aufläge  be- 
müht gewesen,  auf  eine  präcisere  und  klarere  fassung  der  syntakti- 
schen regeln  hinzuarbeiten,  doch  lassen  sich  in  dieser  hinsieht  noch 
manche  mängel  nachweisen  und  es  werden  noch  viele  kräfte  zu- 
sammenwirken müssen,  ehe  das  buch  allen  ansprüchen  genügen  wird, 
zum  beweise  dieser  meiner  behauptung  lenke  ich  die  aufmerksamkeit 
der  kundigen  auf  die  in  §  1  gegebene  definition  von  'construieren'. 
*einen  satz  construieren',  lehrt  der  Verfasser,  'heiszt:  die  teile 
(worte)  eines  satzes  so  ordnen,  wie  sie  von  einander  abhängen;  man 
ordnet  sie  demgemäsz  also:  1)  das  subject  usw.  2)  das  prädicat  usw.' 
es  dürfte  sich  vielleicht  dafür  folgende  fassung  empfehlen:  einen 
satz  construieren  heiszt:  den  satz  in  seine  bes tandteile  zerlegen 


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482      A.  8.  SohOnbom  latmniichei  laiebiioh  fOr  die  qniiitai 


und  bestiminen,  in  welchem  Tochäliaiis  die  werte  zn  «Baader  stebeiL 
dojenige,  w«leher  mnm  satz  eonstmiert,  firtgi  demgem&sz  1)  lUMb 
dm  nibjeet  usw.  unter  6)  htini  es:  *bei  ▼grwwidiqng  des  activm 
Ins  paasiTiim  wird  das  objeot  nun  snbject « . .  nnd  ans  dem  sobjed» 
wild  der  aUativ  mü  oder  dhna  pc^^omtioii  o*,  wilurend  doch  bot 
getagt  werden  kann:  der  nonuBstiTiui  dea  aobjeeta  wird  in  dm 
aUatiTQS  Terwaadali,  tot  welciMA  die  ptf^odtiaiL  a  tritt,  ww  du 
anbjeet  eine  peraon  ist;  nnd  glnoh  diHwof  war  Tiehnalir  n  ngm: 
aoademnominatiyiisdmsQbjeetsmBitorwM  dasrtn»» 
ben  naob  kllne  im  aosdmek  ist  ja  an  und  fttr  sieli  ta  büligea«  akar 
die  dentliohkttt  darf  auf  keinen  fidl  daronter  leiden,  noch  wong« 
darf  sieh  ein  sohnlbneh  eines  fehlere  gegen  die  strenge  spradiriehtjg- 
keit  sehnldig  machen«  der  Mileriiafte  ansdrockder  titaren  ansgibMi 
(mir  liegt  yor  die  4e  aofl*  vom  jähre  1856)  sid>.  e)  *im  latdn'  iit 
Tom  herausgeber  geändert  in  'im  latein.';  Illr  ein  schnlboeh  wire« 
angemessener  gewesen,  *im  lateinischen'  ohne  abkSrzang  ta  sidira* 
ben,  damit  dem  lehrer  die'  mühe  erspart  bleibe,  dem  mirarstindigea 
qnintaner  eine  erüntemde  bemerining  ttber  den  sinn  der  abkOzzmig 
machen  ni  mllssen*  in  §  2  6  ist  das  adTerbinm  dififioile  mit  rocht 
gestriehen,  dagegen  Terleitet  der  ansdraek  'diffionUer  oder  non fr> 
rile*  m  der  anmihme,  als  wSren  beide  formen  |^eh  hlnfig  in  ge- 
branoh;  ich  würde  Torsidien  das  'selten*  der  Ito  aoflage  in  lesti- 
tnieren  und  zu  schreiben :  difficnlter  (schwer,  schwierig  —  die  fem 
ist  im  gebrauch  selten ,  man  pflegte  dafür  zu  sagen  non  facile  — ), 
in  §  3  empfiehlt  es  sich  zu  I  die  worte  'oder  begrün dung'  als  Aber- 
flüssig  zu  streichen;  statt  'des  ersten'  musz  es  heiszen  'desselben* 
oder  'des  ersteren*. 

Mit  bezug  auf  die  wähl  des  aasdruckes  in  den  deutschen  sätzen 
ist  die  bessernde  band  des  herausgebers  fast  auf  jeder  seite  zu  er- 
kennen,  und  doch  wird  noch  viel  zu  thun  übrig  bleiben,  um  das  buch 
von  allen  sünden  gegen  den  deutschen  Sprachgebrauch  zu  reinigen, 
die  Wurzel  des  übeis,  dasz  sich  in  den  deutschen  arbeiten  der  schüler 
so  viele  latinismen  vorfinden,  ist  nicht  blosz  in  der  lauheit  und  lässig- 
keit  zu  suchen,  mit  welcher  einzelne  lehrer  es  verabsäumen,  beim 
übersetzen  aus  dem  lateinischen  ins  deutsche  von  früh  auf  die  jugend 
an  ein  richtiges  sprechen  zu  gewöhnen :  sie  steckt  zum  teil  auch  in 
der  mangelnden  fürsorge  für  die  herstellung  eines  correcten  deutsch 
seitens  der  herausgeber  von  übersetzungsbüchem.  da  nach  dem 
Organismus  der  gymnasien  jede  lateinische  stunde  zugleich  eine 
deutsche  Sprechstunde  sein  soll,  so  darf  mit  recht  an  jedes  lateinische 
Übungsbuch  die  forderung  gestellt  werden ,  dasz  in  demselben  nur 
rein  deutsche  Wendungen  zugelassen  werden,  dasz  auch  in  der  lln 
aufläge  des  weit  verbreiteten  SchÖnbornschen  lesebuches  noch  eine 
reihe  von  sprachfehlem  stehen  geblieben  sei,  ist  unschwer  nachzu- 
weisen, einige  beispiele  mögen  genügen,  s.  3  satz  14  müssen  wir 
lesen  ^der  in  den  alpen  entsprungene  Rhein';  s.  4  satz  14  'nach 
dem  blutigen  siege  des  Sulla  fiengen  die  Unruhen  und  die  empö* 


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C.  Sehmelser:  die  überbflrdmig  auf  den  höheren  lehranstalten.  433 

rangen  der  bürger  an  einen  aogenbliek  sich  zn  beruhigen'; 
8.4  aatz  19  'die  höchste  herschaft  wurde  Ton  GSsar  aufs  begierigste 
angestrebt';  s.  50  sats  5  'and  diese  mannsöhaffc  soll  von  wonder^ 
barer  kampflast  gebrannt  haben';  s.  62  satz  8  *22  schiffe  der 
fdnde,  welche  durch  den  heftigen  stürm  an  die  felsen  gestoszen 
waren,  worden  dnrch  dasgeftturlidie meer  versenkt';  s.53 sata 4 
*eüten  10»000  Soldaten  auf  verschiedMien  mSrsehen  mit  schnel- 
lem fasse  nach  der  stadt^;  sats  6  *warde  der  rOmische  Staat  in 
blutige  bfirgerkri0ge  versenkt';  s.  57  sats  7  'es  ist  bekaonty  dasz 
dem  Apollo  blonde  haare  Ton  den  dichtem  erteilt  worden  sind'; 
8.  ^  satz  3  'die  sch&den,  welche  der  langwierige  krieg  geschla- 
gen hatte',  daher  ridite  iok  an  den  heransgeber  die  dringende  bitte» 
bei  der  nttchsten  aufläge  den  Wortlaut  in  den  deutschen 
ftbersetznngsstflcken  einer  sorgfältigen  revision  zu 
unterziehen. 

An  druckfehlem  habe  ich  bemerkt  s.  1  z.  3  y.  u.  ein  folsohes 
spatiam;  s.  61  (18)  z.  18  y«  u.  dui  statt  diu;  in  dem  besondmn  ab- 
dmek  des  aahanges  s.  4  z.  4  y.  o.  steht  Espaminondas;  s.  18  z.  1 
?•  u.  aesuram  statt  haesuram. 

SomiTOBMÜHL.  Fbahz  NiblIiidbb. 


46. 

DIE  ÜBERBÜRDUNG  AUF  DEN  HÖHEREN  LEHRANSTALTEN.  BRIEFE  AN 
MEINEN  LANGEN  FREUND  JONATHAN,  ALTEN  UND  JUNGEN  ZU  NUTZ 
UND  FROMMEN  HERAUSGEGEBEN  VON  GYMNASIALDIREOTOS  GARI« 

SCHMBLZEB.  licipzig,  P.  Ehrlich.  1878.  78  s.  8. 

Das  in  Zeitschriften  und  Zeitungen,  in  biichem  und  broschüren, 
in  pädagogischen  und  in  parlamentarischen  Versammlungen  fast 
zum  übermasz  durchgesprochene  thema  von  der  überbürdung  unse- 
rer Bchüler  mit  arbeiten  tritt  hier  von  neuem  als  von  einem  fach- 
manne, einem  gymnasialdirector  behandelt  auf ;  das  hat  etwas  tröst- 
liches^ nachdem  man  soviel  oberflächliches,  unrichtiges,  verkehrtes 
darüber  und  bei  gelegenheit  dieses  themas  auch  wol  über  die  gymna- 
sien  überhaupt  zu  lesen  und  zu  hören  gehabt  hat. 

Die  kleine  schrift  wird  vielen  gefallen,  sie  hat  wol  schon  vielen 
gefallen,  die  form  von  briefen,  gerichtet  an  einen  universitätsfreund, 
einen  Juristen,  der  wol  mit  seinem  akademischen  Spitznamen  be- 
zeichnet wird,  sichert  schon  etwas  vor  pedantischer,  steifer  dar- 
stellung;  sie  hat  sogar  zu  einem  ziemlich  burschikosen  ton  geführt, 
<ier  wol  der  menge  gefallen  mag,  den  collegen  freilich  schwerlich 
als  der  angemessene  erscheinen  dürfte,  in  dem  man  dergleichen 
^sthafte  dinge  gern  behandeln  sieht,  aber  ist  das  schriftchen  auch 
^Ur  die  collegen  geschrieben?  ich  weisz  es  nicht,  für  die  behörden 


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434  C.  Sohmelier:  die  fiberbOrdimg  auf  deD  höliereii  lehraastalteiL 


ist  68  gewis  niolit  bestimmt;  denen  gegenüber  kann  diese  art  von 
ton  nodi  weniger  auf  beifsU  redinen.  ebrlich  gestanden:  es  sieht 
ans,  als  wSre  es  ftlr  die  grosse  menge  geschrieben  oder  —  nm  es 
gelinder  aaszadrtteken  —  als  solle  es  auf  die  öffentliche  meinimg, 
die  meinnng  nnd  einsielit  des  pfablienms  wirlcen  nad  erst  dnrdi  dien 
auf  die  eigentlidi  beteiligten  und  m  abstellong  der  be8pT0<dieiHB 
missstttnde  bedingten  und  berechtigten,  die  behdrden  nnd  d» 
sohnlmftnner. 

Wammersiohniehtdixeetandieletstem  gewendet  hat,  —  wir 
Wissens  nicht,  sollte  er  gedacht  oder  geahnt  haben,  dasa  es  naler 
den  schulminnem  vielleteht  eine  gate  ansahl  soldier  gibt,  die 
denken,  wie  ein  redit  tüchtiger  coll^e,  ein  gymnasialdiieetor, 
welcher  anf  meine  frage,  ob  er  die  S^melzersche  schrift  gelesen 
habe,  mur  erwiderte,  dass  er  flberlumpt  nichts  mehr  yon  Scfamete 
lese;  —  er  dachte  an  gewisse  artikel,  die  unter  diesem  namen  tot 
einiger  znt,  wenn  ich  nicht  irre,  in  der  Magdeburger  zeitnng  er- 
schienen sind,  oder  ahnte  der  Torf.,  dass  es  auch  andern  so  gehen 
möchte,  wie  einem  weiteren  ooUegen,  dem  ich  eine  sofiOlig  otae 
stelle  in  dem  noch  nnan%eschnittenen  sdiriltehen,  nemlich  über  die 
angebliche  lügenhaftigkeit  der  vitae  der  abitnrienten,  vorlas  und 
der  in  entrüstung  über  die  arge  unrichtigkmt  dieser  darsteUnng  so- 
gleich die  lust  verlor  die  schrift  weiter  zu  lesen?  —  Ic3i  habe  weder 
des  ersteren  collcgeHf  noch  des  zweiten  ansieht  getheilt,  sondern 
das  schriftchen  sogar  zweimal  gelesen,  man  will  ja  gern  auch  yon 
dem  lernen ,  was  nicht  zunächst  für  uns  geschrieben  ist. 

Worin  findet  nun  der  verf.  die  Ursache  der  überbürdung  der 
Schüler?  von  der  er  übrigens  nicht  ausschlieszlich  handelt,  sondern 
zugleich  von  allen  möglichen  andern  übelständen  der  schulen,  daht-r 
er  die  schrift  überhauj)t  'über  reformen  der  gjmnasien'  hätte  be- 
titeln können,  zwei  oder  drei  hauptursachen  der  überbürdung  findet 
er.  zuerst  nicht  etwa  die  zahl  der  lehrstunden ,  sondern  die  über- 
fülle der  zu  lehrenden  gegenstände  und  die  Verteilung  der  gegen- 
stände auf  die  stunden;  dies  hauptsächlich  in  den  unteren  classen; 
sodann  das  schreib wesen,  das  legen  des  hauptnachdrucks  auf  die 
schriftlichen  arbeiten  anstatt  der  vorzüglichen  betreibung  des  münd- 
lichen Verkehrs,  und  dies  ebenso  schon  in  den  untersten  classen, 
wie  in  den  obersten,  endlich  tadelt  er  namentlich  für  die  obersten 
classen  die  steckung  eines  falschen  ziels,  auf  welches  losgesteuert 
werden  müsse,  durch  das  reglement  des  maturitätsexamens. 

Bei  erörterung  dieser  puncte  verfällt  er  leider  in  denselben 
fehler,  der  uns  bei  so  vielen  expectorationen  von  nichtschulmännern 
über  die  überbürdung  der  schüler  und  über  die  nöthige  reform  des 
höheren  Schulwesens  so  unangenehm  berührt,  ja  zuweilen  geradezu 
entweder  mit  entrüstung  erfüllt  oder  zum  lachen  reizt,  ich  meine 
die  gar  nicht  zu  rechtfertigende  Verallgemeinerung  ganz  vereinzelter 
Vorkommnisse  oder  erfahrungen,  zum  teil  gar  solcher,  die  einer 
längst  überwundenen  Vergangenheit  angehören,  weil  früher  viel&ch 


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C.  Schmelser:  die  überbürdung  auf  den  höheren  lehraustalten.  435 

anfertignng  von  paradigmen  za  einübung  von  dedination  und  con- 
jugation  aufgegeben  wurde,  so  wird,  obwol  dies  von  den  behörden 
Ittngst  verboten  und  durch  directoren  und  lehr  er  in  den  meisteni 
wenn  nicht  in  allen  schulen  abgeschafft  worden ,  doch  immer  von 
neuem  dieses  verfahren  uns  vorgerückt,  als  ob  nichts  gesohehen 
wäre,  aber  der  hr.  verf.  begnügt  sich  damit  nicht,  sondern  welche 
last  von  Sünden  bürdet  er  z.  b.  den  sBmmtlichen  armen  lehrem  der 
sexta  und  damit  den  sämmtlichen  vorgesetzten  directoren  aaf  I  es 
hdsst  8.  17 :  ^sieh  dir  ein  solches  sextanerdiarium  an.  da  werden 
zamt  substantiva  decliniert,  lateinisch  und  deatsch ,  mit  den  toU 
ausgeschriebenen  namen  der  casus  daaso.  dann  kommen  snbstantiva 
in  verbindiing  mit  ac^ectiven  nsw.;  dann  werden  ganze  yerba  con- 
jngiert,  wieder  lateinisch  nnd  deutsch,  alle  Zeiten,  alle  modi  nnd 
alle  Personen,  selbst  das  paradigma,  welches  in  der  grammatik  des 
knaben  gedruckt  steht,  wird  nicht  yerschont;  ists  anch  nur  zur 
Btrsfe,  er  musz  es  abschreiben«  daneben  gehen  flbersetsongen  ans 
dm  deutschen  ins  lateinische  und  aus  dem  lateinischen  in  die 
mutlerspraehe.  dann  findest  du  kleine  ausarbeiiungen  aus  der  natur- 
gesohichte,  aus  der  geographie,  reehnungsan^aben  usw«  der  knabe 
onu»  es  aufgesdirieben  haben,  wie  vieler  staubftden  diese  oder  jene 
lianse  sich  erfreut;  erst  dann  hat  er  es  sicher  begriffen,  genug,  fast 
jede  leetion  will  hier  ihr  opfer  haben.'  —  Es  ist,  denke  ich,  eine 
&8t  nnverzdhliche  Ungerechtigkeit,  dies  alles  so  schlechthin  als 
einen  allgemeinen  fehler  der  schulen  hinzustellen,  was  vielleicht  auf 
der  einen  oder  andern  schule  teilweise  vorkommt,  vielleicht  nur 
m  einer  schule  abstrahiert  ist.  es  li^  nahe  zu  vermuten,  dasz 
diese  eine  die  von  dem  hm.  vf.  zunttchst  gekannte,  vielleicht  woton 
der,  wie  es  heiszt,  Pseudonyme  Verfasser  wirklich  ein  gymnasial- 
diraotc«  ist,  die  von  ihm  geleitete  sei,  wenn  es  nicht  dann  völlig 
merkUbrlich  bliebe,  warum  er  nicht  da  das  Übel  sofort  abgestellt 
bStte.  —  Auszerdem  wenn  er  zugibt,  dasz  ein  teil  der  eben  ge- 
ifigten  schreibearbeit  gar  nicht  zu  haus ,  sondern  in  der  schule  ge- 
fertigt wird,  so  dürfte  ihm  schwerlich  einzuräumen  sein,  dasz  da- 
dnreh  auch  die  häusliche  arbeit  vermehrt  werde,  dasz  'der  knabe 
dabei  in  der  classe  nicht  declinieren  und  conjugieren  lerne,  sondern 
es  daheim  lernen  müSüe'. 

Eine  womöglich  noch  weniger  gerechtfertigte  Verallgemeinerung 
irgend  welcher  einzelner  erfahrungen  und  eine  noch  maszlosere 
Übertreibung  findet  sich  in  der  schon  erwähnten  diatribe  über  die 
lebensbeschreibungen  der  abiturienten ,  die  bekanntlich  seit  1850 
nicht  mehr  notwendig  gefordert  werden  müssen,  es  ist  peinlich  zu 
BÄgen,  dasz  ich  nach  meiner  erfahrung  von  den  fünf  oder  sechs 
i>unkten,  die  hier  (s.  24  und  25)  gerügt  werden,  keinen  einzigen  als 
lichtig,  d.  h.  als  für  die  meisten,  die  gewöhnlichen  fälle  zutreffend 
'toerkennen  kann.  vf.  sagt,  die  directoren  würden  meist  von  dem 
schulrathe  bestimmt,  die  lebensbeschreibungen  doch  einzufordern; 
ich  musz  erklären,  dasz  ich  es  mit  verschiedenen  schulräthen  zu 


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436  C.  Schmelzer:  nie  überbürdimg  aai'  den  höheren  lebiausUlteOb 

thun  gehabt,  aber  von  einer  solchen  'bestimmimg'  durch  einen  der- 
selben nie  etwas  erfahren  habe,    sodann  heiszt  es:  'zunächst  &8zt 
sie  häufig  der  abiturient  nicht  selbst  ab*,   worauf  dieser  mir  völlig 
neue  Vorwurf  sich  gründet,  welches  motiv  ich  für  solches  thnnmir 
dtnken  sollte,  yermag  ich  nicht  zu  erkennen,    wenn  die  lebens- 
beschreibung  lateinisch  abgeÜEiszt  werden  mttste,  so  Hesze  sicbä 
gmnd  annehmen;  aber  dasz  ein  schttler  oder  Student  sich  eise 
deutsche  vita  doröh  einen  andern  madwn  1mm»  iffc  doch  nt  nlllltt^ 
lieh;  dasz  das  geschehen  Mi,  davon  erinnere  idi  mich  nie  das g^ 
lingate  gehört  zu  haben,  es  heiszt  weiter:  ^sodann spielte  ond  spielt 
andh  gegenwärtig  noch,  in  ihr  der  liebe  gott  eine  grosM  rolle,  der 
alle  jogendfehler,  die  ja  herzlich  bereut  werden,  verleihen  und  dem 
annen  sttnder  trotz  seiner  lOekenhaften  kenntnisse  aus  gnaden  durch 
dM  examen  helfen  soll     zweite  nnd  gröbste  lüge,  demnächst  wird 
der  eine  oder  andere  lehrer  gepriesen  —  dritte  Iflge.'  Dan  omnil 
ein  henohlerisoher  feigling  in  einer  vita  eine  fromme  miene  anneh- 
men und  mehr,  als  es  ihm  ums  herz  ist,  vom  lieben  gott  reden  mag, 
wer  kann  das  gans  in  abrede  stellen  wollen?  aber  wie  dürfen soldN 
gott  Mi  denk  —  gras  Mltene  fiüle  als  die  regel  dargestellt  wer- 
den? was  aber  dM  preisen  diesM  oder  jenes  lehrers  anlangt,  so 
kann  ich  bezeugen  —  allerdings  nicht  ans  lebensbeschreibungen  der 
abitorienten,  denn  solehe  lasse  ich  seit  vielen  jähren  nicht  machen, 
aber  ans  denen  Ton  nenen  nnd  alten  primanem,  die  ich  in  den 
lotsten  sehn  jähren  mehrmals  habe  maclien  lassen  nnd  Ar  die  doch 
wol  dasselbe  gelten  mn»,  wie  von  denn  der  alntnxientea  —  ich 
kann,  sage       beiengen,  dsM  die  sehlUer  nie  oder  üut  ins  i« 
einem  nodi  ra  der  sehnle  wirkenden  lehrsr  ein  wort  sagten,  wol 
aber  Uber  lehrer,  die  nicht  mehr  ra  der  sehnle  waren  —  veESfiorMDe 
oder  verMtite  —  sich  oft  mit  wannen  werten  wahrer  dankhaM 
bMonders  fOx  beilsame  strenge,  ausgesproehen  haben*  —  Ich  ttbr 
gebe  die  beiden  lotsten  anklagepnncte  gegen  dicM  lebensbesfltro* 
bnngen;  sie  sind  ganz  nnd  gar  nidit  besser  begründet  m  sngmig 
von  diesen  yerallgemeinernngen  nnd  Übertreibungen,  deren  ^ 
mehrere  an^seftthrt  werden  fsnnten  nnd  die  jom  so  bedenUkto 
sind,  als  sie  von  emem  Mbnlmanne,  einem  siichverstlndigen  ans* 
geben,  dem  die  Uden  nicht  bloss  die  Sachkenntnis,  aondm  wä 
billiglnit  in  der  benrteünng  zozutranen  ntttOrlioh  vorsogsweise  ge^ 
neigt  sind. 

WelohM  sind  aber  die  heilmittel,  die  empfohlen  werden?  ^ 
allen  dingen  fordert  der  werf.,  dem  mit  dm  gewohnten  bisherigeo 
r^giemngsverordnnngen  wenig  gedknt  ist,  freiheit  der  bewegungus^ 
zwar  zmiächst  fbndie  einzelnen  s^nlen,  d.  h.  doebwol  fBr  dielehi«' 
cdUegien  oder  viefanehr  für  die  directoren,  welche  die  schulen  leäea; 
denn  dafür  spricht  das  beispiel,  welches  er  anführt:  es  könnten ohM 
schadMi  einmal  an  einer  schule  in  prima  8  standen  wöchentlich  lateiit 
6  stunden  griechisch,  an  einer  andern  6  stunden  latein,  8  stim<iei 
grieddseh  sdn«   dabei  ist  zu  bemerken:  die  rechte  freiheit  derb^ 


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C  Schmelzer:  die  überbürdong  auf  den  höheren  lehrauBtalteu.  437 

wegung,  wenn  es  auf  diese  hauptsächlich  oder  allein  ankäme,  würde 
allerdings  erst  da  zu  finden  sein,  wo  jeder  College  in  seinem  fache 
machen  konnte,  was  er  wollte;  da  würde  sich  jede  kraft  am  schönsten 
ent&lten  und  sich  geltend  machen  können,  nur  gegen  die  tiberbürdung 
der  Schüler  würde  das  ein  sehr  bedenkliches  mittel  sein,  erfahrungs- 
mäszig  würden  die  lehrer,  je  tüchtiger  und  eifriger  sie  wären,  um  so 
mehr  ein  jeder  seinen  lehrgegenstand  geltend  machen  und  seine  for- 
derangen  für  denselben  immer  höher  zu  spannen  suchen  —  und  die 
Bchttler  würden  sich  kaum  lassen  können  allen  diesen  ansprüchen 
gegenüber.  —  Wohin  aber  die  gewährung  der  verlangten  freibeit 
der  bewegang  für  die  einzelnen  schulen  und  ihre  directoren  führen 
wflrde^  das  k(Huien  wir  directoren  uns  sehr  wol  vorstellen,  die  wir 
jtlur  ans  jabr  ein  bald  von  dieser,  bald  Yon  jener  schule  aus  dem 
Osten,  Westen,  süden,  norden  des  prenszieoheii  Staats  sohttler,  be- 
amten-  oder  ofßoierssöhne ,  zngefilhrt  bekommen  und  dabei  —  gaas 
abgesehen  von  der  bekannten  neueren  ministerialverfügung  —  um 
der  söhne ,  wie  mn  der  eitern  willen  dringend  wünschen  müssen, 
dasz  die  ersteren  in  dieselben  classen  bei  uns  passen,  wie  aof  den 
früheren  schulen,  da  alle  jähre  hunderte  und  tausende  von  beamten 
und  officieren  an  andere  orte  versetzt  und  ihre  stfhne  von  einer 
sdiule  auf  die  andere  zu  bringen  genöthigt  werden,  so  ist  doch  eine 
ganz  erhebliche  gleiefamtesigkeit  dieser  schulen  unbedingt  not> 
wendig,  was  nützt  es  nun  zu  angeblicher  beseitignng  der  über- 
bttrdung  der  sohttler  forderungen  su  stellen ;  deren  evfüllung  zu 
anderen  noch  schwerer  empfundenen  oder  noch  schwerer  su  besei- 
ügenden  ttbelsüaden  itthren  müsten?  —  Und  wenn  noch  jene  frei- 
hdt  der  bewegang  das  universalmittel  für  die  gymnasien  wSre,  das 
mit  andern  tt^ln  auch  der  ttbcrbOrdung  der  schlüer  abhelfen  kOnnte  I 
aber  daas  sie  dies  sei,  ist  in  der  tiiat  hier  durohans  nicht  nach^ 
gewiesen. 

Dann  wird  beschrftnkung  des  schreib-  und  lesewesens  empfoh- 
len (s.  62),  alferdings  nicht  bloss  deshalb,  damit  die  sohttler  mehr 
entlastet,  sondern  ttberhanpt  damit  der  gymnasialunterncht  Tir- 
bessert  und  frudhfbaier  gemacht  werde,  das  ist  dann  ein  sehr  ein- 
&dies  mittel  geg«n  flberlrilrdung,  wenn  man  elnfadi  die  schrift- 
lichen arbeiten  sum  grossen  teil  cassiert.  wie  weit  das  gehen  soll, 
ist  allerdings  nicht  durchaus  bestimmt  angegeben,  nur  die  deutschen 
aufrfttse  sollen  in  prima  und  wol  auch  in  den  Yorheigiehenden  classen 
snf  die  htifte  redueiert  werden  (s.  20  £),  —  eine  forderang,  mit 
der  diejenigen  sich  befreunden  inOgen,  die  so  gem  klagen ,  dass  die 
siodierande  und  die  studierte  jugend  nicht  m&r  so  wie  firtther  ver- 
stehe,  grtaete  stoffe  geschickt  darsustdlen.  ferner  sollen  in  seita 
die  diarien  abgeschafft  und  jede  hlusliche  arbeit  ausser  den  latm- 
nisohen  exercitien  und  im  sweiten  Semester  den  lateinisehen  präpa- 
rationen  verboten  werden,  hierzu  sei  bemerkt,  dasz  anf  mehreren 
schulen  auch  die  Isteinisdien  exercitia  im  ersten  semester  in  sexta 
beseitigt  sind  und  man  doch  ganz  gut  auskommt,  wie  aber  in  sexta 


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438  C.  Schmelzer :  die  überbürdung  auf  den  höheren  lehranstalten. 

und  überhaupt  in  den  unteren  classen  die  deutsche  rechtschreibung, 
das  Schönschreiben  und  das  rechnen  in  classen  von  50  bis  60  Schü- 
lern ohne  schriftliche  aufgaben  gehörig  einzuüben  möglich  sein  soll, 
das  gestehe  ich  nicht  recht  zu  fassen,  und  noch  weniger  verstehe 
ich,  wie  bei  einer  mäszigen  anwendung  solcher  aufgaben  irgend  eine 
tiberbürdung  der  schüler  entstehen  soll;  denn  wenn  diese  davon  und 
von  den  mündlichen  aufgaben  täglich  eine  stunde  arbeit  haben,  so 
ist  das  keine  überbürdung.  überhaupt  aber  ist  in  des  verf.  eifern 
gegen  die  schriftlichen  arbeiten  und  gegen  ihre  bevorzugung  nicht 
einzustimmen,  man  musz  gewis  zugeben,  dasz  die  jungen  gymna- 
siallehrer  ohne  gehörige  methodische  Vorbildung  in  das  amt  zu  kom- 
men pflegen,  auch  wol,  dasz  viele  lehrer  auch  später  zu  einer  recht 
guten  methode  es  nicht  bringen;  und  noch  gewisser  ist,  dasz  viele 
lehrer,  auch  die  sich  vielleicht  nach  und  nach  eine  befriedigende 
raethode  angeeignet  haben ,  jener  frische  und  lebhaftigkeit  des  Vor- 
trags und  überhaupt  des  mündlichen  Verkehrs  ermangeln,  welche 
die  schüler  zu  fesseln,  vielleicht  mit  fortzureiszen  vermag,  aber 
ebenso  gewis  ist,  daas  eine  tagend  im  lehrerstaode  sehr  allgemein 
ist  und  ihm  zu  groaier  zierde  gmioht:  das  ist  die  gewissenhaftigkeit 
und  der  unverdrossene  fleiss.  angesichts  dieser  thatsachen  scheint 
es  mir  verkehrt  beim  höheren  nnterricht  allen  nadidmck  auf  den 
mündlichen  Yortrag  und  verkehr  mit  den  schülem  sa  legen ,  in 
welchem  immer  nur  die  dafür  begabtem  lehrer  etwas  rechtes  leisten 
werden ,  and  die  schriftlichen  arbeiten  gans  oder  zum  groszen  tnl 
abschaffen  zu  wollen,  bei  deren  correctur  aach  die  schwächeren 
lehrer  in  treuester  mühevollster  arbeit  das  zu  einem  guten  teile 
nachzuholen  und  einzubringen  vermögen ,  was  sie  beim  mündlichen 
verkehr  nicht  leisten,  (aas  ähnlichen  gründen  ist  natürlich  an<di  die 
empfohlene  beseitigong  aUer  lehrbttcher  einfach  zu  verweisen.)  — 
Ich  unterlasse  es  andere  grttnde  gegen  diese  Vorschläge  des  ver^ 
vorzubringen  und  will  nnr  noch  an  Jean  Pauls  wort  erinnern,  dasi 
ein  mensdh  mit  mehr  gewinn  ein  halbes  jähr  sdireibe,  als  swanng 
jähre  lese. 

Damit  aber  die  beschrttnkung  des  Schreibens  and  lesens  and 
die  abschaffong  der  lehrbttdier  dJuAgMai  werden  könne,  sagt  der 
verf*  konweg :  *man  stecke  doch  lieber  das  ziel  n&her  and  beschrBnke 
das  p6nsam^  das  heist  doch  wol  nichts  anderes,  ak  man  setze  die 
anforderangen  des  gymnasiams  herab,  denn  wenn  in  den  einzelnen 
classen  das  pensam  beschrSnkt  wird,  so  sinkt  natttrlich  das  ziel  der 
ganzen  schide;  sonst  mttste  die  zahl  der  classen  and  die  daaer  der 
Schulzeit  erhöht  werden,  davon  ist  aber  hier  nicht  im  geringsten  die 
rede.  ^  gegen  eine  herabsetzang  des  ziels  unserer  gymnasial  ist  nun 
wol  nicht  nötig  heute  aiQdi  nur  ein  wort  zu  sagen,  —  heute,  wo  die 
weit,  die  bildong,  die  Wissenschaft  mit  meilenstiefeln  fortsdireiten. 

Es  hangt  ttbrigens  hiermit  die  letzte  hauptforderung  des  ver£ 
zusammen,  er  verlangt  gänsliche  Umgestaltung  des  aifaiturienften' 
ezamens.  nicht  allein  das  griechische  und  französische  seriptum 


C.  Schmelzer :  die  überbürdung  auf  den  höheren  lebrauätalten.  439 

und  der  lateinische  aufaatz  sollen  aus  demselben  wegfallen  (wie  das 
experiment  in  den  reichslanden  bereits  gemacht  wird,  hoffentlich 
eben  nur  experiment  oder  Übergangsstufe),  sondern  auch  die  münd- 
liche Prüfung  in  rcligion,  in  geschichte,  ja  über  Homer  und  Hora- 
tius,  wogegen  die  deutsche  literatur  eintreten  soll,  man  vergegen- 
wärtige sich,  was  dann  bleibt !  für  die  schriftliche  prüfung  dreierlei : 
das  lateinische  scriptum,  die  mathematische  arbeit,  der  deutsche 
aufsatz;  für  die  mündliche  vier  gegenstände:  deutsche  literatur- 
geschichte,  mathematik,  lateinische  prosaiker,  griechische  prosaiker 
oder  tragiker,  doch  sollen  in  diesen  fremden  sprachen  nur  bereits 
gelesene  stücke  gegenständ  der  prüfung  sein  können.  —  wenn  längst 
manche  schulmänner,  wie  der  treffliche  Schmidt  in  Wittenberg,  die 
abschaffung  des  abiturientenexamens  überhaupt  gewünscht  haben, 
so  kann  man  sich  in  solche  denkweise,  auch  wenn  man  sie  nicht 
teilt,  doch  hineinversetzen;  aber  was  ein  so  verkürztes  und  ver- 
kümmertes ding  von  examen ,  wie  der  verf.  will ,  noch  helfen  soll, 
das  ist  schwer  abzusehen,  den  doppelten  hauptgewinn,  den  unser 
examen  jetzt  noch  bringen  kann  und  bringt:  dasz  die  schüler  noch 
einmal  alles  oder  doch  das  wichtigste  von  dem  früher  gelernten 
wiederholen  und  dasz  alle,  auch  die  matten,  auch  die  etwa  leicht- 
sinnigeren begabten  einmal  eine  zeit  lang  recht  tüchtig,  ernst  und 
straff  arbeiten  (wie  mancher  hat  schon  hinterher  sich  gefreut  dies 
bei  dieser  gelegenheit  wenigstens  gelernt  zu  haben !),  diesen  gewinn 
wird  des  verf.  examen  nicht  gewähren  können,  ob  die  etwas  aus- 
gedehntere beschäftigung  mit  der  deutschen  literatur,  deren  angeb- 
liche bisherige  Vernachlässigung  der  verf.  ebenso  maszlos  übertreibt, 
wie  nur  irgend  etwas,  die  panacee  ist,  die  allen  schaden  gnt  macht, 
will  ich  andern  tu  beurteilen  überlassen. 

In  dem  fOnften  briefe  spricht  der  verf.  yon  der  überbürdung 
<^ler  lehr  er,  auch  hier  über  die  gebühr  hinaus  übertreibend;  ich 
wenigstens  habe  noch  nie  gehört,  dasz  ein  wissenschaftlich  gebil- 
deter gymnasiallehrer  24  wöchentliche  lehrstunden  bei  gefüllten 
classen  und  sechs  wöchentliche  correcturen  gehabt  hätte ;  ich  kann 
auch  kanm  glanben,  dasz  ein  director  so  verkehrt  ^  ja  so  pflicht- 
vergessen gewesen  sein  oder  noch  sein  sollte  einen  collegen  so  über- 
inäszig  zu  belasten,  es  sei  denn  etwa  in  einem  vereinzelten  falle 
einer  für  kürzere  zeit  nötig  gewordenen  Vertretung,  sonst  enthält 
^iem  abschnitt  des  wahren  genug  und  möchte  wol  manches  darin 
gesagte  mehr  berücksichtigt  werden. 

Ob  das  ganze  schiiftohen,  in  welchem  auch  auszerdem  manches 
einzahle  beherzigenswerte  sich  findet,  wdthtttig  zu  wirken  im  stände 
sein  wird?  idi  bezweifle  es. 

BIN  aTMHASIALDIBBOTOB. 


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440         C,  Aiexi:  das  höhere  unterrichUwesen  in  FraUMU 


47. 

DAS  h5hBRB  UirraBBIOHTSWBBBM  IN  PBBU8ZEN.  DIE  INNEREN  WIDEB 
SPRÜOBB  IN  DBB  JBT2IOBN  OBOAMISATIOH  DBBSELfiEN  UND  DEREN 
BBSBITIOUKG  DDBOB  DAS  Zü  BBWABTBKDB  TOITERRICHTSGESETZ 
VON  0.  ALBZI,  CONRECTOB  DES  KAISERL.  LYCEÜMS  Zü  COLMIE 

m  BLSASs.  Gfitenloli,  druck  und  vezlag  yon  C.  Beitelsmiim  1911. 

Diese  broschüre  unterscheidet  sich  von  den  vielen  über  den- 
selben  gegenständ  handelnden  scbriften  dadurch  sehr  vorteiM, 
dasz  sie  auf  kurzem  räume  ziemlich  alle  das  interesse  der  schulwelt 
und  des  publicums  in  ansprach  nehmenden  puncte  behandelt  —  md 
«war  in  einem  solchen  geiste  und  solcher  form,  dasz  man  auf  den 
ersten  blick  die  arbeit  eines  praktischen  schulmannes  erkennt,  der 
nicht  nur  eine  genaue  kenntnis  des  preuszischen  Schulwesens  besitzt, 
sondern  auch,  wie  es  scheint,  aus  den  mancherlei  versuchen,  die 
auf  dem  gebiete  des  höheren  Schulwesens  im  reichslande  gemack 
worden  sind,  sowie  aus  den  französischen  schulverhältnissen ,  über 
die  der  verf.  auch  bereits  geschrieben  (Alexi,  beitrage  zur  sclral- 
frage  im  alten  und  neuen  reich ,  Colmar  und  ^fetz  bei  Lang  ui 
Besch  1872)  seine  erfahrungen  gezogen  hat  angenehm  fällt  die 
wärme  und  tiberjengungstreue  auf,  mit  welcher  der  verf.  seine  aa- 
sichten  vorträgt,  und  wenn  man  auch  seinen  positiv  christliclieB 
standpunct  nicht  teilt,  so  ersieht  man  doch  einerseits  leicht,  dasi 
dieser  bei  ihm  nicht  Uo»  ein  anerzogener  und  angewöhnter,  son- 
dern das  resultat  seines  eigenen  denkens  und  seiner  bekanntsduit 
mit  allen  gebieten  des  modernen  wissens  ist,  anderseits  aber  wird 
man  um  so  weniger  der  Temiehtenden  kxitik  mistrauen  dürfen,  die 
das  Wiesesche  System  gerade  Tcm  dieser  seiie  erfahren  hat.  beson- 
ders aber  mttssen  wir,  so  wenig  wir  uns  in  xeligiös-kirchhcher  lun- 
sioht  theoretisch  mit  dem  ver&sser  eins  wisssii  und  so  wenig  vif 
uns  mit  yersdhiedenen  einsehien  gerade  aus  diesem  seinem  stana- 
pnnkt  gezogenen  Schlüssen  einverstanden  erklären  können,  dodi 
seine  deduction  über  die  rmlisiemBg  desideals  der  schule  fßr  unsere 
zeit  als  besonders  gelungen  ansehen,  er  sagt  s.  15  £ :  'die  nator- 
Wissenschaft  stellt  den  satz  auf,  dasz  jeder  einzelne  mensch  in  seiner 
persönlichen  entwickelnng  (ontogenie)  den  entwickelungsgang  der 
gesammten  reihe  der  orgaaiscimi  stufen  (phylogenie)  dnrchznm<^ 
habe,  ich  führe  diesen  sats,  dessen  richtigkeit  mir  zu  beweise! 
nicht  obliegt,  nm  deswillen  an,  weil  ich  dea  emwand  der  anbSog«' 
der  sog.  ezaoten  Wissenschaften  gegsn  mnne  argiimentation8D^<j^ 
von  yoxn  herein  abschneidMi  möchte  und  idi  mich  für  eine 
deren  Wahrheit  mir  zwar  auf  einem  anderen  wege  einleoflbt^^^ 
worden  ist,  anch  der  beweisformen  zu  bedienen  nicht  verschmSo^ 
will,  in  welchen  diese  dasse  von  denkem  heimisch  ist 
prindp  der  natondssensdiaftai,  auf  die  geistige  seite  des  mensf  ^ 
angewendet,  würde  lauten:  der  einzcdne  mensch  mm  io 
indiTiduellen  ausbildung  (ontogenie)  den  ganzen  weg  zorttckl^ 


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C.  Alezi:  das  höhere  unterrichtswesen  in  Preuazen.  441 


welchen  die  gesammte  menschheit  von  a  bis  z,  d.  h.  bis  auf  den 
heutigen  tag  zurückgelegt  hat  (phylogenie).  hierdurch  wäre  gleich- 
zeitig bedingt,  dasz  wir  auf  unseren  schulen  alle  entwickelungs- 
stadien  der  menschheit  zu  wiederholen  hätten',  ist  dies  richtig,  so 
folgt  zwar  noch  nicht ,  wie  der  verf.  will ,  dasz  das  Christentum  als 
die  letzte  entwickelungsstufe  in  der  schule  die  hauptsächlichste  be- 
rücksichtigung  zu  finden  hätte  —  denn  die  universelle  riohtung  des 
modernen  geistes  ist  gerade  jetzt  in  directen  gegensatz  zum  posi- 
tiven Christentum  getreten  —  wol  aber,  und  darauf  kommt  es  uns 
mit  dem  verf.  hauptsfioblich  an,  dasz  die  antik-classische  bildung 
zwar  ein  notwendiges  aber  nicht  das  einzige  glied  in  der  mensch- 
lichen entwickelung  ist  und  dasz  auch  die  folgenden  entwickelungs- 
stnfen,  namentlich  der  culturinhalt  der  ohristUch-germanischen  weit 
des  mittelalters  grtaere  berttcksichtigong  verdienen,  so  sehr  sich 
nun  der  verf.  in  bezug  auf  den  grnndcharakter  der  schale  eins  fiCUilt 
mit  Wiese,  so  sehr  unterscheidet  er  sich  von  ihm  in  der  concreten 
dnrchrührung  desselben,  er  verurteilt  die  resultate  der  bisherigen 
Organisation  ziemlieh  scharf,  er  findet,  dasz  *in  der  speciellen  durch- 
ftihrung  des  höheren  Schulwesens  wesentliche  und  entscheidende 
misgriffe  gethan  worden  sein  müssen,  weil  der  durchschnitt  der  auf 
den  höheren  schulen  und  den  universitftten  gebildeten  mSnner  in 
inteUectneller  beziehung,  bei  oft  enormen  kenntnisseil,  dennoch  in 
seiner  mehrsahl  den  endsweck  alles  Wissens  so  schief  aufifosse  und 
in  seinem  gemlltsleben  wie  im  Charakter  vielfiu$h  hinter  den  froren 
gomtionen,  die  sich  unserer  bildungsmittel  nicht  erfipenten,  zurück- 
geblieben sei.*  interessant  ist  der  nachweis  des  verf.,  dasz  die  preu- 
szisehe  nnterrichtsyerwaltong,  das  ziel,  das  sie  sich  gesteckt,  nem- 
fich  durch  den  christlichen  geist  der  schule  in  staaüicher  hinsieht 
dem  geiste  der  rerolution  entgegen  zu  arbeiten  und  den  sinn  fCbr  die 
jiistorischen  erworbenen  rechte  in  der  jugend  wieder  zu  wecken  und 
in  nationaler  hinsieht  das  eigenartige  deutsche  wesen  von  den  aus- 
ländischen beimischungen  zu  reinigen,  durchaus  nicht  erreicht  habe, 
oehabe  sich  in  der  wähl  der  mittel  gewaltig  geirrt,  sie  habe,  statt 
^e  lebendig  christliche  und  ausgeprägt  nationale  bildung  zu  schaf- 
fen, vielfach  das  gegenteil  erzeugt,  nemlich  ebne  materialistische  und 
negieroide  zeitrichtung ;  sie  habe,  anstatt  Charaktere  und  klare  kOpfe 
sn  erziehen,  zum  teil  ein  geschlecht  herangebildet,  das  im  puncto 
der  moral  lax  und  in  der  erkenntnisz  unklar  sei.  endlich  habe  sie 
nch  der  tSuschung  hingegeben,  dasz  der  lehrkörper  ein  willenloses 
Werkzeug  sei,  dem  der  geist  reglementmäszig  vorgeschrieben  wer- 
den k0nne.  und  das  habe  sich  furchtbar  gerächt,  weit  entfernt  von 
dem  christlichen  geiste  durchdrungen  zu  werden,  würden  die  schtiler 
nicht  einmal  mit  den  rudere  der  christlichen  culturelemente  vertraut, 
nnd  was.  den  eigentlichen  religionsunterricht  anbelange ,  so  sei  man 
nioht  dazu  gelangt,  die  christliche  religion  der  sonstigen  bildungs- 
stofe  der  schtiler  angemessen  zu  behandeln  und  schon  hier  der  ab- 
inrung  vorzubeugen,  in  welche  unsere  zeit  gerathen  sei,  religion 

N.  Jahrb.  f.  phiU  a.  päd.  U,  abU  1S7S.  h(U  9,  29 


442         C.  Alexi:  das  höhere  unterrichteweseu  in  Prcuszen. 

und  Wissenschaft  als  feindliche  gegensätze  zu  behandeln,  die  fragen, 
welche  der  natürliche  verstand  stelle,  seien  unheant wertet  geblieben; 
an  stelle  der  schule  spreche  Rom  und  der  von  jeder  auctorität  sich 
losreiszende  subjectivismus.  man  sieht,  der  verf.  geht  dem  Wiese- 
schen Systeme  von  dessen  eigenem  standpunct«  aus  scharf  zu  leibe, 
indem  er  den  nachweis  erbringt,  dasz  dasselbe,  um  seine  ziele  zu  er- 
reichen, mit  grundfalschen  mittcln  operiert  habe,  dabei  zeigt  aber 
der  verf.  auch  zugleich,  dasz  im  grund  genommen  sein  cbri>tliclier 
standpunct  durchaus  nicht  jener  engherzige  des  alten  dogmatismus 
ist,  sondern  dasz  er  jenes  Christentum  im  auge  hat,  das  mit  den  mo- 
dernen culturideen  und  dem  logischen  bedürfnisse  des  menschen 
versöhnt  werden  soll,  auf  diesem  letzteren  standpunct  wird  nun  un- 
serer ansieht  nach  die  schule,  wie  weit  die  akademische  Wissenschaft 
in  der  philosophiaoben  formnlierung  der  ethischen  grundwahrbeiten 
auch  gehen  mag,  vorläufig  noch  lange  stehen  bleiben  müssen,  weil 
ja  doch  dem  kindlichen  gemttte  auf  der  untersten  alterstofe  gemse 
Wahrheiten  und  Anforderungen  der  moral  sich  nur  in  greifbami, 
dem  jugendlichen  verstände  faszbaren  formen  beibringen  lassen 
und  es  unmöglich  ist  von  dieser  dogmatisohen  form  ohne  Termittlimg 
zur  reinen  abetraction  hinüber  zu  springen ,  und  weil  es  überhanpi 
die  historische  continuitftt  nicht  gestattet,  mit  der  TergangeBbsit 
und  ihren  ideen  mit  einem  male  abzubrechen,  gibt  man  dies  zn,  so 
wird  man  selbst  von  nicht  kirchlichem  standpunct  ans  d«D 
Schüler  die  einsieht  in  das  Christentum  in  umfangreicherem  masze 
bieten  müssen,  um  ihm  den  Übergang  zu  einem  reiferen  denken,  das 
such  der  verf.  will,  zu  erleichtem. 

Alexi  will,  getreu  seinem  principe,  dasz  die  entwickelung  des 
einzelnen,  d.h.  hier  des  schülers  eine  Wiederholung  des  ganzen  Mflitt> 
ganges  der  menscbheit  in  der  yorstellung  sein  soll,  nicht  bloez 
das  antik- classiscfae  dement,  das  sieb  naeh  demselben  prindpals 
notwendig  ergibt,  Tertreten  wissen,  sondern  es  soll  ebenso  die  christ- 
liche entwiokelungsperiode  der  menscbheit  in  dss  bewusstsein  asf- 
genommen  werden,  wir  geben  bierin  dem  Terf.  nicht  unrecht,  nur 
glaub«!  wir,  dasz  aus  demselben  prindp  sich  mit  notwendigkeit  aodi 
die  fordemng  ergibt,  die  ermngenschaAen  dw  modernen  ideen  nicht 
weniger  ausgibig  der  Jugend  zum  bewusztsdn  zu  bringen  oder  we- 
nigstens in  einer  weise  Torzubereiten,  dasz  der  libergang  zur  hoch- 
s<£ule  nicht  allzusohroflf  sich  ▼ollslebe. 

Der  Ycrf.  will  aber  die  jetzige  schule  nicht  bloss  negiereD,  er 
will  auch  positiy  aufbauen,  seine  oiganisation  besteht  kiurs  in  fol- 
gendem, die  schule  besteht  aus  einem  untergymnasium  ssd 
einem  obergymnasium.  das  untergymnasium  reicht  bis  ober- 
secunda  einschliesslich  naeh  deren  absolvierung  der  sckder 
ein  ezafmen  in  aller  form  ablegen  musz,  welches  Ton  den  lehren 
der  obersecunda  unter  yorsitB  des  directors  abgehalten  wird  und  über 
das  ein  f^Srmlicbes  aeugnisz  ausgestellt  wird,  welches  gewisse  staat- 
liche berechtigungen  ertheilt,  &lls  der  schfller  die  anstalt  yerlasaes 


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G.  Alexi:  das  höhere  unterrichtswesen  in  PreusseiL  443 

will,  trotz  der  verringerten  Stundenzahl  hofft  der  verf.  von  der  von 
ihm  vorgeschlagenen  methode ,  dasz  sie  den  schüler  in  stand  setzen 
werde  nicht  nur  ebenso  brauchbare  positive  kenntaisse  sich  zu  er- 
werben, sondern  sogar  mehr  wesentliches  und  dieses  gründlich  sich 
zu  eigen  zu  machen,  die  Verbesserung  der  methode  soll  zunächst  be- 
stehen in  einer  energischeren  Übung  und  anstrengung  des  gedöcht- 
nisses  auf  der  Unterstufe,  auf  der  das  judiciöse  verfahren  noch  aus- 
zuschlieszen  ist,  vrodurch  eine  gröszere  Sicherheit  in  allen  gedächt- 
niszmäszig  anzueignenden  dingen  wie  formenlehre  u.  dergl.  sich  er- 
zielen lasse,  damit  hängt  dann  zusammen,  dasz  umgekehrt  mit  den- 
jenigen gegenständen,  die  Judicium  erfordern ,  wie  z.  b.  planimetrie 
und  algebra  nicht  zu  früh  begonnen  werde,  femer  sollen  bämmtliche 
wissenschaftliche  Unterrichtsstunden,  die  die  zahl  24  in  der  woche 
nicht  überschreiten  dürfen,  auf  die  Vormittage  verlegt  werden,  wäh- 
rend nur  die  sogenannten  technischen  stunden  auf  die  nachmittage 
fallen  sollen,  da  beim  wissenschaftlichen  nachmittagsunterricht  im 
winter  nicht  viel,  im  sommer  so  gut  wie  nichts  herauskomme,  eine 
wesentliche  erleichterung  ferner  findet  Alexi  in  der  einfUhruug  von 
halbjährigen  grammatischen  pensen ,  sowie  in  der  zweckmäszigeren 
Verteilung  der  lehrstunden  auf  die  einzelnen  tage,  indem  mehr  die 
verwandten  gegenstände  einander  folgen  sollen,  und  in  der  einrich- 
tung,  dasz  in  einer  und  derselben  classe  möglichst  wenig  lehrer 
unterrichten,  schlieszlich  soll  immer  nur  ein  autor  und  nicht  mehrere 
zu  gleicher  zeit  gelesen  werden,  weil  dadurch  der  schüler  etwas  ab- 
geschlossenes erhalte  und  nicht  gezwungen  werde ,  sich  zu  gleicher 
zeit  fUr  vielerlei  za  interessieren  und  sich  so  eine  geistige  zerfahren* 
heit  anzuerziehen,  ist  nun  auf  diese  weise  die  systematisch  -  gram- 
matische büdung  in  latein,  griechisch,  franzOdisch  abgeschlossen, 
die  planimetrie  und  algebra  incl.  der  gleichongen  höheren  grades 
darchgenommen,  die  besten  autoren  so  gelesen,  dasz  der  schüler 
einen  genusz  am  Inhalte  haben  kann,  erstreckt  sich  die  geschichts- 
isenntnis  desselben  über  das  gesammte  gebiet  des  altertums  und  die 
vaterländische  Vergangenheit,  ist  das  gedächtnis  und  die  phantasie 
geübt  und  die  denkkraft  geschult  —  dann  ist  die  bildung  bis  zu  dem 
grade  erzielt,  dasz  sie  nun  auf  die  probe  gestellt  werden  kann,  diese 
probe  soll  nun  im  obergymnasinm  (prima)  abgelegt  werden, 
dieses  obergymnasinmserMlt  aber  in  zwei  cöten,  einen  gym- 
nasial- und  einen  realcOtns.  der  gymnasialcötus  erhält  2  stun- 
den deutsch  (insbes.  alt-  nnd  mittelhochdentsch),  4  stunden  lateinisch 
und  4  stunden  griediisch,  zusammen  10  stunden,  der  realcötos  statt 
dessen  4  stunden  mathematik,  4  stunden  natnrwissenschaften  und 

2  stunden  geographie,  also  ebenfolls  10  standen,  dazu  kommen  10 
stunden  fOa  beide  oöten,  in  denen  sie  gemeinsam  unterriebtet  wer^ 
den,  d.  h.  5  stunden  gesduchte  inel.  cultur-  und  religionogeschichte, 

3  stunden  neuere  Uterator  des  deutschen  Tolkes  mit  berttoUchtigung 
der  wichtigsten  erzeugnisse  der  literatur  der  fremden  y01ker,  inso- 
wdt  dieselben  auf  die  deutsche  literatur  bezug  haben  und  2  stundoi 

29» 


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444         C.  Alexi:  das  höhere  unterrichtswesen  in  Preoftzen. 

philosophische  Propädeutik  (psychologie,  logik  und  geschiebte  der 
Philosophie),  neuere  sprachen  sind  in  prima  facultativ.  im  einzelnen 
heben  wir  noch  hervor,  dasz  der  verf.  den  lateinischen  aufs  atz 
gänzlich  abgeschafft  und  den  deutschen  in  der  form  wenigstens, 
wie  er  jetzt  besteht,  beseitigt  wissen  will  die  bisherige  form  des 
letzteren  gehe  einesteils  meistens  über  den  horizont  des  Schülers, 
anderesteils  werde  ihm  durch  dieselbe  der  geist  der  lüge  eindressiert 
und  die  Selbständigkeit  systematisch  ertödtet.  der  verf.  sieht  also  in 
Übereinstimmung  mit  C.  Peter  den  jetzigen  deutschen  aufsatz  als 
'eine  Übung  in  der  sophistik'  an.  ^weil  dies  in  deutscher 
Sprache  geschieht,  so  gibt  man  der  ganzen  sache  die  harmlose be- 
Zeichnung :  deutscher  aufsatz.'  Alexi  will  aber  keineswegs  die  scbrift- 
Heben  arbeiten  verbannen,  im  gegenteil,  er  will,  dasz  in  allen 
gegttnst&nden  schriftliche  arbeiten  gemacht  werden,  natürlich  unter 
aufsieht  des  fscblehrers.  das  habe  vor  der  jetzigen  bebandluog  den 
▼onag,  dasz  der  sachliche  inhalt  Ton  einem  facbmanne  durchgenom- 
men und  beurteilt  werde,  wfthrend  jetzt  der  lebrer  des  deutschen  de 
Omnibus  rebus  et  quibusdam  aliis  unterrichtet  sein  und  schraiben 
lassen  müsse. 

Besonders  warm  tritt  der  verf.  für  den  lehrerstand  ein.  er  ver- 
langt viel  von  ihm ,  namentlich  auch  hinsichtlich  seiner  ansbildimg, 
in  welcher  beziehung  besonders  sein  Vorschlag  betreffs  der  erricbtnng 
yon  seminargjmnasien  zu  beachten  ist.  darunter  versteht  er 
bestimmte  gymnasien,  womöglich  in  der  proTinzialhauptstadt,  an 
welche  die  besten  lehrkrttfte  berufen  werden,  an  diesen  haben  die 
probeesndidaten  nicht  nur  unter  der  leitung  des  directora  oder  eines 
lehrers,  dem  sie  aggregiert  nnd,  bestindig  zu  hospitieren,  sondern 
aueh  wie  in  elementarlehrerseminarien  die  lectionen  sohrifllich  m 
zuarbeiten  und  auszor  dieser  praktischen  Schulung  theoretische  an- 
leitung  in  pSdagogik  und  methodik  zu  empfsngen.  entsprechend 
den  grosseren  anfordorungen  will  aber  auch  Alexi  den  stand  gehobes 
wissen,  einmal  durdi  errichtnng  eines  ehrenraths,  der  in  tim- 
lieber  weise  wie  derjenige  der  preuszischen  reohtsanwftlte  die  ehren- 
Sachen  des  Standes  wahrzunehmen  hfttte,  ferner  durch  genaue  fine- 
rung  der  rediie  des  lehrereollegiums  gegenfiber  dem  däector,  sowie 
der  befugnisse  des  directors  innerhalb  des  collegioms  und  gegenüber 
der  Yorgesetsten  behOrde,  durch  absehaffung  der  sog.  revision  der 
abiturientenarbeiten  durch  die  *  wissenschaftliehen  prOfiEmgsconua- 
sionen*  und  die  entlastnng  des  directors  von  administrationsgescbSf- 
ten.  diese  ebenso  kurz  wie  trefllmd  entwickelten  TorsdilSge  ^ 
yerfl  verdienen  besonders  beachtet  zu  werden. 

Am  Schlüsse  entwickelt  Alexi  seine  yorsehlSge  zn  einem  neoes 
bereöhtigungswesen,  wobei  namentlich  der  von  ihm  gemachte  mtov 
schied  Yon  freiwiUigen  I  und  II  classe  berücksichtigung  verdiesi 
danadi  berechtigt  absolvierte  obertertia  zwar  zum  eintritt  in  die 
armee  als  einjähriger  freiwilliger,  aber  diese  freiwilligen  sind  mm 
reserre*  (landwehr-)  officierexamen  nicht  zuzulassen,   die  berechti- 


Klopttockiana. 


445 


gaog  der  Zulassung  zum  reserreoffioierexameii  ist  nur  auf  grund 
eines  Zeugnisses  des  bestandenen  formellen  ezamens  naoh  absoMer- 
tem  Untergymnasium  (obersecunda)  zu  erhalten. 

Es  würde  Uber  den  rahmen  eines  solchen  artJkels  weit  hinaus* 
gehen,  wenn  ieh  alle  die  genannten  yorschlSge  einer  eingehenden 
kritik  unterziehen  wollte,  wenn  man  auch  die  gegenwBrtigen  schul- 
mstSnde  nicht  ganz  so  schlimm  finden  mag,  wie  sie  der  verf.  im 
ersten  teile  seiner  schrift  dargestellt,  so  mnsz  man  ihm  doch  in  einer 
reihe  yon  einzelnen  punoten  entschieden  recht  geben  und  was  seine 
positiTen  vorschlBge  anbelangt,  so  enthalten  sie  nicht  nur  so  viel 
des  neuen  und  beachtenswertiien,  sondern  sind  auch  durchgehende 
in  einer  so  einleuchtenden  und  scharfen  beweisfOLhrung  begründet, 
dasz  man  eine  eingehendere  Würdigung  derselben  wol  kaum  wird  ab- 
weisen können« 

MÜLHAUSBH  IM  ElSASZ.  M.  ZCXLIiBR. 


48. 

ELOPSTOCEIANA. 


Wie  sich  das  leben  Klopstocks  in  drei  perioden  gliedert,  so 
können  wir  auch  drei  freundeskreise,  die  sich  um  ihn  bilden ,  unter- 
scheiden, den  Halberstädter,  den  Kopenhagener  und  den  Hamburger. 

Verweilen  wir  zunächst  bei  dem  ersten,  als  dessen  mittelpunct 
wir  Gleim,  den  begeisterten  freund  der  dichter  und  —  dichterlinge, 
bezeichnen  dürfen. 

Im  mai  1750  gab  Klopstock  seine  bauslehrerstelle  in  Langen- 
salza auf,  noch  unentschlossen ,  olj  er  zu  Bodmer  oder  zum  grafen 
Bernstorf  gehen  sollte,  er  wandte  sich  zunächst  nach  Quedlinburg, 
nm  bei  seinen  eitern  einige  tage  zu  verweilen,  in  Halberstadt  lernte 
er  Gleim  kennen,  mit  dem  er  ein  inniges  freundschaftsbündnis 
schlosz.  es  eröffnete  sich  für  ihn  durch  Gleim  eine  aussieht  auf  eine 
stelle  am  carolinum  in  Braunschweig,  die  ihm  Jerusalem  anbot,  er 
entschied  sich  jedoch  für  Bodmer.  Gleim  nahm  ihn  am  ende  der 
ersten  juliwoche  nach  Magdeburg,  wo  sie  bei  einem  kaufmann  ßach- 
mann  abstiegen,  hier  verlebte  man  auf  der  glücklichen  insel,  dem 
sog.  Elbwerder,  herrliche  tage,  ein  brief  Klopstocks  an  Fanny  vom 
10  und  11  juU  gibt  uns  von  diesem  auf  enthalt  eine  ausführliche 
beschreibung. 

lieber  den  kaufmann  Bachmann  in  Magdeburg  ist  bis  jetzt 
nichts  weiter  bekannt,  als  dasz  er  ein  reicher  und  gebildeter  mann 
^ar.  so  nennen  ihn  Gruber,  Paldamus,  Klamer  Schmidt,  Schäfer, 
Lappenberg.  Klopstock  selbst  bezeichnet  ihn  in  dem  eben  genann- 
ten briefe  als  einen  'kenner  der  religion,  der  naturlehre  und  der 
schönen  wiasenfichaAen,  von  dem  man  im  eigentlichen  yerstande 


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446 


sagen  kann,  disz  die  redliohkeit  auf  seine  etim  geschrieben  m»* 
Gleim  nennt  ilm  in  einem  briefe  an  Schlicbtegroll  *gelelirter  als 
Magdeburg;^  (gelehrte.*  Baohmaan  selbst  war  mit  Elopatock  nicht 
befreundet,  sondern  der  dichter  kam  durch  Gleim  in  das  Bachmann* 
sehe  bans,  in  welchem  Snlser  als  lehrer  der  beiden  s0hne  Bachmaons 
lebte,  Bacbmann,  1706  zu  Magdeburg  geboren,  gehSrte  zu  der 
Pfttzer  colonie,  welche  durch  das  gnadenedict  des  hochherzigen  kor* 
forsten  von  Brandenburg  Friedrich  m  Tom  25  mai  1689  die  er- 
laubnis  erhielt  sich  in  Magdeburg  anzusiedeln,  er  besuchte  die 
Friedrichsschule,  eine  Stiftung  des  ersten  kOnigsYonPlrenszen,  welche 
sich  unter  der  leitnng  des  gelehrten  rectors  Georg  Herzog  befand, 
und  legte  hier  den  gmnd  zu  seiner  büdung,  die  er  später  durdi  ein 
fortgesetztes  Studium  der  altdassischen,  sowie  der  englischen  und 
französischen  litteratur  noch  vergröszerte  und  yertiefte.  1730  be- 
gründete er  ein  manufacturgeschSft,  welches  sehr  bald  eine  grosze  aus- 
dehnung  gewann,  trotz  seiner  lebhaften  geschäftsverbindungen  war 
er  bestrebt,  teils  durch  eine  geordnete  lectüre  teils  durch  den  um- 
fang mit  den  kenntnisreichsten  männern  der  stadt  seinen  sinn  für 
die  schönen  Wissenschaften  zu  veredeln,  besonders  gern  verkehrte 
er  mit  dem  bekannten  prediger  Aug.  Friedr.  Wilh.  Sack,  der  1740 
einem  rufe  als  hofprediger  in  Berlin  folgte,  nachdem  er  dann  einen 
hausstand  begründet  hatte,  berief  er  1743  Sulzer  aus  der  Schweiz 
in  sein  haus ,  damit  dieser  die  erziehung  seiner  beiden  söhne  leitete, 
bald  trat  Sulzer  in  Verbindung  mit  Gleim,  Lange,  Doris  Lange  und 
Meyer,  und  beteiligte  .sich  mit  diesen  an  der  litterarischen  bewegung 
der  zeit,  auch  nachdem  er  1747  an  das  Joachimsthalsche  gymnasium 
in  Berlin  berufen  war,  blieb  er  mit  dem  Bachmannschen  hause  in 
steter  Verbindung  und  verheiratete  sich  1750  mit  einer  nichte  Bach- 
manns, nach  drei  jähren  starb  Bachmann,  er  hinterliesz  zwei  söhne, 
der  jüngere,  Heinrich  Wilhelm,  übernahm  nach  dem  tode  seines 
bruders  (t  1755)  das  geschäft  und  ist  derselbe,  den  Klopstock  bei 
seinem  ersten  besuche  in  Magdeburg  sah  und  von  welchem  er  in 
dem  oben  erwähnten  briefe  an  Fanny  sagt :  'Bachmanns  jüngster 
söhn  von  13  jähren  und  von  Sulzer  gebildet,  wurde  ein  mittelding 
von  freund  und  freundohen.  er  war  schon  zu  ernsthaft,  als  dasz  ich 
ihn  hätte  freundchen  nennen  können.'  von  seinem  vater  hatte  er  die 
liebe  zu  den  schönen  Wissenschaften  geerbt,  von  Sulzer  war  sie  ge- 
pflegt und  gefördert  worden,  er  ist  es,  der  in  den  briefen  der  Schön- 
geister jener  zeit  häufig  genannt  ist  und  den  wir  als  freund  Klop- 
stocks,  Gleims,  Zachariäs  u.  a.  kennen  lernen.  Pröhle  erkannte 
zuerst ,  dasz  vater  und  aohn  getrennt  werden  müssen. 

In  den  sechsziger  jähren  bildete  Bachmann  den  mittelpunkt  der 
litterarischen  bestrebungen  Magdeburgs,  als  die  Earschin  in  den 
jähren  1761  und  1762  im  hause  der  obnstlieutenant  von  Beiebmann 
zu  Magdeburg  lebte,  zeichnete  Bachmaim  die  dichterin  vielfach  aus, 
unter  anderm  auch  dadurch,  dasz  er  ihren  geburtetag  (1  december) 
durcfi  eine  gesellschaft  feierte  und  bei  dieser  gelegenheit  der  dicb- 


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Klopstockiana. 


447 


terin  eine  goldene  feder  ttberreichen  lieez,  damit  sie  mit  dieser  die 
von  der  prinzessin  Amalie  gewflnschte  passionscantate  sebrieb.  diese 
ganze  feier  besdureibt  ein  tbeOnehmer  der  gesellscbaft  in  einem 
briefe  an  denmäler  Oeser  in  Leipzig,  den  Edrte  in  den  Zeitgenossen 
(1831)  verGfiiBntlicbt  bat.  Bacbmann  ist  es  femer,  der  eine  snb- 
scription  zur  berausgabe  der  gedicbte  der  Earscbin  venuilaszte  nnd 
dadurch  der  dicbtenn  eine  einnähme  von  2000  thlrn.  gold  verschafite« 
auch  litterarisch  thfttig  war  er,  indem  er  zu  einer  von  Patzke  berans- 
gegebenen  Zeitschrift  Mer  greis'  mehrere  beitrftge  lieferte,  nament« 
Udi  flbersetzungen  ans  Sallnst,  Horas,  sowie  bearbeitnngen  aus  dem 
Ossian. 

Als  sich  Elopetook  im  sommer  1762  von  Kopenhagen  wieder 
nach  Deutschland  begab ,  lebte  er  abwechselnd  in  Quedlinburg  bei 
den  seinigen  oder  in  Halberstadt  bei  Gleim,  auch  Bachmann  wünschte 
den  dichter  zu  sehen,  er  schrieb  an  Gleim  am  2  august :  'ich  höre 
von  der  Karschin,  dasz  Sie  den  brunnen  trinken  und  dasz  hr.  Klop- 
stock  bei  Ihnen  ist.  ich  würde  mir  einen  ewigen  Vorwurf  machen, 
wenn  ich  diese  gelegenheit  ihn  zu  sehen  vorbeigehen  liesze.  wollen 
Sie  einen  tag  zum  rendezvous  auf  dem  stufenberge  festsetzen  und 
hrn,  Klopstock  mit  sich  bringen?  die  Karschin  hat  keine  ruhe,  bis 
sie  den  göttlichen  sänger  der  Messiade  gesehen  hat.  sie  schrieb  letz- 
lich  bei  mir  den  einliegenden  brief  an  ihn,  der  kein  brief  ist.  ich 
habe  ihn  an  mich  behalten,  weil  ich  glaube,  dasz  er  ihrer  nicht  ganz 
und  gar  würdig  ist  und  hr.  Klopstock  daraus  gar  zu  bald  die  Un- 
gleichheit ihres  genies  wird  kennen  lernen,  machen  Sie  damit,  was 
Sie  wollen.'  sicherlich  fand  eine  Zusammenkunft  auf  dem  stufenberge 
statt,  doch  läszt  es  sich  aus  den  vorhandenen  briefen  nicht  nachweisen. 

Im  sommer  des  folgenden  jahres  reisten  Gleim  und  Klopstock 
nach  Magdeburg.  Gleim  blieb  nur  einen  tag.  Klopstock  brachte 
eine  woche  bei  dem  ihm  befreundeten  Bachmann  zu.  er  arbeitete  in 
dessen  garten  an  dem  trauerspiel  Salomo.  es  wurden,  wie  er  selbst 
an  Gleim  in  einem  bei  Klamer  Schmidt  II  158  gedruckten  briefe 
vom  28  juli  schreibt,  noch  ein  paar  kleine  scenen  fertig,  'hat  Ihnen, 
heiszt  es  darin,  Bachmann  gesagt,  dasz  Ihr  könig  und  ich  einander 
ein  compliment  sehr  in  der  nähe  gemacht  haben?  er  fuhr  dicht 
unter  dem  walle  weg  und  ich  stand  mit  Rolle  (er  war  musikdirector 
in  Magdeburg  und  hat  sich  durch  die  composition  Patzkescher  und 
Niemeyerscher  Oratorien  bekannt  gemacht)  am  thor,  wo  man  hin- 
untergeht.' Klopstocks  Salomo  erschien  1764  in  Magdeburg,  der 
bucbhändler  Daniel  Christian  Hechtel  übernahm  den  vorlag  und  be- 
zahlte den  d ruckbogen  mit  zwei  louisdor. 

Zu  dem  Magdeburger  foenndeskreiSf  in  welchen  Klopstock  jetzt 
getreten  war,  gehörten  auszer  dem  bekannten  bofrath  von  Köpken 
auch  Joh.  Sam.  Patzke  und  Karl  David  Küster;  der  erstere  war  pre- 
^iger  an  der  heiL  geistkirche  (nicht  professor^  wie  Heinrich  Kurz 
*agt),  der  andere  prediger  an  der  deutsch-reformirten  kirche.  beide 
waren  litterarisch  thätige  mftnner.  Patzke  begründete  mit  Bachmann 


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448 


Klopttoekiaiia. 


und  Köpken  die  mittwocfasgeMllschaft,  welche  die  auzgeMiebnetstes 
männer  magdeburgs  vereinigtei  und  gab  Ton  1763  an  mn»  litteoi» 
xiBche  zeitsolurift  *der  greis'  hmm^  welelie  in  16  teilen  erschien  oad 
zn  welcher  auch  Bacbmann,  wie  schon  erwähnt,  beitrage  lieferte, 
spiter  —  es  war  in  den  jehren  1772  und  1773  —  gab  er  eine  an- 
dere unter  dem  namen  *der  wohlthäter'  in  sechs  teilen  beranSy  die  er 
zur  Unterstützung  der  armen  Magdeburgs  in  der  seit  der  theoeniBg 
schrieb,  «ach  ist  PftUke  sls  llbersetier  des  Tacitus  und  Terenz,  80> 
wie  eis  Verfasser  mehrerer  cantaten  und  Oratorien  bekannt,  der 
andere,  Karl  Da?idKflster  war  auf  dem  gebiet  der  praktischen  theo> 
logie  dorch  herausgäbe  von  casnalpredigten  Aberaus  thitig.  auch  «r 
gehörte  sa  dem  Bachmannsdien  kreise.  *wann  wird,  so  schrieb  er 
am  15  aagnst  1768  an  Gleim,  br.  Klopstook  auf  der  rflekreise  la 
uns  kommen?  yersichern  Sie  ihn  Bachmanns  and  mdner  grossen 
achtong  and  liebe.*  Elopstock  erfOllte  den  wansch  der  Magdobuger 
freonde.  er.  kam  aof  der  rOckreise  nach  Magdeboig  and  Uieb  toi 
Wochen  bei  Bachmann«  an  Ebert  schrieb  er  ans  Qaedlinbar)g:  Hdi 
reise  den  dritten  f dertag  von  hier  and  über  Magdebori^  wann  8b 
mir  bald  schrdben  mögen,  so  wird  mich  swm  tsge  nadi  dem  feste 
Ihr  brief  in  Magdeburg  bei  heim  Bachmann  antiäfon.'  Bachmsim 
erhielt  Ton  ihm  den  aaftragf  die  neae  aosgabe  der  fingmente  des  90. 
gesanges  von  Msgdebuig  ans  Ebert  sosascbicken.  (Lappenberg, 
briefe  von  and  an  Elopstock,  s.  154.)  Klopstoek  wohnte  wieder  saf 
der  glücklichen  insel  and  war  sehr  hSafig  mit  KOpken  msammsi* 
ein  gartenhaas  trag  nodi  im  anftng  dieses  jahrhnnderts  seineii  namea 
und  war  mit  seiner  bllste  geschmflckt  beim  amhen  des  wohnbanses 
fand  der  jetoge  besitser  des  gartens  eine  stabenthllr,  in  welchw  der 
name  Klopstoek  eingeschnitten  war.  and  noch  heute  findet  sieh  da- 
selbst eine  der  sage  nach  Yom  dichter  gepflanste  pendelirende  esdie, 
deren  zweige  sich  an  einer  kröne  wunderbar  sosammengeschlossen 
haben. 

Klopstoek  hatte  durch  seine  oden  und  seinen  Messias  eine  grosze 
berühmtheit  erlangt.  1757  kam  dazu  sein  trauerspiel  Mer  tod 
Adams',  auch  dieses  stück  nahm  d&6  auälaud  mit  begeisterung  auf. 
in  dem  englischen  Journal  *the  monthly  review'  erschien  nicht  nur 
eine  günstige  beurteilung  des  Stückes,  sondern  es  wurde  auch  eine 
britische  Übersetzung  angepriesen  und  stellen  daraus  angeführt, 
ferner  wurde  das  stück  nach  einer  französischen  bearbeitung  vom 
grafen  Carlo  Gozzi  in  italienischer  spräche  überarbeitet,  die  franzö- 
sische Übersetzung  enthielt  eine  vorrede,  diu  den  wert  dieses  sttickes 
kritisch  und  sehr  gründlich  beurteilte,  alle  diese  recensionen  und 
Übersetzungen  erbat  Gleim  in  einem  an  Patzke  gerichteten  briefe 
vom  23  october  1764  für  den  oberprediger  Fried.  Gabr.  Resewitz 
in  Quedlinburg,  der  ebenfalls  zu  den  freunden  Klopstocks  und  Gleims 
gehörte.  Patzke  sollte  die  englische  Zeitschrift  nebst  den  übrigen 
piecen  aus  Bachmanns  bibliothek  aussuchen ,  da  dieser  verreist  war, 
oder  durch  Köpken  von  einem  andern  freund  der  musen  in  Magde- 


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Klopstockiana. 


449 


borg  erbitten.  Fatzke  koonte  die  bitte  des  freundes  nicht  erfüllen, 
da  weder  Bachmann  noch  Köpken  in  Magdebung  anwesend  waren, 
und  da  er  daran  zweifelte,  dasz  fraa  Bachmann  die  erlaubnia  erteilen 
wttrde,  die  Zeitschrift  auf  Baehmaans  stube  aufzusuchen,  zuletzt 
sprach  er  in  seinem  briefe  vom  28  october  seinen  dank  fllr  die 
prächtige  ausgäbe  der  Messiade  ans,  mit  der  ihn  Gleim  erfreut  hatte; 
*weil  idi  sie  aber,  so  schreibt  er,  von  dem  göttlichen  sftnger  des 
Messias  sdbst  empfangen  habe ,  so  habe  uAk  den  gebrauch  von  Ihrer 
gttte  gemacht,  die  8ie  selbst  bestimmt  haben,  und  Ihr  geschenk 
tmserm  alten  Goldbagen  gegeben,  er  freute  sich  wie  ein  jttngling 
mid  wird  Ihnen  bescmders  wie  ein  mann  denken,  der  den  wert  des 
gesohenkes  Terdient.'  Goldhagen  war  reotor  des  domgymnasiuma 
in  Magdeburg  und  ist  als  flbersetzer  des  Herodot  und  Pausanias,  so- 
wie der  römischen  und  griechischen  anthologie  bekannt,  in  dem- 
selben  briefe  bemerkt  Patske  noch,  dass  Heehiel  keinen  grund  haben 
könne,  sich  über  den  schlechten  verkauf  des  'Salome*  zu  beklagen» 
da  er  dodi  bereits  zweitausend  exemplare  yerkauft  habe.  *doch  Sie 
wissen,  was  buchhindler  sind%  setzt  er  hinzu. 

Der  eben  genannte  Bosewitz  inQuedlmbuxg,  den  Gleim  in  einem 
bei  Klemer  Schmidt  II  168  gedruckten  briefe  an  Elopstock  als  den 
deutschen  Flutarch  bezeichnet,  Mer  uns  Idiren  wird,  wie  man  den 
Kbpstock  lesen  soll',  ein  freund  der  schönen  Wissenschaften,  stand 
mit  Elopstock  in  lebhaftem  briefwechsel.  er  meldet  seinem  freunde 
Gleim  am  18  november  1764,  dasz  am  dritten  teil  des  Messias 
nftehstens  würde  gedruckt  werden,  sobald  das  papier  dazu  aus  Hol- 
land angekommen  sei ,  welches  bereits  unterwegs  sei.  *die  abhand- 
lung  vom  silbenmasz,  heiszt  es  weiter,  wird  bald  fertig  sein. 
Pireisler  hat  schon  lettern  dazu  gezeichnet  und  Breitkopf  soll  sie 
gieszen.  dann  soll  sie  auf  subscription  o^edrackt  werden,  das  kann 
ich  Ihnen  aus  einem  briefe  von  unserni  Klopstock  erzählen,  den  ich 
vorgestern  erhalten  habe,  er  scheint  in  seinem  fleisze  fortzufahren, 
er  will,  dasz  ich  die  abhandlung  vom  silbenmasz  ins  französische 
übersetzen  soll,  was  sagen  Sie  dazu?'  und  am  1  mai  1765:  'Sie 
haben  recht,  dasz  unser  erster  vorsatz  in  absieht  des  'todes  Adams' 
mit  dem  einfall,  den  ich  zum  besten  des  ^Salome'  gehabt,  zugleich 
bestehen  kann,  mündlich  wollen  wir  das  in  einander  passen,  wie 
ich  von  Hamburg  aus  vernehme,  läszt  Elopstock  jetzt  am  dritten 
teile  des  Messias  drucken,' 

Gleim  und  Bachmann  faszten  1767  den  plan  zur  gründung  einer 
typographischen  gesellschaft,  um  dadurch  dem  nachdruck,  der  damals 
in  beispielloser  weise  sein  wesen  trieb ,  zu  wehren  und  durch  selb- 
ständige Übernahme  des  Verlages  der  bücher  den  Schriftstellern  einen 
gröszeren  anteil  an  dem  erlös  ihrer  werke  zu  sichern,  auch  Klopstock 
wurde  in  den  plan  hineingezogen,  er  interessirte  sich  sehr  dafür, 
Bachmann  schreibt  darüber  an  Gleim  in  einem  brief  vom  8  mai 
1767:  'Klopstock  scheint  von  unserer  typographischen  gesellschaft 
einen  gröszeren  begriff  zu  haben,  als  wir  vor  der  band  werden  aus- 


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450    Phüologiiehe  prognunme  deotMher  höherer  lehrangtalteB. 

fOhren  kOnaeii.  er  denkt,  dasi  eine  dfiiekerei  and  sehrifl^giesnra 
damit  verbmiden  sind,  nnd  will  mir  PrdslerB  teicfannagen  aehiokaii 
der  anf  eein  begehren  onaere  lettem  ein  wenig  anders  gelMldet  hL 
er  bittet  mich,  ihm  nnsem  plan  mitrateilen  nnd  Tenpricht  einig» 
anmerinmgen  darttber  za  machen,  ieh  liebe  den  anaftthrer,  sagt  er, 
aas  vielen  nrsaehen,  nnd  auch  deswegen,  weil  er  der  anafUhrer  einer 
idee  ist,  die  ich  wenigstens  so  lange  als  01dm  geliabt  habe.  (NR 
ich  habe  ihm  nidit  geschrieben,  dassSie  an  der  gegenwirtigen  nni»- 
nefamnng  teil  bitten.)  was  soll  ich  ihm  antworten?  was  soll  ieh  ihm 
auch  in  ansehnng  seiner  tragödie  nnd  seiner  oden,  die  er  der  gesefl- 
Schaft  geben  wiU^  antworten?  er  schreibt  mir:  «ich  will  in  abgidt 
aaf  die  condition,  die  Sie  den  scribenten  machen  werden,  anf  keine 
weise  Yon  den  anderen  nntersohieden  sein,  wenn  ich  nicht  nodi 
mntter  nnd  geschwister  hfttte,  die  meinen  beistand  braachten,  so 
würde  ich  Sie  bitten,  dasjenige,  was  mir  nach  den  gewfthnlkiien  be- 
dingungen  anfiele,  denen  scribenten  su  geben,  die  es  nötiger  als  iek 
bitten,  weil  ich  mir  die  freibeit  vorbehalten  will,  irgend  einmal  eine 
edition  nach  meiner  pbantasie  zu  machen ,  so  werde  ich  dasjenige, 
was  ich  Ihnen  überlasse,  allezeit  auf  die  bedingung  einer  gewissen 
zeit  Überlassen.»  —  glauben  Sie  nicht,  dasz  es  gut  wäre,  man  offe- 
rierte ihm  einen  gewissen  anteil  an  dem  ausfall  des  Verlags  seiner 
werke?  obgleich  dies  in  anoehung  unserer  mit  verschiedenen  Schwie- 
rigkeiten verknüpft  ist.' 

(schlius  folgt.) 

Verden.  H.  HoLarBor. 


(16.) 

PHIIiOLOQISCHE  PBOGBAMME  DEUTSCHEB  HÖH£fi£B 

LEHRANSTALTEN, 
(fortietmng.) 


Elbino.  gymnasium.  7  classen,  12  lehrer,  294  echüler,  18  abit.  — 
Sobaltit  'de  poetiees  ArittoteUcae  principiis'.  es  erscheint  beute  kühn, 
über  Ariitotelee  und  die  principien  seiner  philosopbie  nitredeo  la  wol- 
len, die  notersuchang  birgk  ihre  eigenen  schwierigk^teo.  verf.  will 
die  art  und  den  umfanj^  der  meinunpsverschiedenheiten  über  die  frage 
snm  gegenstände  seiner  abliandlung  machen,  zunächst  billigt  verf.  die 
beschränkung  der  ersten  wiederhersteiler  des  Arist.  auf  die  darlegacg 
dee  wichtigsten,  Jetst  aber  sei  die  seit  der  kritilc  gekommen,  wenn  andi 
nicht  über  alles  zur  klarheit  gelangt  werden  könne,  weiter  teilt  er 
mit,  was  ihn  znr  behandlnng  der  poetiees  principia  veranlaszt  habe; 
es  ist  das  wesentlich  die  über  dieselben  herschende  Unklarheit,  zuerst 
will  er  die  Stellung  der  tioir)TiKri  in  der  philosopbie  erörtern,  er  tadelt 
auntlehst,  dasi  Ariatotelef  keine  begrmbeBtimmnng  vorangesebiekt 
habe  und  hebt  dabei  hervor,  dasz  der  begriff  der  philosopbie  selbst  bei 
Aristoteles  kein  einiger  seL    die  mehrfaehen  begriffe  der  phüosopbii 


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Fbüologische  progiamme  deutsoher  höherer  lehraoBtalten.  461 

sucht  verf.  nun  zu  vereinigen,  er  klagt  dabei,  dasz  die  grenze  zwiBchen 
•svahrer  philosophie  und  den  niederen  erkenntnisgraden  nicht  gegeben 
sei,  was  jedoch  kein  fehler  der  Aristotelischen  philosophie  allein,  son- 
dern ein  solcher  des  gansen  altertnme  sei.  letsteres  wird  oaehsaweiien 
versucht,    dabei  kommt  verf.  auf  dio  bekannte  dreiteilung  der  gesam- 
ten philosophie  in  log^k,  physik,  ethik,  die  auch  Aristotoles  habe,  doch 
gehe  neben  ihr  noch  eine  andere  her,  die  teilung  in  theoretische  und 
praktische,  die  den  späteren  als  wahre  Aristotelische  trennung  erschien, 
diese  diTieio  aber  hat  nach  dem  Terf.  die  ansieht  des  Aristoteles  nicht 
genau  wiedergegeben;  in  der  metaphyeik  gibt  er  eine  dreüeilung  in 
theoretische,  praktisclie,  poetischo,  philosophie.    diese  einteiuing  ist  in 
der  Nicomuchifichen  ethik  geboten,  deren  sechstes  buch  zwar  angezwei- 
felt wird,  aber  seinen  gedanken  nach  doch  als  Aristotelisch  anzusehen 
Ist  es  treten  aber  gleich wol  differensen  zwischen  den  hier  gegebenen 
Ansichten  nnd  anderen  stellen  henror,  aneh  zeigt  die  hier  einschlägige 
stelle  der  Nicomachischen  ethik  donkelheit  und  kürze,    daraus  ergeben 
sich  Schwierigkeiten,  welche  verf.  näher  erörtert,   zunächst  wird  der  von 
Empedokles  entlehnte  gedanke  einer  Verwandtschaft  zwischen  den  er- 
kennbaren dingen  und  dem  erkennenden  gegenständ  der  erörterung. 
der  gmndsati  steht  aber  dem  Ar.  nicht  fest,  er  bleibt  sieh  selbst  nicht 
treu  und  verwendet  keineswegs  immer  dasselbe  teilnngsprincip,  ja  in 
der  polemik  gegen  Piaton  verg-iszt  er  sich  selbst  so  weit,  da.sz  er  jeder 
trennung  der  seelenkräfte  widerspricht,     die  Widersprüche  linden  sich 
iu  demselben  werke,  je  nachdem  er  an  der  einen  stelle  Piaton  angreift, 
an  der  andern  seine  eigene  ansieht  ansspriebt.  bei  ihm  selbst  finden 
wir  bald  fünf,  ja  sechs,  bald  drei  seelenkräfte  angenommen,  ja  in  den 
ethischen  Schriften  stellt   er  die  in  de  anima  verworfene  cinteilung 
wieder  her.    verf.  sucht  nun  dieses  schwanken  des  philosophen  in  der 
ansieht   über  die   höchsten   psychologischen   principien  zu  erklären, 
dabei  wird  gegen  Reinkens  'Aristoteles  über  kunst,  besonders  über  tra- 
g9die'  polemisiert,  weiter  will  Tcrf.  nach  der  besehaffenheit  der  beiden 
von  Arist.  angenommenen  bestandteile  der  seele,  des  der  Vernunft  teil- 
haftigen und  des  ihrer  nicht  teilhaftigen,  Untersuchungen  anstellen, 
beide  bestandteile  sind  wieder  zweiteilig,   die  zwei  bestandteile  des  der 
Vernunft  teilhaftigen  teils  sind  ^iriCTr^^oviKÖv  und  Xoyictiköv  und  durch 
diese  einteilung  gelangt  Arist.  dann  cur  Unterscheidung  der  arten  der 
menschlichen  vermögen,  des  theoretischen  und  praktischen,  wozu  dann 
noch  das  poetische  kommt,  über  das  verf.  handeln  will.    Arist.  unter- 
scheidet zwischen  TTOietv  und  irpoiTTeiv,  ohne  dasz  der  unterschied  dieser 
beiden  änszerungen  des  Seelenlebens  genau  klar  gemacht  wird,  dies  ist 
gesehehen  in  dem  uns  olcht  erhaltenen  ircpl  irotiiTiIiv  ß^ßXot  t'  ^d  im 
617II0S.   verf.  teilt  dann  das  wenige  mit,  was  die  ethica  zur  bestim- 
mung  und  erkitlrung  des  begriffs  der  troiTiTiKri  liefern.     Arist.  hat  an 
der  stelle,  wo  es  die  sache  selbst  forderte,  das  zu  bieten  unterlassen, 
wovon  alles  übrige  abhängt,  er  hat  wol  auch  gemeint,  die  worte  uotelv 
und  irpdTTeiv  seien  so  deutlich,  dasz  ihm  über  ihren  begriff  und  unter- 
schied nichts  mehr  lusnfSgen  schien,  rerf.  wendet  sich  welter  su  der 
frage  nach  den  momenten,  in  welchen  practice  und  poetice  inter  se 
concinuut,  und  spricht  eingehend  darüber,    beide  beziehen  sich  auf  die 
res  contingentes ,  sowol  die  acturi  als  die  procreaturi  handeln  nach 
gleichem  antriebe,     weiter  wird  erörtert,  quibus  rationibus  diuersae 
sint  practica  et  poetice.  ein  wesentliches  moment  der  Tersehiedenheit 
liegt  in  dem  sweeke  beider,  yerf.  gibt  in  dieser  entwicklung  so  sehr 
nur  resultate,  dasz  man  einen  auszug  gar  nicht  geben  kann,  sondern 
sich  genügen  lassen  musz,   auf  die  arbeit  in  ihrem  ganzen  umfange 
hinzuweisen,    wir  möchten  am  schlusz  nur  noch  das  dem  verf.  anheim- 
geben, dasz  er  doch,  wenn  er  wiederum  die  Wissenschaft  durch  arbei- 
ten über  Aristotelische  philosophie  oder  andere  gegenstände  des  alter- 
tnms  erfrent,  machte  statt  des  wenig  durchsichtigen  lateins,  das  er 


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452    Pliilologiache  prognunme  deatscher  htiherar  lehzanstalteiL 

schreibt,  die  deutsche  niuttersprache  zur  Vermittlerin  der  ergebnisse 
seiner  durchaus  nicht  oberflächlicheu  forschuugen  machen,  philoso- 
phische aiitersQchuDg:en  iMten  sieh  alleiBal  am  besten  in  der  mntter- 
spraehe  geben  nnd  werden  am  liebsten  dann  gelesen,  wenn  sie  in  der 
spräche  verfasst  sind,  die  dem  leser  die  peläudgste  ist. 

SoBAU.    gjrmnÄslum.    6  classen,  10  lehrer,  176  schüIer  im  s.,*  15^ 
im  w.,  8  abit.  —   Abb.  des  gymuasiall.  dr.  Genz:   'die  ServianUche 
centurienverfassong:  I.  kritik  des  centuriensystmns'.   Terf.  beginnt  wSX 
darstelhtnf  des  dessen*  oder  eantnriensystems  naeh  LIt.  I  4S,  IHonji. 
IV  16.  VII  39,  die  ihm  all  gescbiehtlicb  gilt,   die  stellang  der  adeesii 
relati  wird  in  einer  langem  anmerkunp  begründet,  ebenso  die  über- 
lieferten angaben  über  die  bewaffnung  der  classen.     verf.   fragt  nach 
der  raison  dieser  gliederung,  nach  den  moÜTen,  aus  denen  das  sjstem 
9lck  erkitrt.  rielleicht  bt  die  frage  mit  dem  sweeke  an  beantwortea, 
welchem  dasselbe  diente.    Livias  bezeichnet  einen  doppelten  zwecks 
einen  friedlichen  nnd  militurischen,    im  frieiien  könnte  es  zunächst  der 
finanzordnung  gedient  haben,    aber  es  gibt  puncte  innerhalb  des  Systems, 
an  denen  deutlich  wird,  dasz  der  finanzielle  zweck  das  System  nicht 
ersengt  bat;  er  wurde  nur  dnreb  einselne  institnte  der  einiiebtong 
nebenbei  erreiebt.   dagegen  bildete  sie  den  rahmen  der  beschlieszenden 
Volksversammlung,    verf.  fragt:  wie  hat  dieser  zweck  die  einzelnen 
einrichtungen  erzeugen  können?    diese  frage  wird  erörtert  und  dabei 
auf  mancherlei  dunkelheiten  hingewiesen,  anderes  erklärt,    die  classe 
ist  nur  denkbar  als  complex  einer  gewissen  anzahl  von  centurien,  dieser 
waid  als  beer,  als  aufgebet  gefasst   ans  gewissen  nmstSnden  wird  ge- 
schlossen .  dasz  die  classe  des  Senrins  TOf  allem  als  stimmelasse  anf- 
zufassen  ist,  der  politische  stimmzweck  erzengte  die  classe,  ans  ihm 
erkliirt  sich  das  wesen  der  classe,  die  Zahlenverhältnisse  der  centurien 
und  classen,  anderes  erscheint  bei  annähme  dieses  Zweckes  ganz,  an- 
deres snm  grSssem  oder  kleinern  teile  nnerUIrt   Tert  gebt  nna  aof 
die  erörternng  des  militärischen  sweekes  nnd  der  frage,  wie  sie  dem 
diente,  über,    hier  bleibt  die  ganze  masse  und  die  gruppierung  der 
centuriae  peditum,  damit  name  und  betriff  der  centurie  unerklärt,  da- 
gegen gibt  der  militärische  zweck  über  das  wesen  der  equites,  fahrig 
tnbicines  genügende  anfklilrung.    die  eentoriae  peditum  werden  Tom 
yerf.  als  milit&rische,  als  ganse  von  100  mann  gefasst.  damit  sieht  er 
namen  und  begriff  der  centurien  als  erklärt  an,  sie  bezeichnen  einheilen 
von  100  mann.    verf.  geht  dann  über  auf  bespreehung  der  combinatio- 
nen  Mommsens  in  'die  rom.  tribus^  s.  135—142,  durch  welche  das  geheim- 
nis  der  tiervianischen  classenzahleu  zuerst  und  allein  erschlossen  sei, 
und  stellt  snerst  Mommsens  ergebnisse  vor.   die  clässes  peditum  stas^ 
den  einst  in  der  schlachtreihe  hinter  einander,  voran  die  angehöxigen 
der  In  classe  als  principes,  dann  die  der   folgenden  der  reihe  nach, 
die  centurienzahlen,  resp.  das  genaue  Verhältnis  derselben  innerhalb  der 
classen  ward  nach  dem  Verhältnisse  der  centurienzahlen  innerhalb  der 
glieder  bestimmt,  damit  sind  ^om  militftriseben  sweek  ans  die  meisten 
einrichtungen  des  eentnriensystems  erklärt,  nnr  das  wesen  der  elasse 
blieb  militärisch  unerklärlich,  verf.  hebt  hervor,  dasz  er  zu  diesem  re- 
snltate  nur  durch  annähme  der  centurie  als  wirkliche  gelangt  ist,  dasz 
aber  die  auschauung  der  alten  nur  au  nominelle,  künstlich  nach  censuS' 
sfttsen  gebildete  centurien  verscbiedener  grttsse  sn  denicen  erianbL 
verf.  bemfiht  sich,  den  widerspmeb  sn  beseitigen,   er  meint,  es  seien 
für  den  politischen  sweek  stimmclassen  von  wirklichen  centurien  der 
fuszgänger  anzunehmen,     die  möglichkeit  dieser  annähme  wird  nach- 
gewiesen,  die  censussätze  sind  als  nur  accessorisch  zu  betrachten,  als 
sie  integrierende  teile  der  einriuhtung  wurden,  also  auf  dieser  basis 
nnr  nominelle  centurien  gebildet  wurden,  ntohr  die  elnriebtong  eine 
wesentliche  änderung.    weiter  kommt  Terf.  darauf,  das  politische  und 
militärische  element  in  der  einricbtnng  xu  sondern,   es  bestanden  von 


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Philologische  programme  deutscher  höherer  lehranstalten.  453 


den  einrichtangen  einst  so  viele,  als  der  milUärisehe  zweck  alleia 
iehaffen  konnte,  an  sie  puste  sp&ter  ein  poUtiseher  sweek  die  elnssen 

«n.  im  zweiten  absehnitt  behandelt  verf.  nun  kurz  Servias  Tallins  nnd 
seine  militärorganisation.    es  soll  der  gang  der  entwicklang  des  cen- 
turiensystems  nach  den  einzelneu  Stadien  dargelegt  ^erden  durch  ver- 
gleichung  der  übrigen  historischen  Überlieferung,  als  Urheber  der  gan- 
sen  einriehtung  nennt  die  llberliefernni?  den  Serrins  Tnllins,  der  als 
historische  person  aufzufassen  ist,  wie  Tarqainios  Superbus.  auch  seine 
militärischen  einrichtungen  sind  historische  thatsachen,  doch  sind  ihm 
keine  besondern  der  plebs  günstigen  motive  dabei  unterzuschieben,  die 
gegen  solche  motive  sprechenden  bedenken  werden  erörtert,    es  ergibt 
ticm  durch  beaohtnng  der  nmstiUide,  dasi  die  eomltia  oentoriata  fiber- 
haapt  nicht  bestanden  während  der  königsseit;  sie  waren  dem  Interesse 
des  königs  wie  des  patriciats  zuwider,  letzteres  konnte  sie  auch  hin- 
dern,   von  Servius  ist  nur  eine  miiitärorgauisation  ausgegangen,  sein 
haaptzweck  war,  die  administrative  reconstructiou  des  römischen  beer- 
Wesens  auf  der  basis  der  patricisch-plebejischen  gesamtbevölkerung« 
er  fand  die  centnriae  celemm  Tor  nnd  muste  dieselben  unangetastet 
lassen,   verf«  gibt  einen  überbliek  iiber  die  geschichte  der  reiterei  bis 
auf  Servius.    was  Servius  neuerte,  wird  erörtert,    er  liesz  die  celeres 
besteben,  wie  sie  waren,    neu  schuf  er  12  ceuturiae  equitum.    ihr  Ver- 
hältnis zu  den  celeres  wird  besprochen,     bei  der  einriehtung  ist  an 
analogie  der  pedites  in  denken,   die  eent.  eqnit.  sind  centoiiae  von 
100,  nicht  ans  bestimmtem  stände  genommen    sie  standen  unter  den 
legionstribnnen.    das  hauptgewicht  der  Servianischen  Organisation  Hillt 
auf  die  pedites.     bei  ihrer  beurteilung  ist  von  der  legio  auszugchen, 
legio  bezeichnete  in  älterer  zeit  das  ganze  aufgebet,  Servius  übertrug 
den  begriff  auf  den  einzelnen  heerkörper  des  fossvolks;  diesem  gab  er 
die  anfstellnng  einer  phalanz,  derselben  fOgte  er  leiehtbewaffnete,  10 
centarien  rorarii  und  200  adcensi  ersatsmänner  hinsu,  oberanfÜhrer  der 
legion  waren  3  tribnni  militum.    jedes  aufgebet  umfaszte  zwei  legionen. 
dem  Servius  ist  die  bildung  von  zwei  centuriae  fabrorum  und  tubicinum 
cornicinumque  zuzuschreiben,   bei  der  heereseinrichtung  war  der  modus 
der  anshebnng  ftnsaerst  wichtig,   die  heerespflioht  war  an  den  gmnd- 
besits  geknüpft  und  auf  grund  desselben  der  aushebnngsmodns  einge- 
richtet,   endlich  führte  Servius  auch  die  regelmäszige  musterung  ein. 
für  den  wirklichen  kriegsfall  diente  das  bei  der  letzten  musterung  auf- 
gestellte beer,    die  masterong  geschah  wahrscheinlich  jährlich,  der 
aebenb^  Terfolgte  politisehe  sweek  lag  in  der  rermenguag  der  be- 
TSlkemng  und  der  herstellung  eines  organischen  Verbandes,  der  alle 
demente  einschlosz.    der  dritte  abschnitt  behandelt  die  entstehung  der 
centuriatcomitien.    die  revolution  bezeichnet  eine  stufe  in  der  entwick- 
lung  der  ceuturienverfassung.    die  änderung  gieng  wol  von  den  patri- 
cischen  geschleohtern  aus,  doch  hatte  das  heer  einen  gewichtigen  an- 
teil  daran,  es  wurde  für  die  revolution  gewonnen  durch  Überlassung 
der  wähl  der  jührliehen  magistrate  an  den  exereitus.    der  von  Servius 
organisierte  exereitus  diente  im  beginne  der  republikanischen  zeit  als 
wahlkörper.    dies  wird  durch  augenfällige  gründe  erwiesen,    das  spä- 
tere römische  kriegsheer  bat  noch  eigentümlichkeiten  bewahrt,  welche 
sieh  nur  aus  seiner  einstigen  ftinotion  als  Volksversammlung  erkUren. 
wie  die  Übertragung  so  wichtiger  fhnctionen  an  das  heer  geschah,  darüber 
gibt  es  keine  auskuuft.    weiter  entwickelt  verf.,  wie  die  patricier  dazu 
kommen  konnten,  selbst  centuriatcomitien  zu  gründen,  sodann,  wie  der 
exereitus  die  ihm  übertragene  neue  function  übte,  und  bezeichnet  In- 
teresse und  gesinnuug  des  patriciats  als  dabei  entscheidend,  die  cen- 
toriae  celerum  bekamen  sechs  stimmen,  daher  snffragia;  die  vorstimme 
erhielten  entweder  diese  oder  die  ritter,  endlich  erfanden  die  patricier 
die  aufrichtung  der  centurien  nach  classes  zur  abstimmung  in  sich  und 
zur  abgäbe  der  gesamtstimme,  bis  majorität  erzielt  war,  mit  welchem 


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I 


454    Philologische  programme  deutscher  höherer  lehraustalteo, 

momeiite  dM»  wablverlahreo  abgebroohwi  wtirdo.  mui  fand  «neb  «ine 
weite  der  abstimmunisr,  welebe  den  ecbein  der  gereehtigkeit  in  licli 

trug.  80  entstanden  die  classen  des  centuriensystems.  weiter  wendet 
sich  verf.  zu  der  frage,  nach  welchen  grundsätzen  die  ccnturien  ge- 
bildet seieo.  er  erörtert  dieselbe  auf  das  genaueste,  er  bebt  bemr, 
dmei  BOtwettdig  ftUitftrieebe  rttekiiebteB  fiberwogeo.  die  ganse  efauleb- 
tung  trlgt  einen  anvoUkommeDen  Charakter  an  ai^  ud  gelt  bei  vida 
wol  nur  für  provisorisch;  es  hatte  das  stimmheer  ausser  der  magistr&ts* 
wähl  keine  functionen.  weiter  wendet  sich  verf.  zur  erörterung  der 
rückwirkuug  dieser  einrichtung  auf  den  staat.  es  waren  das  sehr 
■chlimme  und  der  durch  sie  herbeigeführte  unglückselige  zustand  kau 
Hiebt  Iftoge  gewährt  bAbeo.  et  wurde  allen  fraien»  plebejeni  und  elin» 
ten  des  volle  bUrgerrecht  gewährt,  dieses  ereignis  nllt  mit  der  triboi- 
Organisation  und  der  Stiftung  der  dictatur  zusammen,  jetzt  wurden  die 
20  bezirkstribus  gegründet,  das  organ  des  erweiterten  volks  blieb  dai 
ätiium-  und  kriegsheer,  auf  dieses  giengen  alle  rechte  des  populus  Eo- 
maniie  und  der  eomitia  eoriata  über,  aaeaerdem  keine  weeendidiM 
Kndemngen  in  der  gestaltnng  des  exereitus  cioilit.  eine  etwas  streigere 
schranke  gewährte  die  neue  tribusorganisation ;  es  wurden  von  nun  an 
auch  feste  ceusussätze  uud  fünf  ceusussummen  angenommen,  aber  auch 
jetzt  blieben  sie  nur  accessorisch  und  wurden  kaum  gesetzlich  fest- 
gestellt, eoadem  dnreh  den  eenslerenden  jabreebeamlen.  die  se  eii- 
tretende  veilndeniBg  muste  bald  bedeutende  eoneeqnensen  nach  sidi 
ziehen,  diese  werden  nun  vom  verf.  dargelegt,  eine  Veränderung  der 
Verhältnisse  in  der  centurienverfassung  trat  mit  der  decemviratgesetz- 
gebung  und  dem  beginn  der  ausgleichung  der  stände  ein.  die  rer- 
schiedenheit  in  der  staatlichen  entwicklung  vor  und  nach  jenem  zeit- 
pnnete  wird  vom  verf.  erklftri.  die  deeem^atgeeeisgebnng  reguliert« 
das  verhUtnis  der  centuriatcomitien,  durch  sie  ward  wahrscheinlich  die 
fünfjährige  censusperiode  eingeführt,  mit  ihr  rissen  der  politische  und 
militärische  zweck  der  centurien  auseinander,  man  muste  jetzt  davon 
abgehen,  die  einzelnen  corps  des  militärischen  heeres  aus  den  einzekeB 
eentmien  dee  poUtieeben  an  bilden,  fo  ward  der  politieehe  tweck  frei» 
indem  ceneoesnmnien  angesetst  worden,  welche  ihm  allein  entepradieii. 
über  diese  censußsummen  wird  noch  eingehend  gesprochen,  ntin  war 
auch  der  militärische  zweck  frei  geworden,  es  brauchte  nun  die  erste  i 
classe  nicht  mehr  die  vier  glieder  der  phalanx  zu  decken,  seit  40^ 
motte  aoeh  die  vierte  claaee  in  der  phalanx  dienen,  ein  beeondsm 
musterungabeer  worde  nieht  mehr  aofgeetelli,  aneh  bei  der  reiterei  tob 
der  jährlichen  musterung  abstand  genommen«  erst  460  IBhrte  Q.  Fabins 
als  censor  die  transitio  equitum  ein.  wir  schlietEen  hier  die  besprechoog 
dieses  gehaltreichen  programms,  indem  wir  es  als  eines  von  den  leider 
immer  verhältnismäszig  seltenen  bezeichnen,  von  denen  ein  auszugi  wie 
wir  ihn  gaben,  nidit  genügt,  om  sie  daraot  volletftndig  kennen  n 
lernen. 

(forteetiong  folgt) 

Bartenstein.  H.  K.  Benickks. 


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Personalnotizen.  455 

(14.) 

PERSONALNOTIZBN. 

(Unier  mitbeniitzung  des  ^centralbl altes ^  von  Stiehl  und  der  'leit* 
Schrift  für  die  österr.  gymDasien\) 


CrBennnniren ,  befUrderungen,  irersetzuiiiceii,  anszeichnongen« 

Blümel,  überl.  am  gymn.  zu  Hohenstein,  als  'professor*  prädiciert. 
Bohtz,  dr.,  ord.  prof.  der  univ.  Gottiugeu,  erhielt  den  pr.  kronenorden 
III  cl 

Bölke,  dr.,  ord.  lebrer  am  Bophiengymn.  in  Berlin,  mm  Oberlehrer  be- 
fördert. 

Bruns,  dr.,      )  oberl.  am  lyceam  I  in  Hannover,  als  'professoren'' 

Capelle,  dr. ,  j  prädiciert. 

Dolega,  dr. ,  ord.  lehrer  am  progymo.  zu  Kempten,  als  Oberlehrer  an 

das  gjm.  in  Wongrowits  bermen. 
Eiebenberg,  ord.  lehrer  der  realscbnle  II  o.  an  Esch-  ] 

wege,  Izu  Oberlehrern 

Fischer,  dr. ,  ord.  lehrer  am  Kölln,  gymn.  in  Berlin,  |  befördert. 
Friese,  dr. ,  ord.  lehrer  am  französ.  gymn.  in  Berlin,  J 
Genz,  dr.,  oberl.  am  gymn«  In  Hamm,  als  'professor*  prSdidert. 
Glaser,  dr.,  ord.  lehrer  am  gymn.  in  Wetslar,  com  oberfehrer  befördert» 
Göcke,  dr.i  ord.  lehrer  am  realprogymn.  in  Diedenhofen,  snm  reetor 

des  progymn.  in  Malraedy  ernannt. 
Grisebach,  dr.  hofrath,  ord.  prof.  der  uuiv.  Güttingen,  zum  geheimen 

regiernngsrath  ernannt. 
Ofintsel,  ord.  lehrer  am  gymn.  in  Anelam,  snm  Oberlehrer  befördert. 
Hanpt,  ober],  am  gymn.  in  Treptow  a.  d.  Bega,  snm  ord.  prof.  in  der 

theol.  facultät  der  univ.  Kiel  ernannt. 
Hoffmann,  dr.,  ord.  lehrer  am  Kölln,  gymn.  in  Berlin,  zum  Oberlehrer 

befördert. 

Hnbatseh,  dr.,  ord.  lehrer  am  progymn.  sn  Trarbadh,  am  gymn.  sn 
FUrstenwalde  als  Oberlehrer  angestellt. 

Klehl,  dr.,  ord.  lelirer  an  der  realsch.  in  liromberg, 
Kürner,  dr.,  ord.  lehrer  an  der  FriedrichsL  realsch. 
io  Berlin, 

Kreuts,  dr.,  ord.  lehrer  an  dem  städt.  gymn.  in  Danzig, 
Meyer,  dr.,  ord.  lehrer  an  der  Lnisenst.  realsch.  in 

Berlin , 

Müller,  dr.  Karl,  ord.  lehrer  am  Matthiasgymn.  in 

Breslau , 

Ufiller,  Ottomar,  ord.  lehrer  am  kloster  u.  1.  fr.  in  Magdeburg,  als 
'Professor*  prSdieieri. 

^ordmeyer,  ord.  lehrer  an  der  realsch.  II  o.  in  Magde- 
burg, 

Pro  hie,  dr. ,  ord.  lehrer  an  der  Luisenst.  realsch.  in 
Berlin, 

Richter,  dr.  Wilh.,  ord.  lehrer  der  realsch.  am  swinger 
in  Breslau» 

'*5anneg,  dr. ,  ord.  lehrer  am  gymn.  in  Luckau, 
ächapke,  religionslehrer  am  progymn.  an  Neumark 
in  Westpr., 

Sebirmer,  dr.,  ord.  lehrer  an  der  königsst.  realsch. 
in  Berlin, 

Scholz,  dr.,  ord.  lehrer  an  der  Friedrichst  realsch. 

in  Berlin, 

Scotland,  oberl.  am  progymn.  su  Neumark  in  Westpr.,  zum  rector 
daselbst  ernannt. 


zu  Oberlehrern 
beföidert. 


zu  Oberlehrern 
befördert. 


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466 


Penonaliiotiien. 


Siegfried,  dr. ,  ord.  Uhler  am  neaerriohteten  gjmii. 

in  Fürstenwalde, 

Symons,  dr.,  ord.  iehrer  an  der  Friedrichsrealach.  iol  in  Oberlehrern 

Berlin,  f  bef&cdert 

Ulbrich,  dr.,  ord.  Iehrer  an  der  Dorolkeeast.  ralich. 

in  Berlin, 

Wagenmann,  dr.,  ord.  prof.  in  der  theol.  facultät  der  tmiy.  Göttingeo, 

erhielt  den  Charakter  aU  cousistorialrath. 
Zimmermann,  oberi.  am  bielierigen  progynin.  in  fürrteneralde,  ii 

gleicher  eigenaehafl  an  dem  nenenlehteten  gymn.  dMetbei  ein* 

getreten. 

Zöller,  dr. ,  ord.  Iehrer  am  gymn.  zu  Mülhausen  im  £lsass,  ala  Ober- 
lehrer an  das  lyceom  in  Colmar  versetzt. 

Geetovkent 

Fock,  dr.  Reinhold,  oberl.  an  der  realsch.  za  Stralsund,  im  jolL 
Heuberger,  Studienlehrer  an  der  lateinschule  in  Schwabach. 
Heydemann,  dr.  Alb.  Gosiav,  prof.,  director  des  Marienstiftgymn.  sn 

Stettin,  70  Jahre  alt. 
Kirsenberth,  etndienlÄrer  an  der  etadlenamtalt  an  ZweibrGeken. 
Linke,  dr.,  ord.  lehfor  am  Marienstiftgymn.  in  Stettin. 
Mischke,  ord.  Iehrer  ara  gymn.  in  Gnesen. 

N&udet,  Joseph,  mitglied  des  institut  de  France,  secretar  der  aka- 
demie  der  Inschriften,  director  der  kaiserlichen  bibliothek  in  Paris, 
starb  daselbet  92  jähre  alt  im  angnat. 

Pfefferkorn,  oberl.  am  gymn.  in  Nenstettin. 

Rump,  dr. ,  prof.  am  gymn.  in  Coesfeld. 

Rtistow,  Wilhelm,  oberst,  ausgezeichneter  militürschriftsteller,  im  ital. 
feldzug  generalstabschef  Garibaldis,  erschosa  sich  56  Jahre  alt  ia 
ZUrich  am  14  augost. 

Stal,  Karl,  prof.,  intendant  der  natnrwiaseneoliaftl.  abteilnng  dea  reiebt> 
mnsenms  in  Stockholm»  atarb  46  lahre  alt  daaelbet  im  jnnl.  (be- 
rühmter entomolog.) 

Weigand,  dr.,  Ludwig  Karl,  ord.  prof.  an  der  univ.  Gieszen,  starb 
daselbst  im  alter  von  74  Jahren  am  16  Juli,  (bedeutender  Germanist; 
fortsetser  des  Grimmsdhen  w9rtorbneha  ntw.)  I 

Zimmermann,  Wilhelm,  bekannt  als  historiker  darch  seine  geaohiebte 
des  baaernkrieges  und  als  lyrischer  dichter,  starb  am  22  septbr. 
(geb.  1807  zu  Stuttgart,  prof.  am  gymn.  daselbst,  dann  am  poljr- 
technicum  ebenda,  zuletzt  pfarrer  in  Schnaitheim  a.  d.  Brenz.)  | 

In  mlieaUB4  gnlreient  I 

Adler,  dr. ,  oberl.  an  der  realsehnle  am  iwinger  in  Breden.  ) 

Hartz,  oberl.  am  gymn.  in  Hadersleben. 

Hartmann,  oberl.  an  der  reabchnle  and  director  der  gewerbeschak 
in  Trier.  .  ' 

Herbat,  dr.  prof.,  reetor  der  landeeaehnle  Pforta. 

Jentzseb.  Ar.,  oberl.  am  gjmn.  in  Freienwalde. 

Ijipsius,  dr.,  oberl.  am  gymn.  in  Lnekan,  nnd  erhielt  deraelbe  def 
pr.  rotheu  adlerorden  IV  cl. 

Oppel,  dr.,  prof.  am  städt.  gymn.  zu  Frankfurt  a.  M. 

Seidel,  dr.,  direetor  dea  gymn.  an  Bochnm. 


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ZWEITE  ABTEUiXJNG  (U8b  BAND). 


Seite 

43.  Mit  welchem  rechte  nennt  man  das  volk  der  Griechen 
vor  allen  andern  Völkern  das  classische?  eine  schulrede 
zur  nachfeier  des  geburtstages  sr.  maj.  des  königs  Albert 
gehalten  von  Th.  Vogel  in  Leipzig   409—425 

44.  R.  Möller:  Übungsstücke  zum  übersetzen  aus  dem  deut- 
schen ins  lateinische  für  quarta  und  tertia  der  gymnasien 
zusammengestellt  (Berlin  1876).  angez.  von  W.  Voll- 
brecht in  Katzeburg.   425—429 

45.  S.  Schönborns  lateinisches  lesebuch  für  die  quinta 
höherer  lehranstalten.  elfte  aufläge,  besorgt  von /i.A'öÄwer 
(Berlin  1877).  —  Lateinisch-deutsches  und  deutsch-latei- 
nisches lexicon.    angez.  von  F,  Nieländer  in  Schneide- 

mühl   429—433 

46.  C.  Schmelzer:  die  überbürdung  auf  den  höheren  lehran- 
stalten. briefe  an  meinen  lano:en  freund  Jonathan,  alten 
und  jungen  zu  nutz  und  frommen  herausgegeben  (Leipzig 

1878).    angez.  von  einem  gymnasialdirector   434—439 

47.  C.  Alexi:  das  höhere  unterrichtswesen  in  Preuszen.  die 
inneren  Widersprüche  in  der  jetzigen  Organisation  des- 
selben und  deren  beseitigung  durch  das  zu  erwartende 
Unterrichtsgesetz  (Gütersloh  1877).   angez.  von  M.  Zoeller 

in  Colmar   440—445 

48.  Klopstockiana.    von  H.  Holstein  in  Verden   445 — 450 

(16.)  Philologische  programrae  deutscher  höherer  lehranstalten. 

von  H.  K.  Benicken  in  Bartenstein,  (fortsetzung)  .    .    .    450 — 454 
(14.)  Personalnotizen   455—456 


• 


In  F.  RicUter's  Buchhandlung  in  Ilelmstedt  erschien  kürzlich: 

Schulgrammatik 

der 

französischen  Sprache 

von 

F.  A.  Nicolai, 

Oberlehrer  an  iler  Kealschule  zu  Mcerane. 

Preis  2 


Femer: 

Sammlung  von  Uebungsstücken 

zum  Uebersetzen  aus  dem  Deutschen  in's  Französische  und  aus 

dem  Französischen  in's  Deutsche. 

Zum  Gebrauche  von  höheren  Unterrichtsanstalten 

herausgoj^eben 

von 

F.  A.  Nicolai, 

Oberlehrer  an  der  Realschule  zu  Meeraue. 

Preis  80  ^. 


Bei  S.  Hirzel  in  Leipzig  erschien  soeben: 

Anleitung 

zur 

lateinischen  Palaeographie 

von 

\V.  Watt(^ubaeh, 

Professor  in  Berlin. 

Dritte  Auflage. 
4.  3 


gon  ^dt^ftcm  ^ntcreffc  für  Sekret! 

auf  b  e  n  I)  ö  c  r  c  ii  £  e  f)  r  a  ii  [t  a  1 1  e  n 
öon  £.  Sdjmd^fr,  ®i)muap^ir. 

$rei§  IJC  50  „S. 


3n  ^.  SB.  SScrIncj  in  Scip^ig  ift  üor  ^urgcm  crfd^iencu 

unb  burd^  jebc  jolibc  S3uc^^anblun(]  bc5icl}cn: 

firftger,  fi.  III.,  ^(cincrc  grict^iii^c  S|)roi^Ic^re.    10.  Sluflagc, 
Bejorgt  üon  XO,  pofhfl.    „9Jlit  erflärenben  5(nmerfungen  ju 
bcn  93ei)pielen  unb  einem  Heinen  ißocabularium."    16  SBoaen 
8.    ^reiö  2  JL 


0 

.  ,j  ^     y  Google 


ZWEITE  ABTEILUNG 

FÜB  GYMNASIALPlDAGOöIK  ÜÜID  DIE  ÜBfiiefiN 

L£imFiCfi£B 

MIT  AÜ88CBLV8S  DIR  CtA88t8CHIII  PRILOLOOIB 

HEAAU8a£G£B£N  VON  PBOF.  D&.  HeBMANK  MaSIU«. 


49. 

DIB  STATISTISCHEN  ANFORDERUNGEN  AN  DIE  SCHULE 

UND  DIE  STATISTIK  IN  DER  SCHULE. 


Immer  aasgedehnter  und  mannichfaltiger  aincl  die  anforderuiigett 
«n  die  leistonc^  der  sdiiile  als  imtezriditsaiieUlt  geworden,  um  so 
mekr  ist  es  iiOtig,  alles  dasjenige  yon  ihr  fem  zu  halten,  was.  sie 
iwingt  einen  teil  ihrer  seit  anderen  als  ihrer  eigentlichen  aofgahe  sa- 
SBwenden«  das  Ifisst  sieh  allerdings  nicht  gans  dnrchftthren«  der 
8tBat,die  gemeinde  bedürfen  mannichiUtige  nadiwelsungen  ttber  die 
tohüle  zu  ihren*  zwecken,  teils  allgemeinerer  nator,  teils  aber  anch 
für  die  besondere  regelung  des  nnterriehtsgebietes.  anch  die  Wissen- 
schaft sieht  die  schule  als  eine  bequeme  beobaehtungsstation  an. 
die  ganze  jugend  vom  sechsten  bis  zum  vollendeten  vierzehnten  jähre 
und  vielfach  noch  lange  darfiber  hinaus  ist  in  der  schule  unter  festen 
Ordnungen  versammelt,  die  lehrer  besitzen  hinreichende  Intelligenz, 
um  gewisse  aufstellungen  nach  bestimmten  gesichtspuneten  vorneh- 
men  zu  können ;  wo  liesze  sich  eine  bessere  beobachtungsstätte  fin- 
den? 80  hat  die  anthropologie  jüngst  angefragt,  so  hat  die  padago- 
gik  selbst  eine  menge  fragen  auf  dem  herzen,  aber  nicht  genug  des 
statistischen  wesens  und  Unwesens;  jede  einzelne  schule  selbst 
wendet  einen  oft  sehr  künstlich  zusammengesetzten  statistischen  ap- 
parat  an,  zu  ihrem  besonderen  betrieb  und  um  sich  ein  urteil  zu  bil- 
den über  ihre  schüler.  wahrlich  eine  arche  Noah  ist  nötig  in  dieser 
statistischen  sündflut,  damit  sich  die  schule  hmeinrette !  oder  um 
nüchtern  und  ohne  bild  zu  reden,  es  ist  durchaus  nötig,  dasz  alles 
dieses  schreib-  und  tabellenwesen  möglichst  vereinfacht  werde  und 
alles  beseitigt,  was  nicht  wirklich  fruchtbare  resultate  gibt,  der 

K .  jahrb.  f.  phiU  a.  p&d.  IL  «bU  1878.  Mi,  10.  SO 


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458  Die  statifitischeu  anforderungen  an  die  sdrale 

lehrer  und  auch  der  leiter  einer  anstalt  musz  vor  allen  dingen  in  der 
schule  arbeiten  und  nicht  über  dieselbe  berichten,  es  kann  einer 
bureaumäszig  alles  vortrefflich  in  Ordnung  haben  und  doch  nichts 
besitzen  von  der  lebendigen  kraft  des  erziehers  und  lehrers. 

Es  ist  unzweifelhaft:  bei  richtiger  fragestellung  und  einsichti- 
ger beantwortung  dieser  fragen  lassen  sich  eine  grosze  anzahl  wich- 
tiger thatsachen  in  zahlen  und  tabellen  zusammenfassen ,  aus  denen 
man  die  grundsStze  ftLr  gewisse  anordnungen  mit  leichtigkeit  her- 
leiten und  eine  menge  von  tlbelständen  beseitigen  kann,  die  sonst 
den  Beholxwecken  schädlich  werden,  so  haben  vielfache  messungen 
du  material  zu  tabellen  gegeben,  nach  denen  man  das  darchachnitta- 
nuun  der  Schulbänke  und  tische  für  die  verschiedenen  altersclassen 
mit  bequemlichkeit  entnehmen  kann  n.  dergl.  m.  aber  die  statisti- 
schen feststelluigen  geben  anch  oft  ein  falsches  büd,  weil  die 
voranssetztmgen  falsch  oder  mindestens  unklar  sind,  man  gibt  den 
schulen  einen  gesundheitsschädlichen  einflusz  schuld  wegen  der  Über- 
lastung der  Schüler  mit  arbeiten,  wegen  gefährdung  ihrer  Sehkraft, 
aber  man  constatiert  nicht  alle  ausser  der  schule  mitwirkenden  facto- 
ren,  die  oft  weit  schädlicher  wirken  als  jene  selbst,  neben  der  8<dinle 
lanfen  oft  noch  eine  menge  privatstunden  her,  nicht  nur  in  musik 
oder  zeichnen,  sondern  in  den  schulwisaenschaften  selbst,  weil  das 
fortschreiten  der  schüler  in  gewisser  zeit  erzwungen  werden  soll, 
sitw,  tische,  beleuohtnng  im  hause  sind  oft  sehr  maogelhaffe,  und 
endlich,  namentlich  in  grossen  stidten,  die  die  nerren  aofir^gende 
fiberhftafimg  mit  oft  vsät  ni^jugendlidien  Tcrgnllgmigen!  mache» 
sich  non  uchteUige  folgen  so  mannichfach  znsammmiwirkeader 
nrsadben  in  der  schulaeit  geltend,  so  werden  sie  alle  der  sehiile  sn- 
gesdirieben,  und  ans  den  tabellen  gesteigerter  konsiditigkeit  iisw^ 
liest  man  nur  das  sQndemregistflr  dmr  achvle  ab« 

Besonders  schlimm  ist  es  aber,  wmm  die  aehiile  seibat  für  ihre 
zwecke,  namentlich  m  feststeUnng  eines  nrteils  Aber  die  achfUec^ 
in  ausgedehntem,  statistisdiem  wesen  falsche  gnmdaliBe  anwendet 
an  die  stelle  lebendiger  einwirkong  tritt  tabellarisierung  nach  oft 
ganz  anszerlichen,  oft  sogar  dnrehaoa  Mlerhaften  gnmdsfttioii.  d» 
statistische  krankheit,  um  mit  Bichl  sn  reden ,  grassiert  nicht  imdg 
in  den  schnlmaiiem. 

Dodi  wir  wvAeii  die  Sache  der  rrihenfolge  Bach  ins  S|0^  faneeHi 

Neuerdings  wird  im  Interesse  dar  gesondheitspoliiei  die  anfer- 
tigung  von  listen  Uber  die  impfung  und  Wiederimpfung  der  achtller 
gefordert,  wobei  dann  noch  restantenlisten  nsw.  nadUhinken.  es 
ist  das  im  sinne  der  schulfUhrung  kein  erfreulicher  zuwadis  zum 
tabellen  wesen ,  namentlich  da  die  sonst  in  der  schule  ungebräuch- 
liche anordnung  nach  dem  alter  verlangt  wird ,  aber  diese  tabellen 
lassen  sich  wenigstens  mit  Sicherheit  anfertigen,  und  abgesehen  von  * 
dem  zweifei  an  dem  nutzen  jener  beschwerlichen  anordnung  nach 
dem  alter,  da  es  sich  ja  doch  um  dasselbe  lebensjahr  handelt,  statt 
nach  der  buchstabenfolge,  Iftszt  sich  wol  nicht  in  abrede  stellen,  dasz 


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und  die  «taüstik  in  der  gclrnle. 


459 


zur  controlle  der  Unterwerfung  unter  die  allgemeine  imp£flicht  die 
mitwkkung  der  schule  nicht  entbehrt  werden  kann. 

Andere  tabellarisierungen  zu  gesundheitszwecken  sind  schon 
angedeutet,  so  gröszenmessungen ,  messungen  der  Sehkraft,  jene 
ersteren  können  durch  die  lehrer  ausgeführt  werden,  diese  aber 
mtisten  durch  den  arzt  stattfinden ,  ftir  beide  wären  aber  jedenfalls, 
soweit  sie  tabellaarisiert  werden  sollen,  messungen  nach  längeren  Pe- 
rioden aasreichend;  zur  festsetznng  der  richtigen  bankböhe  für  jeden 
einzelnen  sebttkr  wird  aUerdings  jedes  semester  eine  messung  statt- 
finden müssen ,  nur  dasz  dann  anoh  die  nötigen  subsellien  zum  ans- 
tanseh  nicht  fehlen  dürfen,  wenn  die  messung  nicht  zeitverschwen- 
dnng  sein  soll  mid  tohliwilich  nar  eine  theoretische  befriedigung 
gewtthfen» 

Vom  standpuncte  der  genmdheitspfiege  ans  kann  der  staat 
wol  noch  manche  in  tabellen  zusammenfassbare  nachweisnngen  for- 
den! s.  b.  über  den  auf  jeden  köpf  kommenden  kubikranm  des  das* 
senzimmers,  über  die  quadraiflikhe  der  spielplätse  im  Verhältnis  zur 
schülerzahl,  über  die  InftOffhungen  der  zimmmer.  aber  der  staat 
ihnt  besser,  wenn  er  hierüber  leicht  zugängliche  aufstellungen  macht 
imd  die  nnierbehörden  snr  dnrchführung  der  richtigen  gnindsfttzo 
aahttlt,  als  wenn  er  sich  yon  seiAen  der  schule  berichten  Iftsst 

Um  eine  übeniclit  über  das  schalgebiet,  über  gedeckte  nnd  un- 
gedeckte bedflrfbisse  ta  haben,  bedarf  die  yerwaltang  mancher  nach* 
weisoBgen* 

Aber  aiidi  hier  sind  die  TonHuaefcnmgw  oft  Islsch  und  daher 
anoh  die  antworten,  das  leigt  sidi  s.  b.  in  der  realsoholfrage.  man 
will  das  bedflrfiiis  ans  der  fteqnens  der  oberen  dessen  herleiten, 
nachdem  man  ravcr  db  existonz  der  oberen  dlassen  auft  änszerste 
ersehwert  hat.  doch  diese  kngathmige  schon  gans  sachlich  zn  15- 
sende  frage  soll  hier  nicht  wachgerofon  werden,  es  ist  nicht  leicht 
das  schnlbedttrfiiis  sn  constatieDsn,  wenigstens  was  die  yerschiede» 
nen  gattungen  Ton  sehnlen  fttr  knaben  betrifft,  da  die  berechtigung 
som  eiigährigen  dienst  eine  rein  saebgemSsze  erledigung  hindert, 
hnmeriiin  werden  freqnenzlisten  der  säralanstalten  über  ihre  ezi- 
aten^Hhigk^  einige  ansknnft  geben ,  wenn  auch  nicht  der  grad  des 
blildnngsbediürfhisses  aas  ihnen  dentlich  zu  ersdienist.  auch  gewäh- 
ren dieselben  den  behOrden  die  möglichkeit  gegen  classenübexittllun« 
gen  aufzutreten,  schwer  ist  es  solchen  listen  die  nötige  klarheit  zu 
geben,  so  kann  ein  schüler  aus  dem  schulort  und  doch  ein  auslfinder 
sein,  wenn  seine  eitern  sich  in  dem  schulorte  niedergelassen  haben, 
ohne  das  indigenat  zu  erwerben,  zweifelhaft  ist  es  auf  dem  religiö- 
sen gebiete,  wo  die  groszen  kirchengemeinschaften  sich  immer  mehr 
in  subjective  genossenschaften  trennen,  soll  aus  den  tabellen  z.'b. 
das  bedürfnis  katholischen  und  israelitischen  religionsunterrichtes 
ersehen  werden ,  so  stöszt  man  auf  die  Spaltungen  der  katholischen 
und  der  israelitischen  gemeinschaft,  wo  die  einen  nicht  mit  den  andern 
unterrichtet  sein  wollen,  unser  ganzes  gebräuchliches  listenwesen 

81* 


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460  Die  gtatiflUschen  anforderungea  an  die  schule 

bedürfte  offenbar  einer  revision.  die  notwendigkeit  statistischer 
nachweisungen  für  die  aufsicbtsbebörden  ist  im  allgemeinen  nicht 
zu  leugnen,  nur  sichere  grundsätze  und  Sparsamkeit  sind  zu 
empfehlen. 

Weit  geh  ende  versuche  sind  femer  (in  Berlin)  gemacht  worden, 
den  bildung.>zu6tand  der  kinder  festzustellen,  wenn  sie  in  die  schule 
eintreten,  und  es  würde  gewisz  interessant  sein,  wenn  das  mit  Sicher- 
heit SU  erreichen  wäre,  auch  den  fortschreitenden  begriffszuwacbs  zu 
verfolgen»  aber  es  ist  zu  bezweifeln ,  dasz  jene  versuche  einen  dem 
groszen  zeitaufwande  entsprechenden  sicheren  erfolg  herbeizufahren 
im  Stande  sind,  wenn  z.  b.  festgestellt  werden  soll,  wie  Tiels  kiickr 
ttnen  hegriff  von  gott  haben,  ao  ist  das  schon  an  sich  bei  emem  ob* 
zelnen  sechsjährigen  kinde  eine  schwierigere  au%abe,  wenn  es  nidit 
auf  vocabelkemitnis  hinanslttnft;  wie  soU  man  es  aber  bei  60  und 
mehr  kindern  machen,  bei  denen  doch  eins  hört  was  das  andre  sagt! 
selbst  die  Untersuchung,  wie  viele  kinder  getreide  kennen,  einen 
hasen  gesehen  haben  usw.  ist  wegen  der  nicht  wohl  möglioheii  Iso- 
lierung des  einzelnen  kindes  kaum  ausführbar ,  abgesehen  y(m  der 
Schwierigkeit,  welche  ein  kind,  das  wenig  gebildeten  kreisen  ent- 
stammt, fOr  die  rechensohaft  Ton  dem  vorml  senm  begriife  liii 
allerdings  wflrde  mandhes  nnnütse  unterbleiben,  wenn  man  die  vor- 
handenen wesentliehsten  vorstettongen  der  kinder  kennte,  und  mii- 
ehes  notwendige  würde  mUeiehi  nieht  nnterlaasen  werden,  im- 
zweifelhaft  wird  der  einsichtige  lehrer  sieh  angelegen  sdn  laaeen  den 
bildungszustand  der  ihm  anvertrauten  kindsr  festsnelelieii,  ato 
doch  so,  dass  er  dabei  in  lebhaftem  wediselyeikehr  mit  densdba 
bleibt,  nioht  so,  dasz  er  aus  der  fragetabelle  fOr  die  ftegetabelle  eis- 
miniert  ein  langes  verweilen  bei  einem  solohen  Totexamen  fttrski- 
tistische  psyohisdie  tabellen  wire  verkehrt,  der  unterxiolit  muss,  in- 
dem er  sidi  orientiert  Uber  das  vorhandene,  doch  immer  ein  fort- 
schreitendes  dement  enthalten,  der  gesdnckte  lehrer  wird  dasn 
vereinigen  verstehen  und  er  wird  dabei  manche  inteessaate  beobadi- 
tnng  OAdien,  die  auch  von  allgemeinem  wwthe  sind,  nnd  dem 
mitteilung  auch  anderen  ntttzüdi  aein  kann,  auch  mi^  er  selbst 
nuisen  ziehen  aus  tabellen  deijenigen  vorrtellungen,  deren  voita- 
densein  in  dem  beginnenden  sciiulpflichtigen  alter  naturgemfisz  und 
wlinschenswerth  erscheint. 

Leichter  als  das  Vorhandensein  der  Vorstellungen  wird  sich  der 
grad  physischer  krSfte  und  fUhigkeiten  feststellen  lassen  und  die 
Vollendung  gewisser  technischer  leistungen.  man  hat  kraftmesser 
construiert,  durch  die  sich  die  schwere  eines  faustschlags ,  die  ge- 
wichtmenge,  welche  gehoben  oder  gezogen  werden  kann,  feststellen 
läszt.  so  ist  die  Schnelligkeit  des  laufes,  die  höhe  des  Sprungs  und 
manches  andere  zablenraäszig  zu  bestimmen,  hier  kann  nicht  einer 
vom  anderen  die  leistung  abseben  oder  ablauschen,  und  in  derlei- 
stung  selbst  liegt  auch  jedesmal  eine  Übung,  ähnlich  sind  auch 
technische  fertigkeiten  faszbar,  ob  z.  b.  ein  kind  grade  striche  m 


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und  die  Statistik  in  der  schule. 


461 


gewissen  richtungen  zu  machen  vermag  u.  dergl.  m.  durch  solche 
beobach tinigen  wird  man  sich  den  punct  bestimmen  können,  von 
dem  man  ausgehen  musz,  um  nicht  fruchtlos  zu  arbeiten,  und  das 
masz  von  kräften  und  geschicklichkeiten,  über  welches  man  ohne 
Überspannung  nicht  hinausgehen  darf,  auf  den  turnplätzen  sind  oft 
derartige  beobachtungen  nicht  ohne  nutzen  gemacht  und  auch  in 
tabellen  niedergelegt  werden. 

Aehnliche  beobachtungen  werden  von  acbtbarer  pädagogischer 
seite  über  das  waohstum  der  schüler  verlangt,  mit  allerlei  besonderen 
nebenfngeii,  z.  b.  ob  sie  im  sommer  oder  im  winter  durchschnittlich 
mebr  wachsen  und,  was  mehr  unmittelbar  in  den  pädagogischen  be- 
trieb gehört,  (Iber  stimmhöhe  und  umfang,  Uber  die  fähigkeit  einen 
ton  längere  zeit  festzuhalten,  über  zeit  und  dauer  der  mutation. 
höchst  irrationelle  behandlung  des  gesangunterrichts ,  die  oft  ohne 
kenntnis  der  stimmenentwickelung  die  nachteiligsten  folgen  für  den 
schttler  mit  sich  führt,  hat  diese  forderangen  hervorgerufen,  aber  es 
wird  schwer  sein  ihnen  zu  genügen,  der  einsichtige  lebrer  kann 
innerhalb  seines  Unterrichts  manches  zur  lösung  dkser  fragen  bei- 
tragen,  er  wird  aber  nicht  vergessen  dürfen,  dasz  er  nicht  stimm- 
ststistiker,  sondern  dasz  er  gesanglehrer  ist. 

Bndlich  bleibt  nun  das  gebiet  der  inneren  besonderen  sohul- 
statistik,  welche  dem  lebrer  dazu  dienen  soll  ein  urteil  über  den 
sehflkr  zu  gewinnen  nnd  absngeben.  ein  recht  leidenschaftlicher 
Statistiker  konnte  Tielleicbt  das  ziel  im  ange  haben,  seine  schttler 
Tollstfindig  gahlenmäsrig  sn  tabellarisieren,  so  dass  er  grOsse,  kraft, 
sittliche  haltnng,  fleisa  nnd  leistongen,  ihre  snnabme  oder  abnähme, 
das  TerhSltnis  derselben  zn  den  leistnngen  der  mitschfller  ans  seinem 
sdiema  ableeen  könnte,  ja,  es  Hesse  sich  denken,  dass  ihm  der  ein- 
zelne schttler  weniger  als  eine  individnalitttt  mit  lebendigen  krBften 
imd  concreten  eigenscbaften,  denn  als  eine  nnmmer  nnd  «üilenreihe 
enehienen.  finge  man  in  der  schule  so  an  den  jungen  menschen  in 
die  aetentabellen  einzutragen,  so  lieeze  sich  das  spttter  in  amt  und 
beruf  fortführen,  nnd  am  ende  wSre  jedes  einzelne  mensdhenkind 
wohl  dnrebtabdliurisiert  durchs  leben,  so  dasz  man  ihm  selbst  seine 
lohensnnmmer  anf  den  leichenstem  zu  setzen  Tcrmöchte,  und  das 
ganze  menscbengescblecht  wttre  in  einer  grossen  statistischen  tabelle 
zusammengefSaszt.  in  der  tbat  es  wird  auf  diesem  gebiete  viel  nnfhg 
getrieben  nnd  nnbeil  angestiftet  nicht  bloss  schttler,  aaxAt  er- 
wachsene menschen,  streben  oft  weniger  danaoli  wirklich  etwas  zu 
um  und  zn  leisten,  als  eine  gewisse  stelle  in  den  tabellen  einzuneh- 
men, daher  kommt  es  dann  auch,  dasz  oft  genug  die  wohl  numerier- 
ten menschen ,  die  hoch  oben  in  den  tabellen  stehen ,  zu  wirklichen 
selbständigen  leistungen  wenig  brauchbar  sind. 

Die  schule  musz  offenbar  sich  ein  urteil  über  die  ihre  anver- 
trauten Zöglinge  bilden ,  namentlich  über  ihre  leistungen ,  um  bei 
den  Versetzungen  aus  einer  classe  in  die  andere  richtig  zu  verfahren, 
denn  das  ist  .unzweifelhaft  richtig ,  dasz  sowol  das  aufsteigen  in  eine 


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462  Die  Btatütitcben  anforderoogen  an  die  schale 

classo,  in  welcher  der  betreffende  schtiler  nicht  mitzuarbeiten  ver-  ' 
mag,  ein  Übel  izt,  als  auch  das  zurückbleiben  in  einer  classe,  welche  ' 
dem  Schüler  keine  hinreichend  schwierigen  aufgaben  s teilt,  zu  diesem 
behafe  wird  nun  ein  zusammengesetztef  statistischer  apparat  in  be- 
wegnng  gesetzt,  es  werden  versetznngstabellen  in  nmlauf  gebracht, 
in  welche  jeder  lehrer  eeiii  ariehen  fttr  die  versetzbarkeity  etwa  0,  ?,  1 
einträgt  oder  ja,  nein,  ?,  aas  diesen  zeichen  wird  dann  eine  durch- 
eehnittsrechnmig  gebildet,  dieee  darchechnittsrechnimg  würde  aber 
sonderbare  resultate  liefern,  wenn  man  alle  fleher  gleichwerthig  an- 
nehmen wollte ;  deshalb  gibt  man  den  fächern,  je  nach  ihrer  durch- 
sohlagenden  Wichtigkeit  verschiedene  zahlenwerthe,  addiert  die  gfla- 
stigen  Ziffern  und  bildet  dann  einoi  darcheehnittswerth ,  indem  mm 
mit  der  zahl  der  ftcher  dividiert  und  dann  etwa  eine  zahl  bestimat, 
welche  überstiegen  sein  mvsi,  mn  die  venetznngaflhigkait  als  er-  j 
reicht  erklären  zu  kOnnen,  oder  man  addiert  die  gfinstigen  fächer  { 
und  bestimmt  die  zahl  der  summe,  welche  wenigstens  eneiehtssii 
mnsz,  oder  endlich,  man  gibt  den  einaelnen  flchem  nicht  eine  gewine 
wertiiziffer,  sondern  erteilt  nadi  dam  grade  der  leaatangan  poaetB 
oder  striche  nnd  addiert  diese,  wobei  dann  dne  gewisse  zahl  w» 
pnneten  errmdit  sein  mnss.  ist  nan  das  an  and  flir  südt  seluin  sin 
sehr  problematisches  antamehmen,  bei  dem  höchst  wtmdsclidM  n- 
sultate  gewonnen  werden  kOnnen,  so  wird  es  nadi  problematischer, 
wenn  man  prüft,  wie  die  einselnen  nammam  flir  die  Tarsehiedsafls 
gegenstSnde  festgesetst  sind* 

Bei  den  qnracben  werden  erareitien  und  ertsmpotalien  eise 
hauptrolle  spielen*  erstersn  jedoch  wird  man  mehr  einen  ttbnage- 
Werth  beilegen,  diesen  einen  lurÜieilswerth.  flir  die  exeroitien,  wsas 
sie  bestimmten  llbnngsbflchem  entnommen  sind,  gibt  es  bekwnatBdi 
eine  masse  von  betrügerischen  hfllfcmitteln,  schlflssel,  aam  tälaur 
fttr  die  band  des  lehms  bestimmt,  aber  nnr  sn  oft  in  der  band  des 
schtUers  befindlich;  oder  alte  hefte  erben  sich  Ton  gesehledit  sn  ge- 
sohlecht, oder  es  gibt  allerlei  httosliche  hflUs,  der  man  aach  diBB 
nicht  ans  dem  wege  geht,  wenn  man  die  exerdtien,  was  wegen  des 
dietates  wieder  Tiel  kostbare  zeit  in  anspmch  nimmt,  jedesmal  selbst 
zusammensetzt,  so  bleiben  die  extemporalien.  angenommen  sie  wür- 
den alle  nach  gleichen  und  richtigen  gesichtspuncten  gewählt,  so 
dasz  wirklich  ein  können ,  nicht  blosz  ein  gelemthabcn  sich  offen- 
baren müste,  angenommen  dieses  können  liesze  sich  wirklich  durch 
zahlen  conatatieren,  angenommen  das  erste  wie  das  letzte  würden 
mit  gleicher  sorgfalt  durchgesehen,  es  wäre  auch  die  möglichkeit 
der  täuschung  ausgeschlossen,  so  bliebe  doch  immer  noch  eine  grosze 
Unsicherheit,  die  gleichmäszig  aufsteigende  und  die  gleichinäszig 
absteigende  zahlem'eihe  geben  bekanntlich  dasselbe  resultat  9,  8,  7, 
6,  5,  4,  3,  2,  1  geben  dieselbe  summe,  wie  1,  2,  3,  4,  5,  6,  7,  8,  9; 
in  dem  einen  falle  wäre  aber  eine  fortschreitende  entwickelung  zum 
bessern ,  in  dem  andern  zum  schlechtem,  man  sieht,  wie  illusorisch 
die  blosze  durchschnittsziffer  auch  hier  sein  würde,  da  es  doch  auf 


und  die  ttfttisiik  in  der  schule. 


463 


den  stand  der  leistongen  am  b<^ii8e  einer  gewissen  periode  an- 
kommt, aber  die  fehler  sind  nicht  bloaz  quantitativ ,  sie  sind  auch 
qualitativ  verschieden,  und  wie  will  man  überdies  ziffermäszig  fest- 
stellen, ob  und  wie  weit  die  fremde  spräche  wirklich  idiomatisch  be- 
handelt ist?  nun,  man  nimmt  ausgleichende  momente  hinzu,  nem- 
lich  mündliche  leistungen,  die  f^higkeit  der  Übersetzung,  die  gram- 
matischen kenntnisse,  über  die  man  wieder  ziffermäszig  protokoU 
führt,  aber  dieses  protokoU  in  Ziffern  ist  doppelt  schwierig,  weil  es 
sich  um  qualitätsunterschiede  handelt,  die  nicht  leicht  genau  zu  be- 
stimmen sind,  hierbei  kommt  nun  wol  noch  der  fehler  hinzu ,  dasz 
die  einzelnen  schüler  nicht  gleichmäszig  herangezogen  werden,  so 
dasz  der  eine  schüler  hftufig,  der  andere  selten  gelegenheit  hat  seine 
kenntnisse  darzulegen. 

Gebräuchlich  ist  in  untern  classen,  namentlich  in  geschichte, 
geographie,  naturbeschreibung  das  System  der  freiwilligen  meidun- 
gen, wobei  dann  allerdings  eine  strichjagd  eintritt,  aber  häufig  ein 
ganz  falsches  bild  der  leistungen  entsteht ,  indem  die  zurückhalten- 
den naturen  ungünstig,  die  zudringlichen  gttnstig  beurteilt  werden 
und  auch  hier  die  zahl  der  antworten,  nicht  die  Wichtigkeit  derselben 
in  betracht  kommt,  überdies  kommt  es  wol  vor,  dasz  gerade  an 
einem  tage,  an  dem  die  hetzjagd  nach  guten  strichen  stattfindet,  ein 
schüler  fehlt  und  also  die  gelegenheit  entbehrt,  sich  daran  zu  beteili- 
gen, so  dasz  er  dadurch  in  der  liste  weit  zurückgeworfen  wird, 
mischt  nun  gar  der  lehrer  betragen  und  leistungen  durcheinander, 
indem  er  wegen  schlechten  betragens  gute  leistungsstriche  löscht, 
80  wird  das  bild  ganz  unrichtig,  zudem  müssen  nun  solche  listen 
zuführen  meist  gewisse  schüler  beauftragt  werden,  da  der  lehrer 
zu  viel  zeit  darauf  verwenden  müste  und  im  fortschreitenden  fragen 
aufgehalten  würde;  so  schleicht  sich  eine  nene  Unsicherheit  ein,  deren 
abhülfe  dnrch  controlUisten  jedes  einzelnen  schülers  in  bezug  auf 
sich  selbst  wenigstens  zu  vielen  zeitraubenden  Weitläufigkeiten  führt 
and  allerlei  Streitfragen  veranlaut. 

Dieses  statistisehe  tabellen  wesen  dient  aber  nicht  nur  zur  grund- 
iage  für  die  Versetzungen,  zur  bestimmung  für  die  zeugnisprädicate, 
es  wird  danach  auch  oft  nooh  der  platz  festgestellt,  den  ein  schüler 
räinimmt,  entweder  indem  aus  den  zeugnisprädicaten  die  reihenfolge 
herausgerechnet,  oder  indem  erst  für  jeden  einzelnen  gegenständ  der 
platz  festgestellt  und  nun  in  bekannter  weise  aus  allen  platzziffem 
die  Ofdnniiggnummer  gewonnen  wird,  das  soheint  nun  eine  treff- 
liche ergSmung  j^er  absoluten  werth bestimmung  in  der  gesammt- 
nnmmer  und  dem  urteil  in  den  einzelnen  gegenstttaden,  indem  da- 
durch eine  relative  Werthbezeichnung  hinzu^tt,  nemlich  in  bezug 
Auf  das  kistnngsverbftltnis  der  mitsehfller,  aber  ee  soheint  nur  so; 
gerade  hierdurch  wird  ein  recht  bedenklicher  factor  hineingebracht, 
angenommen»  es  lieiie  sich  die  reihenfölge  der  schtllar  mich  ihrwn 
leistnngawerüie  wirUidi  genau  feststellen,  so  iat  unsweifölhaft»  dasz 
bei  den  betreffenden  Zeugnissen  diese  rangordnuogsstelle  in  den 


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464 


Die  btAtifitifichen  anforderungen  au  die  schule 


vordergrun^l  treten  wird  und  dasz  einscbtiler  (auch  wol  seine  eitern) 
sich  zufrieden  geben  wird,  wenn  er  in  der  rangordnung  üemlick 
hoch  steht,  wenn  er  auch  einer  schwachen  classe  angehört. 

Diesem  rangordnungswesen  hat  man  allerdings  oft  genug  das 
wort  geredet  und  man  sehnt  sich  jetzt  noch  vielfach  nach  der  zeit 
zurück,  wo  man  gleich  aus  dem  sitz  des  schülers  die  stelle  erkennen 
konnte,  welche  einer  in  der  classenscala  einnahm ,  ehe  noch  die  fa- 
tale berücksiohtigong  von  karzsichtigkeit,  Schwerhörigkeit,  körper- 
grSsze  eine  solche  leistungstopographie  aus  der  schule  verhannte. 
da  konnte  man  seinen  söhn  fragen :  den  wievielten  platz  hast  du  und 
ihn  danach  loben  oder  schelten  und  ihn  anstacheln  sich  einen  höhem 
platz  ZU  erwerben»  indem  man  ihm  wol  zugleich  TorwurfsvoU  den 
höhem  platz  eines  sohnes  ans  befreondeter  üamilie  vorhielt,  jekt 
kann  man  nur  noch  auf  dem  papiere  rangordnungen  fortfCLhren,  was 
wegen  der  mangelnden  anschaulichkeit  lange  nicht  so  dordischlagend 
wirkt,  auch  das  certieren  ist  verschwunden,  das  sonst  wenigstens 
munterkeit  und  scheinbares  leben  in  schläfrige  classen  brachte,  aber 
bei  lehreni  yon  schwacher  diseiplinarischea  fikhigkeit  manchen  lusti- 
gen tmnult  veranlaszte.  selbst  mSnner  Ton  sonst  grosser  pädagogi- 
scher einsieht,  wie  Quintiliaa»  haben  dem  certieren  das  wort  geredet, 
und  jedenfalls  ist  ein  hinfiger  Wechsel  der  plitze,  eine  oft  gebotene 
gelegenheit  der  ordnmigBstoUe  noch  besser  als  eine  lang  vorhaltende 
rangstelle,  die  leicht  im  laufe  der  seit  der  wirkHdhkeit  noch  wen^er 
entspricht,  als  sie  ihr  schon  sa  anfimg  entspradu  immer  aber  ist  es 
eine  Terftlschnng  des  echten  sfanebens»  wenn  m  die  stelle  des  masn» 
an  der  sache  selbst  nnr  das  relatiTO  mass,  an  die  stelle  des  stre- 
bens  das  möglichst  gute  zu  leisten,  dasjenige  tritt  andere  möglichst 
zu  übertreffen,  der  effisct  nach  aoszen  gilt  dann  mehr  als  die  saobe 
selbst,  und  es  wird  der  same  gefiUu-lichmr  leidenschaft  gesie^ 

Weil  dann  non  aber  dims  statistische  tabellarisierea  so  im- 
sicher  in  seiner  gmndlage,  so  bedenklich  in  seinen  folgen  ist,  so 
schrSnke  man  es  möglichst  ein,  gebe  ihm  keinen  grösseren  w^rtht 
als  den  es  wirldch  hat,  beseitige  wenigstens  die  ganz  nnYemllnftigen 
oft  gehrSnchlichen  methoden  and  ergänze  fortwöhrend  den  tabelltr 
rissen  snhalt,  den  man  nicht  entbehren  kann,  doreh  lebendigen 
Wechsel  verkehr  mit  den  schölem,  in  dem  man  anch  namentlidi  das 
können  der  schüler,  das  deutliche  reproducierbare  wissen  derselben 
zur  darstellung  zu  bringen  sucht. 

Natürlich  ist  der  oberflächliche  leichtsinn  damit  nicht  gerecht- 
fertigt, welcher  für  sein  urteil  nicht  irgend  einen  festen  anhält  zu  ge- 
winnen sucht,  sondern  sich  so  obenhin  auf  das  undeutliche  bild  ver- 
läszt,  das  ihm  vorliegt,  vorschwebt,  jeder  musz  sich  bewust  sein,  das2 
es  eine  schwere  und  verantwortliche  sacbe  ist,  nicht  nur  einem  schtller 
ein  abgangszeugnis  auszustellen,  das  mannigfach  im  leben  nachwirkt, 
sondern  auch  ihn  reif  oder  unreif  für  eine  classe  zu  erklären,  aber  alle 
unnützen  statistischen  feststellungen,  als  da  sind  rangordnungsnum- 
mern,  gesammtprädicate  fUr  die  Zeugnisse,  sollte  man  weglassen* 


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und  die  statUtik  in  der  schule. 


ihre  feststellung  kostet  viel  besser  zu  verwendende  zeit  und  bleibt 
dabei  unsicher,  abgesehen  von  den  falschen  Urteilsbeweggründen, 
die  bei  eitern  dadurch  angeregt,  von  den  falschen  leidenschaften,  die 
bei  Schülern  dadurch  wachgerufen  werden,  endlich  bedarf  auch  noch 
ein  umstand  der  berücksichtigung ,  der  sich  wieder  der  statistischen 
feststellung  entzieht  oder  ihr  wenigstens  die  gröszten  Schwierigkeiten 
entgegenstellt,  ja  Aber  den  ein  urteil  in  die  scala  aufzunehmen 
ftuszerst  bedenklioh  sein  würde. .  es  ist  das  die  nattlrliche  bef&higung^ 
wekhe  wenigstens  bei  der  moralischen  Wertschätzung  des  Schülers 
TOD  grOster  wiehtigkeit  ist.  bekanntlich  leistet  oft  ein  leiohtfertiger,  ^ 
wenig  gewissenhafter  schüler  mehr  als  ein  gewissenhafter  emsig  be- 
mühter, aber  schwach  beanlagter  knabe.  auf  der  scala  der  leistungen 
wird  demnaoh  derletitere  tiefer,  vielleicht  weit  tiefer  stehen  als  jener, 
seine  gesammtnnmmer  wird  schlechter,  sein  ordnungsplatz  niedriger 
sein  als  bei  jenem,  aber  sein  sittlicher  wert  offenbar  höher,  ja  es  ist 
nicht  unwahrscheinlich,  dasz  er  auch  einmal  im  leben  einen  grosseren 
wert  gewinnt  als  jener,  obgleioh  sieh  das  ans  den  sehnljahren  noch 
nicht  bestimmt  beurteilen  Uni.  sucht  man  nun  auch  durch  das  ur- 
teil im  fleiss  dsa  gleiehgewicht  swischen  dem  moralischen  wertmass 
imd  dem  blossen  urteil  über  die  leistungen  einigermaszen  hersu- 
steUen,  so  sollte  msn  es  wenigstens  vermeiden,  durch  angäbe  der 
rangordnung,  durch  gesammtnummer  das  niederdrückende  auf  der 
erneu  und  die  ftdsdhe  erfaebung  auf  der  andern  seite  su  yerstärken« 

Ist  überdies  nun  noch  die  leistung  der  schüler  oft  nur  der  reflex 
der  lehrtbfttigkeit  des  lebrers,  der  seine  aufgäbe  gut  oder  schlecht 
▼ersteht,  und  kommt  daher  in  die  seugnisse  eine  Unsicherheit,  wie 
sie  bei  statistischen  feststellungen  nicht  yorhanden  sein  dürfte,  deren 
merlSssigkeit  gerade  Ton  der  Sicherheit  der  grundlage  abhSngt,  so 
iet  dss  noch  mehr  bei  den  betFagennummem  der  fall,  ftlle  einzelner 
Ungezogenheit  werden  summiert,  der  durchschnitt  aus  den  yerschie- 
denen  urteilen  wird  gezogen  und  nun  kommt  denn  ein  oft  wenig  zu- 
treffendes gesammtprädicat  heraus. 

Züge  man  nun  gar  aus  den  Zeugnissen  der  schulen  «ne  gesammt- 
tabelle,  so  dasz  man  die  einzelnen  schulen  rubricierte  nach  dem  pro« 
centsatz  guter  Zeugnisse,  so  geriethe  man  in  immer  gefShrliciim 
consequenzen.  abgesehen  von  den  falschen  Schlüssen  über  die  schulen, 
möchten  auch  leicht  nachteilige  Wirkungen  in  den  schulen  selbst  ent* 
stehen,  in  die  man  eine  falsche  concurrenz  hineintrüge. 

Eine  constatierung  der  versetzungsprocente  ist  allerdings  zweck- 
mäszig,  denn  filllt  die  rechnung  sehr  ungünstig  aus,  so  ergibt  sich, 
dasz  jedenfalls  etwas  nicht  in  Ordnung  ist.  aber  was?  der  grund 
kann  sein:  falsche  festsetzung  des  classenpensums ,  Ungeschick  oder 
trägheit  der  lehrer,  schwache  begabung  der  schüler,  welche  in  der 
mehrzahl  einer  aufgäbe  gegenüberstehen,  die  über  ihre  fähigkeit 
hinausgeht,  wie  sich  denn  zu  den  höhem  schulen  mit  der  berechtigung 
für  den  einjährig-freiwilligen  militärdienst  immer  eine  grosze  zahl 
von  Schülern  drängen,  welche  den  groszen  anforderungen  solcher 


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1 


466        Die  •tatutischan  anforderungen  an  cUo  schule  oaw. 

ftohulen  nicht  gewachsen  sind;  es  kann  endlich  auch  ein  falscher 
grnndsatz  bei  der  verseUang  verfolgt  werden,   so  wenig  sichere 
raoltato  gibt  aaoh  hier  die  Statistik,  deren  sifEBni  nur  die  gnindlage 
ga  weiterer  fondumg  kMlden  kOnim. 
Ziehen  wir  die  summe: 

1)  Der  Staat  bedarf  sowol  vom  gesondheitspolizeilichen  stand- 
pimete  ans  als  fttr  die  pftdaipigiaelie  orgaiiisation  und  aufsieht  ge- 
wisser statistischer  nachwasimgen ,  aber  dabei  wiss  er  a)  sich  der 
klaibeit  und  Sicherheit  der  gmadlage  seiner  fragen  nQglichst  yer- 
siebem  und  sich  b)  möglichster  qwraamkeit  befleiszigen,  auch  c)  sich 
vor  falschen  sohlAaBen  hüten  und  namentlich  das  Studium  der  tabellen 
durch  lebhaften  weeheelverkehr  seiner  aufsichtsbeamten  mit  dea 
ecbulen  (lehren  und  schtlleni)  ergänzen,  fruchtbare  anregimg  ist 
oft  wirksamer  als  gesteigerte  controUe  auf  statistischer  gnmdkge. 

2)  Aehnliches  gilt  von  den  etidtiechen  gemaindcn,  soweit  ifain 
sohnlen  unterstellt  sind. 

3)  Sokiie  feststellongent  welche  nur  in  grOszeren  perioden 
wert  nnd  bedentnng  haben,  sollen  nieht  fortwährend  etfätfindeo, 
sondern  nor  von  seit  sn  seit  auf  ihre  genaoigkeit  wieder  ontetsuiht 
werden. 

Wenn  z.  b.  einmal  durch  ausgedehnte  nntersuohnngen  das  nc- 
hiltnis  der  kOrpergrOsse  sn  der  eiuriehtong  der  sfbnlbHnke  asd 
tiscÄie  festgesetrt  wurde,  ist  fortwShrende  listenfUming  fiberfltssig. 

4)  Als  statistisehe  beobachtungsstation  für  die  Wissenschaft 
kann  die  schule  nur  ganz  ausnahmsweise  benutzt  werden. 

Auch  wenn  die  beabsichtigten,  statistischen  feststellungen  sich 
auf  das  p&dagogische  gebiet  selbst  beziehen  oder  ihm  zu  niitn 
kommen,  ist  grosse  vorsieht  und  enthaltsamkeit  n9tig;  denn  es  iit 
aufgäbe  der  schule  sn  ersiehen  und  zu  unterweisen,  nicht  tabeU« 
Uber  erzidiung  xmd  Unterweisung  auftustellen. 

5)  Die  statistischen  ÜBststdlungen  in  der  sdiule  selbst  zu  w- 
setzungszwecken  usw.  bedflrfen  einer  emstliehen  revision.  die  jetn- 
gen  methoden  fahren  oft  zu  unsichem,  ja  oflEenbar  fialilerhalten  n- 
sultaten,  sie  schieben  an  stelle  eines  lebendigen  wechselyerkdm 
zwischen  schülem  und  lehrem  eine  mechanische  tabellarisienmg 
unter,  gewöhnen  relative  masze  statt  der  absoluten  zu  gebraudieOt 
erwecken  oft  falsche  leidenschaften  und  liefern  kein  sicheres  masi 
für  den  wahren  wert  der  schüler. 

Die  Überschrift  dieses  aufsatzes  könnte  leicht  den  gedankene^ 
wecken,  es  solle  auch  von  der  Statistik  als  lehrg egenstand  in  der 
schule  gehandelt  werden ;  denn  von  gewissen  Seiten  möchte  man  ja 
auch  der  armen  schule,  wenigstens  der  realscbule,  noch  einen  cursus 
in  der  Statistik  aufnötigen ,  als  wenn  sie  nicht  schon  genug  zu  be- 
sorgen hätte ;  aber  so  war  es  nicht  gemeint,  also  darüber  nur  dieses, 
gelegentlich  wird  man,  sowol  im  rechenunterricht  als  in  dergeo* 


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Lateinische  lesebücher. 


467 


graphie  und  geschichte  auf  gewisse  statistische  elemente  stoszen,  und 
da  mag  denn  die  gelegenheit  benutzt  werden,  auch  die  gefahr  falscher 
Schlüsse  aus  statistischen  feststellungen  zu  zeigen  und  einige  an- 
schauung  richtiger  feststellungen  zu  geben,  aber  das  nenne  man 
dann  nur  nicht  Statistik,  so  dasz  sich  der  schüler  einbildet,  er  habe 
nun  unter  den  vielen  speisen ,  die  ihm  in  der  schule  vorgesetzt  wer- 
den, einmal  wieder  ein  neues  gericht  genossen,  die  zeit  zur  Stillung 
des  statistischen  appetits  ist  nicht  die  Schulzeit. 

FiumcruBT    M.  F«  Eiselbn. 


50. 

LATEINISCHE  LESEBÜCHER. 


LATEINISCHES  LESEBUCH.  ERSTE  ABTEILUNO.  FÜR  DIE  QUARTA  DER 
GYMNASIEN  UND  DIE  MITTLEREN  CLASSEN  DER  REALSCHULEN.  BE- 
ARBEITET VON  DR.  uiciiARD  UOCHE.  Leipzig,  Ii.  G.  Teubuer. 
1871. 

Hierzu :  Wörterbuch  zu  der  ersten  Abteilung  des  lateinischen 
LESEBUCHS  VON  DR.  RICHARD  HOCHE.  Leipzig,  B.  G.  Teubuer. 
1871. 

DKR  KLEINE  LIVIUS.  FÜR  MITTLERE  GYMNASIALCLA88EN.  BEARBEITET 
VON  M.  ROTHERT.  ERSTES  HEFT.  BUCH  I.  ZWEITE  VERBESSERTE 
AUFLAGE.     ZWEITER   ABDRUCK.     MIT   EINEM   PLANE    DES  ALTEN 

ROMS  UND  EINEM  WÖRTERBUCHS.  Braunschweig ,  George  Wester- 
mann. 1866. 

LATEINISCHES  LESEBUCH  AUS  LIVIUS.  FÜR  DIE  QUARTA  DER  GYMNA- 
SIEN UND  DIE  ENTSPRECHENDEN  CLASSEN  DER  REALSCHULEN  VON 

DR.  G.  WELL  ER.    NEUNTE  AUFLAGE.    Hüdburghausen,  Ke&sel- 

ringsche  hofbuchhandlung.  1875. 
Dazu:  WÖRTERVERZEICHNIS  ZU  WELLERS  LATEINISCHEM  LESEBUCH 
AUS   LIVIUS.     DRITTE  VERMEHRTE  UND  VERBESSERTE  AUFLAGE. 

Hüdburghausen,  KeBselriugscbe  hofbuchhandlung.  1872. 

Das  älteste  der  oben  verzeichneten  lesebücher  ist  Rotherts  kleiner 
Livius,  der  auf  57  Seiten  die  geschichte  Roms  von  der  sagenhaften 
gründung  bis  zum  regifugium,  also  gewissermaszen  ein  abgeschlosse- 
nes ganze,  in  einer  bearbeitung  des  ersten  buches  des  Livius  ent- 
bSlt.  der  inhalt  gerade  dieses  buches  eignet  sich  für  diejenige  alters- 
stufe,  welcher  der  kleine  Livius  zugedacht  ist,  ganz  voi-trelflich. 
Rotherts  auswahl  des  stoffes  aus  dem  original  ist  so  getroffen ,  dasz 
alles  wesentliche  beibehalten  ist  und  der  faden  der  erzählung  nie- 
mals durchschnitten  wird,  die  interessanten  excurse  über  Institu- 
tionen, Sitten  und  gebräuche  sind  an  ihrer  stelle  mit  übernommen; 


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468 


Lateiniiche  lesebflcher. 


beispielsweise  nenne  ich  hier  den  passus  über  die  eigentümliche  art 
der  römischen  kriegserklärung  (c.  32  c  nnd  d),  femer  die  forme) 
der  eapiiiÜAlion  (c.  38  a).  reicht  »ber  das  mierial  quantitativ  för 
die  quarta  und  die  entepreolMiideii  realclassen  aas?  für  ein  jähr 
allea&Ui;  allein  da  man  bei  der  erleichterten  ausgäbe  auch  eine 
grosse  ansahl  von  abschnitten  bewältigen  kann,  Toransgesetzt,  daa 
der  Schriftsteller  nicht  zum  tummelplatz  der  grammaiisehen  übnng 
gemacht  wird ,  so  dürfte  den  schfllem,  welche  den  cnrsns  der  dam 
zum  zweiten  male  dorobmachen  müssen,  nichts  oder  nur  ein  geringer 
braditeil  des  ganzen  als  neuer  sioff  reserviert  bleiben,  hier  zeigt 
sich  also  in  dem  geringen  umfang  des  heftdiens  ein  nieht  unerheb- 
licher naehteil,  dem  erst  doreh  eine  erweiterte  aufläge  abgeholfen 
werden  müste;  denn  die  Yom  yerf.  pablicierten  folgenden  hefte  sind 
fttr  eine  höhere  classe  berechnet,  so  viel  über  answahl  nnd  mnfaiig. 
den  text  des  ÜTins  hat  B.  so  bearbeitet,  dass  w  den  satsban  b68oa* 
ders  dnreh  nmwfndlQng  der  nnteigeoidneten  sfttse  in  nebengecnl- 
nete  yereinfochte,  lln^re  perioden  in  kOnere  sfttie  serl^gte  sni 
somit  dem  schüler  das  ftbera^ien  erleiciiterte.  doch  sind  lue  und  dt 
einige  stellen  dorol^gesclilflpft,  deren  fassong  dem  standpnnct  d« 
schäers  noch  nicht  genügend  nahe  gebracht  ist  sonst  sind  die 
Sndeningen  meist  so  gehalten,  dass  die  eigentfimlichkeit  des  origi- 
nales, namentlich  die  poetische  ftrbnnff,  thnnlicbst  gewahrt  bheb. 
wenn  wir  das  wie  bei  den  meisten  umformongen  gelten  lassen  und 
dem  geschieh  der  gestaltenden  hand  nnsere  anerkennnng  nicht  w 
sagen,  so  moss  aber  anderseits  entschieden  dagegen  Terwahmng  ein- 
gelegt werden,  dass  stellen,  die  an  sich  keine  Schwierigkeiten  bietea, 
willkürlich  geSndert  sind,  die  yergleichnng  eines  Stückes  in  oi^ 
nsl  und  bearbeitnng  wird  die  begrflndnng  der  vorwürfe  zeigen. 


Bothert  c.  60  a  und  b. 

Harum  remm  nunciis  in]castra 
perlatis,  rez  trepidos  pergit 
Bomam  ad  comprimendos  motus ; 
eiusque  adventum  sentit  Brutus 
flectitque  viam,  ne  obvius  fierei 
ita  eodem  fere  tempore  diversis 
itineribus  Bratas  Ardeam,  Tar- 
quinius  Bomam  veniont.  Tar- 
quinio  clauduntor  portae,  ezsi- 
liumque  indicitor;  liberatorem 
nrbis  castra  laeta  accipiunt;  ezi- 
guntnr  inde  libri  regia, 

Duo  Tarquinii  patrem  secuti 
sunt,  eisulatumque  Caere  inEtms- 
cos  iemnt. 

die  beseitigung  von  re  nova  mag  noch  zugestanden  werden,  sonst 
aber  lag  zur  änderung  kein  grund  vor.  —  üm  dem  schtüer  (he  con- 


Liv.  (ed.  Weissenb.)  I  60. 

Harum  rerum  nuntiis  in  castrs 
perlatis  cum  re  nova  trepidus  rex 
pergeret  Romam  ad  comprimen- 
dos motus,  flexit  yiam  Brutus  — 
senserat  enim  adventum  —  ne 
obvius  fieret;  eodemque  fere  tem- 
pore diversis  itineribus  Brutus  Ar« 
deam,  Tarqninios  Bomam  vene« 
runt.  Tarquinio  dausae'portie 
exiliumqueindictum;  liberatorem 
urbis  laeta  castra  accepere,  exaeti* 
que  inde  libri  r^gis*  duo  patrem 
secuti  sunt,  qni  exulatum  CsflM 
in  Etruscos  iemnt. 


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Lateiniache  lesebfloher. 


«truction  zu  erleichtern  hat  R.  bei  den  infinitiven  und  participial- 
jslktzen  das  komma  eingeführt,  ich  glaube  nicht  zum  vorteil  des  Unter- 
richts, die  meisten  unserer  elementarübungsbtLcher  verzichten  auf 
diese  hilfe  schon  auf  der  früheren  stufe;  es  istnaeliber  sehr  schweTi 
den  flObtUer  (in  schriftlichen  Übungen)  von  dieser  gewöhnung  abzu- 
bringen, ein  nodh  gröszerer  übelstand  beim  gebrauch  des  Besehen 
Livius  ist  die  veraltete  Orthographie  des  textes,  die  mit  der  in  den 
jetzigen  texten  und  Übungsbüchern  gebräuchlichen  unvereinbar  ist 
•und  in  der  schule  sich  sIGreDd  bemerkbar  macht,  dazu  ist  aie  nicht 
einmal  in  aieh  eelbst  oonseqnent:  während  z.  b*  7^  causam  steht, 
wird  33  a  eoUBsa  gelesen,  im  Wörterbuch  wieder  causa  ]  aoUemrUsque 
20  Cy  dagegen  ioOmnes  9  c  und  35  wGrterbneh  Btiümim8\  promptissi' 
mis  54  hy  pronUus  wörterbueb«  eine  engere  oorrespondenz  zwischen 
text  und  Wörterbuch  wftre  wegen  des  geringen  kenntnisstandes  des 
Schülers  anf  dieser  stufe  wünschenswert  gewesen;  hier  zeigen  sieh 
«ber  discrepttisen  wie  cormimu  88 wOrterbnch  nur  conmxus;  ck* 
4M%bai  9d,  wOrterbneh  nur  amumikre,  am  wISrterbneh  selbst  haben 
wir  noch  erhebliche  ansstellungen  sa  machen,  die  qnantitlt  der  vor- 
letzten Silbe,  derm  durchgehende  beieiehnnng  der  bearheiter,  naoh 
dem  gesammtverüsbren  zu  urteilen,  ohne  zweifei  beabsiehtigte,  ist 
sieht  vermerkt  in  oeoedo,  eomeeäo  (dagegen  bei  den  übrigen  comp^. 
von  ceäo)\  femer  nioht  in  mtfero^  äsfaro^  kifero  (dooh  rid^tlg  alßro. 
conißro  usw.),  cimfiio^  degpoito  (sonst  bei  allen  compp.  von  ikmio), 

ikua.  fidsch  angegeben  sind  (diruo)  dtTM^wm,  (relinquo)  räXqui^ 
(loeoples)  heitpU^y  (obruo)  oMMm.  ungenau  sind  die  n<aiinatiT- 
angaben  ops  (audi  bei  H.)  und  jmc;  bei  tusiufVNMliim  war  (auch  bei 
W.)  der  genetiv  auszuschreiben,  an  draser  stelle  mag  noch  mit  er- 
wShnt  werden,  dasz  im  texte  ein  ablai  hov&ms  durchgeschlüpft 
ist.  die  verba  sind  in  ttuszerst  flüchtiger  weise  verzeiehnet  worden: 
ifiiliüeo  und  inerepo  werden  kurz  mit  1  abgethsn;  praejpiMeo  wird 
mit  einem  perfect,  appareo^  areeo  (W.),  eansisto  (H.  W.),  eomio, 
disco^  expasco,  horreo,  incido,  lugeo  (W.),  metm^  oM>  (W.),  pertkm 
mit  dnem  supinum  Tcrsehen.  miiceo  erscheint  mit  einem  sup.  misei- 
iuf»\\  u.  a.  m.  Überhaupt  aber  sind  die  Stammformen  der  verba 
nachl&ssig  und  teilweise  so  angegeben,  dasz  der  schüler  über  die 
bildung  von  pf.  und  s.  zu  falschem  Schlüsse  gelangen  kann. 
—  Einige  vocabeln  sind  in  nicht  empfehlenswerter  weise  ver- 
deutscht worden:  exauguratio  ausweibung,  ferox  kampfstich- 
tig,  iuniores  jungmänner,  seniores  altmänner,  parricidium 
blutsmord,  ruptor  brecher,  decuria  decurie,  zehnmannei! 
ambitio  gunst such erei !  ambitiöse  gu nstßuch erisch ! ! —  Ks 
fehlen  im  index  folgende  worte:  armilla  11c,  accipio  33a,  demum 
AldyCO  ( —  quo)  25 e,  hodie  48 c,  inesse  57  ?>,  (unter  integer:)  de  integro 
36a,  (impense)  impensius  40a,  46  6, 7nodo  26/",  37a,  neve  52^^,  ni 
50  d,  nuhere  46rf,  nuptiae  46/',  perfetre  QOa^  praeterea  43^,  sacer- 
dotium  466,  scderatus  48  c,  59  a,  spernere  35^,  violentus  46  d.  auch 


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470 


LoteiniBche  lesebücher. 


der  mangel  der  eigennamen  im  Wörterbuch  darf  nicht  ungerügt 
bleiben;  dafür  hfttten  die  Zahlwörter  wol  ausgelassen  werden  können, 
endlich  ist  für  die  nttchste  aaflage  die  anwendung  gröszera 
druckes  so  wol  im  lesebncb  als  ün  Wörterverzeichnis  unbedingt  e^ 
forderlich,  einer  überarbeitiiiig  nach  den  oben  angedeuteten  sutn 
bin  wird  sich  der  henm^geber  nicht  entliehen  können,  wenn  diees 
kleine  Livias  die  coneomns  mit  andern  arbeiten  derselben  gattong, 
namentlich  mit  den  beiden  noch  näher  «i  besprechenden  lesebttchen 
▼on  Weller  und  Hoche  bestehen  soll.  —  An  druckfehlem  sind  mir 
nnfgSBtoszen :  p.  III  Kaiserthum;  lg  (accipere  se)  sind  die  anfoh- 
mngsseiehen  in  der  indirecten  rede  beibehalten;  30a  lies  hdiMan' 
tu/t  fttr  had^UKntmr*^  40  a  fehlt  ein  komma  naish  Tarqainins;  flä 
versehen  liegt  TOr  505  z.  9;  59  a  masz  nach  ferro  statt  des  punctes 
nn  konuna  gesetrt  werden;  im  wörterbnch  sind  bei  taikmmho  md 
tSBigo  die  coigugationszahlen  4  and  3  vertauscht. 

Ein  jähr  naeh  Botherts  aiMt  (1852)  eieehieii  WeUeiB  latoi- 
nisdies  lesebaoh  ans  Livins  imn  ersten  male  und  ist  seitdsii 
mehrftoh  wiedeiliolt  worden,  in  betreff  der  snswalil  nntencbeidit 
sidi  dieee  obrsstomatlile,  die  ihre  Torsohole  and  ihr  seitensiflok 
in  dem  bewihrten  latnniselm  lesebaoh  (sosammenhtngende  ei^ 
sBhlnngen  aosHerodet,  vgl.  den  beriebt  in  dieser  aeitsdffift  18761) 
ftr  qointa  hat,  von  dem  eben  besprochenen  kleinen  LiTias  ds- 
dardiy  dasz  aasser  den  entthlangen  dee  ersten  baches,  die  nnr  9ätm% 
den  Herten  teil  der  gonien  sanmdnng  ausmachen  (231  s.),  aack 
noch  aas  andern  bllehem  der  ersten  deeade  giOsiere  und  kleinsn 
abschnitte  heraaigehoben  sind,  material  Ist  idso  flberreichlkh  vor- 
handen, die  xa  den  ersKhlangen  des  ersten  boches  himakoinraeodei 
stücke  enthslten:  verschwdrang  der  Wfanisdien  jüngUnge ,  schlaekt 
am  walde  Ärsia,  krieg  mit  Pofsena,  schladit  am  see  BegUlns,  aas- 
zog  des  Tolkes,'Cariolan,  der  antergang  der  Fabier,  L.  Qainetiu 
Cinchinatas,  die  decemvim,  erobemng  von  Veji,  eroberang  Bobs 
dorch  die  Gallier,  M.  Manlias  Oapitolinus,  die  Licinischen  gesetze, 
Marens  Cartias,  T.  Manlias  Torquatos,  M.  Valerias  Corvns,  erster 
Sftmniterkiieg,  der  laünisohe  krieg,  L.  Papirins  Carsor  und  Q.  Y9r 
bias  Ballianus ,  einsohlieszung  der  Börner  in  den  caudinischen  eng- 
pSssen,  Schlacht  bei  Sentinum.  in  der  art  der  bearbeitung  unter- 
scheidet sich  W.s  methode  wesentlich  von  der  Rothertschen ,  da  der 
Livianischen  eigenttimlicLkeit  insofern  noch  mehr  rechnung  getragen 
ist,  als  W.  bei  schwierigen  perioden  in  geringerem  maszstabe  das 
auskunftsmittel  der  Verwandlung  subordinierter  sätze  in  coordinierte 
angewandt  hat  und  dafür  die  erleich terung  durch  tilgen  entbehrlicher 
Zwischensätze,  änderung  der  Wortstellung,  auflösung  der  künstlichen 
redefiguren  oder  einführung  gröszerer  interpunctionen  zu  erreichen 
gesucht  hat.  in  verschiedenen  partien  der  ersten  abschnitte  hat 
W.  seine  aufgäbe  recht  geschickt  gelöst,  und  seine  Überarbeitung  hat 
mehr  als  die  vorhin  besprochene  den  Livianischen  Charakter  be- 
wahrt, allein  sei  es  nun ,  dasz  er  die  genannten  mittel  nicht  oft  ge- 


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Lateiniaohe  lesebücher. 


nug  angewandt  hat,  oder  dasz  sie  hier  und  da  für  den  vorliegenden 
zweck  nicht  ausreichten ,  der  schüler  gelangt  bei  ihm  gar  zu  schnell 
zu  stücken,  deren  schwierige  perioden  seine  leistungsfäbigkeit  über- 
steigen, besonders  für  die  entsprechenden  classen  der  realschnlAD» 
welchen  W.  doch  ebenfaUs  sein  buch  bestimmt  hat,  wäre  eine 
grOszere  partie  leichterer  und  mitielschwerer  stücke  erwünscht,  in*» 
dem  ich  die  aasführliche  wiedergäbe  eines  Vergleichs  Init  andern 
iedaeti0iistt  vorlttafig  unterlasse,  bemerke  ich  noeh,  daas  an  gleichen 
stellen  W.  meist  die  schwierigste,  oder  genauer,  die  zu  schwierige 
fassang  gegeben  hat,  u.  a.  vergl.  (Liv.  I  27)  W,  V  12  (p.  26  igitur 
ut  prius  etc.) ;  (Liv.  1 28)  W.  V  14  (p.  28  nam  ne  vos  etc.) ;  (Liv.  1 29) 
W.yi6  (p.  29  quae  ubi  portas  etc.  u.  d.  folgende  satz)  und  dieentl" 
sprechenden  stellen  bei  B.  und  H.  für  spätere  abschnitte  stimmen 
wir  dem  verfahren  des  verf.  (vgl.  praef.  p.  VI:  ^neque  tarnen  nihil 
tsäfim^  praedpue  in  posterioribus  Uhri  partibusj  qnod  ad  exercendom 
pneromm  aenmen  vahsiet')  voUstttndig  bei  und  können  den  fttr  diesen 
zweck  revidierten  text  weit  eher  gnt  heisaen.  —  Eine  nene  aufläge» 
für  die  wir  unsere  obigen  bemerkungeit  anr  erwägung  stellen,  wird, 
wie  wir  nach  dem  Vorwort  der  letsten  ausgäbe  (1877)  des  kleinen 
Herodot  schlieszen  dürfen,  in  der  Orthographie  der  neuen  gestaltong 
derselben  aeconunodiert  werden.  —  Das  von  W.  dem  keebnche  bei- 
gegebene w(Srterbueh  hat  vor  dm  Bothertsohen  den  vonug  grOezerer 
vdlstSndigkeit,  da  alle  eigennamen  veneichnet  und  erklärt  sind» 
und  besserer  ttbenetoungan«  manches  von  denii  was  ich  an  des  ver- 
fusers  wOrt«rbuch  x.  lat.  Herodot  in  diesen  jahrb.  (1876 1)  bemerkti 
Imm  voßh  fllr  den  voriiegonden  index  gelten  und  braucht  daher 
Bieht  wiederholt  lu  werden,  wie  eine  beeeitigang  jener  ungmiauiy- 
kdten  jetat  erfolgt  ist,  wird  auch  hier  bei  einer  neuen  revision 
eiiie  solche  gewis  vorgenommen  werden,  ich  möchte  fttr  diesen  &11 
Boeh  eine  grössere  oonsequena  in  der  angäbe  der  quantität  empfoh- 
len haben*  die  jetoge  aufläge  gibt  notdi:  Uuaikido  —  magnUüdo; 
tsUgmku  —  BoäHas;  memorabäa  —  fioMUs;  aequaUs  —  moHSUs 
usw.  nebeneinander.  —  Druckfehler  sind;  adeo  statt  äbeo,  faskis 
Btatt  fauOuSj  instus  statt  insUus^  interiacio  statt  Merioeso,  (fwlo) 
noMy  p^rimo  statt  perimo^  pristinns  statt  pristmuSy  unter  «ocri- 
ficulm  n.  statt  m.y  stahtlitas  statt  stahüttas.  sonst  ist  der  druck 
gut  and  namentlich  im  texte  recht  deutlich. 

Während  die  beiden  eben  besprochenen  bücher  uns  auschliesz- 
lieh  lesestücke  aus  und  nach  Livius  bieten,  hat  Ho  che  in  seinem 
lesebuche  nur  den  ersten  teil  (73  s.)  dem  römischen  geschichtsschrei- 
ber  eingeräumt,  weiterhin  von  s.  73 — 165  erzählungen  aus  Justin 
eingereiht  und  endlich  noch  einen  anhang  kleinerer  abschnitte  aus 
Cicero  (s.  165 — 177)  sowie  eine  anzahl  (36)  fabeln  aus  Phädrus 
(s.  177 — 192)  beigegeben,  eine  auswahl  aus  Livius  für  quarta  wird 
als  das  geeignetste  in  erster  linie  immer  die  ansprechenden  bistorien 
des  I  buches  berücksichtigen  müssen ,  und  so  hat  denn  auch  H.  die- 
ser forderung  in  vollem  um&nge  rechnung  getragen,  auszerdem 


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472  Lateiniiche  lesebficber. 


Aber  folgende  abschnitte  aus  der  gescbichte  der  beiden  ersten  Jahr- 
hunderte des  freistaates  bearbeitet:  die  ersten  jähre  der  repnblik, 
die  begrüadimg  dee  volkstribmiaies,  Coriolan,  die  decemvim,  die 
erobemng  von  Veji,  die  Gallier  in  Bon,  der  Latinerkri^,  T.  Man- 
lins  Torquatos,  die  candiniechen  pftsse.  die  Idmngeftlgten  ct|Mlal 
enthalten  also  noch  diejenigen  erzählimgen  der  rOmischen  ▼«^B- 
schichte,  #elohe  durch  pertOnliohkeiten  nnd  ereignisse  bei  dem  n* 
f&nger  hervorragendes  interesae  za  week»  und  zu  fördern  geeignet 
sind,  die  orientalisohe  und  griechische  geeckichte  ist  im  II  tdl  düek 
folgende  erzählungen  ans  Justin  vertreten :  Assyrien,  Asi^fages  und 
OjruSf  thaten  des  Cyms;  CambTMt,  die  magier,  Darena;  Atbea, 
echladit  bei  Maratbon;  Xerxes,  iwelter  persischer  krieg;  Sparta, 
Lyoorgns;  die  metseniscken  kriege;  zwisÜgkeiten  mit  Athen;  Sid- 
lien,  «Spedition  der  Athener;  AJcibiades,  ende  dee  peloponnesiscbeB 
krieges;  die  30  Tyrannen;  Tbrasybidns;  Agesilana,  Epaminondas, 
Pbüipp  TOtt  Maoedoaien,  Aleiandier  der  groflie,  der  lamiacbe  kri^, 
Pyrrbne  T.Ep.;  Cartbago^  die  beiden  Dionysia^  Hanno  t.  Garlhigo, 
Agatboklea,  Hiero,  die  GalQ^  ia.Maoedonienf  Philipp  HI  yon  ¥aee- 
donien,  Antioebna  von  Syrien;  die  Aetokr  nnd  Pbifipp;  Perseu 
Ton  Maeedonien;  die  Aetäer  nnd  Adiier.  ea  ist  damit  ein  Schrift- 
steller wieder  an  ehren  gebracht,  der  im  mitlelalter  an  den  popolir 
aten  aatoren  gehörte,  die  angefahrte  answabl  berObrt  das  wiehtigike 
der  ansserrOmisdien  alten  geschidite«  das  material  dieses  tbeiles  iit 
so  reichhaltig,  dass  der  lelurer  je  nadi  nmÜEmg  der  cnrse  nnd  je  sidi 
dem  standpuncte  der  classe  seine  disposition  Aber  das  speeielle  pen- 
snm  treffen  kann,  sehr  sweekmteig  Isssen  sieh  einselne  abschnitte 
an  die  lotsten  Liviamschen  erslUungen  ansddiesEen  (Pyrrhus,  Cl^ 
ihago  nsw.).  ans  Cicero  s^nd  14  fragmente  angereibt:  Selon,  Leo- 
nidas,  Themistodes,  Alexander  d.  g.,  IMonymna  d.  ^  Aratns,  Cjms 
d.  j.,  Sunonides,  Sooratee,  Demostbenes,  die  besten  kOche,  todtfls- 
bestattnng  in  Atiien,  wahrsagerei  bei  den  Orientalen,  merkwürdiger 
traom.  man  brandit  die  stClcke  nicht  nacheinander  durchzunehmen, 
sondern  kann  sie  gelegentlich  zur  ergftnzung  der  rein  historisches 
abschnitte  verwenden,  z.  b.  die  erzählung  *die  besten  köche'  nach 
dem  capitel  'Spai*ta'  usw.  auszerhalb  des  historischen  gebiets  liegt 
der  IV  teil,  36  fabeln  aus  Pbadrus,  mit  welchen  die  Chrestomathie 
geförderten  classen  die  annehmlichkeit  weiterer  abwecbslung  bietet. 
—  Die  Verschiedenheit  der  einzelnen  Abteilungen  bewirkt  an  ^ich 
schon  Unterscheidungen  im  übersetzungsstoff,  die  für  den  gebrauch 
in  realschulen  und  höheren  bürgerschulen ,  welche  das  buch  auf 
mehreren  stufen  gebrauchen,  besonders  günstig  sind.  —  In  der  be- 
handlung  des  originales  der  beiden  hauptpartien  —  Livius  und 
Justin  —  hat  H.  durch  Zerlegung  gröszerer  sätze  in  einfache,  durch 
Äusscheidung  unbedeutender  Satzglieder  die  Schwierigkeiten  auf  die 
richtige  masz  reduciert  und  einen  text  geschaffen,  welcher  dem 
wissen  und  dem  fassungsvermögen  der  betr.  altersstufe  durchaus 
angemessen  ist,  da  er  dem  schüler  sätze  bietet,  die  derselbe  über- 


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Latemische  lesebücher. 


473 


sehen  und  damit  bewältigen  lernen  kann,  soll  der  knabe  lost  an 
der  lecture  bekommen  und  behalten,  so  musz  es  auch  rüstig  Yor- 
wftrts  gehen;  hier  eimttdet  ein  langer  zurückgelegter  weg  nicht, 
fiondem  errnntigt  zum  weitem  fortschreiten,  dasz  gründliohkeit  und 
richtiges  Tentlbidnis  darunter  nicht  leiden,  hat  der  lehrer  in  der 
band,  zur  veranschttaliehiiiig  der  H.schen  bearbeitung  setze  ich  ein 
Stück  (p.  14)  hierher,  an  dem  sieh  nebenbei  der  vergleich  mit  den 
entspreehenden  redaetionen  seiner  voxginger  anstellen  Utsst. 


LiT.  I  29 :      I     Bothert : 

Quae  ubiititravere  Quae  ubi  intra- 
portas ,  non  qui-  j  vere  p., n.  q.  f .  t. 
dem  fuit  tumultus  j  ille ,  nec  pavor, 
illenecpavor,  qua- !  q.  c.  esse  urbi- 
lis  captaruin  esse  um  solet,  quum 
urbium  solet,  cum  effr.porti8,stra- 


effractis  portis 
stratisve  ariete 
muris  aut  arce  vi 
capta  clamorhosti- 
lis  et  cursus  per 
urbem  armatorum 
omnia  ferro  fiam- 
maque  miscet,  sed 
Silentium  triste  ac 
tadta  maestitia  ita 
defizit  omninm 
animos,  ut  prae 
metu  obliti,  quid 
relinquerent,  quid 
secam  ferrent,  de- 
ficiente  consilio 
rogitantesque  alii 
alios  rnme  in  limi- 
nibus  starent,  nuno 
errabundi  domos 
suas  ultimum  illad 
Tisuri  penragaren- 
tor. 


tisve  a.  muris, 
aut  a,  V.  c.  per 
urbem  cum  la- 
mentatione  tre- 
pidant  victi,  in 
omnia  ferro 
flammaque  sae- 
viunt  victores: 
sed  silentiom 
triste  a.  t.  m.  i» 

d.  0.  a.,  nt  p. 
m.oblivi8ceren- 
tur,  quid  relin* 
querent ,  quid 
sec.  f.;  ut  de- 
ficeret  consili- 
um  rogitarent- 
que  alii  alios; 
utnuncstapen- 
tes  in  L  st.  n. 

e.  d.  suas,  xü- 
ümum  illas  y«. 


Weller: 

Q.  u.  portas  in- 
traverunt,  n.  q. 
t.  ac  pavor  fuit, 
qualis  capta- 
rum  u.  esse 
solet,  quum 
portis  eflfr actis 
murisve  a.  stra- 
tis  clamor  ho- 
stilis  et  arma- 
torum per  ur- 
bem cursus  om- 
nia ferro  flam- 
maque miscet: 
sed  triste  silen- 
tium  a.  t.  m.  L 
omnium  ani- 
mos defixit,  ut 
p.  m.  obliyisce- 
rentur,  quid 
relinquerent,  q. 
sec.  f.,  et  inopes 
consilii,  aliis 
alium  rogitan- 
tes,  nuno  in  L 
st.,  n.  domos 
suas  ultimum 
eas  yisuri,  per- 
YSgarentur. 


Hoche : 

Q.  u.  intravere 
portas,  non  qui- 
dem  f.  t.  nec 
pavor,  sed  Si- 
lentium triste 
ac  tacita  mae- 
stitia defixit 
omnium  ani- 
mos. prae  metu 
obliti ,  quid 
relinquerent, 
quid  sec.  f., 
nunc  in  limini- 
bus  stant,  nunc 
domus  suas  ul- 
timum visuri 
pervagantur. 


penragarentur. 

dies  beispiel ,  dem  ich  viele  andere  folgen  lassen  könnte ,  zeigt,  dasz 
H.  seinen  quartaner  richtig  taxiert  hat ,  der  mit  der  hier  gebotenen, 
immerhin  noch  Livianisch  angehauchten  satzform  fertig  werden 
kann,  jene  beiden  schwierigeren  redaetionen  aber  wird  nur  ein  teil 
der  Schüler  und  auch  dieser  nur  mit  vieler  nachhilfe  bewältigen, 
ohne  dasz  die  poetisch  schöne  diction,  deren  wegen  so  wenig  ge- 
ändert ist,  in  ihnen  auch  nur  unbewust  den  eindruck  einer  kunst- 
vollen darstell ung  hinterläszt.  anderseits  hat  sich  H.  auch  unnötiger 

n.  jährt»,  f.  phU.  a.  pid.  IL  sbu  1878.  hft  10.  31 


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474        Mitteilangeii  der  deuttchen  gesellichaft  in  Leipzig. 

ündeniDgeD,  wie  wir  sio  bei  R.  gefunden,  enthalten;  vergl.  z.  b.  Li?. 
I  60  und  Hoche  7,  §  24  (p.  27).  —  Der  druck  des  lesebuchs  wie 
auch  des  Wörterverzeichnisses  ist,  was  wir  bei  einem  Schulbuch  be- 
sonders betonen ,  correct ,  grosz  und  deutlich.  —  Das  eben  erwänte 
Wörterbuch  ist  von  den  bisher  besprochenen  entschieden  am  besten 
gearbeitet,  es  schlieszt  pronomina,  zahlen,  bekanntere  conjimctionea 
ans  I  enfcreekt  sieh  aber  auf  die  geschichtlichen  und  geographischen 
ejgeiiiitmeii.  bei  don  grooen  nrnftoge  des  stoffiss  will  es  nicht  viel 
sagen 9  wenn  in  der  ersten  ausgäbe  einige  wenige  werte  Überganges 
sind,  nemlich  deprecatio  (p.  113  §  6),  elicere  (p.  69  §  11),  ez- 
interare  (p.  75  §  4),  exportare  (p.  119  §  27),  funebris (p.8 
§  8),  navigabilis  (p.  126  §  51),  paganns  (p.  144  §  11),  pagus 
(p.  1  §  1),  pudibundus  (p.  147  §  24),  secessio  (p.  47  §  2b\ 
snbministrare  (p.  102  §  12),  superindacere  (p.  83  §  3).  die 
quantität  ist  sorgflUtig  bezeichnet;  in  einer  prfifong  der  buchstaben 
by  d,  e,  f,  g,  1,  m  und  t  habe  ich  die  seichen  nnr  in  fetialis, 
gabernator,  tabula  und  theatrnm  yermiszt.  —  Nach  dem  ge- 
sagten kann  H.8  lesebuch  nach  anläge,  inhalt  und  aosflibning  als 
das  bei  weitem  geeignetste  hüfemiUel  Ar  den  yorgesohriebenen 
sweck  empfohlen  weideii« 

EiSENAOB*  £.  Ludwig. 


61. 

MITTEILUNGKN    DHU   DEUTSCHEN    GESELLSCHAFT   ZUR  ERFORSCiiUNö 
VATERLÄNDISCHER  SPRACHE  UND  ALTERTÜMER  lH  LEIPZIG.  VI  BD. 

Leipzig  1877. 

Die  deatsche  gesellsehaft  in  Leipsig,  die  seit  dem  jähre  1697 
besteht,  hat  vor  knraem  den  6n  band  ibrer  miiteilüBgen  TerOffiBnt- 
licht.  derselbe  enthttlt  einen  vertrag  von  dr.  Bmno  Stdbel:  "die 
deutsche  geseUschaft  in  Leipzig  von  ihrem  entstehen  bis  cor  gegen- 
wart^  sie  ist,  ausser  dem  Pegnitnsehen  blnmenorden  in  Nflmberg, 
der  Slteste  verein  im  deutsehen  reidie;  sie  gehOrt  zu  den  sprM^ 
gesellsehaften,  deren  erste  der  palmenorden  war,  gestiftet  1617. 
fttrst  Ludwig  von  Anhalt  war  das  erste  oberhaiq^t  dieses  ordens. 
sehen  1619  entstand  naeh  dem  muster  dieses  ordens  ein  neuer,  eis 
frauenordMi,  die  HngendHehe  gesellsehaft*,  gestiftet  von  AnnaSqphis 
grSfin  von  Sehwarsbnrg-Budolstadt,  der  sehwester  Ludwige. 

Die  tngendliche  gesellsehaft  war  bisher  hat  ginslieh  unbekannt 
über  sie  handelt  ansfihrlieh  das  2e  stflek  dieses  6n  bandes,  verfi»t 
von  dr.  Franz  Dix.  unter  den  drei  abhaadlungen  des  bandes  —  ^ 
dritte  von  A.  Biehter:  'ttber  deutsehe  kindeneime'  —  ist  sie  di» 
nm&ngreiehste,  und  da  ihr  gegenständ  wol  den  meisten  imserff 


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Mitteilungen  der  deutechen  geBellscbai't  in  Leipzig.  475 

leser  imbekannt  sein  dürfte,  wollen  wir  Uber  sie  hier  etwas  ein- 
gehender berichten. 

Die  gesellschaft,  deren  stiftungstag  der  5  sept.  1619,  bestand 
ursprünglich  aus  neun  ^weibespersonen  fürstlichen  und  gräflichen 
Standes',  die  auf  dem  gräflichen  haus  zu  Rudolstadt  zusammentraten, 
um  gemeinsam  nach  tugend  und  ehre  zu  streben,  ihr  Sinnbild  war 
ein  tisch,  bedecket  mit  einem  weiszen  seidenen  teppich,  darauf  kröne 
und  scepter  liegen;  ihr  Wahlspruch:  tugend  bringt  ehre,  am  8  mai 
1632  hatte  die  gesellschaft  73  mitglieder.  neue  werden  nun  nur 
aufgenommen  in  die  durch  den  tod  entstandenen  lücken.  so  noch 
im  jähre  1650.  nur  angehörige  des  protestantischen  bekenn tnisses 
konnten  aufgenommen  werden,  am  8  mai  1632  waren  in  der  gesell- 
schaft vertreten  34  familien,  darunter  die  regentenfamilien  von  An- 
halt, Brandenburg,  Hessen,  Nassau,  Oldenburg,  Pfalz,  Pommern, 
Prensien,  Beuss,  Sachsen,  Schwarzburg,  Würtemberg. 

Die  Schriften  der  gesellschaft  liegen  in  der  herzoglichen  bücher- 
Sammlung  auf  schlosz  Friedenstein  in  Gotha  unter  der  bezeichnung 
Cod.  CH.  B.  831  ^  Raticbiana.  der  Verfasser  druckt  daraus  ab:  den 
berieht  Uber  die  entstehong  der  gesellschaft ,  ihr  mitgliederverzeich- 
ois.  jedes  mitglied  bekam  einen  gesellschaftsnamen  {'die  Gretrewe'), 
einen  sprach  (in  unauflöslichem  bände) ,  ein  Sinnbild  (zwei  herzen 
nüt  einem  weiszen  bände  hart  verknüpft  durch  eine  band  aus  den 
welken ,  darüber  das  wort  nilT;  geschrieben)  und  ein  exempel  (die 
Michal,  welche  David  zum  fenster  hinablttszt,  seine  seele  zu  retton, 
ISam.  19,  11). 

Hierauf  folgt  eine  erklärung  der  tugendliohen  gesellschaft  in  der 
schematischen  weise,  die  damals  sehr  beliebt  war.  nachdem  sodann 
breit  erklärt  ist,  was  ein  emblema  oder  fürbildungsgedicht  sei,  folgt 
ein  gedieht:  schon  tobt  der  bürgerkri^,  da  taucht  die  Sale  aus  der 
wsBsertiefe  und  ist  zeuge,  wie  die  neun  musen  zu  einem  werke  sieh 
vereinen,  ^das  mehr  als  singen  ist',  in  einem  darauffolgenden  ge- 
dichte  werden  die  Veiberfeinde'  zurechtgewiesen  und  die  Sale  be- 
grüszt  nun  den  tugendlichen  chor.  ganz  eigentümlich  ist  die  diesem 
gedieh te  folgende  ^auslegung'.  wir  haben  dergleichen  nirgends  sonst 
gefunden,  hierauf  folgi^  noch  drei  gedichte  und  eine  ganz  im  pre« 
digtstile  gehaltene  ^erwegung'.  so  wie  die  geseUschaft,  so  hat  jedes 
mitglied  ein  bild  —  es  sind  deren  zehn  in  genauem  Steindruck  bei- 
gegeben —  vier  gedichto  mit  auslegung  und  eine  erwegung.  der 
'besehlnsi',  ein  iSngeres  gedieht,  vielfach  an  Opitzens  Hercinia  er- 
innernd, stammt  aus  der  zeit  vor  der  Lützener  schlacht  und  ist  ein 
wiederhall  der  freude  der  evangelischen  tther  die  siege  des  'löwen 
ans  mittemaehf*  wir  ersehen  daraus,  dasz  man  damit  umgieng,  die 
Schriften  der  gesellschaft  zu  verOffentliohen.  in  den  darauffolgen- 
den drangvollen  jähren  aber  unterbliebs.  mit  einem  komischen,  in 
Budolstftdtor  mundart  gehaltenen  zwiegesprftch  eines  bauem  mit 
^ner  frau  endet  die  reihe  der  aus  den  handschriften  gegebenen 
Btttcke« 

81* 


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I 


476        Mitteiluugeu  der  deutichen  ge&ellachaft  in  Leipzig. 

Nun  schildert  der  Verfasser  das  öffentliche  leben,  die  höfe, 
die  Irauen  im  anfange  des  17n  Jahrhunderts  zum  teile  nach  bisher 
ungedrucktem  materiale  der  Friedensteinschen  Sammlung,    zucht  i 
und  sitte  waren,  namentlich  bei  den  frauen,  tief  gesunken.  1643 
erschien  eine  schrift  über  die  frage,  ob  die  weiber  menschen  ^ 
seien  oder  nicht.    '  das  musz  anders  werden ! '  riefen  die  einen 
und  verlangten  zugang  zu  den  Universitätsstudien,  so  die  gelehrte 
A.  von  Schurmann,   'das  musz  anders  werden!'  riefen  die  andern, 
drangen  auf  religiösen  ernst  und  sittliche  reinheit  und  traten  zn 
unserer  gescUschaft.  —  Nun  erhalten  wir  ein  bild  von  dem  traurigen  ' 
zustande  der  evangelischen  kirche  und  schule,  von  den  schleich-  ] 
wegen  der  Jesuiten,  durch  die  selbst  ein  Meyfart  getäuscht  wurde,  | 
gröstenteils  entworfen  nach  einem  vorschlage  dieses  gelehrten  theo-  ' 
logen  und  der  'judicia  etzlicher  vornehmer  theologorum'  zu  diesem 
vor.schlaf?e,  alles  aus  den  Friedcnsteinschen  handschriften.  aus  den- 
selben folgt  ferner  ein  bericht  des  generalsuperintendenten  Kromayer 
vom  21  sept.  1G27  au  herzog  Wilhelm  von  Weimar  über  den  zu- 
stand der  schulen  in  den  ämtern  Reinhardtsbrunn  und  Görgenthal, 
von  1700  kindern  kamen  tausend  nie  zur  schule,  Yon  10,000  er- 
wachsenen können  7000  keinen  buchstaben  lesen.  —  Nach  einer 
kurzen  darstellung  des  Verfalls  der  deutschen  dichtung  und  prosa, 
der  deutschen  spräche ,  wird  nachgewiesen ,  was  die  tugendliche  ge- 
sellschaft  für  die  Stellung  der  frauen ,  für  deutsche  zucht  and  sitte, 
für  kirche  und  schule,  für  dichtong,  prosa  and  deutsche  spräche  6^ 
strebt  hat. 

Inhalt,  versmasz  und  spräche  der  Schriften  der  tugendlichen 
gesellschaft  werden  hierauf  genau  betrachtet  und  erl&otert.  die 
spräche  ist  durchaus  rein,  hie  und  da  mundartlich  gefärbt,  im  ganien 
schon  die  Luthers;  der  Inhalt  streng  moniisch,  oft  morsli&ce&d,  I 
selten  dichterisch. 

Auf  die  frage:  wer  hat  die  schriften  der  gesellschaft  verfaszt? 
folgt  die  bis  ins  einzelnste  begründete  antwort;  grftfin  Anna  Sophia 
von  Rudolstadt,  Ludwigs  von  Anhalt  Schwester,  sie,  die  gönnerin 
Batkes,  die  bei  ihm  hebräisch  gelernt,  hat  in  Rudolstadt  eine  mlgd- 
leinschule  errichtet  und  derselben  letstwillig  2000  gld.  vermacht 
nnier  der  bedingung,  dasz  man  Batkes  methode  femer  darin  übe. 
schon  ihre  Schwester  Dorothea,  die  matter  £msts  des  frommen  (d« 
begründers  der  Friedcnsteinschen  Sammlung)  und  Bernhards  Ton 
Weimar,  hatte  dem  Ratke  2000  gld.  vermacht  zur  beförderung  seiner 
pädagogischen  bestrebungen.  Ludwig  hatte  nach  denselben  grund- 
stttsen  in  Eöthen  eine  knaben-  und  eine  mägdlsinsohale  begründeti  ' 

Alle ,  denen  die  forsohang  der  deotseben  Vergangenheit  sm 
herzen  liegt,  sind  dem  wfssser  für  seine  schrift  za  danke  ree- 
pflichtet,  dieselbe  liefert  züge,  welche  das  bild,  das  man  sich  von 
dem  innem  leben  und  den  gesellschaftlichen  zastftnden  Deutsch* 
lands  während  des  dreiszigjährigen  krieges  EU  entwerfen  pflegt» 
nicht  unwesentlich  TenroUständigm. 


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A.  Brefames  grammatiken  für  deutsche  schalen  in  Bussland.  477 

Nicht  unerwähnt  darf  bleiben,  dasz  dr.  Dix  siofatlichen  fieiss 
auf  die  darstellong  xmd  den  sprachlichen  ausdruck  verwandt  hat« 
heutzutage  werden  biloher  und  aufstttze  leicht  und  schnell  fertig; 
clie  meisten  sind  aber  auch  danach,  und  nur  zu  oft  begegnet  man 
einem  traurigen  mangel  an  ttbersiohtlichkeit,  an  sohlte  des  ge- 
dankens  und  an  xeinheit  der  spräche,  namentlich  in  der  letzten  be- 
aehtmg  wird  arg  gesflndigt,  und  die  zahl  der  fremden  wOrter  nimmt 
von  jähr  zu  jähr  zn,  die  Schrift  des  dr.  Dix  ist  frei  Yon  den  gerttgten 
fehlem. 

Moritz  TitAUTMAim. 


52. 

1)  BREHME,  ARTHUR  DR.,  GRAMMATIK  DER  DEUTSCHEN  SPRACHE 
FÜR  OBERE  CLASSEN  DEUTSCHER  SCHULEN  IN  RUSSLAND.  Peters- 

l>urg,  Verlag  von  G.  Hassels  buchhaudlung  (Aug.  Deubner).  1875. 

2)  DERSELBE.    BLEMENTARGRAMMATIK  DER  DEUTSCHEN  SPRACHE  FÜR 

UNTERE  CLASSEN  DEUTSCHER  SCHULEN  IN  RUSSLAND,   cbd,  1876, 

3)  DASSELBE  IN  RUSSISCHER  ÜBERSETZUNG,  ebd.  1875. 

Ddr  yerf.  obiger  schnlbfleher  ist  Nationaldentseher^  vor  einer 
geranmen  imt  als  lehrer  in  Bnssland  eingewandert  und  seit  zehn 
jähren  lehrer  der  deutschen  spräche  an  der  8t.  Annenschfle  zu 
Petersburg,  auf  den  ersten  blick  documentiert  er  sich  als  einen 
schUler  Aug.  Schleichers,  dessen  wissenschaftliche  licht-  wie  Schatten- 
seiten er  idso  teilt,  jedoch  hat  er  in  obigen  grammatiken  auch  die 
resnltate  der  gebrflder  Grimm,  Eehreins,  Bumpelts  u.a.  fleiszig  und 
mit  besonnenheit  fOr  seinen  schulstandpunct,  der  —  da  dieselben 
für  deutsch-russische  sdiulen  geschrieben  sind  —  in  Tielen  puncten 
ein  Ton  fttr  echt  deutsche  schulen  geschriebenen  grammatiken  ab- 
weichender sein  musz,  benutzt  und  Ycrwerthet  lassen  wir  den  yerfl 
zimSchst  selber  über  diesen  seinen  standpunct  sprechen:  'unsere 
gpedell  russischen  bedttrfiiisse  sind  gänsdich  unberücksichtigt  ge- 
blieben, die  meisten  grammatiken  sind  fttr  deutsche  Ycrhftltnisse 
berechnet ,  wo  die  schfller  die  lebendige  Volkssprache  yon  Jugend 
anf  hören  und  an  derselben  ein  bestöndiges  correctiT  ihres  aus- 
drnoks  finden.' 

Beferent  kann  es  nicht  genug  anerkennen  und  betonen ,  end- 
lich einmal  solche  grundsfttze  in  bezug  auf  den  deutseben  Unterricht 
an  deutschen  schulen  Busslands  mit  kurzen,  klaren  werten  aus- 
gesprochen zu  finden ,  zumal  da  ihn  eigne  erfahrungen  in  verschie- 
dmen  iSndem  belehrt  haben,  wie  man  daselbst  die  resultate  der 
neueren  germanistik  mit  hoher  Selbstüberschätzung  zu  ignorieren 
fast  allgemein  für  guten  ton  h&lt.  —  Seinen  im  vorwort  aus- 
gesprochenen, oben  angeführten  gruudsätzen  getreu  bat  denn  nun 


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478    A.  Brehme:  gnunmatiken  fikt  deatsohe  echnlen  in  fiaasland. 


auch  der  yerf.  gearbeitet,  ja,  er  hat  in  seiner  elttnentargrainmatik 
noch  mehr  gegeben,  als  er  im  vorwort  TerBproohen.  in  dieser  gibt 
er  nemlich  geradezu  eine  fast  vollständige  russische  parallelgramma- 
tik,  so  weit  sich  natürlich  die  russische  spräche  in  ihrer  laut-  nnd 
formenlehre  der  deutschen  entweder  nähert  oder  auch  diametrtl 
entgegenläuft.  —  Wenigen  hinweisen  auf  das  russische  begegnen 
wir  allerdings  in  der  gröszeren  grammatik  und  ist  der  pädagogische 
grund,  aus  welchem  diese  Behandlung  des  Stoffes  in  d^  schal* 
grammatik  hervorgeht,  nicht  nur  leicht  sn  ersehen,  sondern  sieh«- 
Bch  auch  nur  anzuerkennen.  —  Ehe  ref.  nunmehr  auf  besprechnng 
einselner  puncto  eingeht,  spricht  er  offen  den  wünsch  aus,  dasz  diese 
grammatik ,  deren  druck  auf  gutem  papier  nnd  in  gefälligen  lettsn 
der  Verlagsbuchhandlung  nur  zur  ehre  gereicht,  in  recht  kuner  idt 
sich  einer  recht  allgemeinen  emfBhmng  in  die  deutschen  schulen 
Busslands  erfreuen  mOge,  ein  wunscb,  zu  dessen  Verwirklichung  dss 
gelehrtencomit6  des  kaiserL  russ.  nnterriehtsministeriums,  weldies, 
wie  ref.  gehOrt,  dieselbe  zur  einfOhrnng  in  die  höheren  dassen 
slmtlicher  deutsöhen  kirchenschnlen  Bnsslands  empfohlen  hat,  bei- 
tragen zu  wollen  scheint. 

Da  die  genannten  hficher  in  Berlin  gedruckt  sind,  sieh  dsher 
die  correctur  als  eine  hOchst  umständliche  und  beschwerliehe  e^ 
wiesen  hat,  so  ist  ref.  bei  nachstehenden  einzelheiten,  zn  deren  be- 
sprechnng er  nnmnehr  Übergeht,  bisweilen  in  sweifiBl,  ob  dieselben 
dem  antor  oder  dem  corrector  als  versehen  zur  last  sn  legen  sind, 
schulframmatik  s.  1  s.  3  u.  steht  *nnd  altbaktrisch'  fOüt  *oder 
altbaktrisdh*,  da  letzteres  die  von  Spiegel  eingefiDhrte  benemung 
für  altpersisch  ist  in  §  8  konnte  verf.  die  hauptdiakkte  des  slt- 
italischen  namentlieh  anffllhren,  dann  wird  der  begriff  des  latdai^ 
sehen  deutlicher,  ebenso  fehlt  in  demselben  paragraph  das  gallisdie. 
der  nächste  paragraph  gibt  slavische  und  lettische  disleläe  dmch 
einander,  z.  b.  *preuszisch'  (fttr  altpreustisch?)  und  obotritisch. 
auch  sind  in  demselben  Paragraphen  die  davischen  qcnraelien  nidit 
in  wissenschaltlieher  anoHnnng  aufgezählt,  in  §  5  mnste  das  frie- 
sische als  flbergangsdialekt  des  niederdeutschen  zum  nordischen  ge- 
nannt werden  und  nicht  in  der  geschehenen  form.  —  Zn  ende  des 
§  6  durfte  ein  ttbersiehtlicfaer  spraehbaum  erwünscht  sein.  —  §  6 
fehlt  die  besprechnng  des  t,  da  binweis  auf  beisinele  wie  'sllbe'  usw. 
nicht  genügt;  auch  mnste  das  unorganische  i  in  *  wichsen'  (ststt 
*wächsen'  von  *  wachs')  erwlhnt  werden.  —  Bm  dem  absdmitt 
Aber  ß,  ff  hätte  Schleichers  anhang  aber  ß  in  dessen  'die  dentscb 
spräche'  gute  dienste  Imstsn  kOnnen.  §  12  unter  o  fehlt  das  wort 
*argwohn'  als  beispiel  ftbr  anorganisdies  o.  in  §  14  konnte  snsnr 
an  die  russischen  beispiele  auch  an  lateinische  nnd  grieehisohe  er- 
innert werden ,  z.  b.  oTvoc  — mtrnm*^  Perus  —  crom,  in  demselbfls 
paragraph  konnte  unter  'au'  erwtimt  werden  russ.  Mosk-wa  ^ 
Moskau.  Die  in  §  15  ausgesprochene  ansieht  über  oonsonaBte& 
künnen  vrir  absolut  nicht  teilen,  ebenso  wie  in  §  17  die  einteilung 


Klopstockiaua. 


479 


der  consonanten  in  dieser  form  fürs  deutsche  unzureichend  ist.  — 
Die  lehre  vom  apostroph  in  §  25  ist  ungenügend,  (man  denke  an 
'beim*  ohne  apostroph  und  Worm'  mit  apostroph  und  die  sich 
hieran  knüpfende  leichte  regel!)  vom  corrector  übersehen  ist  wol 
die  Schreibung  der  endsilbe  ^niß'  statt  ^nis'. 

Warum  weicht  der  verf.  in  seiner  lehre  von  den  regulären 
declinationen  wieder  von  der  historischen  annähme  von  9  declina- 
tionen ,  von  denen  je  drei  auf  1  geschlecht  entfallen,  ab?  ähnliches 
ist  der  fall  in  bezug  auf  seine  einteilung  der  conjugationen.  gleich- 
wol  erfreut  bei  declination  wie  conjugation  teils  die  reichhaltigkeit 
der  beispiele,  teils  die  ausführlichkeit  der  behandlung,  wobei  ref. 
noch  besonders  auf  das  capitel  der  declination  der  fremdwörter  auf- 
merksam macht,  ebenso  gründlich  ist  der  abschnitt  'partikeln', 
was  ref.  um  so  mehr  freut,  als  gerade  dieser  wichtige  abschnitt  in 
schulgrammatiken  in  der  regel  nur  höchst  stiefmütterlich  behandelt 
wird.  —  Der  zweite,  nunmehr  folgende  teil,  die  Satzlehre  behandelnd, 
dürfte  bei  irgend  welcher  genaueren  besprechung  unseren  artikel 
über  das  masz  ausdehnen,  daher  nur  weniges,  der  verf.  hat  sich 
bemüht,  dieselbe  möglichst  einfach  zu  geben  und  geht  dabei  von 
dem  richtigen  grundsatze  aus ,  dasz  es  nicht  Sache  des  gjmnasiums 
und  der  realschule  besonders  in  einem  fremden  lande  ist,  alle  mög- 
lichen syntaktischen  erscheinungen  der  verschiedenen  Schriftsteller 
und  Jahrhunderte  zu  registrieren  und  zu  erklären ,  sondern  den 
Schüler  zu  belehren,  wie  er  das  logisch  gedachte  in  syntaktischer 
richtigkeit  wiederzugeben  habe,  gleichwol  konnten  die  Grimmschen 
feinen  syntaktischen  bemerkungen  gröszere  beachtung  finden,  doch 
will  ref.  darüber  nicht  rechten,  da  ja  viele  lehrer  der  ansieht  sind, 
dasz  gerade  dieser  teil  des  Unterrichts  den  oorrectur-  und  leotür- 
stunden  zuzuweisen  ist. 

PBTBBSBCBCk  HÖLBB. 


(48.) 
ELOPSTOOEIANA. 

(schlusz.) 


Im  febmar  1768  kam  Bode  aus  Hamburg  nach  Magdeburg,  um 
mit  TWihinftTwi  den  plan  einer  Vereinigung  seiiies  mit  Lessing  be- 
Ipomienen  untemebmens  mit  dem  Bachmannschen  zu  berathen.  Bode 
sehlng  den  allgemeinen  namen  einer  Niedersttchsischen  gesellschaft 
Tor,  um  sie  von  der  Schweizerischen  zu  unterscheiden*  es  kam  je* 
doch  zu  keiner  einigung.  Elopstock  bot  Bachmann,  der  inzwischen 
einen  ecmtract  mit  Himburg  in  Berlin  abgeschlossen  und  den  druck 
der  ^briefe  von  J*  G«  Jacobi'  und  der  ^briefe  der  herren  Gleim  und 


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480 


Klopstockiana. 


Jacobi%  die  er  selbst  anonym  herausgab,  hatte  beginnen  lassen,  sein 
drama  "^Hermannsschlacht'  an ,  allein  dieser  entschlosz  sich  aus  ver- 
schiedenen gründen  es  Bode  in  Hamburg  zu  überlassen,  besonders 
bewog  ihn  der  umstand  dazu,  dasz  ihm,  wie  er  sich  in  einem  briefe 
an  Gleim  vom  5  miirz  iiuszert,  das  werk  selbst  der  Klops tockschen 
muae  nicht  ganz  würdig  zu  sein  schien,  'ich  habe,  sagt  er,  beim  lesen 
mehr  als  einmal  bedauert ,  dasz  der  sänger  der  Messiade  das  werk, 
das  vornehmlich  ihn  unsterblich  machen  soll,  liegen  läszt  und  lieber 
weit  unter  den  Sophokles  als  neben  den  Homer  sich  stellen  will, 
das  stück  selbst  ist  keine  tragödie.  es  ist  ein  historisches  drama, 
das  in  eins  fortgeht,  ohne  Verwicklung  und  —  das  ganze  betrachtet 
—  ohne  interesse.  er  nennt  es  ein  bardiet,  vermutlich  nach  der 
stelle  des  Tacitus,  wo  es  heiszt:  sunt  illis  haec  qnoque  carmina,  quo- 
rum  relatu,  quem  barditum  vocant,  accendunt  animos  etc.  die 
reden  der  personen  sind  in  prosa,  die  gesänge  der  barden  in  freiem 
lyrischem  silbenmasze  wie  die  hymnen,  die  in  den  20.  gesang  der 
Messiade  eingeschaltet  werden  sollen,  einige  davon  ganz  vortrefflich, 
hinreiszend  und  in  dem  wahren  geist  und  mit  dem  feuer  der  alten 
barden  gesungen,  einige  gedehnt,  durch  eine  harte  Wortfügung  hol- 
pricht  und  dunkel  gemacht  und  mit  falschem  schwulst  angefüllt 
an  einigen  orten  sieht  man,  dasz  er  dem  Ossian  gefolgt  ist,  aber  in 
Zeichnung  der  Charaktere  und  in  der  edlen  einfalt  hat  er  ihn  lange 
nioht  erreicht.  Hermann  zeigt  sich  an  manchen  stellen  wie  ein  eitler 
prahler  und  in  einer  Boeae  kommen  zwei  sterbende  vor,  die  bei  an- 
nttherong  des  todeg  in  raserei  verfallen  —  aber  eine  so  kttnstlicbe, 
80  abgezirkelte  mern»  dass  de  beida  mit  einander  dialogiren.  — 
herr  Bode  zeigte  mir  auch  ein  tranerspiel  von  Gerstenberg :  Ugolino. 
aber  weder  dieses  stück  noch  Klopstocks  Hermann  sind  so  einge- 
richtet, dasz  sieanf  das  theater  könnten  gebracht  werden,  und  dies 
halte  idi  fflr  einen  groszen  fehler  —  nnd  dies  (um  wiedtr  als  buch- 
händler  zu  reden)  ist  auch  der  grund ,  warum  ich  TOn  ihrem  absatze 
nicht  die  gröszte  hoffiinng  habe.*  Bachmann  war  saghaft  uid  so 
sersohlag  sich  das  ganze  unternehmen.  Gleim  machte  seinem  fremide 
in  einem  briefe  vom  4  juli  bittere  vorwürfe ,  ohne  dasz  dieser  sie 
verdiente,  es  ist  der  letzte  brief ,  den  Gleim  an  Bachmann  richtete, 
eine  unglücklicke  heirat  mit  der  tochter  des  geheimenraths  BudihoU 
in  Berlin ,  Über  welche  sich  Gleim  in  einem  briefe  an  Uz  vom  9  au- 
gust  1763  äuszert,  sie  gleiche  einer  schönen  bildsttole,  bedeutende 
Verluste  in  NeuwiUschen  coneurse  in  Holland,  sowie  manche  nnglück- 
liehe  handelsspeculation  hatten  ihn  um  einen  teil  seines  vermögt 
gebracht.  1769  ging  Baohmann  nach  Petersburg,  hier  wurde  er 
mit  dem  dichter  Willamow  bekannt,  dieser  feierte  ihn,  wie  es  die 
Earschin  häufig  gethan  hatte,  in  einer  ode  an  Palemon.  Gödeke 
deutsdie  dichtnng  1 627  irrt,  wenn  er  Gleim  and  Palemon  identificirt 
Gleim  wnrde  von  der  Karschin  unter  dem  namen  Glistäphion  besun- 
gen, als  beweis  führen  wir  noch  folgende  stelle  eines  Bachmannsches 
briefes  an  Gleim  vom  11  december  1761  an:  'da  die  dichteiin  mir 


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Elopstockiana. 


481 


einmal  den  namen  Palemon  gegeben  hat,  so  wünschte  ich ,  dasz  die- 
ser name  den  gedichten,  die  an  mich  gerichtet,  vorgesetzt  werde.' 
in  Petersburg  fiel  Bachmann  allmählich  in  eine  solche  Schwermut, 
dasz  er,  nachdem  er  von  seinem  vorzüglichsten  gönner,  dem  prinzen 
Heinrich,  von  den  seinigen  und  von  seinen  freunden  schriftlich  ab- 
schied genommen  hatte,  1776  durch  gift  endete,  wenn  Meusel  lexi- 
kon  deutscher  schriftsteiler  1 133  behauptet,  er  habe  sich  erschossen, 
50  wird  dies  durch  einen  brief  Gleims  an  professor  Scblichtegroll  in 
Köln  vom  15  august  1798  widerlegt,  dieser  hatte  Gleim  um  mate- 
rialien  zu  einem  nekrologe  der  Karschin  gebeten,  und  Gleim  schrieb 
ihm  u.  a. :  ^Palemon  in  der  ersten  Sammlung  ihrer  (der  Karschin) 
gedichte  ist  der  sehr  brave  kaufmann  Bachmann  zu  Magdeburg,  der 
nachher  zu  Petersburg  unglücklich  geworden  ist.  mehr  von  ihm  zu 
sagen,  müste  ich  ein  buch  schreiben. . .  dieses  Bachmanns  lehrer  war 
Sulzer.  Gleim  und  Sulzer  und  graf  Finkenstein,  Theokrits  Übersetzer, 
und  Köpken,  der  die  schönen  tafellieder  gesungen  hat,  waren  seine 
freunde;  prinz  Heinrich,  der  bruder  des  einzigen,  War  weniger  sein 
ilirst  als  sein  freund,  und  dieser,  liebster  herr  professor,  wurde  ein 
Selbstmörder,  nahm  gift,  mein  herz  blutet,  ich  kann  nicht  weiter.' 

Auch  Besewitz  hatte  durch  Klopstock  selbst  erfahren,  dasz  der 
dichter  an  dem  neiMB  trauerspiel  'Hermannsschlacht'  arbeitete,  es 
sei  ein  stück  mit  gemischten  hardenchören.  'das  stück  ist  in  prosa, 
schreibt  Resewitz  an  Gleim  in  einem  briefe  vom  3  mai  1767,  auszer 
dasz  die  barden  in  das  thal  der  schlacht  heldengesänge  hinunter- 
singen*  ,bnimzDen,  setzt  er  (Klopstock)  hinzu,  brummen  wird  Gleim» 
schon  wieder  prosa  !^  und  ich  setze  hinzu :  schon  wieder  etwas ,  das 
Sie  durch  versificieren  yersehönern  können.'  Gleim  hatte,  wie  be- 
kannt, den  'tod  Adams'  in  verse  gesetzt,  die  ausgäbe  war  1766  er- 
schienen, er  schrieb  an  Resewitz  am  3  juni  1767:  'unser  Klopstock 
scheint  mit  meiner  yersification  seines  todes  Adams  nicht  suMeden 
SU  sein,  er  hätte  mir  sonst  ein  wort  darüber  gesagt,  er  mag  immer 
in  prosa  schreiben,  zur  Unzufriedenheit  will  ich  ihm  keine  gelegen- 
heit  mehr  geben,  auch,  wenn  er  mich  auffordert,  nicht.'  erst  am  19 
december  1767  dankt  Klopstock  seinem  freunde  für  den  versificirten 
Adam,  Gleim  erwiderte  in  einem  briefe  vom  3  april  1768.  beide 
briefe  sind  von  Klamer  Schmidt  II  193—207  gedruckt. 

Wir  konmien  jetzt  zu  dem  Kopenhagener  kreise.  Gottfr.  Bened. 
Fimk,  der  demselben  seit  1756  angehört  hatte,  war  1769  als  sub- 
rector  an  das  domgymnasium  zu  Magdeburg  berufen,  noch  von 
Magdeburg  aus  hatte  er  mit  dem  ihm  eng  befreundeten  Klopstock 
briefe  gewechselt,  wir  ersehen  dies  ans  einem  briefe  Funks  an  Gleim 
vom  26  februar  1771,  worin  es  heisit:  'von  unserm  Klopstock  fra- 
gen Sie  mich  ?  nichts  Ton.alle  dem  weisz  ich»  denn  in  meinem  letzten 
briefe  Ton  ihm  (vom  16  december),  wiewol  ich  ihn  erst  Tierzehn 
tage  nachher  erhielt,  hat  er  der  sache  mit  keinem,  keinem  worte  er- 
wähnt.' es  handelte  sich  um  die  besetznng  der  abtstelle  des  klosters 
Borg  bei  Magdeburg  mit  Gramer. 


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482 


KiopstockiaDa. 


1767  wurde  Resewitz  ein  glied  des  Kopenbagener  freundes- 
kreises.  in  diesem  jähre  wurde  er  von  Quedlinburg  aus  als  prediger 
an  die  deutsch -reformirte  kirche  berufen,  er  hatte  zu  gleicher  zeit 
einen  ruf  nach  Berlin  erhalten ,  jedoch  Kopenhagen  den  Vorzug  ge- 
geben, weil  er  die  hoflfnung  hatte,  mit  Gramer  und  Klopstock  zu- 
sammen zu  sein,  dasz  er  sich  auch  mit  Gerstenberg  befreundete,  ist 
natürlich ,  es  war  ein  schöner  freundschaftlicher  kreis ,  der  die  be- 
gabtesten männer  in  Kopenhagen  vereinigte.  Gleim  wünschte  nichts 
sehnlicher,  als  die  freunde  aufzusuchen,  er  schreibt  am  6  febmar 
1769  an  Gerstenberg:  'könnte  ich  von  Hamburg  aus  mit  meinem 
Lessing  gesellschaft  machen ,  wie  gesund  würde  ich  werden !  Klop- 
stock, Gramer,  Resewitz,  wie  würde  ich  euch  umarmen,  wie  würden 
die  götter  der  freuden  ihre  flügel  schlagen!  aber  Sie  sollen,  mein 
lieber  alter  freund ,  nicht  hoffen,  Sie  würden  mir  dann  den  verspro- 
chenen langen  brief  nicht  schreiben ,  in  welchem  Sie  mich  von  Her- 
manns Schlacht,  Klopstocks  oden,  von  hundert  angenehmen  dingen 
unterhalten  wollen.  .  .  unendlich  grosz  ist  das  verlangen  zu  sehen, 
was  aus  der  göttlichen  ode,  die  Klopstocks  freunde  verewigt  (o  warum 
war  ich  nicht  damals  schon  sein  freund?  ich  wäre  dann  auch  evvig!^ 
geworden  ist!  denn  Klopstock  selbst  hat  mir  gesagt,  er  hätte  viel 
Veränderungen  damit  vorgenommen,  sonst  wüste  es  mein  Klopstock, 
dasz  ich  so  stolz  sei,  mich  für  seinen  ersten  lehrer  zu  halten,  viel- 
leicht glaubt  er  auch,  ich  könnte  es  wol  sein ;  seitdem  ich  seinen  tod 
Adams  in  verse  setzte  oder  seitdem  ich  das  bad  in  Lauchstedt  ge- 
braucht habe,  seitdem  glaubt  er  es  nicht  mehr.  .  .  mit  einer  art  von 
Schauder  hört  ich  gestern,  herr  Fatzke  zu  Magdeburg  hätte  von 
Klopstock  die  fünf  neuen  gesänge  des  Messias  erhalten,  also,  dacht 
ich,  ist  es  ausgemacht,  dasz  Klopstook  seinen  Glaim  nicht  mehr  für 
seinen  ersten  leser  hftlt  wüste  er,  wie  oft  ioh  imnAiBen  krankheiten 
seufzte,  dass  ich  sterben  sollte ,  ehe  der  Messifts  geendigt  wftre,  wie 
sollte  es  ihn  gereuen ,  mich  so  zu  verkennen.' 

Auch  Bosewitz  beteiligte  sich  an  der  litterarisdien  bewegong» 
er  wurde  mitarbeiter  an  den  Uitteraturbrie£Bn%  die  eine  zeit  lang  anf 
die  entwicklung  der  deutschen  litteratur  von  groszem  einflossge* 
wesen  sind,  femer  lieferte  er  aufsitze  für  das  'deutsche  mnseum* 
und  die  ^nene  deutsche  bibliothek.'  wie  eng  er  mit  Klopstock  be- 
freundet war,  beweist  ein  bei  Lappenberg  s.  173  gedruckter  bnef 
Klopstocks  an  Cäcilie  Ambrosius  vom  16  September  1767 ,  worin  es 
heiszt:  'ich  empfing  Ihrmi  brief  vor  einem  paar  stunden,  da  ich 
eben  Besewitz,  einem  meiner  liebsten  freunde ,  eine  meiner  arbeiten 
vorlas.  .  .  ich  siegle  mit  Resewitz  petscfaaft'  Uber  sein,  Klopstoeks 
und  Cramers  leben  in  Kopenhagen  macht  er  in  einem  briefe  an 
Gleim  vom  4  mttrz  1769  folgende  lebendige  und  anmutige  schüde* 
rung:  '.  .  ich  habe  ein  kleines  landhaus  gekauft,  das  recht  dazu  ge- 
macht ist,  dasz  Gleim  die  frühlingsdttfte  und  mit  ihnen  begeisterong 
in  vollen  zügen  eintrinken  kann,  aus  dem  hause  treten  Sie  gleich 
in  ein  wäldohen,  das  im  gebflsch  nnd  in  wiesen  fortläuft  und  «ur 


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Klopstockiana. 


483 


linken  durch  einen  groszen  see  begrenzt  wird,  der  durch  seine 
grünenden  inseln  und  buschiges  gestade  die  lieblichste  aussieht  von 
der  weit  macht,  heerden  von  schwänen  schwimmen  auf  ihnen  oder 
tiattem  über  demselben  und,  wie  mich  leute  versichern,  die  bessere 
äugen  als  ich  haben,  so  reiten  und  gaukeln  kleine  amors  auf  den 
Schwänen  herum  und  plätschern  im  wasser  und  jagen  sich  in  dem 
gebüsche  herum,  nur  ich  armer  blödsüchtiger  sehe  keine  amors,  nur 
Schwäne,  an  diesem  erquickenden  gestade  haben  Sie  unsern  Preisler 
auf  wenige  schritte  zum  nachbar,  eine  Viertelstunde  zur  linken  finden 
Sie  unsern  Klopstock  in  einem  bezauberten  schlösse,  mit  alleen  und 
gärten  und  Weinbergen  umringt,  wo  Ihnen  auf  befehl  eine  wolthätige 
fee  kirschen  und  erdbeeren  mit  dem  noch  jungen  frühlinge  entgegen- 
kommen und  er  Ihnen  bei  Ihrem  abschiede  pfirsiche  und  aprikosen  * 
und  die  süszesten  trauben  zum  geschenk  hinterläszt.  auf  dem  rasen 
einer  hohen  terasse  breitet  er  Ihnen  und  Ihren  freunden  seine  brah- 
manische  mahlzeit,  unter  demgeseusel  des  zephyrs  und  dem  lauteren 
der  offenen  fröhlichkeit  essen  Sie  sich  gesund,  indes  dasz  Sie  die 
nationen  Europas  auf  dem  vor  Ihnen  liegenden  Ocean  wimmelnd 
heranfliegen  sehen,  um  es  an  cyprischen  weinen  und  früchten  des 
griechischen  Tempe  nicht  mangeln  zu  lassen.  Sie  kehren  wieder  zu- 
rück zu  meiner  ländlichen  wohnung  und  treten  am  ausgang  auf  einen 
hohen  königlichen  weg,  der  blos  für  Sie  gemacht  zu  sein  scheint,  um 
Sie  in  einer  halben  stunde  zu  Ihrem  Gramer  nach  Sandholm  zu  rollen, 
den  Sie  in  einer  arkadischen  gegend  mitten  unter  gärtnera,  Schnit- 
tern und  hirten  erblicken ,  wo  er  entkleidet  von  ernster  gelehrsam- 
keit  vater  und  freund  und  genösse  der  ländlichen  freuden  ist.  von 
da  wandeln  Sie  durch  immsr  abwechselnde  scenen  gefälliger  land- 
schaften  über  gothische,  moderne  und  schäfermSszige  lustgebäude 
der  könige  hinweg  zu  einem  dichteren  hain,  den  die  alten  dichter 
in  ihren  Uedem  geheiligt  hatten  und  der  jetzt  noch  von  ihren  abge- 
schiedenen geistern  bewohnt  wird,  von  fernher  hören  Sie  schon 
cm  sdiweres  dumpfes  getöse,  wie  wenn  götter  mit  einander  streiten, 
und  so  ist  es  auch,  Sie  sehen  bald  den  mächtigen  gott  des  nördlichen 
Oeeans  mit  unaufhaltsamer  gewalt  daher  rauschen  und  mit  wilder 
wuth  durch  eine  kleine  öffiiung  —  Sund  ist  ihr  name  —  in  das 
friedlichere  gebiet  des  sanfteren  ostmeeres,  das  sein  ruhiges  gestade 
freundlich  beherscht,  hereinbrechen,  er  sträubt  sich  aber ;  wer  kann 
wider  die  gewalt  des  eroberers  ?  sträubend  und  empörend  wird  es 
von  dem  wilderen  nordgott  fortgerissen  und  im  triumph  über  Sand- 
bank und  klippe  und  strudel  unter  der  disharmonisch  rauhen  musik 
des  verbündeten  Aquilo  fem  zu  den  hyperboräischen  ufem  gelGdirt. 
da  stehen  Sie  und  erstaunen  und  singen  dem  sieger  ein  stürmendes 
kriegslied  und  in  sanften  tönen  die  see  und  den  wald  und  die  wiesen 
am  bach  und  die  freunde  und  den  komus,  der  im  ländlichen  hause 
die  herschaft  hat.  ach  Gleim!  wenn  Sie  doch  kämen,  Sie  sollen  die 
regierung  des  kleinen  hanses  fahren,  meine  frau  unter  Ihrem  yor- 
sits  die  Schüsseln  bereiten,  Ihre  nahen  freunde  um  Sie  herum,  und 


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484 


Klopitocldaiia. 


Gerstenberg  und  ich  Ihr  öfterer  gast  sein,  bis  auf  wiedersehen  also! 
F.  G.  Resewitz.'  der  brief  bildet  die  nachschrift  zu  einem  im 
morgenblatt  1817  nr.  27  abgedruckten  briefe  Gerstenbergs  an  Gleim. 

Auf  Besewitz  blieb  die  entlassung  Bernstorfs  ohne  einflnsz. 
Klopetock  zog  mit  dem  minister  von  Kopenhagen  und  verlebte  den 
Sommer  auf  dem  lande,  den  winter  in  Hamburg,  'jetzt,  schrieb 
Besewitz  am  25  febmar  1772  an  Gleim,  ist  Elopstock  in  Hambnig. 
wollen  Sie  an  ihn  schreiben,  so  adressiren  Sie  Ihre  briefe  ins  bischä- 
liebe  haus  auf  dem  Kamp.  Sie  wissen  es  seit  alten  Seiten,  dasz  er 
ein  seltener  Schreiber  ist  und  laonenmSssig  ümBOg  schreibt  oder 
schweigt,  wecken  Sie  ihn  auf ,  aeiiie  hiesigen  freunde  hören  auch 
nicht  viel  von  ihm.'  die  wiener  angelegenheit  betrachtete  Besewits 
gleich  anfangs  als  wenig  anssichtsvoU,  er  schreibt  darttber  am  2  mai 
1772  an  Gleim:  Won  der  aache  dee  kaisera  weisz  ich  gar  nichts, 
auszer  dasz  Klopstock  mir  zu  anfang  dieses  jahies  achrieb,  ich 
würde  mich  Uber  den  ausfall  mit  Biedel  wol  wimdem.  mir  hat 
immer  gedeucht,  Wien  sei  noch  nicht  reif  za  einer  aoloheii  Unter- 
nehmung.' 

Besewitz  lebte  llberhaupt  seit  Klopstocks  abgang  ruhig  und 
still,  in  seinem  briefe  vom  17  december  1774,  worin  er  Gleim  seine 
berufung  in  die  abtstelle  des  klosters  Berge  meldet,  heiazt  es:  'seit 
Klopstocks  abreise  habe  ich  hier  keinen  frennd  snm  umgange  mehr 
gehabt,  und  andere «  die  ich  hätte  haben  kOnnen,  schmeckten  nicht 
rechter.'  fiesewits  wurde  am  15  jnni  in  sein  neues  amt  einge- 
ftthrt. 

Es  erübrigt  noch  dee  bruders  Klopstocks ,  Karl  Christian,  der 
als  dänischer  legationssecretär  erst  zu  Madrid ,  dann  im  Haag  lebte, 
zu  gedenken.  Ton  ihm  sind  zwei  an  Gleim  gerichtete  briefe,  in 
denen  er  seinen  entschlusz  mitteilt,  die  von  Fdszli  herausgegebene 
Schrift  von  Anton  Bafael  Mengs  'gedenken  über  die  Bchönülieit  und 
den  gesohmaek  in  der  maierei'  (Zürich  1762)  auf  Menge  wünsch  za 
überarbttten,  ans  Klemer  Schmidt  n  187—198  bekannt,  auch  mit 
Besewits  hatte  er  darttber  eomepondiert.  dieser  aehrieb  darüber 
an  Gleim  am  30  mai  1767:  *Tom  spanisehen  Klopetock  habe  ich 
gestern  briefe  erhalten,  daraus  ich  Ihnen  etwas  hmöhreiben  will: 
cihre  meinung  und  Gleims  über  Menga  aohrift  hat  micii  wiiklidi 
betrübt,  wenn  sie  nicht  anegeaibeitet  werden  kann,  so  ftUtdie 
ganze  saehe  weg.  denn  Menga  will  sie  nicht  anders  geednislNa 
haben,  er  will  sie  Indem,  er  erkennt  iswar,  dass  sie  nieht  Y(01ig  W 
geschrieben  ist,  allein  deswegen  will  er  sie  doch  niemand  anvor- 
trauen.  Ton  Hagedom  hat  er  gar  kein  gutes  Vorurteil,  er  Istns- 
gemein  genau  in  absieht  dessen,  was  er  geschrieben  hat,  und  iSsii 
sich  keinen  ausdrack  nehmen,  ohne  wichtige  Ursache.»  kurz,  ergibt 
zu  ▼erstehen,  dasz,  wenn  er  (Klopstodc)  daba  nicht  die  Ibder  ftthnn 
könne,  so  sei  es  vergeblich,  eine  Umarbeitung  dieser  solirift  zu  er- 
wartoa.'  hierauf  erwiderte  Gleim  am  3  juni:  ^err  Klqfwtoek  in 
Madrid  mag  immer  des  Tortrefflichen  Mengs  federfDhrer  sein;  won 


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Bericht  über  die  Terhandluogen  usw.  deutscher  phiioiogen.  485 

er  nur  in  seinen  grundbegriffen  nichts  ändert,  mit  der  Schreibart 
wollen  wir  es  so  genau  nicht  nehmen,  sagen  Sie  ihm  das.' 

Der  in  Besewitz  briefo  erwähnte  Christian  Ludw.  von  Hagedorn 
war  director  der  kunstakademie  in  Dresden  und  schrieb  ^betrach- 
toflgen  über  die  maierei'  (Leipzig  1762). 

Veüdsn.  H.  Holstein. 


68. 

BESICHT  ÜBEB  DIE  VEBHANDLUNQEN  DER  DBEIÜND- 

DEEISZIGSTEN  VERSAMMLUNG  DEUTSCHEE  PHILOLOGEN 
UND  SCHULMÄNNER  ZU  GERA 
▼om  80  teptember  bis  ^  oclober  1878. 


Die  B8e  yenammliuigr  dratteber  philoloffen  und  sehnlmSiitier  fand 
unter  dem  prisidimn  der  berren  prof.  Delbrfiek-.Tena  und  gymnasial- 

director  Grumme -Gera  in  den  tagen  vom  30  September  bis  3  october 
dieses  jahres  statt,  zum  sitz  derselben  war,  nachdem  Weimar,  Dessau, 
Lübeck  und  Bremen  eine  ablelineude  antwort  erteilt  hatten,  gemäss 
dem  von  der  voijShrigen  Teriammliuif  sn  Wieabaden  gefaisten  be- 
schlasse die  gewerbthltige  hanpi-  und  residenzstadt  des  fKrstentuma 
Keass  jüngerer  linie  ausersehen  worden,  nächst  Gotha,  Jena  und  Alten- 
burg  die  vierte  thüringische  Stadt,  der  die  ehre  zu  teil  geworden,  die 
Versammlung  in  ihren  mauern  zu  beherbergen,  wegen  der  eünstigeu 
lige  Geraa  faal  im  bersea  DentaeUaada  und  an  ittnf  bahnliaien  war 
es  von  allen  aeiten  leicht  zu  erreichen;  anch  konnte  man  erwarten, 
(Insz  die  anmut  des  Elsterthals,  der  gefeierte  name  des  benachbarten 
bäalathens  und  die  herbstliche  pracht  des  nahen  Thüringerwaldes  nicht 
verfehlen  würden,  ihre  stets  bewährte  anziehungskraft  auch  diesmal  zu 
betfafitigen.  Wenn  trotsdem  die  frequenz  nur  die  zahl  356  erreicht  hat,^ 
80  glauben  wir  den  gnind  dieser  toataache  darin  suchen  sn  müssen, 
dasz  viele,  die  vielleicht  geru  gekommen  wären,  besonders  die  Schul- 
männer Wcstphalens^  und  der  süddeutschen  Staaten,  durch  die  ab- 
weichende läge  der  herbstferien  zu  erscheinen  behindert  waren,  andere 
dagegen  sich  durch  die  ungünstigen  Witterungsverhältnisse  des  sonn- 
tags und  anm  teil  auch  no^  dea  montags  vom  antritt  dar  reise  haben 
abhalten  lassen.  mogUch  wire  auch«  dass  die  zeitliobe  coincidenz 
anderer  schulmännerversammlungen  —  so  der  sächsischen  realschul- 
lehrer  in  Zwickau  und  des  Vereins  thüringischer  Zeichenlehrer  in  Wei- 
insr  von  einigem  emüusz  auf  die  frequenz  gewesen  ist,  und  ebenso 
wenig  iSaat  aich  in  abrede  atallen,  dasa  dnrtä  das  in  den  aeitnngen 
frühzeitig  auftauchende  gerficht  von  den  Schwierigkeiten,  mit  denen 
man  hinsichtlich  der  Wohnungsfrage  zu  kämpfen  hatte,  vielleicht  mancher 
vom  besuche  der  Versammlung  abpesclireckt  worden  ist. 

Unter  den  deutschen  Staaten  hat  Preuszen  die  gröste  zahl  der  fest- 
genossen gestellt  (4lVo)f  nSchstdem  waren  am  st&rksten  vertreten  die 


^  in  Tübingen  freiUch  nur  280,  in  Boatock  810,  in  Berlin  868,  in 

Wien  366. 

*  dafür  spricht  die  von  einigen  lehrern  des  gymnasiums  zu  Herford 
u  die  reraammlung  gerichtete  bitte,  ihren  einflnaa  dahin  geltend  zu 
machen,  dasa  die  ferieaordnong  in  Weatphalen  TerXadert  werde. 


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486      Bericht  fiber  die  verhaadlungen  der  d3n  vezsammioiig 


tbiiringiBcben  Staaten  (39 ^'/o^«  besonders  Beuss,  Weimar  and  Alteaborg, 
fnrner  SAebten  (10%).  so  der  restiereBden  summe  psrtieipieieo  radk 
gleichen  teilen  die  übrigen  norddentscheii  ISnder  (8%),  £e  sfiddeatadien 
(4®  o)  und  die  auszerdeutschen  (3®  „"i  Staaten,  letztere  nnter  ander  n 
repräsentiert  dnrch  die  profossoren  Linker  und  Kricala  aus  Prag, 
Geizer,'  Kautsscb  und  J.  VVackernagel  aas  Basel,  BUmner 
ans  Zfiricliy  Sehiefaer  siit  Petersbarg,  Bernsrdskis  sw  AÜnaul 
Whitney  aas  New-Hayen  in  Connecticut,  gleich  diesen  aasläiidiMki 
Universitäten  stellten  auch  die  inländischen  ein  nicht  unbedeatendes 
eontingent  der  mitglieder,  vorab  Leipzig,  Jena,  Halle  und  Heidelberg, 
aus  Berlin  hatte  sich  die  stattliche  zahl  von  34,  aas  Leipzig  von  24 
teilnebmem  eingefonden. 

Aas  der  reihe  der  festaehriflea  and  gesebenke,  die  den  ankommeit» 
den  im  cmpfangsboreaa  aosgeb&ndigt  wurden,  heben  wir  folgende  her* 
vor:  1)  de  Iliadis  prooemii  versn  qninto  et  de  parataiis  Homericae 
quodam  genere.  8-«.  4.  von  dir.  Grumme  -  Gera.  2)  das  princip  des 
maszes  in  der  Platonischen  philosophie.  63  s.  8.  von  prof.  G.  Schneider- 
Oers.  8)  sar  eriaaeraag  aa  die  Stadt  Gera.  (Ifir  die  oiitglieder  der 
88a  ▼ertammlnng  deutscher  pbilologen  und  sebnbnäaner.)  topognphie 
▼OB  Oera  mit  einem  piano  der  Stadt  und  einer  karte  der  umgegend  tod 
Oberbürgermeister  Fischer  Gera.  44  s.  8.  4)  Vergilstudien  nebst  eiaer 
coUation  der  Prager  handschrift  (3  exemplare)  von  prof.  KvicaU-Fri;« 
6)  oikisehef  perfeetam  ia  lateiaiseher  ineehrift.  Toa  oberlebrerH.BiMk* 
holtz-Berlin.  7  s.  8.  6)  Uber  den  gebrauch  des  accusativs  bei  Sallnst 
(30  exemplare)  von  dr.  A.  Hercher-Gera.  7)  an  inquiry  into  the  pbonctic 
peculiarities  of  Karbours  Bruce  (50  exemplare)  von  dr.  E.  Repel-Gera. 
8)  Amplonius  Katingk  de  Berka  und  seine  Stiftung  (ein  collegium  für 
15  Stipendiaten  aa  der  naiTendtSt  Erftirt  aad  eine  noeh  TorhaiideM 
Sammlung  von  handschriften  für  dieselben)  1  exemplar  timi  |nof«  H. 
"Weissenborn-Erfurt.  9)  ein  'liederbuch  für  die  philologenversammte? 
zn  Gera',   das  in  26  nummem  8  novitäten  brachte,  unter  ihnen  fest- 

Sriisze  von  Felix  Dahn,  Klaas  Groth,  Paal  Heyse  (letzteres  anonym], 
asa  kamea  als  wertroHe  naehtriUpe  die  separat  gedraektea  lyriiehi 
ergüsse  eines  eollega  Servestanns  (dir.  G.  Stier-Zerbet)  in  griechiscber 
und  deutscher  spräche  und  eines  eollega  Isenbergensis  (dr.  Oette)  Id 
deutscher  spräche,  desgleichen  ein  von  prof.  Weissenborn- Erfurt  zur 
Verherrlichung  seiner  Vaterstadt  Gera  verfasztes  lateinisches  festpo^iO' 
sasserdem  wsren  10)  von  der  Jenaer  litteratarzeitang  and  11)  m 
Thüringer  scbnlzeitane  festaaBuaera  veranstaltet  wofdea;  ai^t  in  ge- 
denken der  vielen  atlanten,  sehnlbfieher,  kataloge  und  zeitangsprobe- 
nummem,  die  von  verschiedeaea  Terlagsbaehhsadlnagea  sar  vert«ilniig 
eingesandt  worden  waren. 

Am  abend  des  29  September  fand  die  erste  £^sellige  zasammen- 
kanft  lar  geg^nseitigea  begrSssaag  ia  dea  sehSaea  rftamen  der  erhohugi* 
gesellsekaft  statt   die  Warden  dort  von  hra.  oberbfirgenneistcr 

Fischer  mit  einer  herzlichen  anspräche  bewillkommnet,  in  weicherer 
dem  die  ge.samrate  bewohnerschaft  beseelenden  gefiihle  der  befriedigangt 
eine  so  hocbausehuliche  Versammlung  in  ihren  mauern  gastlich  at^eb* 
mea  sn  könaea,  ia  beredtea  werten  aasdrnek  lieh,  ia  neieh  herzlicher 
weise,  wie  sie  gemeint  war,  warde  die  aaspraehe  Ton  hm.  prof.  Flei- 
sch er -Leipsig  erwidert. 

Die  erste  allgemeine  sitzang 

wurde  am  folgenden  tage  (30  September)  in  denselben  localitäteo  «h* 

gehalten  und  gegen  10  nhr  mit  einer  rede  des  Präsidenten  dir.  Grumac* 
Gera  eröffnet,    zunächst  führte  dieser  aas,  wie  seiner  zeit,  als  ^ 

'  ist  iaswisehea  nach  Jeaa  bernfen  worden. 


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deutacher  philologen  und  Bchalm&imer  zu  Gera.  487 

frage  weg'en  aufnähme  der  33n  versammlnng'  deutscher  philologen  und 
schoImänDer  an  ihn  und  die  betreffenden  persönlichkeiten  herangetreten 
lei,  man  bedenken  getragen  habe,  ob  man  einer  eolehen  Tertammlong 
eine  ihrer  würdige  aufnähme  in  Gera  bereiten  könne,  die  näheren  er- 
mittelungen  hätten  indes  ergeben,  dasz  alle  obwaltenden  Schwierigkeiten, 
besonders  hinsichtlich  der  wolinnngsfrage,  überwunden  werden  könnten, 
und  in  folge  dessen  habe  man  sich  entschlossen,  die  wähl  zu  acceptieren. 
dank  der  aufopfernden  thfttigkeit  des  looaleomitee  nnd  vornehmlieh  dessen 
Torsitzenden,  des  Oberbürgermeisters  Fischer,  seien  alle  hindernisse  bald 
beseitigt  und  die  vorbereitungsarbeiten  rasch  und  in  erfreulicher  weise 
von  statten  gegangen,  nachdem  redner  dann  das  bei  dieser  gelegenheit 
besonders  documeutierte  einmütige  zusammenwirken  der  lehrercollegien 
ies  gymnasioms  nnd  der  realschnle  gebfihrend  herrorgehoben,  nahm  er 
diese  harmonie  znm  ansgangspnncte  einer  längern  ansf&hnmg  über  die 
bestrebnngen  und  das  gegenseitigo  ▼orhältnis  des  homanismas  nnd  realis- 
mas  nnd  fuhr  dann  fort: 

Der  alte  streit  zwischen  humanismus  und  realismus,  der  durch  die 
frage  der  berecbtigungen  nnd  namentlich  der  höchsten  herschtigung, 
des  sntritts  snm  nnirersitilsstttdinm ,  zu  neuem  lobon  angofaoht  worden 
nnd  eben  hier  am  orte  vor  gerade  fünf  jähren  noch  einen  kräftigen 
impuls  erhalten  hat,  er  hat  in  jüngster  zeit  an  heftigkeit  und  bitterkeit 
ebne  zweifei  wieder  nachgelassen,  ich  will  die  Ursachen  hiervon  nicht 
oütersachen,  aber  auf  die  hocherfreuliche  thatsacbe  hinweisen,  dasi 
diese  nnsore  Torsammlnngen  sieh  gerada  in  den  allorlotsten  jabrwi  eines 
zahlreichen  besuchs  von  selten  der  berren  realschnllehrer  sn  erfreuen 
haben,  es  bedarf  kaum  der  bemerkung,  wie  der  gesellige  und  wissen» 
schaftlicho  verkehr,  in  welchen  hier  die  Vertreter  der  humanistischen 
und  der  realistischen  richtang  treten,  in  besonderm  masze  geeignet  ist, 
die  bestehenden  gegensfttse  ich  will  nicht  sagen  an  beseitigen,  aber 
doeh  in  ein  richtigeres  Verhältnis  sn  bringen  nnd  ihnen  ihre  schürfe  sn 
nehmen,  und  dies  entspricht  dem  geiste  unserer  versaramlnngen ,  es 
entspricht  den  absiebten  jener  männer,  welche  bei  gelegenheit  der 
Jubelfeier  der  Georgia  Augusta  am  20  September  1837  den  Wereia 
deutscher  philologen  nnd  schnlmSiiner'  stifteten  nnd  ihm  in  seinen 
ersten  Statuten  ein  festes  geprftge  gaben,  von  einem  der  Stifter  wird  es 
ausdrücklich  bezeugt,  dasz  der  verein  nicht  die  kluft  zwischen  gym- 
nasium  und  realschule  habe  erweitern,  sondern  vielmehr  eine  brücke 
uabe  schlagen  sollen,  um  freundlichen  verkehr  zu  heilsamem  handinhand- 
gehen  sn  Tormitteln. 

Die  vielgehörte  anaiebt,  dasz  man,  am  die  einheitliche  bildung  der 
höheren,  leitenden  und  tonangebenden  stände  zu  wahren  oder  doch 
wiederherzustellen,  den  dualismns  im  höhern  Schulwesen  aufgeben,  dasz 
man  ein  sogenanntes  gesammtgymnasium  schaffen  müsse,  kann  heute 
wol  als  ein  fast  fiberwnndener  standpnnct  beseichnet  werden,  sehen 
die  alte  Wahrheit,  welche  Homer  mit  den  worten  ausdrückt:  dXXoc  t^p 
t'  dXXotciv  dvf|p  dniT^pTTCTat  JpToic,  sowie  die  Vielseitigkeit  des  modernen 
lebens  sträubt  sich  entschieden  dagegen.  auch  zeigt  die  geschichte 
des  homanismas  und  des  realismus  zur  genüge,  wie  beide  richtungen 
gleich  entgegengesetzten  kräften  in  der  nator  einander  ergftnst  nnd 
vesentlieh  gefordert  haben,  es  ist  nnlengbar,  dass  der  hnmanismna 
jene  formale  einseitigkeit ,  die  ihm  einst*  verhängnisvoll  za  werden 
drohte,  unter  dem  einfllusse  des  realismus  aufgegeben  und  zugleich  an- 
regnog  erhalten  hat,  neue  elemente  in  sich  aufzunehmen  und  so  sich 
ZU  verjüngen  und  zu  erfrischen,  und  es  ist  ebenso  unleugbar,  dasz  der 
realismns  sich  yom  geiste  des  hnmanismns  hat  erfüllen,  durchdringen 
nnd  veredeln  lassen,  so  dasz  auch  er  sowol  nach  dem  zwecke,  den  er 
sich  vorgesetzt,  wie  nach  den  mittein  und  der  methode,  die  er  in  an- 
wendung  bringt,^  eine  durchaas  ehrwürdige  und  erfreuliche  erscheinung 
geworden. 


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488      Bttiolit  über  die  Terhandlangea  der  dSn  yeraammlung 


Zeigt  sonach  auch  die  geschicUte,  dasz  Lumanismas  und  realiuDOi 
io  ABr«i:entet  li«ili«nier  weehMlwirkiug  gesluideii  halieii,  ao  Mke 

uulirlich  ia  der  eacbe,  in  Uurem  weseo  kein  graad  liegen,  warum  du 
Im  ! Jen  richtungen  einander  feindselig  bekämpfen,  waram  die  eine  di*: 
andere  unterdrii<  ken  oder  verdrängen  müste.  hamanismus  und  realiv 
rous,  pyinnasiuni  und  reaUcbule  sind  berufen,  sich  auch  in  zukontt 
gegenseitig  sa  ISrdem  und  jedee  en  seinem  teile  warn  besten  der  dsoi- 
sehen  jagend,  sam  heile  unseres  volks  zu  wirken,  dieeeber  wird,  weaa 
ich  recht  selie,  nicht  dadurch  erreicht  werden,  d.isz  man  ihre  grenica 
verwischt  und  ihre  eipenart  trübt,  sondern  allein  dann,  wenn  sich  beide 
auf  dem  ihnen  von  natur  Angehörigen  gebiete  weiter  entwickein  aad 
jedes  in  seiner  nrt  immer  bSherer  ToUembuig  zugeffibrt  wird. 

Wenn  je,  so  thut  es  heute  not,  dass  gymnasinm  nnd  realschole 
ihren  alten  hader  völlig  aufgeben  und  sich  zu  gegenseitiger  bilfe  bereit- 
willig die  hnnd  reichen,  unsere  seit  stellt  den  schulen  auszerordeLt- 
liehe  aufgaben,  deren  lösung  die  höchste  anspannong  alier  kräfte  er- 
fordert, unsere  seit  schafft  samal  dem  hohem  nnterrichtawesen  ungc 
wöhnliehe  Schwierigkeiten,  deren  bekimpfnng  siehe  gemeinsamer  simit 
sein  muss.  die  klagen  über  die  nicht  den  erwartungen  entsprechenden 
erfolge  des  Unterrichts  Htammen  zwar  nicht  von  gestern  und  ehegestera, 
aber  sie  treten  doch  jetzt  mit  einem  nachdruck  auf,  wie  kaum  je  sn- 
vor.  in  bondert  und  aber  hundert  Versammlungen  ist  darüber  debattiert 
worden,  wie  man  diesem  faehe  eine  stände  snsetie  nnd  jenem  bin- 
wiederum  etwas  nehme,  wie  man  hier  und  da  die  methode  ein  wenig 
modificiere:  —  nun  die  arbeit  mag  nicht  umsonst  gewesen  sein,  aber 
das  grundübel  ist  damit  nicht  getroffen:  es  liegt  leider  zum  grosza 
teil  auszer  unserer  machtsphäre,  es  liegt  in  den  allgemeinen  verhält* 
niesen,  in  dem  gebte  unserer  seit,  ich  will  Urnen,  mcNhie  Tershiki 
herren ,  hier  zwar  nicht  ein  dnnkles  bild  nnseier  seit  mnhm,  aber  ci 
ist  doch  pflicht  die  Wahrheit  zu  sagen,  wenn  auch  noch  so  kurz:  mn"- 
will  mit  möglichst  wenig  arbeit  sich  ein  möglichst  bequemes  und  ge- 
nusxreicbes  leben  verschaffen,  das  ist  ein  hervorstechender  zug  uuserei 
seit  und  unsere  jugend  Ist  von  dieeem  zage  mit  erfasst,  mnä  de  iM 
dem  hange  eu  Vergnügungen  und  Zerstreuungen  eifrig  ergeben,  et  iit 
nicht  der  gewöhnliche  leichte  sinn  der  jucrend,  was  ich  meine,  es  ist 
eine  ganz  besondere  krankhafte  erscheinung,  die  aber  darum  am  s) 
bedenklicher  sein  dürfte,  als  sie  eben  ein  product  der  gesammten  zeit- 
riehtung  ist.  der  genuss-  und  Tergnügungssueht  entspricht  liinwieder 
die  sehen  vor  der  arbeit  man  hört  genug  davon  reden,  es  müsse  die 
jugend  angeleitet  werden,  dasz  sie  mit  lust  und  Freude  arbeite,  aber 
zu  wenig  davon,  dasz  sie  auch 'mit  ernst  arbeiten  soll;  und  doch  der 
ernst  der  arbeit  allein  enthält  sittlich  stählende  und  stärkende  kratt, 
er  verbürgt  wahren  erfolg,  an  der  tagesordnung  ist  die  klage  wegea 
ttberbürdang;  die  öffentlichen  blätler,  die  heute  jedem  kinde  sagängUch 
sind,  läuten  sie  venehmlich  wieder;  die  behdrden  treffen  gegen  die 
überbürdung  Verfügungen  und  auch  diese  finden  in  den  tagesblättem 
wieder  ihren  platz,  so  wird  die  schule  von  allen  selten  eingeengt  und 
der  Schüler  übernimmt  die  controle  über  die  ihm  gestellten  aufgaben, 
kann  man  sieh  wundern,  wenn  er  leicht  ein  ftbermass  an  arbeit  wahr- 
nimmt und  in  diesem  ftbermasze  ein  unrecht  findet?  kann  man  ndi 
wundern,  wenn  ihm  jene  lust  und  freude  an  der  arbeit,  die  man  ao 
gerne  will,  mehr  und  mehr  verschwindet?  —  Das  ist  der  schaden  öffsst* 
Ücher  discussion,  der  sich  dem  grundübel  zugesellt. 

Diese  gefahrdrohenden  fibelstinde  sind  Ar  gjmnasiam  nnd  lail* 
schale  gleiehermassen  vorhanden,  es  ist  an  der  seit,  die  gemeinsasieB 
feinde  gemeinsam  zu  bekämpfen;  darüber  mag  der  aasgleich  der  eigoeii 
differenzen  unbedenklich  vertagt  werden,  wenn  je  die  forderung,  die 
schule  solle  erziehen,  berechtigt  gewesen,  so  ist  sie  es  heute,  nor 
durch  den  geist  chrlstUeher  sucht  und  Ordnung,  durch  gewdhnueg  n 


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dettte^MT  Philologen  «tid  selmlmftimer  za  Gera.  489 


ernstem,  treuem  arbeiten  können  die  gefahren  abgewendet  werden, 
welche  unserer  jugend,  unseres  Volkes  zukanft  bedrohen,  es  ist  eine 
sisliwterige  »nfgabe,  di«r  Btt'18««ii,  alber  ftiieh  eine  amfgfsbe,  wert  alle 
krall  4flriii  ra  8efB<en.  man  darf  za  de#  Aeotschen  lebnffieliaft,  zn  den 
gyiniasläU  wie  den  realschullehrern  das  ztiversichtUche  vertrauen  hegen, 
dasz  sie  ihrer  aufgäbe  gewachsen  sein  werden,  möge  auch  diese  ver- 
sammlang das  werk  der  ju^^enderziehung'  fördern  zum  heile  des  deut- 
schen Vaterlandes!  dieser  wünsch  sei  mein  gross  an  die  Versammlung! 

'('•in  afltaergelMrachter  weise  erfunte  der  fedner  dann  noeii  ein^  pflicSt 
der  pietllt,  inäem  er  dem  gedKishtnis  der  im  verflossenen  jähre  verstorbenen 
verdienten  fachgenossen  einige  ehrende  worte  widmete,  aus  der  groszen 
zahl  derselben  mögen  hier  genannt  werden :  Baiter,  Heimsöth,  Doberenz, 
H.  Fritzsche,  Teuffei,  Forbiger,  Hercher,  Kühneri  Lebrs,  Weigand  und 
Btteioir.  ' :  •   •    •     '  ^ 

Bärauf  tibernahm  ftfof.'Delbrü ck-.Tena  das  prSsldlttm  und  verlas 
zunächst  ein  schreiben  seiner  durchlaucht  des  fürsten,  worin  derselbe 
seinem  bedauern  darüber  ausdruck  gibt,  dasz  er  durch  ein  unaufschieb- 
bares familienfest  leider  verhindert  sei,  persönlich  in  Gera  zu  erscheinen 
mi  sn  den  ▼ertattttnltittcten  teil  sH  nehmen.' 

Nächstdem  ergiMP  Ir.  gebelttier  staatsrath  dr.  Vollert  das  wort 
and  begrüszte  die  Versammlung  im  nnmen  des  fürsten  und  der  staats- 
regieruno:.  vorerst  p^odachte  er  noclimals  der  behinderung  des  fürsten, 
die  Versammlung  mit  seiner  gegenwart  zu  beehren  und  sprach  die  ver- 
siflkemtig  ane,  dMi  dlüef  den  arbeiten  des  philologentages  ein  sehr 
lebhaHee  totmiae  widme,  nicht  mir  deshalb,  weil  er  den  höheren 
bildangsanstahen  des  fürstentumi'nnabrässig  seine  landesväterliche  für- 
sorgte  zuwende,  sondern  auch  deshalb,  weil  er  selbst  den  gymnasial- 
cursus  absolviert  und  den  erbprinzen  einem  gymnasium  anvertraut 
habe  und  weil  er  regelmUszig  von  allen  epochemachenden  erscheinongen 
«•f  ^enr-gebletli  4«r  pldlelogie  kenttida  nehme. 

Dann  gab  er  seiner  frende  darüber  ausdruck,  dasz  die  deutsche 
philologenveraammlung  in  Gera  zusammentrete;  denn  er  hoffe,  dasz  die 
Versammlung  anregend  und  befruchtend  auf  die  schulmänner  und  die 
höheren  schalen  des  fUrstentums  wirken  werde:  sie  schaffe  ja  fühlung 
M  den  enpaelliten  «nf  dem  geMete  der  i^hllologfe  und'  des  nnterriehte 
und  hebe  das  standesbewusztsein.  im  weitem  verianfe  seiner  rede  er- 
örterte er  die  aufgäbe  der  Schulmänner  in  unserer  zeit,  nachdom  er 
die  in  der  geg-enwart  vielfach  laut  werdenden  klac^en  über  Oberflächlich- 
keit und  mittelmäszigkeit  der  schüler,  über  ihre  geniiszsucht  und  ihren 
iMilerlellea'eIntt  kon»  berührt  nnd  anf  die  durch  «e  jüngsten  ereignieee 
auch  in  der  geistigen  entwickelung  und  l^sinnong  der  dentscAen  Jüng- 
linge aufgedeckten  Schäden  hingewiesen,  führte  er  nns,  dasz  ein  be- 
deutender anteii  an  der  lösnng  der  frage,  wie  dieser  drohenden  gefahr 
entgegenzuarbeiten  sei,  den  huhern  lehranstalten  und  den  daran  thätigen 
lehftm  infnile.'i  «erprobte  ftieVlente',  sagte  er,  «werden  die  mittel  und 
wi|^  nnlknewShen  haben,  wie  es  sn  'erreichen  ist,  dasa  an  nnsern  höhem 
biMong^ailAtalten  concentrierter  gearbeitet,  dasz  eine  gröszerc  Vertiefung 
erzielt,  dasz  der  vielwisserei  gesteuert,  dasz  der  deutschen  Jugend  die 
feste  religiöse  grundlage  und  mit  derselben  auch  der  ideale  sinn  be- 
wahrt und  wiedergewonnen  werde,  auf  jeden  fall  wird  wieder  vielmehr 
aaeMraek  auf' die  etatehende  thStigkelt  gelegt  werden  müssen,  denn 
mit  dem  unterrichten  allein  ists  nicht  gethan;  es  wird  wieder  allgemein 
erkannt  und  anerkannt  werden  müssen ,  daAE  die  fard^t  gottes  aller 
Weisheit  anfang  ist, 

'  Ich  kann  nicht  näher  ausführen,  was  wir  zu  thun  haben,  damit  die 
•eUBer  der  hdhem  bildungsanstidtett  einfaeher  nnd  bescheidener  in 
ihren  ansprüchen,  dasa  Sie  mehr  anf  das  ideale'  geriehtet  und  zn 
gottesfiirchtigen  menschen  erzogen  werden,  aber  eins  weisz  ich:  das 
wirksamste  erziehungsmittel  ist  die  person  des  lehrers  selbst,  nichts 

N.iahrb.  U  phiU  o.  pid.  IL  abt.  187a.  hft.  10.  32 


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490      Bencht  über  die  Tediuidlfiiigeii  der  Tenanmliiiig 


wirkt  mit  solcher  gewalt  auf  den  scbüler  als  die  männliche,  aasgeprägte, 
ia  sich  fertige,  sittliche  persönliohkeit  dee  lehren,  ich  braache  du 
Bieht  la  beweieea,  denn  die  meieten  Ton  nae  werden  tieli  dinthtr 

Innern  an  mftnner,  die  ihnen  nicht  bloss  respect  und  liebe«  senioii 

ehrfurcht  eingeflöszt  haben,  es  wird  also  die  anfgabe  eines  jeden  sein, 
der  durch  seine  person  wirken,  der  andern  ein  yorbild  sein  soll:  des 
Staatsmanns,  des  geistlichen,  des  lehrers,  sich  zu  einer  in  sich  ge- 
festigten, tittUckeA«  inpoaierenden  penSnliehkeit  innner  mekr  henni- 
enbilden.  begeiftem  für  dne  g:ate  and  schöne,  für  kanst  nnd  wisso- 
schaft  kann  nar  der  lehrer,  welcher  selbst  von  dieser  begeisternnj 
ergriffen  ist,  ein  ideales  streben  einzupüanzen  vermap  nur  der,  der  selbst 
ideal  gerichtet  ist,  zu  gottesfürchtigen  menachen  erziehen  kann  nor  ein 
gottesffirehtifer  mann. 

FreUich  wird  auch  der  beste  nnd  treneste  lehrer  des  ziel  nicht 
immer  und  nicht  an  allen  schülem  erreichen,  haus  und  schale,  kirche 
und  Staat  müssen  zusammenwirken,  denn  der  mensch  gehört  diesen 
Tier  grossen,  selbständigen  und  eigenartigen  lebenssphären  sogleich  so. 
•Uein  es  ist  eine  wfirdlfe  aafgabe  der  mitglieder  dieeer  hoohansehn- 
liehen  yersammlung,  sich  gegenseitig  znr  klarheit  sa  helfen,  wie  wir 
ansere  deutsche  Jugend  vor  den  ihr  drohenden  gefahren  behüten  und 
was  wir  zu  thun  haben,  damit  es  uns  nicht  geht,  wie  den  hochgebildeten 
Griechen  und  den  die  weit  beherschenden  römern,  die  trotz  ihrer  hoben 
bilduug  und  trots  ihrer  weltherschaft  zu  gründe  gingen,  weil  sie  sieh 
in  polttischen  parteikftmpfen  nnd  in  bürgerkriegen  idbct  serfleisehteB, 
weil  sie  in  eitelkeit,  gennszsacht  and  sittenlosigkeit  Tersenken.  —  Ich 
würde  es  für  einen  wirklichen  gewinn  halten,  wenn  bewährte  Schul- 
männer, vielleicht  zunächst  in  kleineren  kreisen,  über  diese  wichtigen 
fragen  ihre  meiuung  austanschten  und  zu  einer  Verständigung  gelangten.' 
redner  lehloss,  iiraem  er  die  ▼ereunminng  herilieh  DeiHllkoBunneCt 
und  den  wünsch  euMpraeh»  daes  gett  ihre  arbeitea  nit  aeiaem  legn 
begleiten  möchte. 

Die  bejprüsznng  seitens  der  st.idt  Gera  hatte  hr.  Oberbürgermeister 
Fischer  übernommen,  er  erging  sich  in  längerer  rede  über  den  wert  der 
Tersammlungen  ttberhanpt  und  speciell  die  hehe  bedeatnug  der  mt- 
sammeakfinfte  von  phil<dogen  und  sohnlminnem  aad  hob  namentlich 
hervor,  dasz  unter  den  verschiedenen  versammlangen,  die  za  gleicher 
zeit  gegründet  wären  und  ihr  dasein  bis  auf  die  gegonwart  gefristet 
hätten,  diese  Versammlung  obenan  stehe,  sie  habe  die  Stellung  und 
würde  der  philologie  stets  hoch  gehalleai  nad  ihren  wert  anf  lange  seit 
gesiehert.  naeh  einem  weitem  eingehen  aaf  das  segensreiche  zn- 
sammenwirken  yon  bumanismus  und  realismus  zum  wohle  des  deutschen 
Vaterlandes  hiesz  er  die  Versammlung  im  namen  der  Stadt  willkommen 
und  wünschte,  dasz  alle  bestrebongen  des  plülologentages  vom  grösten 
Segen  begleitet  sein  möchten. 

Naebdem  der  prSsideat  den  beiden  ▼orrednera  im  namen  der  f«^ 
aammlnng  den  hersliohsten  dank  aasgesprochen,  schritt  man  zur  cos- 
stituierung  des  bureaus:  es  wnrden  auf  Vorschlag  des  präsidiums  so 
secretären  ernannt  die  herren  gymnasiallehrer  dr.  Büttner  Gera,  real* 
schullehrer  dr.  Hoffmauu-Gera,  prof.  dr.  Blass-isLiel  und  der  unter- 
aeiehnete. 

Damaeh  warde  ein  schreiben  des  hm.  prof.  dr.  Leataeh-Göttingen 
vorgelesen,  worin  derselbe  sich  entschuldigte,  dasz  er  durch  krankheit 
verhindert  sei,  in  Gera  zu  erscheinen  und  den  beabsichtigten  vortrsg 
über  gjmnasialbibliotheken  zu  halten,  und  den  anwesenden  mitgliedern 
eeiaen  gmss  entbot,  im  aasehlnas  daran  teilte  der  prSaldeat  seine  und 
seines  collegen  absieht  mit,  hm.  Lentsch  auf  telegrapliisohem  weg» 
zu  danken,  womit  die  Versammlung  einverstanden  war.  auf  anregnn^ 
von  Seiten  der  herren  provinzialschulruth  Krnse-Danzig  und  prof.  Eck- 
stein-Leipzig ermächtigte  die  Versammlung  das  präsidiam,  'den  ehr- 


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deutscher  phüologen  und  gchnlm&nner  sa  Gera. 


491 


würdigen  yeteraneu,  den  gott  noch  heutzutage  in  seiner  thätigkeit  er- 
hditen  hat',  den  verehrten  altneister  prof.  8chönuuin-Qreifswald,  gleich- 
wie im  ▼orifen  Jahre  Ten  Wieabeden,  eo  miieh  in  dieeem  jähre  Ton  Gere 

ani  telegrapbisch  zu  begrasen. 

Nach  einer  knrzen  panse  wnrde  die  reihe  der  vorträte  von  hm. 
prof.  Windisch-Leipzi^  eröffnet,  welcher  in  höchst  anziehender  weiae 
'über  die  altirische  sage  und  die  Ossianfrage'  iprach. 

Bedner  Tereaehte  ■nnftohsi  eine  rereteUnng  Ton  dem  noeh  aehr 
WMig  bekannten  Charakter  der  altiriscben  sage  sn  geben,  zn  diesem 
zwecke  wurde  in  freier  wiedergäbe  ein  stück  ans  dem  ältesten  und 
umfanf^reichsten  sag-entexte,  dem  TAin  Bo  Cüalgne  (rinderraub  von 
Coalgne)  mitgeteilt,  in  welchem  Cuchulinn  der  hauptheld  ist.  in  Irland 
liat  sich  das  Keltentnm  rerhSltnismilsBig  lange  rein  nnd  nngetrfibt  er- 
halten, daher  die  altirischen  sagen  wichtige  quellen  für  das  keltische 
altertum  überhaupt  sind,  die  ausbildung  derselben  geht  bis  in  die  vor- 
christliche zeit  Irlands  zurück  und  noch  mehr  gehören  die  Verhältnisse, 
die  sie  schildern,  einer  sehr  frühen  zeit  an;  viele  einaelheiten  erinnern 
s.  h.  am  dasy  was  Oaeear  von  den  OalUem  berichtet.  » 

Unter  den  |fiB|pereB  Sagenkreisen  ist  der  berühmteste  der  feniache, 
in  welchem  Finn  und  Ossin  (Ossian),  dessen  söhn,  die  l)Aupthclden 
sind,  es  wnrde  nachgewiesen,  dasz  diese  sagen  auf  Irlana  heimisch 
und  erst  von  da  nach  Schottland  gewandert  sind.  Ossian  war  in  Wirk- 
lichkeit kein  dichter;  ea  Ittsst  sich  aber  dentlieh  erkennen,  wie  die 
digilcfgestalt  Ossians  entstanden  ist.  hierbei  kam  die  Insiere  form 
der  altiriscben  sage  mit  in  betracbt;  sie  ist  von  grosser  Wichtigkeit, 
weil  sie  als  eine  Vorstufe  in  der  entwickelung  des  epos  betrachtet 
werden  kann,  in  Macphersons  Ossianischen  gedichten  liegt  uns  eine 
jUogere,  vielfach  entstellte  und  mit  fremden  elementen  verquickte  form 
der  alten  sa|^  tot,  wie  beispielsweise  an  dem  ersten  gesange  des  ge- 
dichtes  Temora  erläutert  wnrde.  fremdartig  ist  besonders  das  ftarke 
hereinspielen  nordischer  gestalten,  überhaupt  des  nordischen,  aber 
schwerlich  ist  es  gerecht,  alle  nenerungen,  welche  Macphersons  ge- 
dachte gegenüber  der  altirischen  sage  enthalten,  schlechtweg  als  fäl- 
Sehlingen  Macphersons  sn  beseiehsen. 

Belehlicher  bei£sll  lohnte  den  redner.  zu  einer  debatle  kam  es 
wegen  der  ziemlich  vorgerückten  zeit  nicht  mehr. 

Es  folgten  noch  einige  mitteilungen  des  priisidenten  betreffs  des 
beginns  der  festvorstellung  und  der  für  dienstag  angesetxten  tages- 
orainng.   darauf  schritt  man  snr  coostitnienng  der  seetionen. 

Am  nachmittag  gegen  8  nhr  versammelten  sich  in  der  tonhsUe  zahl- 
reiche teilnehmer  zu  einem  solennen  festessen.  der  saal  war  auf  das 
geschmackvollste  decoriert.  bei  vorzüglicher  leistung  der  küche  und 
gutem  vom  tischcomite  selbst  ausgesuchten  weine  kam  die  gesellschaft 
bald  in  animierte  Stimmung,  nachdem  die  offieiellen  toaste  auf  den 
deutschen  kaiser  Ton  prof,  Delbrflek-Jena,  auf  das  reussiscbe  ffirsten- 
bans  von  geh.  regiemngs*  nnd  prevlnzialaohulrath  Schräder-Königsberg, 
auf  die  philolo^enversammlung  von  Oberbürgermeister  Fischer-Gera  und 
auf  das  Geraer  gemeinwesen  und  die  Geraer  Industrie  von  prof.  Eckstein- 
,  Leipzig  gesprochen  worden  waren,  folgten  in  unabsehbarer  menge  eine 
grosse  aahl  anderer,  unter  denen  hervorgehoben  sn  werden  verdienen 
der  von  dir.  Grumme-Gera  auf  die  deutschen  franen,  besonders  die 
kaiserin  Augusta,  deren  geburtstag  gerade  war  (30  September)  und  von 
prof.  Bursian-München,  welcher  in  humoristischer  weise  der  aussöhnung 
zwischen  humanismus  und  materialismus  das  wort  redete,  erst  gegen 
6 -nhr  trennte  man  rieh  In  der  heitersten  lanne,  nm  sich  nach  einem 
Itorsen  Spaziergange  alsbald  an  der  um  7  nhr  beginnenden  festvorsteilnng 
im  theater  wieder  zusammen  zu  finden,  zur  aufführung  gelangten  drei 
einaetige  stücke:  im  Vorzimmer  seiner  excellenz,  ein  arzt  und  eine 
Partie  piquet.    die  wähl  derselben  hing  wol  von  der  mitwirkung  des 

82» 


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4d2      Beriifilit  iber  die  ▼griiMiilnigea  dttc  ate  vwminmfang 


herzogl.  lioftbeaterdirectors  Fr.  Haase  am  Berlin  ab,  der  sich  aaC  det- 
fallaige  an  ihn  ergangene  bitte  gern  bereit  efUM  hatte,  ror-derinl^ 
Btmäang  «nlralNlniLi  die  wuelelliittg  «le  eine  Teoigliche  be- 
seielmei  werden :  der  bew&hrte  meieter  der  schanspielkunst  spielte  die 
drei  von  ihm  übernommenen  g-an?:  verschiedenartigen  rollen  mit  so  er- 
staanUcher  kanatfertigkeit  und  meLsterschaft,  dasz  ihm  mit  recht  k>rbeer> 
kränxe  gespendet  und  wiederholt  stürmiseher  applaaa  snd  herroniif  n 
teil  wvdib  der  eehr  genoeenetehe  ebead  wM  g^wie  jedeei  mnt- 
ceeeUeh  eeia. 

Zweite  allgemeine  sitzung 
dienstag,  den  1  oei.  1978,  10  uhr  im  saale  der  tonhaUe. 

Aat  der  tagesordnang  stand  sonächst  der  vertrag  dee  hm..  ifnL 
Oeleer-Basel:  'über  die  culturgeschichtliche  bedeutung  von  Byianz'. 

Anknüpfend  an  die  jetzifren  orientwirren  fülirte  der  vortragende 
aus,  es  könne  nicht  befremden,  wenn  er  in  einer  aeit,  wo  die  orientalische 
frage  gaas  Europa  im  e|NwiiiiBg  halte,  die  weitgeaehtehlliehe  hedeelii^ 
TOB  Byaaas,  eine  der  intereeeenterten  hittoiieehea  ptoUeeie,  anm  gegen- 
stände seiner  darstellnng  gewihlt  habe,  man  sei  gewehnt,  über  die 
byzantinische  geschieh te  nur  abschätzige  urteile  zn  hören  nnd  schon 
mit  dem  worte  byzantinisch  einen  verächtlioben  nebenbegri^f  sn  ver* 
binden,  doch  errege  die  landläufige  ansieht  vom  ninei  efeet%aa  fmM 
dee  «etTtaieeheo  reiehe  mAim  deehelb  bedefdceB,  «eil  der  Mseraele 
verwesungsproeeee  VOU  Byiear  eine  daner  von  ca.  1000  Jahren  gehabt 
habe,  während  man  sonst  Staaten,  deren  beprinn,  glanzperiode  nnd  all- 
mähliches sinken  die  hiilfte  dieser  zeit  ausfüllt,  eine  bedeutende  welt- 

Sesehiühtliche  Stellung  anzuweisen  pflege,  auch  gebe  die  sähe  auBdaecr 
ei  kMOikea  reiehe  im  gegeneeli  m  dem  MhieitigeB  Untergänge 
roma  hinUugUeh  en  denkeu,   Metten  bedirfo  ee  keiner  heroischen 
rettongsmethodc ,  sondern  nof  einer  .unbetegenen  prOAmg-  der  bifto- 

rischen  tliatsachen. 

Au  zahlreichen  beispielen  wies  non  redner  snnächst  nach,  wie 
Byians  ein  in  miliUrieeher  und  poBtieeher  UnMeh*  trefflieh  geleitelv 
eteat  gewesen  eei.    das  reich  sei  jahrhundeiM  lang  den  gewaltigen, 

unaufhörlichen  angriffen  barbarischer  Völker  ausgesetzt  gewesen;  es 
habe  nach  einander  den  stürmischen  andrang  der  üunnen ,  Gotheo, 
Slayen,'  Perser,  Avaren  und  Araber  erfahren  und  lange  zeit  die  ge- 
flhrliehe  naehbeieehnft  dieeer  kiiftigen,  weihl  organiriertett  und:«aB 
tötlicher  feiadsehaft  gegen  Byzaas  «rfnUten  naohbarstaaten  erduldet 
alle  diese  stürme  habe  es  durch  die  thatkraft  seiner  herseher,  durch  . 
die  stärke  seiner  beere  und  durch  die  ^ute  Organisation  seines  Staats- 
wesens überdauert,  in  der  langen  herscherreibe  von  Arcadius  bis  auf 
Michael,  mit  dem  die  phrygische  oder  amerianieehe  dynaetie  abeehllenli 
396-«^fy  eelen  mit  aaeaahme  der  beiden  eretan  (Areadiue  und  Theo- 
dosius  JJ)'  und  dee>  lotsten  (Michael)  nur  wenige  absolut  nnltiuge 
monarchen  zu  finden,  wie  Justin  II  und  Phokas.  doch  war  nicht  die 
regierung  dieser  notorisch  schlechten  herscher  dem  reiche  verderblich, 
sondern  vielmehr  die  groszartige  und  dnrch  ihre  erfolge  scheinbar  so 
glinaende  Juetiniens.  seine  uneelide  ereberuagspoBtik  ibersfieg  die 
krilfte  des  reichs.  während  Beiisar  nnd  Narses  das  Vundeleareich  nnd 
das  verödete,  nach  12 jährigem  besitz  schon  wieder  verloren  gehende 
Italien  eroberten,  war  der  kaiser  ausser  stände,  die  nord-  und  ostgrenze 
des  reichs  gegeu  die  andringenden  feinde  zu  schützen,  dazu  kam,  dasJt 
er  durch  seine  kirehenpeiittk  die  Aegypter  und  Syeer  dem-  sieate  ent- 
fremdete, dooh  aUe  diese  nachteile  und  einbnssen  wurden  aufgewogen 
durch  den  immensen  vorteil,  dasz  das  reich  in  seiner  beschrankung  anf 
die  Baikau-  und  Tauruslialbinsel  eine  einheitliche  compacte  masse  helle- 
nisch redender  Komäer  bildete,  nnd  in  der  that,  jetzt  galt  es  alle  kräfte 


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deutacher  philologen  und  admlmäimer  «i  Gera. 


zur  abwehr  des  Islam  zusammenzuraffen:  eine  aufgäbe  von  weUhistori- 
aeker  ^ed««limg,  der  ileh  kaiaer  wie  Oenftans,  ConBlantin  der  BSrüge, 
.Leo..dev  Itaurier  und  Theophilos  vollkommen  gewMkeeii  seigtea.  ja 

es  gelang  nicht  nur,  die  moBlemitische  Invasion  zum  stillstand  zu 
bringen,  sondern  auch  durch  eine  j^eschickte  reorganisation  des  heeres 
and  der  verwaltang  dem  alternden  reicbskörper  ein  neues  leben  ein- 
«diMiebeii.  da»  war  das  groes«  w&iial  der  iiamiscihtii  (beeendefe 
ikree  begrfiadere  Iiea)  «od  4er  phrygischen  dyaaetie,  denen  der  itaat 
aach  die  bändignng  der  macedonischen  Slaven  nnd  die  rückeroberung 
des  Peloponnes  verdankte,  eine  förmliche  Wiedergeburt  erlebte  das  ost- 
römische reich  unter  dem  macedonischen  kaiserhanse  (867 — 1016),  wäb- 
rtsd  dessen  herscbaft  Kreta,  Cypern  und  der  gröste  teul  SyrieiiB  er- 
oImtI  «ad  das  mftehtige  BiügareiireSek  iwUekea  -uoiiaa  nad  MUmm  aer* 
tribanmrt  wurde. SäbetverständUoh  trug  ein  solches  releb  einen  vor- 
wiegend militärischen  Charakter;  fast  sUmmtliche  kaiser,  zumal  die 
griinder  der  dynastien,  sind  aus  der  generalitat  hervorgegangen  und 
haben  die  marsoh&Ue  zu  ihren  bevorzugtesten  dienern  gezählt,  in  der 
anaee  traehtete  maa  naeib  mSgUehitor  ■■ttmlHarnag  der  fresMlea  el«* 
roente  in  richtiger  Würdigung  der  denaelben  innewohnenden  ffiidia  nad 
kraft,  ohne  rücksicht  auf  die  cabstammung  stand  jedem  der  weg  zu  den 
einfluszreichsten  ämtern  oflfen.  daher  finden  wir  in  der  reihe  der  generale 
ein  buntes  gemisch  aller  nationali täten,  auf  dem  kaiserthrono  herscher 
•UviMfa«r  «ad  anaeniieiier  lierkonft.  ^  In  der  taktik  kielt  san  am  der 
.altrl^isolien  tradition  feet^  oline  sich  indea  fO0Mi  neuerungen  ganz  aa 
verschlieszen.  —  Im  innem  trat  eine  heilsame  Vereinfachung  des  schwer- 
fälhgen  und  kostspieligen  beanitenapparats  ein;  die  beständige  defen- 
sive Stellung  des  reichs  hatte  die  einrichtung  einer  einheitlicheja  miU- 
ttifiselien  Tarwaltang  aar  folge,  redaer  varaagt  es  ^k  in  rtteWobt 
auf  die  ihm  angaaeiaeae  aei*«  auf  das  finanzwesen  und  daa  paxlaaien- 
tarische  leben  des  «taalas  'eiiMng^aa,  nni  sieh  setfl^eiak  snai  2*. teile 
semes  vortrage, 

2)  zur  betrachtung  des  byzantinischen  kirchentums  ,^  zu  wenden, 
tte.  hervorstechendsten  eigentümliohkeiten  der  behandelten  aeit  sind  in 
dieser  kinaidit  das  all«  aeklehten  desToiks  darohdriaganda  laidansckaft- 

liehe  interesse  an  theologiBoben  fragen,  sodann  der  aaak  nicht  von  der 

leisesten  skepsis  beeinflnszte  wiindorglaube  und  ferner  der  stark  aus- 
geprägte trieb  zur  askese.  letzterer  tindet  zum  teil  seine  urklärung 
daiin,  dasz  der  weg  zu  dem  von  vielen  ersehuteu  und  eifrig  erstrebten 
episeopat  und  patriarakat  dnrohs  klosler  gieaf .  neben  den  sabatten- 
•eilen  vardieaan  aoek  die  licktseiten  der  byzantinischen  kirche  kerror- 
?rehoben  zu  werden:  so  liesz  die  internationalität  der  kirche  niemals 
den  nepotismus  aufkommen;  wie  im  beere,  so  gab  auch  im  kirchen- 
regimeute  bei  Verleihung  der  bischöflichen  würde  herkunft  und  uatio- 
nalitat  keineswegs  den  ansseklag.  die  kervorragendslen  geistigen  oapa* 
eitäten  widmeten  sich  damals  dem  geistlichen  standas  kamen  sie  doek 
auf  diese  weise  zugleich  in  den  besitz  einer  groszen  weltlichen  mackt 
und  bedeutender  reichtiimer!  die  wenigen  beispiele  von  freiheitssinn 
in  diesem  von  theologisch- dogmatischen  fragen  ganz  erfüllten  Zeitalter 
•ittd  fast  aosnakmalas  vom  klaraa  aasgegangen;  das  gröste  verdienst 
aber  hat  siok  die  kirche  der  dsaMÜgeu  zeit  erworben  durch  ihren 
missionseif  er,  den  sie  besonders  ontar  Josüaian  in.Afiriaa  .and  deas 
östlichen  Asien  bethätigte. 

Von  auszerordentlichem  interesse  ist  für  uns  die  zuerst  in  Byzanz  vom 
priaeipiellen  standpuncte  ventilierte  frage  über  das  Verhältnis  von  Staat 
uid  kircke.  die  oatrBtaiseken  kaiaer  kaben  es.  verstanden,  sich  dsa 
staatliche  oberaufsichtsraekt  über  die  kirche  stets  zu  bewahren :  sie  be- 
stätigten die  bischöfe,  ernannten  die  hauptstädtischen  prälaten,  die 
cultusminister  des  reicbs,  leiteten  die  groszen,  unter  dem  namen  der 
Skamenischen  concilien  bekannten  kirchenversammlungen.  mit  unrecht 


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494      Berieht  über  die  TerhancUuogen  der  33ii  Tersammlung 


hat  man  ihnen  den  Torwnrf  gemacht,  data  sie  durch  einmüchung  m 
ffUmbeiiuaolieii  dem  rtiehe  WMbtaile  bweitet  liittaa;  Tifttanhrwarihn 

Ufehenpolitik  dem  Staate  dnrehaas  heilsam  and  ihre  handlangsweise, 
namentlich  im  Monophysiten-  und  Monotheletenstreite ,  politisch  ent- 
Bchieden  correct.    durch  das  von  den  priestern  so  gepriesene  coDcii  m 
Chalcedüu  (461)  wurde  der  gröste  teil  der  bevölkerung  Aegyptens,  Syhei» 
und  des  Ssttieben  Kleioaiiens  Bjiuis  eatfrendet;  enteeliieden  TeftsB- 
hafter  für  das  reich  war  der  unter  Zeno  abgeschlossene  compromisz 
(henotikon  482).    dagegen   bewirkte  die   unirliickselige  kirchenpoUtik 
Jtistinians,  dasz  sich  die  parteihäupter  der  Monopbysiten  nach  dem  tode 
ihrer  beschützerin  Theodora,  der  kaiserin,  nach  Öyrieu  und  Aegypten 
sorilekzogen ,  wo  der  Urefalfelieii  enllramiinig  die  poUHeeb-astiseili 
auf  dem  fasse  folgte.  —  Naebdem  der  reda«r  daao  notk  den  etngiii|B> 
bestrebongen  des  Heraklius  und  dem  den  ganzen  nnerqoicklichen  tlÜX 
absclilies/.enden  Trullanischen  concil  (zu  Constantinopel  680)  eine  ein- 
gehendere betracbtuDg  gewidmet,  geht  er  zur  besprechung  des  gewöhn- 
lich *  bilderstreit'  genannten  cultnrkampfes  über,  in  dem  es  sich  vielmehr 
nm  sobordiBstion  oder  absolutismas  der  kirebe  ioi  sUato  handelte,  gisi 
im  gegensatz  zu  den  bisheriges  a— ehsanngen  proclamierte  die  kirche 
jetzt  plötzlich  völlige  trennung  der  geistlichen  und  weltlichen  gfewalt. 
die  folge  davon  war  die  absetzung  des  patriarchen ,  temporalieiisperre 
gegen  den  pabät  und  alt»  sich  dieser  für  unabhängig  erklärte,  die  uuter- 
stelbing  des  apostoUseh  römisehen  Tleaifats  Thessaloniko  unter 
Patriarchat  von  Constantinopel.    die  bilderfreundlichen  mönche  wurias 
nach  Cypern  deportiert,  ihre  klöster  teils  freschltift,  teils  in  caserntn 
umgewandelt;  der  kkrus  wurde  besteuert,  die  austellung  der  geistlichen 
von  der  reichsangehörigkeit  abhängig  gemacht,   die  öffentliche  meioang 
iD  diesem  kampA  staiul  dnrebans  anf  saiten  der  regiemng ;  ror  sHcb 
war  die  hohe  geistliebkeit  nnd  das  beer  antsobieden  bilderfeindlich, 
schliesziich  gab  zwar  der  Staat  nach  und  statuierte  freiheit  des  bilder- 
cults  und  des  ganzen  klosterweseus ,  führte  indes  —  und  darin  ist  er 
der  Vorläufer  des  modernen  culturstaats  geworden  —  mit  eiserner  con- 
seqnens  die  nnterordnnng  der  Idrehe  unter  die  staatsgeaatse  doreh.  — 
8)  lieber  die  ealturfl^sebiehtiiehen  lelstongen  der  Byaantiner  ÜMit 
sich  der  redner  kurz,    ihr  ganzes  schaffen  erklärt  er  für  eine  mit  na» 
glaublicher  hartnäeki{]:keit  durchgeführte  reproduction,   für   eine  Ver- 
steinerung des  hellenisch-spätrömischen  wesens.    üppig  wucherte  eis 
erasser  aberglaube,  von  Chaldäem  und  Druidinnen  aufrecht  erhalten; 
die  orakelfabrieation  wurde  ins'  grossartigstea  massstabe  betrieben.  — 
Mit  den  priestern  der  alten  zeit  versobwanden  an^  die  wandernden 
Philosophen,  rhetoren  nnd  Sophisten  sammt  ihren  redeschlachten  und 
dialektischen   wettübungen.     auch  hier  traten  die  mönche  ein,  deren 
haupttummelplatz  Alexaudria  war,  noch  bis  zur  zeit  des  islam  das  in- 
telleetnelle  eentrom  der  ostweit  alle  sweige  des  wissenswirdigen,  ss- 
mal  die  heilige  tbeologie  wurden  hier  verbandelt,  die  rhetorengefeekle 
wurden  auf  das  dogmatische  gebiet  verpflanzt,   auch  in  kunst  und  littera- 
tur  treffen  wir  meist  nur  sklavische  nachahmung  griechisch-römischer 
Vorbilder;   die  kunst  zeigt  eine  wahrhaft  virtuose  ausbildung  über- 
lieferter formen,    der  sidi  seit  Jnstinian  entwiakelnde  byzantinisslie 
kuppelban  war,  weil  er  tiots  rascher  ansffihrbarkeit  im  höchsten  grade 
monumental  war,  dem  oströmischen  geiste  völlig  congenial.   daher  auch 
die  hohe  culturgeschichtliche  bedeutung  dieses  baustils  durch  seine  bc- 
einfluBsung  der  islamitischen,  vorab  türkischen  architektur.  ~  In  der 
litteratnr  erwähnt  redner  nar  einen  punct,  die  gesohichtssehreibnng. 
auch  hier  herschte  eonsenratismns:  man  eiferte  in  etil  nnd  melheds 
den  hochgehaltenen  mustern  nach  und  suchte  sioh  s<^[ar  deren  denknngs- 
weise  anzueignen,    die  byzantinische  historiographie  war  chronistisch, 
ihr  verdanken  wir  die  ausbildung  des  begriffs  der  Weltgeschichte,  denn 
der  Bpeelell  ebristliche  grundcharakter  dieser  neuen  gattung  zwang  die 


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deutscher  philologeu  und  schulmäncer  zu  Gera. 


495 


historiker,  der  jüdischen  geschichte  eine  neue  und  hohe  stellang  neben 
der  röoiisoheo  sn  gewähren  und  auch  die  alten  enlturvfSlker  Asiens 
Hiebt  als  sar  not  zugelassene  barbarea,  sondem  als  gleiehbereebtigte 

genossen  zu  betrachten. 

Zum  schlusz  verwahrte  sich  der  vortragende  gegen  die  Insinuation, 
als  ob  er  eine  apologie  des  byzantiuismus  habe  versuchen  wollen;  es 
isi  BW  seine  absieht  gewesen,  einer  so  eigentamlieben  erscheinung  in 
der  waltgeechichte  gerecht  zu  werden  und  indem  er  gliaiehwie  den  ein* 
gang,  so  auch  den  schlusz  seines  vortra{*^s  an  die  gecrenwart  anknüpfte, 
wsrf  er  zuletzt  noch  die  frage  auf,  ob  die  byzantinische  bildung  des 
osteoropäischeu  Slavenstaats ,  der  in  cultur  uud  glauben  als  erbe  Ost- 
roms beseiebnet  werden  darf,  oder  abendlBndisehe  cultur  an  einer  etwa 
eintretenden  regeneration  des  Ostens  berufen  seien. 

Nach  diesem  mit  ungemeinem  beifall  aufgenommenen  vortrage  er- 
griff hr.  dr.  Glaser  aus  Gieszen  das  wort  und  sprach  über  Vergils 
flogen  U,  lY  und  X,  welche  er  als  praktische  gelegenheitsgedichte 
idl  bnnoftstieeher  und  parodiseher  dietlon  und  tendenaiSser  fSrbang 
nachzuweisen  suchte,  in  diesem  falle  aber  schwinde  für  sie  das  ihnen 
bisher  fast  allgemein  imputierte  odium  einer  nachahmung  griechischen 
modells.  denn  wo  nun  Vergil  verse  entliehen  oder  nachgebildet  habe, 
da  sei  es  mit  dem  bewusztsein  des  dichters  geschehen,  dasz  der  em- 
pfänger  und  leser  des  gedichts  die  beziehung  und  die  absieht  jener 
entliehenen  verse  wol  kannte,  weshalb  denn  auch  Jene  Idyllen  niebts 
weniger  als  sogenannte  ^Theokritstudien'  seien,  besonders  wies  Glaser 
an  der  II.  ecloge,  der  Corydonidylle,  nach,  dasz  die  annähme  Schapers 
nnd  der  meisten  früheren  erklilrer,  welche  darin  entweder  eine  ernst- 
hafte liebesleidenschaft  Corydous  zu  einem  Sklaven  statuierten  oder  eine 
pure  sobnlmHssige  übnngsstndie  erbfickteo,  binfftUig  sei  denn  der  an*  * 
nähme  ^ner  emstlichen  leidenschaft  Corydons  könne  mau  mit  recht 
die  frage  entgegenhalten ,  ob  denn  wol  Vergil  eine  thatsächliche  liebe 
mit  Worten  des  verliebten  Cyklopen,  wie  sie  aus  den  Theokritidyllen 
23  und  Ii  herüber  genommen  wurden,  konnte  adeln  und  empfehlen 
wellen,  schon  diese  eine  küble  erwägung  b&tte  die  exegeten  stotsig 
machen  sollen,  vielmehr  liege  in  besagter  ekloge  eine  parodie  TOr, 
kraft  welcher  Vergil  die  der  pastoraldichtung  ablioldo,  Stimmung  eines 
angehörigen  (Alexis)  von  PoUios  familie  benutze,  um  durch  eine  launige 
fiction  in  anmutender  weise  das  landleben  und  die  damit  in  Verbindung 
stehende  'idjUisehe'.  dicbtnng  Pollio  gegenüber  —  denn  auf  diesen  sei 
dorcfa  das  medium  jenes  knaben  alles  berecbnet  —  zu  glorificieren. 
Ven  Khnlichen,  einfach  natürlichen,  kunstlosen  principien  ausgehend, 
erklärte  Glaser  auch  ekloge  IV,  von  der  er  alles  bisher  in  das  feld  der 
erklärung  geführte,  in  zahlreichen  versifbhen  niedergelegfte  mystische 
und  allegorienhafte  fern  hielt,  und  ekloge  X,  der  er  gleichfalls  einen 
durebans  parodisierenden  inbalt  Tindicierte. 

Durch  den  mangel  an  seit  war  jede  debatte  bei  diesem  wie  bei 
dem  vorausgegangenen  vortrage  ausgeschlossen;  aus  gleichem  gründe 
mästen  auch  die  mitteilungen  des  hm.  prof.  Weissenborn-Erfurt  'über 
die  älteste  Universität  mitteldeutscblands'  von  der  tagesordnung  ab- 
gesetat  werden, 

Programmgemäsa  wurde  trots  des  drohenden  bimmels  nachmittags 
3  uhr  der  geplante  gemeinsame  Spaziergang  nach  dem  Martinsgrunde, 
den  'sieben  eichen',  der  Metzhöhe  und  dem  schloszgarten  ausgeführt, 
etwa  250  teilnehmer  hatten  sich  um  die  festgesetzte  stunde  in  den  zum 
•smmelplats  bestimmten  räumen  der  bürffererbolnng  eingefunden  nnd 
segenf  berren  und  damen,  fremde  und  eiiweimische,  in  freudig  erregter 
Stimmung  dem  herrlichen  walde  zu.  für  musikalische  Überraschungen 
war  aufs  beste  gesorgt,  die  von  der  höhe  des  hainberges  genossene 
aussieht  auf  die  Stadt  und  das  Elsterthal  war  einzig  in  ihrer  art;  auch 
lohnte  ein  besneih  dea  Schlosses  osterstein  mit  seinen  geschmaekroll 


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486 


Bezieht  tfber  die  ?«rhaiidlaQgea  der  38a  ▼eprsaminlaDg 


eiigedchltten  gem&cbern  mid  aeinan  Mlteuen,  von  hohem  ktUMtsUiii 
zeugenden  cabinctsstücken  entschieden  reichlich,  die  köstliche  partie 
fand  einen  paaseaden  ftb^chluM  durch  dA»  jr«ode«-voi||i  im  'gMUuMi«» 
zum  mohreo*. 

Am  abeide  ?eraaaimdttA  lieh  die  feetgeeeieea  ki  den  leealititM 
der  erhoIungsgesellschaCt  snm  deiileeheii  lisoee,  um,  eia  von  feraiitir 

gesellschaft  arrangiertet  concert  entgegenzunehmen,  das  programm 
war  mit  groszcr  Sorgfalt  zosammengestellt  und  wurde  mit  groster 
accaratease  ausgeführt  von  der  Herfurthachen  c&pelle  und  den  geaang- 
Tereinen  'UederUfel*  und  'Ariou'  unter  «hweelivelnder  leijtojigideelifcrie 
Herfkurth,  Tsehireh  aad  Weleh, 

Britto  allgemeine  sitzung 
millwoch,  den  S  october  1878,  10  nhr. 

Der  Präsident,  prof.  Delbrück,  ertheilte  jnmlkbet  hm«  dr.  Zeehei- 
Helle  das  wort  zu  einem  vortrage  über  das  thema: 

inwiefern  sind  wir  berechtigt  im  griechifichen  drama  einfelidl^ 
trag  der  choreuten  anzunehmen?' 

Besondere  wichtig  nnd  intereeientt  eher  anoh  Mhwierig  ^bei  im 
mengel  an  sicherer  fiherliefenuig  iet  die  frage,  wie  im  griechischea 
drama  die  dem  eher  zufallendon  partien  dargestellt  worden  sind,  gerade 
auf  diesem  gebiete  sind  in  letzter  zeit  von  den  verschiedensten  seiten 
forschuugen  axigesteUt  worden,  mit  solchem  erfolg,  daaz  einer  der 
banptvertreter  dieser  richtung  äoesem  koontOt  man  eage  aieht  sn  Tiri, 
wenn  man  behaupte ,  dasz  erat  ein  gründlichea  eingehen  in  diese  tte* 
dien  ein  Verständnis  des  chors  und  des  dramas  überhaupt  gewähren 
könne,  der  vortragende  zweifelt,  ob  es  diesen  forschem  wirklich  ge- 
lungen sei,  in  das  x^PHT^^ov  einzutreten;  jedenfalls  haben  sie  aus  dem, 
was  «ie  gesehen,  eia  stoliee  geblnde  eoriehlet.  ee  sei  eia  aiemliflli 
hartes  arteil,  welches  er  über  die  neueren  theorien  caeq>reehe»  dock 
sei  es  fern  allen  persönlichen  Verhältnissen  und  halte  er  es  für  seias 
aufgäbe  darzulegen,  wie  der  thatbestHud  sicli  wirklich  verhält,  es  ist 
nicht  die  gesammte  theorie  der  chortechnik,  gegen  die  er  seine  waffen 
richtet,  sondern  nnr  ein  teil:  die  ansieht,  dass  eine  ganse  ansabl  vos 
chorliedem  vorgetragen  sei  von  sftnuntlichea  einselnea  ehoie^tea«  die 
necb  einander  jeder  ein  stUek  des  ganzen  sprachen,  diese  geht  sa> 
von  Gottfried  Hermann,  ist  im  ersten  drittel  unseres  Jahrhunderts  von 
Lachmann,  Boeckh  und  anderen  angenommen  und  von  Bamberpfer  in  ein 
System  gebracht  worden;  dann  durch  die  schrift  Hcimsoeths  über  boid 
geworfen,  iet  sie  ia  diesem  deeenniom  wieder  ein  gegenständ  der  liebe 
and  mode  geworden,  die  namen  jener  männer  lassen  erkennen,  wie 
wichtig  und  schwierig  die  frage  ist;  die  Schwierigkeit  derselben  ifit 
hauptsächlich  darin  begründet,  dasz  die  wenigen  diiect  aus  dem  alter- 
tume  erhaltenen  Zeugnisse  darüber  zweifelhafter  autorität  sind  und  wir 
uns  daher  aaf  lehlitese  eae  der  aatnr  der  aas  fiherliefertea  teste  «e* 
gewiesen  sehen,  redner  gliedert  eeinea  Tortmg  in  drei  teile  wi 
untersucht 

1)  welche  beweise  es  für  das  auftreten  von  einzelnen  choreuten 
gibt,  resultat:  da  in  den  handschriften  der  Ljsistrata  einzelne  teile 
eiaielaea  ehoreatea  sngeteilt  sind  —  woraaf  als  aarieheree  kriteriiB 
fibrigens  Zacher  keia  grosses  gewicht  legt  — ,  da  ferner  aus  dem  chs* 
rakter  vieler  stellen,  namentlich  der  Aristophanischen  komödie  (cf. 
Aristoph.  Lysistr.  702  sqq.  und  die  parodos  der  Wespen),  aber  auch 
der  tragödie  (cf.  die  parodos  des  Aeschyleischen  Agamemnon)  hervor- 
geht, dass  sie  aar  ^oa  einzelnen  pcrsonen  gesprochen  sein  können,  so 
iftsst  sich  der  eiazelTortrag  der  ehoreatea  aicht  leugnen. 

2)  Handelt  es  sieh  am  die  beweise  dafür»  dass  ia  eiaem  xa^iK^ 


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d6slieher  pbüologen  und  schalmäuner  zu  Gera.  *  '  497 

.mü^Mi-etoMiw  elMilBatni'tieh  »l>|^9ftt  Mim*  iir  dm  bwidföhKfteii 
findet  sich  häutig  die  bezeichnung  i'jiüiixöpMV,  AUS  den  grammatikwii 
wissen  wir,  daaz  der  chor  sich  öfter  in  ctolxoi  und  ZxrfA  abteilte  und 
80  seine  lieder  sang,  das  sicherste  kriteriiim  ist  natürlich  rede  und 
gegenredOf  wie  denn  a.  b.  in  einigen  stücken  der  chor  von  vorn  herein 
•«Drnrei  UUe  gertailt  ifts  so  in  der  L^iftmta,  im  Sophokleischen  Äjas, 
in  der  Bpido«  der  AaithylsSiBton  'BiippUoei.  besehtoiiiw«it .  toi-  a«^ 
der  fall,  wenn  siek  !■  den  «nreden  befehle  an  den  6bor  selbst  beflndttii, 
sei  es  allgemein  im  pinral  oder  im  dual  oder  mit  nennung  eines 
namens  im  Singular  (cf.  Aristoph.  Acharn.  280  sqq.  Wespen  230  sqq.). 
dagegen  hat  man  keinen  grund,  bei  leidenschaftlicher  erregung  stets 
«wMl  der.:  penioneic'  •  umnelinwn;  denn  diel  eigentlniltelikeftkeaid«r 
4eideii8duiftlicken  rede  ^oüge  Iraner  dItEe  ohne 'syntaktische  Terbin- 
dnng,  flprungweiser  Übergang  zu  neuen  gedanken,  plötzlicher  Wechsel 
des  metrums,  und  des  tons,  variierung  desselben  ^edankens,  scharfes 
sichabheben  gleicher  kola  in  antistropbischer  entsprechang)  finden  sich 
aaeh-ohne  persenemmiiisel,  «e  im  SopbeU.  Ajes  864  «|<|.i89d  eqq^rfo 
aoch  bei  modernen  di^Aens,  z.  b.  M8eihiÜer'iai-<aMaole9  derWällea- 
Slein  und  der  Jungfrau  von  Orleans. 

3)  Verteilung  eines  xopi^öv  unter  sümmtliche  choreuten.  bekannt- 
lich hat  SU  dieser  annähme  Veranlassung  gegeben  die  stelle  Aesek. 
AgaiiL.18Mr«18fl,'  iM  der  iftiinBllidie  eheveHteii  «leli  lievattmi»  was*  ad 
tate  tfei.-  die^Teide  'tiad  von  O.  Hermann  unter  ift,  von  Ottr»  Müller 
nnter  12  personell  verteilt,  allerdings  ist  kein  Zweifel,  dasz  hier  eine 
aazahl  von  choreuten  einzeln  sprechen,  indes  darf  man  daraus  noch 
keinen  scblusz  ziehen  auf  den  vertrag  von  chorliedem;  denn  hier 
singen  aad  tanaea  die  eboreaten  nicht,  soadeva  epreebeoi  ebenao 
wsasg!  bereelitigfc  -vna  die  netia  im  fKoc  AtqciftKoUt  dieser  habe  die  ebe- 
renten  ciröpäbT)V  anftrsten  laseen  (was  man  auf  den  chor  der  Eume- 
niden  bezogen  hat),  zu  dem  schlnsse,  dasz  die  einzeln  auftretenden 
aaoh  einzeln  vergetragen  haben  müssen,  man  dehnte  diese  art  der 
varteiloag  auf  mehr  und  mehr  chorlieder  ans,  hauptsächlich  gestütst 
iaf  die  HbeteitMtfaBBMBiif  dw  aahlen>  -  naaientAidi  weon  tiieli  It  oder  1^ 
oder,  in  der  komödie^  84  -w&maara  ergaben,  ja  man  gieay  tteefc  «eHar 
und  schlosz,  dasz  wenn  vorp  diesen  15  KÖ|H|LiaTa  je  5  in  einem  engern  Ver- 
hältnis zu  einander  standen,  der  chor  kotci  ctoixouc,  in  reihen  von  je  5, 
▼oigetragen  habe,  abgesehen  davon,  dasz  sich  unser  gefühl  gegen  die 
aeiMme  atrftnbt,  daae  der  urieebAaelie  aiaa  fttr  hanoMNiie  eine  aoldhe 
lerpflücknng 'and  aeialdokelung  der  xopuid  aag^elaaeea  liabe,  spriobt 
zweierlei  dagegen:  einmal  ist  es  ein  ganz  unerwiesenes  und  nicht  ein- 
mal probables  axiom,  dasz  jeder  choreut  nur  ein  K6|i|ia  erhalten  könne 
und  nur  dem.  KOpuq)aioc  mehr  eingeräumt  werden  dürfe,  warum  soll 
aiebt  mittmter  der  oder  jeMr  obeteat  mehrere  male  aam  werte  gekom- 
Biaa:.  aein?  auch  zu  wanderliobiLeiten  führt  dies:  in  der  parados  der 
Wespen  findet  ein  wortweclisel  statt  zwischen  chor  und  iraic.  die  be- 
treffenden werte  (v.  245  ff.)  können  nur  von  einem  einzelnen  choreuten  vor- 
getragen worden  sein,  und  doch  wird  dies  wecbselgespräch  unter  drei 
peiaoBieii!  verthetit.  Sodann  aber  heradit  anek  grosse  willkftr  In  dar 
beatimaran^  der  Kdfi|iiiTa$>  awaamwenklingeade .  gedaakasureiken  .werden 
terpflückt,  zusamnuanbängende  geaprSiehe  unter  mehrere  yerteilt;  oder 
die  Verteilung  wird  überhaupt  erst  durch  kritische  kunststücke,  ein- 
•chiebung  und  ausstoszung,  ermöglicht,  beispiele  hierfür  anzuführen, 
wMe  nicht  der  ort  sein.  —  Das  ergebnis  ist  ein  reia.  negatives:  in 
den  meielen  liUen  aind  wir  darokant  aSekt  -im  atande,  nna  eiv  kkwee 
bild  von  dem  vortrage  des  cbors  zu  maeben.  daa  reanltat  ist  betrfibead, 
aber  unser  wissenschaftliches  gewissen  zwingt  uns  es  auszusprechen. 

Eine  discussion  fand  nicht  statt,  dagegen  machte  hr.  prof.  Kvicala- 
Prag  einige  bemerkungen  zu  dem  vortrage  in  der  zweiten  Sitzung  der 
kcittadi-eziagetiaelien  aedion«  (vergL- dieselbe«) 


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498       Bericht  über  die  Terhandlungen  der  d3n  Tersammlung 


IHa  iwdtMi  gegenstoiii  der  tagesordnuf  btUeU  der  ▼cvrinf  4m 
hm.  pr9t  Otthoff -Heidelberg 

'über  das  physiologische  and  psychologische  mooMot  ia  dir  Un' 

menbildun^  and  ihr  gegcDseiti^es  Verhältnis'. 
Es  ist  die  absieht  des  vortragenden,  Interesse  sa  erwecken  für  zwei 
grtndi&Ue  der  sprachbildnng :  1)  d«r  hiitoriedM  lasfewmiidel  det  f«- 
malen  tprMhttofff  ToUtieht  neh  innerhalb  dereelben  MÜlichen  und  ört- 
lichen begrenztheit  nach  ausnahmslos  wirkenden  gesetzen  (physiolo^- 
Bches  moment).  2)  alle  unreß^elrnäszigkeiten  der  laatentwickelung  sind 
nur  scheinbar  solche;  sie  beruhen  darauf,  dasz  die  wirkun^n  der 
physiologischen  gesetse  durchkrensung  erfahren  vom  psychologisckea 
getrielM.  tun  dM  Tidrhiltiils  klar  n  «lellent  führt  redner  swei  beispisle 
Yor,  ein  dentsehM  und  ein  giiMhlacbes.  der  germanische  laut  h,  vor- 
dem ch,  welcher  ans  indog^ermanisch  k  entstanden  ist,  hat  beständig 
nur  noch  den  lautwcrt  des  Spiritus  asper,  aber  im  auslaat  stehend  be- 
hauptet er  seinen  alten  lautwert,  so  dasz  wir  *hoch',  aber  'höhst' 
•praohen.  in  gemiiihalt  daiMlben  gaMtses  mse  «ob  «hd.  rfleh  nhd. 
ranah  weiden ;  diese  lantgaMlsUah  anttUadene  form  liegt  bekanntlich 
in  der  spräche  Luthers  (Esau  war  rauch  von  feil)  noch  vor,  jetzt  noch 
in  'rauchwaaren'.  wenn  wir  heute  'rauh'  sagten,  so  darf  das  nicht  so 
angesehen  werden,  als  erleide  jenes  gesets  eine  aosnahme;  vielmehr 
fat  Um  auf  psychologisehaai  wege  hmeigefihrt  werden,  indem  das 
alte  'ranch'  beeinflnstt  worden  iat  dnreh  llaetierte  fomen,  wie  'raaber, 
rauhe,  rauhes»,  im  griechischen  wird  €0  zu  r|  (y^vca  =  x^^rj)? 
hin  ist  CuJKpdtxri  die  strict  lautgesetzliche  accusativforra.  die  form 
Cu)KpdTr)v  ist  anderer  art,  nicht  von  einem  lautgesetze  zu  stände  ge- 
bracht: die  ideeaassoeiation  hat  dies  wort  in  die  aaalegie  Ton  wortm 
wie  0lXoiCT^|Tl|C»  Cirap«lATr|C  herangeroekt.  man  pflegt  solche  formen 
bald  als  'formübertragnngen',  bald  als  'analogiebildungen',  bald  als 
'associationsbildungen*  zu  bezeichnen,  der  termiuus  ^falsche  analogie- 
bildungen'  ist  verwerflich,  weil  er  mit  der  Sache  ein  odiom  verbindet, 
die  alten  nannten  es  entgleisungen,  metaplasaien.  redner  geht  um 
snnllchst  snr  begründung  iss  erstgenannten  g>aelnsa  über,  für  dessen 
richtigkeit  sich  zwar  kein  indnctiver  beweis  erbringen  lasse,  das  aber 
durch  wahrscheinlichkeitsgTÜnde  fjenügend«  gestützt  werden  kann,  er 
weist  betreifs  der  strieten,  ausnahmslosen  geltun^  der  iautgesetze  »uf 
die  moderne  sprachcntwickelung  im  gegensatz  zur  antiken  (die  roms- 
nisehen,  germanischen,  slarisehen  grammatiker  waren  die  erstan,  welebe 
die  nbsolute  bindlichkeit  der  lantgesetxe  statuierten)  und  besonders 
auf  das  Vemersche  lautverschiebungrBgesetz  (im  XXIU  bände  von  Kobns 
Zeitschrift  für  vergleichende  Sprachforschung)  hin,  wodurch  es  gelangen 
sei,  eine  lauteracheiuuug  als  durchgreifend  zu  erweisen,  von  der  man 
Mher  ansnahmen  annelunen  an  müssen  glaabte. 

*  S)  Bei  der  formbildnng  unter  einflnss  psychologischer  momente 
haben  wir  es  entweder  mit  einer  association  durch  stoffliche  wirknng 
oder  mit  einer  association  durch  formale  ausgleichung  zu  thun.  im 
erstem  falle  ist  die  gemeinsamkeit  des  wortstoffes  das  agens,  wie  io 
rauh  statt  rauch,  schuh  statt  sohuch,  wir  starben  statt  wir  atorbse,  er 
fliegt  statt  fleneht  nsw.;  im  letatem  die  gleiohheit  der  formen  (fnae- 
tionen),  so  in  Cu)KpdTff)V  von  einem  nomen  anf  r]C,  das  in  anbetracbt 
der  nominativendung  sowol  nach  der  3n  als  nach  der  In  declination 
gehen  kann,  dahin  gehört  die  grosze  menge  der  metaplasmen,  hetero- 
klisien  und  aller  Übergänge  aus  einer  declination.  und  einer  conjoga- 
tien  in  die  andere,  anm  belege  folgt  eine  grosae  aahl  grieeUscb« 
beispiele. 

Bisweilen  wirkten  beide  arten  der  ausgleichnng  in  einem  wort« 
und  schufen  z.  b.  aus  dem  einen  verbum  'stellen'  die  beiden  composit« 
'bestellen'  und  'bestallen'. 

Ausser  der  bisher  behandelten  totalen  ansgleichnng  gibt  es  sink 


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deatochet  pbilologeu  und  achulmSiiner  zu  Gera. 


499 


eine  partielle.  dflUn  gehört  die  contraction  von.xpOcca  in  XP^&*  da 
sonst  ca  in  V|  übergeht,  hier  aber  eontraistion  in  ä  Torliegl,  so  hat  die 
analogie  von  formen  wie  Ka\d  eingewirkt,  indes  ist  die  qaantit&t  des 
VC c als  gewahrt  worden,  die  ausgleiohung  denmaeh  nlobt  tetsl  toU* 
xogen. 

Der  vertrag  erfreute  sich  des  ungeteilten  beifalls  der  zuliürer;  eine 
deVatte  darüber  Terbot  die  Torgerfiekte  stunde. 

Es  folgten  die  mitteilungen  des  hm.  prof.  Weissenborn*ErfiBrt 
*über  die  ülteste  Universität  Mitteldeutschlands'. 

Seit  beinahe  vier  jähren  besteht  in  der  proviuz  Sachsen  unter  dem 
versitze  des  prof.  Dümmler>Halle  eine  historische  commission,  welche 
die  provinsialnrknnden  nsw.  anssonotsen  begonnen  hat.  diese  liat 
WeissenboruH  anerbieten,  die  matrieolae  von  Erfurt  sn  pubUcieren, 
g^ebilligt  uud  die  publication  aus  dem  provinzialfond  zu  unterstützen 
verheiszen.  W.  will  die  pelej^enheit  der  anwesenheit  so  vieler  männer 
benutzen,  um  forschungen  nach  dem  verbleib  einiger  bächer  ansn- 
«tellen,  welehe  ihm  fehlen,  er  berichtet,  dast  in  Erfurt  ▼orhanden 
seien  Auf  bände  der  Studentenmatrikel  von  1892—1800  und  die  deca- 
nats-  und  Statutenbücher  der  medicinischen  facultät.  in  Berlin  seien 
die  particulae  magistrorum ;  dagegen  fehlen  noch  und  sind  wahrschein- 
lich auch  irgendwohin  verschleppt  worden  das  Statuten-  und  facultats- 
buch  der  theologischen  nnd  juristischen  facultKt  und  das  vollständige 
yerfteiehnis  der  baeealanrei  nnd  lieentiati.  redner  sprieht  snletst,  in* 
dem  er  die  bedentnng  der  Universität  Erfurt  hervorhebt,  den  wünsch 
aus,  dasz  eine  anfforderung  zur  nachforschung  nach  dem  verbleib  die- 
ser bücher  in  möglichst  viele  wissenschaftliche  Zeitungen  aufgenommen 
werden  möge;  das  centralblatt  habe  sich  zur  aufnähme  einer  solchen 
#eho&  bereit  erklärt. 

Hinsichtlich  seiner  schlüt  Uber  Anploite  BsJfingk  (siehe  unter 
festschriften)  bemerkt  W.  wegen  vorgekommener  misverständnisse ,  er 
habe  davon  nur  ein  exemplar  mitgebracht,  welches  nach  altem  usus 
der  gymnasialbibliothek  des  ortes  der  Sitzung  zu  teil  werde.  200 
«xemplare  habe  er  als  beilage  an  den  osterprogrammen  an  die  iam- 
melstelle  (B.  G.  Tenbner)  abgeliefert;  faUs  andere  herren  noch  in  den 
besitz  der  Schrift  zu  gelangen  wünschten,  so  möchten  sie  ihre  namen 
aufschreiben,  damit  die  Zusendung  an  sie  erfolgen  könue. 

Mitteilungen  geschäftlicher  art  von  selten  des  Präsidenten  reihten 
^eh  daran  an.  einige  sehroiben  waren  eingelanfen:  aus  Herford  ron 
einigen  herren  gymnasiallehrem,  welche  die  versammlang  baten,  ihren 
einflusE  dahin  geltend  zu  machen,  dasz  die  ferienordnung  in  Westphalen 
verändert  werde,  sie  wären  weder  iiu  stände  an  der  philologenver- 
sanamlung  teil  zu  nehmen,  noch  auch  dem  äedanfeste  beizuwohnen, 
der  Präsident  war  der  meinung,  dasz  jeder  dahingehende  Tersneh  bei 
der  prensdsehen  regierong  eifolglos  sein  würde,  deshalb  sehlng  er 
▼cur,  dasi  das  prftsidiom  beauftragt  würde,  den  herren  zu  schreiben: 
die  Versammlung  sei  zn  ihrem  bedauern,  weil  sie  die  aussichtslosigkeit 
•einer  solchen  bemühung  einsähe,  nicht  iu  der  läge,  eine  ein  Wirkung 
der  art  zu  versuchen,  ferner  lag  ein  brief  vor  von  hm.  gymuasial- 
direotor  Pähler -Wiesbaden,  worin  derselbe  die  bitte  ansspraeb,  dass 
die  aufmerksamkeit  der  gymnasial-  und  realschuldireetofsn  auf  die  er- 
richtung  des  denkmals  im  Niederwalde  gelenkt  werde,  wozu  vom  kaiser 
der  gTundstein  gelegt  worden  sei.  zur  ausführung  fehlen  noch  erheb- 
liche summen.  —  Da  hier  ein  bindender  beschlusz  nicht  gefaszt  wer- 
den konnte,  so  schlug  der  präsident  tot,  die  versammlnng  möchte  ihr 
Votum  in  folgender  form  abgeben:  *die  ▼ersammlnng  legt  den  gymnasial- 
und  realschuldirectoren  ans  herz,  die  angelegenheit  in  erwägung  zu 
ziehen.'  (vgl.  übrigens  die  in  dieser  liinsieht  bei  gelegenheit  der 
philologenversammluug  zu  Wiesbaden  gethaueu  schritte:  iu  diesen 
jahrbtichem  II.  abth.  1878,  heft  1     66  ff.) 


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ÖOO      Behcht  Aber  di«  TerfaandlimgeD  der  33n  veruMnmlnpg 


•Mit  der  mitteiluDg,  dass  ein  danktelegramm  von  prof.  v.  Leaticb 

ort  der  nMeiittw  TenHMBilvfeir  rtmwahfgßn  iMroiSekto,  madm-^iäUtm^ 

g«schIo8ten. 

Am  abend  fand  ein  auszcrordentlich  «alllreich  besiu  hter,  solenner 
fettball  in  dem  saale  der  tonhalle  8talt|  der  um  7  uhx  seinen  autang 
nahm  nad  bis  Bftob  1  nbr  «ndsiMrte.  •  • 

Vierte  Allgemeine  sitsung 
donnerstog,  den  8  oetober  1878',  Tormittogs  8  iihr.  - 

» 

FiStideiit  (dir.  Gramme)  eröffnete  die  titsiuig  mit  der  nutteOuig 

der  tagesordnung,  auf  welcher  sich  befanden  vortrUge  von  hm.  dr.  Lewy- 
Berlin  und  hrn.  prof.  Bernardakis- Athen  und  referate  der  sectionsTor- 
titsenden  über  die  tbätigkeit  der  einzelnen  aeetioneu.  daa  .tbema  des 
erstgenaeaten  vortragt  sei  nicht,  wie  ie  der  CMtseitung  itrtttadlib  .«i- 
gegebea,  'über  Bom-BellM  «ad  Tahniid't.eoiideni 

'über  die  «pure«  dee.  giieebiube»  osd  rSp«eclMva  amiclpmB  i« 

Talmud'. 

Darauf  ergriff  das  wort  br.  dr-  Lewy*B^lin  und  führte  folgen- 
des aus: 

Die  gmiidlage  der  talmodieeben  Utterator.  bildet  die  baladia  ^ 

gang»  IQbning,  brauch,  d.  h.  die  ber^^mmliche  art  der  Qbong  der  reli- 
giösen und  rechtlichen  bestimmungen  der  tora.    diese  wurde  im  Isafe 
der  Jahrhunderte  allmählich  zur  festen  norm  für  das  praktische  leben 
erhoben,  gesetzlich  üxiert  und  alsmischua  müudlicli  überliefeiL  ^uiiachua 
.Ton  ^jjio  wiederholen,  aaswsBdig  lernen.)  von 
sitaen  wir  jetat  die  vom  patriareben  Jebnda  etwa  aifiaefaeo  IM  wtA 
815  abgeschlossene,  schleentlte  sogenannte  miscbna  und  die  wahrschein- 
lich von  R.  Chija  nicht  lange  nach  der  redaction  der  miscbna  verfaszte, 
als  snpplement  zu  dieser  betrachtete  tosifta.  die  miscbna  gesellte  sich 
aar  tora  als  eine  zweite,  die  mündliche  lehre,  und  wurde  vonihrmei»t 
auf  exegetisoben»  wege  abgeleitet,  ferner  wurde  die  tera  gemlsa  du  | 
bestimmungen  der  halacha  erläutert  =  midrasch  (die  dentong),  eb«uo  ; 
andere  biblische  abschnitte,    neben  der  halacha  entfaltete  sich  somit 
die  haggada;  den  mittelpunct  des  Studiums  bildete  indes  nach  wie  vor  ' 
die  miscbna  und  da  diese  bald  einer  nähern  erläuteroag  bedurfte,  so 
erboben  und  gestalteten  sieh  allniftblieb  die  beiden  talnmae,  der  palisti- 
nensiseheoder  jemsalemische  in  FaHtotina  bis  gegen  das  endedM  in  Jahr- 
hunderts «nd  der  babylonisebe  im  lande  der  Parther  bia  «nan  jilv* 
bnndert. 

Alle  diese  werke  dienen  lediglich  religiösen  Interessen  and  es 
ist  uns  überhaupt  kein  einaiges  ans  talmudischen  lehrstätten  faenrsf- 
gegangenes,  der  prefSattÜtterater  eagebörigea  werk  eilialtett  geblieben, 
sogar  die  beschäftignag  mit  anderen  Wiftsenschaftlichen  dkeiplineo 
wurde  nicht  zu  allen  zeiten  von  allen  gebillig-t.  die  erlemung  der 
griechischen  spräche  war  den  töchtern  verboten,  doch  hat  dies  verbot 
nicht  allgemeine  geitung  erlangt,  griechische  puesie  scheint  nachmie* 
eben  indieien  niebt  gana  nnbeiiaant  geweaen  an  aein,.  an  grieebiscbe 
ausdrücke  anklingende  werte  der  bibel  werden  zuweilen  iiag|^idiseh  wie 
fremdwörter  behandelt  und  gedeutet,  es  ist  die  rede  von  einem  in 
griechischer  spräche  abgefaszten  testamente,  von  Übertragungen  hebräi- 
scher sohuldsch^e  ins  griechische  und  umgekehrt;  in  Caesarea  F** 
laeatinae  werde  sogar  daa  tägMebe  gebet  grieofalaeb  gesproeben.  gri*- 
ebieehe  und  laleiniaobe  lebnwSrter  treten  in  talmudischen  schrifttiun 
überall  entgegen,  zuweilen  stoszen  wir  auch  auf  griechische  sätze  und 
aprichwörtliche  redensarten,  sehr  selten  auf  lateinische,  der  in  Pa*' 
liatina  verbreitete  heidnische  göttercult,  gegen  den  einige  halachisciie 
bestimmungen  erlassen  wurden ,  anate  natlriieh  die  aefineilEsaadMit 


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•  ddoiactor  pküologieii  und  Mbnlm&iiner  sa  Gm». 


der  jüdischen  bevölkenxng  auf  die  heidnischen  cultformen  und  ^e- 
hräuciie  lenken  und  dürfte  die  art,  wie  man  eich  zuweilen  in  jüdischen 
kiüittf»  4ä9B9m  «alt  nmoh  JädiseliMi  tamtHUMangen  «rUirte  tiiid  wtnnM» 
legte  ^  unsere  beaehtnng  verdienen«  ' 

In  der  miscbna  heiszt  es:  'wenn  jemand  geräthe  findet,  die  mit 
dem  abbilde  der  sonue,  des  mondes  oder  eines  drachen  versehen  sind| 
so  werfe  er  sie  in  das  todte  meer.'  die  misohna  verbietet  die  be- 
nntenaf  det  bilder«  die  ^mb  stab,  ^a»n  vogel  odtfr  eiaaB  bmlVisLflirM- 
htedett.  führen,  und  die  talmude  fügen  noä.  hinzu  das  schwert,  die 
kröne  and  den  Siegelring,  in  der  mischna  werden  heidnische  festläge 
aafgefUhrt,  au  denen  der  verkehr  zwischen  Juden  und  beiden  gehemmt 
sein  sollte,  so  die  oalenden,  saturnalien  usw.  dagegen  bespricht  die- 
selbe aehrift  4ie  üdllMdgkait  der  beafttaiing  der  aaf  de«  bUdsHiden  des 
Meroiir  tiob  b^fibdeliden  ährenkriaie  «ad  andtrev  wfcihgeeöhealie,  wie 
w«nranken,  gold,  gewänder  und  geräthe.  in  den  talmnden  wird  die 
c.onstrnction  der  herroen  näher  bezeichnet,  der  Priapuscult  bürgerte 
sich  hier  und  da  ein,  Venusbilder  wurden  an  manchen  orten  aufgestellt, 
so  in  Acco,  bilder  verstorbener  erstgeborenen  wurden  in  den  wobnun- 
gen 'ftnfbefrabit«  ^ejl»<  b«idaleeh*,  abti|^nbisebe  brftnebtt  falten  aiUr 
▼wboten  unter  der  bezeicbnung  'sttten  der  Amoriter'.  verpönt  war 
auch  die  errlchtung  und  der  besuch  von  theater,  circus  und  rennbahn, 
die  bereits  von  Ilerodes  zum  verdrusse  der  frommen  in  Palästina  her- 

S stellt  wurden,  dagegen  war  es  erlaubt,  diese  gebäude  zu  besuchen 
i  gelegenheat  Kffentlidier  ▼ereainmlmigeB  wn  gtmeiiuitltzigen  aweeksn. 
.  Hellenische  anscbauung  und  römische  lebenswtoise  wurden  also» 
wenn  sie  fremdartig  und  feindlich  in  Ii eidnischer  rUstung  dem  jüdischen 
geiste  und  leben  entgegentraten,  mächtig  bekämpft  und  zurückgewiesen; 
aber  jiioht  alles,  was  aus  Rom  und  Hellas  stammte,  hatte  scheu  des- 
halb einen  lieidniaeb  religiösen  ebftrakler.  M  dem  täglieben  nmgange 
nnd  susammenleben  mit-  beidaisf^baii  ▼elkerschaften  muste  man  sieb 
allmählich  an  deren  sitten  gewöhnen,  zum  teil  sich  damit  befreunden, 
unter  der  herschaft  der  Römer  wurden  alle  öffentlichen  einrichtungen 
für  das  landt  die  einzelnen  Städte  und  den  allgemeinen  verkehr  nach 
römischem  vorbUde  getroffen  nnd  geleitel  und  rSmisebe  gerlobtebSfe 
woffden  in  gaHlKliaa  eingeietst, -die  den  Juden  angltoglteb  waren  «ad 
von  ihnen  öfter  benutzt  wurden,  wir  sind  berechtigt  zu  sohlieeeen, 
dasz  der  von  Griechenland  und  Rom  auf  Palästina  geübte  einflusz, 
wenn  auch  nicht  litterarisch,  so  doch  culturhistorisch  bedeutsam  ge- 
weaen  ist.  darauf  zurückzuführen  sind  vielleicht  folgende  gebränobe* 
die  fireilassnng  der  aklavimy  die  endobtang- des  teatamenta  nnd  die  - be- 
ste! iung  der  mitgilt,  selbst  heidniaebe  Vorstellungen  wüsten  sieb  hier 
nnd  da  in  vermummter  gestalt  einzuschleichen,  zu  heidnischen  gott- 
heiten  erhobene  naturkräfte  treten,  allerdings  nur  höchst  selten,  als 
untergeordnete  geuieu  wieder  auf,  mythische  erzähluugen  werden  hin 

nuft  wieder  anfgenettmen« 

•  l>er  imr  einzelnen  diotabanlübrende  nachweis  der  verschiedenen  be*' 

ziehongen  und  bcrührungspuncte  zwischen  Griechenland  und  Rom 
einerseits  und  JudUa  anderseits,  inwieweit  sich  dieselben  im  talmudi- 
spfaeu  Schrifttum  kundgeben«  dürfte  nicht  nur  ein  besseres  Verständnis 
deartfilmvid  weeentUeb  fMem,  aondem  vielleielit  aneb  sn  einer  beeeem 
erkeaataia  mancher  einzelheiten  in  der  spfttgriechischen  und  römischen 
litteratnr,  wie  jedenfalls  zu  einer  bessern  würdigting  der  culturhistori- 
sohen  bedeutung  von  Hellas  und  Rom  einen  schätzbaren  beitrag  liefern, 
und  wäre  es  erwünscht,  wenn  philologen  von  fach  einer  solchen  auf- 
gäbe aioh  nnterzieben  wollten. 

•  beeadignng  diorai  intereofanten  Y.ortragB,  an  den  sieb- eise 
discnsflien  nicbt  anaoblosK«  wvtrde  diia  wetrt  bm.  prpf.  Bern^ardakU- 
Athen  zu  teil  zu  einem  vortrage 

•   'ilber  die  sioaitischen  band^cbriften'« 


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50S      Berieki  AWr  die  ▼erbuidlaDgea  der  Sin  Tenammlaxig 


B.  berichtete,  er  habe  zweimal  den  bcrp  Sinai  besncht,  zuerst  im 
sommer  1874,  40  tage  lang,  um  die  dortige  bibliotbek  zu  durchfoTScben, 
dMm  in  jekre  1876  «It  fileebefleiter  des  prineeD  Aitiiw  Toa  Qm- 
Mtannien.    es  sei  nicht  seine  »bliebt,  die  peelieekeiB  eehtelieiteii  der 
leadschaft  und  die  reiseerlebnisse  zn  Bebildern,  sondern  er  gehe  sr'eich 
ad  rem  über,    das   sinaitische  kloster,  von  Justinian  in  der  mitte  des  i 
6n  jahrbuoderts  gegründet  und  mit  vielen  Torrechten  aasgestattet,  ist 
ov  m  lileiiieteii  tole  (nuraem,  Capelle)  in  eeiaer  vfftpr&agUcheB  gtfltidt 
erlialleB;  Mtail^  reae^fttieaen  Biaben  dem  gel>tnde  einen  gans  Terlinder- 
ten  aaetoleli  |^geben,  die  neuen  Stockwerke  sind  von  ganz  verschie- 
dener böhe.    im  parterre  sind  drei  ztmmer  für  die  erhaltung  der  bücher 
bestimmt,  ein  besonderes  für  die  bibliotbek  erbautes  gebäude  gibt  es 
nieht.   die  büoher  sind  melet  gedmekt,  besdeebrlften  in  der  niodcr- 
lehl  Torbanden;  viele  yon  letsteren  sind  im  lanfe  der  jebrhnnderte  ge- 
slebleA  werden,    fremde  schnitten  blätter  heraus  und  oftmals  schafften 
sie   auch   pmze  maiinscripte   bei   seite.    seitdem  es  aber  dem  prof. 
Tischendorf   gelungen,   den  berühmten   codex  Sinaiticus  an  sich  sa 
bringen,  behandeln  die  mönche  die  fremden  mit  mistrauen.   die  nM 
der  bäadeehriltea  betritt  ee.  WO^  neisl  grIeeUeeb,  aber  aaeh  arahiseli, 
syrisch,  keptiscb,  slayisch  und  armenisch   geschrieben,     der  codex 
Sinaiticus  und  einige  handschriften  kirchlicher  art  sind  in  den  krjpten, 
unterirdischen  räumen,  gefunden  worden;  solche  locale  hatten  die  mönche 
bauen  lassen,  um  in  zeiten  der  gefahr  das  wertbvoUste  zu  retten,  der 
bibliethekar  leigt  den  freaiden  aar  eiaic^  oodieet  aad  iet  eidlieb  ge- 
baaden  ihnen  die  lirypiea  nicht  zu  öffnen,    da  man  nun  innerhalb  der 
mauern  des  klosters,  namentlich  in  den  sälen  und  zellen  der  möncbe 
im  laufe  der  zeit  grosze  bauliclie  Veränderungen  vorgenommen  hat,  so 
wird  man,  um  neue  entdeckungen  in  dieser  hinsieht  zu  machen,  einen  . 
grossoD  teil  des  inaeni  des  kleeiere  sa  gfimde  riebtea  nfiesen.  ' 

Deeb  gibt  ee  einen  kürsera  weg,  am  aar  eatdeckang  alter  haai- 
■ebriflen  zu  kommen,  als  B.  zum  ersten  male  nach  dem  Sinai  kaa, 
zeigten  ihm  die  mönche  einen  papvnis,  der  so  zusammengeleimt  war, 
dasz  er  eine  art  von  brett  ausmachte,  auf  sein  befragen,  wo  er  ge- 
funden eei,  erhielt  er  die  aatwort:  ia  einem  gothischen  psalmbeeke. 
naek  eiagehoher  erlaabaii  eaekte  er  daaa  die  sasammengeleimten 
blfttter  erst  mit  kaltem,  dann  mit  lauem  wasser  zu  lösen,  und  es  gelang 
ihm  nach  einigen  tagen,  eine  anzahl  blätter  loszubringen,  von  denen 
er  abscbrift  nahm,  nach  seiner  meinung  haben  die  ungelehrten  buch- 
binder  jener  zeit  aus  mangel  an  anderm  geeigneten  material  papjiW' 
blfttter  sasammeageleinit,  am  ee  einbanddeekel  la  erhalteB. 

Von  der  yoraoasetzung  aaagebend,  dass  derartige  papjrasbretter 
auch  noch  in  anderen  Codices  zu  finden  seien,  durchforschte  er  in  ge- 
meinschaft  mit  dem  (»irOTaiCTiKcic  die  gesamraten  handschriftliehen 
schütze  der  bibliotbek  und  war  nach  langen  vergeblichen  bemühungen 
so  glückliek  swei  derartige  einbinde  sn  finden,  der  eine  war  mtrk«i 
der  andere  dagegen  bereitete  den  ISsnngsversuchen  keine  Schwierigkeit 
enthalten  -wjiren  darin  teils  bymnen  kirchlicher  art,  teils  andere  lob- 
gesänge,  dann  aber  auch  das  evangeiiiim  Johannis.  B.  besitzt  nur  einige 
Stückchen  davoui  die  andern  teile  hat  er  dem  bibliothekar  ausgebändigt. 

Da  nnn  aller  wahrsebeinliebkeit  naek  eine  grosse  menge  sinsiti- 
scher  bandsebriften  in  Europa  verstreut  und  auch  ia  anderwärts  ge- 
schriebenen Codices  ähnliche  funde  möglich  sind,  so  macht  B.  auf  die^e 
seine  entdeckung  ganz  besonders  aufmerksam  und  empfiehlt  nicht  biosz 
die  griechischen  handschriften  in  betracht  zu  nehmen,  sondern  auch  die 
in  anderen  sprachen  geschriebenen,  nnd  femer  diejenigen,  derea  da- 
baad  aea  ist  eder  erseheint,  niekt  tob  der  antersnchnng  aassasekUeeies. 
zum  schlasB  legt  B.  die  in  seinem  besita  befiadliehen  blfttter  sar  sn-  , 
siebt  vor. 

£s  folgen  die  referate  über  die  verhandlangen  der  sectioneo,  deren  | 


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Gera. 


503 


mitteilnng  wir  inu  fflr  den  iMrieht  üb«r  di«  thfttigkeU  der  Motionen 
▼ersparen. 

Hierauf  ergriff  der  prSsident  prof.  Delbrück  das  wort,  um  der' 
i:«r8ammlang  «inen  Toreohlng  in  betreff  de»  nlebeten  taenngeortes  der 
pkUoIogeaTefMonnilang  zu  midien,  er  sei  in  der  nngenehmen  läge  die 
mitteilon^  machen  zu  können,  dase  diesmal  ein  anerbieten  der  stadt 
Trier  vorliege,  dio  annähme  des  anerbietens  von  Trier  empfiehlt  sich 
besonders  auch  dadurch,  dasz  dort  im  nächsten  jähre  die  bloszlegung 
«inen  kaieerpatlanies  etntttndety  der  eptter  wieder  reriebttttet  wwden 
dürfte,  des  prKsidium  habe  sich  mit  prof.  Bücheler  in  Bonn  in  be- 
ziehung  gesetzt,  da  es  über  die  Verhältnisse  in  Trier  nicht  ausreichend 
orientiert  gewesen  sei,  nnd  habe  von  diesem  dio  zusage  erhalten,  dasz 
er  g'ern  bereit  sei,  die  stelle  des  Präsidenten  zu  übernehmen,  der  vor- 
•ehlag  des  prMdina»,  prof.  Bttobeler  ra  bitten,  dnei  er  tieb  betreib 
der  wähl  eines  collegen  ans  Mer  eelbet  mit  den  muigebenden  pei^ 
sönlichkeiten  in  jener  Stadt  in  Verbindung  setze,  wnrde  einstimmig  ge- 
nehmigt, somit  ist  Trier  zum  sitz  der  34n  Versammlung  deutsober 
Philologen  and  schalmänner  gewählt. 

Hr.  prof.  Eekstein-Leipzig  richtete  darauf  noch  folgende  werte 
an  die  ▼ersaaunlnag: 

Meine  berrenl  ieh  habe  die  ehre  gehabt,  neulich  als  prologus  die 
Stadt  Gera  zu  begrÜBzen,  wo  wir  noch  in  der  erwartung  dessen  standen, 
was  wir  hier  erlebe«!  würden;  heute  habe  ich  volles  recht,  als  epilogus 
die  verehrten  auditores  et  speetatores  zu  dem  üblichen  plaudite  aufzu- 
fordern, ieh  glaube,  wir  kennen  anf  die  Tergangenen  tage  doeb  mit 
grailf  befriedigung  zurückblicken,  niebi  blois  wegen  des  wissenschaft- 
lichen resnltats,  sondern  auch  in  bezng  auf  das,  was  auch  mit  in  be- 
tracht  kommen  musz  ,  in  bezug  auf  das  pesellip^o  leben,  das  wir  hier 
geführt,  das  uns  nahe  an  einander  gebracht  und  alten  freunden  neue  ge- 
wonnen bat.  wenn  wir  mit  befrledigung  anf  die  tage  snrttekblieken, 
so  gebfUirt  naiftrUeh  unser  dank  snnttebst  dem  beben  präsidium,  dem 
manne,  der  von  Jena  ans  sich  so  gerne  dieser  angelegenheit  unter- 
zogen hat,  seinen  collegen,  die  so  bereit  gewesen  sind,  unsere  Ver- 
handlungen zu  leiten;  dann  aber  vor  allen  dingen  den  männem,  die 
hier  alles  mSglidie  gethan  haben,  um  nns  die  tage  reebt  angenehm, 
bequem  nnd  genuszreiefa  sn  maehen.  ieh  müste,  wenn  secnndum  ordi- 
nem  zu  verfahren  ist,  vor  allem  des  durchlauchtigsten  fürsten  und 
herrn  gedenken,  der  verhindert  war,  unsern  Versammlungen  seine  per- 
sönliche teilnähme  zu  schenken,  ich  müste  gedenken  des  Staatsmannes, 
der  in  unserer  mitte  sn  ersobeinen  niobt  aufgehört  hat,  ich  müste  ge- 
denken des  gymnaslums,  seines  leiters,  seiner  collegen,  der  gesammten 
schulen,  die  hier  in  seltener  eintracht  für  uns  gesorgt  haben ;  aber  nicht 
hlosz  die  schulen,  sondern  ans  allen  Verhältnissen  dieser  stadt  heraus, 
vom  bürgermeister  an,  haben  ja  alle  alles  gethan,  um  uns  die  erinnerung 
an  die  Geraer  tage  wert  und  lieb  zu  machen:  die  erholung  hat  uns 
ihre  sohOnen  rlome  gastlieb  geöffnet,  ^  bat  uns  geistige  und  leibliebe 
genüsse  gewährt  in  reicber  fülle,  das  comitd  bat  sogar  zu  den  wenigen 
exotischen  pflanzen  eine  reiche  flora  Gerana  uns  vorg^eführt  in  wahren 
Prachtexemplaren  nnd  ältere  und  jüng-ere  collegen  haben  dadurch  ge- 
legenheit  gehabt,  auch  ihre  botanischen  Studien  in  diesem  sinne  zu  er- 
weitern und  ihre  oftthestlsehe  fertigkeit  tou  neuem  su  bewSbrea.  ieh 
denke,  wir  dttrfen  nieht  Ton  diesem  orte  scheiden,  ohne  den  benliebsten 
dank  auszusprechen  allen  denen,  die  nns  die  reichen  genüsse  geboten 
haben,  ists  doch  gegangen  bis  in  die  färbereien  und  Webereien  hinein 
und  die  herren  fabrikanten  haben  es  nicht  verschmäht,  auch  dem  laien 
etnen  bUek  in  Ihre  Werkstatt  su  öftien.  yrbt  werden  swar  noeh  nicht 
am  ende  sein;  mit  der  jungem  linie  wären  wir  fertig,  die  ältere  steht 
uns  noch  bevor,  aber  nach  dem,  was  wir  bis  jetzt  gesehen,  dürfen  wir 
auch  Yon  dem,  was  uns  noch  bevorsteht,  zumal  die  sonne  wieder  so 


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ÖÜ4   Bericht  4ber  die  finriiMidliingea  vmw»  ^amitthmr  phUalogen. 


ir«iiiidU«ii  ftobeint,  erwarten,  dase  «ueh  dies  ein .  reiebec  genau  nia 
wktL  Sie  iaden  ee  fereehtüerligt,  wenn  ieh  den  benlieliBtendMkm- 
•pffeehe  «Ben «deijenigeii ,  weldhe  ans  ihie  teilnähme,  sorgfaH  waä  fB^ 
Marge  (gewährt  baben  und  wenn  ich  schliesze  mit  dem  benlichen  woosohe, 
deez  auch  die  stadt  Gera  nnd  dna  Koussenlaxid  uns  ein  freundliches  an- 
denken bewahren  Bu>ge«  das  iCeuaecttiand,  Gkf«  and  seine  bewohner, 
•fte  leben  beeil! 

Di*  §«UM  yew imliwig  füiwnte  begeiefeert  im.  dee  »heebl  ein»:  • 
De  niemand  sich  mehr  zum  werte  meldete,  so  dankte  der  pMäaA 
für  die  ihm  gewährte  nechiieht  oad  ecklMrte  die  fite  philoiegeBventta» 

Hmg  tiir  geschi<Misen. 

Damit  waren  die  wissensehaftUchen  verhandlnngen  beendet,  noch 
wer  eber  dee  eftde  der  vergaiigiutges  i^eht  gekoMieik  ee  etead  »ch, 
wie  MeiHM  is  der  rede  des  prof.  Eckstein  angedeoteli  ein  gemeinotbiftr 

lieber  ansflag  nach  der  im  obern  KIsterthal  gelegea^  stadt  Greiz  bevor, 
bereits  eine  stunde  nach  schlusz  der  letzten  allgemeinen  Sitzung  (11  ahr^ 
führte  ein  ei^trasug  der  Gecn-Greis-Planener  bahn  die  stattliche  z&nl 
der  teilnebmer  (ca.  800),  herreii  und  devee,  dmeh  dee  lieliliahe  «hd 
dem  orte  der  bestimm ong  su.  gegen  swölf  nbr  erfolgte  die  aaknnft  io 
der  festlich  geschmückten  stadt  und  unter  musik  giengs  nun  durch  die 
straszeu  nacli  der  im  süden  der  Stadt  gelegenen  ''schönen  aussieht'  (auch 
guckkasteii  genannt).  reieliUch  lohnte  daa  erklimmen  der  .^öke  be> 
eeadere  enl  defe  fogetnuuitan  Jelieaelieg  ait  pulckttge»  Uidk  in 
romantisobe  QSlteeelitliel,  den  reichsten  geao«  aber  gefpUete  die  ent- 
söckende  aussieht  von  der  höhe  des  berges  in  die  vom  glanse  der 
mittagsBouue  beschienene  landschaft:  tief  unten  am  fasse  des  berges 
der  klare  Wasserspiegel  der  weissen  Elster,  ihr  eur  seile  ala  treuer  be- 
gleiter  im  ganaea  thale  der  bidbaikörper,  jeneeits  das  im  berbitliskM 
bUUteiBebmiBke  prangende  saaft  aneteigeiide  liidte  fleeaiiiMri  mtdk'Mm 
das  reizende  Göltzsehthal,  nördlich  die  Stadt,  sie  übem^nd,  atif  statt- 
licher höhe,  majestätisch  thronend  das  altertümliche  resideiiEschlosz  des 
fürsten,  im  hintergrnnde  als  würdiger  abschlusz  des  ganzen  panoramss 
der  hirschstein  mit  seinem  gewaltigen,  weithin  sichtbaren  kreuze;  ud 
Über  den  aUen  d«r  heiterste  blaue  himMwl  ansgespan^  -eelten  aigta 
^«f  so  engem  räume  der  reize  so  viele  zusammengedrihiigt  eeiit 

Gegen  2  uhr  fand  sich  die  ansehnliche  yersammlung:  zu  einem 
gemeinsamen  festmahle  in  den  bereitwilligst  zur  Verfügung  gestell- 
ten räumen  der  erhoiungsgeselischaf t  ein.  gar  manche  toaste  wiirstea 
d|M  nabl^  teils  eraete»  netor,  aiei«l  indee  kiiider  iieiteietr  lerne  ifii 
sengen  d«r  freudig  erregten  Stimmung,  die  aoe  Gem  mit  gen  Grsii 
gezogene  Herfnrthsclie  Capelle  und  der  dortipe  gesangverein  Orpheni 
wetteiferten  mit  einander  in  dem  bestreben,  die  freude  der  festtafelro 
eriiöhen.  erst  nach  4  uhr  wurde  das  mahl  beendet  und  konnte  der  ge- 
plante aeebmittagsausflug  in  seene  geeeiet  fvanle»»  ^eneleeefcaliliBk 
trat  man  den  weg  dareb  den  firstUeben  park  an,  nm  sieb  am-biiiieD- 
teich  in  zwei  colonnen  zu  trennen:  die  einen  zogen  den  bequemeNB 
weg  nach  der  Idahühe  vor,  die  anderen  erstiegen  den  steileren  hirseh- 
stein ,  um  den  köstliehen  blick  vom  staudort  des  krenses  herab  in  die 
friedlicbe  abendlaadeebaft  2u  genieszen.  dann  gienga  su  tbal,  bieib 
in  Frömels  jestanratien,  wo  »an  sieb  den  rewlee-voas  gelb  und  unter 
den  klängen  der  musik  noch  einige  der  angenehmsten  stunden  reiiebte. 
bald  schlug  jedoch  die  scheidestnnde  :  unter  vorantritt  der  Hetfurthschei 
Capelle  setzte  sich  der  zug  durch  den  park  nach  dem  bahnhofe  in  be- 
wegong  und  hatte  die  freude,  noch  unterwegs  ein  durch  das.  va^ 
gnfignngseoBsitd.der  philelogeneenieninihmg  wi  itf  Sinter  veianetalMi 
Wasserfeuerwerk  mit  anzusehen,  voll  der  sdliHisten  eindrücke  verliessen 
alle  die  gastliche  stadt  bald  nach  8  uhr,  um  sicli  nach  der  in  Gera  er- 
folgten ankunft  noch  einmal,  das  letzte  mal|  in  den  cänmen  der  sr- 
holuugbgescllschaft  zusammenzuüuden.  '  '  '  *  .  • 


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Philologisehe  Programme  deutscher  höherer  lehraustalten«  506 


Am  nächsten  tage,  freitag  den  4  october,  wurde  die  für  den  fall 
genügender  teilnähme  in  aussieht  genommene  partie  nach  Jena  beim 
sehönelen  weiter  mid  unter  «ehlreieber  beteiligung  ansgefBhrt.  ein- 
geladen hatten  dmsn  in  der  tegs  zuvor  ausgegebenen  4n  nummer  der 
nachrichten  des  yerßnügnngscomit^s  die  herren  prof.  dr.  GiidcchenR- 
Jena,  dr.  Hnndius-Gera,  Ad.  Schwenker- Gera  und  dr.  Zacher  Halle, 
die  abfahrt  erfolgte  bald  nach  10  uhr.  da  es  mir  nicht  vergönnt  war, 
daran  teilxiiaehnien,  so  begnüge  leb  mieh  mit  der  anfieichnnag  der  im 
Programm  Uber  den  aneflng  enthaltenen  angaben:  man  hatte  geplant» 
unter  der  führung  des  prof.  Gädechens  die  Jenaer  Sammlungen  zu  be- 
sichtigen, dann  ein  gemeinschaftliches  mittagsmahl  im  (jasthofe  zum 
sohwarsen  hären  einsunehmen  und  nach  genusz  desselben  dem  all- 
bekanntem forstbavee  einen  beanoh  abinetatten. 

(lorteelanng  folgt.) 
EisaxBBiia.  0.  Wxisb. 


(16.) 

PHILOLOGISCHE  PROGRAMME  DEUTSCHER  HÖHERER 

LEHRANSTALTEN, 
(fortsctzang.) 

Krotoschin.  königl.  Wilhelmsgymnasium.  7  classen,  17  lebrer, 
abhandlung  des  oberl.  Nieländer:  'der  factitive  dativ  in  deu  Cicero- 
nischen  Schriften'.  Verfasser  geht  von  der  in  den  schulgrammatiken 
aufgeführten  regel  über  esse,  fieri  mit  datir  des  iweokei  ans.  anr  er- 
klärnng  der  erscheinnng  reicht  der  zweckbegriff  nieht  ans.  die  stel- 
len bei  Cic  zeigen  in  der  regel  zwei  dative,  wo  mir  einer  steht,  ist 
einer  zu  ergänzen,  der  zweite  dativ  bei  esse  dient  dazu,  den  iinvoll- 
atändigen  prädicatsbegriff  durch  eine  zugefügte  beziehung  zu  fixieren, 
wir  haben  es  hier  mit  einer  besondem  form  der  prldieieroiig  an  thnn. 
das  Torb.  der  ezistena  esse  bedarf,  um  ein  vollständiges  pridioat  zn 
bilden,  einer  ergUnzung,  der  dativus  ist  ein  prädicativus.  hier  wird 
mir  die  aussage  als  etwas  entstehendes,  werdendes,  wachsendes  gefaszt. 
fieri  mit  doppeltem  dativus  ist  unlateinisch,  da  sich  bei  altlateineru 
nnd  Gieero  sieber  kein  beispiel  findet,  bei  anderen  wenigstens  keine 
nachgewiesen  ist.  die  regel  der  grammatÜc  beruht  auf  Cie.  de  off.  1. 
39.  130  wo  aber  dedecori  fit  zweifelhafter  autorität  ist  und  besser  est 
geschrieben  wird.  wo  bei  Cicero  fieri  mit  einer  zweifelhaften  casus- 
form verbunden  ist,  masz  man  den  ablativ  annehmen,  und  dasselbe 

JUt  yon  anderen  antofen.  neben  esse  erscheinen  mit  diesem  datiy  all- 
ere verba,  nur  modifieationen  von  esse,  wie  dare,  tribnere,  vertere^ 
dneere.  im  factitiven  gebrauch  sind  ausschlieszlich  snbstantiye,  an- 
meist  abstracta  und  zwar  wesentlich  innerliche  empfindungen  und  Vor- 
stellungen, aber  auch  materielle  begriffe,  besonders  wenn  sie  eines 
gradunterschiedes  fähig  sind,  oft  treten  zur  Steigerung  der  begriffe 
gradbeaeichnnngen  in  a^jeetiTiseher  form  ein.  yerf.  geht  nnn  fiber,  die 
•nbsiii  welche  bei  Cieero  in  factitivem  gebrauch  vorkommen,  nach  kate- 
gorien  geordnet  zusammenzustellen  und  ihren  factitiven  gebrauch  zn 
belegen,  in  der  ersten  kategorie  hat  er  laetitia,  delectatio,  iucunditas, 
nolnptas,  cura,  sollicitudo,  cor,  Studium,  amor.  delectatio  kommt  mit 
«ans  yttThnnden  yor.  am  weitesten  y erbreitet  Ist  nolnptas.  als-sweite 
kategorie  werden  die  werte  dolor,  maeror,  etomaehus,  offensio,  timor, 
odium,  acerbitas,  mors,  inuidia,  ludibrium,  spectaculum,  despectus, 
despicatus  aufgeführt  und  ihr  factitiver  gebrauch  aus  Cicero  belegt, 
in  dritter  classe  zählt  verf.  auf  bonos,  dignitas,  gratulatio,  gloria,  laus, 

N.  Jahrb.  f.  phil.  o.  pftd.  II.  abt.  1878.  htt,  10.  38 


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1 


506    Pliüologiache  programme  daulacher  höherer  lehraobtalten. 

oriiamcntum,  decu»,  splendor  und  führt  die  belege  für  den  fftctitiveu  I 
gebrauch  dieser  Wörter  vor.   es  folgen  dann  als  Tierto  elawe  die  den  ^ 
eben  genaniiteii  eatgegentteheadeB  begriffet  dedeeos,  maeole»  hiludi, 
probnim,  opprobrinm,  vitiiperatio,  nitium,  crimen,  ealpe,  igaaiiU,  per- 

iidia,  je  mit  bezeiphnang^  der  Ciceronischen  stellen,  wo  dieselben  im 
factitiven  (^^ebrauche  erscheinen,    daran  schlieszen  sich  die  stellen  für 
den  factitiven  gebrauch  vou  uäUb,  utilitas,  fructus  (frngi),  bonom,  emo- 
lomeatam,  salua,  laemm,  qeeeetu,  praede,  religio,  faeniiB,  vad  ntv 
nr.  6  die  stellen  f&r  den  factitireii  gebreeeh  der  gegensKtze  dase  freu, 
damnatio ,  pericnlum,  detrimentum ,  malnm,  calamitas,  exitiam,  capat. 
der  nächste  abschnitt  weist  den  factitiven  gebrauch  von  adiumentum,  ' 
aoxilium,  praesidium,  propugnaculum,  amictus,  subsidium,  solatium,  con- 
eoletio,  lenetio,  leaamentiiai,  remediem,  ergamentnm ,  doenewetaiB, 
testimonium,  pignoe,  exemplom,  iadiciara.  den  eeUoss  machen  als  achte 
classe  impedimentum,  onus,  molestia,  lahor,  sumptus.    wir  können  der- 
artige iintersuchuu^eu ,  welche  kleine  gebiete  der  latein.  oder  griech. 
grammatik  zu  ihrem  gegenstände  haben  und  das  statistische  material 
fftr  dieaelben  mit  sorgfaU  und  genauigkeit  aiieammMiiragen,  aar  freodtg 
begrfieiea  and  dea  driageaden  woaech  aaesprechea,  dasi  die  meitter  «af 
dem  gebiete  der  grammatik  es  nicht  verschmähen,  derartigen  miter- 
snchiiugen  nahe  zu  treten  und  aus  ihnen  den  nutzen,  den  sie  bieten,  zu 
zieheu.  möchte  der  Verfasser  selbst  bald  auf  dem  betretenen  wege  fort- 
fahren und  entweder  aua  anderen  achriftstellern  sammlangen  für  diese  ^ 
regel  aalegea  eder  für  aadere  regela  abermals  ^e  belege  ans  Ciesio  i 
sammeln,   die  gramm.  wisseaschafl  wird  ihm  für  derartige  bemuhangen 
gewis  ihren  dank  nicht  versagen,    aaeh  anderen  seien  grammstinöhe  | 
Stadion  in  dieser  richtung  empfohlen.  I 

Pbekzlau.    gymuasium  und  realschule  erster  ordnnng.    15  classes, 
28  lebrer.     Abb.  des  g3rmnasiall.  dr.  Weif f gramm:  'Ca.  Domitins  C•^ 
balo*.  in  der  eialeitnng  zeiget  verf.,  dasz  die  lebensgeschicbte  der  meisten 
nachrepubl.  generale,  die  im  kämpfe  mit  den  grenznachbarlichen  barbaren 
ihr  leben  zubrachten,  zwar  für  die  zeit  dieser  kämpfe  ganz  wohl  bekannt, 
für  die  ihnen  voranliegende  zeit  aber  lückenhaft  sei.    das  fundament 
sei  meist  aar  dareh  äaselae  gelegentliehe  aotisen  gegeben,  deeb  n- 
weilen  lasse  es  sich  stark  aad  fest  herstellen,  das  letztere  sei  zb.  aacb 
der  fall  bei  der  lebensgeschichto  des  Cn.  Domitius  Corbulo.   diese  will 
verf.  nun  vorführen,    für  die  abschnitte  seines  lebens,  die  er  als  feld- 
herr  in  Germanien  und  dem  Oriente  verlebte,  sind  wir  wol  unterrichtet 
bei  Tac,  Die  Cais.,  Plia.  maier,  Froatia,  som  teil  naeh  eigeaea  asf- 
seicbnungen,  mangelhaft  and  ungenau  sind  die  berichte  aber  sein  leben 
▼or  dem  jähre  47  bei  Tac,  Dio  Gass.,  Plin.  nmior.    die  neueren  lebtns- 
beschreibun^ren  begnügen  .sich  meist  mit  den  lebensschicksalen  in  Ger- 
manien und  dem  Oriente,  das  übrige,  frühere  v/ird  blosz  vorübergehend 
berührt,    erst  neuerdings  ist  ein  swang  zur  genanem  durehforschong 
des  gansea  eingetretea  durch  Nipperdey  oad  Merivale,  welche  die  iden- 
titXt  des  Tor  47  genannten  Corbulo  mit  dem  feldherrn  leugneten,  verf.  | 
will  nun  identität  beweisen  durch  Schilderung  zuerst  der  feldherrn-  1 
thfttigkeit  und  dann  der  frühern  lebensschicksale  des  Corbulo.    er  ward  | 
47  nach  Untergermanieu  geschickt;  die  Verhältnisse  dort  waren  äusserst  . 
schwierig,  er  aber  ihaen  gewaehsea.   Corbale  sachte  krieg  aüt  den  | 
Germanen,  mäste  ihn  aber  auf  befbhl  des  Claudios  aufgeben,  worüber  ' 
er  zu  Rom  von  der  für  den  krieg  gestimmten  partei  bedauert  wurde, 
sein  autenthalt  in  Germanien  war  von  nicht  langer  dauer,  er  wurde  von 
Claudius  nachfolger  nach  dem  Oriente  gesandt  (54),  lun  Armenien  fürs 
reich  sa  behaaptea  uad  die  eiamisehaag  des  Partherkönigs  in  dissei 
laades  angelegenheiten  zu  hindern,  verf.  entwickelt  nun  des  eingebes' 
den  die  für  die  Würdigung  dieses  Vorganges  in  betracht  kommenden  Ver- 
hältnisse, dh.  er  gibt  in  nuce  eine  geschichte  der  armenischen  Verhält- 
nisse, in  Armenien  waren  in  den  letzten  regierungsjahren  des  Claudius 


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Philologische  programme  deutscher  höherer  lehraostalten.  507 

die  blutigsten  umwälzungeu ,  deren  erfolg  augedeutet  wird.  Corbulo  er- 
hielt die  provins  Chppadocien  und  iwei  legionen  und  die  dmragehörigen 

bandesf^enoHflen.  in  Ummidius  Qnndratus,  dem  damaligen  proprSltor 
von  Syrien,  der  mit  ihm  teilen  muste,  fand  er  einen  noidisclien  neben- 
buhler,  der  aber  bald  von  der  kriegerischen  action  ganz  zurücktrat,  in 
der  kriegfübrung  ward  C.  von  besonderem  glücke  begünstigt,  er  er- 
reichte den  zweek  des  krieges,  der  prStendent  Tiiidates  ward  verdrängt, 
oaeh  dem  tode  des  Ummidius  Quadratus  (60)  erhielt  C.  Syrien  mit  der 
(j^osrimten  militärischen  Oberleitung  des  ostons.  als  aber  Vologacses, 
der  Partherköuig  in  den  kämpf  eintrat,  muste  er  zur  Verteidigung  Ar- 
meniens um  einen  eigenen  feldherrn  bitten,  der  ihm  in  der  person  des 
Geesennins  Paetiie  beigegeben  ward,  damadi  wehrte  C.  den  einfaU 
dea  Partherkdnigs  von  Syrien  ab ;  die  Parther  griffen  nnn  Armenien  an, 
80  dass  Paetus  Corbulo  um  hilfe  bitten  muste.  Paetns  wurde  zu  einer 
wenig  ehrenvollen  capitulation  gezwungen.  C.  muste  nun  Armenien 
verlassen.  Paetus  wurde  aber  bald  zurückgerufen,  C.  wieder  alleiniger 
Oberbefehlshaber;  er  bekam  jetzt  7  legionen  und  mehrfache  hilfsabtei- 
lencen.  C.  ordnete  nnn  den  weitem  kämpf  anf  angemeseenete  weieeii 
?err.  entwickelt  dae  dee  genanem.  zum  kämpfe  kam  et  nicht,  Yolo- 
gaeses  begann  Verhandlungen,  anf  die  C.  eingieng.  C.s  verhalten  da- 
bei wird  charakt(?risiert.  C.s  erfolge  waren  glänzend.  'J'iridates  wollte 
das  diadem  von  Korn,  von  Nero  empfangen,  diese  erfolge  waren  aber 
für  C.  der  beginn  seinee  nngltteks;  Nero  begann  anf  seinen  nntergang 
zu  finnen,  sein  argwöhn  war  schon  früher  anf  ihn  gelenkt.  Nero  liess 
ibm ,  den  er  bald  nach  seinen  siegen  zu  sich  nach  Korinth  eingeladen, 
bei  seiner  landung  den  befehl  überreichen,  fiich  selbst  zu  tödten.  C. 
hatte  ohne  zweifei  die  gefahr  geahnt,  war  aber  doch  gekommen  aus 
aiilitftrischem  gehoream.  an  seine  stelle  trat  Yespasianns  als  ober* 
befehlshaber  des  Ostens,  yerf.  Iftsst  hier  nach  berichtong  des  todes  ein 
urteil  über  die  person  des  C.  folgen,  dann  wendet  er  sich  zur  con- 
jecturalen  darstellung  der  vor  47  liegenden  ereignisso.  die  thatsache 
der  Sendung  nach  Untergermanien  47  steht  fest,  es  war  das  eine  be- 
sondere ansseiohnung.  verf.  wirft  die  frage  anf:  wodarch  hat  er  sieh 
dieselbe  rerdient?  was  wissen  wir  Ton  seiner  Vergangenheit?  snerst 
tritt  21  nach  Chr.  ein  Domitins  Corbnlo  auf,  nach  Tac.  ann.  3,  31,  wo 
er  bei  unbedeutender  veranlassung  erwähnt  ist.  es  entsteht  die  frage 
nach  der  idcntität  beider,  die  älteren  von  den  neueren  kritikeru  neh- 
men sie  an,  Nipperdey  und  Merivale  leugnen  sie.  verf.  bespricht  nun 
simXehst  Nipperdeys  ansieht  in  Tac.  ann.  8,  81,  der  den  hier  erwKhn- 
ten  fUr  den  vater  des  berühmten  hält,  und  sacht  f^io  am  widerlegen, 
sein  auf  Plin.  nat.  bist.  7,  5,  30  gestützter  einwand  wider  Nipperdey 
scheint  uns  durchaus  beachtenswerth.  er  seihst  erklärt  ihn  für  den 
Sohn  des  Pomponius,  den  Pliuius  als  den  einen  der  drei  männer  seiner 
matter  nennt,  nnd  sieht  ihn  als  dnreh  adoption  in  das  geschlecht  der 
Domitii  gekommen  an,  das  cognomen  Corbulo  habe  er  auch  nach  der 
ndoption  beibehalten,  darauf  wendet  sich  verf.  gegen  Merivale.  der 
begnügt  sich  mit  der  behauptung  seiner  nichtidentitiit,  ohne  beweise  zu 
bringen,  verf.  sucht  die  Ursache  der  behauptung  zu  ergründen  und  fin- 
det sie  in  misrerstKndlieher  anslegung  des  begriffe  aetas  in  Tac.  ann. 
3,  81;  die  wahre  bedentnng  des  wertes  ist  entwickelt,  ebenso  eine  ans- 
legung der  stelle  gegeben,  des  verf.  gründe  gegen  Merivaics  behaup- 
tung dürften  auf  anerkennung  anspruch  zu  machen  berechtigt  sein. 
C.  kann  bei  der  differenz  mit  äuUa  kein  ältlicher  mann  gewesen  sein, 
er  mochte  ungefähr  im  80n  lehensjahre  stehen,  der  hei  Tac.  ann.  3,  81 
genannte  C.  kann  also  mit  dem  berühmten  identbch  sein;  wenn  man 
die  Identität  annimmt,  so  stimmt  das  anfs  schönste  mit  den  Überliefe- 
rangen über  das  alter  des  Suillius  Rufns  und  der  Caesonia,  den  ge- 
schwistern  des  D.  C.  überein.  den  beiderseitigen  Überlieferungen  wird 
Yom  verf.  nahe  getreten  und  daraus  die  aufgestellte  behauptung  wenig- 

33  • 


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508    FhüologiAche  prognunme  deutacber  hdbmr  lehranstelten 


btons  wabrackeinlich  genuiebt.    ivletet  briogt  verf.  dann  umstände  bei, 
durch  welch«  er,  wie  er  sagt,  nur  aanakme  der  Identität  geswongeB 
wird,  besondera  «nf  die  weiteren  ersiUmigfUi  bei  Tae.  aaa.  8,  Sl  ui 
Oese.  Dio  6t»  16  lenkt  er  den  blick  und  erörtert  sie  nnd  ihre  coue- 
qut  nzen  und  wa«  er  da  vorbriiipT,  ist  beachtenswerth.    er  thut  dar,  wie 
dor  frühere  und  spatere  C.  eiue  ganz  gleiche  energie  des  Charakters 
gezeigt,    d&xu  schildert  er  des  frühem  C.  thätigkeit  als  aufseher  dei 
wegebnonr.   bier  wird  C.  aaeb  gegen  den  ibni  tob  Dio  nnd  acurai 
TaeitnaaiUftrern  gemachten  Torwttrf,  er  habe  sich  ron  Calignia  tn  er- 
preeinngen  misbrauchen  lassen,  verteidigt,    im  fortgange  ist  daun  Cs 
consalet  gegenständ  der  erurterung.     C.  ward  des  amtes  mit  seioem 
dem  namen  nach  onbekaimten  mitconsol  schimpflich  entsetzt,  im  früh- 
ling  41.  unklar  bleibt  ea,  wanm  der  von  Clandina  gemaaaregelte  C. 
naeb  aeaba  jähren  in  eine  wichtige  proYinz  gaechiekt  ward.    Teil  «• 
kl&rt  ei  aus  seiner  erprobten  tüchtigkeit,  seiner  unparteiischen  strenge 
\\ni\  consequenz,  durch  die  er  sich  bald  wieder  allgemeine  anerkennimg 
erworben,    die  contulatsverwaltung  des  SoilUas  Knfus,  seines  braden, 
Yciuüttelte  wol  dan  wiadarSbertritt  Ca  in  den  ataatsdienat.  derseUus 
atelH  die  gewonnenen  ergebnisse  susammen.  wir  kSnnen  nnr  waasdiai, 
daaa  dia  winenachaftliohe  forschang  den  durch  fleissige  aaaainmenstel- 
luDg  und  sorgfältipi^e  combination  gewonnenen  argebniaaen  mit  kritik 
nahe  zu  treten  nicht  verschmähe. 

WUUI.AL.  städt.  gymnasiam.  3  clasaen,  6  lehr  er.  —  Director  dr. 
Eidnar:  «bflder  ana  den  altvdslaabaB  laban*.  naeb  allgasMitter  eia* 
leitung  über  die  Stellung  der  kaiserteit  zu  der  gesdkiehte  der  eot- 
wicklunp  Koms  kommt  verf.  auf  die  gesellschaftlichen  zustände  der 
zeit,  zuerbt  winl  an  d;is  hasclieu  nach  kaiserlicher  gnnst  erinnert,  rn 
gleich  au  den  für  den  verlost  der  teilnähme  am  öffentlichen  leben  im 
priTailaben  gesnebten  ereata,  an  die  baraebende  anefat,  mS^iebet  MhiNll 
reieb  an  werden,  einzelne  beiapiala  baaonders  groszen  reichtums  we^ 
den  angeführt,  besonders  die  Senatoren  und  kaiserlichen  freigelassenen 
suchten  durch  prucht  und  üppifjkeit  einander  zu  überbieten,  den  winter 
brachte  die  feine  geseilschatt  in  Horn  bei  den  Vergnügungen  und  last- 
barkeiten  der  reaklena  an,  mit  dem  beginnenden  frahjahr  gieng  esia 
die  bider,  unter  denen  Baiae  obenan  ataht.  verf.  aharaktaridert  die 
läge  von  Baiae  bestimmter,  wobei  denn  auch  die  nrngabang^  des  ortes 
mit  gezeichnet  wird,  weiterhin  schildert  verf.  dann  einen  tag-  in  Baiae 
während  der  badesaison.  dabei  wird  eiugegaugen  auf  die  art  uud  weise, 
wie  in  damaliger  zeit  von  den  vornehmen  in  die  bäder  gereist  wurde, 
ein  bUd  des  ankommena  nnd  eratan  aaftretena  im  badeorte  wird  eat- 
worfen,  darauf  in  dar  tobilderung  daa  tagaa  in  Baiae  fortgefahren,  n- 
uächst  ist  das  leben  auf  den  straszen  gegenständ  der  darstelinng,  der 
lärm,  den  die  kUufer  und  Verkäufer  machen,  verf.  schildert  den  weg 
durch  die  Stadt  zu  den  eigentlichen  thermen.  hier  wird  ein  excurs  g«i* 
maebt  über  den  in  beang  anf  dia  bidar  in  der  epitem  rSmiaoban  mit 
getriebenen  luxus:  es  folgt  eine  behandlnng  des  treibens  indanbldeia, 
wobei  auch  der  in  den  biidern  getriebenen  spiele  nicht  vergessen  wild« 
besonders  des  ballspiels  wird  sorgfältig  gedacht,  ebenso  gedenkt  verf. 
der  in  anderen  sälen  getriebenen  poetischen  und  rhetorischen  Studien, 
dann  eilt  er  tn  den  badeallen  aelbat  nnd  betritt  daa  tapidarinm,  geht 
dann  mit  einem  badenden  weiter  zum  caldarium  und  dem  in  deMse 
mitte  liegenden  laconicum,  das  besonders  abgezeichnet  wird,  aus  die« 
eem  geht  cs  durch  das  bassin  mit  heiszem  wasser  zum  frigidarinm,  dem 
kalten  Schwimmbassin,  bei  und  in  welchem  sich  ein  buntes,  lebhaftes 
treiben  entfaltet,  oben  im  badehause  befindet  eich  eine  bibliothek, 
gemUdegallaria  nnd  aenlptnreniammlnng,  Ton  dar  plattform  daa  dackei 
genieszt  man  einer  herrlichen  aussiebt,  verf.  verwendet  nun  die  beiden 
noch  bis  zur  hauptmahlzeit  fehlenden  stunden  zum  besuche  des  circus, 
dem  mit  seinem  Schauspiel  und  seinen  besuchern  ein  wort  der  schilde* 


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Philologische  Programme  deutaoher  höherer  lehranstalteii.  509 

vuiig  gewidmet  wird,  zuerst  gibt  es  tliiergefecht ,  darauf  ^^ladiatoren- 
kampf.  beide  arten  der  graufiigen  belustigimg  werden  mit  eingehender 
Sorgfalt  eharakterisiert  ohne  den  loteten,  roramwlehtlieb  gransigsten 
aet  abzuwarten,  eilt  verf.  davon  und  begibt  sieh  sor  eoena.  hier  wird 
g^elejjenheit  genommen,  den  tafellnxus  zu  schildern,  nach  Vollendung 
der  hauptmahlzeit  eilt  verf,  wieder  ins  freie,  er  bctraclitet  und  schil- 
dert das  abendliche  leben  auf  den  straszen  von  Baiae.  endlich  wendet 
er  eieh  dem  Lnerinersee  an  and  weiss  auch  hier  eine  recht  lebendige 
•ehildenittg  des  dortigen  treibem  sn  geben,  am  abend  endlloh  kwei 
er,  voll  von  den  empfangenen  eindrücken,  heim,  wir  danken  ihm,  dass 
er  das  programm  seiner  jungen  anstatt  benutzt,  einen  blick  aufzuthnn 
in  eine  alte  anstalt,  ein  stück  alten  lebens  zu  zeichnen,    möchte  sein 

Srogramm,  dessen  lectüre  uns  reichen  genuss  gewährt,  viele  leser  üu- 
on  und  aneh  der  berttekeiehtigung  von  denen  gewürdigt  werden,  deren 
specialstndiam  die  privataltertümer  Roms  nnd  Griechenlands  sind. 

Berlin,  graues  kloster.  15  classen,  30  l'ehrer.  —  Andresen: 
*de  uocabulorum  apud  Tacitum  conlocatione'.  Verfasser  verraiszt  bei 
vielseitiger  beschäfligung  mit  Tacitus  die  beriicksichtigung  seiner  wort> 
Bfcellmig.  er  will  bei  bespreehnng  derselben  erftinehen,  qna  eimilitn- 
dine  ezemplorum  ordlnes  tanquam  uinculo  conneetantnr.  bei  seiner 
Untersuchung-  will  er  sich  auf  Apricola,  historiae,  annales  beschrän- 
ken, iu  diesen  tiudet  er  eandem  uocabulorum  ponendorum  rationem 
eandemque  tenorem.  im  ersten  teile  wird  die  coliocatio  uerbi,  im 
swoiton  die  eoUoeatio  adieotiai  behandelt.  Taeitns  rede  ist  erhaben 
und  tragischen  tones  einherselireitend.  das  zeigt  vor  aUem  die  vor- 
schiebung  des  verbnms,  das  an  der  spitze  des  satzes  oder  Satzteiles 
steht,  dessen  prüdicat  es  ist.  das  verbum  pflegt  den  Satzgliedern  voran- 
zustehen»  wenn  mehre  glieder  einer  periode,  deren  jedes  ein  verbum 
entblllti  eobald  sie  geringen  umfanges  nnd  gleichen  werthoi  sind,  asyn- 
detisch verbunden  werden,  in  den  IXllen  findet  sich  selten  das  perf., 
oft  das  praes.  hist.  oder  inf.  bist,  oder  der  zu  einem  acc.  c.  inf.  ge- 
hörige inf.  der  zweck  dieser  form  wird  erörtert,  sie  ist  ein  stück  je- 
nes concitatus  abruptusque  sermo,  den  Tacitus  liebt,  das  letzte  glied 
einer  solchen  periode  ist  meist  von  grösserem  umfang  und  es  finden 
mUSk  da  die  gleichen  arten  des  ausdnms,  verb.  fin.,  inf.  nnd  aoo.  c 
inf.  und  inf.  bist.,  auch  hat  das  letzte  solcher  verbundenen  glieder  oft 
das  verb.  am  ende  und  zuweilen  findet  sich  schon  inmitten  der  periode 
das  verb.  einmal  am  ende,  das  gerundivum,  wenn  es  nur  nicht  den 
begriff  der  notwendigkeit  enthalt,  steht  dem  zugehörigen  subst.  vor; 
nur  wenn  aller  oder  der  meiste  aeoent  auf  dem  subst.  n&t,  steht  dieses 
voran,  ebenso  wenn  das  subst.  im  gegensatz  steht,  das  gerundivum 
wird  auch  nachgesetzt,  wenn  die  zahl  der  ihm  untergeordneten  worte 
zu  grosz  ist.  zuweilen  ist  die  Stellung  des  gerundivs  ans  ende  auch 
durch  den  numerus  motiviert,  der  durch  nachstelluug  des  wories  herbei- 
geführt wird,  sehr  hSufig  steht  das  verb.  am  anfange  des  satees.  er 
stellt  die  worte  an  den  beginn,  durch  welche  früherer  autoren  zeugnis 
oder  übereinstimmende  Überlieferung  bezeichnet  ist.  aber  auch  andere 
verba  stehen  im  beginne  des  einfachen  satzes  und  diese  Stellung  dient 
der  erhabenheit  des  stils;  durch  diese  Wortstellung  deutet  Tacitus  oft 
an,  was  wir  nur  durch  partikeln  wiedenugeben  vermögen,  oft  wird 
der  gegensatz  auch  nur  durch  die  Wortstellung  hervorgehoben,  in  alten 
den  für  diese  fälle  angeführten  beispielen  enthält  das  verb.  den  haupt- 
begriflF  des  satzes,  und  dafür  wird  die  zahl  der  beispiele  noch  vermehrt, 
oft  bereitet  sich  der  schriftsteiler  durch  vorangesetztes  verbum  auch 
den  Übergang  zum  folgenden,  der  abl.  abs.  bedient  sich  Taeltus  oft 
und  setet  in  ilinen  das  prSdicat  von  subjeet.  doch  findet  sieh  aueh 
andere  Stellung,  besonders  wenn  das  subjeet  ein  zahl  wort  oder  ein  adj. 
resp.  pron.  numerale  ist,  obwol  auch  in  diesem  falle  zuweilen  sich  die 
gewöhnliche  Wortstellung  findet.   Superlative  stehen  im  abl.  abs.  häufig 


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510    Philologische  progmnme  deatacher  höherer  lehranstalten. 


vorau  und  ebMtO  tteht  das  subst.  dem  partic.  vorao,  wo  es  allen  ac- 
eeat  enthSlt  oder  im'  gegenmtie  eteht.    swei  mit  et  verbniidene  abl. 
Abs.  stehen  in  chiastischer  stellnag  ihrer  teile,    hat  ein  eubat.  mehre 
prädicate,  so  steht  es  dazwischen,    es  folgen  eine  reihe  von  beispielen 
nachgestellter   i)artic.,   für  die  verf.  keinen  grund   anzugeben  weisz. 
verf.  wendet  sich  zur  Stellung  des  mit  einem  Substantiv  Terbondenen 
ft^i^^vv*         gebUhrt  iiaeh  Teeitne  gewoludieit  die  erste  stelle,  di« 
Ton  nom.  propr.  etimwenden  adjeetiva  bennspruchen  für  gewöhnlich 
▼oranstellang,  davon  nur  seltene  ausnahmen  in  bestimmten  fällen, 
wiederholt  vorkommende  adj.  dieser  art  stehen  zuweilen  nach,   ist  eine 
bestimmte  Ptellnng  durch  den  feststehenden  gebrauch  früherer  Schrift- 
steller geheiligt,  so  pflegt  auch  Tee.  niebt  «biaweieben,  wenigstem 
folgt  er  ihm  öfters,  wenn  noch  nebenher  snweilen  die  ihm  adäquatere 
stellang  gebraucht  wird,    im  ellgemeinen  musz  man  aber  doch  die  Vor- 
liebe für  die  voranstellnng  des  adj.  anerkennen,   an  dieser  stelle  weist 
verf.  auch  auf  die  Taciteische  gewohuheit,  cognomen  vor  gentilnomen  za 
stellen.  Romanos  steht  gewöhnlich  nach ,  die  voranstellung  ist  äusserst 
selten;  die  adj.  militaris  nnd  cinilis  behaapten  gewöhnlich  die  erste 
stelle,  nur  heiszt  es  res  militaris,  snweilen  arma  einilia,  diaeordiae  ei- 
nlies, irae  ciuiles,  studia  cinilia,  ius  ciuile.   die  von  arats-  oder  Standes- 
namen abgeleiteten  adj.  nehmen  gern  die  erste  stelle  ein,  anhäufig  sind 
die  beispiele  umgekehrter  folge,    dasselbe  gilt  von  den  auf  die  mili- 
tftrtseben  dinffe  bezüglichen  adj.    prinatvs  steht  bald  seinem  sebst 
voran,  bald  folfft  es,  iMibliens  steht  in  den  histor.  selten,  sehr  häufig  in 
den  annalen  an  zweiter  stelle,    humanus  und  diuinns  haben  bald  die 
erste,  bald  die  zweite  stelle  inne,  nur  einzelne  formein  sind  stehend, 
so  werden  noch  eine  reihe  von  adj.  behandelt  und  angegeben,  wie  Is- 
eitns  bei  diesem  gebrancbe  lünsiehtlich  der  Stellung  Terfnhr.   rea  tritt 
vor  das  adjectivum,  daTon  nor  seltene  abweiebnngen.    es  ist  unmog^ 
lieh,  dem  verf.  weiter  genau  nachzugehen;  das  angeführte  möge  ge- 
nügen, aufmerksam  zu  werden  auf  eine  schrift,  die  sich  durch  flei&z, 
Sorgfalt  und  ergebnisse  vor  vielen  ihresgleichen  auszeichnet,  von  wich* 
tigkeit  sind  besonders  die  immer  wiedeniolten  hinweise  anf  differensea 
swisehen  historien  nnd  annalen  in  beziehnng  auf  Wortstellung,  den 
schlnsz  macht  eine  aufzählnng  der  stellen,  wo  das  adj.  dem  snbst.  folgt, 
natürlich  sind  dieselben  nach  kategorien  geordnet,   ganz  zuletzt  folgen 
bemerkungen  über  die  chiastische  Stellung  und  über  die  apposition. 

KonnBAtismr  (stSdt.  gjmn.).  es  liegt  eine  durch  die  350jährige 
jubelfeier  der  anstalt  veranlasste  festsebrift  vor  von  Oberlehrer  dr. 
Theodor  Perschmann:  Johannes  Clajus  des  ältern  leben 
und  Schriften  (56  s.).  die  schrifi  ist  bereits  besprochen  von  K.  Bursian 
in  dem  jahresberichte  II  1,  .'^3.  s.  3.  drückt  fromiue  wünsche  hei  und 
SU  der  jubelfeier  aus  und  erinnert  au  die  entstehung  der  anstalt  sar 
seit  der  reformation  152S«  s.  7  f.  geben  sunlehst  die  yeranlassung  snr 
behandlnng  grade  des  lebens  von  Clajus  an,  heben  die  mangelbaftQfketf 
der  Zeugnisse  über  ihn  aus  der  eignen  zeit  hervor,  bezeichnen  endlich 
die  hilfsmittel  für  die  erforschung  des  lebens  uud  der  thätigkeit  de« 
Clajus.  mit  s.  9  beginnt  die  arbeit  selbst,  ihre  ergebnisse  von  Bursian 
a.  o.  Eusammengefasst,  sind,  auf  grund  der  quellen  und  mit  sorgfSitiger 
kritik  gefunden,  folgende:  Johannes  Clay,  später  Clajus,  geboren  am 
24  juni  1535*  in  Herzberg  a.  d.  schwarzen  Elster  als  söhn  von  eitern 
geringen  Standes,  der  tod  des  vaters  liesz  die  familie  in  dürftiger  läge 
zurück,  er  wäre  fast  beim  handwerk  für  die  wissenschatt  verloren  ge- 
wesen, da  sandte  ihn  seine  yaterstodt  in  eine  der  60  freistellen  der 
nen  gegründeten  furstensehnle  su  Orimma.  P-  teilt  den  damals  von  ihm 
untenehriebenen  reyers  mit.  er  verweilte  fünf  jähre,  dann  besog  er  die 

♦  dieses  jähr  stellt  P.  gegen  das  bisherige  schwanken  aus  zwei 
mitgeteilten  epigrammen  fest. 


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Philologische  programme  deutscher  höherer  lehransialteik.  511 


Universität  Leipzig,  wo  sein  aufenthalt  ebenfalls  durch  munificenz  des 
kurfürsten  bestritten  ward,  seiner  dankbarkeit  g'e^en  den  kurfürsten 
gab  er  durch  widmung  öeiner  carmina  graeca  ausdruck.  das  widmungs- 
gedieht  teilt  P.  mit.  in  Leipzig  widmete  er  sich  besonders  dem  Stadium 
des  grieehischen  unter  leitnng  von  Joaehim  Cemerarins,  der  ihm  be« 
sonderes  wohlwollen  zuwandte.  CI.  pfewaim  eine  j^anz  hervorragend 
tüchtig'e  bildnng  im  griechischen,  bo  dasz  er  die  spraclie  mit  voller  t'rei- 
beit  gebrauchte,  früh  verlobte  er  sich  und  dies  veraulaszte  ihn,  bald 
ein  lehramt  ansutreten.  zuerst  unterriehtete  er  in  seiner  yaterstadt, 
wo  ihm  Helanchthon  eine  stellunff  versehafft.  hier  fand  er  leider  keine 
enerkennuDg,  er  suchte  durch  Camcrarius  und  Paul  Eber  eine  andre 
stelle  und  erhielt  sie  in  Goldberg  in  Schlesien,  wo  er  neun  jähre  wirkte. 
P.  bespricht  die  Verhältnisse  der  Goldberger  schule,  welche  Trotzeudorf 
berühmt  gemacht,  geuaaer.  su  Clajus  zeit  war  die  sehnle  bereits  in 
verfall  begrüFen,  rector  war  auf  Melanchthons  empfehlnng  dr.  med. 
Heinrich  Paxmann,  der  der  schule  nicht  zu  besonderem  segen  gereichte, 
ihrem  verfalle  nicht  wehren  konnte,  auf  Paxmann  folgte  als  rector 
Tabor.  Clajus  thätigkeit  iu  verschiedenen  stellen  iu  Goldberg  wird 
von  P.  lebendig  und  eingehend  bezeichnet;  auch  seine  wissenschaftliche 
beschifUgung  in  Goldberg  wird  berttbrt  und  auf  seine  hinneigang  sum 
Übergabe  in  den  theologischen  beruf  wird  hingewiesen,  hauptsächlich 
betrieb  er  die  lateinische  versification.  weiter  schildert  P.  das  glück- 
liche familienleben  des  Clajus  und  berührt  andere  lebensverhältnisse 
des  gelehrieu  sowie  seine  freuuUschattlichen  beziehuugeu  ^^u  deu  coileguu. 
▼on  Ooldberg  gieng  CI.  und  swar  sehr  plötslieh  auf  erhaltenen  ruf  als 
rector  nach  Frankensteitt.  Ton  den  verhiltniasen  des  Cli^us  an  dieser 
schule  erfährt  raan  wenifr,  andeutungen  in  dem  widmungsgedicht  der 
carmitja  graeca  lassen  sie  als  unerträglich  ahnen,  er  gibt  die  stelle 
plötzlich  auf  und  geht  nach  Wittenberg,  um  theologie  zu  studiereu,  auf 
Paul  Eber  vertrauend,  doch  der  starb,  ehe  er  etwas  für  CI.  hatte  tbun 
können,  da  wandte  er  sich  mit  der  Widmung  seiner  grieehisehen  ge- 
dichte  an  den  kurfürsten  um  hilfe.  in  Wittenberg  ward  er  magister 
und  gieng  dann  auf  rathsruf  nach  Nordhausen  als  rector.  von  seiner 
dortigen  thätigkeit  ist  nicht  viel  zu  sagen,  da  die  acten  nichts  liefern ; 
nach  einigen  yermutungen  darttber  besprieht  P.y  soweit  das  mSgileh, 
sein  dortiges  wissenschafkliohes  und  äusseres  leben,  vorher  bietet  er 
auch  eine  ganze  reihe  besonders  für  den,  der  wie  wir  selber,  eine  ge- 
wisse Verbindung  und  anknüpfung  mit  Nordhausen  hat,  höchst  inter- 
essanter und  schätzenswerter  bemerkungen  über  die  geschichte  des 
gymnasiams,  die  für  eine  allgemeine  geschichte  der  schnle  und  des 
Schulwesens  in  Deuteehland  nieht  su  übersehen  sind,  yon  Kordbausen 
gieng  CL  naeh  2 — 8  jähren  als  pfarrer  nach  Beudeleben  bei  Franken- 
hansen, wo  er  nach  zwanzig  jähren  starb  (1592).  P.  beschreibt  nun 
sein  leben  im  pfarramte,  wissenschaftliches  wie  amtliches  und  privates, 
der  tod  seiner  frau  (1576)  nötigte  ihn,  seine  haushUlteriu  zu  heiraten  und 
naeh  deren  tode  heiratete  er  1587  sum  dritten  male,  die  letaten  selten 
der  lebenssehilderung  lUllt  eine  ausgeführte  eharakteristik  des  ge- 
schilderten gelehrten,  auf  s.  30  beginnt  die  besprechung  der  Schriften 
des  Clajus.  nach  einer  kurzen  einleitenden  vorbemerkunfj  werden  die- 
selben, an  zahl  zweiuudzwauzig ,  der  reihe  nach  aufgezählt  und  ihrem 
iessem  wie  ihrem  Inhalte  nach  kurs  eharakterisiert.  die  titel  hierher 
überzutragen,  fehlt  der  nötige  räum,  wer  sie  kennen  lernen  will,  musz 
sich  die  lesenswerte  Schrift  selbst  verschaffen,  unter  nr.  13  führt  P.  die 
deutsche  grammatik  von  Clajus  auf  und  benutzt  die  gelegenheit,  einen 
kurzen  abrisz  der  geschichte  der  deutscheu  grammatik  su  geben,  wobei 
er  B.  y.  Raumer,  geseh.  d.  pädag.  III  S5  ff.  sieh  amehUesnt.  —  Die 
ganze  abhandlung  ist  eine  vortreffliche ,  auf  umfangreichen  und  gewis 
in  Nordhausen  nicht  gerade  sehr  leicht  zu  machenden  quellenstudien 
beruhende  Untersuchung,  die  gana  wichtige  resultate  für  das  leben  eines 


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512 


Erklärung. 


bedeatenden  unter  den  spätem  hamamsten  sicher  stellt,  es  scheint 
VDt  dab«r  niebt  angematwii,  <Ims  Bsniaa  a.  o.  sieh  mit  einer  troelneii 
«nfTAbe  der  baaptdaten  ana  dem  leluerleben  nnd  der  bedentenderen 
Schriften  begnügt,  man  hätte  gern  ein  ausführliches  urteil  über  die 
arbeit  von  BurKian  Ternomnien.  denn  er  ist  ja  doch  wie  wenige  im 
gebiete  der  geschichte  der  classischen  pbilologie,  über  die  wir  schon 
laiifre  ein  werlc  von  ihm  erwarten,  sn  urteilen  eompetent  nnd  feine  Tor- 
trefflicbe  Zeitschrift,  dies  tcrfjpa  €k  dcC  wie  man  vollkommen  berechtigt 
ist,  sie  za  bozeichnen,  hat  doch  die  anfgabe  nicht  allein  zn  referieren^ 
■ondern  auch  zu  recentieren«  (fortsetznng  folgt.) 


Die  besprechong  meiner  aehrift  'dee  Q.  Ho  ratin  s  Flaccns  öden 
und  epoden.  text  nnd  fibereetnnng  mit  erlftntemngen  tob  TIl  Kajier. 
Tübingen,  Fnes  1877'  in  den  n.  jnhrb.  f.  phil.  n.  pid.  II  abt  187S 
hft.  8  von  Seiten  des  hm.  W.  Gebhardi  ana  Meserita  nötigt  mich  in 

folgender  erklärung. 

Die  genannte  recension  gibt  sich  als  eine  im  höchsten  grad  ein- 
seitige in  erliennens 

1)  In  der  feststellang  des  text  es  macht  sich  der  recen  seilt  illir 
meinen  conservativen  standpnnct  Instig,  ohne  die  kritischen  bemerkungen, 
die  ich  da  und  dort  eingestreut  habe,  mit  einem  wort  zu  erwähöen, 
beziehungsweise  zu  widerlegen. 

S)  In  der  eomposition  derHoraa.  eden  hebtergans  geflisseatfieb 
das  hervor,  was  ich  mit  Nanek  gemeinsam  habe,  er  erweckt  dadurch 
den  schein,  alf^  ob  ich  die  eomposition  'von  Nanck  abgeschrieben' 
habe  und  begeht  so  wissentlich  ein  doppelte.«?  unrecht  —  gegen  mich 
und  gegen  andere:  gegen  mich,  sofern  es  seine  pflicht  war,  auch  meioe 
vielfaehen  abweiehnngea  von  Haneli  ingleimer  weiae  aar  spräche 
anbringen;  gegen  andere,  sofern  in  erster  linie  niditKanck,  sondern 
—  oder  sollte  dies  ans  Unkenntnis  unterlassen  sein?  —  Dillenbnrger 
zn  nennen  war,  der  in  peiner  lange  vor  Naurk  erschienenen  ausgäbe 
wie  bekannt  auch  die  eomposition  berücksichtigt,  insbesondere  meines 
Wissens  inerst  anf  die  für  Horaa  diarakteristischo  mitteiatellnng  de« 
banptgedankeas  hingewiesen  hat  nnd  mit  dessen  anfsteltnngen  Naaek 
fast  regelmäszig  ftberelnstiromt  Tgl.  I,  4.  18.  17.  22.  24.  S3.  34.  3d.  Ü, 
9.  10.  12.  13.  14  nsw.  der  herr  recensent  nennt  das  'abgeschrieben', 
andere  werden  eine  solche  Übereinstimmung  nntürlich  finden,  da  man 
bei  einer  groszen  reihe  von  oden  schlechterdings  zn  demselben  resulUt 
kommen  mnsa. 

8)  Dasz  die  fibersebriften  zum  teil  Ton  Nanek  entlehnt  sind« 
habe  ich  in  dem  programm  des  Tübinger  gyranasinms  vom  jähre  1867, 
auf  das  ich  in  der  vorrede  verwiesen  habe,  ausdrücklich  bemerkt, 
den  zweck  der  vorliegenden  schrift  schien  mir  eine  allgemeine 
wShnnng  der  leistnngen  meiner  rorgänger  genügend,  was  die  ia  den 
erlftnternngen  enthaltenen  strllon  betrifft,  in  welchen  ich  Naaekf 
ausdrnck,  weil  er  mir  als  der  treffendste  erschien,  absichtlich  aceeptiert 
habe,  so  dürften  sie  sich  wol  auf  die  wenigen  vom  recensenten  so»- 
gehobenen  beschränken,  wenn  nun  aber  von  einer  'kleinen  bloocn- 
lese'  gesprochen  wird,  eo  wird  dadnreh,  sowie  durch  die  daranf  folgesdes 
bemerknngen  der  eindrack  tierrorgemfen,  als  ob  mein  back  in^  diesem 
teil  nichts  weiteres  wäre  als  eine  eopie  ▼on  Nanek,  —  auch  dies  ein* 
grobe  entstellung  der  Wahrheit! 


BAJiT£N8TEIII. 


H.  K.  BfiNICKEN. 


54. 

EEKLÄEÜNG. 


Tübingen. 


Th.  Kaysbb. 


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ZWEITE  ABTEILUNG  (118a  BAND). 


19.  I>ie  statistischen  anforderungen  an  die  schule  und  die 
Statistik  in  der  schule,   von  F.  Eiselen  in  Frankfurt  a.  M. 
'60.  Lateinische  lesehücher.   angez.  von  E,  Ludwig  in  Eise- 
nach   

R.  Hoche:  lateinisches  lesebuch.   erste  abteilung.  für 
« die  quarta  der  gymnasien  und  die  mittleren  classen 
der  realschulen  (Leipzig  1871). 

—  Wörterbuch  zu  der  ersten  abteilung  des  lateinischen 
lesebuchs  (Leipzig  1871). 

M.  Rothert:  der  kleine  Livius.  für  mittlere  gjmnasial- 
classen.  erstes  heft.  buch  L  zweite  verbesserte  auf- 
läge, zweiter  abdruck.  mit  einem  plane  des  alten 
Roms  und  einem  wörterbuche  (Braunschweig  1866). 
G.  Weiler:  lateinisches  lesebuch  aus  Livius.  für  die 
quarta  der  gymnasien  und  die  entsprechenden  classen 
der  realschulen  bearbeitet,  neunte  aufläge  (Hildburg- 
hausen 1875). 

—  Wörterverzeichnis  zu  obigem  lesebuch  aus  Livius. 
dritte  vermehrte  und  verbesserte  aufläge  (ebd.  1872). 

»61.  Mitteilungen  der  deutschen  gesellschaft  zur  erforschung 
vaterländischer  spräche  und  altertümer  in  Leipzig.  VI.  bd. 
(Leipzig  1877).    angez.  von  M,  Trautmann  ..... 
;52.  A.  Brehme:  grammatik  der  deutschen  sptache  für  obere 
classen  deutscher  schulen  in  Kuszland  (Petersburg  1876). 

angez.  von  Hölbe  in  Petersburg  

derselbe:  elementargrammatik  der  deutschen  spräche 
für  untere  classen  deutscher  schulen  in  Huszland  (ebd. 
1875).    angez.  von  demselben. 

dasselbe  in  russischer  Übersetzung  (ebd.  1875).  angez. 
von  demselben. 

\(^&.)  Klopstockiana.    von  H.  Holstein  in  Verden,    (schlusz)  . 
|.  53.  Bericht  über  die  Verhandlungen  der  dreiunddreiszigsten 
Versammlung  deutscher  philologen  und  Schulmänner  in 
Gera  vom  30  September  bis  3  october  1878.  von  0.  Weise 

in  Eisenberg  

tl6.)  Philologische  programme  deutscher  höherer  lehranstalten. 
von  H.  K.  ßenicken  in  Bartenstein,  (fortsetzung)  .    .  . 
54.  Erklärung,    von  Th.  Kayser  in  Tübingen  


seit« 

457—467 
467—474 


474-477 


477—479 


479—485 


485—505 

505—512 
512 


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An  die  Herreu  Geschichtslehrer  höherer  Schulen. 


Die  unterzeichnete  Verlagshandlung,  mit  der  HersteUong  einer 
neuen  Auflage  von  Herbst,  histor.  Hülfsbiich"  11  u.  III  (Mittlere 
u.  Neuere  Geschichte)  demnächst  beschäftigt,  erlaubt  sich  im  Einver- 
fitündniss  mit  dem  Herrn  Verfasser  die  Herren  Fachlehrer  an  den 
Gymnasien  und  Realschulen,  an  denen  genanntes  Buch  eingeführt  ist, 
um  baldgefällige  Mittheilimg  von  etwaigen  Wünschen  und  Aenderungs- 
vorschlägen  ganz  ergebenst  zu  bitten.  Alle  Vorschläge  werden  ge- 
wissenhaft geprüft  und,  wenn  dann  der  Verfasser  zuzustimmen  vermag, 
sorgfältig  benützt.  —  Die  Verlagshandluug  bittet,  Einsendungen  an  ihre 
Adresse  zu  richten. 

Mainz,  Ende  October  1878. 

C.  G.  Kunze's  Nachf.  (Dr.  Jacoby) 

Verlagshandlung. 


Bei  S.  Uirsel  in  Leipzig  ist  soeben  erschienen  : 

Mittelhochdeutsches 

Taschenwörterbuch 

von 

Dr.  M.  Lexer, 

o.  Profeuor  in  Würsburg. 

22  Bogen.   Preis:  geheftet  JC  4.  — ,  gebunden  JC  5. 
Vorräthig  in  allen  Buchhandlungen. 

Ii  M  M  M  M  M  M  M  M  M  M  »  M  M  M  M  ♦  M  M  M 


Eduard  Weber's  Verlag  (Julius  Flittner)  in  Bonn. 


Soeben  erschien: 

Corpus  scriptonim  historiae  Byzantinae.  Editio  emendatior 
et  copiosior,  consilio  B.  G.  Niebuhrii  C.  F.  instituta,  auctori- 
tate  Academiae  litterarum  regiae  Borussicae  continuata.  8  mai. 
Vol.  XLIX.  Annae  Comnenae  Alexiadis  libri  XV.  Edidit  Ludo- 
vicus  Schopenus.  Vol.  U.  e.  s.  t.  Ajinae  Comnenae  AJexiadis 
libri  X — XV.  Recensuit,  L.  Schopeni  interpretationem  latinam 
ßubieeit,  P.  Possini  glossarium,  C.  Ducangii  conunentarios ,  in- 
dices  addidit  Augustus  Reifferscheid.  Druckp.  18.  — 
Schreibp.  Jt  24.  —  Velinp.  JC  30.  — 
Anna  Comnena  vol.  I  erschien  1839  und  kostet  Druckp.  „<K  7.  — 
Schreibp.  JC  9.  —  VeUnp.      11.  — 

Mit  diesem  U.  Bande  ist  eines  der  besten  der  byzantinischen  Ge- 
schichtswerke endlich  vollendet.  Der  Text  ist  nach  den  besten  Hand- 
schriften hergestellt.   Die  Indices  umfassen  120  Seiten. 

Die  bis  jetzt  erschienenen  49  Bde.  des  Corp.  Byz.  kosten  jetzt 
Druckp.  JC  270.  —  Schreibp.  JC  384.  —  Velinp.  JC  705.  —  Der  5o/ 
und  letzte  Band,  enthaltend  Jo.  Zonarae  Annales  vol.  in  ist  in  Be-- 
arbeitung. 


ZWEITE  ABTEILUNQ 

FÜE  GYMNASIALPjIDAGOGIK  UND  DIE  ÜBEIGEN 

L£ja£FiGH£& 


HIT  AUSSCHLÜSZ  DER  CLASSI8CHBM  PUILOLOQIB 

HERAUSGEGEBEN  VON  PBOF.  DE.  HeBMANK  MASIUS. 


55. 

DAS  SYSTEM  DER  GRAMMATISCHEN  FLEXIONEN  UND 
DI£  LOQISGH -BATIONALE   EBKLÄBUNGS WEISE  DEB 

SPBAGHE. 


Der  entscheidende  grundgedanke  der  ganzen  neueren  wissen- 
schaftlichen auffassung  von  der  spräche  ist  der,  dasz  alles  was  zur 
spräche  gehört ,  auf  historischem  wege  entstanden  sei  und  daher  zu- 
nächst oder  in  erster  linie  auch  nur  aus  dieser  seiner  actuellen  oder 
historischen  entstehung  heraus  erkannt  und  begriffen  werden  könne, 
wir  werfen  die  frage  auf,  ob  und  in  welchem  sinne  neben  dieser 
historischen  oder  sprachgeschichtlich  empirischen  gegenwärtig  noch 
von  einer  andern  geistig  rationalen  oder  philosophischen  auffassungs- 
weise der  spräche  und  ihrer  crschcinungen  die  rede  sein  dürfe ,  und 
versuchen  dieselbe  zunächst  unter  anschlusz  an  eine  kurze  betrach- 
tung  des  allgemeinen  fortganges  des  menschlichen  wissens  und  den- 
kens  über  die  spräche  in  der  geschichte  zu  beantworten. 

Die  geschichte  der  Sprachwissenschaft  nimmt  ihren  anfang  im 
altertume.  hier  warf  man  zuerst  die  ganz  allgemeine  principfrage 
auf,  ob  die  worte  der  spräche,  övöjaaia,  den  dingen,  die  sie  bezeich- 
nen, qpucei  oder  vojuiu,  d.h.  vermöge  naturgemiiszer Übereinstimmung 
oder  durch  willkürliche  Convention  und  Satzung  zukommen,  man 
sah  in  der  spräche  hier  zunächst  noch  nichts  als  eine  Sammlung  von 
namen  für  die  äuszeren  wirklichen  dinge,  oder  es  war  im  allgemeinen 
die  analogie  des  eine  einzelne  sache  und  nicht  einen  allgemeinen  be- 
griff vertretenden  eigennamens,  durch  welche  hier  das  wesen  der 
Worte  aufzufassen  versucht  wurde,  diese  ganz  abstracto  Streitfrage 
führte  allmählich  hin  zu  einer  genaueren  Unterscheidung  der  äuszeren 
11.  jahrb.  f.  jfhXl  u.  päd.  II.  abt.  1S78.  hfU  11.  34 


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514 


Das  tyttem  der  grammatuehen  flezioiien 


und  inneren  eigenttUnlichkeiten  der  worte,  woraus  zuletzt  das  sjstem 
der  redeteile  im  altertum  und  die  feetetelliiiig  bestimmter  technischer 
bezeichnnngen  für  die  einzelnen  classen  und  erscheinungen  der  worto 
entstand,  es  war  dieses  ein  weg  des  rein  analjtieolien  eindringens 
in  die  gegebenen  unterschiede  und  yerhältnisse  der  worte  der  spräche, 
die  Schwierigkeit  bestand  hier  hauptsSehüch  darin,  die  eigentümlidie 
bedeutong  jeder  einzelnen  wortform  zn  erkennen  nnd  dieselbe  mit 
einem  irgendwie  geeigneten  aosdrocke  zu  bezeichnen,   (vgl.  tÜber 
ftlles  dieses  insbesondere  Schffmaiin,  die  xedeteile  der  alten«)  man 
gewann  bierdnreh  einen  gewissen  sJlgemeinen  rahmen  der  j^ieds- 
mng  nnd  eintdlong  der  spräche,  welcher  als  formaler  grnndrkz  der 
grammatik  dann  auch  auf  das  miüelalter  nnd  die  neae  aett  Uber- 
gieng.  aneh  hier  aber  hatte  die  tiefare  erforschnng  der  gmmmiitiechsa 
einriohtnngen  nnd  der  ganzen  gesstsliehen  Terältnisse  der  spräche 
bis  zom  ende  des  vorigen  jahrhnBderts  keine  irgendwie  wesenUiehen 
und  dnrehgreifenden  fortschritte  gemaeht.  die  fhltigkeit  der  hnma- 
nisten  nnd  der  Charakter  der  ganzen  froheren  ricfatiing  der  phHoIogie 
war  im  allgemeinen  mehr  von  einer  kfinstlerisehen  eiklfirend*kiM- 
sehen  nnd  in  der  blossen  empirie  des  lebendigen  vmgßngoB  mit  der 
spraehe  bestehenden  art  gewesen,  die  wissensdiafUieh  tfaeoretisdie 
oder  grammatisehe  bearbeitnng  der  spradie  aber  nimmt  wesenUieh 
erst  von  jenem  zeiipnnete  an  ihren  aafimg.  es  entstand  hier  aneist 
die  sogenannte  rationale^  weiterhin  aber  diie  eigentUch  modeme  oder 
historkche  grammatik  nnd  anffassnngsweise  der  q^mehe.   es  war 
dieses  ein  fortsehzitt  oder  eine  nrnwandlnng,  wie  sie  wesentlkii  mit 
dem  allgemeinen  fortgange  der  ganzen  bildnng  nnd  des  wissensdiaft- 
liehen  denkens  der  nenersn  seit,  insbesondere  aneh  deiijenigen  der 
Philosophie,  snsammenhieng  nnd  dnroh  diesen  herriMgemlen  und  sn- 
ger^  wnrde.  aller  wahre  fortsciuntt  der  wisssnschaft  ist  überall 
nnr  dn  solcher,  der  im  denken  wnrselt  oder  der  sidi  avi  gewisse 
nene  gedankenmBssige  gesichtspnnete  nnd  anffaasnngsfonneiL  des 
stoffn  der  wirklicfakflit  gründet  man  TOEgiszt  in  der  philoIogie  nnd 
aneh  in  der  übrigen  wissensofaaft  sehr  kiekt,  was  man  alles  dem  an- 
flnsse  der  i^bdlosophie  zn  yerdanken  gehabt  hat  nnd  wie  alle  dSqjeni- 
gen  methodischen  gesiofatqnmete  nnd  Twanssetsnngen,  die  man  als 
selbstverstSndliehe  snsnsehen  gewohnt  ist,  keineswegs  dnreh  blosw 
empirie,  sondem  snniehst  vielmehr  dnreh  gewisse  allgemeinere 
qnellen  nnd  höhere  ordnende  richtponete  der  philosophie  nnd  den- 
kenden weltbetraehtnng  fesi^gestellt  nnd  aufgefunden  wmrdm  sind, 
so  wie  die  grammatik  nnd  sprachwissensehaft  des  altertnma,  so  ist 
auch  dicjenigs  der  neafln  zeit  wesentUeh  überall  mit  dnreh  äeai  sin- 
flnss  der  phflosophisdien  gedsnkenentwicUnng  herrorgemfeii  nnd 
eingeleitet  worden«  jene  frühere  rationide  epodie  imssrer  nenenn 
an&ssung  und  behandlnng  der  qiraehe  aber  hat  in  dem  philosophi* 
sehen  standpunete  nnd  dem  gedsnkenkreise  der  Eantisdieii  zeit,  dhm 
jüngere  empirisch -histocisehe  aber  vorzugsweise  in  der  dnreb  Scbel- 
ling  nnd  Hegel  vertretenen  nmbildung  der  ganzen  geistig  wissen^ 


J 

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und  die  logiseh-rationale  erklfirangsweise  der  spxache.  515 

schaftliclien  weltttnsieht  oder  in  dem  sogenannten  objectiven  idealis- 
mos  der  neueren  philosophie  ihre  wnrzel  gehabt,  dort,  in  der  zeit 
oder  epoche  Kants,  war  es  der  geist  oder  die  snbjeetive  innerlichkeit 
der  yemonft  als  solche,  Yon  deren  standpnnet  ans  die  erscheinnngen 
der  spradie  dankend  xn  erUftren  nnd  an  begreifen  Torsneht  worden, 
wShnnd  hier  in  dieser  sweiten  epoche,  das  ganze  leben  der  spradie 
überhaupt  in  den  dasselbe  ans  sidi  bedingenden  objeotiyen  oder  ihm 
selbst  immanenten  gesetzen  nnd  bedingungen  gleichsam  als  ein 
grosses  natnrwissenschaflliches  gebiet  von  gewordenen  oder  ent* 
Btandenen  erscheinnngen  an  dnrehfbrschen  nntemommen  worden  ist 
damals  erschien  die  spräche  weeentUch  nur  als  ein  reflez  des  innem 
denlqyrincips  oder  der  Temunft  des  menschlichen  geuBtes  ab  solchen, 
wlhrand  sie,  gegenwSrtig  yielmehr  als  ein  yon  natürlichen  sinnlichen 
aiiBclHHiungen  ausgehendes  und  nicht  durch  den  eigentlichen  logi- 
sefaen  yerstand  bestimmtes  entwicklungsproduct  des  menschlichen 
geistes  angesehen  worden  ist.  dort  war  das  denkprincip  im  all- 
gemeinen die  yoranssetzung  oder  das  geistige  prius,  yon  dessen 
stsndpunote  ans  man  die  spräche  als  ein  system  yon  Suszeren  mit^ 
tebi  oder  formen  fttr  die  bezdchnung  desselben  begreifen  m  sollen 
meinte,  wShrend  wir  gegenwKrtig  insbesondere  erst  durch  dieresol* 
täte  der  neuem  historischen  sfHradiwissenschaft  darflber  beldirt  wor- 
den sind,  dasz  yon  einem  dgentlichen  aasgebildeten  und  aetuellen 
denken  in  der  menschlichen  seele  yor  und  unabhängig  von  der 
spräche  überhaupt  keine  rede  sein  kann ,  und  dasz  insbesondere  das 
ganze  princip  und  der  apparat  des  denkens  im  logischen  sinne  des 
Wortes  oder  das  System  der  allgemeinen  elemente  und  formen  der 
begriffsverknüpfung  nicht  etwas  an  sich  und  ursprünglich  in  der 
seele  vorhandenes ,  sondern  vielmehr  nur  etwas  im  Zusammenhang 
und  anschlusz  an  die  spräche  nach  ihrer  gescbichtlichen  Weiterent- 
wicklung in  ihr  entstandenes  sein  kann,  die  spräche  ist  wesentlich 
die  Voraussetzung  oder  das  prius  für  das  denken,  nicht  aber  um- 
gekehrt und  man  kann  richtiger  versuchen,  vom  boden  der  Sprach- 
wissenschaft aus  die  gesetze  des  denkens  oder  das  princip  der  logik 
festzustellen  und  zu  bearbeiten  als  dieses  früher  in  der  umgekehrten 
weise  zu  thun  angestrebt  worden  war.  unter  allen  umstanden  aber 
ist  das  concreto  denken,  wie  es  uns  in  der  spräche  entgegentritt, 
tiberall  ein  wesentlich  anderes  als  das  rein  abstracte  oder  specifische 
denken  im  sinne  der  logik.  dieses  ganze  Verhältnis  der  spräche  und 
des  denkens  habe  ich  ausführlich  behandelt  in  meiner  schrift :  die 
Sprachwissenschaft  nach  ihrem  zusammenhange  mit  logik,  mensch- 
licher geistesbildung  und  philosophie  (Teubner  1875).  die  spräche 
logisch  auffassen  und  erklären  zu  wollen,  wird  jetzt  allgemein  als 
ein  unmöglicher,  überwimdener  und  veralteter  standpunct  angesehen, 
die  auffassung  der  spräche  als  eines  mechanismus  von  denkformen 
hat  derjenigen  als  eines  Organismus  von  lebendigen,  anschaulichen 
Vorstellungselementen  platz  machen  müssen,  so  berechtigt  an  sich 
auch  diese  letztere  auffassungsform  sein  mag,  so  wenig  kann  dieselbe 

34» 


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I 

I 


516  Dm  qrttotn  dar  gnunmatuohen  flezionen 

doch  Air  sioh  aUein  genommen  ab  nun  ToUen  wiBBenschafÜicheD  be- 
greifen der  spräche  ausreichend  angesehen  werden,  und  es  scheint  ilv 
gegenüber  mindestens  in  einem  gewissen  sinne  des  Wortes  eine 
rückkehr  sn  der  filtern  snbjeetiv*  rationalen  oder  wenn  man  so  wiD 
logischen  weise  4er  aaf&ssang  nnd  erklftmng  der  spräche  geboin 
sa  sein. 

Alles  was  an  der  spräche  von  uns  erklärt  oder  begriffen  werda 
kann ,  bezieht  sich  zuletzt  teils  auf  die  frage  nach  der  entstehnng, 
teils  auf  die  nach  der  bedeutoQg  der  einzelnen  werte  oder  teile  der 
rede,  das  eigentlich  wirkliche  an  einer  jeden  spräche  ist  überall  nur 
der  inbegriff  oder  die  summe  der  worte,  aas  welchen  sie  besteht 
jedes  wort  aber  hat  teils  eine  geschichte  oder  eine  seite  sdnes  etj^mo- 
logischen  nrspninges  und  seiner  lautlichen  entstehungs-  und  tot-  ^ 
wandtsdiaftsyerhiltnisse  an  sich,  wfihrend  sich  anderenteils  mitiba 
in  dem  gegenwtrtigen  gebranohe  der  spräche  eine  bestimmte  be- 
dentong  oder  ein  complez  von  anwendungsformen  in  der  rede  ver- 
bindet, das  erstere  ist  die  lingoistisdie,  glottologis<die  oder  sped- 
fisch  sprachwissensehafUidie,  das  letitere  die  geistig  b^giüQidK 
oder  i^ologisehe  seite  seines  wesens  nnd  chandrtenu  manksth 
der  jetngen  seit  mehr  anf  die  erstere  dieser  beiden  eeiten  dss  est 
scheidende  gewicht  gelegt,  indem  allerdings  die  gegenwfirtige  le- 
dentnng  eines  wertes  wesentlich  fiberall  als  das  reeoltat  seiner 
heren  geschichte  au^gfe&sst  werden  darf,  aber  dem  philologen  wird 
durch  alles  dieses  &  arbeit  der  genasen  feststellung  des  begriff- 
lichen Inhaltes  oder  der  bedentong  des  wertes  in  dem  gegenwfirti|^ 
gebrauche  der  spradie  nicht  erspurt  die  frage  nach  der  genesis  imd 
die  nach  der  function  eines  wertes  ist  wesentlich  fiberall  dne  dop- 
pelte nnd  verschiedene,  es  war  ein  irrtom  der  früheren  ratwnala 
aufÜsssnng  der  spräche,  dass  alles  in  ihr  ohne  weiteres  nnd  imnn- 
mittelbaien  sinne  logisöh  oder  begriffismfiszig  sein  soUte;  aber  der 
standpnnct  nnd  die  aufgäbe  der  philologie  ist  einmal  die,  alleer 
scheinungen  der  spräche  in  gedsnkenmfissiger  weise  &stznstdlfliiiisd 
zu  begreifen  zn  yersuchen.  diese  au^be  wird  jet2t  in  einer  sndm 
weise  gefiuzt  und  formuliert  werden  mfissen  ala  dasselbe  zur  zeitdee 
früheren  Eantischen  rationalismus  geschah,  mein  yater,  Gottfried 
Hermann,  glaubte  insbesondere  die  von  Eant  angenommenen  soge- 
nannten reinen  verstandesbegriffe  oder  a  priori  gegebenen  kate- 
gorieen  aller  denkenden  aufifassung  auch  anf  die  ersiieinungen  dar 
spräche  oder  die  formen  der  grammatik  fibertragen  und  in  dieaeD 
wiederfinden  zn  dfirfen.  das  ^logische  oder  rationile  dement  wurde 
also  hier  als  ein  an  sich  feststehender  rahmen  der  gliederusg  xd 
geistigen  Ordnung  über  'den  gegebenen  wirklichen  erscheinimgen 
der  spradiie  betrachtet,  jene  ganze  Vorstellung  Kants  aber  von  dar 
menschlichen  vemunft  lüs  einem  bestimmten  System  oder  eisen 
mechanischen  apparat  einzelner  formen  des  auffassens  der  Süsseren 
weit  war  eine  falsche  und  irrtümliche,  der  ganze  Organismus  der 
grammatischen  formen  deckt  sich  keineswegs  oder  doch  immer  nur 


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und  die  logisch-ratioiiale  erUftrungs weise  der  spräche.  517 


gelegentlich  und  in  einer  ungenauen  weise  mit  den  sogenannten 
kategorieen  oder  reinen  stammbegriffen  des  denkens  im  sinne  der 
logik.  es  ist  aber  überhaupt  falsch,  in  unserer  gemeinen  logik  einen 
irgendwie  wahren  und  geeigneten  ausdruck  des  reinen  denkgesetzes 
der  menschlichen  vemunft  erblicken  zu  wollen,  ich  habe  in  meinem 
neuesten  buche:  Hegel  und  die  logische  frage  der  philosophie  in  der 
Gegenwart  (1878,  Moritz  Schäfer),  den  ganzen  standpunct  dieser 
gemeinen  logik  einer  kritik  unterworfen,  es  geht  logisch  oder  ratio- 
nal zu  in  der  spräche,  aber  immer  in  einer  andern  freieren  und 
natürlich  lebendigeren  weise  als  dieses  vom  standpuncte  des  Kanti- 
schen rationalismus  oder  von  den  Voraussetzungen  der  gemeinen 
logik  aus  angenommen  werden  konnte,  die  rationale  philologie,  wie 
sie  durch  meinen  vater  und  seine  schule  vertreten  wurde,  strebte 
überall  danach,  zu  ermitteln,  wie  irgend  etwas  in  der  spräche  ge- 
dacht worden  war.  philologie  heiszt,  sich  hineinzuversetzen  in  das 
wirkliche  oder  lebendige  denken  der  spräche  selbst,  auch  der  Orga- 
nismus der  grammatischen  formen  aber  ist  an  sich  von  gedanken- 
raäsxiger  natur,  wenn  es  gleich  aufgegeben  werden  musz ,  ihn  durch 
gewisse  im  voraus  festgestellte  begriffe  oder  kategorieen  ausmessen 
und  erschöpfen  zu  wollen. 

Der  flectierende  teil  des  wortmateriales  der  spräche  zerfällt  in 
den  doppelten  artbegriff  oder  classencharakter  des  nomen  und  des 
verbum.  das  system  der  flexionen  des  nomens  ist  die  declination, 
dasjenige  von  denen  des  verbums  die  conjugation.  der  ganze  Orga- 
nismus der  rede  oder  des  Satzes  aber  beruht  wesentlich  auf  dem  zu- 
sammengreifen und  der  wechselseitigen  Ergänzung  dieses  doppelten 
Systems  oder  apparates  von  flexionsmomenten  der  spräche,  das  sub- 
ject  des  satzes  ist  überall  ein  grammatisches  Substantiv  oder  doch 
ein  solcher  begriff,  der  im  lichte  und  nach  der  analogie  eines  wirk- 
lichen Substantivs  aufgefaszt  und  gedacht  wird,  das  prädicat  dagegen 
ist  an  und  für  sich  oder  streng  genommen  immer  ein  verbum,  indem 
auch  der  nominalbegriff  in  der  Stellung  des  prädicates  eigentlich 
oder  notwendig  doch  immer  nur  durch  den  verbalbegriff  der  copula 
als  das  unmittelbare  oder  nächste  prädicab  mit  dem  subject  ver- 
bunden werden  darf,  alles  was  vom  subject  ausgesagt  wird,  musz  im 
sinne  der  spräche  streng  genommen  die  gestalt  einer  lebendigen  be- 
ziehung,  bewegung  oder  handlung  besitzen,  auch  das  Verhältnis  des 
subjects  zu  seinem  nominalen  prädicat  wird  im  lichte  einer  derarti- 
gen beziehung  aufgefaszt  und  daher  durch  den  dieser  beziehung  spe- 
cifisch  adäquaten  verbalbegriff  des  seins  ausgedrückt  oder  vertreten, 
der  sprachliche  satz  als  solcher  besteht  seinem  reinsten  und  streng- 
sten Charakter  nach  zunächst  überall  nur  aus  dem  substantivischen 
subject  und  dem  verbalen  prädicat.  der  nähere  Charakter  des  gram- 
matischen Substantivs  aber  ist  der  des  geschlechtswortes,  der  des 
vcrbums  ist  der  des  Zeitwortes  im  leben  oder  der  einrichtung  der 
spräche,  das  Substantiv  wird  durch  den  geschlechtscharakter  be- 
zeichnet als  eine  wirkliche,  lebendige  oder  menschenähnliche  person, 


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I 


518  Das  System  der  gnunmatiaclten  flszioiieii 

wlhrand  d«r  yerbale  beiiabiiiigsbegrifi  donsh  das  rnoment  der  idU 
beatimmuiig  als  eme  ans  demselben  berrortvetende  TorlibergelieBde 
bewegnog  oder  handlnng  ersdiehit  alles  in  der  spradhe  ist  insofoa 
eigentlich  persönliche  artion;  das  yerhlltais  des  snbstantivs  midda 
yerboms  im  satie  aber  ist  fiberall  analog  dem  des  oonsonanten  nd 
des  Tocales  in  der  einheit  der  silbe  odor  in  der  ganzen  rämMa 
einrichtong  der  spräche,  das  Terbom  ist  ebenso  der  entscheideBdi 
lebensnerv  oder  der  mittelpnnot  der  geistigen  einheit  des  satawab 
der  yocal  derjenige  der  siimlichen  gmndeinheit  der  silbe  oder  dn 
eukfachen  nrsprOnglichen  wertes,  aller  spradie  fiberhanpt  li^  die  : 
nnterscheidnng  dmr  beiden  allgemeinen  elemenie  dee  feststohokkn  | 
nnd  des  bewegten  oder  des  rimnlich  nnd  körperlich  itoichaeieadM 
und  des  aeitlidi  oder  fliesend  ausgedehnten  zum  gninde.  deriuni-  i 
nalbegriif  reprSsentiert  auf  dem  gebiete  des  denkens  oder  der  begrifs- 
gliedemng  der  spräche  ebenso  das  erstere,  der  Terbalb^griff  tber 
das  letrtere  dieser  beiden  elemente,  wie  sidi  in  der  gliedemng  des 

princip  ra  tinander  i«> 

halten,   die  ans  consonant  und  yocal  bestehende  llteste  emftdie 
worzel  oder  nrsilbe  Ist  daher  bereits  gleichsam  das  anschaDfieheliU 
der  idee  des  satses  als  einer  ans  der  feststehenden  körperlichkeit  des 
nomens  oder  Substantivs  heryoriretenden  verbalen  bewegong  oder 
zeitlich  ausgedehnten  beziehung.  auf  der  Unterscheidung  der  beiden 
begriffsclassen  des  nomens  und  des  verbums  beruht  das  ganze  prin- 
cip  der  eyntax  oder  der  geordneten  gliederung  der  rede  in  den  höhe- 
ren und  vollkommenern  sprachen,  das  chinesische,  welches  diesen  , 
unterschied  nicht  kennt,  ist  eine  in  geistiger  beziehung  gleichsam 
unarticulierte  spräche,   auch  die  logik  aber  oder  die  ganz  abstracte 
theorie  vom  denken  weisz  an  sich  nichts  von  diesem  unterschiede, 
und  es  besteht  nach  ihr  das  urteil  in  einer  ganz  einlachen  gleich-  i 
Setzung  des  subjects  mit  dem  prädicat  ohne  nähere  angäbe  des  cha«  ' 
rakters  oder  besonderen  Wesensinhaltes  von  beiden,  für  die  spräche  , 
aber  hat  das  subjcct  die  gestalt  einer  person  und  das  prädicat  die  \ 
einer  bewegung  oder  handlung.  nur  der  verbalbegriflf  bildet  an  imi 
ftlr  sich  die  verbindende  brücke  von  dem  einen  nominalbcgriffe  im 
Satze  zum  andern,   die  ganze  idee  und  Ordnung  des  satzes  hat  den 
unterschied  und  das  Verhältnis  dieser  beiden  begriffsclassen  zur  ba-  | 
sis;  durch  diesen  unterschied  aber  v?ird  auch  der  Organismus  des  ■ 
doppelten  flexionssjstems  der  spräche,  der  declination  und  der  con- 
jugation,  bedingt.  ' 

Mit  dem  nominalbegriffe  verbindet  sich  in  der  Ordnung  der  rede 
tiberall  ein  dreifaches  moment  oder  merkmal  der  flexion ,  dasjenige 
der  Sexualität,  numeralität  und  casualität.  jeder  nominal  -  oder  sub- 
stantivbegriff  empfängt  zunächst  einen  bestimmten  allgemeinen  ge- 
schlechtscharakter,  ob  er  als  mann,  weib  oder  sache  aufgefaszt  wird, 
es  verbindet  sich  sodann  mit  ihm  die  numerale  Unterscheidung  oder 
Charakteristik  im  singular,  dual,  plural,  ob  er  in  der  einheit,  zwei- 
heit,  mebrbeit  seiner  einzelnen  individueu  in  die  rede  eintritt  end- 


s 


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und  die  logisoh-rationale  erklttrangsweiae  der  Bpnohe.  619 

lioh  aber  wird  durch  den  casus  die  besondere  art  und  weise  seiner 
steUnng  oder  seines  anteilbabens  an  der  bewegung  oder  handlang 
des  w^es  charakteriaiert,  das  Verhältnis  dieses  dreifachen  flezions- 
momentes  des  nomens  könnte  insofern  auch  unter  den  geflichiaponcfc 
der  dreifaeben  logischen  kategorie  der  qualitttt,  der  quantittttnnd 
der  relativität  zu  stellen  versucht  werden,  indem  in  dem  ersten  von 
ihnen  eine  bezeichnong  der  allgemeinen  Wesensbeschaffenheit,  in  dem 
sweiten  eine  gliederung  nach  der  zahl,  in  dem  dritten  eine  angäbe 
der  Snaieran  stellang  des  Substantivs  zu  der  handlang  des  sataes 
enthalten  ist.  es  gehen  aber  an  sich  alle  diese  drei  momente  natar- 
gemftsz  in  einer  reihe  hinter  einander  her  oder  es  ist  der  nominal- 
begriff  in  der  spräche  mit  einem  dreifischen  flezionscharakter  be- 
Isstet,  Yon  denen  dn  jeder  an  sich  aach  in  einer  besonderen  sUbe 
seinen  anadmoik  gefimden  haben  wird,  so  dass  nnter  aaschlasz  an 
die  Toransgehende,  das  ganae  der  Aezionssilben  tragende  wnizel-  oder 
stanmisilbe  der  loUstitndige  aafbaa  des  nomlnalbegrilEes  der  spräche 
orsprttnglioh  aus  einer  reäie  Ycm  Tier'silben  bestanden  haben  muss. 

Die  Verbindung  des  geschleohtscharakters  mit  dem  substantir 
entq>ringt  aus  dem  bedttrfisis  der  spräche,  dieses  als  das  natürliche 
snBject  der  rede  selbst  als  eine  person  oder  gleichsam  als  eine  ot^jecti- 
visrang  der  wirklichen  suljectivitftt  des  redoiden  zu  denken,  die  rede 
selbst  und  das  geredete  oder  die  handlung  des  Sprechens  und  der  in- 
halt  des  gesprodienen  fiel  ftlr  die  anftnglidbe  yrntellung  noch  wesent- 
lich in  eine  einheit  zusammen,  der  natürliche  mensch  verkehrte  mit 
den  dingen,  von  denen  er  etwas  aussagte,  ganz  ebenso  als  mit  per- 
sauen  oder  mit  wesen  seiner  eignen  art.  der  ganze  begriff  eines  todten 
diiiges  war  ihm  zu  anfong  noch  fremd;  er  teilte  daher  alle  dinge  ein  in 
mSnner  und  weiber,  da  eben  dieses  der  allgemeine  unterschied  der  per- 
senen  oder  der  wesen  seiner  eigenen  gattang  ist.  es  kam  hierbei  nicht 
oder  doch  ungleich  weniger  darauf  an,  welchen  der  bdden  gesdblechts- 
charsktere  irgend  ein  ding  an  sich  trug  als  vielmehr  nur  diurau^  dasz 
CS  überhaupt  in  dem  einen  von  beiden  erscheinen  muste«  die  dritte 
katflgoiie,  die  sache  oder  das  neutmm,  ist  Ubevall  erst  später  neben 
den  beiden  eigentUdien  oder  reinen  geschleohtskategorieen  entstan- 
den, zugleidi  tritt  zu  dem  substantivbegiiff  der  artikel  oder  das 
abgeschwüehte  demonateaüve  pronomen  änzu,  der  also  das  ding 
oder  den  begzifP  gleichsam  durch  eine  anschauliche  geberde  als :  die- 
ser mann,  dieses  weih,  charakterisiert*  —  Von  den  drei  kategorieen 
des  numerus  aber  hat  die  zweite,  der  dual,  ursprünglich  auch  eine 
weit  ausgedehntere  und  lebendigere  bedeutung  in  der  spräche  ge> 
Ittbt  als  später,  das  bedttrfhis  der  reinen  mehrheit  oder  des  pltural 
iBt  zu  anfang  wol  auch  weniger  dringend  und  lebhaft  in  der  spräche 
empfunden  worden  als  gegenwärtig  und  später,  auch  hier  ist  der 
dnil  überall  eine  anschaulichere ,  bestimmtere  und  concretere  form 
des  vielen  als  der  plural.  die  blosze  mehrheit  als  solche  ist  ebenso 
wie  das  neutrum  oder  die  sache  ein  todter  und  abstracter  begriff  und 
*8  hat  für  denselben  zu  anfang  wol  vielfach  sowol  der  singular  ala 


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620 


Dil  ijiltBi  d«r  grtniBMititchen  üeiipefn 


rnneh  d«r  diMl  fiuletkmiert.  das  volk  spricht  jetzt  auch  noeh  vielfa  L  | 
gern  im  nngular  wo  wir  den  plnral  setzen:  der  Türke,  der£iigläii  I 
der  I18W«  oder  in  der  thierfabel  der  wolf ,  der  fiiehs  nsw. ,  wo  toH  I 
kommen  vergessen  wird ,  daei  eilet  dieses  an  sieh  eoUectiTa  oder  1 
gattnngsbegriffe  sind,  das  netllrltehe  denken  hat  es  auch  hier  über-  1 
all  nur  mit  dem  indiTidanm  tn  thnn,  nnd  es  kommt  bei  aller  rede  1 
snnftehst  nnr  ein  doppeltet  individnom  in  betraebt,  der  redende  1 
gelbst  nnd  der  angeredete  oder  der,  an  den  sich  die  rede  richtet  das  1 
dritte  aber,  Ton  welchem  die  rede  ist,  erschien  aneh  weseatHek  über-  I 
all  in  dem  lichte  eines  angeredeten  oder  einer  andern  lebeiidigeB  1 
person,  nnd  es  lag  sonichst  nnr  das  bedflrfiris  der  xasammen&anBg  I 
dieses  doppelten  indindanrns  sn  einer  höhem  einheit  im  doalm  I 
die  todte  sache  nnd  das  imbestimmte  oder  abstrute  Tide  wanan- 1 
Hiebst  noch  nnyersilndlicfae  nnd  entbehrliche  begrifie  ftr  das  ta- 1 
Itogliche  oder  natürliche  denken  der  spräche,  alles  erschien  sonidiBi  1 
als  menschlich -persönlich  nnd  der  tahl  nach  bigrenzt  derg»-! 
schlechtsnnterschied  nnd  der  gegensati  des  einihdien  mid  sweifiuhn 
war  innichst  genügend  ftr  die  Charakteristik  und  die  snssmaia- 
fassnng  der  g^benen  einielheiten  im  dMiken  der  spräche,  enldn 
spfttere  denken  sieht  in  der  Wirklichkeit  eine  nnbestimmte  odsr 
abstracto  menge  todter  nnd  lebloser  einselheiten  oder  sachen.  es  ist 
ein  trauriger  Yorzng  des  chinesischen  nnd  anderer  tüinlieher  spri- 
eben,  sich  in  der  bloaen  folge  seiner  abatraeten  b^griflfe  fsst  gesu 
mit  dem  trockenen  nnd  dürren  schematismns  der  logik  sa  deeta. 
wir  haben  wenigstens  immer  noch  reste  der  nrsprünglichen  aasdm- 
liehen  frische  des  menschlichen  denkens  in  unseren  sprachen.  ^Dis 
dritte  merkmal'des  nominalbegrüfes  aber,  die  casoalitftt,  hat  un- 
mittelbar auf  die  stellang  desselben  im  satte  besag,  wihread  jene 
beiden  ersteren  denselben  nnr  rein  als  sdlehen  nach  seinem  mensdi- 
liehen  Charakter  nnd  der  mehrheit  seiner  indiiidnen  betreflfea. 

Mit  dem  Terbalbegriffe  der  spräche  yerbindet  sich  im  gamo 
ein  ft&nfüaches  momoat  oder  merkmusl  der  nihem  chsrakteristik,  dsi 
der  personalititt,  nnmeralität,  modalitit,  traporalitüt  and  genenhtü 
es  wird  ans  hierdnrch  mitgeteilt:  1)  ob  das  subject  d«r  haadliiBg 
der  redende,  der  angeredete  oder  ein  dritter,  2)  ob  dieses  subject  dn 
ein&ches,  zweifaches,  mebr^Mdies,  3)  ob  die  handlang  selbst  als  da- 
&ohe  assertion  oder  in  einer  iigendwie  bedingten  and  nfther  modifi< 
derten  weise  von  ihm  ausgesagt  werde,  4)  welches  die  zeitstellimg 
derselben  zu  ihm  sei,  5)  ob  £e  bewegong  der  handlang  dne  vom 
sabject  aasgehende,  za  ihm  hingehende  oder  wieder  sa  ihm  snrttck- 
kehrende  (aotiv,  passiv,  medinm)  seL  jedes  dieser  TersehiedeniD 
momente  aber  mosz  an  sich  aaoh  in  einer  bestimmten  silbe  setse 
Tertretnng  gefanden  haboi  odor  es  ist  die  wnrzel  des  TertMalbegrÜH 
an  sich  mit  einer  folge  von  fünf  fleiwnssilben  belastet  gewesen,  so 
dasz  überhaupt  an  sich  oder  in  der  ursprünglichen  rede  —  yoraiu- 
gesetzt,  dasz  jedes  moment  des  denkens  dar(ä  eine  eigene  sübe  au- 
gedrückt  worden  ist  —  aach  der  einfache  aas  substantivischem  sub* 


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und  die  logisch-rationale  erUftrongsweiBe  der  spräche.  521 

• 

jecl  und  Terbalem  pridicat  bestehende  satz  ans  zehn  einzelnen  silhen, 
Yon  denen  vier  anf  die  seiie  des  aabjects»  sechs  auf  die  des  prSdicats 
entfallen  sind,  bestanden  haben  mnsz.  Ton  diesen  zehn  silben  aber 
sind  nnr  zwei  solche  des  Stammes,  acht  dagegen  solche  der  flezion 
gewesen  oder  es  ist  das  nnmerisohe  yerhältnis  beider  gattnngen 
daqenige  Ton  1  :  4.  der  formelle  apparat  des  denkens  ist  zu  an&ng 
weit  ttberwi^iend  gewesen  über  die  materielld  Substanz  des  gedach- 
ten selbst,  stillschweigend  aber  sind  an  sich  anch  in  dem  einfachsten 
satz  alle  jene  anderen  aUgemeinen  bestimmungsmomente  des  den- 
kens für  nns  mit  gegeben  oder  enthalten. 

Von  allen  diesen  verschiedenen  flezionsmomenten  ist  znnSchst 
nnr  dasjenige  der  numeralität  beiden  wortclassen,  dem  nomen  und 
dem  yerbnm,  miteinander  gemein,  so  dasz  sich  hierdurch  die  zahl  jener 
acht  allgemeinen  bestimmnngen  des  denkens  im  salze  anf  deren  sie- 
ben redndert«  das  nominale  moment  der  sexaalitftt  aber  findet  im 
allgemeinen  nnd  wenigatens  nach  dem  richtigen  nnd  echten  aprach- 
geftthl  auf  den  verbalbegriff  keine  ttbertragung.  ea  braucht  uns  im 
verbalbegriffe  nicht  noch  einmal  gesagt  oder  mitgeteilt  zu  werden, 
dasz  das  subject  der  handlung  desselbcHU  ein  mann  oder  ein  weih  ist, 
da  wir  dieses  schon  aus  dem  yorhergehenden  nominal-  oder  sub* 
stantivbegriff  wissen,  fttr  die  natur  des  Terbalbegriffes  ist  auch  die- 
ses moment  ToUkommen  indiffiBrent,  und  es  wfirde  eine  Übertragung 
jenes  Unterschiedes  auf  denselben  so  wie  sie  beim  a^jectivischen  oder 
nominalen  prftdioat  und  attribut  stattfindet,  darum  logisch  ^ch 
oder  unberechtigt  sein,  weil  zwar  der  adjectiv-,  nicht  aber  der  yerbal- 
begriff  eine  dauernde  und  bleibende  eigenschaft  oder  inhttrenz  des 
snbjects  bildet  oder  doch  als  eine  solche  eigentlich  von  uns  gedacht 
werden  musz.  es  ist  passend  nnd  vemflnftig,  dasz  die  wesenhaften 
und  integrierenden  bescbaffenheitsmerkmale  des  subjects,  die  der 
adjectivbegriff  eigentlich  in  sich  enthält,  den  nemlichen  geschlechts- 
Charakter  oder  die  gleiche  qualitativ -sexuelle  färbe  an  sich  trageit 
als  dieser  selbst,  während  der  verbalbegriff  als  eine  blosz  vorüber- 
gehende und  zeitlich  begrenzte  erscheinung  aui  subject  rechtmäszig 
hiervon  ausgenommen  ist.  das  moment  der  numeralität  aber  über- 
trägt sich  vom  subject  sowol  auf  das  nominale  wie  auf  das  verbale 
prädicat,  da  dieses  eine  solche  Charakteristik  des  subjects  ist,  welche 
suszerhalb  jenes  Unterschiedes  steht  oder  da  die  einheit  und  mehr- 
heit  der  personen  sich  gleichmäszig  in  den  erscheinungen  des  blei- 
benden fürsichseins  als  in  denen  der  beziehung  und  bewegung  zu 
erkennen  gibt.  —  Das  moment  der  Personalität  aber  nimmt  in  der 
gliederung  ober  in  dem  aufbau  des  verbalbegriffes  eine  analoge  Stel- 
lung ein  als  dasjenige  der  Sexualität  beim  nomen  oder  während  uns 
beim  nominalbegriff  überall  mitgeteilt  wird,  ob  das  subject  der  rede 
ein  mann  oder  ein  weib  ist,  so  tritt  beim  verbalbegriff  die  weitere 
hestimmung  hinzu,  ob  dieses  subject  ich,  der  redende,  du,  der  an- 
geredete, oder  er,  irgend  ein  dritter,  ist.  da  der  verbalbegriff  seinem 
inhalte  nach  eine  handlung  ist  und  da  die  gegenwärtige  oder  wirk- 


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622  Dm  sTftem  der  gnunmfttuchen  flanonen 

liehe  handlniig  dar  rede  aidi  iminer  imMriielb  des  kreiees  jener  drei 
mOglidben  oder  denkbeien  perwmeii  bewegt,  00  nird  auch  eine  jede 
olgectlve  oder  uns  m  mmn  beefeimmten  Terbmn  miigelellte  baad- 
long  gleiehtam  Immer  der  «ineii  tob  dieeen  in  den  mimid  gelegt  odn 
es  siebt  der  Terbalbegriff  Termöge  emer  IhnKebea  objectivierBag 
der  atellmig  dea  redeten  anbjeotea  immer  die  eine  der  äni  per- 
BÖnUeben  pronemiwalkategarieeii  als  ein  intagiioraides  moment  n 
aiob  benm  ala  auf  dea  nominalbegiiff  ^  gleidie  flbertragung  dm 
allgemeinen  oder  bleibenden  peraCnliehen  beatinunnng  dea  ge> 
acbleehteebaraktera  erfolgt,  daa  aabataatiYiadie  aabjeet  ist  in  der 
rede  an  neb  überall  mann  oder  weib,  wahrend  das  yerbale  prftdiett 
eine  handlang  ist,  die  ana  einer  dar  an  jeder  rede  an  sieh  beteiligten 
personen  entqiringt  dieaea  letitere  moment  aber  llbertrigt  aieh 
aatnrgemlai  ebenso  wenig  aof  daa  nominale  pridicat  ala  der  Terbalr 
bemiff  an  d«m  — »milljwt  nutiMwxiiiwMiiAMRAtur  dea  nomena  — *tflil 

hat  allea  was  im  eatae  geaohiebt  oder  nns  mitgeteilt  wird,  hat 
wesenüieh  die  gestalt  eines  gespilehea  oder  oner  persgnliehen  be^ 
siehnng  swisehen  mianem  and  weibern,  dem  redenden,  dMa  aa- 
geredeten  and  dem  dritten;  aller  Inhalt  der  rede  iat  laletit  aiehAs 
als  eine  dramatische  aotum  der  an  dem  gesehift  der  rede  aelbet  be- 
teiligten persoaea« 

Modas,  tempaa  aad  genaa  beim  Torbam  eathaltea  aKmmtlich 
eine  albere  beatimmaag  ttber  daa  yerhBltaia  der  aaageeagtea  baad- 
lang  snm  snljeet  der  rede,  daa  moment  der  aiodalittt  ist  hier  ana- 
log demjenigea  der  eaiaaHtftt  beimnonauen.  beides  aiad  die  specifiaeh 
syataktisebea  flexioasmerkmale  der  spräche,  der  eaaas  beaeiclinet 
irgend  eia  bestimmtes  Torbiltaia  des  sabstaatlTb^iriffos  za  der 
haadlaag  im  satse.  doreh  dea  modaa  aber  wird  ebraao  irgend  eia 
bestimmtes  nttheres  yerhaltnis  der  handlang  sam  sabjeete  derselben 
boMichaet  das  gleiche  ist  aa  ndi  aach  der  fiül  beüa  tempos  aad 
Mm  geaas;  hier  aber  siad  diese  auidificatioaai  Toa  reia  Sasaerlidier 
oder  aieht  die  ümere  aobstaas  jenea  yeriiiQtaisseis  selbst  betre£Eender, 
dort  dagegen  Tom  eiaer  iaaerlkh  weaeatltehen,  gleichsam  oxiganisch 
lebendigen  oder  djnamisdhen  aator.  der  aatenehied  des  gemis  be- 
trifft aa  aad  für  aieh  ebeaao  dea  rlamlichea  iJa  der  dea  tempus  den 
seitliohea  Charakter  eiaer  haadlung  nach  ihrer  stellnng  somsubject. 
was  wir  das  aotiT  aad  das  passiv  oder  den  zustand  des  handelns  und 
leidens  nennen,  bezeichnet  wesentlich  nur  die  doppelte  richtang^  der 
bewegung  einer  handlang  von  and  nadi  einem  bestimmten  orte ;  die 
handlang  dea  aotiTsataes  geht  aus  vom  subject,  während  die  des 
passivsatses  sich  nach  diesem  hinbewegt,  auch  die  ausdrücke  des 
activ  aad  passiv  sind  ebenso  wie  die  meisten  grammatischen  be- 
xeiehaangen  nicht  eigentliche  und  strenge  definitionen,  sondern  nur 
einzelne  zafftllig  gewählte  beispiele  zur  erläuterung  eines  allgemeinen 
rein  formalen  Verhältnisses  der  spräche,  wir  sehen  nur  gewohnheits- 
mftszig  das  handeln  und  das  leiden  als  die  eigentliche  Substanz  die- 
ses grammatischen  Unterschiedes  an.  eine  handlung  aber  wird  ihrer 


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und  die  logisch-rationale  erUftrungafweise  der  spräche.  523 

ftnsaeren  ateUmig  zum  sabject  naeh  charakterisiert  durch  das  dop- 
pelte moment  der  seit  und  des  ortes,  wo  sie  entspringt,  und  es  hat 
eben  nur  hieranf  der  nnterschied  dee  tempiis  nnd  genns  im  Terbam 
besag,  das  innere  oder  wesentli^e  Terhfiltnis  der  haoidluiig  zum 
snbject  selbst  aber  ist  es,  weiches  dnroh  die  kategorieen  des  modus 
acsgedracfct  oder  yertreten  wird«  von  den  fünf  flezionsmomenten 
des  yerbnms  haben  die  beiden  ersten,  die  Personalität  nnd  die  nume- 
ralität,  auf  das  sabject  als  solches  besag,  inwiefern  dieses  seiner  all- 
gemeinen idee  oder  Stellung  nach  als  pronomen  selbst  einen  inte- 
grierenden teil  des  yerbalbegriffes  bildet,  das  mittlere,  die  modalitftt, 
aber  bezeichnet  das  innere,  wesentliche  oder  organische  yerhlltnis 
der  handlung  zum  sabject,  während  die  beiden  letzten,  die  tempo- 
nditftt  und  generalität,  nur  auf  die  ttuszere  zeitliche  und  räumliche 
stellnng  der  handlung  zum  subjeete  bezug  haben,  dasyerhältnisder 
drei  er^en  momente  des  yerbalbegriffes  aber,  der  Personalität,  nome- 
ralität  nnd  modalität,  ist  wesenÜich  demjenigen  der  drei  merkmale 
des  nomens,  der  Sexualität,  numeralität  und  casnalität,  analog  oder 
eonform,  iHIhrend  die  beiden  letzten  momente,  da  sie  sich  auf  das 
geschehen  oder  die  handlang  rein  an  sich  oder  in  der  zeit  und  im 
räume  beziehen,  dem  yerbalbegriff  specifisch  eigentümlich  sind  und 
in  der  Ordnung  des  nomens  der  analogie  entbehren,  der  yerbalbegriff 
aber  recapitnliert  überall  in  der  person  und  der  zahl  den  voraus- 
gehenden bestimmten  nominal-  oder  subjectsbegriff  und  nimmt  hier- 
durch zugleich  die  gestalt  des  wirklichen  und  vollen  Vertreters  der 
idee  des  satzes  ein.  der  verbalbegriff  ist  das  an  sich  vollkommene 
wort,  indem  er  zugleich  das  dement  des  subjectes  und  das  des  prÄ- 
dicates  in  sich  enthält;  alle  fernere  erweiterung  des  syntaktischen 
Organismus  aber  wird  wesentlich  und  zunächst  durch  das  doppelte 
etymologische  moment  oder  merkmal  der  casualität  und  der  moda- 
lität bedingt. 

Es  würde  ein  misverständnis  des  principes  und  der  aufgäbe 
einer  logischen  oder  rationalen  erklärung  der  spräche  sein,  zu  mei- 
nen, als  ob  irgendwie  im  denken  an  sich  bereits  ein  System  oder  ein 
apparat  von  begrififsformen  als  gegeben  vorausgesetzt  werde,  der 
sich  dann  mit  einer  innern  notwendigkeit  in  der  gestaltung  der 
Sprache  dargelegt  oder  ausgeprägt  habe,  diese  ganze  ftction  eines 
sogenannten  reinen  denkens  an  sich  unabhängig  von  seiner  wirk- 
lichen entstehung  und  ausbildung  in  der  spräche  ist  für  die  gegen- 
wärtige Wissenschaft  eine  unmögliche  und  unhaltbare  geworden,  die 
sinnliche  anschauung  ist  überall  das  unmittelbar  gegebene  und  erste 
im  leben  der  menschlichen  seele,  aus  welchem  erst  mittelbar  und 
später  der  begriff  oder  alles  eigentliche  denken  entstanden  ist.  die 
spräche,  wie  sie  historisch  vorliegt,  ist  nichtsdestoweniger  das  mittel 
und  die  ausdrucksform  für  das  reine  und  eigentliche  denken  der 
seele  geworden,  ihre  allgemeinen  formen  und  einrichtungen  haben 
tiberall  einen  logischen  oder  rein  begrifflichen  Charakter  und  wert; 
das  concreto  und  sinnlich  anschauliche  der  spräche  strebt  wenigstens 


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624 


Dat  »yttem  der  gnunnuiftiielieii  flenonen 


immer  dmaeb,  mm  ansdruek  imd  mr  ersebeimmg  emes  an  neb  m* 
Ben  nnd  geistig  allgemeinen  logiedien  inbalts  nnd  Terbfitnisaes  za 
werden,  die  bedentang  und  den  wert  dieser  formen  za  definieren 
oder  in  begriffe  an  fassen,  ist  allein  dasjenige,  was  unter  einer  logi- 
seben oder  rationalen  erUSrang  der  spraebe  yerstanden  werden 
kann,  wir  seben  die  spraebe  an  als  einen  Organismus,  der  anf  dem 
boden  des  menseblieben  geistes  ans  natOrlicben  sinnlicben  an- 
sobannngen  berans  entstebt,  dessen  letrte  bestimmung  doch  aber 
immer  £e  ist,  sn  einer  ansdrucksform  des  reinen  nnd  eigenHicbeii, 
streDgen  denkens  sn  werden,  das  System  der  grammsüscbea  formen 
aber  ist  ein  so  knnstmdiee  nnd  wnndenrolles,  dasz  es  dnrob  kein 
abstractes  denken  im  TOrans  bitte  anfgefnnden  nnd  festgestellt  wer* 
den  können,  die  spraebe  ist  wie  ein  knnstwerk,  welches  aneb  dnrob 
eine  freie  schöpf angskraft  der  phantasie  entsteht,  welches  aber  docb 
in  seiner  gegebenen  vollendeten  Wirklichkeit  als  ein  System  oder  als 
eine  geordnete  einholt  aller  seiner  teile  und  verbttltnisse  angesehen 
werden  darf. 

Es  gibt  auch  eine  geistige  art  der  genesis  oder  entstebnng, 
welche  auf  die  erklärang  der  erscheinungen  der  spräche  in  an  Wen- 
dung gebracht  werden  kann,  die  äuszere  oder  thatsSchliche  genesis 
der  spräche  besteht  in  der  geschichte  der  Veränderungen  der  worte 
nach  ihrer  form  und  bedeutung.  es  sind  aber  überall  zugleich  innere 
oder  geistige  Vorgänge,  welche  den  grund  aller  dieser  äuszeren  Ver- 
änderungen bilden,  es  fragt  sich  überall,  wie  etwas  gedacht  worden 
oder  welches  chis  innere  vorstollungs -  und  anschauungsbild  gewesen 
ist,  welches  in  einer  solchen  iluszern  Veränderung  seinen  ausdruck 
gefunden  hat.  der  ganze  grammatische  Organismus,  wie  er  in  dem 
System  der  flexionen  zu  tage  tritt,  ist  ja  selbst  erst  ein  product  der 
geschichte,  die  flexionsMlben  haben  sich  aus  ihrer  ursprünglichen 
mehr  oder  weniger  concreten  und  anschaulichen  bedeutung  abgegrif- 
fen zu  den  zeichen  oder  repräsentanten  der  ganz  allgemeinen  und 
rein  formalen  Verhältnisse  des  denkens.  die  spräche  erschafft  selbst 
ein  System  von  kategorieen  oder  einen  rahmen  allgemeiner  und  for- 
maler gliederungsunterschiede  des  inhalts  des  denkens  aus  sich  her- 
aus, wir  legen  durchaus  keinen  wert  darauf,  ob  und  inwieweit  sich 
diese  kategorieen  mit  den  gewöhnlichen  logischen  kategorieen  oder 
den  sogenannten  reinen  begriffen  des  Verstandes  decken,  aber  es 
findet  in  diesem  grammatischen  System  unter  allen  umständen  eine 
bestimmte  naturgemäsze  innere  einheit  oder  Ordnung  statt,  ich  habe 
den  ganzen  Organismus  der  grammatischen  Verhältnisse  als  eine  ein- 
heit aufzufassen  und  darzustellen  versucht  in  meiner  philosophischen 
grammatik  (P.  Fleischer,  1858).  das  bedürfnis  eines  einheitlich  ge- 
ordneten und  denkenden  begreifens  der  erscheinungen  der  Sprache 
ist  ein  an  sich  und  zu  allen  zeiten  gegebenes,  es  ist  eine  falsche 
meinung,  als  ob  es  zu  dieser  aufgäbe  etwa  bestimmter  entlehnungen 
aus  der  logik  oder  auch  iles  anschlusses  an  irgend  eine  einzelne  lehre 
oder  ein  syötem  der  philosophie  bedürfe,  für  mich  bildet  vielmehr 


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und  die  logisoh-ratioiiale  erkl&niiigsweiBe  der  spiaclie.  525 

umgekehrt  die  grammatik  oder  überhaupt  der  boden  der  spräche  die 
basis  für  die  bearbeiimig  der  logik  oder  der  gaszen  erscheimmgen 
des  sogenannten  reinen  denkens  im  sinne  einer  aufgäbe  der  pliäo- 
Bophie.  alles  zu sammengesetzte  and  abgeleitete  in  der  spräche  musz 
redudert  und  zu  erklttren  yersaeht  werden  ans  den  eigenen  ein£EM)hen 
und  natürliche  dementen,  ans  welchen  es  besteht,  das  letzte  ein- 
fiolie  dement  aller  sjntax  aber  ist  die  reine  idee  oder  form  des 
Satzes  ans  substantivischem  snbjeot  und  verbalem  prttdicat  oder  dem 
geeeUeoliiBWort  und  dem  zdtwort  der  spräche,  aller  fortschritt  Uber 
diese  einfache  grundfonn  hinaus  beruht  an  sidi  auf  der  Vereinigung 
oder  msanmieiidbssung  mehrerer  solcher  ursprünglicher  sStie  zu  einer 
hSheren  einheit  oder  einem  erweiterten  syntaktischen  ganzen,  hier- 
auf aber  haben  unter  den  einzelnen  flezionsmomenten  der  spnushe 
vorzugsweise  auf  der  seite  des  nomens  die  casus  und  auf  der  des 
verbums  die  modi  bezug.  die  theorie,  welche  ich  in  rttcksicht  der 
erklftrung  aller  dieser  formen  aufgestellt  und  durdizuführen  Ter-, 
sucht  habe,  ist  im  wesenflidien  die,  dasz  jeder  casus  im  satze,  wel- 
cher nicht  sdbst  ein  nominativ-  oder  subjectscasus  und  als  solcher 
ausgang  oder  wurzel  einer  sich  in  dem  gegebenen  oder  gegenwftrti- 
gen  satze  yollzidienden  handlung  ist,  angesehen  werden  müsse  als 
das  subjeot  oder  der  nominativ  eines  anderen,  ursprünglich  als  vor- 
handen zu  denkenden  und  unter  verlust  seines  ein  allgemeines  Ver- 
hältnis zu  der  handlung  des  gegenwttrtigen  satzes  auiaidrttckenden 
verbden  prftdicates  in  diesen  letzteren  hereingezogenen  oder  einver- 
leibten Satzes  imd  dasz  ebenso  jeder  modus  im  satze,  der  nidit  sdbst 
ein  mdicativ  oder  ein  modus  der  einfachen  prädicativen  assertion  ist, 
angesehen  werden  müsse  ds  der  indicativ  eines  andern  ursprünglich 
als  selbstStoidig  zu  denkenden  satzes,  weldier  aber  zu  der  handlung 
des  gegenwttrtigen  satzes  in  irgend  ein  verhSltnis  der  abhttngigkeit 
oder  bedingtheit  eingetreten  und  hierdurch  in  eine  andere  unter- 
geordnetere oder  entferntere  Stellung  zurückgeschoben  worden  ist 
jeder  ausgedehntere  oder  erweiterte  satz  ist  an  dch  nichts  ds  ein 
conglomerat  oder  dn  product  aus  der  verdnigung  und  zusammen- 
ziehung einer  anzahl  anderer  ursprünglicher,  einfiusher  und  sdb- 
stBndiger  syntaktischer  einhdten  oder  sfttze.  unter  den  casus  ist  der 
die  stelle  des  objects  einer  beziehung  ausdrückende  accusativ  Über- 
all aufzufassen  ds  das  subject  oder  der  nominativ  eines  andern  ur- 
sprünglichen passivsatzes,  dessen  verbdes  prttdicat  dasselbe  gewesen 
ist,  ds  dasjenige  des  gegenwttrtigen  jene  beziehung  selbst  in  sich 
ausdrückenden  activsatzes.  der  dreigliedrige  objectsatz:  Aschlägt 
den  B,  schlieszt  implicite  den  einfachen  zweigliedrigen  prftdicatsatz: 
B  wird  geschlagen  oder  bildet  das  subject  einer  sich  auf  ihn  hin 
lichtenden  bewegung  in  sich  ein  und  es  bezeichnet  der  casus  dso  hier 
gleichsam  die  gesicbtsmiene  oder  die  Stellung  eines  andern  subs1»n- 
tivischen  subjects ,  in  welche  dasselbe  nach  verlust  seines  eigenen 
ds  überflüssig  eliminierten  verbalen  prädicates  zu  dem  activen  prtt- 
dicate  des  subjects  den  gegenwärtigen  oder  laufenden  satzes  ein- 


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626  Dedderiaii,  die  «l»flusiiiig  der  tpecialMhidgeichicliteii  betreffend. 

getreten  ist  die  logiselie  enMaas  der  steDo^g  des  genitivs  aber  ist 
weeenilieh  immer  eine  beaehnng  des  habeas«  ent^tens  oder  be- 
sitseiiSt  in  weldier  derselbe  in  der  bandlimg  od«:  sa  einem  begriffe 
des  gegenwirtigen  ssiMS  stdiend  anfgefasst  wird,  es  ist  nicht  mag- 
lieb, eile  einseinen  berrortietenden  Ic^iiseb-^isktisdien  fragen 
ebne  weiteres  vom  standpnncte  dieser  aUgememen  tbeorie  ans  zu 
lösen  nnd  sa  beantworten,  aber  es  geht  aoeh  nieht  ohne  eine  soldie 
allgemeine  nnd  hOehste  logische  oder  philosophisdie  the<nie  dar 
spräche  nnd  es  ist  gegenüber  dem  blossen  historisdien  empirismos 
doch  sogleich  immer  ein  bestimmtes  sarOckgrinfiBn  anf  den  stand- 
punct  der  Sltem  logischen  oder  rationslen  aa£tiBSBaagtw«ise  der 
spräche  geboten, 

Laipaio.  ConnAD  Huvahn. 


S6. 

DESIDERIEN,    DIE    ABFASSUNG    DER    SPECIAL  SCHTJL- 
GESCHICHTEN,  INSBESONDERE  DIE  BEGRÜNDÜNG  EINER 
TOPOGRAPHIE  UND  STATISTIK  D£R  SCHULBÜCHEB 

BETREFFEND. 


Vorbemerkung,  die  nachfolgenden  mitteilungen  waren  nr- 
sprünglich  dazu  bestimmt,  in  der  pädagogischen  section  der  yer- 
Sammlung  der  philo! ogen  und  schnlmSnner  za  Qera  dargelegt  zu 
werden,  die  beschränktheit  der  zeit  aber,  wie  sie  bei  solchen  Ver- 
sammlungen nicht  selten  ist^  gestattete  dem  Verfasser  nur,  den  baupt- 
punct  seiner  desiderien,  die  begrttndung  einer  topographie  tuid 
Statistik  der  Schulbücher,  mit  karsen  nnd  die  sache  nicht  erschöpfen- 
den Worten  zu  erörtern,  indem  er  sich,  ermuntert  durch  hervor- 
regende  mitglieder  jener  versammlnng,  entschliesst,  die  Ton  ihm 
damals  beabsichtigten  mitteilungen  in  einer,  weniger  in  der  sache 
als  in  der  form  etwas  Terttnderten  gestalt  dem  leserkreise  dieses 
blattes  vorzulegen,  kann  er  es  nicht  unterlassen,  bei  dieser  gel^gen- 
heit  dem  hm.  director  dr.  Gideon  Vogt  in  Cassel  für  die  anregung, 
die  er  von  ihm  auf  diesem  gebiete  erbeten,  seinen  YerehmngaYollen 
dank  auszusprechen* 


Bei  einem  blicke  anf  die  grösseren  werke,  in  denen  insnsammen- 
&ssender  weise  die  geschidite  der  pSdagogik  behandelt  wird ,  kann 
es  dem  kundigen  nicht  entgehen,  das  bei  allem  fleisz,  aller  umsieht 
und  sller  grüiidlichkeit  noch  viel  daran  fehlt,  dasz  dieselben  dem 
Iraer  ein  vdlstSndiges;  in  dem  detail  richtiges  und  anschauliches 
büd  der  p&dagogisdien  zustünde  der  früheren  zeiten  und  der  ent- 
wicldung  des  säinlwesens  gewähren,  nur  zu  oft  finden  sich  dehnbare. 


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Detiderien,  die  abfiMtuug  der  specialBohiilgeaoliiohteii  betreffimd.  527 

anbeBtiminte,  ins  Uane  hinein  sich  ergebende  ausdrücke  statt  aof 
solider  gnmdlage  ruhender,  fassbarer  urteile;  selbst  die  besserai 
werke  sind  von  sdiielen  anffassimgeii  und  irrigen  sohloszfolgerungen 
nicht  frei,  und  nur  sn  oft  pflansen  diese  mSngel  wie  eine  erbliche 
knmkheit  Ton  einem  werke  in  das  andere  sich  fort 

Es  wSre  ungerecht,  wollte  man  die  Verfasser  am  dieser  mSngel 
willen  einem  scharfen  tadel  nnteraehen.  sie  thaten  grifotenteils,  was 
ne  bei  dem  ihnen  yorliegenden  material  zn  leisten  yermoditen,  und 
nur  des  dfirfte  ihnen  vorzuwerfen  sein,  dass  sie  die  nnsnllnglidikeit 
ikrer  quellen  entweder  nicht  klar  erkannten  oder  nicht  genugsam 
betonten,  so  hat  Baumer  in  seinem  mit  redit  geschfttsten  werke  in 
sosgedehnter  weise  die  Schriften  und  die  ihm  gedruckt  vorliegenden 
biographien  der  pidagogischen  koryphSen  benutst;  wie  wenig  zu- 
reidiend  aber  diese  qiMUen  stettenweise  waren,  iSsst  beispielsweise 
eine  veigkichaog  mit  dem  erkennen,  was  kCbslich  Gideon  Vogts 
kundige  haad  Aber  Batidiins  in  einigen  Gasseier  Programmen 
znflammeDgesteUt  hat.  der  haaptsüchlichsie  gnmd  aber,  weshalb 
Bsomer  und  die,  welche  ausser  Banmer  auf  diesem  felde  gearbeitet 
haben  (derer  nidit  zu  gedenken,  die  ans  ihm  heraus  ihre  Weisheit 
geholt),  mehrfisöh  von  Irrtum  und  fehlgriffen  nicht  frei  sind,  liegt 
darin,  dasz  ihnen  eine  genflgende  kenntnis  und  beaohiung  des  ge* 
söhichtlidien  detail  abgieng,  Baumers  werk  ist  vorwiegend  Mo« 
graphisch  gehalten,  er  schildert  mit  Vorliebe  die  heroen  der  er- 
ziehungs-  und  lehrkunst.  aber  er  sagt  nicht  immer,  aus  welchem 
boden  die  heroischen  gestalten  hervorgewaohsen,  welche  pSdagogisohe 
Inft  sie  geathmet,  wie  der  boden  bescbaflfen,  auf  den  sie  ihren  samen 
stienlen,  welche  Mchte  daraus  erwuchsoi.  daher  kommt  es  denn, 
dssz  seine  biographien,  kunstvollen  portraits  gleichend,  im  sonntsgs- 
rwk  und  in  der  festtagsmiene  uns  anschauen,  dass  sein  werk  einem 
grossen  gemllde  Ihnlioh  ist,  das  statülohe  figuren  im  Vordergründe 
darbietet,  denen  aber  oft  der  Untergrund,  durishweg  der  hintergrund 
fthlt  um  es  kurz  zu  sagen,  wir  bekommen  keinen  einbliek  in  das 
werktsgstreiben  der  schiüe.  wir  hören  zwar  den  commandoruf  der 
officiere,  wir  vernehmen  zwar  das  exerderreglement;  aber  wie  gross 
die  Schaar  derer  war,  die  dem  rufe  der  einzelnen  ftüurer  gehorchten, 
wie  femer  diese  ausfahrende  trappe  uniformiert  war,  wie  sie  ezer- 
dsrte^  ob  die  haltang  adrett,  der  sdiritt  gleichmUszig  und  prompt 
war,  sllee  das  bleibt  uns  so  gut  wie  ganz  unbekannt. 

Seit  Banmer  sein  sonst  so  träliches  werk  verfaszt  hat,  ist 
rnsnehes  geschehen,  was  bei  einer  künftigen  zusammenfassenden  ge- 
■i^iichtflSfflineibung  der  pädagogik  und  insbescmdere  der  deutsch- 
protestantisclien  pSdagogik  &  angedeuteten  mängel  zu  verringern, 
wenn  auch  noch  ni<£t  in  voUem  masze  sn  beseitigen  im  Stande 
ist  eine  grosze  zahl  von  spedalwerken  ist  inzwischen,  und  zwar 
mdstens  mit  fleisz  und  sorgliohkeit  abgeüsszt,  und  noch  immer  zeigt 
namentlich  das  Verzeichnis  der  jShrlidi  ersdieinenden  programme 
ein  gutes  teil  von  specialschulgeschichten.  diese  einzelworke  bilden 


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528  Dinderien,  die  »bfeMimg  der  ipeeiftluThiilgeichichtai  IwferaffiBBd.  M 

eine  weeentUohe  gnmdkige  für  ein  noch  m  Hurlmiimiflinn  nininninnü  J| 
faasndes  werk  ttber  die  gesebiciite  der  |>ftdagogik,  m  tragen 
bnoeteine  coeammen,  ans  denen  dereinat  ein  genätobanrnmaterfli^S 
tadeUoaerea  werk  in  groaieni  atil  an&afUiren  im  stanAe  ann  wk^l 
achen  wegen  dieeer  ungemeinen  wich  tigkeit  für  die  aUgemeine  sdiid4 
geschickte  sollten  dieae  spedellen  weike  Uber  die  geechidite  einer  j| 
einzelnen  anstalt  anf  das  ^rigste  gefördert  werden ,  und  es  wäre4 
auf  da^  höchste  TO  wünschen,  dasz  diejenigen  männer,  welche  das  I 
Schulwesen  zu  leiten  berufen  sind,  es  sich  angelegen  sein  lieszen,  die  I 
thätigkeit  geeigneter  persönlichkeiten  auf  diesen  punct  zu  ricbt^  I 
und  dafUr  zu  sorgen,  dasz  es  keiner  höhern  schule  des  deutschou 
Vaterlandes  an  einem  geeigneten  historiographen  fehle.  ■ 

Betrachtet  man  nun  die  reihe  der  bislang  erschienenen  special- 
schulgeschichten ,  so  läszt  sich  nicht  verkennen,  dasz  viel  sorgMt 
auf  die  meisten  derselben  verwendet  ist.  dennoch  aber  will  e; 
scheinen,  als  ob,  ganz  abgesehen  von  der  oft  sehr  geriniren 
Übersichtlichkeit,  noch  manches  berücksichtigt  werden  könnte, 
was,  wenn  es  beachtung  flindc,  dem  in  frage  stehenden  zwecke  in 
hohem  masze  förderlich  sein  würde,  um  dieses  zu  erkemien,  9dm 
gestattet  kors  in  berühren,  was  die  Bchulgeschichten  meistenB  la 
bieten  pflegen,  nnd  dabei  anindeaten,  auf  welche  puncto  viellddit 
mehr,  als  bisher  geschehen,  das  angenmerk  gerichtet  werden  könnte. 

Zunttchst  feblen  wol  in  keiner  qMoialackulgescbichtenaehiichteQ 
ttber  daa  alter  der  anstalt,  ihre  gründnng,  dotation,  erbal« 
tnngakosten,  stiftnngen,  sohnllocalfZaklderclasseniml 
der  lebrer,  anfsicbtsbekürden  n«  dergL,  nacbrichtai,  die  mm 
grossen  teil  weniger  für  die  allgemeine  gesehichte  der  pftdagogikab  ' 
für  den  engem  kreis,  in  dem  die  betrefBende  sehnle  belogen  ist,  toi 
Interesse  sind,  diese  puncto  werden,  so  scheint  es,  donägehendi  in 
einer  so  ansführlid^pn  weise  berfldnichtigt,  wie  es  dw  qiieUa- 
material  gestattet* 

Auch  ttber  die  gehaltsyerh&ltnisse  erhalten  wir  fast  in 
jeder  Specialgeschichte  recht  schätzenswerte  mitteilungen.  wir  hören 
die  traurigen  klagen  unserer  Hingst  entschlafenen  coUegen,  wir  lernen 
die  Sehnsucht  kennen,  mit  der  sie  aus  dem  dürren  wüstenlande  der 
schule  in  das  quellenreicho  eden  der  pfarro  hinüberschauen,  und  ge- 
winnen die  ansiebt,  dasz  unsere  würdigen  vorgHnger  noch  weniger 
als  wir  es  dahin  gebracht  haben,  die  drückenden  realitiiten  deslebeni 
über  dem  idealen  streben  selbstloser  Pflichterfüllung  zu  vergessen. 

Mit  Vorliebe  ferner  und  recht  ausführlich  werden  meistens  die 
Personalien  der  1  ehrer  behandelt,  leider  öfters  nur  die  der 
rectoren.  es  ist  eine  pietUtspflicht  des  schulhistoriographen,  über 
jeden  lehrer  der  anstalt  das  zu  melden,  was  sick  ttber  seine  Schick- 
sale, werke,  ja  selbst  über  seine  familienTerhKltnlsse  feststellen  lünt 
und  nicht  blosz  pietätspflicht.  ist  es  auch  für  die  allgemeine  ge- 
schiebte der  Pädagogik  gleichgültig,  ob  ein  lehrer  Müller  oder  Schulze 
gebeiszen,  so  ist  es  doch  von  Wichtigkeit  fttr  sie  nnd  für  die  aUgomoBe 


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DesideheD,  die  abfassung  der  speciaUchulgeschichten  betreffend.  529 

litteratgeschicbte ,  die  männer  kennen  zu  lernen ,  welche  tiberbaupt 
litterariscb  hervorgetreten  sind,  und  so  zu  erfahren,  welche  wissen- 
schaftlichen interessen  in  einer  gewissen  zeit  die  leb  rer weit  vor- 
wiegend beschäftigten*  auch  einen  scblusz  auf  die  Schnelligkeit  des 
lehrerwechsels  lassen  diese  personalien  zu,  und  wie  die  familiennacb- 
ricbten  sich  verwerten  lassen,  wird  bald  hervortreten,  freilich  ist 
die  herbeiscbaffung  des  personalienmaterials  recht  mühsam,  trotz- 
dem aber  sollte ,  so  scheint  es ,  der  gewissenhafte  schulhistoriograph 
die  arbeit  nicht  scheuen,  die  lebensläufe  sfimmtlicher  lehrer,  nament- 
lich auch  an  der  band  der  kirchenbücher,  möglichst  genau  zu  ver- 
folgen und  mit  Sorgfalt  die  lilterarische  thätigkeit  derselben  zu 
registrieren,  freilich  werden  alle  diese  personalnotizen  und  littera- 
nscben  angaben,  wie  man  sie  hie  und  da  mit  grossem  fleisz  zusammen- 
gestellt findet,  niemals  im  stände  sein ,  uns  einen  auch  nur  einiger- 
maszen  genflgenden  einblicd:  in  die  beschafifenheit  des  lehrerstandes 
der  früheren  zeit  zu  gewähren,  namentlich  reichen  sie  nicht  aus,  um 
den  wissenschaftlichen  und  ethischen  standpunct  sowie 
die  gesellschaftliche  stellang  desselben  zu  erkennen«  auf 
diesem  wichtigen  gebiete  berschen  noch  manche  irrige  auffassungen, 
und  hier  hat  die  Specialgeschichte  ein  dankbares  feld  ihrer  arbeit. 

Was  den  wissenschaftlichen  standpunct  anlangt ,  so  hüte 
man  sich  doch  ja,  aus  den  im  druck  erschienenen  schriften  einzelner 
lehrer  einen  sehlusz  auf  den  wissenschaftlichen  standpunct  des  ganzen 
Standes  zu  machen,  aus  der  flüssigen  und  gefälligen  latinitftt,  die 
nicht  bloss  in  den  schrif tm  einaelner  lehrer  der  frühem  zeit,  sondern 
auch  in  den  vielfach  gedruckt  vorliegenden  valedictions-  und  sehnl- 
festreden  der  schükr  hervortritt,  sn  folgern,  dasz  in  den  Mheren 
jahrhunderten  die  gymnasien  auf  das  angenehmste  von  einer  edlen 
lateinischen  atmosplü&re  durchweht  gewesen  seioi.  diese  sehttlerreden 
sind  paradestücke,  von  wenigen  bebten  schttlem  unter  der  bessern- 
den leitong  des  reotors  oder  conrectorä  verfiwzt,  und  wenn  der  leiter 
der  anstalt  ein  guter  latinist  ist,  so  folgt  kemeswegs  daraus,  dasz  das 
eoUegium  auch  von  dem  classischen  geiste  tief  ergrifEen  sein  mnsz. 
hier  kann  die  speeialgesehichte  viel  thun.  sie  beachte  mehr,  als  bisher 
gesöhehen,  die  gesuche,  welche  von  lehrem  oft  in  lateinischer  spräche 
an  die  behOrden  gerichtet  sind,  sie  suche  einen  einblick  in  die  Visi- 
tationsprotokolle, welche  noch  oftmals  in  den  arohiven  der  regierungen 
und  oonsistorien  aufbewahrt  werden,  zu  gewinnen,  und  namentlich 
nehme  sie  rücksicht  auf  die  prttfnngsacten,  welche  beider  anstellung 
der  lehrer  angenommen  wurden  und  die  hofGmtlich  nicht  ganz  aus 
den  arehiven  verschwunden  und.  der  Verfasser  wenigstens  hat  das 
glück  gehabt,  ein  nicht  zu  verachtendes  hierauf  bezügliches  qnellen- 
material  fttr  die  geschichte  seiner  anstalt  zu  finden,  und  hoflt  dasselbe 
in  nicht  femer  zeit  verwerten  zu  können^  glaubt  auch  fest,  dasz  für 
andere  sdralen  sich  manches  dieser  art  herbeischaffen  Ifiszt,  wenn 
man  es  nicht  sdient,  tei  staub  der  oft  wenig  geordneten  anddve 
der  stsdtisehen,  staatlichen  und  kirchliehen  beh^rden  zu  durchsuchen. 

J4.  j<^rb.  f.  plül.  o.  päd.  il.  abt.  1878.  hfl.  U.  35 


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530  Desidehex),  die  abfa^suag  der  apecialfichalgeEchichten  betretend. 

der  Verfasser  ist  dabei  z.  b.  zu  dem  resultate  gekommen,  daszan  seiner 
anstalt  der  wis&enscbaftliche  standpoDct  der  meisten  lebrer  der  mitt- 
le ren  und  unteren  classen  im  vorigen  jabrbundert  sich  nicbt  erheb- 
lich über  den  eines  mangelhaften  secundaners  der  Jetztzeit  erhob, 
in  anderen  ländem  wird  es  nicht  besser  gewesen  sein. 

Schwieriger  wird  es  sein,  über  den  ethischen  standpanct 
des  lehrerstandes  ein  einigermaszen  befriedigendes  urteil  zu  gewinnen, 
und  doch  bieten  die  genannten  arcbive  manches,  was  oft  einen  über- 
rasehenden  einblick  in  das  sittliche  leben  der  lehrerweit  gestattet 
man  achte  auf  die  fast  niemals  aofliOrenden  Zänkereien  der  lehrar 
unter  einander,  auf  die  klagen  des  pnblicums  und  der  schulverwaltung 
Uber  die  schul  Versäumnisse  von  selten  der  lehrer,  über  ihr  fembleibea 
von  den  gottesdiensten,  über  ihren  sittlich  nicht  unanst5szigen  wan- 
del.  selbst  die  Schulgesetze  der  einzelnen  anstalten  bieten  sieh  oft 
als  quellen  dar,  da  sie  nicht  selten  einen  absehnitt  de  praeceptonm 
oCfieüs  enthalten,  was  dort  verboten  wird,  mnsz  dock  wol  oft  genug 
vorgekommen  sein. 

«  Die  gesellschaftliche  Stellung  der  lehrer  der  IrQheniasit 
ist  bisher  wenig  aufgehellt,  und  nur  selten  bekommt  man  einen  so 
dentliohen  nachweis,  wie  ihn  die  vorrede  der  Schulordnung  des  her- 
sogs  August  von  Braunschweig- Wolfenbflttel  (1651)  liietei,  in  der 
offen  gesagt  wird,  dass  damals  die  lehrer,  selbst  die  rectoren,  binter 
die  bandwerksmeister  gesellsdiaftlicb  inrllckgestellt  worden*  den- 
noch kann  in  dieser  hinsieht  nicht  wenig  von  selten  des  gesoliichtB- 
Schreibers  geschehen,  um  das  fast  nichtige  dunkel  au&ubäleiu  man 
scheue  nur  nicbt  die  mllbe,  s.  b«  die  gAaltsverhiltnfsse  der  adiül- 
minner  nicht  bloss  sa  veneidmen,  sondern  sie  mit  denen  anderer 
stände  XU  vergleichen;  man  suche  su  erforschen,  weldier  plats  bei 
boffestlicbkmtini  dem  Vertreter  eines  gymnasinms  angewiesen  vnurde, 
welche  stufe  der  Ordens-  und  ebrenseichen  ihm  su  verleiben  die 
etiquette  gestattete,  und  man  wird  schon  hieraus  ersdien,  wie  hoch 
der  lehrer  in  der  scala  des  geseUscbaftlichen  lebens  gestellt  vrsr. 
eben  so  wichtig,  wenn  nicht  wichtiger,  wäre  es,  wenn  man  sta> 
tlstisch  nachweisen  kOnnte,  mit  welchen  lebenskr eisen  die 
lebrerwelt  im  connubium  gestanden,  ein  einzelner  fidl  be- 
weist hier  nichts,  hätten  wir  aber  ein  vollstlndiges  staüstischce 
verseichnis  Uber  die  schwiegereltem  und  sobwiegezsOhne  der  lehrer 
in  einer  bestimmten  zeit,  so  mflste  sich  mit  Sicherheit  daraus  sdiHeBswi 
lassen,  wie  hoch  damals  der  lehrerstand  gosellsohaffüich  taxiert  wurde, 
denn  nicht  bloss  im  alten  Bom,  sondern  bei  aUen  vOlketn  batsu  alkn 
selten  das  connubium  der  regel  nach  nur  zwischen  gesellscbaftüdi 
gleichstehenden  fhmilien  stattgefhnden.  diesen  statistiachen  nach- 
wels  zu  führen,  ist  fttr  den  spedalgeschicbtsscfareiber  gewls  sshr 
schwierig,  nicht  aber  inuner  unmöglich,  immerbin  ist  die  sadie 
wichtig  genug,  um  su  versuchen,  ob  nidii  die  soigftltige  benutsnng 
der  yorhsndenen  kirchenbttcher  von  selten  eines  s^diulbistoriograpbaii 
zu  einem  interessanten  resultate  ftÄrsn  würden 


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Desiderieu,  die  abfassung  der  specialschulgeBcbicliten  betreffend.  531 

Ueber  die  schüler  der  anstalten  finden  sich  in  recht  vielen 
Schulgeschichten  nur  sehr  dürftige  nachrichten,  ohne  zweifei  meistens 
in  folge  des  nicht  vorhandenen  materials.  und  doch  wäre  es  so 
wichtig  feststellen  zu  können ,  welche  stände  in  früheren  zeiten  ihre 
kinder  dem  gymnasium  anvertrauten,  welche  sie  durch  hofmeister 
unterrichten  lieszen,  welche  sich  mit  dem  Unterricht  geringerer  unter- 
richtsveranstaltungen ,  schreibschulen  u.  dergl.  begnügten,  sodann 
in  welchem  alter  die  aufnähme  in  die  anstalt,  in  welchem  der  abgang 
zur  nmrersitftt  zu  erfolgen  pflegte,  wie  sich  die  frequenzziffer  der 
schule  zu  der  bevölkerungsziffer'  der  stadt  oder  des  landes  verhält, 
wie  viele  auswärtige  schüler ,  wie  viele  einheimische  die  anstalt  be- 
Buchten ,  in  welchen  häusem  die  auswärtigen  untergebracht  wurden 
und  wie  oft  sie,  meist  aus  mangel  an  subsistenzmitteln,  davonzogen, 
um  auf  einer  andern  schule  ihre  nicht  selten  problematisdie  existenz 
fortsnsetasen,  wie  hoch  die  schulgeldsStse  sich  beliefen,  mit  welchen 
disciplinarmitteln  man  die  jugend  in  Ordnung  hielt,  zu  welcher  zeit 
eine  fSnnliche  ferienordnung  festgesetzt  wurde  u.  dergL  mehr,  auf 
aDe  diese  und  verwandte  fragen  kann  der  schulhistoriograph  nicht 
soigfiUtig  genug  achten,  -er  darf  die  mühe  nicht  scheuen,  wenn  das 
glflä;  ihm  ein  idtes  sdhulalbum  oder  eine  anzahl  slter  programme  in 
die  hSnde  gibt,  dieselben  vollständig  zu  diesem  zweck  auszunutzen 
und  die  resultate  so  gut  wie  möglich  statistisch  zusammenzustellen, 
namentlich  darf  er  sich  nicht  begnügen,  gelegentlich  eine  inter- 
essante notiz  anzuführen,  da  eine  solche  vereinzelte  bemerkung  nur 
zu  leicht  anlasz  zu  falschen  Schlüssen  auf  die  gesammtzustände  geben 
würde. 

Sehr  dankenswert  ist,  was  in  den  meisten  schulgeschichten  über 
die  schulactus,  die  schulkomödien  und  die  schülerreden 
mitgeteilt  wird,  es  liesze  sich  jedoch  dieses  gebiet  noch  nutzbrin- 
gender bearbeiten,  nicht  selten  bat  es  den  anschein,  als  ob  die  Ver- 
fasser der  schulgeschichten  diese  prunkauffÜhrungen  als  ein  zeichen 
einer  gedeihlichen  schulentwicklung  ansehen,  dem  entgegen  hat 
kürzlich  Moeller  in  einem  Königsberger  programm  die  redeactus  der 
schüler  als  hinderlich  für  die  erreichung  der  wirklichen  schulzwecke 
dargestellt,  mit  recht,  die  beobachtung  des  Verfassers  geht  noch 
weiter,  er  hat  bei  der  bearbeitung  der  schulgeschichte  seiner  anstalt 
gefanden  und  hat  sich  vorgenommen  es  demnächst  nachzuweisen, 
dasz  die  redeacte  und  komödien  an  dieser  schule  gerade  dann  am 
meisteu  im  schwänge  waren,  wenn  die  Unterrichts-  und  erziehungs- 
Verhaltnisse  in  der  kläglichsten  Verfassung  darnieder  lagen,  hier 
sind  die  piaradeschaustellungen,  wenigstens  im  18n  jh.,  ein  sjmptom 
des  verfiÜls,  der  erkrankung,  sie  sind  Schmarotzerpflanzen,  die  ja  am 
besten  auf  halb  vermoderten  Stämmen  gedeihen,  sie  sind  gewisser- 
mssien  das  feigenblatt,  womit  die  rectoren  ihre  pädagogische  blOsze 
W  verdecken  suchten,  es  wäre  gewis  sehr  lohnend,  wenn  alle  schul- 
lustonker  darauf  achteten,  ob  diese  beobachtung  sich  in  weitern 
kreißen  als  richtig  herausstellt,  wenn  sie  also  nachzuweisen  sich  be- 

86  • 


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532  DemderieDf  die  abfaMimg  der  ipecialachnlgiwehichteii  betreffend. 

mühteo,  in  welchem  Verhältnisse  die  ölfontlicben  schnleehaoatellimgqi 
sa  den  wisseneebaftlichen  leistangea  der  schale  stehen. 

Richtet  man  endlich  sein  angenmerk  auf  das  innerste  und 
widhÜgate  dee  echalorganismns«  wä  Unterricht  und  methode, 
80  Utozt  aidi  nicht  verkennen,  dasz  auf  diesem  gebiete  die  specielle 
wie  die  allgemeine  achnlgewchichte  ein  reichhaltigeB  material  vor  die 
angen  fOhrt.  wir  lernen  die  alten  aohnlordnnngen  kennen,  jene  tot- 
träOiohen  geeetiei  die  ansier  den  gesetslichen  bestimnrangen  n- 
gleich  die  motive  enthalten  nnd  dnrch  manchen  wink  den  w^  zogen, 
in  dem  sie  ansgefllhrt  werden  wollen,  man  macht  nns  ferner  be- 
kannt mit  den  grosiartigeii  werken  der  heroen  der  pBdagogik  nnd 
metbodik,  eines  Johannes  Storm«  eines  BatlchinSy  eines  Arnos 
Comenins,  eines  Basedow  nnd  so  vieler  anderer,  aher  wie  steht  es 
mit  der  befolgong  jener  gesetse?  in  welcher  weise  haben  die  ^ 
minomm  gentium  die  befehle  der  olympischen  gOtter  ansgefilhrt, 
wie  war  die  alltSgliche  nnd  gewShnlidie  teohnik  des  nntezxiditB?  da 
ist  noch  wenig  aufgehellt,  mehr  noch:  wie  weit  erstreckte  skli  der 
einflnsz  der  einseinen  pidagogischen  koiTphSen  rSnmlich  nnd  xeii- 
lich?  in  welchen  gegenden  Deutschlands  fimden  ihre  abaichteii  fa«ipi- 
sSchlach  beachtung,  wann  hOrte  ihr  einflnsz  auf?  welche  riehtmig 
nahm  die  einaelne  methodische  strdmung,  wann  und  wo  war  de  am 
lebhaftesten  in  finsz,  wann  ist  sie  erstorben?  und  wo  ist  ferner  in 
genflgender  weise  die  frage  beantwortet,  welche  Schriftsteller  In  den 
yersdbiedenen  zeiten  in  den  schulen  yerwendet  sind,  zu  welcher  seit 
der  jetzt  allgemein  gültige  kanon  der  sogenannten  dassiker  sieh  ge- 
bildet und  abgeschlossen  hat?  nur  ftlr  das  lateinische  ist  erst  jetzt 
diese  frage  durch  Eckstein  geltet  worden. 

Alles,  was  im  Torhergehenden  angedeutet  ward,  sind  fragen,  anf 
die  genügende  und  befriedigende  antworten  nicht  gqgebeii  werden, 
die  qwfiialgflschichten  gehen  mit  leichtem  fesse  darttbcor  hinweg;  die 
allgemeinen  werke  speisen  uns  mdst  mit  redensarten  ab,  die  elMtiseh 
und  dehnbar  wie  kautschuk  sind,  es  wird  beispielshalber  viel  von 
dem  einflnsse  des  groszen  metliodikers  Arnos  Comenius  geredet,  hie 
und  da  auch  angedeutet,  er  sd  zu  seiner  zeit  nicht  genugsam  beachtet 
worden,  aber  der  nachweis,  wie  lange  sich  die  gymnasien,  in  behag- 
lichem Schlendrian  die  pfade  der  vorfahren  wandelnd,  seinem  be- 
lebenden einflnsse  versperrten,  in  welchen  gegenden  Deutschlands  sie 
sich  ihm  Öffneten,  wird  nicht  geliefert,  das  sind  fragen,  die,  soviel 
der  Verfasser  weisz,  noch  niemand  beantwortet  hat  und  auch  vor  der 
hand  noch  niemand  beantworten  kann,  fragen,  die  überhaupt  erst 
auf  gründ  sehr  ausgedehnter  Specialbeobachtungen  gelöst  werden 
können,  und  was  von  Amos  gilt,  das  gilt,  wenigstens  für  die  ge- 
schichte  der  früheren  Jahrhunderte,  auch  von  den  übrigen  metho- 
dikem.  was  den  lateinischen  unterriebt  anlangt,  so  bat  kürzlich 
Eckstein  mit  einer  ungemeinen  Sorgfalt  und  belesenbeit  in  seinem 
als  teil  der  Scbmidschen  encyklopädie  erschienenen  aufsatze  über  den 
hiteinischen  Unterricht  auf  diese  puncte  rücksicht  genommen,  es 


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Deaidehen,  die  abfassung  der  spedalschulgeschichteu  betreÜend.  533 

gibt  wol  keine  noch  so  leise  methodische  Strömung  auf  dem  gebiete 
des  lateinischen  Unterrichts ,  die  er  nicht  belauscht  und  registriert 
hätte,  aber  über  die  stärke  einer  jeden  einzelnen  Strömung,  die  aus- 
dehnung  ihrer  Wirkung  in  der  praxis ,  das  aufhören  ihrer  bewegung 
bat  er  noch  nicht  so  zu  berichten  vermocht,  dasz  nicht  seine 
arbeit  einer  Vervollständigung  in  dieser  hinsieht  fähig  wäre,  für 
das  griechische,  für  den  religionsunterricht  ist,  so  viel  dem  Ver- 
fasser bekannt,  ein  solches  werk  überhaupt  nicht  vorhanden,  und 
doch  wäre  es  gerade  auf  dem  gebiete  des  religionsunterrichts  von 
der  gröszesten  bedoutung,  wenn  man  beispielsweise  genau  nach- 
weisen könnte,  wie  weit  Melanchthons  einflusz  sich  erstreckte,  wie 
lange  er  in  den  einzelnen  schulen  in  ansehen  stand ,  wo  und  wann 
die  starre  Orthodoxie  und  nach  ihr  der  calixtinismus  oder  derpietismus 
florierte,  wo  und  wann  der  rationalismus  seine  wohnstStte  aufschlug. 

Es  kann  wol  kein  kundiger  etwas  dagegen  einwenden,  dasz  die 
lösung  der  erwähnten  und  verwandter  fragen  für  die  geschichte  der 
Pädagogik  von  der  allergrösten  bedeutung  ist,  dasz  erst  dann,  wenn 
sie  eine  genügende  beantwortung  gefunden  haben,  eine  befriedigende 
geschichte  des  Unterrichts  und  der  methode,  und  damit  eine  be- 
friedigende geschichte  der  pftdagogik  überhaupt  möglich  ist.  gelöst 
aber  können  diese  fragen  nur  werden  auf  grundlage  der  specialschul- 
geschichte«  nur  wenn  von  den  sämmtlichen  schulen,  die  eine  Iftngere 
Vergangenheit  haben,  das  nötige  material  herbeigesdiafit  ist,  wird 
man  im  stände  sein,  eine  geschichte  des  Unterrichtswesens  und  der 
entwicklung  der  methode  im  wahren  sinne  des  wertes  zu  liefern, 
das  material  aber,  das  die  specialgeschichte  su  diesem  groszen  bau 
herbeischaffen  musz,  ist  namentlich  die  genaue  kenntnis  der 
lehr-  und  lernbttcher,  welche  in  den  e in z einen anstalten 
die  grundlage  des  Unterrichts  gebildet  haben. 

Bis  jetzt  ist  die  specialsehnlgeschiohte  an  dieser  aufgäbe  bis 
auf  ganz  einzelne  fälle  achtlos  TOrttber  gegangen,  nur  gelegentlich 
werden  titel  von  eingeführt  gewesenen  büchem,  und  dann  meist  nur 
in  fragmentarischer  gestalt  angeführt,  eine  geordnete  beachtung  und 
Verzeichnung  der  Schulbücher,  seien  es  systematische  werke,  seien  es 
Schriftsteller,  ist  fiwt  nie  vorhanden.*  ein  solches  Verzeichnis 
sollte  in  keiner  sehnige  schichte  fehlen  und  müste  wenig- 
stens neben  der  möglichst  genauen  angäbe  der  titel  die 
seit  angeben,  in  der  das  betreffende  buch  eingeführt 
war.  ist  eine  ausgäbe  des  bnches  in  der  schulbibliothek 
noch  vorhanden,  so  dürfen  genaue  bibliographische 
angaben  darüber  auf  keine  weise  unterlassen  werden. 


*  der  Terf.  hat  in  seiner  1874  erschienenen  gesch.  des  gjmn.  zu 
Wolfenbüttel  I  abt.  s.  43—63  die  Schulbücher,  welche  bis  zur  mitte  des 
17n  Jahrhunderts  in  der  Wolfenbüttelschen  schule  gebraucht  worden 
sind,  genau  bezeichnet  und  besprochen  und  diesen  abschnitt  darauf  in 
erweiterter  gestalt  in  diesen  blättern  jahrg.  1876  nr.  1  und  2  ver^ 
6ffentUeht. 


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534  Desiderieu,  die  ubiaeäuug  der  ti^ecialackulge&chichten  betreüend. 


eine  kurze  Charakteristik  des  inhalts,  namentlich  eine 
berUeksichtigung  der  vorrede,  die  ja  in  den  meisten 
Schulbüchern  der  früheren  zeit  die  aller  wichtigsten 
methodischen  Fingerzeige  und  winke  bietet,  würde  eine 
sehr  willkommene  beigäbe  bilden,  freilich  ein  vollständiges 
Verzeichnis  der  überhaupt  jemals  an  den  einzelnen  anstalten  in  ge- 
brauch gestandenen  Schulbücher  läszt  sich  nicht  herstellen ,  ebenso- 
wenig wie  von  jedem  einzelnen  buche  sich  wird  genau  nachweisen 
lassen,  in  welchem  jähre  es  an  einer  anstalt  eingeführt,  in  welchem 
jähre  es  auszer  gebrauch  gestellt  wurde,  das  quellenmaterial  bat  gar 
sehr  unter  der  Ungunst  der  Zeiten  gelitten ,  und  man  wird  sich  für 
die  ältere  zeit  damit  be<^'nügen  müssen,  aus  alten  Schulordnungen, 
Programmen,  lectionsplaneu  u.  dergl.  nachzuweisen,  dasz  ein  ge- 
wisses buch  in  einem  gewissen  jabre  in  gebrauch  gewesen  ist.  immer- 
hin aber  würde,  wenn  von  einer  jeden  älteren  höheren  lehranstalt 
Deutschlands  ein  solches  Verzeichnis  der  bücher,  welche  im  laufe  der 
Jahrhunderte  in  ihr  die  grundlage  des  Unterrichts  gebildet  haben, 
sei  es  als  integrierender  teil  einer  geschichte  der  schule,  sei  es  als 
besondere  litterarische  arbeit,  zu  stände  gebracht  würde,  damit  die 
grundlage  gewonnen  sein,  auf  der  eine  kundige  und  rüstige  band 
eine  topographie  und  Statistik  der  schulbUchex  würde 
zusammenstellen  können. 

Ein  solches  werk  würde  selbst  auf  grundlage  solcher  auf- 
stellungen  der  specialschulgeschichte,  durch  die  es  ja  überhaupt  erst 
ermöglicht  wird,  immer  noch  sehr  erhebliche  und  zum  teil  schier  un- 
übersteigliche  Schwierigkeiten  bieten,  es  würde  zunächst  die  aufgäbe 
sein,  die  verzeichneten  werke,  die  in  den  schulbibliotheken  nur  selten 
noch  aufbewahrt  werden  und  im  günstigen  falle  in  einer  oder  der  an- 
dern gröszeren  bibliothek  geborgen,  zum  teil  aber  ganz  und  gar  ver- 
schwunden sind,  aufzufinden,  sodann  käme  es  darauf  an,  die  erhaltenen 
ausgaben  der  w  erke  bibliographisch  zu  verzeichnen  und  zu  bemerken, 
in  welchen  büchersammlungen  sie  noch  vorhanden  sind,  femer  würde 
mitgeteilt  werden  müssen,  an  welchen  anstalten  und  in  welchen 
dassen  die  bücher  je  in  gebrauch  gestanden  and  in  welcher  zeit  sie 
die  grundlage  des  Unterrichts  gebildet  haben,  eine  kurze  biographi- 
sehe  notiz  über  die  yerfasser  würde  namentlich  auch  möglichst  er- 
kennen  lassen  müssen,  in  welcher  stadt  oder  in  welchem  territorimn 
das  betreffende  buch  entstanden  ist.  die  letzte  und  gröste  aufgäbe 
aber  würde  darauf  hinan  sgehen,  den  Inhalt  der  bücher  zu  charakteri- 
sieieUf  namentlich  auch  ans  den  vorreden  die  methodischen  intentionen 
der  yer&sser  darzustellen  imd  auf  dieser  grundlage  dem  buche  in  der 
groszen  und  stattlichen  reibe  seiner  brüder  seinen  platz  anzuweisen, 
das  ist  eine  nicht  geringe  arbeit,  und  fraglich  ist  es,  ob  eine  einzelne 
Persönlichkeit  sie  zu  beschaffen  im  stände  sein  würde,  oder  ob  nichti 
wie  bei  der  grundlegenden  arbeit  der  Specialbücherverzeichnisse, 
auch  bei  dieser  zusammenfassenden  dar  Stellung  viribus  unitis  vor- 
gegangen werden  müste.  dem  sei  wie  ihm  wolle,  soviel  glaube  iok 


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H.  Bender:  grundrisz  der  römlBchen  litteratorgescliichtd.  535 

nachgewiesen  zu  haben,  dasz  eine  solche  topographie  und 
Statistik  der  Schulbücher  eine  wahrhafte  förderung  der 
geschichte  der  pädagogik,  ja  dasz  sie  das  einzige  mittel 
sein  würde,  um  aufdem  gebiete  der  geschichte  des  Unter- 
richts und  der  methode  mancher  vagen  und  haltlosen 
rederci  ein  ziel  und  an  deren  stelle  klare,  faszbare  und 
sichere  resul täte  zu  setzen. 

Ich  bin  mit  meinen  desiderien  zu  ende,  es  war  mein  wünsch 
darauf  hinzuweisen ,  wie  in  einigen  j:)uncten  der  fleisz  der  special- 
schulgeschichtsschreiber  noch  nutzbringendere  resultate  als  bisher 
für  die  allgemeine  geschichte  der  pädagogik  liefern  und  wie  er 
namentlich  die  grundlage  für  eine  topographie  und  Statistik  der 
Schulbücher  zu  schaffen  befähigt  und  verpflichtet  sei.  sollten  meine 
mitarbeiter  auf  dem  felde  der  specialschulgeschichte  den  einen  oder 
andern  punct  nicht  unberücksichtigt  lassen,  sollten  namentlich  meine 
letzten  Vorschläge  in  betrefif  der  Schulbücher  beifall  finden,  sollten 
vor  allen  dingen  die  schulbehörden  sich  entechlieszen 
können,  diese  Vorschläge  zu  unterstützen  und  in  ähn- 
licher, weise,  wie  es  das  preuszische  cultusministerium 
mit  der  registrierung  der  älteren  werke  der  hand- 
schriften  und  schnlbibliotheken  gethan,  die  aufstel- 
lung  eines  YerzeiclinisseB  der  schulbUeher  su  fördern, 
80  wttrde  gewis  mit  meinen  anspruchslosen  werten  die  anregung  zu- 
einem  wiehtigen  und  für  die  wissensohaft  erspriessliohen  werke  ge- 
geben ftm. 

WOLFIMBÜTTBL,  EbIBDBICH  KoiiDnWBT. 


67. 

eSUNDRISS  DBB  BÖMISCHBN  LITERATURGESCHICHTE  FÜR  OYllNASIEN 
VON  HERMANN  BENDER,  PROFESSOR  AM  GYMNASIUM  ZU  TÜBIN- 
GEN. Leipzig,  B.  G.  Teubner.  1876.  Vm  und  84  s.  nebst  einer 
Tabelle. 

Es  ist  ein  neues ,  bedeutendes  und  dankenswertes  unternehmen 
der  um  die  philologische  wissensohaft  wie  um  die  sohule  durch  ihre 
imifangreiche  und  doch  immer  nur  im  wesenÜiohen  gutes  fördernde 
Terlagsthätigkeit  bochYerdienten  buohhandlung  Yon  B.  G.  Teubner 
i&  Leipzig,  dasz  sie  jetzt  daran  gegangen  ist,  neben  die  doch  immer 
wesentlich  für  den  lehrer  und  philologen  bestimmten  grOszeren  hil&- 
bücher  ftlr  den  classischen  Unterricht  kleinere  compendlen  der  yer- 
scbiedenen  disciplinen  der  dassieehen  philologie,  soweit  sie  für  die 
schule  Yon  bedeutnng'sind,  zu  stellen,  compendien,  die  doch  wol  im 
wesentlichen  den  zweck  haben,  dem  schttler  oberer  dessen  in  die 
band  gegeben  zu  werden,  damit  er  gelegenheit  habe  und  möglich* 


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536     iL  Bender :  grundxiss  der  römischen  litteraturgeschichte. 

keit,  das,  was  ihm  der  lehrer  gelegentlich  bei  der  lectüre  der  classi- 
ker  mitgeteilt,  zu  bause  nachzuschlagen  und  zu  repetieren,  resp.  auch 
schon  bei  der  priiparation,  vornehmlich  bei  der  auf  die  cursoriscbe 
privatlectüre ,  zu  hause  über  thatsachen  und  reale  Verhältnisse  im 
Altertum  sich  rath  zu  erholen,  freilich  ist  erst  ein  anfang  gemacht^ 
aber  ein  schon  recht  anerkennenswerter.  StoUs  handbuch  der  religion 
und  mythologie  der  Griechen  und  Römer  und  desselben  Verfassers 
sagen  des  classischen  altertums  erweisen  durch  ihre  zahlreichen  auf- 
lagen, dasz  die  Verlagsbuchhandlung  mit  ihrem  uaternehmen  einem 
TOrbandenen  bedUrfnisse  entgegengekommen. 

Heute  Hegt  uns  zur  besprechung  ein  dritter  teil  der  compen- 
dieB,  welche  die  Verlagsbuchhandlung  unter  dem  gemeinsamen  titel: 
en^klopädie  der  classischen  altertums  Wissenschaft  für  gymnasieH 
zusammenfaatt,  in  dem  oben  seinem  titel  nach  vollständig  bezeichne- 
ten buche  TOr*  da  et  vornehmlich  fQr  gymnasien  beetiaimt  ist,  wird 
es  keiner  beeondem  entschuldigung  bedürfen,  dasi  wir  es  in  einer 
Zeitschrift  reeensieren ,  welche  es  eiofa  sor  aufgäbe  gemacht,  den  be- 
dfir&issen  der  deutschen  schale  sa  dienen. 

Fflr  dae  buch  nimmt  von  vorne  herein  der  umstand  eis ,  dasz 
sein  verfiuaer  ein  schüler  von  W.  S.  Teuffel  ist,  bei  einem  solchen 
setzen  wir  naturgemSsz  mehr  als  bei  si^ttlem  vieler  anderer  gelehr- 
ter kenntnis  der  röm.  littevator  und  ihrer  geschichte  voraus.  —  Bas 
buch  beginnt  mit  einer  kurzen,  aber  alles  wesentliche  bietenden  vor- 
rede ,  dann  folgt  bis  s.  8  die  Inhaltsübersicht,  darauf  die  einleitoag 
in  drei  Paragraphen,  den  charakter  der  Römer  und  ihre  steUnng  zur 
litteratur  sowie  die  lateinische  spräche  behandelnd  und  die  perioden 
der  römischen  litteratur  feststellend,  in  §  2  hätte  B.  angeben  sollen, 
welches  die  21  buchstaben  waren,  ans  welchen  das  aiphabet  der  lata- 
nisohen  spräche  seiner  behauptung  gemäsz  ursprünglich  bestand,  es 
will  uns  scheinen,  als  seien  die  bei  Cic.  de  nat.  deor.  II  93  und  Quint 
I  4,  9  erwähnten  21  aeichen  nicht  die  ursprünglich  den  bewohneni 
Latiums  überlieferten,  sondern  ihre  feststellung  dürfte  vielmehr  das 
resultat  einer  längern  entwicklung  sein,  deren  ende  der  name  des 
8p.  Caruilius  und  die  ihm  zugeschriebene  Ordnung  (523  a.  u.  c.)  be- 
zeichnet, von  den  Griechen  kamen  sicher  mehr  ids  21  zeichen  nach 
Latium.  gewis  meint  B.  dies  anch ,  aber  der  von  ihm  gebrauchte 
ausdruck  ist  nicht  gana  klar,  er  wird  daher  gnt  thnn,  in  der  bald  sn 
hoffenden  neuen  aufläge  sidi  etwas  bestimmter  anssadrttd^en.  ein 
buch ,  welches  wie  das  seine  nicht  darauf  eingerichtet  ist,  dibu  der 
leser  die  aufstellungen  gleicfa  prfilbn  kann,  darf  nnr  gans  nnsweifel- 
haft  sichere  thatsadien  verseichnflii  nnd  dieeelben  m  gna  Uareia 
ansdmcke  mitteilen.  —  Ln  ttbrigen  ist  gegen  B.8  anseinandersetnn- 
gen  im  zweiten  pangraphen  ntehts  einiawenden.  die  perioden  der 
«ntwicklung  der  römischen  litteratur,  welche  B.  ansetit,  sind  die- 
selben, wie  bei  Tenifel,  mit  dem  or  nach  in  der  nnterschcidnng  sweier 
Unterabteilungen  des  goldenen  teitalterattbereinkommi.  nach  diesen 
parioden  behandelt  dann  B.  die  litteiatnr,  nnd  swar  die  voigeechiM 


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H.  Bender:  grundrisz  der  römischen  litteraturgesidiichte«  S37 

mit  den  aus  dieser  periode  erhaltenen  resten  in  §  4 — 6  auf  s.  4 — 8. 
dankenswert  ist  hier  die  mitteilung  des  anfangs  des  Carmen  Saliare 
und  einer  von  den  Seipionengrabschriften ,  wodurch  zugleich  der 
Schüler  einigermaszen  eine  anschauung  vom  alten  latein  erhält,  von 
8.  8  an  wird  in  §  7 — 13  die  zweite  oder  archaistische  periode  von 
Lioius  Andronicus  bis  Cicero  (290  —  80  vor  Chr.)  behandelt  und 
zwar  zuerst  die  poesie  und  dann  die  prosa.  im  ersten  teile  §  8  heben 
wir  als  besonders  gelangen  die  Charakteristik  der  fabula  palliata  d.  L 
der  nach  griechischen  mustern  gearbeiteten  comödie  hervor,  in  dem 
abschnitte  über  Plautus  ist  «ngemessen  die  erklärnng  der  titel  der 
comödien  sowie  die  hinweisung  auf  die  nachahmungen  plautinischer 
comödien  in  der  nenem  litteratur,  soweit  diese  dem  schtQer  mög* 
lieher  weise  bekannt  werden  können  durch  eigne  lectflre  oder  etwa 
in  der  deutschen  litteraturgeschichte ;  nidht  ttberfifiszig  anob  für  den 
Schüler  wttre  in  diesem  abschnitte  die  nennnng  des  namens  Bitsehl 
gewesen,  und  die  er  wähnung  des  palimpsestes,  auf  welchem  die 
plautinische  kritik  beruht,  die  nennung  der  besten  Schulausgaben 
bei  diesem  und  andern  autoren  finden  wir  ebenso  angemessen ,  wie 
die  ausschliesKung  der  andern  litteratur  über  die  autoren.  dagegen 
erscheint  es  ungehörig,  dasz  B.  bei  Zeitangaben  nur  die  jähre  vor 
Christo  nennt ,  nicht  die  jähre  der  stadt ,  wie  das  doch  Teuifel  thut, 
von  dem  B.  sonst  im  wesentlichen  abhängt ,  auch  in  der  Charakteri- 
stik der  autoren.  bei  behandlung  des  Terentius  hätte  B.  auch  die 
erhaltenen  didaskalien,  sowie  den  alten  codex  Bembinus,  der 
bekanntlich  zu  den  ältesten  lateinischen  hss.  überhaupt  gehört, 
und  die  für  einzelne  stücke  vorhandenen  Schulausgaben  erwähnen 
sollen,  dasz  B.  unter  epos  den  bei  CMlius  erhaltenen  ersten  vers 
der  Odyssee  des  Liuius  Andronicus  dtiert,  dafür  wird  man  ihm 
dank  wissen,  schon  wegen  der  dem  £vv€fr€  für  fvccTre  genau  ent- 
sprechenden form  insece,  aber  auch  weil  der  vers  die  lat.  bearbeitung 
der  Odyssee  als  dne  naiieia  wörtliche  Übersetzung  der  griechischen 
charakterisiert  man  erinnere  sich  nur  an  ''Avbpa  jiiot  fwcire  Mouca 
iroXi3Tpairov.  wir  erfahren  hierdurch  gleich,  dasz  die  erklärnng  Ton 
iroXdrpotroc  durch  uersntus  ftlter  ist  als  durch  multum  terris  iacttf> 
tus  et  alto  bei  Verg.  Aen.  I  3.  dies  alles  wird  sich  im  unterrichte 
sehr  ihiohtbringend  yerwenden  lassen,  yoriiefflich  und  im  wesent- 
lichen sdbständig  ist  die  diara1d«ristik  dw  Ennlaaischen  yerskunst 
wie  der  hohen  bedentung  des  dichters  für  die  ansbfldung  der  latei- 
nischen iq;»rache* 

Auf  8. 19  beginnt  mit  §  14  die  darstellung  der  für  die  schule 
widitigsten  periode  der  römischen  litteratur,  des  goldenen  Zeitalters 
von  80  yor  Ohr.  bis  14  nach  Chr.  (671 — 769  d.  st),  audi  hier 
sohlieszt  sich  B.  im  wesentlichen  an  seinen  lehrer  Tenffel  an.  mit 
recht,  denn  besser  als  Teufifel  hfttte  er  seine  sache  doch  nicht  machen 
können,  dasz  er  sie  aber  nicht  schlechter  machen  wollte,  wer  mag 
ihm  das  yerdenkm?  der  anschlusz  an  Teuffei  gereicht  dem  kleinen 
compendium  nur  zur  empfehlung,  dem  yerftisser  nur  zu  lob  und 


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538     H.  Bender:  grundmz  der  römischen  litteratorgeschichte. 


ebre.  nur  in  einem  piincte  weicht  B.  leider  von  Teuffei  ab ,  und  das 
nicht  zum  vorteile  beiner  arbeit,  er  hält  das  im  vorigen  abschnitte 
nach  TeufTel  befolgte  dispositionschema,  dad  aber  Teuffei  bei  der  be- 
hundliing  des  goldenen  Zeitalters  mit  recht  und  gewis  aus  guten 
gründen  wieder  aufgegeben,  auch  für  diesen  teil  fest  und  gelangt  da- 
durch zu  der  unangenehmen  unzuträglichkeit,  da.sz  er  die  litteratur  des 
Augusteischen  abschnittes  des  goldenen  Zeitalters  vor  derjenigen  des 
Ciceronianischen  abschnittes,  der  jenem  vorangeht,  behandeln  musz. 
in  der  bald  zu  hoffenden  zweiten  aufläge  möchten  wir  dies  geändert 
und  die  nattlrliche  Ordnung  befolgt  sehen,   vortrefflich  ist  die  Cha- 
rakteristik dieses  Zeitalters  bei  Bender,  dasz  auch  sie  wesentlich  auf 
Teufl'el  beruht ,  ist  kein  tadel.  insbesondere  verweisen  wir  aus  dem 
ersten  teile,  der  die  dichter  bebandelt,  auf  die  stellen,  welche  Ver- 
gilius,  Horatius  und  Ouidius  betreffen,   jeder  lehrer  wird  eine  er- 
örterung  über  diese,  wie  sie  B.  bietet,  gern  in  den  bänden  seiner 
Schüler  sehen,   in  aller  kürze  wird  das  notwendige  über  diese  dich- 
ter und  ihre  dichtungen  hier  geboten,  von  einem  schüler,  der  dieses 
vortreffliche  compendium  in  den  händen  hat,  wird  der  lehrer  unbe- 
dingtes wissen  der  nötigen  data  verlangen  können,  welche,  weil  nicht 
repetierbar,  sonst  nur  zu  leicht  dem  schtUer  wieder  verloren  gehen, 
nachdem  sie  der  lehrer  in  der  einleitong  zur  leottlre  gegeben,  uter 
Veigilioa  hätte  B.  recht  gethan,  wenn  «r  die  ausgäbe  der  Aeneis  von 
Gossrau,  seit  1875  in  zweiter  aufläge  vorliegend,  erwähnt  h&tie.  de 
eignet  sich  durch  die  lateinische  fassung  ihrer  anmerirongen,  die  auf 
langen  und  eingehenden  selbständigen fonGhongan  des  andi  als  gram^ 
matiker  rühmliohat  bekannten  Goanan  borohen,  gar  wol  iUr  den 
Bchulgebrauch,  und  von  neuem  ausgaben  nutzt  wenigstens  die  v<m 
Ladewig  sie  oft  mehr  als  sich  ziemt  aus.  auch  dasz  von  bia  ina  claa- 
aiache  idtertam  selbst  hineinreichenden  VeigiUnacodioes  wenigstens 
blfttter  vorhanden  sind,  konnte  B.  «rwtthnan,  zumal  da  man  häac  und 
da  wol  daran  gedacht,  dass  einzelne  von  diesen  bl&ttern  der  von  Ter- 
gilius  selbst  geschriebenen  bsa«  entstammen,  eine  ansieht,  die  übri- 
gens wir  nicht  teilen,  angemessen  ist,  dasz  B.  die  data  ans  Horatifis 
leben  9  soweit  sie  sich  aus  seinen  eignen  dichtungen  ergeben  —  und 
diese  werden  stets  die  vornehmste  quelle  fUr  das  leben  dieses  dicb- 
ters  bleiben  —  mit  den  betr.  stellen  belegt,    die  ars  poetica  hätte 
B.  nicht  als  eine  ^istola  des  2  buchs ,  sondeni  als  ein  selbstftndiges 
gedieht ,  wie  das  Carmen  saeculare  auffassen  sollen,  ebenso  wenig 
wie  dieses  mit  einem  der  vier  bücher  oden  etwas  zu  thun  hat,  wenn 
anch  ein  gedieht  dea  vierten  buches,  nemlieh  das  sechste  (diue  quem 
proles  Niobea  magnae  nsw.),  gleichsam  das  prooimion  dazu  ist,  hat 
die  ars*  poetica,  ein  an  die  gebrüder  Piso  gerichtetes  lelugedicht, 
etwas  mit  dem  zweiten  buche  der  epistnlae  zu  thun.  die  notwen- 
dige unechtheit  der  acht  ersten  verse  der  zehnten  aatire  des  ersten 
buches,  weldie  auch  der  sohfiler  in  seiner  ausgäbe  mit  besonderem 
druck  ausgezeichnet  findet,  mnste  B.  ebenso  erwlhnen,  wie  die  aus- 
gäbe der  Satiren  von  Fritzsche,  die  bisher  nnr  günstige  reoenaioDen 


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H.  Bender:  grundrisz  der  römischen  litteraturgeschicbte.  539 

erfahren,  auch  die  uncommentierten  ausgaben  des  Horatius  von 
Haupt  und  Meineke  musten  erwähnt  werden,  über  Horatius  als 
lyriker  scheint  B.  etwas  zu  günstig  zu  urteilen,  wir  erinnern  ihn  an 
Teuffels  abhandlung  über  Horazische  lyrik  und  deren  kritik,  Tübin- 
gen 1876.  den  wahren  Horatius  wird  man  stets  in  den  Satiren  und 
episteln,  besonders  in  den  letzteren,  nie  in  den  oden,  am  wenigsten 
in  den  politischen  finden,  das  muste  B.  genauer  und  entschiedener 
hervorheben,  auch  des  Vorwurfs,  der  den  Horatius  zu  einem  schmeich- 
lerischen höfling  herabwürdigt,  muste  B.  gerade  in  einem  schul- 
buche gedenken  und  den  menschen  Horatius  gegen  denselben  in 
schütz  nehmen,  überflüssig  scheint  uns  dagegen  die  gebotene  ver- 
gleichung  zwischen  Horatius  und  Vergilius,  so  sehr  sie  auch  in  der 
hervorhebung  der  Verschiedenheiten  dieser  dichter  vortrefflich  ist. 
unter  den  ausgaben  der  metamorphosen  des  Ouidius  wäre  auch  die 
von  M.  Haupt  einer  er  wähnung  würdig  gewesen,  von  der  der  zweite 
teil  entweder  jüngst  erschienen  ist  oder  demnächst  erscheinen  wird, 
auch  H.  Peters  ausgäbe  der  fasti  hätte  angeführt  werden  müssen, 
treffend  ist  die  vergleichung  des  Ouidius  mit  dem  'verbummelten 
genie'  H.  Heine,  warum  B.  nicht  Messalla  schreibt ,  bleibt  uns  un- 
erfindlich, er  wird  doch  seines  andern  lebrers  M.  Haupt  ausgäbe 
der  gedichte  des  Tibuilus  kennen,  ebensowenig  können  wir  es  bil- 
ligen, dasz  B.  neben  einander  Hesiod  und  Aratus  (p.  25)*  und 
Kaliimachos  (p.  33)  schreibt  entweder  sind  alle  namen  nur  in 
Toller  griechischer  form  zu  geben,  was  wir  für  das  richtige  halten 
würden,  oder  alle  zu  latinisieren,  abkürzungen,  wie  Homer,  Hesiod 
und  von  lateinischen  autoren  Horas  und  Ovid  können  wir  nicht  ver- 
tragen, die  Schreibung  Horas  wurde  uns  schon  auf  der  schule  als 
bedeutender  fehler  angerechnet. 

Mit  §  19  (p.  83)  beginnt  B.  die  besprechung  der  prosa  des 
goldenen  Zeitalters,  an  der  spitse  steht  die  beredsamkeit,  und  gleich 
§  20  ff.  behandeln  den  Cicero,  hier  ist  besonders  auf  die  Übersicht 
über  Ciceros  leben  und  schriften  in  §  20  aufmerksam  zu  machen, 
diese,  wenn  in  der  band  des  schülers  der  II — I,  wird  dem  betr*  lehrer 
das  dictat  der  wichtigen  thatsachen  aus  Ciceros  leben  ersparen,  sie 
ist  ganz  besonders  dankenswert,  auf  s«  37  spricht  in  der  Charakteri- 
stik der  bücher  de  oratore  B.  yon  einer  satten  Sprache,  wir  halten 
den  ausdruck  nicht  für  ganz  verständlich ,  ganz  gewis  aber  für  un- 
Bchdn.  oder  hat  verf.  hier  für-^satter*  schreiben  wollen 'glatter' ? 
ganz  vortrefflich  ist  und  dem  schulzwecke  entsprechend  in  §  21  die 
auseinandersetsong  B.s  fiber  die  allmfihliche  ausbreitung  der  Philo- 
sophie in  Born  als  einleitnng  zur  behandlung  der  philosophischen 
sdinften  des  Cicero,  ebenso  die  Charakteristik  des  Cicero  als  Philo- 
sophen, als  dessen  haoptrerdienst  B.  mit  recht  die  endliche  gewin- 
niing  einer  philosophischen  terminologie  für  die  Hämische  spraohe 


*  dagegen  p.  54  Aratos  von  Soli,  wofür  aach  Soloi  geschrieben  wer- 
den miute  am  der  einheit  willen. 


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640    H.  BeB4«r:  grandriss  d«r  rOmiichen  litteratorgeichiolite. 

beieiebiiet,  die  !•  b.  dem  Lacretias  nooh  ganz  gefehlt  und  ihm  sern« 
•rbeit  eo  aehr  aebwer  geniMlii,  dasi  man  das  bekannte  urteil  Yoa 
Cieero  ad  Quint  fralar*  II  11, 4  recht  wol  begreift  beaonneB  un 
daa  riebtige  maas  swiaoben  ttberfcriebener  bewonderong  mid  gerne' 
benmteniebuig  halte&d  iat  eaf  a.  41  daa  urteil  Uber  Ciem,  rü 
aiehtlieh  deaaen  übrigena  ftoeb  die  abbftngigkeit  Ton  Teuflel  m 
la  TeÄennen  iat  »ber  die  gedenken  Teoffiäa  aind  aelbatSndig  m- 
arbeitet  imd  mit  eignem  urteil  nnd  gewiaaenbafter  fibetiegung  in 
eine  für  den  scbüler  brauchbare  form  gegossen,  richtiger  ala  TeoM 
stellt  B.  die  bearteilung  ans  ende  seiner  behandlang  des  mannes 
hinter  die  Charakteristik  seiner  schriftstellerei,  bei  Tenfifel  steht  sie 
voran,  sie  kann  sich  aber  doch  nur  aus  vollständiger  und  umfassen- 
der kenntnis  der  Schriften  ergeben,  daher  hat  sie  hinter  diesen  allein 
ihren  rechten  platz,  weiter  heben  wir  als  ganz  besonders  bedeutend  in 
B.8  buche  die  behandlung  Caesars  heraus ,  dessen  erhaltene  schrift«n 
mit  recht  hier  als  parteischriften  dargestellt  werden,  die  aber  doch  die 
ereignisse  im  ganzen  der  Wahrheit  gemiisz  darstellen,  sich  also  vor- 
teilhaft von  den  parteischriften  der  heutigen  liberalen  parteien  unter- 
scheiden,   auch  die  bemerkungen  B.s  über  Cornelius  Nepos  und 
Sallustius  verdienen  eingehender  beachtung  empfohlen  zu  werden, 
wünschenswert  wäre  nur  gewesen,  wenn  B.  neben  den  schulausgabea 
ftir  solche  autoren,  für  die  es  deren  gibt,  auch  die  apeoiallezica  an- 
geführt hätte,  er  würde  damit  dem  jungen  lehrer,  der  etwa  saia 
buch  nacfaaehligt,  einen  dienst  geleiatet  haben,  denn  welcher  junge 
1  ehrer,  der  etwa  eben  von  der  Universität  in  die  qnarta  oder  tertis 
kommt,  kennt  denn  sogleich  alle  die  vorhandenen  speinallezica  so» 
daas  er  dem  achlller,  der  ihn  nm  rath  tegt,  daa  beete  empfehkn 
kann,  ein  mangel  iat  ea  auch ,  daas  B.  bei  anftthrong  der  a<iinlaii8- 
gaben  nicht  immer  die  commentierien  von  den  onoommentierteB 
acheidet,  ao  a.  b.  unter  Sallnatina,  saweilen  aach  nur  commentierte 
anführt,  s«  b.  nnter  Caeaar  nnd  Comelioa,  während  dodi  an  Tiden 
achnlen  die  achttler  nnd  swar  mit  recht  angehalten  werden,  wenig- 
ateu  in  der  ckaae  nur  teitansgaben  m  branchen«  nnter  den  hisio- 
rikem  der  Augusteischen  zeit  wird  natürlich  Linias  mit  besonderer 
Vorliebe  behandelt  (s.  46 — 47).  die  beurteilung  zeigt  den  kundigen 
gelehrten  und  den  in  den  bedürfnissen  der  schule  erfahrenen  lehren 
die  abhängigkeit  von  Teuffels  urteil  gereicht  der  beurteilung  B.s  auch 
hier  nicht  zum  nachteil,  es  gilt  von  ihr  dasselbe,  was  wir  oben  bei 
Cicero  gesagt,  auf  s.  50  beginnt  mit  §  25  die  darstellung  der  litte- 
ratur  des  silbernen  Zeitalters  14 — 117  nach  Chr.  (767 — 870  a.  u.  c). 
aus  derselben  heben  wir,  abgesehen  von  der  allgemeinen  einleitung 
wegen  der  bedeutung  für  die  schule  den  abschnitt  hervor ,  welcher 
über  Cornelius  Tacitus  handelt,    wir  bemerken  ausdrücklich,  dasz 
auch  hier  wie  bei  Teuffei  der  von  manchen  in  seiner  ecbtheit  be- 
strittene dialogus  de  oratoribus  unter  den  Schriften  des  Tacitus  er- 
scheint,   über  den  eigentlichen  Charakter  der  Taciteischen  schiift 
Uber  Agricola  wird  man  durch  B.  nicht  Tollstandig  klar,  de  ist,  im 


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H.  Bender:  gnmdrias  der  rOmiBchen  littoratoigeaohiolLte.  541 

wir  mit  J.  GaatreUe  sagen,  eine  hietorisclie  lobschrift  mit  der  ien- 
denz  die  mSnner  des  inste  miHeu  wegen  ihres  politischen  yerhaltens 
unter  Domitian  gegen  vorwürfe  zu  verteidigen,  ausgezeiehnet  ist 
bei  B.  die  diarskteristik  des  Tacitos,  in  welcher  er  mit  recht  ent- 
sdueden  front  macht  gegen  die  veidSchtigungen,  mit  welchen 
neuere  forschung  seit  A.  Stahr  den  bedentendsten  der  römischen 
bistoriker  verkleinert  hat. 

Auf  s.  61  beginnt  mit  §  34  die  darstellung  der  litteratur  der 
fünften  periode,  der  spätem  kaiserzeit  von  117  n.  Chr.  an.  für  die 
schule  hat  diese  litteratur  keine  oder  doch  nur  sehr  geringe  bedeu- 
tung,  und  gewis  hat  B.  auch  nur  im  interesse  der  vollst4indigkeit 
des  bildes,  das  er  entwerfen  wollte,  auch  diese  periode  mit  in  sein 
Schulbuch  aufgenommen,    fern  sei  es  von  uns  ihn  dieserhalb  zu 
tadeln,   ansprechend  ist  auch  hier  die  der  einzelschilderung  voran- 
gehende allgemeine  Charakteristik,  der  niemand  wird  abstreiten  wol- 
len, dasz  sie  das  richtige  trifft,  manchem  religionslehrer  wird  viel- 
leicht der  letzte  paragraph,  der  die  lateinischen  kirchenschriftsteller 
bebandelt,  nicht  unwillkommen  sein,  und  auch  die  Charakteristik 
der  cbristUchen  dichter  in  lat.  spräche  aus  diesem  zeitranm  wird  er 
in  seinem  unterrichte  wo!  verwenden  können,  zumal  wenn  für  den 
religionsunterricht  kein  hilfsbuch  oder  eins,  das  auf  die  hier  berühr- 
ten dinge  nicht  eingeht,  eingeführt  ist.  B.s  buch  bietet  sicher  dem 
scfattler  mögliohkeit  und  gelegenheit  dar,  das  wesentliche  von  dem, 
was  ihm  im  schnlantenichte  ttber  die  litfceraiisch  namhaft  gewordenen 
Persönlichkeiten  der  alten  Idrehengesehichte  gesagt  ist,  daheun  sn 
wiedeiiuden.  andh  der  Uber  Entropins  und  sein  breniarinm  historiae 
Bomanae  handehide  abschnitt  bat  noch  einige  bedeutung,  weil  das 
werk  hier  und  da  in  den  schulen  gelesm  wird,  für  den  spätem  Juri- 
sten ist  die  §  39  gegebene  übersiolit  ttber  die  rechtswissensohaft- 
liehe  litteratur  vielleicht  geeignet,  ihn  für  sein  späteres  studinih  im 
voraus  einigermaszen  zu  orientieren. 

Auf  s.  81—84  bietet  B.  ein  alphabetisches  Verzeichnis,  auszer- 
dem  ist  eine  tabelle  beigegeben,  welche  dazu  dienen  soll,  die  Über- 
sicht über  die  einzelnen  litteraturperioden  zu  erleichtern,  eine  ganz 
vorzügliche  und  besonders  dankenswerte  zugäbe. 

Das  ganze  ist  eine  mit  genauer  Sachkenntnis,  vortrefflicher  um- 
sieht und  tiefer  einsieht  in  die  praktischen  bedürfnisse  der  schule 
gemachte  ineinanderarbeitung  des  sachlichen  und  persönlichen  teiles 
der  Teuffelschen  röm.  litteraturgeschichte.  alles,  was  für  die  schule 
ohne  bedeutung  ist,  hat  B.  mit  recht  ausgeschlossen,  hier  ist  es,  wo 
B.  besonders  selbständiges  urteil  zeigt,  ist  gleich  im  einzelnen  noch 
hier  und  da  etwas  anszusetaen,  so  haben  wir  zu  bedenken,  dasz  wir 
es  hier  mit  einem  ersten  versuche  —  Ton  Kopps  misUingenen  arbei- 
ten auf  diesem  gebiete  sehen  wir  nach  der  recension  von  M.  Hertz, 
denn  wichtige  einwendungen  durch  Kopps  unbedeutende  entgeg- 
nnng  nicht  abgeschwächt  sind ,  vollständig  ab  —  in  thun  haben, 
eine  rdm.  litteratorgesohichte  für  schttler  oberer  klassen  sn  yer- 


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542 


Kronmeyer:  leitfKleii  fOr  den  getohichtBimtemclili. 


hämo,  wir  sind  fM  fibenengt,  B.  wird  die  mliigei  seiner  arbeiim 
einer  liotoittieli  beld  erscheinenden  sweiten  anflsge  besdtigen  n&d 
dae  werk  TerToUkomninen.  aber  troii  der  immerhin  gegenllber  den 
hervorragenden  yonOgen  onbedentenden  mingel  ist  das  boeh  auf 
das  wtrmste  tu  empfe^en  nnd  nur  zn  wünschen,  dass  es  mSgÜdst 
überall  in  den  abem  dassen  der  gymnaei^i  aw^  emgefUhrt  and 
fleiszig  gebraucht  werde. 

BARTfiMSTEIN.  HaNS  KarL  BeNICKEN. 


68. 

LBITFADBH  FÜR  DEN  OESCHICUTSCJKTBBRICBT  IH  DEM  OBEBR  CLASSES 
DBB  GnOfABIEM  UND  BBALSOHULBM  VON  DB.  KBOXATBB,  SGB- 
EBOTOB  AM  GYMBAaiUX  IN  8TBAL8UND.  —  THEIL  II.  DAS  MITTIL- 
ALTEB  (217  8.);  THBIL  III.  DIB  NEUZEIT  (271  B.). 

Die  im  vorigen  jähr  erschienene,  und  in  dem  aprilheft  1877 
in  den  jahrbttchem  rühmend  besprochene  deutsche  gescbichte  toh 
dr.  Kromayer,  jetzigem  director  des  gymnasiums  zu  WeisEenbiig 
im  Elaass,  lenkt  den  blick  zurück  auf  einen  bereits  firtther  von  dem- 
selben ver£uaer  edierten  leitfaden  für  den  geschlchtsunterricbt  indm 
obem  daasen  der  gymnaaien  nnd  realschnlen.  dieser  ist  nidit  so 
bekannt  geworden«  wie  er  wol  yerdient  hfttte,  was  aber  an  vethtit- 
nissen  gelegmi  die  mit  dem  pidagogisehen  und  wiasenschaltlidieD 
wert  des  bnchea  —  es  ist  das  reinütat  eines  viermhnj&hrigen  ge- 
schichtsonterrichts  —  nichts  an  thnn  haben. 

Es  mag  vor  allem  fOr  das  bekanntwerden  nnd  die  verbreitoiig 
desselben  nachteilig  gewesen  sein,  daas  der  ver&sser  mit  dem  mittel- 
alter  begann,  die  nenzeit  folgen  Hess  nnd  das  altertom  bis  zuletzt 
anssetzte.  dieses  ist  jedoch  auch  vollendet  nnd  wird,  wie  wir  auf 
privatem  wege  erfahren ,  demnächst  erscheinen. 

Diese  aufeinanderfolge  war  keine  zufällige,  sondern  ergab  sich 
für  d  en  Verfasser  aus  dem  glauben ,  dasz  gerade  die  darstellung  des 
mitte lalters  am  notwendigsten  eines  neuen  lehrbuchs  bedürfe,  da 
keines  ihm  für  diese  zeit  ganz  genügen  wollte,  in  der  tiberzengüDg, 
dasz  für  lebranatalten  wie  gyranasien  und  realschnlen  keine  eigent- 
liche Universalgeschichte  gehört,  verlangt  er  und,  wie  uns  scheint, 
mit  vollem  recht,  für  das  mittel  alter  concentrierung  auf  das  deutsche 
volk,  hervorhebung  und  zwar  möglichst  detaillierte  hervorhebung  der 
glanzpartien  in  diesem  Zeitraum ,  Zusammenstellung  des  Stoffes  unter 
einfachen,  aus  der  sache  selbst  hervorgehenden  gesichtspnncten,  an- 
schlnsz  der  auszerdeutschen  länder  an  die  deutsche  gesduchte  oder 
wenn  das  nicht  möglich,  nachti-äge  in  knappester  form,  und  äm 
principien  vermiszte  er  in  den  vorhandenen  lehrbücbem  über  die g»> 
schichte  des  mittelalters  mehr  oder  weniger.  —  So  begann  er  dü 


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Kronmejer:  leiUaden  für  den  gesoliichtauntemcht.  543 

dem  mittelalter,  sdiritt,  von  denselben  grundsätzen,  mutatis  mutan- 
dis»  geleitet,  Eor  nenzeit ,  die  selbstredend  ein  mehr  universalisohes 
gepräge  trägt,  weiter  und,  wie  sehon  gesagt,  ist  jetit  anch  mit  dem 
altertum  fertig. 

Sein  leitfoden  soll  ohne  vertrag  des  lehrers  nichts  bedenten,  also 
kein  werk  zum  selbststndinm  sein,  er  vermeidet  demnach  die  Ter- 
mischung  zweier  dinge,  die  sich  doch  einander  ausschlieszen.  fttr 
die  sehnle  aber  hat  das  buch  einen  doppelten  zweck  zu  erfüllen  — 
als  gerippe  des  Vortrags  und  als  anhält  zur  repetition.  letzteres  Ter- 
langt  eine  ziemlieh  reiehliche  fttUe  von  stoff.  dieser  ist  gegeben, 
aber  nicht  als  mdis  indigeetaque  moles,  sondern  als  gegliäertes 
(aach  doroh  den  druck),  UbersichtUches  ganzes. 

Allein  auch  darauf  kam  es  dem  yer&sser  an,  dureh  seinen  leit- 
fisden  dem  jttngling  von  dem  Zusammenhang  der  ereignisse,  von  der 
continuierlichen  entwicklung  der  geschiohte  einen  begriff  beizubijn- 
gen,  ohne  doch  die  darstellung  der  glanzperioden  zu  beeinträchtigen, 
er  gibt  demnach  hinUtnglichen  stoff,  dergleichen  Übergangsepochen 
an  dem  positiven  gehalt  der  ereignisse  zu  durchlauf,  indem  er 
dabei  einiges  in  denselben  als  marketeine  hervorzuheben,  anderes 
mehr  als  vermittdungsglied  zu.betraohten  Idirt  mandie,  ja  viele 
dieser  vermittelungsglieder  werden  im  gedftchtnis  des  sohfllers  all« 
mfihlich  erblassen;  aber  es  bleibt  ihm  doch  diese  ganze  zeit  kein 
leeres  blatt;  er  bewahrt  einen  totaleindruok,  der  sich  nicht  auf  blosse 
urteile  des  lehrers,  sondern  auf  facta  gründet,  die  er  selbst  einmal 
gewust  und  beurt^t  hat.  die  folge  davon  ist,  dasz  in  dem  buche 
ereignisse  aufgenommen  worden,  deren  besitz  nicht  ab  ein  dem 
schlUer  allezeit  gegenwärtiger  verlangt  wird,  die  eben  nur  der  orien« 
iierung  und  jeweiligen  repetition  dienen  sollen.  —  Dasselbe  gilt 
auch  är-die  reicUichst  gegebenen  zahlen. 

Die  cultur*,  ver&ssungs- ,  rechts-  und  kirohengeschichte  ist  da 
in  genügender  weise  berücksichtigt,  wo  die  politische  geeehichte 
ohne  kenntnie  ders^ben  ein  buch  mit  sieben  siegeln  bleiben  würde, 
also  besonders  im  mitldalter*  dasz  der  Verfasser  am  ende  desselben 
in  einem  naditrag  (s.  184 — 206)  und  zunftohst  auf  grund  der  alten 
füiif  heraogtümer  einen  überbli<dc  über  die  elnzehten  territorien  des 
deutschen  reichs  gegeben  hat  —  ein  yersuch,  der  unserm  wissen 
nach  in  dieser  weise  in  keinem  der  bisherigen  Mrbücher  gemacht 
worden  ist  —  dazu  bestimmte  ihn  zuvSrderst  der  g^anke,  dasz  sich 
auf  diesem  boden  die  neuere  geschiohte  Deutschlands,  welche  ja  bis 
auf  unsere  tage  hauptsächlich  territorialgeäckichte  war,  aufbauen 
lasse,  mit  dieser  betrachtung  der  territorien  verbindet  sich  leicht 
auch  ein  zurückgehen  auf  geographie  und  nicht  blosz  in  politischer, 
sondern  auch  in  topographischer  hinsieht,  —  ein  vorteil,  der  be- 
sonders für  die  obem  classen  der  gymnasien,  wo  von  tertia  die  erd- 
kunde  nicht  mehr  als  besonderer  unterrichtszweig  auftritt,  in  betracht 
kommen  dürfte,  indem  aber  der  lehrer  mit  dem  buche  in  der  band 
diese  paragraphen  durchspricht,  bald  erweiternd,  bald  erörternd,  ist 


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644 


L.  UrUchs:  bhefe  aa  Schüler. 


auch  die  yerftnlaMimg  gegeben  zu  einer  repetitioft  in  iBidenrihdK  1 
gewöhnlichen  fonn«  1 

In  einem  anbange  zur  neuen  gescbicbte  bebandelt  der  Tfirfimurg 
die  neneete,  bie  1870  für  den  Unterricht  fast  ein  nolimetangve^l 
er  hat  eeiner  darttellung  die  Ülr  den  Unterricht  zu  inhaltBroehsbe-»! 
arbeitoBg  von  Aemann  lu  gründe  gelegt  der  eimrand  gogen  oo«  J 
beraniiehnng  der  neuesten  aeit  in  den  Bchulonterrieht^  als  aei  diai«| 
selbe  dem  aehOler  nnTerstindlioh»  ist  Terstommt,  die  behnptung 
dagegen,  dass  die  leit  sur  erweitening  des  pensoms  nicht  aoinkb, 
ist  Mlich  stiohhaltiger.  nm  so  nötiger  erscheint  es,  das  bd  dm 
embarras  de  riehesse  das  in  einem  lehrbnch  gegebene  bin  und  ttv* 
sichtlich,  mit  ansdrttcklieher  heraushebung  des  wiebtigstea  ud 
folgereichsten  dargestellt  sei  und  so  objectiv ,  wie  das  die  mens^ 
liebe  natur  zuläszt.  dieser  notwendigkeit  ist  in  dem  Kromajerscbeu 
buche  recbnung  getragen. 

So  erscheint  wegen  der  leitenden  ideen,  der  übersichllicben 
darstellung  und  der  zahl-  und  inbaltsreicben  winke  für  naclideiikeiide 
Schüler  vorliegender  leitfaden  empfehlenswert  wenigstens  für  den,  der 
einem  zusammenhängende  darstellung  bietenden  lehrbuch  nicht  un- 
bedingt den  Vorzug  gibt,  einiges  hätte  sich  wol  anders  und  käraer 
behandeln  lassen,  auch  müsten  einige  berichtigungen  in  zweiter  auf- 
läge erfolgen,  so  würde ,  um  aus  neuer  gescbicbte  etwas  hervonu- 
Heben ,  das ,  was  über  den  russischen  feldzugsplan  und  über  das  da- 
malige ausscheiden  von  300  officieren  aus  der  preuszischen  armee 
gesagt  ist,  doch  nach  neueren  feststellungen  geändert  werden  müssen, 
die  tage  der  Leipziger  Schlacht  werden  als  16e  17e  18e  ooiober  an- 
gegeben ,  während  doch  am  17n  £ast  nicht  gefochten  wurde  —  Dar 
Blücher  machte  einen  angriff  —  am  19n  aber  noch  sehr  heisz,  wem 
auch  der  kämpf  an  diesem  tage,  wie  eigentlich  schon  am  18ni& 
allerdings  riesiger  ausdehnung«  ein  rttokzugsgefecht  wsr.  in  der 
schlaoht  bei  Kulm  wird  Ostermanns  heldenmütiger  Yerteidjgiiqgg^ 
dacht,  obwol  dieeer  nur  der  ofifiiolelle  held  ist  —  der  tod  Ktan 
wird  auf  den  27n  angnst  Terl^gt,  die  sdhkeht  bei  Dresden  auf  dn 
26n  nnd  27n  besehrlnkt,  allem  schon  am  25n  wurde  vor  disseraidit 
sehr  ernst  gefoofaten. 

IL  BSBHDT. 


Ol). 

BBIEFE  AN  SOHIXiLBB.  HBnAüSOnOBBBV  TOH  L.  irnLIOHS.  Stottgvt, 

Cotta.  1677. 

Es  iöt  wohlgetban,  jetzt,  da  es  noch  zeit  ist,  alles  zu  veröffent- 
lichen, was  als  document  für  das  leben  und  wirken  unserer  grossen 
dichter  gelten  kann,  ja  es  ist  besser  hierin  etwas  zu  viel  zu  thim 
als  durch  Unachtsamkeit  notizen  Terloren  gehen  au  lassen,  dia,  aasicii 


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L.  ürlichss  briefe  an  Schiller. 


6tö 


▼ialleieht  ünbedeatend,  dooh  durch  ihren  Zusammenhang  mit  anderen 
Tielleiolit  zu  den  wichtigsten  sohlflssen  nnd  combinationen  führen 
Umien.  es  ist  also  keineswegs  pedanterie,  wie  sich  einmal  ein  vor- 
nebm  thnender  recensent  Ton  Gödekes  kritischer  Sehillersasgabe 
▼emehmen  liess,  jedes  pi^ierschnitzel  von  Schiller  za  sammeln  und 
zu  dmoken;  andere  nationen  sind  in  solchen  sacken  noch  viel  sorg- 
samer als  wir,  die  wir  nns  selbst  in  unseren  grossen  dichtem  noch 
viel  za  wenig  achten  nnd  immer  geneigt  sind  unsere  nationalen 
^etstesschtttse  sorglos  an  Teikennen  und  sie  gegen  das  gmftige  eigen- 
tom  anderer  TÖlker  herabsnsetBen.  oder  wenn  andere  YÖlker  nicht 
immer  so  sorgsam  gewesen  sind,  so  haben  sie  jetct  Ursache  es  bitter 
za  bereuen,  wie  viel  tausende  von  pftuden  wtlrden  die  EnglSnder 
mxkii  mit  freaden  jetzt  für  einen  einzigen  brief  an  Shakespeare,  ge- 
sohweige  denn  von  Shakespeare^  wo  noch  der  autographenwertdazu 
kommt,  geben,  aus  welchem  sidi  ein  sicherer  schlnss  auf  die  ab- 
fassungsseit  eines  seiner  dramen  machen  Hesse!  ja,  das  ist  andi 
Shakespeare,  und  Shakespeare  ist  ein  viel  grösserer  dramatiker  als 
Sdiillerl  solche  unpatriotischen  ftuszerungen,  deren  sich  jeder  aus- 
länder Bchfimen  wttrde,  kann  man  selbst  aus  dem  munde  gebildeter 
Deutschen  hOren.  als  im  jähre  1865  Schillers  kalender  yerOffentlicht 
wurde,  der  eine  herrliche  fülle  von  material  zur  feststellung  der  ab- 
fasaungszeit  seiner  gedichte  und  dramen  bot,  einen  herrlichen  ttbe^ 
blick  Uber  seine  oorrsspondenz  gewährte  und  für  die  datierung  und 
adreeaiemng  seiner  briefe  yon  unendlicher  Wichtigkeit  war,  muate 
sich  die  henm^gebeiin,  Scfaillen  edle  tochter,  'teu  Ton  Gleichen* 
Rnszwurm,  Ton  ihren  dankbaren  landeleuten  sagen  lassen,  sie  tische 
jetzt  dem  deutschen  publicum  sogar  die  wirthschaftsrechnungen 
ihres  yaters  auf^  und  die  Gottasche  buchhandlung  sah  sich  genötigt, 
den  preis  dee  buches  auf  einen  silbergroschen  herabzusetzen,  ürlidis 
nachmalige  vergleichung  des  originale,  die  er  uns  in  dem  Torliegen* 
den  buche  bietet,  beweist,  wie  sehr  im  gegenteil  die  herausgeberin 
bemttht  gewesen  war,  diesem  yorwnrf  (sie  mochte  ihre  landsleute 
gut  kennen)  aus  dem  wege  zu  gehen;  vergebens!  die  *helden  der 
feder*,  wie  sich  unsere  deutschen  recensenten  zu  nennen  belieben, 
mochten  sich  als  Schriftsteller  gern  auf  gleiche  stufe  mit  Schiller 
stellen,  und  da  sie  ahnen,  dasz  man  mit  ihren  'papierschnitzebi'  nach 
ihrem  tode  mit  recht  nicht  so  sorgsam  Ter&hien  wird,  so  gönnen  sie 
diese  ehre  auch  kdnem  andern,  wir  aber  wollen  dem  herausgeber 
recht  von  herzen  für  seine  gäbe  dankbar  sein. 

Schiller  war  zwar  ein  sehr  pünctlicher  geschSftscorrespondent, 
im  flbrigen  aber  nicht  sehr  höflich  und  gewissenhaft  in  beantwortnng 
jedes  an  ihn  gerichteten  briefes,  und  das  zu  unserem  besten,  denn  er 
hatte  besseres  zu  tbun  als  seine  zeit  mit  bloszen  höflichkeitsbriefen 
zu  yergeuden.  und  welche  sonderbaren  Zumutungen  machte  man 
dem  groszen  dichter  nicht!  da  will  ein  herr  aus  Baiem  wissen,  wer 
der  Armenier  im  'Geisterseher'  sei,  nicht  aus  interesse  an  dieser 
herrlichen  geistesschöpfung,  sondern  weil  er  in  einer  gesellschaft 

N.  Jahrb.  f.  phiL  u.  päd.  II.  abL  1878.  hfl.  11.  36 


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546 


L.  Urlichs:  bxiefe  aa  Schiller. 


eine  weite  gemteht  hat.  ein  herr  yon  Forer  aus  Erfurt  bittet  ib 
ein  askroetiäion  auf  den  namen  Heloiea  «af  alle  soloho  nunnteagHi 
Tenakfanet  der  kalcnder  keine  antwort  erfirenlidier  nnd  diiyomg« 
brieie»  in  welehen  gelnldete  mlnner  und  frmaen  oder  junge  didü» 
dem  gfoesengenine  ihre  bewanderungaoeeiireehen}  sieinttwenwQU- 
thnend  auf  Sehiller  gewirkt  haben,  ol^leieh  er  auch  ifir  aie km 
antwort  hatte,  es  mnete  denn  sein,  dau  er  die  letiterea  fOr  eeiBa 
nraaenalmanaoh  gewinnen  wollte,  noidi  erfreulicher  aber,  und  swv 
deshalb,  weü  man  aas  ihnen  einen  sicheren  sdilnss  machen  kemmf 
die  begierde,  womit  die  mitweit  jede  neue  Schöpfung  Schillers  ver- 
schlang, sind  die  briefe  der  buchbändler,  die  ihn  mit  bitten  be- 
btürmen, ibnen  ein  werk  in  verlag  zu  geben;  diese  haben  wir  beson- 
ders aus  den  von  Gödeke  veröffentlichten  *geschäftsbriefen  Schillers* 
kennen  gelernt,  einige  der  briefe  des  vorliegenden  bucbes  haben 
freilich  nur  wert  durch  den  adressaten,  andere  aber  auch  durch  die 
absender.  bedeutende  Schriftsteller,  componisten,  Staatsmänner, 
militärs  sind  darunter,  andere  sind  von  hoher  Wichtigkeit  für  die 
biographie  Schillers,  weil  sie  von  personen  herrühren,  die  eine  inter- 
essante rolle  in  der  lebensgeschichte  unseres  groszen  dicbters  gespielt 
haben,  als  perle  aus  dieser  letzteren  gattung  möchte  ich  die  beiden 
briefe  des  fräuleins  Henriette  von  Arnim  aus  Dresden  bezeichnen, 
iOx  die  Schiller  bekanntlich  während  seines  anfanthaltes  bei  KGrner 
eine  i^flhende  neigung  gefassi  hatte,  die,  sagt  man,  von  ihr  erwideri 
wurde,  ohne  mir  in  dergleichen  sachen  ein  entscheidendes  urteil  an- 
somaszen,  scheint  es  mir  doch  aus  diesen  bnefen,  als  sei  die  tochter 
im  bände  mit  der  mutter  und  eine  sehlan  berechnende  coqnette  wie 
jene  gewesen,  wie  kitte  sie  auch  Bonat  das  nrbild  der  schCnen 
Orieohin,  dieser  betrttgerin,  im  ^Oeiaterraker'  werden  kikinen!  ieb 
würde  die  beiden  briefe  gani  kersetcen,  wenn  ich  nickt  fttrehten 
mflste  dem  keraosgeber  an  ackaden  nnd  alLraviel  ranm  in  ansprodi 
an  nekmen.  aber  aoa  interesse  fttr  meinen  jetzigen  woknort  wfli  ii^ 
dock  wenigatena  den  anfong  des  enten,  mit  alten  or&ographifldKD, 
oder  Tielmekr  nnoptkograpliiechen  eigentOmlickkeiten  abadireibcii: 

Sonnabends  den  28sten  April  [1787]. 
Wenn  ich  mich  ftlr  den  heutigen  [Tag]  recht  gut  stimmen  will, 
so  musz  gleich  am  frühen  Morgen  an  bie  bchreiben,  und  Ihnen  sagen 
dasz  ich  immer  und  unaufhörlich  an  Sie  dencke,  mich  nur  mit  Ihnen 
beschäftige.  Der  Gedanke  an  Sie  ist  jetzt  der  Einzige  der  mir  wich- 
tig ist  Alles  Andere  (und  wenn  es  des  Reichs  Wohlfahrt  beträfe)  kan 
ich  nur  als  neben  Sache  betrachten ;  Wann  ichs  bedencke,  wie  sehr 
ich  mich  verändert  finde  seit  den  3  Monaten  dasz  ich  Sie  kenne,  Sie 
haben  alle  meine  gefaszten  Vorsätze  vernichtet.  Denn  ich  hatte  mir 
erst  fest  vorgenommen,  nie  wieder  zu  lieben,  nie  wieder  zu  glauben 
dasz  man  mich  liebe,  ich  wolte  leichtsinnig  wie  die  mehresten 
Mannespersohnen  werden,  und  mich  vor  allen  was  meine  £mphnduiig 
erregen  könte  hüten  und  doch  ein  Heer  von  Verehrern  um  mich  ver- 
sammelt halten,  wolte  dnen  jeden  ankOren  aber  keinen  mdur  etwas 


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A.  Scbmtinow:  Leibnis  und  ScbotteUiu.  647 

glauben;  lob  batte  miob  aber  geirrt.  Denn  icb  beorÜieilte  damals 
alle  IfiUmer  naob  den  Einen,  den  icb  zu  gut  benrtbeilt  batte,  nnd 
dacbte  nicbt  daran  daaz  es  nocb  Ansnabmen  gftbe.  Kanm  als  icb  Sie 
zwei  mabl  gesprocbdn  batte,  so  &nd  ich  gar  bald  dasz  icb  micb  in 
meiner  Be^ung  mein  Herz  vor  aller  Liebe  zn  bewahren,  geirrt 
hatte;  Es  ist  wahr  ioh  gestehe  es  dasz  ich  vorher  auch  schon  geliebt 
habe,  aber  bei  weiten  nicht  so  als  jetzt  denn  der  grund  bei  meiner 
ersten  Liebe  wurde  dnrch  Eitelkeit  auf  beiden  Seiten  gelegt,  ich 
wnrde  llbmasdit,  und  konnte  nicht  untersuchen  was  eigentlieh 
meine  Empfindung  war;  diese  ganze  Geschichte  sollen  Sie  ansftthr- 
lieher  aus  meinen  Munde  hdren.  Sie  sind  der  Einzige  Mensch  zu 
welchen  ich  einen  so  hoben  Grad  von  Vertrauen  habe,  diese  (be- 
schichte nmstftndlich  zu  erzählen,  welche  doch  für  mich  yon  sehr 
groszer  Wichtigkeit  ist  und  die  auser  mir  [und]  nur  noch  einer  Person 
sonst  kein  Mensch  weis;  ich  werde  nicht  bei  dieser  Erzählung  zu 
meinen  Yortbeil  erscheinen.  Dieses  sage  ich  Ihnen  im  Voraus  ich 
halte  Sie  aber  für  billig  genug  dasz  Sie  aus  was  darinne  vorkomt 
nicht  auf  meinen  jezigen  Carackter  schliesen  werden;  üeberhaupt 
wünsche  ich  dasz  Sie  micb  möchten  ganz  kennen.' 

Ist  dieses  nun  wol  die  spräche  eines  wahrhaft  liebenden  herzens  ? 
ich  betone  nochmals,  dasz  diese  beiden  briefe  der  einzige  bisher  be- 
kannte Überrest  dieser  verliebten  correspondenz  sind. 

Das  buch  leistet  noch  mehr  als  der  titel  verspricht,  denn  es 
bietet  uns  auch  briefe  von  Schiller,  wer  aber  in  demselben  sämmt- 
licbe  an  Schiller  gerichteten  briefe  suchen  wollte,  würde  sich  ge- 
täuscht finden,  denn  auszer  denen,  die  durch  verschiedene  umstände 
abhanden  gekommen  sind ,  ist  eine  eben  so  beträchtliche  partie  als 
die  hier  vorliegende  in  andern  besitz  übergegangen  und  wird  jetzt 
in  der  Wiener  'neuen  freien  presse'  mit  einleitenden  bemerkungen 
veröffentlicht;  die  herausgeber  behalten  sich  vor,  später  gleichfalls 
ein  buch  daraus  zu  machen. 

Strehlen  bei  Dresden.  Bobert  BozBERaER« 


60. 

LEIBNIZ    UND    80HOTTELIUS.     DIE  17»TOnORBIFLIOHBN  GBDAlOaBN, 
UKTSBSUOBT   UND   HERAUSOBOEBEM  YOK  AUG.  8  OHM  ARBO  W. 

Straasbnrg,  Karl  J.  Trübner.  1877. 

Die  kleine  abhandlung  gibt  sich  als  vorläuferin  einer  mono- 
graphie  über  J.  G.  Schottel  und  will  das  Verhältnis  dieses  gramma- 
tikers  zu  Leibniz,  insbesondre  in  betreff  der  'unvorgreiflichen  ge- 
danken'  feststellen;  zu  dem  zwecke  werden  auch  diese  selbst  im 
anhang  (s.  44 — 81)  nach  Eccards  ausgäbe  mitgeteilt,  begleitet  von 
den  Varianten  einer  neu  aufgefundenen  handschrift  (A)  und  (s.  82 

36* 


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m 


648  A.  Scfamanow:  Labois  und  Schottelioa. 

— 92)  Ton  anmerkuiigeii  des  Yer&saere.  dan  unser  Leibniz  sudi  ek 
guter  Deatseher  gewaeen  mid  ihm  die  ISSrdenmg  dee  volkes  dndi 
angbüdniig  seiner  spauobM  am  lienen  gelegen,  weist  yerfteser  tb 
jettt  anerkeant  nadi.  wie  aber  dieser  schon  iki  jangen  jahnn  be- 
wihrte  sinn  bei  dem  gebomen  kosmopoliten  des  17n  jahrhanderts 
sieh  erkllre     Ton  dieser  frage  geht  das  schrillohen  ans. 

Schon  in  der  so  frflh  geflbten  aawendnng  der  mntterspraebe 
auf  abftMSong  toh  prooessacten  wie  yon  gedichten  erbü«^  verfiisser 
den  Schiller  Schottels,  dessen  einschlagende  werke  ja  grade  in  des 
phüosophenjugend  fielen,  diese  anwahmi»  wird  ronftchst  dnrch  sprach- 
Uche  besonderheiten  gestützt,  die  Lmbniz  im  gegensais  sa  aeiam 
landalenten  mit  Schottel  teilt;  hanptsBchlich  ato  dnrdi  neheneni- 
anderstellmig  Ton  Schottels  gedenken  und  Leibnizens  inszenmgeiL 
nnd  swar  sdion  ans  kleineren  Schriften  des  philosophen,  die  der 
«ermahnnng  an  die  Tentsche*  nnd  den  'nnyoigreiflidien  gedankea' 
vorausgehend,  sich  seitUoh  nnmittelbarer  noch  an  Scfaottela  TO- 
Offimtlidiaiigen  anschlössen:  ehug  sind  beide,  daas  sie  auf  geistige 
selbstindigkeit  des  Tolkes  ans  säd  durch  anwendong  der  mntto*- 
sprache  anf  die  Wissenschaft,  ans  den  tiefen  des  deiäens  ond  des 
gemttts  sollte  der  schätz  gehoben  werden;  so  fanden  beide  des 
palmenordens  bestrebungen  ungenügend,  so  wiesen  beide  auf  Luthers 
bibelübersetzung  als  leuchtendes  muster  hin  —  im  (gemäszigten) 
porismus  wie  im  Patriotismus  einander  fthnlich.  auf  grund  dieser 
llbereinstimmung  bis  ins  praktische  ziel  hinein  (gründung  einer 
^teutscbgesinten  gesellschaft')  tritt  Verfasser  des  herausgebers  (Grote« 
fend  1846)  meinung  bei,  welcher  die  abfassnng  der  'ermabnung* 
usw.  bereits  ins  jähr  1679  oder  1680  setzt;  die  aber  ist  nach  unserm 
yerfasser  beinahe  wie  eine  ausführlichere  einleitung,  ein  erster  ^ent- 
wurf  des  hauptabsebens'  zu  den  unvorgreiflichen  gedanken.  er  findet 
eben  die  grundsätze  beider  abhandlungen  gleich  Schottelisch,  und  die 
mittel?  die  dreifache  lexikalische  bearbeitung  des  deutschen  (schon 
fast,  wie  bei  Sch.,  im  Grimmschen  sinn!),  die  L.  wiD,  wird  als  ein 
echo  aufgezeigt  von  den  8  puncten,  in  denen  Sch.  seine  ""unvor- 
greifli  che»gedanken  kürtzlich  eröfnet';  aufgezeigt,  wie  beiden 
hauptsache  ist  reich  tu  m,reinheitundglanz  der  muttersprache, 
erstes  mittel  dazu  prüfung  an  Übersetzung  guter  werke  der  nacbbar- 
YÖlker. 

Verfasser  geht  über  zur  Zeitbestimmung  der  unvorgreiflichen 
gedanken.  gegen  die  bisherige  annähme  (1697)  wird  geltend  ge- 
macht ,  wie  auffallend  jegliche  erwähnung  des  von  L. ,  grade  wo  es 
sich  um  unser  werk  handle ,  so  oft  angezogenen  Sprachschatzes  von 
Casp.  Stieler  (1691)  fehle,  an  der  band  dreier  chronologischen  an- 
spielungen  (in  A  sind  es  nur  zwei,  A  also  älter  als  Eccards  quelle) 
kommt  nun  Verfasser  auf  c.  1679.  die  gröszere  bestimmtheit  im 
titel  wie  in  der  ausführung  des  werkes  selbst  (§  114 — 119  :  Stiftung 
eines  teutschgesinten  ordens  —  fehlen  bei  Eccard),  die  A  vor  Eccards 
quelle  auszeichnet,  liefert  zugleich  einen  beweis  der  innigsten  ver« 


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Bericht  über  die  yerhaudlangen  usw,  deutseher  phüologen.  549 

wandtschaft  beider  Leibnizischen  sehriften,  der  ^ermalinuiig*  (in  der 
ja  beschreibnng  der  nmstSnde,  art  und  weise  der  geseUiM^fk  an- 
gekttndigt  wird)  und  der  'unvorgreiflichen  gedanken'«  wiedenun 
aus  chronologischen  gründen  kann  diese  f  assung  der  nnyorgreif- 
lidien  gedanken  (A)  nicht  die  ursprüngliche  sein:  ver&sser  setet  sie 
m  1699.  die  haltnng  heider  Schriften  ist  aber  so  sehr  die  nSmliche, 
zeigt  80  deutlich  den  feinen  Weltmann,  dasz  nns  in  L.s  antorschaft 
auch  für  die  tinvorgreiflichen  gedanken  der  *dr.  Schottel'  anf  dem 
Umschlag  von  A  keineswegs  irre  machen  kann,  möglich,  so  schlieszt 
Verfasser,  dasz  auf  L.s  anfrage  nach  Schottelschem  nachlasz  der  art 
(9  märz  1680),  die  wir  noch  haben,  der  Wolfenbütteler  bibliothekar 
iinvorgreifliche  gedanken  Schottels  übersandte,  sollten  dergleichen 
aber  auch  in  Hannover  oder  sonst  wo  entdeckt  werden,  so  würden 
sie  nicht  erst  lehren,  dasz  der  grosze  philosoph  als  praeceptor  Ger- 
maniae  betreffs  bearbeitung,  handhabung  und  Weiterbildung  der 
inuttersprache  sich  ganz  an  den  wenig  genannten,  noch  weniger  ge- 
kannten Sprachforscher  anschlieszt. 


Zü  GOETHE. 

Herr  F.  Sehrwald  behauptet  (j&hrb.  1878  II  abt.  s.  353),  es  habe 
bitber  kein  correetor  oder  kritiker  gewahrt,  dass  in  Goethes  'diehtnng 
und  Wahrheit'  teil  8  s.  66  (ausgäbe  letster  band)  das  wort  'erholmig^ 
nur  durch  einen  irrtnm  in  den  tezt  gerathen  sei.  diese  behaaptung  ist 
nicht  begründet:  denn  schon  in  der  bei  Karl  Prochaska  (Leipzig:.  Wien. 
Teschen)  1870  herauflgekomroenen  Qoetheausgabe  bd.  XV  8.219'*  ist  das 
betreffende  wort  richtig  entfernt. 

Hamel»  a,  d.  Weser.  E.  Ziegleb. 


(63.) 

BERICHT  ÜBEB  DIE  VERHANDLUNGEN  DER  DBEIUND- 

BREISZIGSTEN  VERSAMMLUNG  DEUTSCHER  PHILOLOGEN 

UND  SCHULMÄNNER  ZU  GERA 
Tom  80  September  bis  8  october  1878« 
(fortsetcong  und  sehlosz.) 

ßectionssitzungen. 

Die  constituierang  der  einzelnen  sectionen  erfolgte  montag  den 
^  September  nach  schlusz  der  ersten  allgemeinen  Sitzung,  zu  vor- 
Bitsenden  wurden  gewihlt:  1)  in  der  pädagogischen  seetion  prof. 
Stoy-Jena,  8)  in  der  germanistisch- romanistischen  prof.  Sievers- Jena, 
4  in  der  archäologischen  prof.  Gädechens-Jena,  trelohe  drei  herren 


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660      Bericht  Aber  die  Terbandiimgen  der  SSn  yexumiämg 


auch  die  vorbereitunpren  dafür  übernommen  and  die  g^schilftsfn'hmnflr 
besorgt  hatten.  4)  in  der  orientalischen  prof.  Gildemeister- Bonn  und 
A,  Weber^Berlin.  5)  in  der  mmthematisch-iiatarwissenfchafüicheii  real- 
sehiüdirecior  Kiesaler-Gera.  6)  in  der  kiitieeh-ezefetlfldMii  prof.  PiicB- 
Ltlbeok  und  StademoDd-StraBsbarg. 

Die  zahl  der  mitglieder  betrug  in  der  mathematischen  section  SS, 
sie  war  meines  erachtens  ungefähr  gleich  grosz  in  der  orientalischea 
and  in  der  germaniatisch-romanistischen,  wol  etwas  kleiner  in  der 
arehioiogiäcben,  erbeblleh  gröner  (58)  in  der  kritiseh-exegetiachen,  am 
frdelea  eateebieden  In  der  pldegogieeben. 

Ifii  einifer  genanigkeit  nod  anefObrlidikeit  vermag  ick  snr  aber 
die  unter  nr.  1,  3,  4  und  6  genannten  sectionen  bericht  zu  erstatten, 
begnüge  mich  dagt'gen  für  die  germanistisch-romanistische  und  die 
mathematiach- uaturwisäcQscbaftliche  section  im  wesentlichen  mit  der 
Wiedergabe  der  Ten  den  berrea  Toreitxenden  in  der  vierten  allgemeinen 
fttnuif  eretaitetea  referate. 

L  pädagogische  section. 

Da  die  section  dienstag  den  1  october  sich  mit  der  mathematisch- 
naturwissenschaftlichen  vereinigte,  so  fand  die  erste  und  einzige  separat- 
Sitzung  mittwoch  den  2  october  in  dem  saale  der  tonballe  statt,  sie 
begann  8  uhr  unter  dem  vorsitz  des  prof.  Stoy-Jena.  auf  der  tages- 
ordaaaf  itaadea: 

a)  dIseaesioBsfähige  mittettaagea  tob  gjmaaaialdir.  OroBser>Wül- 
stoek  über  grieebische  eztemporalien  and  ezereitien, 

b)  Vorschlag  einer  nenea  projectioB  Tea  eebalwaadkartea  ^ea 

gymnasial  lehr  er  dr.  Zelle-Berlin, 

^  c)  über  ein  erst  später  anzukündigendes  thema  von  gymnasialdir. 
Pähler- Wiesbaden, 

d)  aaeserdem  erkttrea  eieh  gymaasiallebrer  dr.  FrommaBa-BUdiagen 
aad  prof.  Stoy-Jeaa  bereit »  aaf  Terlaagea  der  eecttoa  thesen  Tona- 
legen. 

Dir.  PShler  war  verbindert  zu  kommea  aad  Ton  dea  fibrigea  aa- 
gemeldeten  vortragen  reep.  tbeMU  kamea  aar  die  sab  a  and  b  en^Qm* 

ten  zur  Verhandlung. 

Bevor  dir.  Qrosser  seinen  Vortrag  begann,  erbat  sich  dr.  v.  Kampen- 
Ootba  das  wort  aad  aiaebte  die  aitteiinng,  vor  l&ngerer  seit  sei  den 
Tenebiedeaea  gyaiaaeien  voa  der  Terlagsbacbliaadlang  tob  Jastos 
Perthea-Ootba  eine  einladnng  zur  snbscription  auf  ein  von  ihr  in  an- 
griff genommenes  kartenwerk  und  bald  darauf  auch  ein  probeblatt  aus 
der  ersten  serie  desselbeu  zugeg.mpjen.  es  erscheine  unter  dem  titel: 
'descriptionea  uobilissimorum  apud  classicos  locoram'  und  bestehe  aus 
•pecialkarten  xam  gebraaebe  belai  aaterriebt  I6r  eine  reihe  rSaiiscker 
ond  grieehieeber  aatoren;  I8r  Caeear  eelea  16  la  aaeeleht  gaaoaiaira 
(illuslrationen  zu  de  hello  Gallico  I  23—26.  I  4S— 52.  II  6—10.  II  16- 
28.  III  1-6,  12—13,  14—15,  17—19.  IV  16—19.  IV  20-36.  V  8—23 
V  24-37,  38—51.  VII  14-31.  VII  34—53.  VII  57—62.  VII  66—68.  VII 
69—90.  VIII  7—23.  VIII  32—44),  welche  in  fünf  lieferungen,  jede  zum 
pr^ee  Toa  86  pf.,  bis  eetera  1879  ansgegebea  werden  sollen,  dieser 
eritea  serie  soUea,  wenn  das  nateraebmea  beifall  fiade,  die  Ülnstra- 
tionea  sn  Xenophon,  Cnrtios,  Livins  usw.  so  schnell  als  mSgUcb  aaeb- 
folgen,  jcdfs  blatt  sei  einzeln  für  12  pf.  käuflich,  and  rechne  er  und 
die  verlagsbuclihandlung,  letztere,  um  bei  guter  ausführung  der  karten- 
blätter  den  so  billigen  preis  einhalten  zu  können,  anf  allseitige  onter- 
atStsnag. 

Haa  liesebloss,  samal  voa  der  tetlaaluae  die  weiterfortsetaaiig  des 
karteoaateraehmeas  für  Zeaepboa,  Cartins  asw.  äbhiagig  sei,  die  be- 


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deutscher  philologen  und  schulmänner  zu  Gera. 


551 


strebnngen  des  lieransgfdbert  der  beftohtang  and  nniersttttsang  der  faeb- 
genossen  angelegentlichst  za  empfeblen. 

Darauf  hielt  dir.  Qroiser  leinen  vortrAg  und  stellte  folgende 
theeen  auf: 

1)  das  griechische  scriptum  ist  auch  in  der  prima  und  im  maturitäts- 
ezamen  dnrebans  nnentbebrlieh,  wenn  fiberhanpt  der  grieebieebe  Unter- 
richt nutzen  nnd  frilohte  bringen  soll.  9)  die  methode  moei  —  nnd 
das  bezeichnete  er  als  den  kern  und  brennpunct  seiner  mitteilungen  — - 
bestrebt  sein,  die  griechischen  Übungen  mit  naohdrack  sa  betreibent 
ohne  der  lectüre  zu  viel  zeit  zu  rauben. 

Dazu  maehte  er  folgende  ausführangen :  als  form  der  extemporalien 
ist  in  qnarta  nnd  tertia  die  Ton  karten  sStsen  die  geeignetste;  dagegen 
dfirfen  in  secunda  die  repetltionsextemporalien  aus  rücksicht  anf  die  seit 
nur  aus  einfachen  formen  bestehen,  da  die  formen  die  bausteine  zum 
salze  sind,  so  dürfen  sie  auf  dieser  stufe  nicht  ganz  fehlen;  alle  vier- 
zehn tage  kann  eine  Tiertelstunde  darauf  verwendet  werden,  sats- 
extemporalien  sind  in  den  oberen  dassen  >nr  einftbnng  der  syntax 
erforderlich  nnd  lehnen  sich  in  secanda  an  die  durchgenommenen  syn- 
taktischen pensen  an.  die  sätze  sind  aus  dem  Stoffe  der  classenlectüre 
zu  entnehmen  und  daraus  umzubilden:  in  prima  werden  zusammenhän- 
gende stücke  möglich,  jedoch  entlehnt  auch  hier  der  lehrer  den  stoff 
womöglioh  der  leetllre.  eztemporalien  sind  in  qnarta  ond  tertia  ent» 
schieden  gewöhnlieb  snbitoextemporalien ,  d.  h.  der  sehüler  sobreibt  die 
deutsch  dictierten  Worte  sofort  griechisch  nieder,  auch  in  secunda  ist 
dies  in  der  regel  anzuwenden:  das  extemporale  ist  erforderlich  zur  er- 
langung  der  nötigen  schlagfertigkeit;  für  clausurarbeiten  wird  der  text 
dietiert  nnd  dann  sofort  ausgearbeitet,  in  prima  wird  der  dentscbe 
text  notiert,  aber  sofort  von  den  primanern  griechisch  ins  unreine 
niedergeschrieben;  nach  einer  kurzen  revisionszeit  wird  dann  das  grie- 
chische ins  heft  eingetragen,  diese  regelmäszig  von  Gr.  angewandte 
methode  rereinigt  die  vorteile  der  beiden  andern:  der  sehüler  gewinnt 
seblagfertigkeit,  aber  bebilt  seit  snm  repetieren. 

Von  grosser  bedentnng  sind  die  mfindliehen  extemporalien 
oder  retroversionen  nicht  blosz  übersetzter  capitel,  sondern  auch  noch 
nicht  übersetzter  oder  erst  zum  präparieren  aufgeg-ebener;  sie  sind,  je 
nachdem  sich  ein  capitel  dazu  eignet,  unverhoöt  mit  den  schüIern  voi^ 
»mebmen.  dadnrcb  wird  der  fleiss  der  präparation  vorzfiglieh  contro- 
liert  und  gesteigert;  die  sebüler  wissen,  dass  sie  gesattelt  sein  müssen 
und  flegen  sich  viel  besser  vorzubereiten;  sie  werden  gewöhnt  schlag- 
ferti<:r  zu  sein,  die  lectüre  schreitet  dabei  selbst  fort,  ohne  sonderlich 
viel  zeit  abzugeben. 

An  den  meisten  gymnasien  sind  griechische  Übungsbücher  einge- 
führt; zn  diesen  nimmt  man  bei  etwaigem  mangel  an  zeit  zum  dictieren 
Ton  exercitien  oder  extemporalien  in  der  regel  seine  Zuflucht,  an  vielen 
anstalten  benutzt  man  sie  ausschlieszlich.  im  laufe  der  zeit  ist  es  aber 
nicht  zu  vermeiden,  dasz  panze  hefte  corrigierter  exercitien  in  den  hän* 
den  der  sehüler  sich  befinden,  selbst  dann,  wenn  streng  auf  ablieferung 
dorchgeschriebener  bücber  gedrungen  wird,  abgehenden  oder  erkran- 
kenden Schülern  gelingt  es  häufig  ein  solches  beffc  snrflokzubehalten 
und  damit  einen  ihrer  mitschüler  zu  beglücken,  um  diesem  Übelstande 
abzuhelfen,  läszt  Gr.  ans  den  in  den  bänden  der  sehüler  befindlichen 
lateinischen  Übungsbüchern  passende  stücko  übersetzen;  Seyffert,  äüpfle 
und  andere  qnalifieieren  sich  ganz  gut  dazu,  die  yorbandenen  sebwie* 
rigkeiten  werden  vorher  kurz  erwähnt;  die  Stilistik  kommt  ira  wesent- 
lichen nicht  in  betracht.  Gr.  bat  beobachtet,  dasz  die  sehüler  sich 
schon  beim  zweiten  oder  dritten  male  ganz  gut  hineingefunden  haben. 
~-  Die  rückgabe  der  arbeiten  darf  nicht  viel  zeit  in  auspruch  nehmen; 
der  sebwerpnnet  der  correetnr  mnss  im  banse  des  scbülers  liegen:  die* 
Mr  wird  angewiesen,  bis  zn  einem  gewissen  tage  die  angestricbenea 


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552       Bericht  über  die  Terhandlimgeu  der  3dn  versaxumlimg 


fehler  mit  hilfe  der  gremmatik  doreli  eigenee  nmehdenken  im  lumie 
••Ibet  so  Terbessern.   die  seite  gegenfiber  bleibt  leer,  damit  die  cor- 

rectur  auch  übersichtlich  eingetragen  werden  kann,  gedankenanstaasch 
in  liieser  beziehung  ist  nicht  blosz  nicht  verboten,  sondern  wird  empfoh- 
len als  anregend,  die  wirklichen  Schwierigkeiten  oder  von  den  schü- 
lem  nicht  geftuidenen  Terbetienuigen  bleiben  allein  aar  bespreehnng 
Übrig,  in  eecnnda  aehiekt  der  lehrer  vor  der  zurückgäbe  der  hefte  eiae 
allgemeine  besprechunp^  der  gemachten  bedeatenderen  fehler  voraas; 
die  Schüler  bekommen  während  derselben  die  hefte  nicht  in  die  bände, 
denn  sie  stöbern  sonst  schon  in  den  nächsten  bätzen  hemm  und  wissen 
nicht,  woTon  die  rede  Ift.  ea  ist  notwendig,  die  schriftUeheit  hlss- 
lichen  nachconeetoren  an  controlieren;  der  lelunr  man  aein  vidi  dar- 
onter  achreiben  und  die  Schüler  müssen  zum  zweiten  male  verbessern. 

Wie  die  retroversion  zum  extemporale,  so  verhält  sich  auch 
die  mündliche  Übersetzung  ans  einem  übuugsbuche  zum 
eseroitinm.  hierin  kann  man  daa  eingefOhrte  giieehiache  Qbn&gabnek 
benutaen.  daa  anr  präparation  anfgegebene  atfiek  wird  sata  für  sata 
durchgenommen,  die  einzelnen  perioden  werden  zunächst  vorg'elesen, 
dann  die  arten  der  uebcnsätze  festgestellt  und  die  dazu  erforder- 
lichen conjanctionen  genannt,  andere  scbüler  werden  herangezogen, 
nm  die  atmetar  der  eonjnnctionen  nnd  die  möglichen  yariationen  einer 
construction  ansngeben.  nach  diesen  prälirainarien  musz  ein  anderer 
Schüler  den  satz  vollständig  übersetzen;  dabei  darf  der  lehrer  ihn  nur 
ganz  selten  unterbrechen;  sonät  würden  sich  die  übrigen  scbüler  in- 
swischen  auf  das  folgende  präparieren,  die  eigentliche  berichtigung 
erfolgt  erat  am  ende  der  periode  nnd  awar  wieder  dnreh  andere  neUlcr. 
man  sneht  dabei  möglichst  viele  scbüler  heransnsiehen ,  teila  nm  den 
fleisz  zu  controlieren ,  teils  um  sie  jeden  augenblick  bei  der  sache  zu 
halten,  in  primu  reicht  eine  grammatische  stunde  aus,  und  zwar  kann 
alternierend  einmal  aus  beyffert  usw.  übersetzt,  das  andere  mal  ein 
neneates  grammatisches  pensam  besprochen  werden;  gewiaae  dinge  aber 
miliaen  immer  betont  werden,  io  die  bedentnng  der  modi  dea  aorial^ 
der  unterschied  zwischen  urteile-  nnd  begehmngaaata,  gebraneh  Ton  dn 
oder  des  Infinitivs  in  urteilssätzen  usw. 

Resultat:  die  scbüler  arbeiten  schnell,  die  abiturientenarbeiten  fallen 
gut  ans  bis  auf  die  fonnenfehler  der  tertia:  fast  in  jedem  semcster  über- 
reichen die  primaner  dem  redner  (Gr.)  freie  griechische  arbeiten,  die 
aie  nnanfgefordert  maehen. 

Priaident  glaubte,  daas  dir.  Oroaaer  eine  formnUemng  in  beatimnitea 
aStaen  aneapreehen  wfirde. 

Dir.Grosaer:  1)  das  griechische  scriptum  ist  auch  in  der  prima  und 

im  abiturientenexamen  durchaus  unentbehrlich,  wenn  überhaupt  der 
griechische  Unterricht  nutzen  und  fruchte  haben  soll.  2)  die  methode 
musz  bestrebt  sein,  die  griechischen  Übungen  mit  nachdruck  zu  betrei- 
ben, ohne  der  leeäre  an  Tief  aelt  an  rauben. 

Qeh.  rath  Sehrader-KSnIgsbefig  hSlt  die  belbehaltung  dea  grie- 
chischen scriptums  in  prima  für  eine lebenafrage;  er  wisse,  wie  schwach 
die  leistungen  der  scbüler  gewesen  seien  und  noch  seien;  er  habe  ge- 
legcnheit  gehabt  zu  beobachten,  wie  seit  seinem  amtsantritt  die  leistun- 
gen wieder  besser  geworden  seien,  er  behauptet,  dasz  das  scriptum 
nnd  die  darauf  yerwendete  aeit  keineawegs  anr  beeintrSchtigang  der 
lectüre  dienten,  sondern  anr  fördemng;  deshalb  hält  er  es  für  einen  Ter* 
unglückten  versuch,  wenn  in  secunda  die  grammatik  geschlossen  wird 
und  weist  nur  darauf  hin,  dasz  die  feinere  fühlung  der  spräche  in 
Satzverbindung,  satzbau  und  partikelanwendung  erst  in  prima  dem 
aehttler  anm  bewnstsein  gebracht  werden  könne,  die  leetnre  wild 
besser  von  ihm  getrieben,  wenn  er  durch  fortwährende  atndien  in  den 
besita  der  apraehe  gebracht  wird.  Sehr,  würde  aich  freuen,  wenn  yoa 


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deuiaoher  phüologen  und  scbolinftiiiier  zu  Gerai, 


553 


ler  Tersammlang  ein  zeugnis  für  die  onentbebrlicbkeit  des  scriptoms 
ibg«lagt  werde. 

Prof.  Eckstein;  'ich  freue  mich  darüber,  dasi  wir  einen  gegen- 
ständ zu  besprechen  haben,  der  allgemeines  interesse  und  praktische 
jedeutung  hat;  aber  ich  möchte  warnen,  dasz  wir  nicht  eingehen  in 
nne  genauere  besprechung  der  entwickelten  methode;  es  sind  eine 
masse  von  dingen,  über  die  zu  streiten  keinen  werth  hat.  die  methode 
let  der  lehrer;  wenn  direetor  Grosser  es  so  macht,  macht  ein  anderer 
ia  anders,  mein  vorsehlag  geht  dahin,  dasz  der  vor  Einigen  Jahren  in 
Leipzig*  aufgestellte  grnndsatz  auch  heute  wieder  angenommen  werde: 

das  griechiscbe  scriptum  ist  in  prima  unentbehrlich,  um  die  sicher* 

heit  in  der  lectüre  zu  erzielen, 
et  freut  mieli  hervorgehoben  zu  sehen,  dass  die  lectttre  das  wich- 
tigere sei. 

Dir.  Grosser  erklärt,  er  habe  nur  ein  ezemplura  geben  wollen, 
wie  mans  machen  kann,  und  die  thesen  nicht  zur  discussion  zu  bringen 
beabsichtigt,  der  kernpunct  seiner  auseinandersetzungen  sei:  die  me- 
thode mfisse  darauf  bedacht  sein,  der  leotfire  nicht  an  viel  zeit  zu 
rauben,  sondern  dnroh  intensives  wirken  einen  nachdraek  anf  gramma- 
tische Studien  zu  legen. 

Dir.  Oberdick-Münster  erklärt  sich  einverstanden  mit  prof.  Eck- 
stein und  hält  den  Zusatz  4m  interesse  der  gründlichkeit  der  lectüre' 
für  notwendig. 

Scholrath  Krnse-Daasig  erachtet  fOr  wllnscbenswert,  dass  nicht 

in  jeden  satz  eine  masae  von  Schwierigkeiten  nod  ^Verschmitztheiten* 
hineingebracht  werden;  das  griechische  scriptum  sei  beizubehalten,  aber 
dürfe  nicht  eine  palästra  für  alles  mögliche  sein,  er  versteht  es  nicht, 
wie  .mau  aus  einem  lateinischen  Übungsbuche  exercitien  für  das  grie- 
chische machen  kann,  nnd  besonders»  wie  die  Übungsstücke  Aber  den 
coiganetiv  fkitnri  übersetzt  werden  sollen. 

Dir.  Grosser:  'ich  glaube,  der  Vorwurf  ist  doch  ziemlich  erledigt 
durch  den  gemachten  Zusatz,  dasz  es  sache  des  lehrers  ist,  mit  Sorg- 
falt geeignete  stücke  auszuwählen,  es  handelt  sich  hauptsächlich  um 
einfibung  der  casuslehre ;  dazu,  meine  ich,  reicht  Seyffert  usw.  aus.  es 
kommt  nur  darauf  an,  ein  buch  zu  finden,  das  in  den  binden  der 
•ehiiler  ist.' 

Präsident  wünscht  die  erste  these  zum  abschlnsz  zu  bringen;  er 
hält  es  für  erforderlich,  eine  erklärung  abzugeben  für  die  unentbehr- 
lichkeit  des  griecliischen  scriptumsi  er  wünscht,  dasz  die  these  trotz 
des  Leipziger  beschlusses  emenert  werde,  weil  die  angriffe  gegen 
das  scriptum  sich  neuerdings  wiederholt  und  Tcrstürkt  haben« 

Nachdem  dann  der  thesensteller  seine  fassung  zurückgezogen  und 
die  Ecksteinsche  befürwortet,  wird  die  these  in  der  oben  erwähnten 
(von  Eckstein  proponierten)  form  einstimmig  aufi^enommen. 

Darauf  schlägt  prof.  Hirschfelder  folgende  fassnng  der  «weiten 
thsse  Tor; 

eine  richtige  methode  hat  zu  verhüten,  dasz  an  die  kraft  und 
zeit  der  schüler  zu  hohe  anforderungen  gestellt  werden. 
Prof.  Eckstein  erklärt  sich  damit  einverstanden,  wünscht  nur  statt 

der  Worte  'eine  richtige  methode  hat'  das  einfache  'es  ist'  gesetzt  zu 

sehen; 

In  dieser  Terinderten  form 

es  ist  zu  verhüten,  dasz  an  die  kraft  nnd  seit  der  schttler  sn 
hohe  anforderungen  gestellt  werden 
wird  die  these  scblieszlich  einstimmig  angenommen. 

Bealscknllehrer  dr.  Wittich-Kassel  erklftrt,  die  realschale  sei  in 
«hier  gewissen  weise  angegriffen  worden,  ale  ob  sie  front  mache  gegen 

*  Ygl.  diese  Jahrbücher  1872  2r  teil  s.  197. 


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664      Bericht  über  die  Verhandlungen  der  33n  Tersanunlung 

dM  rautatiiiiB;  «r  glaabe  <U«  realiehiile  dag«f«ii  ▼enrakran  m  mVim: 

«wir  U  kinpfen  für  die  realschale,  lüeht  gegwi  das  gymnasiam.'  obgkMi 
er  keinen  griechischen  uuterricht  erteile,  sei  er  doch  mit  dem  ^rösten 
teile  dessen,  was  dir.  Grosser  gesprochen,  soweit  es  den  sprachlichea 
Unterricht  anbetrifft,  sehr  einverstanden;  dieselben  thesen,  wie  über 
dM  ■criptum  im  grieehiaeheii  «od  die  granmatik  im  TerliilftBit  nr 
lectüre ,  wfinaehe  er  auf  realschnlen  ausgesprochen,  bisher  habe  keift 
lateinisches  scriptum  auf  der  realschuie  bestanden  und  der  respect  vor 
der  spräche  sei  nicht  der  nötige;  er  werde  vorhanden  sein,  wenn  be> 
Stimmungen  getroffen  würden,  dasz  in  xukunft  eine  abiturientenarbeit 
in  latoiaiaeheii  geraaeht  werde,  wie  im  der  provini  HeneaoHaMMU 
der  seküler  solle  dadurch  nicht  mehr  belastet  werden,  nber  die  adh 
tnng  vor  der  spräche  werde  ihm  gröszern  fleisz  geben ,  und  wenn  mit 
nachdruck  vom  lehrer  die  retroversion  usw.  betrieben  werde,  wenn  die 
aufmerksamkeit  wach  gehalten  werde  durch  äuszerlichkeiten,  wie  er- 
wiknt,  wenn  einkeitliehe ,  riektige  aettiode  geübt  werde,  dnnn  wMm 
die  realschnlen  im  latein  mehr  wa  leisten  im  stände  sein* 

Nächstdem  legt  gymnasiallehrer  dr.  Zelle -Berlin  der  section  seine 
in  einer  neuen  projection  entworfene  wandkarte  von  Europa  vor.  er 
verpönt  die  bisher  übliche  darstellung  sei  es  der  meridiane  oder  der 
parallelkreiee  oder  beider  sugleieh  mit  krummen  linien  und  empfiehlt 
statt  deren  den  gebranoh  der  geraden  linien,  nm  Ton  eeztn  an  sine 
gleichmUszige  geographische  anschanong  zu  erzielen,  besonders  werde 
auf  diese  weise  dem  Übelstande  abgeholfen,  dasz  dem  schüler  in  der 
classe  ein  land  in  ganz  anderer  gestalt  und  läge  erscheint  als  zu  bause 
avf  seinem  atlas,  weil  dort  —  wegen  der  meist  nnsureichenden  hilfs- 
mittel  beim  geographieeken  nnterriekt  —  die  wandkarte  dos  'Ordteib 
benutzt  werde,  der  schftler  aber  zu  hause  im  Interesse  der  grfindliok- 
keit  der  repetition  die  specialkarte  des  betreffenden  landes  zu  ratbe 
ziehen  werde,  dazu  komme,  dasz  die  absieht  jener  darstellung,  dem 
Schüler  einen  begriff  von  der  kugelgestalt  der  erde  beisubringen  oder 
Tiolmekr  ein  wirkliehos  kngelttttek  In  effigie  TonnfBkren,  nnf  gedaelte 
weise  gar  niekt  erreicht  werde,  weil  der  schatten  nickt  angewandt  wer- 
den könne,  ein  einseines  bild  ohne  sokstton  nns  aber  nie  den  begriff 
einer  kugel  gebe. 

Präsident  dankt  dem  vortragenden  für  den  dnrckans  neuen  ge- 
danken,  sckneidot  aber  mit  kinweis  anf  die  vorgerückte  stunde  jede 
disonssion  ab. 

Zum  schlusz' ergreift  gymnasiallehrer  dr.  Koldewey- Wolfenbüttel 
das  wort:  er  beabsichtigte  einige  mitteilungen  zur  schulgeschichte;  es 
sei  jetzt  eine  rege  thatigkeit  auf  diesem  gebiete;  es  würden  viele 
specialgesekiekten  angefertigt  mit  groszer  gründlicjikeit  and  TieleiB 
fleisze;  dadurch  werde  wichtiges  material  für  ein  zusammenfassendes 
werk  der  geschichte  der  päda^^ogik  geschaffen,  die  bis  jetzt  erschie- 
nenen werke  der  art  litten  siimmtlich  an  dem  fehler,  dasz  die  detail* 
forschung,  die  geschichte  der  einzelnen  gjmnasien,  nicht  genügend  be- 
rileksiektigt  sei.  man  kenne  die  fükrer  Melanektkon,  fttorm,  Batiehhis 
nsw.,  aber  wie  nun  die  armee  der  sekalmKaner  deren  programm  durch- 
geführt habe,  wisse  man  bis  jetzt  wenig;  man  höre  den  coramandoruf 
der  officiere,  kenne  aber  weder  das  exercierreglement  noch  die  exer- 
citien  der  truppen.  er  sei  der  meinung,  dasz  eine  kenntnis  der  Schul- 
bücher, welche  seit  der  reformationsseit  an  protestantiseken  gjnmasiea 
Dentsehlands  gebraucht  worden  sind,  notwendig  sei;  man  müsse  also» 
um  gerade  die  methodik  und  technik  des  unterriehts  kennen  zu  lemeoi 
bei  der  abfassung  von  schulgeschichten  sein  angenmerk  darauf  richten, 
welche  Schulbücher  eingeführt,  wie  lange  sie  da  und  in  gebrauch  ge- 
wesen seien  nsw.  dann  könne  in  zusammenfassender  weise  eine  sta~ 
tistik  der  seknlbfieher  hergestellt  werden:  von  besonderer  wicktl^^eit 
würde  dies  anek  für  die  gesckickte  des  religionsuntsriickts  sein. 


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deutBoher  philologm  tind  Bchulmftnner  su  Qtmm, 


565 


Prof.  Eckstein:  die  ausführung  dieses  Wunsches  sei  nicht  so  leicht, 
^vie  K.  sich  denke;  dieser  habe  ja  selbst  eiaeu  prächtigen  versuch  ge- 
maohty  ttbar  einige  lehrbfieher  eine  »ehr  aoenrste  bibliograpldMhe  sa- 
ssmmenstellang  zu  geben;  er  selbst  (E.)  sei  einen  guten  e^ritt  weiter 
gegangen  und  habe  für  die  lateinischen  Schriftsteller  das  raaterial  seit 
dem  I6n  Jahrhundert  zusammenzustellen  gesucht;  aber  er  wisse  recht 
gut,  was  für  lücken  er  in  seiner  Sammlung  noch  habe;  der  grund  da- 
von sei:  unsere  bibliothekeil  haben  nie  darauf  geachtet  schnlbücher  za 
sammeln p  und  es  sei  sof all,  wenn  Sltere  seholbibliothekra  nodh  exem- 
plare  alter  schalbficher  haben,  die  gröszeren  g^ammatiken,  rhetoriken, 
Stilistiken  usw.  seien  meist  noch  vorhanden,  aber  die  Schulbücher  seien 
rar  und  meist  verloren  gegangen,  indes  der  wünsch  K.s  sei  «ehr  ge- 
rechtfertigt und  deshalb  hoÜ&  er,  dasz  diejenigen  berreu,  die  samm- 
Innc^n  haben,  denselben  nnterstütien  werden,  er  danke  für  die  von 
K.  gegebene  anregnng. 

Nachdem  prof.  Eckstein  dem  Vorsitzenden  für  seine  thiitigkeit 
gedankt  und  letzterer  die  anwesenden  religionslehrer  im  namen  des 
dx.  Heinzelmann-Erl'urt  aufgefordert  hat,  sich  behufs  Organisation  eiues 
enffem  snsammensehlnsses  tiur  die  znkunft  in  ein  separatsimraer  ma  be- 
geben, wird  die  sitsnng  gesehlossen. 

n.  Kriti8ch*exegetische  section. 

Die  kritisch-exegetische  und  die  archäologische  section  haben  ge- 
meinsam getagt,  dergestalt,  das«  in  der  ersten  sitinng,  dienstag  8nhr, 

die  Verhandlungen  der  erstgenannten,  in  der  zweiten  sitanng,  mittwoch 

8  uhr,  die  der  letztgenannten  section  auf  der  tagesordnung  standen,  in 
der  dritten  gemeinschaftlichen  Sitzung  aber,  mittwoch  nachmittag  4  uhr, 
die  restierendeu  vortrage  beider  sectiouen  erledigt  wurden. 

Erste  sitsnng,  dienstag  8  uhr. 

Zur  besprechung  kamen  eine  reihe  thesen  von  prof.  Bernardakis- 
Athen:  conjecturen  aus  Sophokles,  Thukydides,  Plutarch,  Diogenes 
Laertius;  es  waren  drei  emendationsversucbe  zum  Sophokl eischen  Oedi- 
pu  Colonens  und  je  ein  textrerbessemngSYorsehlag  au  Thukydides, 
Plutarch  und  Dionysius  Laertius.  eine  Xenophontebche  stelle  (Cyri 
instit.  III  1,  86)  gelangte  nieht  anr  yerhandlung;  an  die  übrigen 
knüpfte  sich  eine  teils  längere,  teils  kürzere  discussion.  da  ich 
nicht  in  der  läge  bin,  die  einzelheiten  derselben  vorführen  zu  können, 
begnüge  ich  mich  mit  der  angäbe,  dasz  die  emeudation  einer  stelle  aus 
Plutarehs  eonriv.  sept.  sap.  den  misten  beifaU  fand  und  allgemein  IKr 
•ehr  probabel  gehalten  wurde,  und  lasse  die  theaen  B.fl  unter  angäbe 
des  ursprünglichen  textes  folgen; 

1)  Soph.  Oed.  Cd,  v.  361: 

i-^sh  Td  ^€v  Tiaerifiae*  änaeov,  irdrcp,^ 

l^TlTOOca  T?1V  ci\V  ItOO  KötOlKOinC  TpOtp/^V 

irapClc*  Wcuj.   Mc  TÄP  o^'Xl  ßoiiXoiiai 
iTOVoOcd  T*  dX^etv  xal  Xi^ovc"  avQ\c  TrdXiv. 
B.  will  statt  Tpoq)f|v  Kpuq)f|V  lesen  in  gleicher  bedeutung  wie  KaxOKpucpn 
(cf.  Oed.  Col.  v.  218:  oö  yäp  ixiiJ  KaxaKpiMpdv).   bedenken  erregt  die 
Mbildung:  denn  Kpu9r|  ist  in  der  ganzen  griechischen  litteratur  aisht 
'>«l««t. 

t)  8oph.  Oed«  Col.  876: 

Xib  M^v  vcdTujv  Kai  Xp6vu)  ficfwv  y£fdjc 
TÖv  TipöcSc  YtvvTiödvTa  TToXuveiKTi  Opövwv 
diT0CT€p{cK€i,  KdEeXfjXaK€v  irdxpac. 
6  b',  <bc  Ka8*  i\\xäc  CcB'  6  irXfi^uiv  Xötoc, 
Tö  KoUov  *ApTOC  ßdc  qpUT^i  irpocXa^ßdvei 
KffiU  T€  Kaw6v  Kol  Ewacmcrdc  9U0UC, 


u  kju,^  jd  by  Google 


556      Beriekt  fiber  die  Yerhandlnngea  der  33n  TersammloDg 
• 


\bc  oOtik'  "ApTOC  fi  tö  Kaö>x€iujv  ir^bov 
Ttfi^  KaOllov    irpöc  oöpovöv  ßißAv. 

•Utt  des  in  apogr.  Paris.  2712  stehcadea  MBNEov  Um!  Dindorf  «oO&liV. 

B.  ■ehlii^  vor  T.  380.  381  folgend erinaszen  so  lesen : 
U>c  auriK*  'Apfoc  ol  tö  Kab^€{«Juv  tt^&ov 
Tifi^  Ka6^ov  Kai  (oder  k^Ic;  naxpöc  6pövov 

and  Terteidigt  dieM  leMurt  nater  hinwait  naf  t.  876.  877. 

8)  Soph.  Oed.  Ool.  t.  818  s 

^apTupofiai  Toucb*,  o6  c^,  irpöc  hi  touc  <p(Xouc 

Ol'  dvraMcißci  ^tf)|MiT*,  4v  c*  IXtti  WQfti  (oodicce). 
dufüx  bietet  Dindorf : 

>iapTupOMai  toucö*  oöxi  c*,  6c  tvuicci  <piXouc 

ot  dvTo^cißei  K.  T.  X. 
B.  vefONitei: 

MapTupoMQt  ToOcb',  oö  c^,  wfioMrmx  ^iXouc. 

4)  Thokyd.  V  111  cxtr. :  ckotttTtc  ouv  xal  MCTacrdvTUJV  i^mjuv  Ka\ 
iv6u|i€Tc6€  TToXXdKtc  ÖTi  Tiepi  TTarpifecc  ßouXcOecSe,  r\v  fiiäc  ir^pi  koI 
^(av  ßouXi^v  TuxoOcdv  Te  Kai        KaTop6dicacav  ^cxai  (andere  lesart 

ICT€). 

B.  lieet:  TT€pl  mnfrf&oc  ßouXcüccGc  dc9aX€iac  «4pi,  waA  pCmr 
ßouXiftv  .  .  .  icxL 

5)  Plutarch.  conviv.  «ept.  aap.  c.  2  p.  147  b:  FeiupToO  ydp  dKpi- 
bac  Kai  öpviöac  dvxi  TrupOjv  xal  KpiGujv  cuxKOMiZeiv  ^Ö^Xovtoc  oObiv 
biaq)^pei  Tupavvoc  dvöpairdöujv  f^dXXov  dpxciv  fj  dv&puiv  ßouXöfiCvoc. 

Die  paläographiscli  leichte  Koderang  tob  dkpibac  in  Kvi&ac,  nesseln, 
die  B.  befürwortet,  ist  hinaichtlidi  der  bedeniong  anspreebend  and  findet 
allgemein  anMang.  ansserdem  (liest  B.  mit  D5bner  ftvuivibac  statt 
OpviOac. 

6)  Diog.  Laert.  in  vita  Xenopliontis: 

'AcBeviKH  T€  XÖTUiv  bväc  fi  Tpidc     €n  iröpcui 

ofoc  advo^diov  ^t*  Aiq((vou  oök  iiriiiciO^c  xpAf^ 

statt  ^mirciOi^c  findet  sieb  anob  die  lesart  diroO^c  B.  proponiert  £»l- 

gende  emendation: 

oXouQ  Eeivcxpöuiv  öcIt'  Alcxivou  ouk  ini  )xicd4'* 

Zweite  sitsnng,  mittwoob  4  nbr. 

Znnftcbst  trägt  dir.  Klnssmann-Rndolstadt  seine  ansiebt  fibcr 
einen  loeos  eoaeuuaatus  in  Ciceros  schrift  de  oratore  I  86  TOr»  den  er 

foigendermaszcn  emendiert  zn  sehen  wünscbt: 

quaerebat  cur  prooemiis  et  epilog^is  et  DC  huiasmodi  nngis  — 
sie  eniiu  appellabat  —  referti  essent  eoram  libri. 
die  bandsebriflen  nnd  beransgeber  bieten  dnrebweg:  cor  de  prooenib 
et  de  epilogis  et  de  hninsmodi  ete.  den  bauptanstosz  habe  an  diestf 
stelle  die  präposition  de  gegeben;  man  habe  sich  begnügt  (besonders 
Mayhoff  im  99n  bände  dieser  Jahrbücher  s.  791  —  795)  referti  gleich- 
bedeutend mit  multi  zu  nehmen,  ein  beispiel  dieser  art  sei  nicht  auf- 
snfinden;  man  babe  rieb  sogar  bemfibt»  biersn  die  siOitere  art  des  ge- 
bvanebs  bei  Tertnlüan  berbeisusiehen.  andererseits  habe  Majboff  vor- 
geschlagen: de  eiusmodi  rebus  nugis.  die  verbindung^  nugae  de  sei 
unciceronianiscb ;  er  selbst  glaube,  es  habe  an  dieser  stelle  gar  keine 
präposition  gestanden ,  sondern,  da  man  mit  majuskeln  schrieb,  DC  » 
seseentis.  ein  ibnliebes  Tsrsebreiben  liege  in  der  Tita  Tenatiiia*  ?or, 
wo  das  wort  CVM  nnd  die  saJü  CVIII  Terwecbselt  worden  sind. 

Dir.  S  o  ro  f-Putbus:  die  conjectur  sei  ansprechend,  aber  er  Termisse 
ein  wesentliches  requisit,  die  notwendigkeit  derselben,  warum  solle 
man  nicht  sagen  können:  über  refertus  est  de  aliqua  re?  eine  ana- 
logie  dieses  gebranebs  wäre  multum  esse  de,  es  liiesse  so  viel  als  *ls^ 
giter  ezpositnm  est  de  bae  le'.  es  komme  binsn,  dass  ibm  niebt  reelit 


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deaiBoher  plnlologen  und  Bchnliiütainer  za  Geia. 


gefallen  wolle:  prooemiis  et  epilogis  etc.  die  artes  rhetoricae  sind 
angefüllt  mit  proömien  und  epilogen  etc. 

Dir.  Klnssmanxi  glaubt,  dass  die  beziehung  auf  exponere  aliquid 
und  da  aliqna  re  scbwerlich  am  platia  ist;  referoire  aJiquid  de  aliqua 
re  sei  absolut  für  sieh  undenkbar,  ferner  verweist  er  auf  das  wieder- 
holte 'et';  der  redner  habe  die  absieht  gehabt,  die  einzelnen  termini, 
auf  die  es  ankommt,  anzuführen,  endlich  erklärt  er,  er  sei  von  vorn 
herein  nicht  der  meinung  gewesen,  als  seien  Sammlungen  von  proömien, 
bespiele  toh  epilogen  nsw.  in  Terstehen. 

Prof.  Bursi  an -München  pflichtet  Sorof  liinsiobtUeh  der  beibelial- 
tnng  des  überlieferten  textes  bei;  der  redner  wolle  nicht  sagen,  die 
libri  seien  angefüllt  mit  dingten  wie  proömien,  sondern  mit  auseinander- 
setzungen,  Vorschriften  für  proümieu  usw.  er  glaube,  es  lasse  sich  die 
fiberliefsrang  mit  einer  leisen  breTiloqneni  erklftren;  man  mttsse  ein 
wort  wie  ezpositionibus ,  dissertationibns  ergänzen  und  übersetzen:  er 
fragte,  warum  die  bücher  derselben  angefäUt  seien  mit  aoseinander- 
setzungen  über  proömien,  epilogen  usw. 

Dir.  Klussmann  würde  ganz  dieser  ansieht  beistimmen,  wenn  es 
sieb  niobt  um  die  bedeutendste  sehrift  Gieeros  handelte;  in  den  Tosen- 
lanen  z.  b.  würde  er  viel  weniger  bedenken  haben. 

Prof.  Kvicala  will  de  in  der  bedeutung  'was  anbetrifft'  nehmen. 

Dir.  Sorof  würde  refertum  esse  de  mit  analogien,  selbst  aus  der 
Schrift  de  oratore,  gestützt  haben,  wenn  er  vorher  darum  gewust  und 
seit  xnm  snehen  gehabt  hfttte.  warum  in  einem  dialog  eine  solche  rede- 
weise  nicht  gebraucht  worden  sein  könne,  sehe  er  nieht  ein;  das  moment 
der  gefeiltheit  der  sehrift  könne  er  nicht  anerkennen. 

Prof.  D  int  er- Grimma:  anszerhalb  des  Zusammenhangs  sei  die  con- 
Jectur  ganz  vortrefflich,  aber  in  den  Zusammenhang  passe  sie  nicht. 
§  86  am  ende  stehe  de  diseiplina  ioTentntis,  de  institia,  de  patientia 
usw.,  und  bald  daranf  in  §  86  de  eivitatibns  instituendis,  de  scribendis 
legibus,  de  aequitate,  de  iustitia  usw.  dieser  parallelismus  überzeuge 
D.,  dasz  unsere  stelle  vollständig  echt,  dasz  die  drei  de  hintereinander 
in  de  prooemiis  et  de  epilogis  et  de  huiusmodi  nugis  nicht  zu  besei- 
tigen sind. 

Dir.  Klnssmann:  wenn  dieser  parallelismns  wirklieh  Torhanden 
wäre,  dann  würde  er  sich  nicht  so  finden,  dasz  er  gegen  die  gewöhn- 
liche construotionsweise  spräche;  dann  seien  auch  mehr  als  drei  glieder 

zu  erwarten. 

Prof.  Linker  denkt  an  einen  titel  ^de  prooemüs%  der  als  in- 
deelinabile  behandelt  wäre;  dann  könnte  man  dir.  Klussmanns  ansieht 
betreffs  der  ändemng  des  letiten  de  in  DC  «  sescentis  immerhin  bei- 
pflichten. 

Dir.  Klussmann  und  dir.  Sorof  geben  nicht  zu,  dasz  eine  solche 
angäbe  mit  gänsefüszchen  gegen  die  satzconstruction  möglich  sei. 
Damit  sehKesst  die  debatte  und  es  erhält  nnnmehr  das  wort 

dr.  Gropius-Weitbnrg  rar  entwicklung  seiner  ansieht  über  die 
ßtello  in  Apollonins  Argonautica  IV  1031 — 1032,  und  im  anschlusz  daran 
über  die  Verteilung  des  textes  dieser  sehrift  auf  blätter  und  Seiten  in 
dem  codex  prototjpus  und  dem  Laurentianus  32,  9. 

Die  betreffende  stelle  lantet; 

0(fV€K€V  tC»)Ll€T^pOtaV  dT02Io)uiai* 

Gropius  nimmt  hinter  9^pTaT0i  eine  lücke  an;  wie  sie  im  einzelnen 
ansraffiUen  sei,  könne  er  nieht  angeben,  vermute  aber,  dass  der  genitiT 
^fi^uiv  TÖn  einem  ausdruck  des  bittens  abhänge,  der  an  der  bezeich* 
neten  stelle  ansg-cfallen  und  dasz  ein  versglied  fehle,  welches  einen 
grnnd  für  diese  bitte  enthielt,  was  nach  Gr.s  ansieht  etwa  zu  ergänzen 
ist,  geht  aus  seiner  Übersetzung  der  stelle  hervor:  ^ 


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558      Bericht  über  die  Teriiandlmigeii  der  88n  yemmmlimg 


'eacli,  meine  tbeuersten,  bitte  und  beschwöre  ich,  mir  beizustehen, 
weil  ihr  mich  hierher  geführt  habt  und  weil  ich  um  eurer  kämpfe 
willen  im  eorge  bin.* 
Or.  gibt  darauf  an,  er  sei  sn  der  emialiaM  einer  IScke  hnoptelehliek 
durch  die  betracbtung  dessen  gekommen ,  was  Keil  in  seiner  recension 
den  Lnurentianns  32,  9  über  die  letzten  quaternionen  des  codex  berichtet, 
und  führt  dann  aus,  wie  der  tezt  im  du  quaternio  auf  die  einzeloen 
Uliter  TerteiH  iet:  dereeibe  enilillt  t.  1068—17»  dee  IV  bnehe  nnd 
xwar  kommen  dnrchsehldttlich  auf  jede  seite  42  verse  (1729  —  1058«« 
671.  672  :  16  »  42).  an  drei  stellen  ist  eine  erhebliche  abweichang: 
auf  der  rückseite  des  ersten  blattes  stehen  nur  17  verse,  auf  der  Vorder- 
seite des  2n  blattes  auf  der  rückseite  28,  auf  der  vorderseLte  des 
8n  blattes  70,  aaf  der  rttekeelte  fS.  ans  dem  felden  von  S6  yersen  enf 
der  rttekeeite  des  ersten  blattes  (17  -|-  85  49)  und  daraus,  dasz  die 
summe  der  verse  des  2n  und  6n  blatte«  ^32  -f  28  +  70  -f  62  =  19-2) 
um  25  (thatsächlich  24)  gröszer  ist  als  man  bei  der  durchschnittszabl 
von  42  Versen  pro  seite  erwartet  (4  •  42  168),  schlieszt  Gr.,  zujnal 
die  sahl  25  noch  öfter  in  ftbnüeher  weise  wiederkehrt,  dast  im  eodsi 
prototjpas  anf  der  eeite  S6  verte  geetaoden  haben,  und  setzt  nnn  an 
der  band  dieser  thatsachen  auseinander,  dasz  in  der  abschrift  der  ersten 
band  im  8n  quaternio  100  verse  =:  4  selten  »  die  mittelste  blattlage 
fehlen,  welche  wol  in  dem  von  dem  abschreiber  benutzten,  in  desolatem 
sastande  befindlichen  codex  verloren  gegangen  waren,  und  femer,  dass 
doreh  aoseinandenreissea  der  lasaminenhlngenden  blätter  1  nnd  8,  2 
vnd  7,  8  ond  6  im  folgenden  qnalemio  nnd  durch  anf  dieee  weise  her- 
vorgerufenes abscbrei^Mt  einiger  Seiten  am  fabehen  orte  eonAtsion  an- 
gerichtet worden  sei. 

Obwol  dr.  Gropius,  um  die  sache  zu  veranscbaolichen,  eine  ark 
faesimile  der  betr.  partlen  des  eodez  Lanrentianns  «nd  des  eodez  pro- 
totjrpus  hergestellt  hatte  nnd  den  mltgliedern  der  section  bereitwilligst 
vorlegte,  kam,  da  die  zeit  dränp:te,  eine  discusgion  nicht  zu  stände. 

Nur  noch  zwei  bemerkungen  wurden  daran  geknüpft:  prof.  Stude- 
mund- btraszburg  äuszcrte,  dasz  er,  wenn  die  verse  1031  und  1032  des 
IV  bnebes,  xwisehen  denen  Gr.  eine  lüeke  annimmt,  nieht  den  anfing 
oder  scblnss  einer  seite  gebildet  bitten,  der  ansteht  des  votvednefs 
niebt  beistimmen  könne. 

(Die  verse  stehen  in  der  mitte  der  7n  seite,  welohe  y.  1027 — 1049 
umfaszt.j 

Prof.  Bnrslan-Mflneben  meinte,  öm^wv  nnd  ü^eT^poiov  könnten 
nieht  beide  dagestanden  haben,  «ns  sei  richtig,  das  andere  müsse  fallen  , 
cormpt  wäre  demnach  die  stelle,  aber  dnrek  die  annähme  einer  lüeke 
liesze  sie  sich  schwerlich  heilen. 

Darauf  legte  prof.  Linker-Prag  den  mitgUedern  der  section  zwei 
emendatfonsrersaene  sv  Yerg.  Ann.  II  f7ft  nnd  Hör.  sat.  I  9,  18  tot. 
an  beiden  stellen  steht  ein  verhorn  im  prIsens,  wo  man  ein  perfeot 
erwartet,  die  einzige  analogie  zu  diesem  auffallenden  gebrauche  des 
präsens  ist  nach  seiner  meinung  Verg.  Aen.  IX  266:  cratera,  quem  dat 
Sidonia  Dido  (vergl.  jedoch  II  663).  dazu  kommt  an  der  ersten  steile 
ein  metrisches  bedenken,  darin  bestehend,  dass  der  vers  nor  eine  cäsnr» 
die  hephtbemlmeres,  hat.  der  vers  der  Aeneide  lantett 

Heetore  qni  redlt  exvrias  Indntns  AehtlH^ 

nach  Linkers  Torsehlag  aber 

qnl  rediit  magni  «zsTias  Indntns  AehiUi. 

In  der  sieh  darüber  entspinnenden  debatte  erUirte  snniehst  prof. 

Evicala-Prag,  dasz  er  die  notwendigkeit  dner  indemng  nicht  ein- 
sehe', da  der  gebrauch  eines  historischen  tempns  im  relativsatze  durch 
eine  andere  Vergilstelle  erwiesen  sei,  da  auszerdem  die  analogie  de» 
grieohischen  für  diesen  gebrauch  spräche  und  ferner  das  wort  Heetore, 


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deataoher  philologen  und  achiüiiifiiioer  m  Gem. 


in  dem  nach  seinem  bedünken  und  gfefühl  etwaf  bedeutsMOOSi  ergrei- 
fendes liege,  nur  ungern  vermiazt  würde. 

Prof.  Stade  nun  od  ststaiert  die  Termiisfte  sweite  eitar  hinter  qni 
und  glaubt,  dasz,  da  erwies enermaszen  die  e&nur  »aoh  in  die  mitte  too 
compositis  fallen  könne ,  die  möglichkeit  vorliege,  die  penthemimeref 
hinter  ex  in  ezuvias  anzunehmen,  er  hält  redit  für  die  einzig  richtige 
lesart  und  erklärt  die  stelle:  'wie  sehr  von  jenem  Heotor  verschieden 
ist  der,  der  eilen  bekennt  iit  eis  der  eieggekrönte,  der  eben  sorück- 
kebrt  ans  dem  kämpfe.' 

Dir.  Stier -Zerbst  will  durch  Umstellung  rcmedar  sekeffen: 

Hectore,  qui  exuvias  rediit  indutus  AchilH. 
Dir.  Klaszmann-Kudolstadt  raeint,  dem  dichter  hätten  bildliche 
deretellnngen  yorgesebwebt,  nnd  erklSrt  'Ton  dem  Hector,  den  ihr  selbst 
seht,  den  die  leser  kennen*. 

Die  sweito  in  betracht  kommende  stelle  (Hör.  sat.  I  6,  18)  lautet: 

Tarquinins  regno  pulsus  fu^it  unius  esiis 

non  unquam  pretio  pluris  licuisse. 
dafür  scbreiht  Linkers 

Rex  regno  pnlsns  fiigit  non  nnine  eeele 

hinc  unquam  pretio  pluris  licuisse 
nnd  meint,  an  dieser  stelle  sei  der  name  Tarquinius  am  anfange  des 
Verses  als  ein  glossem  ca  betrachten,  durch  das  das  wort  rex  verdrängt 
worden  sei. 

Prof.  Kvicala  gibt  die  notwendigkeit  der  laderung  nieht  txu 

Stadtschnldir.  C  an  er*  Berlin  bftlt  dee  perfeet  für  notwendig  nnd 
will  fnit  für  fugit  lesen. 

Prof.  Blass-Kiel  schlägt  Umstellung  vor: 

Tarquinius  fugit  pulsus  regno  unius  assis. 

Prof.  Linker  hllt  die  nmetelinng  mehrerer  werte  fitr  Tiel  kUnet* 
Ii«sher  als  die  annähme  des  eindringen«  einer  glosse. 

Darauf  folgen  einige  bemerkungen  des  prof.  Kvicala  zu  dem  vor- 
trage von  dr.  Zacher-Halle  (vgl.  unter  dritte  allgemeine  Sitzung),  er 
erklärt  sich  im  ganzen  mit  diesem  einverstanden;  auch  er  sei  conser- 
▼atiT,  mSehte  jedoeb  die  mdgüehkeit  einer  Terteilung  unter  die  vorder* 
männer  dee  chors  principiell  sngeben;  im  einzelnen  verhalte  er  eiek 
skeptisch,  er  hätte  besonders  gewünscht,  dasz  Zacher  in  seinem  vor- 
trage die  einschlägige  abhandlung  von  Christ-München  in  den  vorjäh- 
rigen Verhandlungen  der  bayerischen  akademie  berücksichtigt  hätte. 
K.  teilt  deimnf  die  ergebnine  der.  natermbnng  Chriete  mit. 

Zacher  bedauert,  dees  er  nieht  mehr  seit  gehabt,  den  aufsati 
ganz  durchzulesen,  der  anfang  über  die  parabase  habe  auf  ihn  den 
eindruck  gemacht,  als  ob  das  ganze  auf  zahlentheorie  beruhe. 

Prof.  Kvicala:  Christs  abhandlung  sei  deshalb  so  wichtig,  weil 
sie  Ton  einem  nenen  etsndponet  ans  die  frage  sa  erSrtem  unternimmt, 
bisher  sei  auf  den  Inhalt  fast  gans  allein  rfiekeieht  genommen  worden, 
Christ  betone  die  metrische  form  und  von  dieoer  Seite  wolle  er  neue 
anbaltepuncte  gewinnen. 

Den  schlosz  der  Sitzung  bildet  der  Vortrag  von  dr.  Couradt- 
Stetig  ftber  die  sablenmäszige  grundlage  im  plane  des  Aesehyleisehen 
Prometheus.  ^ 

Wie  der  vortragende  in  einem  programm  von  Schlawe  (1876)  die 
zahl  als  wichtigen  factor  bei  der  abfassung  der  Aeschyl eischen  Septem 
erwiesen,  so  macht  er  jetzt  einen  gleichen  versuch  mit  dem  Prometheus, 
er  meint,  dasz  die  zahl  13  das  ganze  stück  beherscht  und  dasz  das 
drama  bis  sum  eintritt  der  lo  aus  4  •  104  Tersea,  bis  snm  fortgange 
derselben  ans  der  gleichen  seht  und  dasz  der  schlnszteil,  das  gespräoh 
des  Prometheus  mit  Hermes,  aus  2  •  104  versen  bestehe,  mit  einschlusz 
sämmtlicher  chorpartien.  um  dieses  resultat  zu  erreichen,  behauptet 
.C.  nichts  gestrichen  zu  haben  als  die  2  verse  1042  und  1087,  während 


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560      Bericht  aber  die  Terhandlongen  der  33a  Terwmmlnng 


er  lucken  von  im  ganzen  7  versen  annimmt,  in  seinem  vortrage  über*  I 
gebt  er  aus  maogel  an  zeit  die  Bchwierigeren  etellea  und  entwickelt 
eelae  theerie  ea  den  paitieB     38—876.  66^-741.  1040— 10«3.  ieli  lane 
die  betreffenden  zahlen  folgen  nnd  bemerke  dabei,  den,  wo  die  T«n- 

«ahl,  die  C.  ang-ibt,  nicht  mit  der  in  den  texten  angegebenen  fiberein- 
stimmt,  C.  durch  andere  Terteiluag  der  seilen  öfter  weniger,  resp.  mehr 
verse  erhält. 

38— iS7  «>  3  •  13  (5  Umb.  totm,  8  eaepiet.,  13  Umb«,  3  iamb» 

8  anapUst). 

128—158  =-  2  •  13  (8  4-  5  -f  8  -f  5). 
159—185  =  7-fl2-|-7  —  26  —  2-13. 
186—196  -B  13. 

107—376  -i78»3*36  —  6-13. 

561—374  =  13  (6  +  7). 

576-608  =  11  -f  4  -f-  11  =  26  =»  2  •  13.  j 
609—634  =  4-f2-f7und24-7-i-4  =  2-l3. 
636—686  =»  52  =-  4  •  13. 
687-.741  —  63      4  •  13. 

1040-1093  =  18  (t.  1042  wird  gestriohen)  +  0  +  8  +  13  (▼.  1087 
gestrichen)  =  13  -f  26  +  13  =  4  •  13.  | 

Die  beiden  verse  1042  und  1087  werden  mit  verscbiedenen  gründen 
als  unhaltbar  nachgewiesen,  nach  C.t  ansieht  haben  eine  anzahl  chöre 
die  g^nndlage  dee  sifleket  gebildet;  in  ihnen  sei  netfirUeh  dae  inUen- 
princip  snr  aawendong  gekommen;  als  dann  spiter  die  trimetar  ein- 
geschoben worden  seien,  habe  sieh  der  einflnn  Jenes  MUenaebenintit- 
mus  auch  auf  diese  ausgedehnt. 

Der  noch  auf  der  tagesordnung  stehende  Vortrag  von  dr.  Heyden- 
reieh-Fielbefg  Aber  F&bm  Pietor  und  LiTioe  konnte  in  «nbetraebt 
der  Torgerflekten  leit  nieht  mehr  gebnlten  werden, 

m.  AroHSologische  section. 

V^e  lebon  erwfthnt,  hatte  eich  die  arehftologisehe  seetion  mit  der  j 
kritiseh-ezegetischen  Tereinigt  nnd  hielt  ihre  erste  aitsong  mitfeweeh,  | 
morgens  8  uhr,  die  zweite  mittwoeh  abend«  aaek  eehlnea  der  krilüdi- 

ezegetischen  (6V4  uhr).  ; 

Erste  sitzungf  mittwoeh  morgens  8  uhr:  auf  der  tagesordnung  stan- 
den TOrtrttge  von  prof.  Gädechens-Jena  über  eine  pyzis  aus  der  samm-  < 
long  PhÜemon  in  Athen  nnd  yon  prof.  Barsian-Mtinehen  fiber  die  foade  { 
in  Dodona. 

Auf  der  pyxis,  welche  der  vortragende  in  genauer  abzeichnung  den 
mitgliedern  vorlegte,  waren  acht  figuren  dargestellt,  die  sich  in  zwei 
grnppen  zerlegen  lassen:  in  der  einen  finden  wir  Perseus  bei  den 
nymphen  nnterstfitst  yon  Athene,  in  der  andern  Hermes  bei  Pooeideo 
nnd  Nereus  im  Palaste. 

Prof.  Bursian  berichtete,  dasz,  nachdem  schon  Kiepert  nach  den 
angaben  von  Heinrich  Barth  Dodona  auf  dem  Tomarosberge  vermutungs- 
weise angesetzt  habe,  neuerdings  ein  reicher  Grieche,  namens  Kara- 
paaos,  dort  ansgrabongen  yeraastaltet  und  dnrdi  in»durüllidie  fände, 
namentlich  von  bleitafeln,  evident  nachgewiesen  habe,  dfss  dort  Dodona 
gelegen  hat.  interessant  war  es,  auch  die  aufschriften  cReser  blcitafeln, 
die  meist  aus  späterer  zeit  stammen  und  anfragen  an  das  orakel  ent>  j 
halten,  kennen  zu  lernen. 

In  der  aweiten  (abend-)  sitsong  der  seetion  trug  dr.  Harrlieh- 
Berlin  das  ergebnis  der  von  Üim  über  die  Saalbnrg  bei  Homburg  an- 
gestellten forschungen  vor.  nachdem  er  die  läge  derselben  genauer 
bestimmt,  gab  er  unter  steter  bcrücksichtigung  der  angaben  alter 
autoren  eine  ziemlich  detaillierte  geschichte  der  bürg  und  wies  ans  iu- 
Schriften  (anf  steinen,  mSnsen  and  tegnlae)  fibeneugend  nach,  dass 


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deutscher  pbilologeu  uud  ächulmännor  zu  Gera* 


sie  bis  gegen  die  mitte  des  dritten  jalirhuxidert«  naeh  Ch.  Ton  rSmisehen 

truppen  besetzt  gewesen  ift.  bezeugt  wird  die  anweeenlieit  der  28n 
(primigenia ,  pia  iidelis)  und  der  8n  legion  (lej^io  octava  Augusta,  pia 
felix  Commoda  etc.).  erstcre  wurde  von  Claudius  in  die  Khcingegend 
geschickt f  blieb  in  der  hauptsache  dort  bis  ins  dritte  Jahrzehnt  des 
dritten  Jahrhunderte  nnd  diente  Yorsngsweiee  snr  beaetsnng  der  Teimiie- 
nnd  Odenwaldeattelle.  die  besonders  in  der  Main-  (Mainz)  nnd  Tannos- 
gegend  und  in  Würtemberg  aufgefundenen  Inschriften  documentieren 
die  anwesenheit  der  logfion  für  die  jähre  65 — 231.  die  8e  legion,  von 
Angustns  errichtet,  stand  erst  in  PnnnonieUi  dann  in  Moesien  und  be- 
teiligte sich  nach  Neros  tode  am  biirgerkriege.  70  fiuden  wir  sie  am 
Rbein  (Tao.  Hist.  4,  68);  ihr  hanptqnartier  war  Strassbnrg.  insehriften 
der  legion  sind  gefanden  in  der  gegend  von  Heilbronn,  Asebaffenbnr^, 
Baden,  Hetternheim,  Cannstatt,  Mainz. 

Neben  dieseu  beiden  legionen  erscheinen  in  der  Saalhurg  auxiliar- 
cohorten,  so  die  cohors  altera  Khaetorum  uud  die  cohors  quarta  Vin* 
delioornm.  da  aber,  wie  redner  behauptet,  niebt  mehr  als  swei  eoborten 
dort  stationiert  waren,  so  können  nur  immer  eine  eoborte  der  S2n  oder 
8n  legion  und  eine  der  beiden  auxiiiarcohorten  anwesend  gewesen  sein. 

Im  jähre  255,  als  die  Germanen  Mainz  belagerten,  war  das  Tauuos- 
castell  bereits  aufgegeben. 

Znletzt  gibt  H.  noeb  eine  Termutung  fiber  den  orsprung  nnd  die 
berleitnng  des  namens  Saalbarg,  den  er  mit  ahd.  sala  =  traditio  legi** 
tlma  in  Zusammenhang  bringt  und  als  'freie  ritterliche  d.h.  nicht  zins- 
pflichtige bürg'  deutet,    auch  sonst  kommt  für  freigrundstüoke  der 
name  saalhof  =  ireihof  vor. 

Endlich  zeigte  prof.  Gädechens  noch  eine  ansahl  unedierter  denk- 
nüUer,  besonders  eine  eorintbisebe  ^ase  nnd  die  seiebnangen  einer  an- 
aabl  bauptsäeblieb  in  Pompeji  gefundener  stuccoreliefs  vor.  letstere 
stammen  teils  aus  dem  T.si.siempel,  teils  aus  den  alten,  teils  ans  den 
Stabianer  thcrmcn;  erstero  entlüilt  ein  gernälde,  das  namentlich  des- 
balb  charakteribtisch  ist,  weil  hier  einer  der  auszerordentlich  seltenen 
fülle  Yorliegt,  dass  dem  Hermes  neben  dem  Jüngern  icf)|niKdov  anob 
no<di  der  ältere  ^dßboc  als  prädicat  zugeteilt  ist.  der  gott  steht  Yor 
einem  fasse,  das  nach  G.  scliwerlich  das  fasz  der  D.inaiden  ist,  son- 
dern vielmehr  den  eingang  zur  unterweit  darstellt,  zumal  seelen  daraus 
entströmen,  hineinstürzen  uud  sich  an  den  rand  des  gefäszes  an- 
klammern. 

IV.  Orientalische  seetion. 

Bei  der  constituierung  der  orientalischen  seetion  gedachte  der  zum 
versitzenden  ernannte  prof.  Gild  em eis ter-Bonn  zunächst  der  im  laufe 
des  Terflossenen  jabres  verstorbenen  faebgenossen  und  erteilte  dann 
hm.  prof.  Loth- Leipzig  das  wort  zur  berimerstattung  über  den  fort- 
schritt  der  publicationen  der  deutsch-morgenländischen  gesellschaft. 
darauf  bcsclilosz  man  nach  altem  herkommen ,  sich  im  princip  an  den 
allgemeiuen  Sitzungen  nicht  zu  beteiligen,  um  die  ganzen  Vormittage 
ffir  die  sectionsverbandlungen  aar  Verfügung  zu  haben,  wovon  freilich 
bei  mehreren  vortrügen  der  allgemeinen  Versammlungen  aasnahmen  ge- 
macht wurdeu. 

Die  arbeiten  der  seetion  waren  zweifacher  art:  da  diese  zugleich 
die  generalversammlung  der  deutsch-morgenländischen  gesellschaft  ist, 
•o  wurden  fonSehst  die  jahresgesoh&fte  dieser  gesellsebalt  erledigt. 

Sodann  standen  auf  der  tagesordnnng  drei  vortrüge: 

1)  sprach  prof.  Müller-Halle  über  die  von  ihm  beabsichtigte 
herausgäbe  biographischer  quellen  zur  geschichte  der  arabischen  philo- 
sophie,  naturwissenschaft  und  mediciu.  es  handelt  sich  um  zwei  ge- 
lehrtenlexica  aus  dem  13n  Jahrhundert,  welche  über  eine  grosse  anzahi 

N.  jahrb.  f.  phil.  u.  päd.  II.  abt.  1878.  hfi.  11.  37 


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562      Bericht  über  die  Verhandlungen  der  33n  yersammlung 


vou  Arabern  naciiricUten  enthalten,  diese  sind  für  uns  von  am  so 
gröMerem  werte,  alt  sie  die  einzit^^en  qadlea  für  die  biographien  jeaer 
mänaer  bilden,  beide  bilcher  8iud  niebt  unbekannt,  Tielmehr  schon 
früher  pebrancht,  aber  es  sind  bisher  nur  excerpte  in  onzureichender 
j^estalt  abfjedruckt,  so  dasz  eine  coniplete  herausgäbe  höchst  wünschens- 
wert ist.  der  vortragende  besprach  den  aus  handschriften  und  anderen 
materiallea  sasammeagetragenen  krilisdien  apparat,  erSiterte  die  graai- 
stttze  der  constituiemng  des  textee  und  eraählte  dann,  wie  er  das  ge- 
waltige material  zu  reducieren  gedenke. 

Die  discussion  erstreckte  sich  besonders  auf  die  frage,  in  wie  fem 
es  wünsclieuswert  sei,  die  darin  enthalteneu  teils  wertlosen,  teils  aaf 
die  spätgriechiscbe  litte ratur  zarfiekgehenden  artikel  über  griechische 
Philosophen  nnd  ftrste  anftanebmen  oder  anaanaeUienen. 

2)  Vortrag  des  privatdocenten  dr.  SehrSder-Doipat  fiber  die 
Maitr&yani  Sainliitfi.  es  ist  dies  eine  Verzweigung  oder  recension  des 
3n  Veda,  wie  er  in  einer  gewissen  schule  festgestellt  und  fortgepflanzt 
worden  ist.  die  scbrift  war  bisher  nur  dem  namen  nach  bekannt; 
bandsebriften  sind  eret  in  neuester  aeit  aaeh  Europa  gekommen,  der 
text  ist  von  eigentfimlidier  art,  er  hat  manche  auffallende  grammatische 
eigenheiten,  ferner  eine  merkwürdige  accentuation  und  ist,  weil  er  eine 
sehr  alte  spräche  zeigt  und  c.  30U  neue  und  bisher  unbelegte  werte 
enthält,  lexicalisch  vou  groszem  wert,  die  treue  und  Unversehrtheit  der 
grammatiseben  Überlieferung  der  Inder,  besonders  Paninis,  erbilt  darc^ 
auffindung  einer  ansahl  bisher  unbelegter  und  nur  bei  grammatikeni 
erhaltener  formen  eine  glänzende  bestätignng.  gewisse  anklänge  der 
Schrift  an  den  Buddhismus  führten  den  vortragenden  auf  die  vermutaag, 
dasz  sie  in  die  zeit  des  eindringens  dieser  lehre  zu  setzen  sei. 

Ein  dritter  vertrag  des  prof.  8  eblott  mann -Halle  tber  die  sra- 
m&ische  insebrifl  von  Carpentraa  war  gewissermaszen  eine  Ver- 
teidigung der  auf  der  philologenversammlnng  zu  Wiesbaden  gegebenen 
erklärnng  dieser  inschrift  gegen  inzwischen  erhobenen  Widerspruch,  er 
suchte  zu  erweisen,  dasz  sie  ungefähr  in  die  Ptolemäische  zeit  zu  setzen 
ist  und  knüpfte  daran  bemerkungen  über  reim  und  metrum  und  über 
die  prineipien  der  metrik  in  den  fibrigen  semitiseben  dialekten. 

Zuletat  gab  dr.  Outbe-Leipaig  einen  bericht  über  die  thStigkeit 
des  Vereins  für  wissenschaftliche  erforscbnng  Palästinas,  der  schon  anf 
der  philologenversammlnng  zu  Tübingen  angeregt  (cf.  Jahrbücher  1876. 
II  abt.  heft  1  p.  64)  und  im  vorigen  jähre  zu  Wiesbaden  ins  leben  getreten 
ist.  er  wies  besonders  anf  die  sunebasende  asbl  dar  mitglicäer  aad 
auf  die  inawiseben  in  vier  jahresbeftan  erschienene  aeitscbxifl  des- 
selben bin. 

Y.  Qermanistisoh-romanistische  section. 

Die  arbeiten  nnd  verhandlangen  der  germaniatiaeb-romanistiseben 

seetion  bewegten  sich  diesmal  wesentlich  auf  sprachlichem  gebiete :  zu- 
nächst  sprach  prof.  Paul -Freiburg  über  das  vocalsvstem  des  germani' 
scheu  auf  grundlage  der  neuesten  forschungen.  anknüpfend  an  die 
Untersuchungen  von  Brugmann  und  Ostboff  setzte  er  an  die  stelle  des 
bisherigen  vooalsystema  mit  a>  i  und  u  als  grundlage  ein  neues  STSfen, 
in  welchem  die  a-vocalo  die  aasaeldiessliche  grundlage  bilden,  während 
i  und  u  nur  begleitende  consonanten  sind.  —  Darauf  gedachte  prof. 
Sachs-Brandenburg  in  einem  nekrolog  verstorbener  Germanisten  und 
Romanisten  (Graudgajnage).  —  Ferner  sprach  archivar  dr.  Wülcker- 
Weimar  über  die  entstehung  der  IrarsielMisohen  kanaleispraebe.  —  Auf 
antrag  des  dr.  Wegen er*Magdeburg  wurde  dmui  besehloasen,  eine 
comraission  einzusetzen  zur  priilun;^  des  Vorschlags  der  herausgäbe  von 
dialektgrammatiken.  —  Endlich  erläuterte  prof.  Mahn- Berlin  eine  reihe 
von  germanischen  Worten,  deren  et^mon  er  im  keltischen  gefunden  ao 


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deutscher  pbilologen  und  schnlmftnner  zu  Gera.  563 


haben  glaubte.  —  Die  von  prof.  Sievers  for  eventuell  noch  frei  bleibende 
seit  in  ausaieht  ffestelHen  Mmerkoagen  snr  «Itnordischea  metrik  konnten 
leider  nicht  mehr  vorgetragen  werden. 

VI.  Mäthematifloh-naturwisseiisohaftliche  section. 

Die  matbematisch-naturwissenschaftlicbe  section  tagte  in  der  aula 
der  realachnle  und  hielt  in  gegenwart  der  mitglieder  der  pädagogischen 
section  ihre  erste  Sitzung  dienstag  den  1  october  8  nhr  ab.    in  dem 

locale  waren  ausgestellt  eine  anzanl  sehr  instructiver  und  schöner  lehr- 
mittel  von  den  herren  Weinmeister  und  Böttcher-Leipzig  und  Remy- 
Gera,  von  welchen  die  mitglieder  mit  grossem  interesse  kenntnis  nahmen, 
die  Sitzung  begann  mit  dem  Tortrage  des  dr.  Schah ring'Erfttrt,  wel- 
cher die  graphische  darstellung  der  tonleiter  an  einer  mit  papier  he« 
klebten  latte  zeigte  und  erliluterte.  d.iran  schlosz  sich  der  vertrag  von 
prof.  Buchbinder-Schulpforta  an:  dieser  gab  zunächst  einen  rück- 
blick  auf  die  entstehung  der  mathematischen  section  aus  der  pUdagogi- 
sehen  und  spraeh  in  hinsieht  darauf  seine  freude  tber  die  heutige  ge- 
meinschaftliche thätigkeit  der  sectionen  ans.  dann  erörterte  er  die 
gründe,  ans  welchen  die  kegelscbnitte  als  ein  wertvolles  element  des 
mathematischen  Unterrichts  auf  gymnasien  zu  betrachten  seien  und 
setzte  auseinander,  dasz  er  für  gymnasien  die  synthetische  behandlung 
am  geeignetfiten  finde,  während  er  die  analytische  methode  der  real- 
sebule  zuwies. 

In  der  zweiten  sitzang,  mittwoch  den  2  october  8  uhr,  wurde  die 

bereits  am  schhisz  der  vorigen  sitzung  eriJffnete  discussion  über  den 
Buchbinderschen  vertrag  fortgesetzt  und  endete  mit  der  oinstimmip:  ge- 
faszten  resolution:  die  mathematische  section  ist  der  ansieht,  duaz  die 
lehre  von  den  kegclschnitten  auch  auf  den  gymnasien  und  zwar  in  syn- 
thetischer behandlung  aufzunehmen  sei,  eine  methode,  welche  auch  auf 
realschulen  mehr  als  bislier  berücksichtigt  7.n  werden  verdient.  — •  Darauf 
sprach  prof.  Erler-ZüUichau  über  die  uotweudigkeit  eines  propädeu- 
tischen Unterrichts  in  der  geometrie.  der  von  der  section  in  dieser 
frage  gefasite  hesehluse  lantet:  in  der  geometrie  ist  ein  besonderer 
propttdeutischer  Unterricht  nötig,  welcher  jedoch  dem  inhalte  des  mathe- 
matischen Unterrichts  nicht  vorgreifen  darf.  —  Zuletzt  wurde  der  an- 
trag  des  dr.  Schubring  einstimmig  angenommen,  darauf  hinzuwirken, 
dasz  der  gebrauch  des  doppelpunctes  als  divisionszeichen  in  der  be- 
deutoug  'in'  auch  in  bürgerschulen  verschwinde.  —  Die  übrigen  in 
dem  Programm  der  section  verzeichneten  vortrSge  kamen  in  wegfall, 
com  teil  wegen  Zeitmangels,  zum  teil  weil  die  betreffenden  herren  zu 
erscheinen  behindert  waren,    es  sind  folgende: 

1)  über  die  raathematisch-philosophischen  bestrebungen  der  neuzeit 
mit  besonderer  berücksichtigung  der  zwecke  und  Interessen  der  schule 
von  dr.  8.  Gttnther-Ansbach. 

2)  über  den  Unterricht  in  der  Chemie  auf  gymnasien  von  oherl. 
Sagorski-Schulpforta. 

3)  es  ist  notwendig,  dasz  die  beweise  im  classenuntcrricht  nicht 
auf  den  sogenannten  uormalfall  beschränkt,  sondern  vollständig  geführt 
werden  von  prof.  Erler^Züllichau. 

4)  über  die  vorteile  der  Verwendung  der  krystallographie  als  Unter- 
richtsstoff im  stereometrischen  cursus  (auf  grund  15jänriger  erfahrung) 
von  prof.  Liebe-Gera. 

5)  kleine  berichte  von  prof.  Franke-Altenburg. 

Dagegen  hat  dr.  Westphal-Schleiz,  der  über  die  methodische  be- 
handlung der  mathematik,  besonders  in  den  untern  gymnasialclassen 
zu  sprechen  beabsichtigte,  wenn  ich  recht  unterrichtet  bin,  seine  an- 
sieht darüber  zum  teil  kundgegeben  bei  der  debatte  über  die  ßrlersche 
these  vom  propädeutischen  unterriebt  in  der  geometrie. 

37* 

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j 


564       Antwort  auf  die  erklftmng  des  brn.  prof.  Tb.  Kayaer. 

Es  bedarf  noch  der  erwälmung,  dasz  die  mitglieder  der  sectiou  am 
mittwoch  nach  beendigtem  diner  von  der  freundlichen  einiadang  einiger 
Geraer  fabrikbeeitser  nur  besiebtigung  ibf«r  etablieseraeBte  gebraaek 
gemacht  haben :  sie  betaebten  die  ftrberei  Ten  Levis  Hirsch  and  lieszen 
sich  die  einrichtungen  der  RemTSeben  Spinnerei  imd  der  Foekesehen 
mechanischen  weberei  seigen. 

ElSfiMBfiKQ.  0.  WeIBB. 


62. 

ANTWORT  AUF  DIE  ERKLÄRUNG  DES  HERRN  PROF. 

TH.  KAYSER. 


Wie  fadensclieinig  das  pewel)e  ist,  mit  demTh.  Kayser  in  Tübingen 
seine  blöszen  zu  verhüllen  vergebens  sieh  abmüht,  liegt  sonnenklar  ZQ 
tage,  einseitig  nennt  der  herr  eine  arbeit,  welche  auf  14  Seiten  dieser 
seittebrift  In  eingtfbendster  weise  sdaen  text,  die  übersetsangen,  die 
wenigen  erlünteronf  en  nnd  seine  eonfuse  metrik  bespriebt.  wenn  die 
'da  und  dort  eingestrenten  kritischen  bemerkungen'  anch  nur  der  rede 
wert  g-ewesen  wären,  hätte  ich  selbstverständlich  eine  eingehende  be- 
trachtuDg  selbst  dieser  winzigen  notizen  mir  nicht  erspart,  übrigens 
mag  sich  herr  Kayser  trösten:  ich  erkenne  dem  vorwürfe  der  einseiüg- 
keit  eine  gewisse  bereebtignng  insofern  so,  als  leb  die  ansnntsmig  der 
Bacmeisterschen  fibersetsung  and  dessen  Überschriften  seitens  des 
herrn  Kayser  niclit  constatiert  habe,  es  wird  dies  in  einem  kniieii 
nachtra^-c  geschehen,  dem  in  diesem  hefte  sein  platz  bestimmt  ist. 

Kaysers  Übersetzung  bietet  nichts  neues,  seine  Übersetzungen,  seine 
fibersebriften,  seine  erlftaterangen  sind  In  berrorragendem  masze'im- 
K elbständig,  natürlich  mosten  diese  thatsachen  in  den  Vordergrund  der 
besprechung  treten,  denn  die  Jetzt  nur  allzu  oft  wiederkehrende  nnselb* 
ständigkeit  und  wörtliche  ausnutzunpr  fremder  arbeiten,  wie  sie  bei 
Kajser  in  ganz  anzulussiger  weise  zu  tage  tritt,  kann  nicht  scharf 
genug  gerügt  werden. 

Wie  niebt  nnr  die  'weiteren  kreise*,  sondern  selbst  faebgelebrte 
durch  den  weg,  den  Kayser  eingeschlagen,  getäuscht  werden,  das  bat 
besonders  die  besprechnng  von  H.  Fritzsche  in  Bursians  jahresbericht 
bewiesen,  in  seiner  erklärang  macht  sich  aber  Kayser  in  hohem  grade 
der  entstellang  des  thatsächlichen  schuldig,  denn: 

Es  ist  niebt  wabr,  dass  leb  seine  geringfügigen  (er  sagt  'viel- 
fachen'!) abweichungen  Ton  Nanck  nidit  snr  spräche  bringe.  vergL 
S.  393  flf.  meines  berichtes. 

Es  ist  nicht  wahr,  dasz  ich  durch  die  hervorhebung^  der  wört- 
lichen Übereinstimmung  mit  Kauck  in  den  bemerkungen  über  die  com- 

Sositlon  der  Horasisehen  oden  gegen  andere,  in  erster  linie  gegen 
^illenburger  ein  unrrelit  beganfjen  habe,  denn  eine  benutzung  der 
ausgäbe  von  Dillenbui  f^'-cr  durch  Kayser  ist  nirgends  ersichtlich,  dasz 
er  an  Nauck  nnd  immer  wieder  an  Nanck  sich  hält,  ist  mit  bänden  z« 
greifen,  wenn  er  dies  auch  durch  wohlfeile  kunstgriffe  zu  verdunkeln 
bestrebt  ist,  indem  er  s.  b.  statt  mit  Nanck  4  +  ^  +  ^  stropbeo, 
16  4  -f-  16  verse  schreibt,  man  Tergleicbe  nnr  I  28,  wo  Naack  von 
Dillenburger  so  weit  als  möglich  abw^öbt  nnd  Kayser  sieb  an  Naork 
80  nahe  als  möglich  anschlieszt. 


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Antwort  auf  die  erklärung  des  hrn.  prof.  Th.  Ki^aer.  565 


Ks  ist  nicht  wahr,  dasz,  wie  hr.  Th.  Kayser  höchst  verdächtig 
sich  auszudrücken  beliebt,  die  stellen,  in  welchen  Naucks  ausdruck  ab- 
•iditlieh  aecepiiert  ist,  ^sich  wol  auf  die  wenigen  Tom  reeen- 
senten  ansgebobene n  beschränken  dürften',  du  därften  sie 
wol  nicht,  denn  anszer  der  hübschen  zahl  von  mir  schon  hervorgehobener 
erläuterungen  zei^eu  iiuch  eine  ganze  aozabl  diese  Übereinstimmung, 
z.  b.  I  33.  36.  23.  17  usw. 

s.  Vni  seines  bnebes  sagt  br.  Kaiser:  *die  gninds&tse,  denen  feb 
bei  der  nbersesnng  gefolgt  bin,  habe  icb  im  programm  des  Tübin- 
ger gymnashims  von  1867  (oden  des  Horaz,  erstes  buch,  metrisch  über- 
setzt) ausgesprochen.'  durch  diese  bemerkung  glaubt  er  seiner  pflicht 
genfigt  za  haben,  zu  erklären,  dasz  der  grüste  teil  der  Überschriften 
Ten  nanek,  der  rest  von  Dttntser  nnd  Baemeister,  die  erlftvtemngen 
ram  grSsten  teile  von  Nauek,  die  fibersetsung  zum  groszen  teile  yon 
Baemeister  abgeschrieben  ist.  warum  ist  hr.  Kayser  nicht  so  auf- 
richtig powesen?  weil  sonst  der  selbständige  teil  seiner  arbeit  als  ein 
verschwindend  kleiner  sich  offen  gezeigt  hätte  und  er  so  vor  die  philo- 
sophische facultät  der  Tübinger  Universität  an  ihrem  ebrentage  nicht 
bitte  bintreten  kSnnen. 

So  hat  denn  diese  erklämng  alles  beigetragen,  was  noch  nötig  war, 
um  über  hrn.  Kayser  nnd  die  methodc  seines  arbeitens  das  rechte  licht 
zu  verbreiten,  ich  überlasse  es  nun  den  von  hrn,  prof.  Kayser  pe- 
plfinderteu  autoren,  vornehmlich  den  herren  Nauck  und  Baemeister,  ihr 
eigentam  Ton  jenem  berra  sn  reelamleren. 

Znr  benrieilnng  der  gäbe  des  berrn  prof.  Tbeodor  Kayser 
snm  Tflbinger  nnirersitütsjabilftam 

ferdient  m  dem  material,  welebes  Ton  dem  nnterseicbneten  s.  385  ff. 
beigebracht  nnd  bebandelt  woiden  ist,  noch  folgendes  an  das  licht  der 
öffentlichkeit  gezogen  zu  werden,  worauf  lob  von  befreundeter  seite 
aofmerksam  g^emacht  worden  bin: 

Es  musz  constaticrt  werden,  dasz  von  dem  autor  weiter  ausgebeutet 
worden  ist  die  Übersetzung  der  oden  des  Horatius  im  Tersmasze  des 
nrteztes  von  Adolf  Baemeister,  Stuttgart,  Paul  Neff.  die  von  mir 
8.  389  gelobten  Überschriften  su  I  27.  III  7.  IV  1.  ep.  2.  8.  10  sind 
sämmtlich  dieser  Übersetzung  entlehnt,  die  Übereinstimmung-  in  den 
Übersetzungen  ist  f^eradezu  nu anständig,  man  lese  nur  neben  einander 
z*  b.  ep.  2  'idylle  eines  Wucherers'; 

Baemeister: 

Heil  jenem  manne  welcher  fern  vom  markt  der  weit, 

dem  urgeschlecht  der  menschen  gleich, 
sein  väterliches  feld  mit  eignen  stieren  baut, 

der  niebts  von  bank  und  bdrse  weiss; 
den  niebt  snr  seblaebt  die  schreckliche  drommete  weekt, 

des  meeres  wuth  nicht  beben  läszt, 
der  von  dem  forum  und  dem  stolzen  vorgemach 

der  groszen  herren  ferne  bleibt, 
nein,  mit  des  weinstocks  reifer  jugendkraft  Yermählt 

er  einer  beben  pappel  wuebs, 
er  scbaut  hinaus  in's  ferne  thal,  wo  brttllend  ibm 

die  rinderheerde  weidend  irrt; 
und  mit  der  hippe  schneidet  er  den  faulen  zweig 

und  hoffnungsreichre  setzt  er  ein, 
und  bonig  presst  er,  fasst  in  reinen  krägen  ibn 

und  zarte  Iftmmer  seheert  er  jetzt, 
dann  wieder,  wenn  der  herbst  das  haupt  von  saftigem  obst 

umbangen  aus  dem  boden  hebt, 


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Ö66 


Antwort  auf  die  erklarung  des  brn.  prof.  Tb.  Kayser. 


wie  selig  er  die  selbätgep tropfte  birae  dann, 

die  parpnrdankle  timube  pflfiekt» 
lim  dir,  Priapus,  sie  zn  weihn,  und  vater,  dir, 
,    feldmarkeiihiiter ,  o  Silvan! 
jetzt  streckt  h«^- haglich  tintcr  alten  eichen  er 

eich  aus,  im  dieUtco  grase  ietst. 
in  hob«B  ufern  rollt  indes  der  baeh  dabin , 

die  Tögel  xwitschem  in  dem  wald, 
der  qaelie  reine  fltiten  raaschon  ihm  in*6  olir, 

zu  leichtem  Schlummer  locken  sie. 
und  wieder,  wenn  des  donnergottes  wiaterzeit 

solmeefloekenetnrm  and  regen  bringt, 
dann  treiben  ilun  Ton  liier  nnd  dort  dae  grimme  sebwein 

die  rüden  in*8  gestellte  gam, 
and  üher  ilic  platte  p:abel  spannt  das  dünne  nets 

er  gier'gen  drosseln  lauernd  aus, 
und  scheue  haseu,  wanderkranicbe  fängt  im  draht 

er  als  willkomnine  bente  sieb, 
die  leiden  die  die  liebe  bringt,  die  schlimmen,  wer 

vergiszt  sie  nicht  in  solchem  thnn? 
wenn  aber  noch  ein  keusclics  weib  des  hauses  und 

der  siiszen  kindcr  püege  teilt  — 
Tora  sehlag  Sabinnms  oder  sonnenbrännlicb  wie 

das  weib  des  flinken  Apnlers  — 
auf  heirf^em  hcrd  die  dürren  scheiter  schichtend  legt, 

dem  müden  mann  entpeg-cnsoh'nd ,  (I) 
die  muntVe  heerdo  zur  geüocht'nen  bürde  treibt 

nnd  ibr  die  Tollen  euter  leert, 
den  neuen  wein  aus  süssem  fass  zum  schmanse,  den 

sie  nicht  zu  kaufen  brauchte,  holt,  — 
o  dann  ist  des  Lncrinns  auster  süszer  nicht, 

der  rochen  und  die  brasse  nicht, 
die  aus  des  osttus  meere  her  die  donnernde 

Sturmflut  an  unsre  kosten  treibt; 
dann  seblüpfte  mir  das  libysebe  geflSgel  nicbt, 

kein  haselhuhn  aus  lonien, 
so  BÜsz  hinab  wie  von  der  biiume  reifätom  zweig 

gebrochen  der  olive  frucht, 
und  wie  der  laueb  und  der  wiesenfreund,  das  ampferkraai, 

erleichternd  beide  für  den  leib, 
und  wie  ein  lamm  geschlachtet  am  terminenfest, 

wie  ein  dem  wolf  entrissner  bock, 
bei  solchem  schmanse,  welche  lust  der  weide  satt 

beimwirts  die  scbafe  siebn  zu  sebn, 
den  umgestürzten  pflüg  sn  sehn  vom  matten  stier 

an  schlaffem  nacken  nachgeschleppt, 
und  wie  des  reichen  hauses  schwärm,  die  sklarenschMT 

rings  um  die  blanken  laren  sitzt.  — 
SO  hatte  gesprochen  Alfius  der  Wucherer, 

sebon,  saion  ein  balber  aekersmann, 
da  treibt  er  sebnell  die  gelder  ein  am  swanaigsten, 

um  sie  am  ersten  anszuleihn. 

Kayser: 

Dem  manne  beil,  der  ferne  Ton  dem  markt  der  weit 

dem  urgeschlecht  der  menschen  gleich, 
das  väterliche  feld  mit  eignen  stieren  baut 

und  nichts  von  gcldgescliäi'teu  weiss, 


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Antwort  auf  die  erkl&rtmg  des  hm.  pro£  Th.  Eayeer. 


den  nicht  des  hornes  grauser  klang  zum  kämpfe  rnft, 

des  meeres  wuth  nicht  beben  last, 
der  Yon  dem  forum,  von  dem  stolzen  vorg^emach 

groBzmSohtger  bürger  ferne  bleibt, 
dafür  vermählt  er  mit  dem  schlanken  pappelbanm 

der  rebe  hochp;ewach8nen  schosz, 
bald  schaut  er  aus,  wie  tief  im  thalo  riugszeratrout 

der  riuder  schar  lautbrüllend  schweift, 
bald  nimmt  er  fanle  sweige  mit  dem  messer  weg 

und  pfropft  ein  edler  reis  darauf, 
birgt  bald  im  reinen  krug  den  klaren  honigseim; 

bald  scheert  er  das  geduld^e  schaf; 
und  wenn  der  herbst  das  haupt  mit  reifem  obst  geschmQckt 

sich  über  das  gefild  erhebt, 
wie  selig  er  die  selbstgepfropfte  bime  dann, 

die  pnrpurgleiche  traube  pflückt, 
dir  zum  geschenk,  Priapns,  und  o  vater  dir, 

Silvanus,  hüter  seiner  tiur! 
behaglich  streckt  er  unter  alter  eiche  jezt, 

jest  in  dem  diehten  gras  sieh  ans: 
in  hohen  nfem  rollt  indes  der  buch  dahin, 

die  YÖgel  girren  in  dem  hain, 
and  rauschend  dringt  der  quelle  rieseln  an  sein  ohr 

und  lädt  zu  leichtem  Schlummer  ein. 
doch  wenn  des  donnergottes  winterzeit  erscheint, 

schneefloeken  brin^  und  regengnsz, 
da  best  er  mit  der  doggen  sehar  yon  da  und  dort 

den  grimmen  eher  in  das  garn, 
an  glatter  gabel  spannt  er  aus  das  maachge  netz 

den  giergen  drosseln  zum  betrug 
den  fluchtgen  haseu,  den  wandeikimnieh  fSngt  er  ein 

in  schlingen  als  willkommnen  lohn, 
bei  solchem  Zeitvertreib  —  u  wer  ver^sse  da 

der  liebeshändel  leiden  nicht? 
und  wenn  dann  noch  ein  keusches  weih  mithelfend  ihm 

für  haus  und  holde  kinder  sorgt,  — 
vom  schlag  Babinums  oder  gleich  des  hurtigen 

Apuliers  sonnverbranntem  weib,  — 
wenn  sie  den  müden  mann  erwartend  dürres  hole 

aufschichtet  auf  dem  heiigen  herd, 
die  muntre  herde  zur  geflochtnen  bürde  treibt 

und  ihr  die  vollen  euter  leert; 
ans  süssem  fass  den  wein  den  neuen  holt,  ein  mahl 

aus  eignem  verrat  fertig  macht, 
O  dann  ist  des  Lucriuus  auster  nicht  80  süss, 

die  butte  und  die  brasse  nicht, 
die  oft  der  stürm,  der  tosend  auf  des  ostens  äut 

sich  stürzt,  an  unsre  küsten  treibt, 
denn  gleitet  mir  kein  a frisch  huhn,  kein  haselhnhn 

aus  lonien  so  lind  hinab 
in  meinen  ma^en  als  vom  vollsten  ast  des  baums 

gebrochen  der  olive  frucht, 
als  ampfer,  der  die  wiesen  liebt,  und  malven,  die 

dem  harten  leibe  heilsam  sind, 
ein  lamm  geschlachtet  an  des  grenzengottes  fest, 

ein  bock  den  wölfen  abgejagt. 
0  welche  lust  bei  solchem  mahl  zu  schauen  wie 

heimwärts  die  fetten  schafe  ziehn. 


668       Antwort  aui  die  erlclbong  des  hrp.  prof.  Th.  Kskjmtk 

lu  schann,  wie  mild  den  umgestürzten  pflüg  der  stier 

am  Bclilatfen  nacken  nach  sich  schleppt, 
und  wie  d«t  vMbM  hwmn  tciiwarm,  die  sklaTenschaar, 

sieh  um  die  blanken  Uren  sest! 

als  so  gesproclicn  Alßus  der  wacherer^ 

bereits  ein  halber  bauersmann, 
da  trieb  er  nll  »ein  (^eld  um  nionats  mitte  ein, 
um  es  —  am  ersten  auszulcihn. 

In  dieser  weise  f^eht  die  benntzung  dor  Hacmeistersclien  arbeit  übe 
alles  mass  des  erlaubten  fort,  die  wörtlichen  entlebnungen  ganzer  Tf 
sind  sahllos.  Tsrgl.  unter  Tlelen  andern 

ep.  4:  wie  wolf  und  lamm  von  der  natur  geschaffen  sind 
sa  ewgem  bass.  so  dn  nnd  ieb. 
18:  sebanriges  wetter  nmnaebtet  [K.  nmbttllt]  den  bimoiel,  kk 

und  schnccaUMn 

steigt  .luppiter  lierab  zu  uns;  unter  dem  thracischen  nord 
brausen  die  wülder,  erbrauset  das  meer.    auf  meine  genossen. 
IG:  ächon  das  zweite  geschlecht  sinkt  hin  im  kämpf  der  part< 
nnd  Roma  stiirst  ansammen  dnrcb  die  eig^e  kmü. 

Zalillos  sind  die  entlehnungen  mit  ganz  unbedeutenden  Variation 
ep.  14  Baemeister; 

wie  es  geschehn  dasz  tief  in  dem  hers  ein  träumendes  ni 
mir  die  erinn'rung  ausgelöscht. 

Kaysart 

wie  es  gescbehn,  dasz  tief  in  das  bers  ein  weicbliebes  nie! 

Vergessenheit  mir  eingeflösst. 
ep.  16  Baemeister:  I 
nacht  war^S|  luna  leuchtete  hoch  am  heiteren  himmel 

in  kleinerar  gestime  kreis. 

Kayser; 

nacht  wars,  strahlend  erglilnzte  der  mond  am  heiteren  himmi 

in  kleinerer  gestime  kreis, 
ep.  3  Baemeister: 

wer  seinem  greisen  vater  mit  verruchter  faust 

jemals  die  keble  zugescbnfirt 

Kayser: 

wer  seinem  vater  mit  verruchter  hand  einmal 
die  greise  kehle  zugesobnürt.   nnd  so  fort. 

Ob  Kayser  noch  andere  Übersetzungen  in  derselben  weise  benotl 
hat,  mag  ich  im  augenblick  nicht  untersuchen,  mir  kam  es  nur  dar 
auf  an,  mein  am  angeführten  orte  gegebenes  urteil  über  die  übei 
setsungen  Kajsers  durch  eine  nachträglich  gemachte  entdeckung 
berlebtigen.  fiber  den  wert  des  Kayserseben  bnebes  nunmehr  noeh 
wort  SU  ferlieren,  halte  ieb  für  fiberflSssig. 

Mbsbritz.  Walthbb  Gsbhardi. 


an 


ZWEITE  ABTEILUNG  (118»  BAITD). 


int 

a\ 

BS. 

^1 

r«o. 

k) 

62. 


leite 

Das  System  der  grammatischen  flexionen  und  die  logisch- 
rationale   erklärungsweise   der  spräche.     von  Conrad 

//ermarin  in  Leipzig   513 — 526 

Desiderien,  die  abfassung  der  specialschulgescljichten, 
insbesondere  die  begründung  einer  topographio  und  Sta- 
tistik der  Schulbücher  betreftend.    von  F.  Koldewey  in 

Wolfenbüttel   626—535 

H.  Bender:  grundrisz  der  römischen  litteratnrgeschichte  für 
gymnasien  (Leipzig  1876).    angez.  von  //.  K.  Benicken 

in  Bartenstein   535 — 542 

Kromayer:  leitfaden  für  den  geschichtsunterricht  in  den 
oberen  classen  der  gymnasien  und  realschulen.    teil  II 

und  III.    angez.  von  M.  Berndt  in  Dresden   542 — 544 

L,  Urlichs:  briefe  an  Schiller  (Stuttgart  1877).  angez. 

von  R.  Boxberger  in  Strehlen  bei  Dresden   644 — 547 

A.  Schmarsow:  Leibniz  und  Scliottelius  (Straszburg  1877)  547 — 549 
Zu  Goethe,    von  E.  Ziegler  in  Hameln  a.  d.  Weser  .    .  549 
Bericht  über  die  Verhandlungen  der  dreiunddreiszigsten 
Versammlung  deutscher  philologen  und  Schulmänner  in 
Gera  vom  30  September  bis  3  october  1878.   von  0.  Weise 

in  Eisenberg  (fortsetzung  und  schlusz)   549 — 564 

Autwort  auf  die  erklärung  des  hrn.  prof.  dr.  Th.  Kayser. 

von  yy,  Gebhardi  in  Meseritz   564—568 


Mit  der  jetzt  erschienenen  107.  Lieferung  von 

Sclimid's 

Encyklopädie  des  Erziehungs-  und 
Unterrichtswesens 

wird  der  XI.  Band  vollständig  und  damit  auch  das  ganze  Werk 
abgeschlossen. 

Von  der  2.  verb.  Aufl.  der  Encyklopädie  sind  Band  I  und 
II  erschienen.  Preis  des  Bandes  18  M. 

Band  III  und  IV  erscheinen  in  neuer  Aufl.  Band  V  bis 
XI  sind  noch  in  erster  Aufl.,  die  sich  genau  der  zweiten  an- 
schliesst,  zu  haben  und  kosten  80  M.  40  Pf. 

Gotha,  October  1878.  Riid.  Besser. 


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3n  neu«  •fluflaflc  crid)ien  iocbeii:  ; 

^citfabm 
itti:  ®cfd|iil|tc  beä  bctttji|ctt  »o«c§. 

MttcLnaae  -»'„«ogenS.  Sauber  cattonnirt.  f  iciä:  9K.  1,00. 
«erlog  »cn  »tanj  Balile«  in  »erlin,  W.  Wol)renitia6e  1314.^ 


Triennium  philologicum 


Grundzüge  der  pMlologischen  Wissenschaften, 

für  Jünger  der  Philologie 
zur  Wiederholung  und  Selbstprüfung 

bearbeitet  tod 

Wilhelm  Freund.  » 

Heft  1    Preis  1  Mk.,  ist  durch  alle  Buchhandlungen  zur  Ansicht 

.u  beziehen,;  iff^^^^^^^^^ 

^^'^JL^^d-e^^er^S^itlnVHieTAbltiu;^^^^^^^  H    «eb.  5  M».,  und  Icann  auch  i. 

Verlag  von  AViUielm  vioiet  m  i^eipzig^. 


Verlag  üon  ®il(|clm  ^rri?  in  S3er(in  ^m.  (SSeHer'i'c^c 
;  33ud)lianbUmi3),  SJ^aricnftr.  10. 
Soeben  crjd)icn: 

'  ^  ßrllUlOtltt,  ®ruttDrife  bcr  ®cf(^|ii^tc  ber  ^^itofoli^te. 

Biüci'^änbe.   Xritte  üetbeüertc  uub  üerme^tte  ^2luflage.  I87s. 

Y       iNoIlftQubig  liegt  nun  üor: 

'  950    äßttttenbttlfi,  Xcutft^lonM  mmt^^^ntUtn  im  miitl 
llitv  hi^i  Mir  Witte  M  breiäct)ntcn  3a^rt)unbert8.  3wei^änbc. 
:      ^43icrtc  umgearbeitete  ^luflage.    1877  unb  1878.    gc^.  15  Wl 

'  ©iccomo  ßco^ariit,  beutjd,  t,on  ^aul  ^ei)lc. 

mci  Xbeileu  1878.  eicgnntcflc  ^^(n^^tattung,  auf  33ütteiipapicr. 
;  ►  Wpbeftct  10  m.  3n  Sieb^aberbanb  gebunben  16  Ulf.  I.  X^eil. 
•  ^  ^nbalf  «nerina.  -  (SJebid)te.  II.  2^cil:  Seoparbi'S  aScltanfc^auung. 
:  :  -  ®eid)id)te  be§  93len)d|cngejd)led)t^.  -  öeipräd)c.  —  ©ebanfen. 
' '  ^ttUtttt  SÄuiibt,  ^ortroitöauei»cmneunie^nten3o^r]^unUert- 
■  '  1878  elegant  ge^.  8  m.  ®cb.  9  m.  ^n^alt:  Sorb  ^^von. 
'  l  ^üTit  ^ücfler.  —  earlt)le.  —  ^^enerbacf).  —  ®.  ©anb.  — 
T  ^idcnä.  -  J^acferct).  -  ÄingMct).  -  md).  2B agner.  -  ^ytaubcrt.  - 
t  3ola.— 3)aubet.  -  Grfmann.-S-Ä^oln.  -•jJUnjinaD.UL  -  9ici(^enau. 
j.»  »  M  M  M  »  M  M  M  4  M  M  M  M  M  M  M  M  M  I 


I 


ZWEITE  ABTEILUNa 

FtB  GYMNASIALPlDAGOGIK  UND  DIE  tBfilGEN 

LEHSFiCHER 

MIT  AUSSCHLUSa  CBB  CLASSIfiCHEM  PHII.OI«OaiB 

HBl^GSGBCnBBN  TON  PBOF.  DB.  HfiBHAHif  KA8I08« 


63. 

DIE  EINÜBUNG  DER  CONJÜGATION  DES  GBIECHISCHEN 

VEIU3UMS  IN  DEB  SCHULE. 


I  H.  D.  Müller  und  J.  Lattmann  geben  in  ihrer  formenlehre 
§  63  das  vollständig  durch  alle  modi  und  personen  durchconj agierte 

'  Terbnm  Xuu)  als  paradigma,  §  64  dann  als  zweites  das  verbum  tutttiü, 
von  welchem  aber  nur  die  ersten  formen  aller  modi  angegeben  und 
nur  die  modi  des  perf.  und  plqpf.  med.  durchconjugiert  sind,  dar- 
Bof  folgt  §  65  eine  Zerlegung  der  yerbalformen  von  Xuuj  und  tutttuü 
nach  stamm  und  endungen ,  augment  und  reduplication ,  aber  ohne 
irgend  welche  erklärung,  §  66  eine  aufzählung  der  acht  'bildungs- 
gruppen',  in  welche  sich  die  einzelnen  tempora  nach  der  art  und 
weise  ihrer  bildung  scheiden,  in  den  folgenden  paragraphen  wird 
über  die  stämme  und  ihre  einteilung  und  über  die  Zusammensetzung 
des  Stammes  mit  den  endungen  gehandelt,  §  70 — 74  folgen  die  verba 
muta,  §  75 — 78  die  verba  liquida,  §  79  enthält  besonderheiten  in 
der  flexion  der  verba  pura,  §  80 — 83  bemerkungen  über  augment 
und  reduplication,  §  84  besonderheiten  in  der  flexion  (futurum  atti- 
cmn,  ohne  c  etc.),  §  85  werden  die  verbaladjectiva  besprochen,  §  86 
— 88  die  verba  contracta,  und  endlich  macht  §  89  —  90  die  Zer- 
legung der  Verbalendungen  und  die  erklärung  der  entstehong  der 
einzelnen  formen  den  abschlusz  der  ersten  conjugation.  —  Ent- 
sprechend dieser  anordnung  verlangt  oder  empfiehlt  H.  D.  Müller 

'  (vorrede  s.  Y  f.)  folgenden  gang  in  der  bebandlong  des  griechischen 

I  verbs : 

'Zunächst  sind  die  beiden  paradigmen  und  die  nach  anleitung 
I  des  §  65  Ton  diesen  abzulösenden  verbalendnngen  bis  su  völliger 
H.jiM.f;piia.«.pftd.n.ftM.i8V8.iiftis.  38 


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670   Die  eiiiübnng  der  ootgngaftUm  des  gvMch.  yerbums  in  der  Mhide» 

gelAofigkeit  einzaQben.  es  ist  dies  eine  voranssetzong,  worauf  die 
ganze  folgende  behandlung  des  verbums  beruht,  nnd  ich  denke,  dast 
er&hrene  lehrer  sich  wol  damit  einverstanden  erklären  werden,  diB 
wir  der  althmrk6mmlichen  praiis ,  welche  einer  den  anfordwongen 
der  jetzigen  Sprachwissenschaft  entqpivebenden  darateUong  akkt  i 
hinderlich  ist,  ihr  volles  recht  in  diesem  puncto  habeR  widerfabm 
lassen,  fiberbavivt  kann  der  antenielit  von  hier  an  genau  d6iD  hmr 
stets  von  der  aiialjsia  rar  qmÜMsia  fortschreitenden  gange  de» 
bnches  sich  anschlieszenf  nnr  wird  manches  in  dem  enten  cnrsns 
sweckmtaig  flbersehlagen  werden,  nnd  zwar  nieht  nor  elnittidie 
anmerknngen,  sondern  auch  namentlich  §  68,  die  lehre  von  den 
Terftndeningtn  des  stamminlaotes  §  74;  auch  kannniai^§  79 — 85 
vorläufig  ganz  bei  seite  lassen,  da  die  niMsten  verba  pura  sieh  ohne 
Schwierigkeit  nach  dem  paradigma  Xuu)  bilden  lassen,  und  über  ' 
angment  und  reduplication  schon  aus  §  65  und  gelegentlich  bei  den 
Paradigmen  das  notwendigste  gelernt  ist.  nachdem  nun  die  wenig 
seit  erfordernde  einübung  der  verba  contracta  beendigt  ist,  wendet 
man  alle  sorgCslt  auf  die  in  §§  89  und  90  gegebene  zeil^gong  der 
verbalendungen,  die  als  Vorbereitung  ftlr  die  richtige  auffiusnng  der 
II.  ooi^ngation  dienen  soll'.  —  Spiter  soll  dann  in  einem  'wieder* 
holungscursus'  das  im  ersten  übergangene,  soweit  es  auf  diese 
(untere)  stufe  gej^ört,  nachgeholt  werden. 

Wir  wissen,  dasz  dieser  vorsehlag  auf  langer  erfahrung  beruht 
nnd  zweifeln  daher  nicht,  dasz  sich  auf  diesem  wege  gute  resnltsfee 
ersielen  lassen;  wir  haben  ans  aber  doch  in  mehreren  hanpr||icaicteB 
nicht  mit  diesem  gange  des  nntenidits  befreunden  kflmien  und 
wollen  im  folgenden  eine  etwas  andere  methode  darlegen  nnd  he- 
fQrworten,  Indem  wir  dabei  zu  skisBirsn  soeben,  wie  etwa  der  lehrer 
mit  benntzung  der  MflUer-Lattmanwsdien  oder  einer  Shnlichen  < 
grammaiik  die  eo^jugaüon  des  griechischen  verboms  seanen  Schll- 
lern  einprägen  würde« 

Wir  billigen  sonädist  völlig,  dasi  MllDer-Lattmann  dem  Vor- 
gänge von  G.  Cnrtins  nnd  H.  L.  Ahsens  in  dem  pnnote  nidit  geft^g^  | 
sind,  die  verba  ansemander  zn  reisssn  nnd  die  einsdnen  tempon  < 
(^Systeme*)  oder  bildnngsgruppen  snm  ndttelpnnct  zn  machen,  son-  I 
dem  erst  ein  verbnm  ganz  dnrchgelemt  wissen  wollen,  ehe  za  «ner  | 
andern  classe  flbergegangen  wird,   so  erreichen  wir,  dass  nnsere  i 
schfller  schon  im  zweiten  qnartal  das  r^lmäszige  verbnm  imiam 
fertig  gelernt  haben,  nnd  schon  da  das  gefnhl  bekommeD,  etwas  games 
zn  wisseui  was  sie  nach  jener  andeni  pnuds  kaum  am  sdüoss  des 
quarta-cnrses'  erreichen  kOnnoi.  —  Wir  shud  sodann  aber  der  mei- 
nnng,  dasz  bei  einem  unterrichte  in  griechischer  formenlehre,  wel- 
cher *aQf  der  gmndlage  der  vergleichenden  spraehforschnng'  he* 

'  alles,  was  in  dieser  abhandlunf^  von  quarta  oder  tertia  gesapt 
ist,  würde  bei  den  schulen,  in  welchen  der  griechische  Unterricht  nicht 
in  quarta,  sondern  erst  in  Untertertia  beginnt,  von  untertertia  resp. 
Obertertia  gelten. 


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Die  «nfibnog  der  ooiyiigatioii  der  grieeh.  verbnnui  ia  der  schule.  571 

mben  soll,  dieses  bemben  sieb  andi  praktiscb  darstelleii  miisz,  und 
zwar  80,  dasB  alles  sa  eriemende  dem  sobdler  erklftrt  und  mm 
versiftndnis  gebraebt  wM,  abe  er  es  lernt,  danaob  sind  wir 
nioht  mit  MUller-Lattmann  dnTenrtanden,  weldie  erst  Xöui  und 
TAimu  Itmea  lassen  woUen,  gleieb  naob  einander  nnd  fast  zusam- 
msn.^  das  mtlste  und  könnte  ja  doeb  nur  ein  meebaniscbes  ans- 
wendi^emen  sein  und  efai  sokbes  wttnsoben  wir  mOglicbst  ansgei- 
sdilossen  nnd  beseitigt  in  sdien.  —  Ans  diesem  gründe  wflnseben 
wir  einen  erklftren  den  nnterriobt,  erlbltren  nns  aber  znnicbst  noch 
damit  einTerstandin,  dass  Mllller^Lattmann,  wie  schon  B.  Eflbner 
und  andere  yor  ihnen  tbaten,  nrit  der  eonjugation  anf  ui  beginnen 
und  als  erstes  nnd  hauptparadigma  fllr  die  ganse  eonjugation  auf  ui 
ein  Terbum  purum  non  oontraotum  an  die  spitae  gestellt  haben. 
Mber  hat  man  Ja  meist  mit  rOimn  begonnen,  und  aach  dafür,  dasz 
dieses  verbum  zuerst  erlernt  werde,  ISszt  sich  manehes  sagen,  haupt- 
sSdilieh  der  umstand,  dasS  von  diesem  verbum  und  s«nes  gleichen 
alle  tempora,  prima  und  secunda  gebildet  worden  kOnnen.  doch 
bei  der  erklärenden  Idurmethode  wird  man  Xtfui  (oder  ßoüXcdui, 
doch  hat  XOui  nodi  den  vorzug,  nur  zweisilbig  zu  sein,  was  *fär  den 
unterridht  bequem  und  selbst  zeitsparend'  ist)  als  erstes  paradigma 
wShlen  mttssen.  denn  bei  Xdui  kann  man  die  entstehung  der  formen 
mid  illre  bildung,  und  zwar  aller  formen  der  tempora  prima  (von 
denen  die  der  tmpora  seennda  ja  nur  gAuz  unerheblich  abweloht)  am 
besten ,  weil  am  einfachsten  und  klarsten,  dem  schttler  erklären  und 
nun  Tersliateis  bringen,  bei  dksem  yerbum  s^taen  si^  mit  sehr 
wenigen  ausnahmen  alle  formen  einfach  aus  ihren  bestandteilen  zu- 
sammen, ohnelautferltnderungen,  z.  b.  X^-Xv*k-€,  ^-X^-Xu-vto, 
XuxOe-Cri,  X^-c-a-t-TO,  Xu-6r|-c€-c8at  usw.  haben  die  schttler 
das  yerbttm  Xuu)  (und  seines  gleichen)  sieb  fest  eingeprägt  und  seine 
büdung  verstanden,  so  macht  ihnen  die  flexi on  der  übrigen  verba 
auf  u)  gar  keine  mtÜie  mehr,  da  sie  ja  nichts  neues  enthält,  und  auch 
die  tempusbüdung  oder  formation  (Ahrens)  macht  nur  wenig 
arbeit. 

Wir  halten  also  dafür  dasz  zuerst  nur  das  verbum  Xüuj  durch- 
genommen, erklärt  und  geübt  wird,  mit  hinzunahme  anderer  verba 
piura,  ßouXcuuJ,  Traibeuuu  usw.  (im  präs.  und  impf,  freilich  auch  der 
Terba  impura,  vergl.  weiter  unten),  aber  kein  tempus  und  keine 
form  werde  vom  lehrer  zum  bloszen  aus  wendiglernen  auf- 
gegeben und  vom  schüler  rein  mechanisch  gelernt,  als  etwas  fer- 

^  es  freut  uns  sehr,  hierfür,  wie  für  maacbes  im  folgenden  ausge- 

Tührte,  uns  auf  K.  W.  Krüger  berufen  zu  können,  der  doch  gewis 
Dicht  in  dem  verdacht  steht,  Sprachvergleichung  in  die  schul«;  bringen 
zu  wollen,  er  sagt  aber  in  seiner  griechischen  Sprachlehre  (4e  aufl.) 
1  86,  Tor«rumenmg:  'jeden  teil  des  paradigmas,  den  man  zum  erlernen 
^Qfgibt,  erkläre  maa  vorher  seinen  bestandteilen  und  feiner  be- 
Pentling  nach  mit  angemessener  herücksichtignttg  der  besfiglicben 
i'egeln.  eingeübt  werde  alles  nur  in  den  stunden,  wo  dann  spater 
auch  beim  lesen  etwa  vergessenes  mit  beflissenbeit  zu  erneuern  ist.' 

38* 


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572    Die  eiuabnng  du  coigagatMm  des  gciedbu  Yerbam  in  te  nbila. 


üges,  sondern  alle  formen  werden  in  der  stunde  vom  iehrer  nach 
ihrer  bildung  erklärt,  vom  schüler  in  ihren  bestandteilen  erkuuit 
und  begriffen,  aus  denselben  zusammengesetzt  uad  soglfikkikK 
«nteiebung  und  bildung  nach  rationell  gelernt. 

Wer  also  die  granmiatik  von  Mfiller-Lattmaim  zu  gründe  kgt, 
hat  sich  nach  unserer  m einung  nicht  ganz  dem  gange  des  bades 
anzuschlieszen,  sondern  z.  b.  von  anfang  an  den  §  63  mit  §  89/90 
zu  verbinden,  in  welcher  weise  dkees  im  einiriaftn  m  geacUm 
hat,  wollen  wir  nun  skizzieren. 

Yorlftufig  ohne  jede  erwöhnung  der  einteilung  der  griechischeB 
verba,  oder  auch  nur  der  arten  der  verba  auf  u),  werden  die  namen 
der  modi  und  tempora  (mit  vergleichender  bezugnahme  auf  dis 
lateinische!),  aber  zunächst  nur  der  tempora  prima,  und  die  ein- 
tcilung  der  letzteren  in  kanpU  und  nebeniempora  dem  sehOlem  nü- 
geteilt  und  eingeprägt. 

Von  nun  an  ist  das  lehr  buch  bei  dem  unterrichte  stets  ge- 
schlossen; der  lehrer  unterrichtet  mit  der  kreide  in  derhmd, 
schreibt  stamm ,  endung ,  bindevooal  usw. ,  alles  durch  striche  ge- 
trennt an  die  Wandtafel,  läszt  —  unter  möglichster  beteiligoog 
der  Schüler  —  auf  der  tafel  die  zu  erlernenden  formen  entstehen 
und  erklärt  dann  ihre  bedeutung;  die  schüler  haben  nur  auf  des 
vertrag  des  lehrers  zu  hören  und  nach  der  tafel  zu  sehen ;  nur  zur 
häuslichen  repetition  werden  sie  auf  die  grammatik  verwiesen, 
bei  der  repetition  in  der  schule  werden  die  formen  mehrmals  von 
verschiedenen  schillern  an  der  Wandtafel  wieder  gebildet,  eben- 
falls nach  ihren  bestandteilen  getrennt;  das  thun  die  schüler  aber 
nicht  stumm,  sondern  sprechend  und  wieder  erklärend  (ähn- 
lich wie  beim  mathematisdiMi  uiieRioht),  ^eichaam  eine  Mitlaig 
den  lehrer  vertretend. 

Wir  beginnen  also  mit  der  durdmahme  des  paradigma  Xua 
und  zwar  mit  dem  indicat.  praes.  act.  es  wird  zunäch^^t  den 
Schülern  gesagt,  dasz  aaoh  im  griechischen  stamm  und  endung  scbarf 
geschieden  sind,  dann  sagt  der  lehrer  weiter:  der  stamm  des  verbs, 
das  wir  als  paradigma  durchnehmen,  ist  Xu.  an  diesen  stamm,  der 
in  allen  formen  derselbe  bleibt,  werden  zur  bildung  des  indic  praes. 
act.  (wie  demnächst  der  meisten  anderen  formen)  endungen  gesetzt 
und  mit  dem  stamm  durch  bindevooato  verbnnden.  die  endoagiA 
für  dm  indic  pxMs.  not  sind: 


(die  endungen  in  ihrer  Qnq[>rüngliehen  foim  zu  geben,  fii,  ci,  n,  via 
oder  VTi,  rmd  gar  ihr  eigentliehee  wetfln  und  ihre  entstehung  aus- 
einander zu  setzen,  halten  wir  beim  ersten  Unterricht  für  überflüssig, 
ja  fast  für  schädlich ,  weil  es  die  schfller  verwirrt),  diese  endujigei> 
schreibt  der  lehrer  rechts  Tom  atanm  natorcoMUMlar  an  die  w^' 


sing.  1.  — 
2.  IC 
3.1 


dual« 


plur.  1.  fiev 

2.  T€ 

3.  vci 


2.  TOV 

3.  TOV 


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Die  emfibniig  der  e<»giig«ÜMi  de»  griedu  verbuiiit  in  der  tchule.  573 

tafel  und  setzt  dann  zwlsehen  sie  und  den  stamm ,  durch  sthohe  ge* 
traantt  die  bindevocale.  als  bindevooale  dienen  für  diesen  rnodog 
0  und  €,  und  awar  o  vor  den  mit  und  v  anlautenden  endungen, 
Bonat  €.  dann  werden  noch  folgende  erklürnngen  hinzuge£Qgt,  stets 
unter  benateang  der  tafel:  in  der  1  sing.,  welche  keine  endung  hat 
(oder  deren  endung  abgefallen  ist) ,  ist  der  bindevocal  o  zn  lU  ge« 
dehnt;  in  der  2  und  d  nag.  werden  €  und  i  zum  diphthong  €i,  in 
der  3  plur.  fftUt  v  ?or  c  nadi  der  gewöhnlichen  und  schon  ans  der 
3  deolination  (öaifiov-ci  »  baCfiOCi)  bekannten  regel  ans  und  znm 
«rsati  wird  o  in  ou  gedehnt  (wie  in  öbouc  aus  ööovr-c).  es  erflbrigt 
noch  eine  mitteilong  über  den  acoent  in  möglichst  kurzer  form,  etwa 
'der  accent  tritt  so  weit  vom  ende  zurUek,  als  die  natur  der  endsilbe 
es  gestattet',  und  eine  erlfintenmg  dieser  regel  an  den  einzelnen  for- 
men,  unter  beteilignng  der  sdifller.  an  der  tafel  steht  nun: 

UJ 

Xu-o 
-Ci 

-€-TOV 
-€-TOV 
-0-HCV 
-€-T€ 


so  ist  durch  die  tafel  den  schülem  die  entstehong  und  bildung  der 
formen  zur  anschauung  und  zum  verstftndnis  gebracht  und 
nun  sind  alle  anfinerksamen  sohttler  im  stände ,  sämmtliche  formen 
des  ind.  praes.  act.  zu  bilden,  resp«  von  der  tafel  abzulesen»  dieses 
wird  von  mehreren  schalem  nach  einander,  dann  anoh  vom  ganzen 
chor  gethan,  darauf  werden  bindevocale  und  endnngen  weggewischt 
und  die  formen  answeodlg  aufgesagt,  nun  können  wir  den  ersten 
modus  coiy agieren,  der  wird  nun  vorwärts  und  rückwärts  hergesagt, 
dann  kreuzweise  oder  abwechselnd  vorwärts:  Xuuj  Xucjuev,  Xueic 
Xu€TOV,  XOcTC,  Xu6i  Xu€TOV  Xuovci,  und  rückwärts:  Xuouci,  Xuctov 
Xu€t,  Xu€T€  XOerov  Xu€ic,  XOOfliV  Xmui«  erst  ohne  die  deutsche  be- 
deutung,  dann  mit  derselben ,  und  zwar  bald  das  deutsche ,  bald  das 
griechisch  voran,  vorwärts,  rückwärts«  kreuzweise,  nachdem  dies 
von  Xiku  genügend  durchgeübt  ist,  werden  dieselben  formen  von 
einer  grossen  zahl  anderer  verba  (auch  muta,  liquida  und  contracta 
natürlich  nur  'offen')  durohconjugiert  und  so  dieser  modus  gleich 
möglichst  gründlieh  und  sicher  befestigt,  erst  wenn  alle  schüler  die 
formen  auf  diese  weise  geläufig  und  sieber  hersagen  können,  beginnt 
der  lehrer  durch  fragen  durch  einander  ('kreuzfener')  sie  noch  mehr 
einzntthen,  indem  er  bald  eine  griechische  form  si^  und  sie  ana- 
lysieren und  übersetzen  läszt,  bald  eine  deutsche  form  gibt  und  eine 
rasche  Übersetzung  derselben  verlangt,  darauf  läszt  er  auch  die 
endnngen  allein  aufisagen,  yorwärts,  rückwärts,  krensweise  und 


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674    Die  eiaübimg  der  ooiyugatioa  des  gneclu  verbama  k  du  aekaiib 


befestigt  äiti  ebenfalls  darcb  abfragen,  conjugiert  wird YoneuuelMt  m 
scbUleru  oder  im  cbor  vom  ganzen  coetus ,  zur  abwechslong «di  I 
von  einer  oder  mebreren  bänken.  dieses  unablässige,  eifrige  tlbeal 
nnd  *  pauken*  ist  der  zweite,  aber  nicht  minder  wichtige  schritt,  dar  ■ 
aber  erst  auf  du  feratttudiiis  folgt  luid  dMBoLb«  iiir  voianaiBtn^  I 
haben  mosz.  i 
Vom  indic.  praes.  act.  gehMi  wlrdanB«  ibttreirtwenaümjfliK  | 
sehfiler  inne  hat,  gleich  über  zum  indic.  praes.  modiiodvpaa*  i 
•ivi.  der  lehrer  tagt:  bindevoosle  sind  auch  hier  €  und  0|  ater 
diBtelben  bedingungen  wio  im  aoÜT.,  ako?  (aehHer:  'OfQf|iai 
Vy  sonst  €').  die  endiuigiii  aind: 

cai         cöov  c9€ 
Tai         c6ov  vrai 

um  die  einprftgung  deiaelben  na  eriaiditentf  reiglMciht  der  hhnr 
sie  unter  noh  nnd  mit  den  actitisehen  endongen,  maeht  s.  b.  dnn! 
aufinerkBam,  daaz  flir  aotiTee  T  iin  med.  und  pass.  c6|  ftr  i:  andi 
findet  (vergl.  Ahrens  fonnenlefare  a*  49).  die  endnngen  weEdnnh 
nMiat  allein  eingeübt,  nnd  dann  die  sohfller  angehalteB,  den  itum 
Xu-  und  die  bindevoeale  mit  denselben  zu  verbinden,  wobei glach 
die  Veränderung,  welche  die  2  sing,  erleidet,  erklärt  wird:  stimm 
Xu-,  bindevocal  e,  endung  cai,  also  (an  die  tafel  geschrieben)  XU'E<aL 
die  besseren  schüler  müssen  nun  die  frage,  welche  Veränderung  diese 
form  zunächst  erleidet,  beantworten,  indem  sie  sich  (wieder  Ton  der 
8n  declination  her:  ^evec-oc  =  T€V€-OC  =  T^vouc)  des  gesetzes er- 
innern: zwibchen  2  vocalen  föllt  aus';  so  streicht  man  c  aus  und 
bebUlt  \u-€  ai  (dabei  und  ebenso  bei  dXu60  usw.  mag  man  den  Schü- 
lern gleich  sagen ,  dasz  diese  offenen  formen  bei  Homer  noch  im  ge* 
brauch  sind ;  dann  bedarf  es  später  bei  der  Homerlecttire  keiner  er-  , 
klärung  derselben  mehr),  €  wird  mit  ai  contrahiert  zu  r),  alsoXu-ij. 
wenn  dieses  also  mit  hülfe  der  tafel  zum  Verständnis  gebracht  ist, 
wird  der  ganze  modus  hergesagt  und  geübt  in  derselben  weise  wie  ' 
das  activum,  erst  von  Xuai,  dann  von  vielen  anderen  verben.  dann 
nimmt  man  auch  act.  und  med.  nebeneinander,  vorwärts:  Xuuj  \i'0 
fiai,  Xu€ic  Xür),  Xu€i  Xueiai  usw.,  rückwärts :  Xuovrai  Xuouci,  Xvecöt 
Xu€T€,  Xuö|Li€0a  Xuo)üi€V  usw.,  vorwärts  kreuzweise:  Xuu)  Xuofiai,  i 
Xuo|H€V  XuÖMCÖa  usw.,  rückwörts  kreuzweise:  Xuoviai  Xuouci,  XuC'  ; 
c9ov  Xu€tov,  Xuerai  Xuei,  XOecGe  Xuexe  usw.,  mit  der  deutschen be- 
deutung  und  ohne  dieselbe,  dabei  emphehlt  es  sich  die  formen  Xuo- 
pai  usw.  sowol  medial  wie  passivisch  übersetzen  zu  lassen,  damit 
die  schuler  von  vom  herein  diese  beiden  arten-der  bedeotoog 
kennen  lernen  und  sich  an  dieselben  gewöhnen. 

Der  oonjnnctiv  hBi  im  aet.  und  med.  dieeelben  endumstt 


'  die  1  ilual.  auf  m^Oov  sollte  doch  nach  6.  Curtloa  Oed  Ahreni 
gHog  auf  allen  schalgrammatiken  entfernt  werden! 


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Die  «Bäbuiig  der  co^jngatioit  des  gziech.  verbums  in  der  ackule.  575 


wie  der  indic,  also?  —  statt  o  und  €  als  bindevocal  uj  und  i\  (hier 
AMch  wol  xnodujiTOcal  gen.)-  das  gesagt,  so  müssen  sehr  fähige 
schttler  im  stände  sein,  sofort  die  formen  selbst  zu  bilden  und  der 
lehrer  schreibt  sie  an  die  tafel  mit  folgenden  bemerkungen:  imactiv. 
hat  die  1  sing,  wieder  keine  endung,  in  der  2  und  3  sing,  wird  die 
«ndung  t  dem  x]  subscribiert:  ir),  in  der  3  plur.  wird  aas  Xu-U)*vci 
wieder  nach  der  bekannten  regel  Xüujci.  im  medium  wird  ebenfalls 
nach  der  bekannten  regel  Xu-ri'Cai  zu  Xu-n-oi  and  das  zu  Xüig.  nach- 
dem dieses  also  an  der  tafel  Yordemonstriert  und  dieser  modus  er-^ 
klärt  und  dann  in  der  oben  angegebenen  weise  von  Xuu>  und  allen 
anderen  arten  von  verben  geübt  ist,  läszt  man  zu  noch  gründlicherer 
befestigung  der  formen  den  indic.  und  coiviunct.  im  act.  und  med* 
neben  einander  aufsagen,  wieder  vorwärts,  rückwärts,  kreuzweise 
usw. ;  überhaupt  gibt  es  darin  ja  viele  abwechslungen  und  die  immer 
neuen  gruppierungen  tragen  viel  dazu  bei,  das  Interesse  der  schüler 
lebendig  zu  erhalten  und  die  formen  immer  fester  einsaprägen.^ 

Neues  bietet  dem  schüler  sodami  der  op  tati  v ,  neue  endungen, 
neuen  binderoeal,  nad  noch  einen  vierten  beetandteil,  den  modus- 
ToeaL  die  penoBeBeadimgen  werden  wieder  audio  tofelgeechri 
fttn  aci: 

^l  |at€V 
c  tov  T€ 

—  TIIV  €V 

fürs  medium:  ^r\v         M^6ov  jucda 
CO  cOgv  c6€ 

TO  cOqv  VTO. 

haben  die  schüler  dieselben  abgelesen  und  unter  einander  verglichen 
(wie  beim  indic),  und  können  sie  sie  hersagen,  so  heiszt  es  weiter: 
modusvocal  des  optat.  ist  i  (vergl.  lat.  sim,  velm,  noliwi,  malmi)j 
dieser  verbindet  sich  mit  dem  bindevocal  des  optat.,  welcher  in  allen 
hauptzeiten  des  act.  med.  und  pass.  o  ist,  zum  diphthong  oi.  dieses 
Ol  wird  nun  an  die  tafel  geschrieben,  zwischen  den  stamm  und  die 
endung  der  1  sing. ,  dann  musz  ein  fähiger  schüler  die  bestandteile 
verbinden  und  aufsagen,  Xuoijui,  Xuoic  usw.,  XuoijLiTiv  usw.,  wobei 
noch  die  2  sing.  med.  erklärt  wird:  Xuoi-co  =  Xüoio.  es  folgt  die 
-eintibung  dieser  formen,  dann  von  allen  möglichen  verben,  vorwärts, 
rückwärts  usw.,  auch  wieder  der  endungen  allein,  dann  der  nunmehr 
gelernten  3  modi  zusammen. 

Vom  imperativ  w^erden  nur  die  zweiten  und  dritten  per- 
sonen  gebildet,  alle  wieder  mit  dem  bindevocal  e  oder  o,  unter  den- 
selben bedingungen  wie  im  indicat.  die  endungen  sind : 


*  viel  anregun^  und  f5rd6rnng  in  dieser  besIehuDg  verdanken  wir 
der  vortrefflichen  schrift  von  G.  SchimmelpfeDg,  *cue  gruppierende 
^terriohtomethode  >,  Ifarbnrg  1865. 


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676    Die  euiübnng  der  ooiyogaiioii  des  gziech.  verbams  in  der  «ckok; 


ttti 


TOV 
TUlV 

C0OV 


T€ 

TUlcov  oder  vnuv 
c6€ 

cOuicav  oder  cOiov. 


med.:  CO 
c6u) 


vergleichung  derselben  untereinander,  und  der  aetiven  mit  dem 
latein«,  t.  b.  leg*i-(o,  leg-i  te.  nachdem  dann  der  lehrer  gesagt  hat, 
dan  in  der  2  sing,  des  act.  die  endang(dt)  abgefallen,  der  bindefonl 
€  ab«r  doch  geblieben  ist,  bilden  ffthigiM  schttler  die  einselnea  for- 
MH,  mul  erlttntem  auch  selbst  schon  die  TtrlbideniBgder  2  aii^.  med. 
Xm-CO,  Xu-€*o,  Xuou.  es  folgt  einübang  dieser  lonnen  in  geweb- 
ter weise,  aufsagten  der  4  modi:  Xuuj,  Xuui,  Xuoi|uii  —  Xuetc,  Xüi^c, 
Xuoic,  XOe  — >  Äiki  usw.,  rUckwtfrts:  Xu^twcoV  oderXuövTuiVy  Xuotev, 

XÜUICl,  XuoUCt  —  Xu€Ti,  XtelTC,  Xlh|T€f  Xu€T€  OSW«,  oder  mit  dflB 

iadic.  anfangend:  Xüouct,  XOuia,  Xih>i€V,  Xu^Tiucav  oderXvdvm 
—  Xum,  Mirre,  Xuorrc*  Xteie  uaw.,  ebenso  im^  medium. 

Fflr  den  infinit,  praet*  »et»  ist  es  im  aaängamiterrichte  das 
•iniMhate,  mit  IfftUer-Lfttimaim  cit  ale  deboroag  «ne  €,  ftür  den  bfnd»- 
Toeal  zu  erklären  nnd  v  tla  endiuigMifzaateUaii,  ako  Xö-€i*v;  spttnr 
bei  der  Homorleetttre  und  der  diuran  sieh  nnBcbHesaenden  b«pie> 
drang  beeonderer  homeriaeber  f  onneii  iat  es  Mh  genag  die  f  oihmb 
anf  ciicvnnd  cpevoi  sn  eildimiind  mit  denen  anfctv  in  nuamawh 
hang  sn  bringen.  —  Infinit  praea.  med.  hat  als  bindoToeal  c,  ab 
endnng  cOat«  also  Xti-e-cdau 

Znr  bildong  das  partioipiama  dient  im  actiT.  vr  (vergL 
dentsob  liebe-nd,  kt  ama*nt,  firaaiSa.  parla-nt),  binderoed 
iat  yor  v  wieder  o,  also  Xu-o-VT;  solche  etftmme  anf  vr  sind  dm 
lehfllem  von  der  8  declination  her  bekannt  (6b0VT-t  XeovT-) ;  der  leknr 
braneht  alao  nur  an  sagen ^  dasz  der  nom.  sing.  mase.  dieses  paiti* 
dp*  gebildet  wird,  wie  bd  den  sabstantivstlmmen  der  3  ded.nf 
VT,  wdche  das  c  des  nonu  abstonen,  dann  geben  die  edittlerm 
selbst  an ,  dasz  mm  auch  t  abfedlen  musz,  wdl  keine  mnta  am  ende 
stehen  ds^rf,  und  dasz  0  zum  ersetz  in  ui  gedehnt  wird;  also  X^hb-v; 
das  femin.  ist  wie  bei  den  adljectiven  auf  vr  mit  ja  gebildet  (ILL 
§  42,  4^),  also  Xu-o-VT-ja,  das  j  der  bildungssilbe  bewirkt  Verwand- 
lung des  T  in  c ,  vor  welchem  v  ausfallt  und  ersatzdehnung  hinter- 
läszt:  XOovca  XuGUca.  das  neutr.  zeigt  den  reinen  stamm,  aber, 
wie  die  sch iiier  wieder  zusetzen  werden,  mit  abfall  der  muta,  also 
XÜOV.  —  Daä  partic.  med.  wird  als  adj.  dreier  endungen  gebildet 
auf  ^evo-c,  ^evri,  )li€VO-v,  ebenfalls  mit  dem  bindevocal  o  vor^: 
Xuö^evoc,  Xuo;i^VT]i  Xuö>a€VOV.  die  declination  beider  participia 
wird  repetiert. 

Endlich  kommen  wir  zum  imperfectum.  aus  den  Vorbemer- 
kungen wissen  die  schüler  schon,  dasz  dies  ein  nebentempus  ist,  und 
erhalten  nun  die  regel,  dasz  alle  nebentempora  im  indicat.  dasaug- 
ment  e  erhalten,  welches  vor  den  stamm  gesetzt  wird,  wenn  der- 
selbe], wie  Xu-,  mit  einem  consonanten  begixmt,  mit  einem  vocali- 


Die  emübnng  der  oo^jngstlon  des  grieoii.  Teibimit  in  der  tehide.  677 

eben  anlaut  aber  eoütnhieH  wird«  i^eoielkree  hiertUier  (M.-L. 
I  80— *83)  wird  bis  ans  ende  des  quartaeursut,  teilweise  tmck  bie 
stir  tertia  verschoben;  aber  auch  mit  angm.  temp.  werdon  jetzt  tdion 
imperfecta  gebildet,  weiter  erfahren  die  lohllkr,  dm  yom  impf,  smr 
nn  in^ßeativ  gebildet  wird,  eodaw  alle  förmen  diese»  tem^  daa 
vagnBOt  hBkmu  die  eaduigeB  ftr  das  aotiT.  werden  wiedar  aaga- 
sdbciabaiLs 

V  gcv 

C  T0V  T€ 

also  fint  gsns  dieoalben,  wie  die  des  Optative»  mit  weliaheiii  aia  ver* 
fl^iehm  werden;  die  endangen  ftlra  madiun  sind  gani  dieealbeis  wie 
im  optat.,  also  kOnnen  die  schtüer  sie  ohne  weitem  angeben»  binde- 
vooal  o  und  €,  wie  im  ind.  praes.  naehdem  dieaes  gesagt  ist,  mllaaen 
dk»  adhlüer  die  «nzelnen  fSonm  bilden,  während  dar  lehrer  aia  auf 
die  taifid  bringt : 

<-Xu-o-v 
-c-c 

•e  usw. 

dabei  ist  durch  abfragen  noch  besonders  die  2  sing.  med.  zu  erklären : 
4Xu-€-C0,  d-Xu-€-0,  i\vov  (crinneruDg  wieder  an  T6V€C-0C,  T€V€OC, 
■fevouc).  danach  wird  auch  das  impf,  von  verben  aller  art  gebildet 
und  in  gewohnter  weise  geübt ,  bis  es  festsitzt. 

Nun  wird  etwas  halt  gemacht  und  repetiert,  sämtliche  modi 
dieser  ersten  bildungsgruppe  werden  in  der  schon  beim  indic.  an- 
gegebenen weise,  aber  gehörig  durch  einander,  geübt,  auch  läszt 
man  alle  modi  des  praes.  act.,  dann  des  praes.  med.,  sodann  act. 
und  med.  neben  einander  oft  und  von  vielen  verben  aufsagen,  infin., 
partic,  impf,  immer  mit;  z.  b.  Xuuj  XOo)Liai,  Xuuj  Xuo^al,  Xuoipi 
Xuo(|LiT^v,  Xu€  Xuou,  Xueiv  XuecOai,  Xuwv  Xvjouca  Xöov  Xuo/nevoc 
Xuo)Li^VTi  Xuö^evov ,  IXuov  dXuöfiriv ,  und  nicht  blosz  die  ersten  for- 
men, sondern  auch  einmal  etwa  alle  3  sing.,  alle  2  plur. ,  ein  ander 
mal  werden  alle  modi  des  act.  oder  med.  neben  einander  durchcon- 
jugiert,  vorwärts,  rtlckwärts  usw.  —  Solche  repetition  der  einzelnen 
modi  findet  auch  später  noch  am  anfang  jeder  stunde  statt,  indem 
die  neu  gelernten  tempora  und  modi  stets  dazugenommen  werden, 
—  Notwendig  ist  es  auch,  wenn  nicht  immer,  so  doch  häufig  die 
deutsche  bedeutung  des  conjunct.  und  optat.  mitsagen  zu  lassen, 
ähnlich  wie  es  oben  schon  beim  indic.  angegeben  wurde,  uns  scheint 
es  am  passendsten  (wie  z.  b.  auch  in  Schwartzes  'Organismus  der 
gymnasien'  vorgeschlagen  ist) ,  den  conj.  mit  httlfe  der  conjunction 
^dasz',  den  optat.  tenmttelat  dee  hOl&zeitworts  'mögen'  zu  über- 
setzen; dann  wird  man  alle  eoi^.  und  opt.  wenigatena  einigarmaszen 
deutsch  wiedelgeben  ktaaen  and  bei  spftterem  abfragen  oder  bei 
^menaiiemporalien  weiden  die  schttto  murin  betr.  der  llbmetning 


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578    Die  eiAübung  d^r  miyjiigatifrn  des  gdach*  verbumA  iu  der  schale. 


w  eniger  formen  zweifelniU^iiiieiii  und  da  iuMUi  eine  kurze  bemerkoog 

des  lebrerb  aushelfen. 

Ehe  weitergegangen  wird,  sind  erst  noch  einige  allgemeinere 
bemerkungen  und  regeln  zu  geben,  also  wird  den  schülem  mitge- 
teilt, doäz  alle  conjunctive ,  alle  optative,  alle  imperative  (mit  einer 
ausnähme),  im  activ.  und  im  med.  je  dieselben  endungen  haben,  dasz 
überhaupt  die  meisten  Schwierigkeiten  bei  den  folgenden  tempora 
durch  die  tempusbildung  bereitet  werden,  während  die  fiexion  meist 
der  fest  eingeprägten  des  praes.  entspricht,  fürs  medium  läszt  sich 
das  ja  noch  genauer  fassen,  also  dasz  alle  conjunctive  und  die  in- 
dicative  der  haupttempora  die  endungen  ^ai  cai  Tai  usw.  haben, 
alle  Optative  und  die  indicative  der  nebentempora  die  endungen 
finv  CO  TO  U6W.  durch  soloha  bemerkungeii  wird  der  folgende 
geebnet. 

Wollen  wir  dann  vom  leichteren  zum  schwereren  stufen  weise 
fortschreiten,  so  erscheint  es  richtiger  als  zweite  bildungsgruppe 
nicht  das  perf.  und  plusqpf.  durchzunehmen,  sondern  zunächst  das 
futurum  und  den  aoristus  I  act.  und  med.;  diese  beiden  tempora 
bieten  nur  einen,  jene  aber  zwei  neue  bestandteile.  beim  futu- 
rum haben  die  schUler  als  neuen  bestandteil  den  tempuscha- 
rakter  c  zu  lernen,  welcher  in  allen  formen  dieses  tempus  im  act. 
und  med.  hervortritt  (wie  überhaupt  der  tempuscharakter,  während 
das  augment  nur  im  indicativ  sich  findet),  conjunctiv  imd  imperativ 
werden  vom  fut.  nicht  gebildet;  welche  modi  also  nur?  —  Der  tem- 
puöcbarakter  tritt  an  den  stamm,  daran  dieselben  bindevocale  und 
endungen  wie  im  praes.  nach  diesen  bemerkungen  können  die  Schü- 
ler selbst  die  formen  bilden,  und  dictieren  sie  dem  lehrer,  der  sie  an 
die  tafel  schreibt;  dann  wird  das  fut.  wieder  Torw&rts,  rückwärts 
usw.  conjugiert. 

Denselben  tcmpuscharakter  c  hat  der  aoristus  I  act.  und  med. 
dieses  ist  ein  nebentempus,  hat  also  als  besonderes  kennzeichen?  — 
Aber  nur  im  indicativ !  die  endungen  sind  zu  besprechen  beim  in- 
dicativ act.  sing.  (-,  c,-),  2  sing,  imperativi  act.  (v)  und  med.  (keine 
endung)  und  inf  act.  (keine  endung);  die  übrigen  endungen  ent- 
sprechen dem  impf,  und  den  modis  des  praes.,  werden  also  repetiert 
als  bindevocal  wird  aufgestellt  a,  auszer  im  conj.,  welcher  ent- 
sprechend dem  praes.  u)  und  ri  hat.  nun  werden  die  einzelnen  modi 
£tlr  sich  durchgenommen,  wobei  im  ind.  act.  die  .S  sing,  wegen  der 
Schwächung  des  a  zu  c,  im  imperat.  act.  die  2  sing,  wegen  des 
bindevocals  o,  imperat.  med.  2  sing,  und  inf.  act.  wegen  der  deh- 
nung  des  a  zu  ai,  die  2  sing.  ind.  med.  dXu-c-a-co,  d-Xu-c-a-o,  eXücui, 
endlich  die  besondere  nominativbildung  des  partic.  act.  (Xucac  von 
Xu-c-a-VT  wie  titcic,  nominat.  mite)  zu  besprechen  sind,  und  wegen 
des  accents  die  3  sing.  opt.  act.  Xucai ;  dabei  präge  man  früh  den 
unterschied  ein  von  ßouXeucai,  ßouXeucai,  ßouXeöcai  und  repetiere 
das  besonders  häufig,  natürlich  werden  auch  von  diesem  tempus  die 
einzelnen  modi  erst  allein  geübt,  bis  jeder  einzelne  festsitzt,  daui 


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Pie  emübung  der  oo^jugatioii  d«6  grieeli.  Tetbums  in  d«r  aohule.  679 


mammeii,  wie  voriMr  anaeiiuaidefgeeettt  ist  nun  werden  die 
tempor»  bis  siun  aor.  I  incL  aufgesagt  und  aUe  modi  aller  dieeer 
iempora. 

Ale  dritte  bildnngsgruppe  folgen  perfecium  und  plne- 
quamperfeotum»  abweiebend  yom  bisherigen  gauge  werden  bei 
dteaem  be&dm  iampora  idnielist  die  aetiyen  fonnen  allein  dnroh* 
genoBunen«  dann  erst  die  medialen,  da  ja  aot  und  med«  nieht  den« 
selben  tempusebarakter  haben,  weshalb  auch  später  das  susanunen- 
eonjugieren  des  aet  und  med.  ttat  den  sehttler  so  beeottders  sehwie- 
rig  ist.      Als  gemeinsames  kennaekshen  aller  per&otisdien  tem- 
pora  wird  die  leduplieation  hingestellt  ond  eiidSrt  bei  den  oonso- 
nantiaek  anlautenden  yerben  als  wiedeiiudung  dee  anlantenden  oon- 
sonantan»  wekher  mit  e  yerbunden  vor  den  stamm  gesetst  wird,  bei 
den  Tooalisoh  anlautenden  verben  als  dem  augm.  temp.  gleiche  ver- 
stttrkung  des  anlauts.  der  so  entstehende  perfectetamm  wird  zu- 
nächst an  «iner  reihe  verba  geübt ,  wobei  die  reduplication  bei  ver- 
ben, die  mit  einer  aspirata,  mit  einem  doppelconsonanten,  mii>  CT 
usw.  anlauten ,  einfach  vom  lehrer  gegeben  wird  (daä  genauere  über 
die  reduplication  wie  über  das  augment  wird  aufgeschoben,  vergl. 
oben  s.  577).   besonderer  tempusebarakter  des  perf.  und  plusqpf. 
activi  ibt  k,  während  das  charakteristische  des  medialen  perf. 
und  plusqpf.  das  fehlen  jedes  tempuscharakters  ist.  wir  gehen  da- 
nach also  zur  conjugatiou  des  perf.  und  plusqpf.  activi  über,  wobei 
als  besonderer  bindevocal  im  ind.  a  (3  sing,  wie  im  aor.  I  zu  e  ge- 
schwächt), und  im  plusqpf.  ei  (3  plur.  gewöhnlich  e)  neu  zu  lernen, 
für  die  übrigen  modi  die  bindevocale  des  praes.  zu  repetieren  sind, 
ebenso  wie  die  endungen,  auszer  im  inf. :  vai.  zu  besprechen  bleibt 
dann  noch  (mit  benutzung  der  tafel)  die  1  sing.  ind.  X^-Xu-K-a, 
wegen  des  fehlens  der  endung,  die  3  plur.  ind.  Xe-Xu-K-a-^ci,  und 
die  eigenttlmliche  bildung  des  participiums,  mit  t:  X€-Xu-k-o-t-c, 
XeXuKÜüC  usw.  —  Im  medium  werden  die  endungen  (welche  ja  be- 
kannt sind)  ohne  tempusebarakter  und  ohne  bindevocal  an  den 
reinen  stamm  gesetzt  (Xe-Xu-^ai)  und  daher  lassen  sich  conjunct. 
und  optat.  nicht  bilden ;  den  grund  dafür  können  die  schÜler  selbst 
erklären,  die  Umschreibungen  XeXufievoc  lu,  XeXujuevoc  einv  wer- 
den noch  weggelassen,  für  die  3  plur.  ind.  perf.  und  plusqpf.  X^Xuv- 
Tm  und  ^XeXuvTO  gelernt  und  nicht  die  Umschreibungen  (welche  für 
diese  beiden  formen  aber  bei  den  verba  muta  vorwegzunehmen  sind), 
nachdem  die  modi  einzeln  genügend  geübt  sind,  folgt  das  aufsagen 
aller  modi,  erst  des  aot,  dann  des  med.,  dann  suaammen,  endlich 
aller  tempore  bis  plusqpf.  inel. 

Die  vierte  büdungogruppe  bilden  der  aoristue  I  pasB.  und 
das  futurum  pass.  der  aor.  ist  wieder  ein  nebentempus,  also?  — 
^ach  schreibt  der  lehrer  i-Xx)-  an  die  tafel  und  lehrt  weiter :  tem* 
pnsdiar.  fttr  den  aor.  ist  Or),  dessen  r|  aber  im  conj.,  c^t.  und  partic. 
2u  e  geschwächt  wird,  die  endungen  sind  die  activen  endungen  der 
iiAbeueiten,  die  werden  also  von  den  sohfilem  selbst  aufgesagt  und 


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1 


560   Die  «inübiiiig  dir  ooigiigaäoB  des  gneelu  ynteknamB  jm  dar  sokiile» 

dem  lehm  dictiert,  oder  auch  von  einem  Mküler  an  die  tafel  ge- 
schrieben, wobei  nur  aof  die  abweichnngen :  3  plur.  ind.  (covX 
2  »Hg.  imperat.  (die  alte  endnng  Ot)  und  inf.  (vca)  Yom  lelnrer  be> 
•ondeiB  anlmerksani  zn  madwn  iaU  bindeTOoal  isfc  nir  im  coiqimet 
da:  ui  wd  f|,  wie  im  actiy. ,  wovon  te  c  des  ismfmmhuMmn  ne- 
eehlnagiB  wird,  nicht  im  indie.,  imperal.«  infi,  pmrtic.  {nom*  wdkt, 
Xu^VT*c  ~  XuOck);  6m  WfAMw  lisi  den  eigmitAmüdbai  inito 
elrnnkUr  ii),  detM  i  mit  dtm  c  dee  tempneahifikUn  «m  ^ 
plAong  ei  wird,  nnd  wem  dieeelben  eadmigai  wie  im  indio«  iieto 
(3  plur.  €n|aiv  mid  cttv).  diese  erldlfnngen  werden  ra  den  eii- 
BilMn  formen  gegeben,  dumdi  mllaeen  die  soMler,  ekne  «bei  lie 
temmi  ent  an  die  taftt  geochrleben  werden»  die  eineiinwi  modi  m»- 
aunmenaelMn  und  heraagan.  Bae  fntnrnm  pasa,  knt  deneoBwn 
lempaaelwnktcr  6n  vi^  dman  noeh  da«  c  alkr  Mara;  also  BttnM 
der  lelirer  Xii-6n-€-  an  die  tM  nnd  ragt  noeh,  daaz  dm»  Vinii- 
▼oeal  nnd  endnngen  treten,  wie  in  den  medialen  baoptieiten-  da* 
nadi  Mmrf  die  bUdang  dar  etnietnim  formen  kdnar  fceeondwwn  ke- 
apreelRmg;  wenn  die  1  sing.  ind.  eridM  iat,  kOnnen  die  sebttler  dw 
anderen  formen  mia  dem  köpfe  auümgen. 

Schlieszlich  ist  noch  das  futurum  III  zu  besprechen,  als  me* 
diales  futurum  mit  reduplication,  also  Xe-XO-c-o-jiiai;  die  flexion  ent- 
spricht ganz  der  des  futur.  I  med. ,  braucht  also  nicht  mehr  erörtert 
zu  werden,  in  gewohnter  weise  werden  die  formen  eingeprftgt  nsd 
gettbt. 

Kon  tritt  natürlich  wieder  eine  pause  ein,  und  die  r  epeti  tion, 
die  *mater  studiomm*,  erhält  ihr  recht,  bei  solcher  gesamtrepetiiioii 
und  -ttbung  ist  es  sehr  zu  empfehlen,  nicht  bloss  mnzelne  *a  yerbo 
formen',  sondern  alle  tempora  aufsagen  zu  lassen: 

Auw  —  Xuofiai 

?Xuov  —  ^XuÖMTiv 

XOcuj  —  Xucojiai 

^uca  —  dXucd^nv 

X^Xuxa  —  X^Xu^ai 

dXuOnv 

XuGrjcoMOtt 
XcXOcogai. 

in  dieser  weise  werden  von  ßouXeuuj  und  anderen  verben  die  tem- 
pora hergesagt,  sodann  wieder  die  modi  der  einzelnen  tempora,  und 
zwar  jetzt  immer  activ.  und  med.  zusammen;  dabei  werden  anchdie 
bildnng  der  einzelnen  tempora  und  modi,  die  abweichnngen  und  be- 
Sonderheiten  wiederholt  durchf^efragt.  auch  andere  gmppierui^fen 
lassen  sich  noch  finden,  z.  b.  die  modi  der  4  futnra  neben  einaader; 
Xucuj,  Xuco^al,  Xuer|C0)L4ai,  X€XlJCO^al  —  Xuccijüii,  Xucoijitiiv  usw., 
oder  der  3  aoriste:  auco,  dXucdftnv,  ^X^nv  —  Xöcm,  Xikiupmir 


u  kju,^  jd  by  Google 


iM»  eiudlnmg  der  oMgngation      gdacb*  ▼erlmms  ibl  der  tchnle.  561 

XuOui  usw.,  oder  der  3  haupttempera  des  aotiTs:  Xdtll»  XÖQii,  XdXuKtt 

—  Xüui,  XeXuKUJ  ~  Xüoiini,  XikoiMi,  X€Xikoi|ii  usw. 

Wen  auf  diese  weise  das  verbtun  pumm  non  oontractnm  den 
sehülem  zum  versttiidnie  gebracht  und  sodMUi  ttlohiig  eingeübt  und 
zugleich  mit  einer  anzahl  vocabe]n  der  groeaen  mehrzahl  der  scbttler 
iBit  eingeprägt  iet«  worüber  mündliches  oertieren  und  die  wöcbent- 
Hdien  foimeneiiemporalie»  den  Magern  amweu  geben  —  dann  ent 
^arf  weitergifgaagen  weBden. 

Wir  sind  nun  der  meinong»  dasz  sieh  an  die  dnrefanabme  der 
verba  pnra  barytana  die  verba  contracta  naturgemSszer  und  ein- 
fuker  anschlieszen  als  die  Terba  impora,  da  ja  bei  jenen  flaiion  und 
temation  (bis  auf  die  dehnung  des  stammauslautes)  der  von  Xuu) 
ganz  entspreeben.  ancb  mit  rücksicht  auf  das  fat.  eonir*  der  verba 
Üquida  baUan  wir  es  für  nnriditig,  die  verba  contr.  erst  nach  den 
verba  impura  durchzunabnany  wibpend  freilich  die  bei  MflUer*Latt' 
mann  (§  84)  ebenfalls  vor  deni^erba  contr.  behendeltea  Tuben  mit 
fat.  attic.  und  fut.  doric.  wol  erat  dem  tartiacnraBa  razuweisen  sind. 
dtk  nun  die  offenen  formen  des  praee*  nnd  impf,  zu  conjugieren  jeder 
fioiittler  nach  der  festen  einprttgvng  von  Xuu)  im  stände  ist,  selbst 
wenn  sie  nicht,  wie  wir  oben  vorgesoblegen  haben,  gleich  mit  Xuuj 
osw.  mitgeftbt  sind,  so  bietet  nur  die  contraction  in  diesen  beiden 
teoipoia  eine  Schwierigkeit,  doch  sind  auch  dafilr  die  regeln  teilweise 
eehon  von  der  declination  her  bekannt  sie  mflssen  aber  in  möglichst 
kurzer ,  leicht  lembarer  fassnng  gegeben  werden ,  damit  die  schüler 
sieh  dieselben  in  festem  Wortlaut  einpxigen  können,  z.  b.  die 
regeln  für  den  stammauslaut  a  geben  wir  so :  'a  mit  £4aat  wird  ä, 

0,  mit  0-laut  wird  uu,  etwaiges  i  wird  sabseribiert,  anszer  im  inf. 
praes.  act.'  —  Bei  der  durchnähme  dieser  verba  schreibt  der  lehrer 
zunächst  die  offenen  formen  nach  dem  dictat  der  scbttler  an  die 
tafel  (oder  läszt  es  durch  dnen  schüler  thun) ,  erklärt  —  unter  be- 
teiligung  der  schüler  —  die  vorznaehmende  contraetieo,  nnd  schreibt 
dann  die  contrahierten  formen  neben  die  oiffimen.  anfangs  wird 
dann  aieht  bloss  die  offene  form  immer  vor  der  eontrahierten  anf- 
gessgt,  sondern  auch  kurs  die  art  der  contraction  von  den  sohttlem 
angegiAwn,  z.  b.:  *Tt]idu),  a  mit  0-laut  gibt  ui,  also  Ti^ui;  Tipi&eic, 
a  mit  E-laut  gibt  ä,  t  wird  snbeoribiert,  also  Tifiiqic ;  (piX^€ic^  €  wird 
vom  diphthong  et  versohlungen,  älao  qnXek;  bouXöet,  o  mit  €i  gibt 

01,  also  bouXoi'  usw.  erst  wenn  dieses  genügend  geübt  ist,  werden 
die  contrahierten  formen  allein  hergesagt  und  wieder  rückwärts,  vor- 
wärts nsw.  geübt,  auch  durdi  abfiragen  eingeprägt,  bis  sie  festsitzen. 

—  Das  eiaprSgen  der  einseinen  tempora  und  »odi  gibt  zu  weiteren 
bcmerkungen  keinen  anlasz,  es  geschieht  ganz  in  der  dargelegten 
weise,  eine  Schwierigkeit  bereiten  noch  die  unregelmässiglieiten  in 
hetug  auf  die  oontriMBtion  (2duj,  TrX^ttl  usw.)  nnd  in  bezug  auf  die 
dehnung  des  stammauslautes  (^duj,  T€X6iU,  tcX^uj  usw.).  diese 
ttttssen  aber  doch  wol  gleich  im  qnartacuxsns  mit  bewilligt  werden 
and  Bind  deshalb  gans  besondm  zu  ttben. 


Diyiiizeü  by  GoOgle 


682    Dm  mnflbong  der  ocngogslioii  dm  gdack,  TeKbniiiB  in  der  echnle. 

Bevor  dann  weitergegangen  wird,  erfolgt  —  ebenfalls  unter 
benutzung  der  tafel  —  eine  aaseinandersetzang  über  die  einteilang 
der  verba  anf  u)  nach  ihrem  stammaaslaut  ('kennlaut')  in  verbs  pnra 
nnd  yerbaimpura,  sowie  dieser  in  verba  muta  und  liquida,  und 
über  die  3  arten  der  ersteren  nach  dem  organ  der  mala  in  verba  der 
P-reihOf  der  K-reibe  nnd  der  T-reihe,  sodann  über  die  verschiedenen 
Btftmmat  den  prftsensstamm ^  verbalstamm,  wnrzelstamm ,  reinen 
stamm,  endlich  über  die  tempora  secunda.  die  schüler  werden 
daraaf  hingewiesen  nnd  es  wird  ihnen  zum  bewustsein  gebracht, 
dass  bei  den  bisher  behandelten  verba  pura  alle  tempora  von  einem 
und  demselben  stamm  gebildet  sind,  ebenso  —  dociert  der  lehrer 
waiter  —  gibt  es  nnn  auch  eine  anzabl  verba  im  pura,  welche  nur 
einen  (wurzel-  oder  reinen)  stamm  haben,  z.  b.  Ypdqpiu,  Tpißw, 
fpikifWy  v^^u).  andere  haben  zwei  stämme,  und  zwar  entweder 
einen  (präsene  oder  verbal-)  stamm  für  die  bildung  des  praesens 
und  aller  übrigen  tempora  prima ,  #n  zweiten  (wurzel-)  stamm  für 
die  tempora  secunda,  z.  b.  ttX^kui;  —  oder  sie  bilden  vom  einen 
(prftsens-)  stamme  nur  das  praes.  nnd  impf.,  vom  anderen  (verbal- 
oder  wnrzel-  oder  reinen)  stamme  alle  übrigen  tempora  prima  und 
secunda,  z.  b.  tuittui,  ötT^^^wi.  noch  andere  endlich  haben  drei  ver- 
schiedene Stämme,  und  zwar  einen  pr&sensstamm ,  von  welchem 
praes.  und  impf.,  einen  verbalstamm,  von  dem  die  übrigen  tempora 
prima,  und  einen  wurzelstamm,  von  dem  die  tempora  secunda  ge- 
bildet werden,  z.  b.  kX^tttu),  ktcivo).  die  modificationen ^  welche 
diese  aufstellungen  durch  die  verschiedenen  ablaute  erleiden,  bleiben 
vorläufig  noch  unerörtert,  bis  die  haupt|Muradigmata  der  verba  mnta 
resp.  liqnida  durchgenommen  sind. 

Wir  beginnen  mit  den  verba  muta  der  P -reihe,  nehmen  aber, 
abweichend  vom  gange  des  Müller-Lattmannschen  buches,  die  in 
diesem  buche  erst  in  §  73  nach  den  übrigen  tempora  erörterte  bil- 
dung des  praes.-stammes  vor  den  übrigen  tempora  durch,  wir  tei- 
len den  Schülern  mit,  dasz  manche  verba  dieser  reihe  den  prSs.- 
stamm  dem  verbalstamme  gleich  haben,  bei  anderen  aber  ein  beson- 
derer präsensstamm  gebildet  wird  durch  anfügung  eines  T  an  den 
verbalstamm,  da  vor  dieser  tenuis  nur  eine  tenuis  stehen  kann,  so 
musz  wurzelhaftes  ß  oder  (p  zu  TT  werden,  nachdem  dieses  an  einer 
anzahl  verba  klar  gemacht  und  eingeübt  ist,  wird  die  formation  und 
flexion  der  verba  der  P-reihe  durchgenommen ,  wobei  aber  — ■  wie 
gesagt  —  die  verba  noch  auszer  acht  zu  lassen  sind,  welche  ablant 
erleiden,  die  flexion  des  praes.  und  impf,  wird  repetitions weise  auf- 
gesagt, dann  werden  die  übrigen  tempora  prima  in  derselben  reihen- 
folge,  wie  früher  bei  XOuj,  durchgenommen,  wobei  wieder  unter  be- 
nutzung der  Wandtafel  die  lautlichen  Veränderungen,  deren  gesetze 
von  der  3  declination  her  ja  schon  groszenteils  bekannt  sind ,  zur 
anschauung  und  zum  Verständnis  gebracht  werden,  also  wird  erst 
TUTT-C-UJ  an  die  tafel  geschrieben,  die  schüler  wissen  (z.  b.  YWTT-C«= 
TVtp),  dasz  P-laut  mit  c  zosammengesch rieben  wird  zu  also 


L  ijiu^od  by  Google 


Die  einAbmig  der  eofl|jagation  dee  grieoh.  Terboms  in  der  eolmle.  583 

tAi|RII;  ebenso  bilden  die  eehlQer  das  fat  Yon  Tpa<P*9  Tptß«,  Xem- 
usw.  in  derselben  weise  werden  Te-tuir-iaat»  T€-TUir-cai,  d-Tim-Onv» 
and  bei  den  andmn  vsihen  z.  b.  biuuK-cui,  i|i€ub-CU9,  ttc-ttciO-ko  usw. 
angesclirieben  und  nn^bildet :  bei  allen  tempora  wird  immer  erst 
die  tempnsbildnng  von  möglichst  vielen  verben  derselben  rmhe  ge- 
ftbty  und  dann  erst  die  conjagation  r^etendo  hinzngenommen.  naeb- 
dem  so  die  tempora  prima  dordigenommen  sind ,  wwden  die  tem- 
pora secnnda  erklärt  und  geObt,  znnlobst  wieder  nnr  von  solohen 
Terben,  irMbit  keinen  ablaut  erleiden,  z.  b.  tOtttuj,  Tp(ßu),  TP<i<pui. 
natürlich  werden  nur  die  tempora  secnnda  gebildet,  welche  über- 
haapt  gebildet  werden  können,  worüber  den  schülem  bestimmte 
regeln  wa  geben  sind,  also  ein  aor.  II  act.  und  med.  wird  nur  von 
golchen  yeri>en  gebildet,  wekke  mriirere  stänune  haben,  aor.  II  nnd 
fut  n  pass«  Ton  nllen  verben,  perf.  nnd  plusqpf.  II  nioht  von  den 
Verben,  deren  stunmanslant  <p  (und  nachher  x)  ist.  von  anderen 
aber,  z.  b.  von  tutttu)  lassen  wir  alle  6  tempora  secunda  bilden, 
ohne  rücksiebt  darauf,  ob  sie  vorkommen  oder  nieht  (vevgL  nnten 

8.  686):  ^TUTTOV  drUTTÖ^lllV,  iT\)W(\V  TUTTl^COlllOl,  T^TÜTO  ^TCTÖirCIV, 

nnd  lassen  sie  in  dieser  reikenfolge  beim  aufsagen  aller  tempora  dio- 
sss  Terbs  nach  den  tempora  prima  sagen,  die  flexion  dieser  tempora 
secunda  wird  mit  den  tempora  prima,  welchen  sie  entspricht,  Tsr- 
glichen  nnd  auf  die  wenigen  unterschiede,  abweiebungen  in  beeng 
anf  den  acoent,  bingewiessn;  danaeh  werden  auch  von  den  temp.  sec. 
die  modi  zusammen  hergesagt  und  geübt,  endlich  werden  nicht  blosz 
die  modi  aller  3  aoristi  sec.  neben  einander  aufgesagt  nnd  conjugiert, 
sondern  aneh  die  modi  der  beiden  activen,  der  beiden  medialen,  der 
beiden  passiven  aoristi,  die  modi  der  beiden  perfecta  (und  plusqpf.), 
der  beiden  futnra  passiva  usw.,  nnd  immer  von  möglichst  vielen 
Tsrben. 

In  derselben  weise  werden  sodann  die  verba  der  K-reihe  und 
der  T-reihe  dnrcbgenommen,  erklärt  und  geübt,  erst  danach  gehen 
wir  zur  besprechnng  der  Verinderungen  des  stamminlautes',  kurz 
der  yior  'ablautreihen',  über ,  welche  ja  allen  drei  classen  der  verba 
sinta  gemmnsam  sind,  anf  die  einprägung  derselben  ist  grosse  sorg 
fslt  zu  verwenden,  wobei  nntorschiede,  wie  ir^iru»  nirroixfpawi 
TT^In^ai,  Tp^nui  lirpotpa  T^rpaM^at  usw.  besonders  hervorzu- 
heben sind;  zur  vergleiebnng  dient  das  dentsobe,  z.  b.  'treffe,  traf^ 
getroffen',  dazu  kommt  noch  die  einprSgung  einzelner  ausnahmen 
von  diesen  ablautgesetzen ,  wie  ond  ^X^YU),  sodann  der  schon 
in  qnarta  nicht  zu  übergebenden  besonderbeiten,  verba  auf  P-laut  mit 
voxbergebendem  jyi:  n^jiTru),  nim^ipm  (aus  iT€-iT€)üii^-)üiai),  verba  auf 
TT>  s*  b.  c<piTTU>,  verba  auf  T-laut  mit  vorhergehendem  v:  cn^vbui, 

I 

Circicui  (aus  CTret<^ciu)  usw.  —  kurz,  es  bedarf  nioht  wsniger  woohen, 
ehe  man  mit  den  verba  muta  wird  abschlieszen  können  und  zu  den 
verba  liquide  übergehen,  selbstverständlich  unter  fernerem  hfiufigen 
zurttokgreifen  auf  die  verba  muta  und  die  verba  pura. 


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584    Dit  ainabqBg  dar  ewgugation  des  gnaoh.  Terbunu  in  der  adude. 

Auch  bei  den  Terba  liquida  halten  wir  es,  wie  bei  den  verba 
muta,  für  rathsanif  ja  für  durchaus  erforderlich,  an  erster  stelle  die 
pr äsenabildung  zu  erörtern,  also  nach  Müller- Lattmann  §  77  vor 
76  und  76  durchzunehmen,  die  schüler  erfahren  also,  dasz  von 
den  meisten  verba  liquida  ein  besonderer  prftsensstamm  gebildet 
wird  durch  verstftrkung  des  verbalätammee ,  indem  bei  allen  auf  X 
dieser  aualaut  verdoppelt,  bei  einigen  auf  pL  ein  v  angefügt,  bei  den 
meisten  auf  v  und  p  der  voraoslaut  des  Stammes  durch  hinzufügung 
eines  i  verstfirkt  wird,  welches  8ich  mit  a  und  €  zu  ai  und  €i,  mit  i 
und  u  zu  t  und  ü  vereinigt,  danach  ist  die  bildung  des  präsens- 
atammes  von  möglichst  vielen  verbalstämmen  zu  üben  und  auch  um- 
gekehrt den  bcbülem  einzuprägen,  wie  sie  aus  dem  präsensstamm 
immer  unfehlbar  den  verbalstamm  finden  können,  dasz  also  alle  verba, 
deren  präs.  XX  enthält,  im  verbalstanmi  nnr  ein  X  haben  usw.  nach 
kurzer  repetition  der  flexion  des  praes.  und  impf,  werden  die  übrigen 
tempora  gebildet,  aber  nicht  blosz  von  einem  verbum,  z.  b.  v^fiU), 
sondern  auch  von  dTT^XXu),  Kpivui,  b^puj  und  anderen,  im  fut.  act 
und  med.  bezeichnen  wir  das  antretende  e  kurz  als  tempuscharakter, 
nachdem  den  schülern  eingeprägt  ist,  dasz  die  verba  liquida  ihr  tut. 
ohne  c  bilden ;  die  contraction  braucht  nun  nicht  mehr  erörtert  zu 
werden ,  nur  die  form  der  2  sing.  med.  auf  €i ,  die  doch  gleich  mit- 
gelernt wird,  ist  zu  erklären.  —  Im  aor.  I  act.  und  med.  wird  die 
dehnung  des  vorauslautes  als  eine  ersatzdehnung  nach  abfall  des 
eigentlichen  tempuscharakters  c  leicht  verstanden,  doch  ist  die  deh- 
nung der  einzelnen  vocale  und  sind  erst  recht  die  besonderheiten 
(maivuj,  aipuj  usw.)  tüchtig  zu  üben.  —  Per  f.  und  plusqpf.  act. 
und  med.,  aor.  I  und  fut.  I  pass.  werden  dann  von  den  verben  auf 
\x  nicht  mehr  gebildet,  sondern  die  schÜler  auf  die  erlemnng  der  un- 
regelraäszigkeiten  in  tertia  vertröstet,  wol  aber  von  denen  auf  X  V  p, 
wobei  die  Yeiftadenuigan,  «u»£aU  des  c  (s.  b.  icd-<pav-eOov),  ver- 

c  ^ 

Wandlung  des  v  in  c  oder  ^  (z.  b.  7^^'<pa1|f-^al ,  rjcxut-^al)  wieder 
durch  die  tafel  zur  anscbauung  und  zum  Verständnis  gebracht  wer- 
den, dabei  finden  die  einsilbigen  stämme  auf  X  v  p  mit  dem  inlaut  €, 
welche  den  ablau t  a  im  perf.  act.  und  med.,  aor.  I  und  fut.  I  pass. 
usw.  haben,  gleich  mit  berücksichtigung,  und  bei  der  dann  folgenden 
durchnähme  der  tempora  secunda  wird  auch  die  zweite  ablautreihe 
(z.  b.  q)av-,  n€q)r|va)  eingeprägt.  —  die  einübung  geschieht  in  der- 
selben weise  und  mit  denselben  abwechslungen  und  gruppierungen 
wie  bisher,  zur  repetition  werden  alle  tempora,  welche  gebildet 
werden  können  und  deshalb  beim  Unterricht  gebildet  eaad^  in  dtf 
früher  angegebenen  reihenfolge  aufgesagt. 

Das  wäre  der  hauptsache  nach  etwa,  was  nach  dem  gewöhn- 
lichen lehrplan  in  quarta  'oder  tertia^)  durchgenommen  wird;  einzelne 
besonderheiten,  z.  b.  die  Veränderung  der  stammauslaute  i  und  C,  die 
einschiebung  eines  c  vor  den  mit  )i  t  9  anlautenden  endungen ,  die  3 
plor.  perf.  med.  mit  a,  z.  b.  TeTuipaTai,  und  anderes,  was  bei  der 


^  üd  by  GüOgl 


I>ie  einübuag  dar  coigngation  des  griecb.  Terboms  in  der  schule.  685 

ersten  durchnähme  übergangen  ist,  wird  b^i  einer  repetition  ein> 
g-e schaltet,  solche  repetitiosien  sind  aber  häufig  anzustellen  und 
dabei  ist  in  immer  ^netten  gmppienuigeii  das  alte  (und  bekannte 
den  schUlem  vorzuführen  und  so  immer  fester  einzuprägen,  es 
darf  auch  nicht  unterlassen  werden,  die  tthnlichkeiten  und  yer- 
Bchiedenheiten ,  welche  den  anfttnger  zu  so  manchen  Verwechs- 
lungen verleiten,  besonders  hervorzuheben  und  ihre  Unterschei- 
dung SU  bewirken.  beispielBweise  bringt  man  irpoccui,  itXdccui, 
irXdZui,  irXifjccui,  oder  rdccui,  Tir^KUi  immer  wieder  zusammen,  weist 
auch  hin  auf  den  unterschied  von  Tp^irui,  T^rpocpa,  T^papfiat, 
i,TQl<^r\v  —  icXinTui,  K^KXoqxi,  K^KX€|i|iot,  iKX^cpOnv  und 
CT^Xui,  ftraXKO,  fetaX/uiat,  icvdXOfiv,  übt  daher  diese  verba  zu- 
sammen usw. 

Zum  Übergang  von  der  conjugation  auf  lu  zu  der  auf  |ai  mag 
man  dann  nach  H.  D.  Müllers  verschlag  noch  die  'Zerlegung  der 
verbalformen'  besprechen,  am  ende  des  quarta-  oder  anfang  des 
tertiacursus ,  doch  ist  ja  nach  der  im  vorstehenden  skizzierten  me- 
thodc  alles  dahingehörige  den  schülern  schon  allmählich  bekannt  ge- 
worden und  diese  besprechung  wird  nur  eine  zusammenstellende 
repetition  sein. 

Noch  einige  werte  seien  über  die  behandlung  des  pensums  des 
zweiten  jahres  gestattet,  die  behandlung  der  verba  auf  jui  erfolgt 
im  wesentlichen  wie  die  der  verba  auf      doch  wird  nur  die  flexion 
des  praes.  und  impf,  und  die  des  aor.  II  genauer  erörtert,  alles 
andere,  mit  den  geringen  ab  weichungen  von  der  lu  conjugation, 
gleich  repetendo  durchgenommen.  —  Wir  beginnen  mit  Ti6r|jUi;  als 
wurzelstamm  wird  öe  hingestellt,  als  präsensstamm  daraus  durch 
reduplication  mit  i  :  TiGe  gebildet,  es  folgt  die  mitteilung  der  en- 
dungen,  soweit  sie  von  den  in  der  uj- conjugation  gelernten  abwei- 
chen (sing.  ind.  praes.  act.  jui,  c,  ci),  und  die  Zusammensetzung  der 
einzelnen  formen  an  der  Wandtafel,  mit  den  noch  nötigen  erläuteriin- 
gen.  auf  die  einübung  des  praes.  und  impf.  act.  und  med.  folgt  erst 
die  formation  der  übrigen  tempora  prima  und  ihre  einübung,  endlich 
die  des  aor.  II  act.  und  med.  nachher  stellt  man  die  modi  des  praes. 
und  des  aor.  II  im  act.  und  med,  neben  einander  und  läszt  sie  von 
den  Schülern  oft  zusammen  hersagen,  damit  die  schüler  sich  fest  ein- 
prägen, dasz  alle  formen  des  praes.  mit  reduplication  gebildet  wer- 
den und  dadurch  hauptsächlich  sich  vom  aor.  II  unterscheiden,  wo- 
bei auf  die  wenigen  auch  noch  in  anderer  weise  verschiedenen  for- 
men besonders  hingewiesen  und  diese  besonders  oft  zusammenge- 
stellt werden :  xiöevai  —  Geivai,  ebenso  nachher  icrdvai  —  cxfivai, 
'  uTttcav  —  ^CTT]cav,  OeCc  —  erde  (und  nicht  ciaic  oder  cxcic!)  usw. 
—  An  T\Qr\^i  schiieszt  sich  am  besten  gleich  in|yii  an,  dann  folgen 
iCTHiii,  bibuiiLii,  betKVu^i,  welche  ganz  in  derselben  weise  behandelt 
werden  wie  liQmxu  zur  repetition  werden  auch  von  diesen  verben 
alle  tempora  aussagt,  z.  b. 

H.  Jahrb.  r.  phiU  n«  pid.  II.  abU  187S.  hfl.  IS.  89 


586    Die  einübung  der  co^jogation  des  gnech.  verbums  in  der  schule. 


TiGriMi      —  TiOepai 

er|cuj       —  9r|C0uai 

lOr]Ka       —  ^OriKd^riv 

T^0eiKa     —  leöeifiai 

4T€6eiK€lV  —  iTe6€4u)v 

Tedncofiai 

nach  der  durcbnahme  der  einzelnen  paradigmata  lassen  sich  die  Zu- 
sammenstellungen über  endongen,  Stämme,  Zusammensetzung  des 
Stammes  mit  den  endungen  usw.  (M.-L.  §§  93 — 97)  wieder  durch- 
i^precben  als  zweckmäsziger  anbalt  zu  repetitionen,  wozu  eben  da- 
durch neue  gruppierungen  geboten  werden. 

Endlich  folgen  die  perfecta  und  plusquamperfecta  nach  der  II. 
conjugation,  die  sogenannten  kleineren  verba  auf  m,  und  die  un- 
regelmä-szigen  verba,  wobei  zwischendurch  die  Zusammenstellungen 
über  den  accent  der  verbalformen ,  also  die  abweichungen  von  der 
hauptrcL^el,  durchgenommen  werden,  vieles  aus  diesen  letzten  capi- 
teln  iat  ja  nur  mechanisch  zu  erlernen,  vieles  andere,  das  zu  erklären 
wiire,  ist  schon  von  früher  her  bekannt,  einiges  andere  bedarf  aber 
auch  hier  noch  der  erklarung  mit  hülfe  der  Wandtafel,  z.  b.  die  for- 
mation  der  'digamraastämme',  xaitü.  xXaiUi,  6euj,  ttvcuj,  p€'u;  usw. 
doch  brauchen  wir  hier  darüber  nach  dem  gesagten  nichts  mehr  hin- 
zuzufügen, auch  für  die  unregelmäszigen  verba  empfiehlt  sich  aber 
die  einprUgung  und  repetition  durch  aufsagen  aller  tempora  und 
modi,  auch  derer,  welche  gar  nicht,  oder  im  classischen  griechisch 
nicht  vorkommen,  vorausgesetzt,  dasz  sie  nur  rieh tig  gebildet 
werden,  zur  vorsieht  mag  man  ja  den  schülem  sagen,  dasz  gar  keine 
rücksicht  darauf  genommen  werde,  ob  alle  gebildeten  formen  auch 
wirklich  im  gebrauch  sind,  ja,  dasz  manche  nicht  gebraucht  sind: 
aber  bilden  und  aufsagen  lasse  man  sie  getrost  alle,  durch  diese 
art  der  einübung  werden  die  schüler  eine  viel  klarere  einsieht  in 
den  bau  des  griechischen  verbs  erlangen;  sie  sollen  ja  aber  grie- 
chische formen  lehre  lemen,nicht  philologisch- 8  tat  istische 
kenntnisse  sich  erwerben. 

Wir  erwähnten  wöchentliche  'formenextemporalien' als  ein  mit- 
tel zur  einübung  und  einpr^gung  des  verbums;  wir  woUen  noch  ein 
paar  worte  darüber  zum  schlusz  hinzufügen,  wir  sagen  (aber  nicht  dl c- 
tieren!)  die  deutsche  bedeutung  der  zu  schreibenden  form  (z.  b.  'er 
löst,  sie  werden  lösen')  und  verlangen,  dasz  die  schüler  sofort  die 
griechische  form  niederschreiben ,  oder  wir  bezeichnen  die  form 
(aber  in  dieser  Ordnung:  'von  tuittui,  perf.  med.  indic.  3  sing.,  tob 
Xeinui,  aor.  II  pass.  opt.  2  plur.  usw.)  und  lassen  sie  dann  zu  pi^isr 
bringen;  die  bedeutung  oder  bezeich nung  wird  nicht  mit  hings- 
scbrieben.  so  können  die  schüler  60 — 60  formen  bequem  in  einer 


^  üd  by  GüOgl 


Die  einilbmig  der  coiviiigation  des  grieoh.  verbumB  In  der  schule.  687 

stunde  schreiben  und  erhalten  am  scfaliisz  noch  etwas  zeit  zum  noch- 
maligen durchlesen  des  geschriebenen,  wobei  sie  angefordert  wer- 
den, besonders  auf  die  richtige  Setzung  des  accents  und  des  Spiritus 
zu  achten.  —  Oft  Unnen  auch  weniger  formen,  etwa  eine  yiertel- 
stunde  lang,  geschrieben  und  dann  gläoh  in  derselben  stunde  dureh- 
gesproohen  werden,  die  wöchentlichen  extemporalien  aber  sind 
Tom  lehrer  zu  corrigieren,  werden  also  erst  in  einer  spStem  stunde 
den  sohfilem  zurachgegeben«  bei  dieser  rttckgabe  sind  alle  die  for- 
men zu  besprechen,  in  welchen  irgend  welche  fehler  gemacht  sind; 
Ton  einem  schüler,  welcher  die  form  Torfehlt  hat,  wird  sie  aus  dem 
köpfe  richtig  gebildet  und  auf  diese  weise  laut  das  vorgemacht,  was 
beim  schreiben  des  extemporales  eigentlich  jeder  schttler  leise  fttr 
sich  hStte  thun  sollen,  der  betreffende  sagt  z.  b.:  '3  plur.  ind» 
perf.  ad  Ton  ßotiXctfui;  reduplication  ßc,  stamm  ßouXeu,  tempus- 
oharakter  k,  bindeTocal  a,  enchmg  vci,  v  vor  c  fitllt  aus  und  hinter* 
iSszt  ersatzdehnung,  also  pepouXeOKOCi'.  daran  schlieszen  sich  dann 
etwa  noch  n5tige  besprechungen  und  erOrterungen,  meist  durch  ab- 
fragen. 

Auch  deshalb  halten  wir  diese  formenextemporalien  für  so  sehr 
wichtig  und  glauben  sie  dringend  empfshlen  zu  müssen,  weil  durch 
>ie  und  ans  ihnen  wol  am  besten  der  lehrer  ersehen  kaon,  ob  ein  ab- 
schnitt Ton  den  schfllem  wirklich  yerstanden  und  fest  gelernt  ist  oder 
nicht  —  nota  bene,  wenn  abschreiben  und  dergl.  durch  die  achtsam- 
keit  des  lehrers  möglichst  verhütet  ist — Gar  nichts  dagegenhalten 
wir  von  dem  'paradigmenschreiben*  und  schlieszen  uns  auch  in  be- 
sag darauf  E.  W.  Krilgers  urteil  vollstftndig  an  (a.  a.  o.) :  *das  para- 
digmenschreiben  halte  ich  fttr  nicht  viel  zweckmftsziger,  als  wenn 
man  die  Soldaten  statt  auf  dem  ezeroieiplatze  durch  abschreiben  des 
exercierreglements  bilden  wollte*. 

Also  kein  docieren  aus  dem  gedruckten  buche,  kein  mechani- 
sches erlernen!  der  lehrer  erklftrt  mit  hülfe  der  Wandtafel  das  zu 
erlernende  'elementar*  und  anschaulich,  ehe  es  gelernt  wird,  ttbt  es 
tttohtig  in  der  schule  ein  und  repetiert  es  oft  und  mit  vi^en  ab- 
Wedislungen,  so  wird  er  gewis  mit  gutem  erfolge  sich  bemühen, 
seinen  schülem  die  conjngation  des  griechischen  verbums  einzuprägen, 
freilich  alle  schüler,  welche  aus  quinta  nach  quarta  versetzt  sind, 
werden  audi  bei  solchem  Unterricht  das  griechische  verb  nicht  ler- 
nen; die  Sehnsucht  nadi  dem  ^Nürnberger  trichter*  wird  auch  durch 
die  im  vorstehenden  skizzierte  methode  nicht  befriedigt. 

RaTZBBIIBO.  WolBBLIC  YOLLBnaOHT* 


89* 


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58d    Di«  lat.  «precU-  und  «chieibübuiigeii  vU  gcmidlaf  e  der  l«ctüze. 

64. 

DIE  LATEINISCHBir  SPRECH-  ÜND  SCHEEIBOBUNQgir 
AUF  GBÜNDLAGE  DER  LECTOBE. 


In  nummer  6  und  7  dieber  Zeitschrift  bat  br.  Fries  aus  Barmen 
in  einjyjehender  weise  untersucht,  wie  auf  der  untersten  stufe  des 
lateinunteniehts  schon  der  grund  gelegt  werden  könne  zu  einer 
grÖBzercn  fertigkeit  und  gewandtheit  der  schäler  im  mündlichen  und 
schriftlichen  ausdruck.  zugleich  gab  derselbe  einige  winke  und 
finp^erzeigof  wie  man  die  in  den  niedersten  classen  begründete  arbeit 
in  ersprifü^licher  weise  in  den  mittleren  und  oberen  weiter  fördern 
lnüs^e,  um  zu  einem  bcblieszlichen  erfolgreichen  und  für  lebrer  wie 
Schüler  gleich  erfreulichen  abschlusse  zu  gelangen,  zweck  der  fol- 
genden Zeilen  ist  nun  zum  gleichen  thema  einige  erfahrungen  beizu- 
bringen und  namentlich  an  praktischen  beispielen  zu  zeigen,  wie  die 
lateinischen  Sprech-  und  schreibübungen  an  dielectüre  angeschlossen 
concentration  des  Unterrichts  und  Vereinfachung  der  methode  enaiig- 
lichen  und  eben  dadurch  bessere  resultate  erzielen  lassen. 

'Die  Sprech-  und  schreibübungen  sind  in  engsten  Zusammen- 
hang mit  der  Icetüre  zu  bringen,  und  es  musz  neben  dem  gesiebte  na- 
mentlich auch  die  mithilfe  des  obres  beigezogen  werden.'  diese  bei- 
den Sätze  hat  man  als  unumstöszliches  fundament  von  quartaan  fest- 
zuhalten; auf  ihnen  baut  sich  die  ganze  methode  des  grammatisch- 
stilistischen  Unterrichts  auf.  darnach  genügt  es  durchaus  nicht, 
wenn  der  quartaner  seinen  Nepos  —  und  diesen  wollen  wir  denn 
doch  nicht  verdrängen  lassen  durch  geschmackverderbende,  aus  spät- 
lateinern  excerpierende  Chrestomathien!  —  geläufig  übersetzen  und 
grammatisch  erklären  kann;  der  verständige  lehrer  wird  ihn  auszer- 
dem  anleiten,  die  bemerkenswerten  ausdrucksformen  herauszufinden 
und  sich  in  gut^r  Ordnung  zu  sammeln ,  er  wird  dieselben  ferner  in 
den  mannicbfaltigsten  Übungen  ihm  einprägen  und  dann  in  passen- 
den exercitien  von  ihm  Verwendung  des  gelernten  verlangen,  soweit 
geht  auch  Fries  und  die  von  letzterem  beigebrachten  proben  einer 
freien  Verarbeitung  der  Neposlectüre  sind  ebenso  praktisch  wie  an- 
regend, allein  damit  ist  der  Schriftsteller  noch  nicht  genügend  aus- 
gebeutet: der  lehrer  stelle  überdies  noch  in  lateinischer  spräche  ein- 
fache, der  altersstufe,  dem  urteile  und  den  Vorkenntnissen  des  Schü- 
lers entsprechende  fragen  und  lasse  sich  lateinisch  antworten,  hat 
er  so  ein  capitel  durchgefragt,  dann  fordere  er  auf  zur  freien  wieder- 
gäbe des  im  einzelnen  zergliederten,  gewis  wird  im  anfange  sich 
niemand  zu  dem  gefürchteten  Wagnisse  melden,  nun  erzähle  der 
lehrer  selbst  in  einfachem  satzbaue  mit  langsamem  vortrage,  guter 
betonung  und  namentlich  scharfer  markierung  der  hauptpuncte.  so- 
fort werden  gewis  die  besseren  schüler,  wenn  auch  anfänglich  not- 
dürftig, dem  lehrer  folgen  und  nach  einigen  wochen  ist  die  mehrzahl 
der  classe  im  stände  eine  relativ  gute  lateinische  erzfihlung  zu  lie- 


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Die  Itttk  9pneh^  und  schrttbfibiiageii  aaf  gnmdlage  der  leetfire.  589 

fern,  bei  diesen  Sprechübungen  siad  allmählich  die  grammatischen 
und  auch  leiobtm  ttüisiiache  t§gda  (Tgl.  besoMlerB  Bo^ifaehs  Syn- 
tazis  ornata/eztemporiren  etc.  Marbarg  1875)  zum  bewnstaeiii  der 
scbtller  sn  bringen;  «idi  legt  man  hier  die  enien  anfinge  xa  einer 
ftdhi  laieinlBehea  satebikhmg.  nie  gebe  der  lebrer  davon  ab ,  dasz 
das  gemeinsdiafliieba  eobiieGt  yon  binipi-  nnd  nebcnaata  an  die  spitze 
gestellt  werde  und  dann  demselben  cUe  eonjonetion  des  nebensatses 
unmittelbar  fe^ge.  gewisse  dem  römiseben  obre  enpboniaebe  wort- 
Yerbindnngen,  wie  qnod  qnoniam,  qnare  eom,  quod  quia,  quod  qui 
usw.  werden  hier  sebon  angewendet,  unlateinis^  satsrerluiüpfun- 
gen  wie  onm  igitnr,  eam  antem  dUrfn  nie  gebnmdii  werden«  wenn 
auch  trotzdem  diese  Übungen      nnd  namenflicb  die  srasammen- 
bingenden  refecste  —  an&ngs  von  germanismen  wimmeln,  so  lasse 
man  sieb  vidtt  absehreeken;  es  ist  nnmOglicb  diese  aneb  bei  der 
besten  dasse  nnd  den  begabtesten  sdiMem  sn  vermeiden,  ja  gerade 
die  totstem  werden  in  dem  siveben  sieb  der  beengenden  üssosl  des 
gebotenen  ansdmcks  zu  entziehen  auf  falsche  und  mlateiniscbe  aus- 
drücke verfoUen.  wenn  jedoch  der  lebrer  selbst  sieb  einer  classi- 
schen ,  reinen  spräche  befleiszigt  und  jeden  verstosz  sofort  rügt,  fer- 
net  das  fehlerhafte  durch  das  richtige  ersetzt  und  die  mangelhafte 
antwort  des  schülers  durch  geeignete  nachhilfe  auf  die  gewünschte 
correcte  bahn  lenkt,  so  wird  binnen  kurzem  das  referat  auch  von 
groben  germanismen  frei  sein,  jetzt  beginne  man  auch  die  referate 
zu  schriftlichen  arbeiten  zu  verwenden,  zunächst  nur  in  sehr  be- 
schränktem umfange,  hier  wird  das  bestreben  der  eifrigen  schüler 
sein,  von  dem  schriftsteiler  so  weit  als  möglich  sich  zu  entfernen; 
der  träge  wird  den  autor  bequem  ausschreiben,  es  ist  deshalb  bei 
der  correctur  hauptaufgabe,  dem  schüler  die  richtige  mitte  zu  zeigen 
und  jedenfalls  streng  an  der  wichtigsten  phraseologie  festzuhalten, 
besondere  anerkennung  soll  finden,  wenn  ein  schüler  eine  bereits 
gelernte  grammatische  regel  geeignet  zur  Verwendung  bringt  oder 
eine  früher  gehabte  phrase  elegant  einzufügen  versteht,   in  allem 
zeige  der  lehrer  in  der  correctur  zunächst  wolwollende  nachsieht, 
namentlich  bei  schwächeren  arbeiten,  damit  nicht  die  freude  an 
selbständiger  production  bei  dem  schüler  im  keime  erstickt  werde, 
wenn  er  seine  erstlingsleistung  geringschätzig  behandelt  sieht. 

Als  beispiel  einer  lateinischen  conversation  lasse  ich  hier  eine 
erörterung  von  Com.  Nep.  Them.  cap.  1  folgen: 
la  Quo  paire  Themistocles  Atheniensis  est  natus? 
h  Themistocles  Atheniensis  natus  estNeode,  generoao  quodam 
cive  Atheniensi. 

2  a  Qua  re  eins  vitia  ineuntis  adulesoentiae  sunt  emendata? 

h  Huius  vitia  ineuntis  adolescentiae  magnis  sunt  emendata  vir- 
tutibus. 

3  a  Quidnam  Themistocles  bis  virtntibus  est  consecutus? 

h  Themistocles  bis  virtatibos,  nt  aateferator  ei  nemo,  pauci 
pates  putentor,  est  oonseoatas* 


590   Die  lAt  Sprech*  und  schieibübangen  m£  grundlage  der  lectöxe. 


4  a  Qua  ex  matre  natus  est  Themistocles  V 
b  Themistocles  natus  est  ex  cive  Aoarninät  quam  oxorem  duzent 

Neocles  eius  pater. 
6a  Adulescens  Themistocles  cur  parentibus  minus  probabaturV 
b  Themistocles  adulescens,  quod  et  libcrius  vivebat  et  rem  fami- 
liärem neglegebat,  parentibus  minus  })robabatQr. 
6a  Themistocli  Überius  viyenti  quidnani  accidit? 

b  Tbemistocli  liberius  viventi  accidit,  ut  a  patre  ezheredaretor. 
7a  Num  haec  contumelia  eum  fregit? 

b  Haec  contumelia  non  fregit  eum ,  sed  erexit. 
8  a  Quidnam  Themistodem  totum  ot  se  dederet  xeipiiblicae  im* 
pulit? 

b  Themistocles,   cum  sine  summa  industria  contumeliam  mm 
posse  exstingui  iudicasset,  totum  se  dedidit  reipublicae. 
9a  Qua  re  sperabat  posse  exstingui  eam  contumeliam? 
b  Sperabat  Themistocles,  diligentios  amicis  funaeque  ai  fierriret, 
contumeliam  eam  posse  exstingui 
10 a  Hoc  ut  contingeret  sibi  quid  fecisse  eum  narrat  Xepos? 

b  Hoc  ut  contingeret  sibi,  narrat  Corn.  Nepos,  moltum  eam  esse 
in  republica  versatum,  saepe  in  contionem  popnli  prodisae, 
celeriter  qoae  opus  essent  repperisse. 
IIa  Num  tantummodo  in  excogitandis  rebus  promptus  erat? 
b  Themistocles  non  solom  promptus  erat  in  ezoogitaadis,  sed 
etiam  in  gerendis  rebus. 
13  a  Qnid  Thacydides  rentm  seriptor  de  Themistoole  memonae  num- 
davit? 

b  Thucydides  rerum  soriptor  eum  et  de  instantibus  rebus  yerissi- 
mo  iudicasse  et  de  liitmris  callidissime  coniedsse  memoriae 

mandavit. 

Man  beachte,  dasz  auszer  einigen  §§  gramm.,  welche  der  quarta 
zugewiesen  sind,  leichte  participialconstructionen,  acc.  c.  inf.,  ut  con- 
secutivum  und  ein  bischen  Stilistik  eingeflochten  sind,  alles  in  dem. 
umfang,  wie  es  diese  stufe  erfordert  und  leisten  kann. 

Auf  ähnliche  weise  wird  in  tertia  Caesar  behandelt,  natürlich 
mit  stetiger  erweiterung  der  anforderungen.  die  lateinische  frage- 
Stellung  darf  sich  in  dieser  classe ,  in  welcher  die  consecutio  tempo- 
rum  hauptaufgabe  ist,  auf  übersichtliche  perioden  wagen ;  die  stilisti- 
schen gesichtspuncte ,  die  in  quarta  beschränktere  berücksichtigung 
fanden,  gewinnen  an  ausdehnnng;  die  grammatik  wird  allmählich 
in  ihrem  vollen  umfange  beigezogen,  die  referate  lassen  hier  schon 
auf  mehrere  capitel  mit  einheitlichem  leicht  übersehbarem  histori- 
schen inbalte  sich  ausdehnen,  die  gangbaren  Satzverbindungen  wer- 
den täglich  geläufiger,  synonyma  werden  nach  und  nach  genauer 
geschieden,  der  phraseologische  reichtum  mehret  sich,  die  antworten 
werden  selbständiger  —  doch  sollen  sie  immer,  wenn  äusserst  mög- 
lich ,  die  frage  in  ihrem  hauptinhalte  reproduzieren  —  und  es  regt 
sich  ein  gefühl  für  lateinisches  oolorit.  in  tertia  kfinnen  die  Sprech- 


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I>ie  lat.  Sprech*  und  Bchreibfibangen  auf  gnindiage  der  leotüre.  591 

ttbungen  auch  deshalb  mehr  zeit  für  sich  in  anspruch  nehmen,  weil 
von  hier  ab  aufwärts  das  übimgabaoh  in  Wegfall  gerftth  (oder  min- 
destens in  sehr  beschränktem  masse  zu  gebrauchen  i8t)|  es  ist  eine 
immer  mehr  durchdringende  ansieht,  die  namentliohin  yersamlungen 
▼on  sohnlmibuieni  (ygl.  die  bad.  diractorenconCerenz  v.  jähre  1876) 
sich  geltend  macht,  dass  übnngsbflcher  ohne  anschlnss  an  die  lectüre 
za  yerbannen  sind,  gerade  zur  eintthnng  der  grammatik  liefert  der 
sobriftsteller  der  tfirtia  den  besten  stoff ,  nur  darf  natürlich  die  eze- 
gese  selbst  nicht  zur  grammatischen  section  werden;  yielmehr  wird 
der  lehrer  ans  Caesar  sich  nach  den  einzelnen  grammatischen  kate- 
gorien  sammlnngen  anlegen  und  damadi  die  grammatisch-phraseo- 
logischen Übungen  leiten,  auch  die  sdhriftlichen  eztemporslien  leh- 
nen sich  an  Oaesar  an;  zugleich  verbinden  sie  mit  der  reproduction 
der  Caesarischen  phrase  eine  grammatische  Übung  und  stilistische 
anleitung.  bezttgÜoh  des  inhaltes  der  ezeroitien  wird  es  sich  em- 
pfehlen, dasz  der  lehrer,  um  einförmigkeit  zu  vermeiden,  bisweilen 
ähnliche  stoffe  ans  der  gesohichte  in  Caesarisohes  gewand  kleide, 
z.  b.  nach  Caes.  b.  Gall.  I,  6  u.  7. 

Xerxes,  cum  (stellg.)  pacata  Thessalia  ad  Thermopylas  venisset, 
(kam,  gramm.  §  266,  a.  1)  Thebanis  se,  quod  inimico  animo  in  reli- 
quos  Graecos  viderentur  (gr.  §  279),  facile  persuasurum  existimabat, 
ut  (gr.  §  258)  per  t^uos  tines  ipsum  ire  (gr.  §  292,  5)  paterentur. 
bed  omnino  erat  unum  (nur  ein)  iter,  quo  ad  Thebanos  (gebiet  der 
Tb.)  pervenire  posset  (hätte  können  gr.  §  244),  angustum  et  difficile, 
inter  montem  Oetam  et  mare,  ut  facile  perpauci  prohibere  (abhaltung 
bewirken  Näg.  p.  336)  possent.  Graeci  autem,  cum  appropinquare 
Xerxem  esset  nuntiatum,  Leonidam  regem  cum  trecentis  Lacedae- 
moniis  miserunt,  qui  Thermopylas  occuparent  (gr.  §  279,  remini- 
scenz  aus  Nepos !).  Xerxes ,  ubi  de  eorum  adventu  certior  est  factus 
(gramm.  §  240,  2),  legatos  ad  eos  misit,  qui  dicerent  (gr.  §  279), 
ne  dubitarent  (gramm.  §  258)  arma  tradere  (gramm.  §  264);  quae 
nisi  tradidissent  (gramm.  §  246),  vi  et  armis  (Waffengewalt)  se  eos 
«sse  coacturum,  ut  per  angustias  Persas  ire  paterentur.  Leonidas 
data  facultate  mortis  pro  (gr.  §  167,  a.  3)  patria  occumbendae 
(gramm.  §  334),  si  quid  yellent,  propius  accederent  (gramm.  §  258) 
respondit. 

Als  beispiel  einer  conversation  über  Caesar  diene  folgendes 
nach  Caes.  b.  Gall.  VII  4. 
la  Quid  Caesar  de  Celtillo,  Vercingetorigis  patre,  memoriae  pro* 

didit? 

h  Celtillus,  Vercingetorigis  pater,  ut  apud  Caesarem  scriptum  vi- 

demus,  quod  regnmn  appetebat,  a  civitate  interfectus  est. 
2  a  Kum  Vercingetoriz-patris  interitu,  ne  nora  rebus  studeret,  est 

deterritus? 

b  Vercingetorix  patris  interitn,  ne  novis  rebus  studeret,  adeo  non 
est  deterritus,  ut  contra  convocatos  suos  clientes  incenderet  (hier 
ist  auf  die  nicht  nachzuahmende  constmction  des  abL  abs.  auf- 


562   Die  UJL  ipreck-  und  tohreibübiiiigen  auf  gnmdlai^  der  leotfire. 

merkssm  zu  macben;  vergl.  indes  Kraner  zu  Caes,  b.  G.  Vi 
43,1  und  Baohenstein  za  Isoer.  Ar.  §  76). 

3  a  Cognito  eiiia  oonsilio  quid  factum  est? 

h  Cognito  ehis  oonsilio  ad  arma  est  concarsnm. 

4  a  Nnm  reliqm  pxiaoqpet  lomptiiidam  aase  baae  tortu—i  eomw 

senmi? 

b  Balk}ni  prinaipas,  m  qnibus  Gobaanitio,  patruus  etna,  neque 
haMo  fortnnam  eesa  tempiaDdam  conseaaenuii  et  Yerebigetoi- 
gem  ex  oppido  G^ergovia  atpntenuit. 

5  a  Nnm  VanaDgatorix  e  Gergovia  expnlsns  conata  perficere  destitit? 
b  Vercingetorix  e  Gergoyia  expolaoa  tantnm  aberat  ut  conata  per- 
ficere desisteret,  ut  contra  in  agria  ageatiiim  ac  perditorum  ha- 
beret  delectum  (aufmerksam  zu  machen,  daas  Yare.  nicht  sab* 
ject  zu  aberat  iat,  troti  dar  ateUttiig). 

6  a  Qua  coacta  manu  qnid  consaaiitaa  est? 

b  Qua  ooaota  manu^  at,  qnosciuqva  adint  ax  cifitata,  ad  soam 
perdncerat  aententiam ,  est  consecutus. 

7  a  Quo  facto  quid  aoa  ut  facerent  est  bortatoa? 

b  Quo  ImIo  at  oomnNiina  übartatia  aaoM  ama  capareat,  magnis- 
que  coactis  copiis  advemrioa  aaoa«  a  qoibns  pauUo  ante  erat 
(esset?  ontanohiedl)  ezpalaas,  aicerant  a  civitate  suoa  est  eo- 
hortatus. 

8«  Vercingatorix  a  sota  ras  com  auat  appaUatoa  qoid  hem  eon- 

stitoit? 

b  Varoiligatorix  a  a«ia  vax  eom  esset  appallatos  dimiava  fooqae* 
versus  (nach  Kraaer !)  legaüonibaa,  at  in  fide  permaneient  aooa 

est  obtestatus. 

Man  wird  überall  räcksioht  auf  daa  grammatische  pensinn  der 
tertia  faHsmarken,  ebenso  erwaiteroag  der  stilistischen  anfordunmgen. 

Femer  folgt  hier  ein  von  einem  Obertertianer  nnaerer  anstalt 
gefortigt^s  referat  über  Caes.  b.  GalU  I  2 — ö. 

Apud  Helvatioa  Orgetorix  tanta  anetoritate  utebatnr,  at  M» 
Messnla  M.  Piaone  ooss.  nobilitatis  coniuratione  facta  oivitati  per- 
eoaderet,  at  com  Omnibus  copiis  de  finibus  suis  exinnt:  cum  lirtata 
omnibos  praeetaient,  parfMÜe  aos  totius  Galliae  imperio  eeee  peti- 
turos.  et  finiam  aaoram  natura  et  Orgetoffigis  aactoritate  peamoti 
Helvetii  ea,  qoae  ad  profidseendom  pertinerent,  eooqpairsre  et  qoam 
plorima  iumenta  carrosque  co^mere  conatitnemni.  qoae  ras  con- 
fieiendae  Orgetorigi  mandatae  aont;  qui  cum  legationem  ad  cintatea 
singulas  aoacepiaset,  in  eo  itinere  Castioo  Seqoano  et  Donoiongi 
Haadno  peraaaait,  at  legna  in  oivitatihas  occuparent;  se  sao  exer- 
dtu  suisque  copiis  eos  adiaturum  esse  pollidtas  est.  quibaa  reboa 
oonfectis  dato  iureiurando  se  bren  reges  trium  potentiteimonim  po- 
polonim  Gkdliae  futaros  esse  speruit.  Helvetii  autem ,  cum  per  in- 
dioiam  haee  eonsilia  ennntiata  essent,  suis  moribas  Orgetorigem  ex 
vinealis  causam  dicere  ioseeront.  si  damnatus  easet,  poenam  opor^ 
tebat  sequi,  ut  igni  cremaretor.  die  constitataeanaae  dicüonia  omni 


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Die  lot  Sprech-  and  lehreibübiiiigeii  auf  graiidlage  der  lectfire,  59$ 

familia  in  iadieium  condnota,  ne  causam  diceret,  se  «ripait.  qua  r» 
dTitas  inflammata  iu8  armifl  exsequi  conabatar  et  magietratna  ex 
agris  multos  homineB  eogi  imperavemnt.  dum  haec  geruntnr,  Orge- 
torix  mortuus  est,  neque  abest  Buspioio,  quin  ipse  sibi  manum  at- 

tnlerit. 

So  haben  freilich  nicht  alle  geschrieben;  aber  eine  grosze  ansahl 
hat  immerhin  auch  in  den  ersten  referateen  gcnttgend  gearbeitet. 

In  secunda  tritt  Cicero  in  den  Vordergrund ;  es  werden  hier  wol 
am  besten  kleine  reden ,  eventuell  auch  Cato  maior,  jedenfalls  nicht 
LaeHus,  am  wenigstm  briefo  zu  lesen  sein,  jetzt  musz  der  schüleran 
eigeBe  Sammlungen  der  pbrasen  (wobei  das  buch  von  C«  Meissner 
zu  gründe  gelegt  werden  kann)  denken;  die  lateinische  conversation 
bemächtigt  sich  immer  mehr  des  gebietes  der  Stilistik,  der  satzbau 
beschäftigi  sich  mit  den  specifisch  lateinischen  satzstellungen  (s.  b» 
a(Ä)  a]  a  :  (b  :  Ä);  a,  A  usw.  nach  Nägelsb.  s.  433  ff.),  die 
synsnymik  hat  gelegenheit  schärfer  aufzutreten  (namentlich  in  den 
reden  Ciceros-l).  zugleich  bieten  die  Sprechübungen  veranlassung  zu 
ständigen  grammatischen  repeiitionen ;  in  den  schriftlichen  referaten 
wird  die  richtige  erkenntnis  der  stiUstisisben  regeln  nachzuweisen  sein, 
in  welcher  weise  die  schriftlichen  extonporalien  einzurichten  sind^ 
bnuche  ich  nach  Gebhardis  eingehender  recension  der  Klauckeschen 
Übungsbücher  (neue  jahrb.  5  und  6,  1878)  nicht  näher  zu  erörtern. 

In  prima  empfehlen  sich  als  geeignetste  stilbildende  lectüre  die 
Milonianaf  Sestiana,  Phil.  I  und  II,  jeweils  in  Verbindung  mit  den 
entsprechenden  briefeB  ad  Att.  und  ad  fam.;  femer  Verr.  IV  und 
daneben  Laelius  und  somnium  Scipionis,  event.  Cato  maior.  die 
Sprechübungen  haben  hier  die  stufe  erreicht,  wo  man  verlangen 
kann,  daas  der  schttler  grammatisch  richtig,  stilistisch  correct,  in 
elegantem  ausdrucke  und  wolgebanter  periode  antworte,  man  kann 
wd  sagen,  daas  die  übrigen  vorausgehenden  dessen  eigentlich  nur 
die  Vorbereitung  abgeben  für  die  lateinische  conversation  der  prima ; 
denn  hier  finden  die  Sprechübungen  ihr  eigenstea  feld.  jedoch  sind 
auch  hier  nicht  —  was  Pries  f£r' günstig  hüt  —  eigene  Sprech- 
standen  einzurichten;  es  ist  vielmehr  diese  Übung  ein  integrierender 
beatandteil  der  lectüre  und  bildet  jeweils  den  abachlusz  eines  grOsze- 
ren  abschnittes  der  scfarifkstellerexegese.  die  mündliehen  referate 
können  hier  auf  gröszere  abschnitte  ausgedehnt  werden  und  nmfang« 
reidiere  dimensionen  annehmen,  z.  b.  die  nanratio,  die  argumentatio 
einer  rede,  der  historische  inhalt  eines  oder  mefaterer  briefe  usw, 
dabei  ist  nun  auf  mannichfÜtlgkeit  im  ansdmck  zu  sehen ,  femer 
darauf  daaz  der  schüler  die  der  daasiachen  prosa  erlaubten  figuren 
richtig  anwende,  dasz  er  chiaamoa  und  anaphora  in  der  gliedemng 
der  rede  reditzeitig  und  ainnentaprediend  abwechseln  laaae,  aich  vor 
anffollenden  ellipaen  hüte  und  jedei^la  anakolnthienTermeide.  auch 
das  genus  dicendi  wird  gebieterisdi  beachtung  verlangen  (cf.  Oic.  ad 
Pactum  [fam.  IX  21,  1]  und  Süpile  tu  ad  Att.  XYI  7  in  vergleich 
mit  Phil.  I);  so  musz  der  primaner  bd  der  aufgäbe,  den  biatoriacheii 


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5^   Die  lat  ^reeh-  imd  «ohreibubungen  auf  grondlAge  der  lectOre.  I 

gehalt  aus  einem  briefe  zu  reproducieren,  die  eigentiimlichkeiten  des 
briefatilfi  beseitigen;  soll  er  eine  narratio  aus  einer  rede  herausheben, 
80  wird  er  den  oratoriäcben  schmuck  (die  'apotheke  des  Isokrates' 
Cic.  Att  II  1,  1)  entfernen  und  sich  eines  ungezierten  historischen 
atUea  befleiszigen.  selbstverständlich  sind  solche  referate  sehr  ge-  i 
^gnato  häusliche  aufgaben  für  schriftliche  Übungen,   femer  kann 
Auch  im  engsten  anschlusse  an  die  lectüre  ein  thema  zur  behandlang 
gestellt  werden,  u  b.  aus  Cic.  Phil.  II  in  Verbindung  mit  ad  Att 
XIV — XVI :  'Ciceronis  et  Antonii  consulatus  inter  se  comparantnr; 
regis  Deiotari  qui  fuerit  Caesare  interfecto  status  quaeque  condkio; 
de  Quinto  filio,  Antonii  'dextella';  de  Dolabellae  laudibus;  qnod 
Brutus  habaeht  de  optimo  genere  dioendi  iudicium ;  quid  Ckaro  de 
profectionis,  quid  de  reversionia  suae  oonsilio  narraverit ;  quas  cuxia 
Marcus  filius  patri  attulerit  usw.  oder  im  anschlusse  an  Com.  Nep. 
Atticas,  der  als  privatlectüre  wegen  der  briefe  ad  Atticum  beachtung 
verdient:  qualem  Atticus  in  amicos  se  praeetiterit;  qua  ratione  quo- 
•quo  oonailio  Atticus  in  republica  sit  versatua;  snos  cuiqiie  mores 
plemmqae  oonciliare  fortunam  Attici  vita  demonstratnr;  quam  riai- 
plid  yietu  cultuque  Attiooa  ait  usus;  Atticus  et  Cicero  inter  se  oobi- 
parantur  (mit  beiziehung  von  Gio»  ad  AtL  1 17).  damit  wSren  wir 
anwillktürlich  an  der  berühmten  und  brennenden  frage  des  lat«ini- 
seben  anftaties  angelangt,  dieselbe  soll  jedoch  hier  nnr  kurz  berührt 
werden,  und  zwar  nur  insoweit,  als  sie  mit  dem  vorliegenden  thema 
snsammenhängt.  der  lateinische  aufsatz  ist  der  schluszstein  in  der 
Ton  quarta  herauf  angestrebten  stUiatiachen  entwicklang  des  Schü- 
lers und  eine  notwendige,  nicht  abzuweisende  folge  der  an  die  lectüre 
angeknüpften  sprach-  und  bchreibübungen.   ihn  verwerfen  heisst 
daher  der  continnierlicben  reihe  systematisch  gepflegter  Übungen 
die  letzte  conseqaeni  nnd  Vollendung  entziehen,  mit  recht  hat  da- 
her Schiller  (Gieszener  progiamm  1877)  ihm  das  wort  geredet,  und 
er  verdient  verteidignng,  wenn  er  gepflegt  wird  non  vetere  illo  more, 
quem  omnes  iure  luserunt,  dass  der  schüler  über  irgend  ein  beliebiges 
thema  sich  in  abgedroschenen,  ihm  durch  bequeme  bttcber  (yergl. 
s.  b«  Capelle)  gebotenen  pbrasen  ergehe,  sondern  dasz  er  den  auf- 
genommenen lesestoff  frei  verarbeite,  dasi  er  der  ans  dem  antor  ge- 
schöpften phrasis,  die  Quintilian  den  körper  der  rede  nennt,  audi 
die  Seele  gebe  und  so  eine  lebensvolle  gestaltung  schaffe,  kurz,  der 
lateinische  aufsatz  ist  das  vollendete  endsiel  eines  woleonoentri^rtea 
lateinischen  Unterrichts. 

Als  praktische  belege  mögen  hier  ein  beispiel  einer  eonversatioa 
über  einen  brief  Ciceros  und  ein  kleines  referat  (letateres  von  einem 
schüler  unserer  prima  gefertigt)  folgen. 

Cic.  ad  Att.  119  (dieser  brief,  den  Seyffert  schol.  lat.  einer  ein- 
gebenden betrachtung  würdigt  und  den  iisst  alle  Ciceronischen  brief- 
sammlungen  enthalten,  verdient  wegen  seiner  vortrefflichein  dispoei* 
tion  und  musterhaften  übeigttnge  in  der  prima  vor  allen  berlldc- 
sichtigung). 


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Die  Ittt  8preoh-  und  Bohreibflbiiiigeii  anf  gnmdlage  der  lectüie.  595 

la  Qua  oondioione  fotnram  esse  soripsit  Cicero,  ut  ipse  Attioum 
in  Bcribendo  Büperaret  mnltoque  illo  esset  in  dsöidia  litteria 
crebrior? 

h  Oioero  non  modo  si  sibi  tantom  esset  oiii,  quantom  Attico, 
Temm  etiam  si  tarn  breves  epistnlas  vellet  mittere ,  quam  üle 
soleret,  fatanim  esse  scripsit,  ut  Atticam  in  scribendo  superaret 
et  in  dandis  Htteris  mtüto  esset  illo  orebrior. 
2a  Qnidnain  foit  eaosae,  cur  Cicero  rarims  ad  Atticum  daret 
Utteras? 

h  Duas  attulit  causas  faas,  cur  rariores  ad  eum  daret  litteras:  ac- 
cedere  ad  summas  atque  incredibiles  occupationes,  quod  nuUam 
a  se  vellet  ad  eum  epistulam  sine  argumento  (nach  Wesenberg, 
der  mit  recht  absque  verwirft)  ac  sententia  pervenire. 

3  a  Quas  res  Cicero  qua  de  causa  primum  erat  expositurus? 

h  Cicero  primum  Attico,  ut  aequum  est  civi  amanti  patriam,  quae 
erant  in  republica  exposuit. 

4  a  Quid  deinde? 

b  Deinde  scribonda  proponit  de  se  ipso  ea,  quae  scire  Atticum 
non  nolle  arbitrabatur,  quod  in  amore  esset  proximus. 
öa  Ac  primum  [quidem  in  republica  belli  Gallici  versari  metum 
scripsit  neque  esse  dubium ,  quin  Helvetii  excursiones  in  pro- 
vinciam^  essent  facturi.  quae  res  ne  prospere  cederet  Helvetiis 
quomodo  a  senatu  providebatur  ? 

h  Cum  dubium  non  esset,  quin  Helvetii  excursiones  in  Galliam 
essent  facturi,  senatus  decrevit,  ut  consules  duas  Gallias  sortiti 
haberent  delectus  ita,  ut  vacationes  non  valerent  (man  vergl. 
hier  genau  den  text!  die  abgerissenen  membra  sind  hier  perio- 
disch verknüpft). 

6  a  Qua  re  ue  Galliae  civitates  se  cum  Helvetiis  coniungerent  cave- 

batur? 

h  Placuit  senatui,  ut  mitterentur  cum  auctorita  telegati,  qui  Galliae 
civitates  adirent  darentque  operam,  ne  eae  copias  cum  Helvetiis 
coniungerent  (wecbsel  im  ausdruck,  se  —  copias  coniungere). 

7  a  Quid  Cicero  de  lege  agraria,  qoae  tum  a  Flayio  tribuno  agita- 

batur,  ittdicat? 

h  Cicero  agrariam  legem,  quam  a  Flavio  tribuno  auctore  Pompeio 
agitari  dielt,  nihil  iudicat  populäre  habere  praetor  anctorem, 
qui  multnm  tum  yalebat  gratia  apud  populum. 
daFieri  non  potuit,  ut  Cicero,  quo  erat  in  rempublicam  amore, 
ei  legi  non  adversaretor.  iam  qnomodo  se  interposuerit,  scire 
cupio. 

h  Cicero  seoonda  contionis  volnntate  cum  sublatis  ex  agraria  1^ 
Iis  rebus,  qnae  ad  priyatonun  incommodum  pertinebfmt,  agrüm 
publioom  Uberasset,  et  Volateiranos  Arretinosqne,  quorum 
agrum  Sulla  pnblicarat  neque  diräerat^  in  sua  possessione 
retinebat  et  SuUanormn  hominum  possessiones  confirmabat. 
(Auch  hier  vergleiche  man  den  tezt  des  briefes.) 


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506    Dm  Ut  tpreeli«  mid  •chmbObmigeii  auf  giuMUage  der  lectte 

9a  8ed  qaa  raiione  Cicero  fieri  poiM,  nt  Pompeio  qmoqao  näs 
ceret  apermTit? 

b  Cioero  mia  ratione  non  reieeta,  ut  ager  ex  peeunia  emecetar, 
qnae  «x  noTis  ▼ectigalibus  per  qiimqii«uniim  vacipereto,  saK» 

facere  se  Pompeio  est  arbitratus» 
Referat  über  Cic.  ad  AU.  U  1. 

Ciceroni  eunti  Antium  cnm  eommentanit  consulatas  sni  Graece 
nb  Attico  scriptus  esset  redditns,  veritus  ne,  Atüci  ai  l^giaaet  aste 
libnim ,  ille  furatom  ab  ipao  dioerai,  laetatos  eat  se  aliqimio  aato 
librum  de  iiadem  rebua  item  GraMe  aoriptnm  ad  Attieimi  minan. 
qni  Attici  commentarias  cum  OTnanwita  neglaTiiiaat,  Ciceronis  quem- 
admodom  fiierit  onatiia  Uber  ex  eo  oogmoMitor,  qnod  PoaidoimK» 
onm  acoepiaaat  eum  a  Cicerone,  qaem  omMei,  ad  scribendam  non 
modo  non  excitatam,  sed  plane  deterritom  seease  ostendit.  Ciceroni 
quoniam^iii  üa  oratknibas ,  qnae  Philippioae  a<»iiiiiaiitmr,  enitueiat 
Demoatbenes,  commodnm  ftdi  ooraie,  nt  aiiae  qnoqiie  eaaent  orationes, 
qnae  oonaolares  nomiiiaraitiir.  eaa  deoam  habuit,  ex  qmbm  oonaaL 
el  qnae  dixerit  et  qnae  gaeierit  apperet  anus  Clodias  eo  tempore 
Ciceronis  sollicitabat  animam.  qni  eom,  etsi  a  Metello  consale  im- 
pediebatiur»  tribomia  plebis  fieri  cuperet,  xnodeatoa  leddebatur  a  Ciea- 
rone  cum  perpetua  gravitate  orationis,  tum  genereqoodamdictomm, 
quibus  quidquid  deliquerat  Clodius  ei  obieeretnr.  cum  Pompeio  tone 
Cioaro  familiarissime  erat  coniunctns;  sed  rem  ita  instituerai,  ntne- 
que  ipse  de  optimati  sna  xatiotte  daeaderet  et  ille  aliquid  de  populazi 
leritate  deponeiei.  Caesarem  qnoqne  si  sibi  oonciliavisset,  nibil  ma- 
gia  prolntämm  esse  reipublioae  eat  arbitratns ;  nobilisaimi  viri  cum 
prorana  abhonerent  a  republioai  aanm  esse  duxit  efficere,  nt  nollent 
obeaae,  qni  posaent.  Cato  autem  optimo  aaimo  utens  et  samm  fide, 
cum  nullam  retineiidi  ordinia  eqnestris  causa  £aoeret  iaofeniam,  noea- 
bat  reipublioae.  qno  anetore  onm  in  iudicium  venissent,  qui  ob  rem 
indioandam  peonniam  aooepatant,  effectom  eat»  nt  conanle  in  carcere 
incluso  nemo  aspiraret  eorom,  qni  Cioerone  eoaanle  rampablioam  de- 
fendere  solebant. 

Neben  diesen  Übungen  müssen  immer  die  ftbersetzungen  ins 
lateiniacbe  hergeben,  dieselben  schliesien  sich  ausschlieszliob  an  die 
lectüre  an,  dürfen  sieb  jedoch  auf  dieser  atnfe  etwas  freier  bewegen; 
der  Inhalt  wird  wol  aneb  am  besten  dem  antor  sich  anpassen;  allein 
nm  den  schfller  nieht  la  ermüden ,  kleide  man  Ihnlich  wie  in  tertia 
ond  eecunda  auch  andere  atoffe  in  Cioeronisches  gewasd;  dieselben 
müsaen  jedoch  biatoriaeher  natnr  sein  und  sich  bequem  in  die  ge- 
botene phraae  fügen,  empfehlen  dürfte  sich  auch,  bisweilen  modenie 
steife  zur  Verwendung  xa  bringen,  jedoch  mit  aaachlnaaaUee  dessen, 
wofür  die  classische  spräche  nicht  einen  entspreoheBden  ansdruck  j 
bietet,  ein  hauptgewicht  ist  auf  dieser  atnfe  der  correctheit  und  ele-  I 
gaas  des  deutschen  ausdrucks  beizulegen;  der  aohttler  soll  relatiT  ' 
gntea  deutsch  in  daa  relatiT  beste  latein  ttbertragoi.  Mensel  und  | 
aeine  naohfolger  —  womnter  «ndi  Klaneke  gewiaaermaaaen  gehArt 


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Bie  Iftt  sprecih-  und  Bchreibübaiigea  auf  gnmdlage  d&r  leciüze.  597 


— jbftben  die  grammatikreiterei  so  ausgedeliat,  dasz  sie  ihr  zu  liebe 
die  eorrectheit  des  deutschen  ausdrucks  opferten,  abgesehen  davon, 
dasz  solche  bücher  dem  deutscben  stil  des  schttlers  mehr  sehaden, 
als  sie  ihm  nutzen  bringen  an  seiner  latinität,  so  musz  der  schüler, 
der  immer  und  wieder  die  ^absieht'  merkt,  yersiimmt  werden  und  * 
wird  «chlieszlicb  absehen  vor  dem  undeutsohen  madhwerk  bekom- 
men, selbstverständlich  vdrd  der  lehrer  bei  abfassung  seines  dictates 
die  günstige  gelegeiJMit»  ein  grammatisches  pfefferkorn  unterzubrin* 
gen,  nicht  versttamen ;  aber  vollstopfen  mit  grammatik  wird  er  das- 
selbe auf  dieser  stufe  nicht,  ttbörhaupt  ist  es  eine  sehr  wichtige 
frage,  wie  sich  der  lehrer  der  prima  zur  grammatik  stelle  ?  dasz  die- 
selbe in  dieser  classe  von  der  ezegese  ausgeschlossen  bleibt  und  nur 
ganz  auffallende  erscheinungen  ntther  zu  betrachten  sind,  glaube  ich, 
vird  niemand  bestreiten,  im  allgemeinen  halte  ich  den  Kdehlysohen 
grundsatz  für  richtig:  sobald  der  lehrer  merkt,  dasz  in  grammatik 
lUoken  sich  finden,  so  bestimme  er  gewisse  stunden,  in  welchen  dann 
wwwhlieazlich  grammatik  in  groszen  umrissen  repetiert  wird;  im 
flbrigen  findet  die  grammatik  auf  dieser  stufe  keine  stelle,  doch, 
wie  verhttlt  es  sich  mit  der  Stilistik?  es  wird  wol  individuell  blei- 
ben, bis  zu  welchem  grade  der  lehrer  bei  der  lectUre  die  Stilistik  bn- 
liehen  wiU;  der  formalphilologe  wird  dies  gebiet  ausgiebiger  culti- 
visran,  der  realphilologe  ihm  weniger  beaehtung  schenken,  jeden- 
falls aber  musz  in  den  dictaten  zu  den  ezardtien  ihr  eine  wichtige 
rolle  zuerteili  werden,  und  zwar  in  specie  der  periodologie.  nichts 
regt  mehr  zum  denken  an,  niohts  wirkt  bildender,  als  die  verglei- 
chiog  des  deutschen  satzbaues  mit  dem  lateinischen,  so  wird  es  in 
der  Yorbereitung  auf  die  stilttbungen  eine  hauptaufgabe  des  lehrers 
sein,  den  schttler  aus  einer  reihe  deutscher  sätze,  die  in  inhaltlichem 
engen  zusammenhange  stehen,  den  für  die  fortfOhrung  der  erzählung 
oder  der  handlung  wichtigsten  herausfinden  zu  lassen;  femer  ihn  an» 
«oleiten,  wie  er  in  den  andern  nur  förderliche  oder  hemmende  neben- 
nmstiinde  erkenne  und  dann  dieselben  logisch  richtig  unterordne; 
ferner  wie  die  einzelnen  Sätze  in  ihrer  Stellung,  je  nach  bedeutsam* 
keit  und  beziehung  sich  verhalten  usw.  hier  ist  uns  eine  geistes- 
gjmnastik  der  allerwich tigsten  art  geboten,  die  nicht  genug  ausge- 
nutzt werden  kann,  sollen  wir  dabei  den  Schülern  eine  Stilistik  in 
die  band  geben?  Schiller  (Gieszener  programm  1877)  meint  ja,  und 
ich  stimme  ihm  vollständig  bei.  natürlich  soll  die  Stilistik  nicht, 
irie  es  leider  noch  da  und  dort  geschieht,  nach  einzelnen  Paragra- 
phen gelernt  und  eingeübt  werden,  so  wenig  wir  altertttmer  usw. 
als  selbständige  disciplinen  in  die  schule  einführen  wollen,  so  wenig 
soll  es  auch  mit  der  Stilistik  geschehen,  jedoch  soll  der  schüler  ein 
buch  in  bänden  haben,  in  welchem  er  sich  zu  hause  noch  einmal  über 
das  in  der  classe  gehörte  orientieren  kann,  für  den  schwächem  Schü- 
ler wird  dies  geradezu  unentbehrlich  sein,  und  auch  der  bessere  hat 
das  bedürfhis,  die  snnune  der  einaelnMi  kenntnisse  allmählich  im 
System  ansehen  zu  sehen. 


508   Die  Ist  tpreeb-  nad  lebreibüboiigeii  auf  gnundbige  der  lectOxe. 


Zum  schlnsse  lasse  ich  noch  einige  beispiele  lolgaa«  ins  denen 
«ndelitlieh  ist|  wiadiedeatsehoidi^toilUrpriMToniiikbw^^ 
wsrdni« 

a)  Dialugi^cbe  form,  inhalt  und  phraseologie  nach  Att.  XV  1. 

A.  Hast  du  schon  gehört ,  dasz  der  arzt  Alexio  gestorben  isl? 
Kmne  eilbe  davon !  das  thut  mir  wirklieh  leid  um  ihn,  wan 
68  so  ist.  an  was  ftlr  einer  krankheit  ist  er  denn  gestorben? 

A.  Das  kann  ich  dir  nicht  einmal  sagen,  ich  habe  nur  gehört, 
dMi  er  plötslich  in  eine  schwere  krankheit  Terfiidlen  ist  und  das 
kibin  arzt  ihm  hat  ein  heümittel  Tmehreiben  wollen,  weil  man  ikn 
sogleich  aufgegeben  hat. 

B,  £r  denert  mich  doch  recht  sehr !  wie  nahe  masz  dies  «st 
dem  Cioero  gagangen  sei;  denn  dieser  wird  gar  nkkt  wiiaen,  wh 
iBr  einen  arzt  er  jetzt  wird  eonsultieren  sollen* 

Am  Was  braucht  Cicero  wii^eb  einen  arzt?  oder  wenn  er 
einen  braucht,  ist  denn  ein  so  groszer  mangel  daran?  ilag^gaii 
glaube  ich ,  data  Cicero  das  freundliche  und  liebenswürdige  wenn 
des  Alazio,  den  er  ala  frennd  onglnnblioh  hoehgeschätzt  hat,  ver- 
missen wird. 

B.  leh  musz  immer  an  das  wert  dea  dichtere  denken :  'deine 
eigene  sache  ataht  auf  dem  spiel ,  wenn  des  nachbars  wand  in  brand 
steht.'  denn  was  mnsi  man  da  nicht  fortwftfarend  in  angst  sein, 
wenn  ein  mann,  der  so  gengelt  lebte,  und  ein  so  ausgeaädmetar 
erst  dabei,  unyerseliens  einer  so  sohweren  krankheit  erliegen  muszte. 

Ftlr  das  aUes  gibt  es  nur  den  6inen  troat,  dasz  wir  mit  der 
bestimmnng  geboren  sind,  dasi  wir  nns  allem  mensehliohen  fOgea 
müssen. 

B.  Auch  sehen  wir  ans  dem  tode  des  Aleado,  dasi  wir  den 
firzten  nicht  zu  viel  vertrauen  schenken  dürfen;  wenn  ein  anderer 
krank  ist,  da  rücken  sie  mit  ihrer  kenntnia  der  heiknittel 
selbst  aber  corienn,  das  kflnnen  sie  nicht. 

A,  Daher  wollen  wir  unsere  ganze  lebensweise  so  regeln,  dsv 
wir  in  allen  dingen  vorsieht  und  Sorgfalt  anwenden,  wenn  dann 
unser  stündlein  schlägt ,  so  wollen  wir  ohne  nns  sn  hSrmen  den  tod 
erdulden;  denn  'für  den  tod  ist  kein  krant  gewaehsen'  bat  sobon 
ffippokrates  erkannt 

b)  Dialogische  form,  phraseologie  nach  Cic.  Att.  XV  ^  und  5. 

moderner  inhalt. 

Am  Das  ist  doch  eine  häszliche  geschichte,  flir  die  sich  kaum 
eine  lOsong  wird  finden  lassen!  kaum  ist  die  nachricht  von  der 
niederlage  bei  Sedan  eingetroffen ,  da  regen  sich  sobon  die  nnrnhi- 
gen  köpfe,  und  wenn  dies  so  fortgeht,  wie  es  begonnen,  so  weite 
wir  zum  auswärtigen  kriege  noch  einen  bttrgerkrieg  bekommen. 

B.  Das  glaub  ioh  aneh,  doch  wer  trigi  die  sohuld  an  diem 
dingen? 


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Die  lat  Sprech-  und  scbreibtlbiiiigeii  aof  grandlage  der  lectSre.  599' 

A  Diejenigen,  welche  dem  kaiaer  zun  kriege  mit  Deutschland' 
gerathen  haben,  das  beer  gewis  nicht  denn  glanbe  mir,  der  krieg 
ist  mit  dem  mnte  Ton  mSnnem  gefOhrt,  aber  mit  der  einsieht  Ton 
knaben  nntemommen  worden,  und  so  haben  wir  statt  unsere  uele*. 
zu  erreichen  alles  Terloren. 

B,  Ich  weiss  wirklich  nidit,  was  ich  sagen  soll;  indes  gieng 
doch  der  kaiser,  bei  dem  mir,  wie  es  so  geht, 'vielleicht  deswegen 
alles  thOricht  Torkommt,  weil  ich  ihn  nicht  liebe,  in  allen  seinen 
plftnen  auf  krieg  aus.  jedodi  darf  man  dies  noch  nicht  offen  heraus- 
sagen und  musz  eine  geeignetere  zeit  dafttr  abgewartet  werden,  denn, 
wemi  auch  der  tyrann  besiegt  ist,  so  sehe  ich  doch  die  ^rrannenher« 
sdiaft  immer  noch  bestehen* 

Ä.  Du  urteilst  hart  Aber  den  kaiser.  ich  kenne  ihn  besser  f. 
denn  ich  besasz  bei  ihm  so  viel  einflusz,  dasz  ich  ihn  in  meinem 
alter,  und  da  wir  denn  doch  einmal  die  firäiheit  verloren  hatten,  als 
herm  nicht  mehr  zu  scheuen  brauchte,  das  wohl  des  Staates  war 
ihm  mit  seinem  innersten  leben  verwadisen  und  da  er  sah,  dasz  die 
bestrebungen  der  revolutionsmftnner  nicht  durch  seine  behanrlichkeit,. 
seine  umsieht  und  seinen  einflusz  niedergehalten  werden  konnten, 
rnuszte  er  au  den  waffen  greifen,  um  durch  eine  glttckliche  waffen-^ 
that  der  ehrsucht  des  &anz6sischen  Tolkes  genüge  zu  leisten. 

B.  Bisher  glaubte  idi  noch  schweigen  beobachten  zu  müssen; 
allein  jetzt  kümmere  ich  mich  nicht  me^  darum,  den  verdacht  des^ 
busers  zu  vermeiden  und  will  die  Iftstige  scheu  Ablegen,  so  soll  es 
denn  auch  offon  herausgesagt  sein,  dasz  er  es  verdient  hat,  eine  so 
schmShliche  niederlage  zu  erleiden,  und  ich  hoffs,  wie  ich  auch  Uber 
die  krSfte  Gambettas  urteilen  mag,  dasz  er  uns  binnen  weniger  tage 
•die  freiheit  verschaffen  wird. 

Ä,  Mit  diesem  toUkopfe  kann  ich  mich  nicht  versöhnen,  und 
80  bin  ich  denn  entschlossen,  mit  dem  stürze  des  kaisertums  ein 
land  zu  meiden,  in  dem  ich  nicht  allein  mit  der  h(Jchsten  wllrde- 
mich  ausgezeichnet,  sondern  audi  mit  einigem  anstände  herrendienste 
gethan* 

B,  Ich  werde  im  vaterlande  bleiben;  denn  bald  wird  die  zeit 
kommen,  wo  politische  meinungsverschiedenheit  nicht  mehr  gefi»hr 
bringt  und  wo  gelegenheit  zum  handeln  sich  bieten  wird. 

c)  Erzühlende  form,  phraseologie  und  Inhalt  nach  Cic.  Att.  II  1, 6 — 9*. 

Cicero  war  wShrend  seines  consulates  ebenso  wie  seine  nach- 
folger  von  den  rittem  bedeutend  untersttUast  worden,  in  der  folge 
sah  er  zwar  wol  ein,  dasz  die  publicanen  in  ihren  ansprflchen  höchst 
unversehftmt  seien ;  allein  wenn  man  den  ganzen  stand  sich  damit 
erhalte,  glaubte  er  immerhin  einen  verlust  erleiden  zu  dürfen,  unter 
dem  consulate  des  Q.  Metellus  und  L.  Afhmius  jedoch  wurde  — 
und  daran  war  Gato  sdiuld  —  die  eintracht  der  stftnde  getrennt  und 
die  römischen  ritter  dem  senat  entfremdet,  es  ist  kein  zweifei,  dasz, 
Cato  in  der  politak  die  beste  gesinntmg  und  die  reinste  absieht  go- 


k)u,^  jd  by  Google 


600   Die  politiacbd  bedautoag  von  LesungB  ^Miona  Ton  Bamhelm*. 


habt  hat.  allein  er  schadete  doch  bisweilen  dem  Staate,  weil  er  bei 
beiner  rechtlichen  gesinnung  keinen  schritt  breit  von  seinen  aristo- 
kratiadien  priaoipieii  abwich  und  auf  keine  persönlichkeit,  mochte 
dieselbe  noäi  so  sahr  vom  glücke  begünstigt  sein ,  rücksicht  nahm, 
als  daher  nach  dem  processe  des  Clodius  alles  entrüstet  war  über  die 
fraisprechung  daasalben ,  beantragte  Gate ,  die  bestochenen  ricbter 
sollten  in  den  anklagestand  versetzt  werden.  Cicero  gab  seine  20* 
atimmiuig  nicht,  weil  er  einsah  ^  dasz  gewaltige  politische  wirren 
daraus  hervorgehen  müsten,  allein  der  senat  pftichtete  dem  Cato  bei 
und  80  drang  dieser  durch,  natürlich  erklärten  mm  die  ritter  dem 
aanate  den  krieg,  und  als  der  tribun  Flavius  den  consul  Metellus  ins 
gefibignis  fUhren  liesz ,  da  rührte  sich  keiner  von  ihnani  die  doch 
aonst  in  gafthrlicher  ]ag^  den  staat  vertaidigten« 

MaintSBOf.  J.  H.  Sokicals. 


6&. 

DIE   POLITISCHE  BEDEUTUNG  VON  LESSINGS  'MINNA 

VON  BARNHELM', 
preutsische  echulrede  an  kaisen  geburtstag,  den  22n  märz  187& 


Meine  hochverehrten  herren  collegen! 
Geliebte  schüler ! 

Dlt  freudige  dank  gegen  gott,  der  unsem  königlichen  hermin 
voller  kraft  des  leibes  und  des  geistes  heute  in  sein  achtzigstes 
lebensjuhr  eintreten  läszt,  musz  an  diesem  tage  das  herz  jedes 
echten  Preuszen,  jedes  Deutschen,  der  es  mit  dem  neuerstandenen 
deutschen  reiche  ehrlich  meint,  ansschlieszlich  bewegen,  ja,  dem 
gott,  der  unsem  groszen  kaiser  uns  bis  jetzt  so  gnftdiglich  erfaalteo, 
ihn  noch  in  seinem  alter  thaten  hat  ausfübrai  lassen,  wie  sie  ge- 
schieh te  und  sage  nur  von  heldenjünglingen,  einem  Adiäke, 
einem  Alexander,  einem  Siegfrid  zu  erzählen  pflegen,  wird  auch 
forner  seine  schützende  band  halten  über  dieses  geliebte  haupt  und 
Uber  das  dnrch  nnsers  kaisers  heldenthaten  geeinigte  thenre  deutscbe 
Vaterland. 

80  viele  pfänder  seiner  fnade  gab 

der  himmel  nicht,  dass  wir  am  ende  Irauera. 

Aber  noch  ein  gufühl  drängt  sich  mir,  der  ich  nun  seit  zwölf 
jähren,  seit  dem  Schleawigschen  feldzuge  1864,  freiwillig  die  auf- 
gäbe übernommen  habe,  Sie,  geliebte  schüler,  an  diesem  tage  daran 
zu  mahnen ,  dasz  Sie  dem  vaterlande  alles ,  gut  und  blut  schuldig 
fiind,  gerade  an  dem  heutigen  tage  auf  das  i^st,  welches  unsere  siüit 


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Die  politiflohe  bedeutang  Ton  Lesaings  ^Minna  toh  Barnhelni'.  601 

beute,  so  viel  mir  bekannt  ist,  allein  im  deutschen  vaterlande  feiert, 
das  fest  der  ein  weihung  einer  denksäule  für  die  rohmesthaten  unserer 
krieger  in  dem  glorreidien  tanzSsischen  feldzuge  und  für  die  theureiii 
welche  der  bezwingimg  unseres  erbfeindes  und  der  einigung  unseres 
deutschen  TaterUndes  zum  opfer  ge&Uen  sind ,  legt  mir  diesen  ge* 
danken  näh  und  iSszt  jeden  andern  dagegen  zurücktreten,  den  ernsten 
gedanken,  dasz  es  heute  besonders  meine  pflicht  sei ,  Sie,  geliebte 
Schüler,  mit  aller  kraft  der  rede  daran  zu  malmen ,  dasz  es  die  aof- 
gabe  Ihres  ganzen  zukünftigen  lebens  sein  musz,  dafür  sorge  zu 
tragen,  dasz  jene  opibr  keinem  himgespinste  gebracht  worden  sind, 
das  viele  tiieure  blut,  welches  seit  zwölf  jähren  auf  den  echlacht- 
fdldem  von  Schleswig,  Ton  Böhmen  und  Franken,  vonElsasz  und 
Frankreich  in  strOmen  für  die  deutsche  sache  geflossen  ist,  kann 
nicht  durch  schnödes  geld,  nicht  durch  millionen  von  miUiardai, 
nioiht  duvok  landerwerb,  auch  nicht  durch  zurückeroberte  provinzen 
aufgewogen  werden;  der  einzige  würdige  erzatz  dafür  sind  —  Sie, 
geliebte  jünglinge,  die  hoffiiung  unserer  zukunft.  für  Sie  sind  diese 
tousende  in  den  tod  gegangen,  damit  Sie  in  einem  neu  erstandenen 
groszen  yateiiande  die  bahn  geebnet  fönden,  alle  krüfte  Ihres  geistes 
im  dienste  des  Vaterlandes  zu  entfalten;  Ihnen  ein  leuchtendes  vor- 
bUd  preuszischer  pflichttreue  zu  werden,  ^achteten  sie  nicht  des  todes 
wände,  weil  das  Taterland  gebot',  aber  all  dieses  blut  würde  ver- 
geblich geflossen  sein,  wenn  Sie  nicht  fühlen  lernten,  welches  Stam- 
mes Sie  sind,  wenn  Sie  nicht  die  unselige  sucht  derl>eut8chen  über- 
winden lernten,  sich  selbst  neben  dem  auslande  zu  verachten,  wenn 
Sie  nicht  immer  mehr  zu  der  ei^enntnis  gelangten,  dasz  durch  gottes 
gnade  und  unserz  kaieers  heldenhafte  und  weise  regierung  deimalen 
im  ganzen  Weltall  kein  name  einen  stolzeren  und  schüneren  Uang 
hat,  als  der  eines  Dentsohen.  noch  sind  die  wunden  nicht  vernarbt, 
welche  drei  siegreiche  kriege  unserm  lande  gesehlagen  haben,  und 
mit  schmerzlichen  empfindungen  werden  heute  witwen  und  ver- 
witwete brftute,  kinderlos  gewordene  vttter  und  vaterlose  weisen  an 
die  sftule  herantreten,  ^  die  erinnernng  an  die  theuran  gefidlenen 
der  spftten  nachweit  überliefern  soll,  ja  auch  uns,  Ihre  lehrer,  deren 
keiner  in  seiner  familie  einen  solchen  verlust  erlitten  hat,  ergreift 
doch  an  dieeem  tage  von  neuem  schmerzlioh  die  ennnerung  an  so 
manehMi  wachem  jüngling,  der  vor  jähren  mit  Urnen  auf  derselben 
Bchulbank  sasz  und  heute  wol  auch  an  unserer  üwtversanmilung  teil 
genommen  haben  würde,  Utge  er  nicht  Um  in  Qstreichischer  oder 
SraiMÜsiBcher  erde  begraben,  Preuszms  gesetzen  getreu,  o  so  ver- 
sammelt euch  um  uns  her,  geister  unserer  tbeuren  dahingeschiedenen, 
ech  webet  über  diesen  Jünglingen,  zeiget  ihnen  eure  wnndenmale,  dasz 
eie  darein  die  finger  legen  und  saget  ihnen:  das  that  ich  für  dich; 
was  thust  du  für  mich?  donnert  ihr,  wenn  meine  rede  zu  schwaoh 
sein  sollte,  wenn  ich  den  schmerz  erleben  sollte,  dasz  ein  abtrünniger 
von  der  heiligen  sache  des  vaterlandds  einst  aus  ihren  reihen  hervor- 
geht, das  bewusztsein  seiner  erbirmlichkeit  tag  und  nacht  in  die 

K. j«hrb.  r  phi).  a.  päd.  II.  «bt.  181S.  hfl.  12.  40 


Digitizod  by  Goüßlc 


602    Dia  poiiUiche  bedeatong  Toa  LMsiiigi  ^Minna  Ton  Barnhelm*. 

feigen  obren,  hebt  eure  bände  drohend  wider  ihn  auf  und  jagt 
ihn  wie  einst  die  Erinyen  den  Orestes  hinweg  von  dem  heiligen 
boden  des  Vaterlandes ,  den  er  höhnt,  als  ich  heute  vor  zehn  jähren 
Ton  dieser  selben  stelle  aus  zu  einer  nunmebr  erwachsenen  generation 
von  scbtilem  redete,  wie  ganz  anders  sah  es  da  noch  im  preuszi^cben 
vaterlandc  aus!  könnten  Sie,  geliebte  schüler,  mit  Ihrer  erinnerung 
in  diese  zeit  zurückreichen,  auf  den  knien  wtlrden  Sie  heute  mit  mir 
dem  allmächtigen  gotte  danken,  der  Deutschlands  Schicksale  so  gnä- 
dig geleitet  hat.  damals  muste  ich  zurtickgreifen  in  Deutschlands 
fernste  Vergangenheit,  um  hier  die  beispiele  und  muster  frommer 
deutscher  unterthanentreue  aufzusuchen,  die  unserm  damaligen  ge- 
schlecbie  völlig  abhanden  zu  kommen  drohte,  dies  darf  ich  Ihnen 
jetzt  sagen,  denn  diese  zeit  liegt,  dank  dir,  allmächtiger  gott!  für 
immer  hinter  uns ,  und  i  c  h  darf  es  Ihnen  sagen ,  der  ich  seit  dem 
ersten  kanonenschusz  in  Schleswig-Holstein  allen  Unternehmungen 
unseres  kaisers  und  seiner  weisen  regierung  mit  voller  seele  zuge- 
jauchzt habe,  der  ich  bereit  bin,  wenn  man  mir  das  wort  verbietet, 
jedes  wort,  was  ich  je  geredet  habe,  drucken  zu  lassen,  noch  batten 
die  siegestbaten  in  Schleswig,  die  glorreichen  tage  von  Düppel  und 
Alsen,  die  die  schmach  des  unseligen  feldzuges  von  1849,  des  Waffen- 
stillstandes von  Malmö  s^ühnten,  den  fluch  nicht  gesühnt,  mit  dem 
der  allmächtige  unsere  nation  für  immer  zur  Zerrissenheit,  zur  rubm- 
und  thatenlosigkeit  verdammt  zu  haben  schien,  und  mit  schwerem 
herzen  betrat  ich  damals  dieses  katheder,  um  mir  selbst  trost  zuzu- 
sprechen in  schwerer  zeit,  wie  soll  ich  dir  genug  danken,  allgütiger, 
dasz  du  mein  und  aller  treuen  untertbanen  gebet  so  gnädiglicb  er- 
höret hast !  denn  noch  in  demselben  Jahre  erhob  sich  aus  dem  blut- 
getränkten Schlachtfelde  von  Sadowa  und  Edniggrätz  der  bäum  der 
deutschen  eintracbt  und  stärke,  der  dann  auf  den  französischen 
Schlachtfeldern  neue  und  stärkere  wurzeln  schlug,  ^der  herr  hat 
groszes  an  uns  gethan ,  des  sind  wir  fröhlich  1 '  so  durfte  ich  zu  an- 
fang  meiner  rede  im  folgenden  Jahre  ausrufen,  und  auch  jetzt,  nach- 
dem gott  der  herr  seit  zehn  jähren  unsem  grossen  kaiser  und  sein 
deutsches  volk  von  einer  groszthat  zur  andern,  von  einem  siege  zum 
andern  über  äuszere  und  innere  feinde  geführt  hat,  musten  wir 
immer  und  immer  wieder  in  die  worte  der  bibel  ausbrechen:  ^ja,  der 
herr  hat  groszes  an  uns  gethan ,  des  sind  wir  fröhlich,  amen ! ' 

Nicht  also  in  die  tiefe  deutscher  Vergangenheit  brauche  ich 
beute  binabzutauchen,  nicht  in  die  berichte  des  Tacitus,  noch  in  die 
Charaktere  des  Nibelungenliedes  brauche  ich  heute  zurückzagnifta, 
um  nach  dem  verlornen.  Jetzt  aber  für  immer  wieder  eroberten  paUa- 
dium  deutscher  treue  zu  suchen,  aber  die  erinnerung  aa  die  schlaeki 
von  Königgrätz,  welche  das  von  Friedrich  dem  groszen  in  annai 
schlesischen  kriegen  angebahnte  werk  zu  ende  führte,  ruft  in  mir  die 
erinnerung  wach  an  ein  werk,  welches  Goethe  ^die  reifrte  ansgeburt 
des  siebenjährigen  krieges'  genannt  hat|  und  welches  genau  hundert 
jähre  vor  der  schlaoht  von  Kduggittii  an  die  dfieniliehkeit  trat;  Sie 


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Die  poHtiadbe  bedeotnng  tos  Lesnngs  ^Miima  Yon  Bamhehii'.  605 

wiraen,  dass  ich  damit  Lessings  iima  von  Barnhelm'  meine.  Omen 
dw  bedevtong  dieses  lastspiäs,  des  einzigen  von  echt  nationalem 
gehalt,  auch  noch  fttr  unsere  seit  in  wenigen  Worten  nachznweisen, 
kt  die  aufgäbe,  weldie  idi  mir  ftr  die  kurze  zeit  unserer  festlichen 
Versammlung  gestellt  habe*  zuvörderst  aber  musz  idi  Urnen  den 
gang  der  handlung  vorlegen  und  auf  die  Charaktere  des  stQckes  hin- 
weisen. 

Soldaten  treten  hier  zum  ersten  male  auf  die  bfihne,  pi  easzische 
Soldaten  im  editen  sinne  des  wertes  |  Soldaten  des  siebenjährigen 
krieges ,  die  noch  nach  dem  pulver  der  schlachten  riechen,  Soldaten, 
Zöglinge,  Idnder  des  alten  IVitz,  vom  mijor  bis  zum  packknecht.  das 
sind  nicht  jene  prahIhBnse,  jene  milites  gloriosi,  wie  die  alte  komödie 
sie  liebte,  aber  auch  nicht  jene  bombastischen  vaterlandsverteidiger 
der  französischen  pseudo-classischen  tragödie,  die  noch  kein  pulver 

S rochen  haben,  bei  denen  aber  der  tod  fttrs  Vaterland  immer  das 
itte  wort  im  munde  ist,  das  ist  fleisch  von  unserm  fleische  und 
bein  von  unserm  beine.  erst  durch  Lessings  Minna  von  Barnhelm 
wurde  man  auf  das  poetische  aufinerksam,  welches  im  soldatenstande 
schon  als  stände  liegt,  ganz  abgesehen  von  dem  hohen  berufe  der 
Verteidigung  des  Vaterlandes,  und  ohne  Lessings  ^Minna  von  Barn- 
helm' würde  Schiller  Wallensteins  lager  wol  nicht  haben  schreiben 
können,  und  wer  von  Ihnen,  geliebte  Zöglinge,  einst  diesen  schönen 
beruf  ergreifen  wird,  oder  wer  als  freiwilliger  einst  den  preuszischen 
wttffenrock  tragen  wird,  der  mag  es  unserm  dichter  danken,  der  die- 
sen rock  aucii  In  der  vaterlBndisdien  litteratur  zu  ehren  gebracht 
hati  und  mit  stolz  von  seinem  kleide  sagen  wie  Schillers  Wallen- 
ateiner:  Mes  kaisers  rock  ist  der  höchste  titeP.  seit  Lessings  Minna 
wurden  die  soldatenstllcke  gerade  so  beliebt  wie  seit  (Goethes  Götz 
von  Berlichingen  die  ritterstttcke.  auch  der  lUsche  idealismus  der 
französischen  bOhne  ist  dadurch  glücklich  vermieden,  dasz  auch  die 
aitUiohen  gefahren  des  soldatenstandes  in  Paul  Werners  neigung 
snm  vagabundieren,  in  Justs  ungeschlachter  derbheit,  vor  allem  aber 
m  des  mi^ors  von  TeUheim  ttbef^ebenem  ehrgefühl,  in  dem  das  trei- 
bende  motiv  der  ganzen  handlung  liegt,  lebhaft  zur  anschauung  kom- 
men« dies  ist  der  angelpunct  des  ganzen  sttlckes,  und  es  wird  nötig 
sein  diese  charaktereigentttmlichkeit  des  majors ,  die  aber  die  eigen- 
tOmHehk^  seines  ganzen  Standes  ist,  mit  einigen  werten  noch  nSher 
sni  beleuchten,  die  ehre  ist  das  paUadium  des  soldatenstandes ;  von 
cUesem  gesichtspunete  aus  hat  auch  Schiller  scone  soldatlsdien  Cha- 
raktere aufgefaszt  und  in  bewegung  gesetzt. 

I  soll  ich  friscb  um  mein  leben  fechten, 

mnsz  mir  noch  etwas  gelten  mehr, 
oder  ich  lasse  mich  eben  schlachten 
wie  der  Kroat  und  muaz  mich  verachten. 

dieses  ehrgefübl,  welches  zuerst  Friedridi  der  grosze  dem  preuszi- 
schen beere  eingehaucht  bat,  hat  Deutsdüand  gerettet  und  es  an  die 

40» 


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Q(4   Die  poUÜMhe  bedaotong  Ton  Leniiigs  'MimiA  toh  Btumlidm? 

spitze  der  europäischen  v^er  gestellt,  «btr  68  konnte ,  wie  jede 
einseitigkeit  «odi  aastrtan  uid  ist  aneh  »osgeartoL  aduM  das  be* 
wustsein  einem  groszen  Organismus  anzagebömi,  an  dwion  epitoe 
der  gefeierte  kdnigUohe  fttbrer  selbst  steht,  einem  organinuis,  dwaea. 
einige  glieder  aohon  Soaserlich,  durch  ihre  tracht,  von  dem  ver- 
band«  mit  ihren  mitbürgem  abgeschieden  sind  und  nach  einem  be- 
sonderen gesetabnche  gerichtet  werden,  schon  dieses  bewustsein  hebt 
den  eimelnon  und  verkiht  ihm  ein  ai^faatgaAhi,  welikea  aidi  der 
bOrger  erst  durch  eigenen  wert  erwerben  mnaa. 

der  geist,  der  im  f^auzeu  corps  tbut  lebeu, 
rebaet  fewaltig  wie  windesweben 
aadi  den  onteitteD  reiter  Bit. 

80  wird  der  soldat  dem  bürgerstande,  den  er  verachtet,  immer  mehr 
entfremdet  und  lagert  sich  im  Staat  dem  Staate  gegenüber,  der 
Standesehre  werden  alle  rücksichten  geopfert,  und  wo  nicht,  wie  dies 
glücklicher  weise  in  dem  Preuszen  des  19n  Jahrhunderts  der  fall  ist, 
das  beer  ein  volksbeer  ist,  da  treten  solche  widerlichen  erscheinungen 
zu  tage,  wie  sie  Preuszen  zu  dem  unglückstage  von  Jena  geführt 
haben,  und  wie  sie  uns  Heine  für  poesie  ausgeben  will,  während  sie 
im  gründe  verwerflich  sind: 

was  seheert  mich  weib,  waa  aeheert  aiiieh  kbaäf 

ich  trage  ein  besser  yerlangen; 

lasz  sie  betteln  gehn  ,  wenn  sie  hungrig  sindi 

mein  kaiser,  mein  kaiser  gefangen! 

gerade  daaz  der  bOxger  genötigt  ist,  dnzeh  seine  eigeoeii  leistongen 
sich  seinen  wert  zu  geben,  dasz  es  keinem  unter  ihnen  auf  den  epaa- 
letten  geschrieben  steht,  wie  Yiel  er  zu  gelten  hat,  gerade  das  macht 
den  wert  des  bfligerstandes  aus  und  schützt  vor  ttberhebung,  der  die 
armee  nur  m  sehr  ansgeaetat  ist.  hier  in  der  annee  lenit  man  axd 
Verdienste  pochen,  die  man  nie  gehabt  bat,  die  immer  einer  bei  dem 
andern  sucht  und  die ,  wenn  sie  aor  zeit  der  not  an  das  tageslieht 
treten  sollen,  eben  nirgends  zu  finden  sind,  dies  haben  wir  bei  Jetu^ 
die  Franzosen  bei  Sedan  erfahren,  dasz  solche  zustände  bei  uns 
nimmer  wiederkehren  werden,  dafür  bürgt  uns  eben  die  lekre»  die 
die  groszen  reformatoren  des  preuszischen  kri^gswesens  aus  dem  un- 
glückstage Ton  Jena  zogen,  indem  sie  das  preuszische  beer  m  einem 
Yolksheere  umgestalteten,  dafür  bttrgen  uns  die  reformen,  die  unser 
groszer  kaiser  unablässig  auf  grund  der  erfiahrungen  SMiier  rahm- 
und  siegreichen  feldzüge  durchführt,  zwar  naeb  einem  grosaen  und 
glücklichen  feldzuge  ist  diese  selbstüberhebong  sehr  yerzeihlicb, 
weil  sie  eeht  mensohlich  ist,  und  in  dieser  läge  nmi  finden  wir  unsem 
braven  miyor  von  Tellheim.  er  ist  kein  Preusze  yon  gebort,  er 
stammt  aus  Kurland,  aber  die  gleiche  sache,  für  die  gefochten  wird, 
nicht  die  geburt ,  maeht  im  kriege  die  heimat  des  Soldaten,  die  be- 
geisterung  für  die  person,  niobt  fürdiesachedes  grossen  ktaigs 
hat  ihn,  den  verminenden  gntsbesitnr,  wie  so  Tieia  Deiitaoben,  nnter 


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Die  politische  bedeatang  v<m  LessiDg«  ^Minns  Ton  Barnhelm*.  €05 

Friedriohs  fahneii  getaneben.  um  so  empfindlicher  trifft  ihii  nun  die 
krfinkung  seiner  ehre  Yoa  Seiten  des  bewunderten  mannes,  dem  er 
*  aUet  aufgeopfert  hatte,  er  ist  fQhrer  eines  der  freicorps  gewesen, 
deren  auflösung  gleich  nach  beendigung  des  siebenjährigen  krieges 
viele  nnbemittelten  kriegor  in  unverdientes  elend  stttrste,  weshalb 
sie  auch  dem  grossen  Friedrich  mehrfach  vorgeworfen  worden  ist* 
«noh  ihn  föagt  der  mangel  an  zu  drücken,  aber  er  ist  entschlossen, 
eher  vor  den  äugen  des  königs  im  elend  umrakommen  ab  auf  seine» 
durch  den  krieg  hemntergebrachten  gflter  zu  gehen,  um  durch  deren 
be wirtschaftung  sein  zerrüttetes  vermögen  wieder  lierzustellen.  ein 
anderer  zug  des  soldatischen  Charakters  ist  von  Lessing  gleichfalls 
sehr  hübsch  in  die  handlung  verflochten  worden;  Lessing  hatte  ihn 
in  Breslau  an  den  prenszischen  officieren  so  gründlich  studiert ,  dasz 
er  ihn  selbst  annahm,  die  gleichgültigkeit  gegen  das  geld,  die  Tell- 
heim  mit  Werner  gemein  hat ,  denn  Tellheim  ist  im  gründe  nicht 
weniger  Verschwender  als  Werner,  obgleich  er  es  diesem  zum  vor- 
warf macht,  aber  er  ist  ein  edler  Verschwender  wie  Saladin.  dieser 
sog  ist  im  soldatischen  Charakter  sehr  begreiflich  und  verzeihlich, 
wer  jeden  tag  sein  leben  einsetzen  musz,  wird  auch  den  höchsten 
geldeinsat»  nur  gering  achten  ond  mit  eines  Spielers  leichtsinn ,  je 
nach  seinem  sonstigen  Charakter,  ihn  zur  befiriedigong  seiner  edlen 
oder  seiner  schlimmen  neigungen  hingeben«  um  einer  solchen  edlen 
neigong  willen,  nemlich  dem  überwundenen  feinde  die  lasten  des 
krieges  möglichst  zu  erleichtem,  hat  Tellheim  eine  bedentendesnmme 
daran  gesetzt  und  ist  nun  in  gefahr  nicht  blosz  diese  summe,  sondern 
ttoeh  mit  ihr  seine  edelmännische  ehre,  ja  auch  die  Imut,  die  er  sich 
dnroh  diese  schöne  that  erworben  hat,  zu  verlieren,  das  stUck  be- 
ginnt damit,  dasz  uns  der  dichter  die  not  vorführt,  in  welche  Tell- 
heim durch  sein  übertriebenes  ehrgefühl  gerathen  ist  aber  gerade 
diese  not  zeigt  seinen  Charakter  von  der  schönsten  seite.  gewöhn- 
lichen menschen  zieht  das  unglück  das  herz  zusammen  und  macht  es 
gleichgültiger  gegen  fremde  leiden,  nicht  so  bei  Tellheim,  und  der 
dichter  hat  eigens  eine  scene  eingefügt,  die  ich  nie  ohne  thrttnen  der 
rtthnmg  lesen  kann,  nnd  die  beweist,  dasz  Tellheim  bis  zur  Ver- 
schwendung mihi  g^en  alle  nnglücklichen  nnd  nnr  gegen  sich  selbst 
gransam  ist. 

.Panl  Werner  nnd  Jost  vertreten  die  grosze  tagend  des  Soldaten, 
die  anfopferongsfilhige  trene  gegen  den  vorgesetzten,  die  im  kriege 
so  viele  schöne  thaten  hervorbringt,  besonders  wenn  der  vorgesetzte, 
.vrie  Tellheim,  im  kriege  soldatische  togenden  mit  menschlichen 
tagenden  paart. 

Im  gegensatse  zu  diesen  edlen  Charakteren,  die  das  geld  nicht 
aehten,  wo  es  zn  helfen  oder  treae  zn  beweisen  gilt,  steht  non  der 
vrirt,  dem  der  gewinn  das  höchste  ist,  nnd  der  um  des  gdides  willen 
alle  tagenden  verkagnet*  doch  ist  er,  wie  Mephistopheles,  *ein  teil 
Y<m  jener  kraft,  die  stets  das  böse  will  und  stets  das  gate  schafft*, 
alle  seine  schleohten  eigenschaften,  soine  nengietde,  seine  geschwStzig- 


I 


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1 


606    Die  poliUscbe  bedeatung  TOn  Lesaingt  'Minna  Ton  Bunhelm'. 

keit,  i^t'ine  brutalitüt  gegen  die  vermeintlicb  unbemittelten,  sowie 
seine  katzenbuckelei,  wo  er  eine  volle  cassette  wittert,  dies  alles  dient 
dazu,  die  Verwickelungen  in  komischer  weise  erst  herbeizuführen  und 
dann  iiufzulöben.  üo  dient  seine  brutalitlit  gegen  Tellbeim  dazu,  dasz 
Minna  schon  gleich  bei  ihrer  «nkunft  in  Berlin  TeUheims  aofentUt 
erfährt. 

Sie  hat  gehört,  dasz  ein  abgedankter  officier  um  ihretwillen 
auä  dem  von  ihm  bisher  bewohnten  zimmer  vertrieben  worden  ist, 
dessen  anwesenheit  in  demselben  hause  mit  ihr  aie  Aim  dazabenotm 
will,  etwas  von  ihrem  Tellbeim  zu  erfahren. 

Auf  die  ungezwungenste  weise,  durch  die  geschwätzigkeit  des 
wirths,  der  ihr  den  von  Teilheim  an  ihn  versetzten  ring  zeigt,  läszt 
der  dichter  sie  seinen  aufenthalt  und  zugleich  seine  bedrängnis  er- 
fahren, wenn  sie  nun  letztere  gering  anschlägt  und  durch  ihre  an- 
wesenheit und  die  fortdauer  ihrer  liebe  für  mehr  als  aufgewogen  an- 
sieht, so  soll  sie  bald  anderes  sinnes  werden,  denn  Tellbeim  ist,  trotz 
di?r  durch  das  wiedersehen  seiner  braut  neu  entflammten  liebe  zu 
iLr,  entschlossen,  als  mann  von  ehre  für  sie  beide  zu  denken  und 
dem  Hebesgltick  zu  entsagen ,  um  ein  von  leidenschaft  verblendetes 
nttdohen  nicht  in  seinen  ruin  mit  hinabzuziehen,  denn  dasz  auch  er 
in  einem  gewissen  grade  von  leidenschaft  geblendet  ist,  und  um  der 
einen,  der  liebe,  sich  zu  entreiszen,  der  andern,  der  ehre,  sich  um  so 
sicherer  überläszt,  erwägt  er  natürlich  nicht,  auch  sind  alle  vor- 
stellmigeii  seiner  Minna,  die  trotz  ihrer  leidenschaft,  wie  ihr  dichter, 
doch  immer  ruhig  und  klar  denkt,  nicht  im  stände,  ihn  von  der  an- 
sieht abzubringen :  der  unglückliche  müsse  sein  Schicksal  allein  tra- 
gen. 80  stürzt  denn  Minna  von  dem  gipfel  ihres  glücks;  der  durch 
den  streit  von  pflichtgefühl  und  ehre  gegen  die  liebe  herbeigeführte 
conflict  ist  im  Schlüsse  des  zweiten  actes  bis  zum  äuszersten  gekom- 
men; die  liebe  musz  bei  einem  manne  wie  Teilheim  entsagen,  wenn 
nicht  der  ehre  genüge  geschieht,  schon  damit  weist  der  dichter  auf 
die  schlieszliche  lOsung  des  knotens  hin ;  denn  TeUheims  ehre  ist  nor 
angetastet,  nur  in  zweifei  gezogen,  nicht  aber  vernichtet,  der  aus- 
spruch  des  obersten  richters  ist  noch  nicht  erfolgt,  und  Minna  mtlste 
nicht  das  kind  ihres  dichters  sein,  wenn  sie  nicht  bald  den  Ariadne- 
faden finden  sollte,  der  ihnen  beiden  aus  diesem  labyrinthe  heraus- 
hilft, mit  der  übeRengnng  von  TeUheims  unveränderter  liebe  kehrt 
ihre  angeborene  heiterkeit  des  geistes  und  des  gemütes,  das  weih- 
hebe  vertrauen  anf  die  herschaft,  die  der  zauber  ihrer  gegenwart  auf 
das  gemüt  TeUheims  notwendig  ausüben  wird,  aUmählich  zurück, 
sie  will  zonttehst  versacben,  was  dieser  vermag,  sie  l&szt  also  den 
migor,  der  sie  mit  einem,  seine  läge  und  seine  grundsätze  ausführlich 
dantellenden  briefe  abfinden  will,  so  wohlfoüen  kaafes  nicht  davon 
kommen;  er  mnsz  versprechen,  ihr  mündlich  seine  gründe  noch  ein- 
mal anseinander  zn  setien.  während  so  auf  der  einen  seite  die  liebe 
daran  arbeitet,  ihn  einem  elend  zu  entreiszen,  in  welches  ein  für  ge- 
wohnliche  Verhältnisse  sn  sartes,  aber  fOr  seinen  stand  dorchans 


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Die  politische  bedentoag  von  Lesungs  *Muma  Ton  Bamheha'  607 


berechtigtes  ehrgefühl  ihn  zu  stürsen  diobi»  hat  auch  schon  sein 
scbicksal  eine  günstigere  Wendung  genommen^  Ton  der  Minna  durch 
den  lieutenant  Biccaut  die  erste  andeutung,  im  vierten  acte,  erhftlt. 
um  so  unbesorgter  dOrfen  wir  dem  ludtspiele,  welches  Minna  im 
lastspiele  aofsaftthren  denkt,  znsehen.  sie  will  versuchen  ihn  durch 
den  reiz  ihrer  gegenwart,  ihrer  nnterrednng  und  Überredung  zu 
bestricken ,  ihm  die  läge  der  dinge ,  die  er  bisher  sehr  einseitig  mit 
soldatischem  sinne  aufgefasst  hat,  auch  einmal  von  der  kehrseite  zu 
seigen^  ihm  begreiflich  zu  machen,  dasz  sein  ehrgeftthl,  obgleich  es 
ihm  ein  schweres  opfer  aaü^i,  doch  eigentlich  nur  Selbstsucht  ist, 
4im  er,  indem  er  seine  eigene  ehre  rettet;  die  ihrige  vernichtet,  aber 
sie  hat  auf  einen  zu  leichten  sieg  gerechnet,  die  üebenswürdigkeit 
der  Sttohsin  scheitert  für  diesmal  an  dem  Starrsinn  des  Freuszen. 
sie  musz  also  zu  dem  letzten  mittel  greifen ,  das  aber,  wie  sie  bei 
Tellheims  denkungsart  wol  weisz,  unf^bar  ist:  sie  musz  eben  dieses 
ehrgefühl,  das  bis  jetst  ihrer  liebe  im  wege  gestanden  bat,  aof  die 
Seite  ihrer  liebe  bringen,  sie  braucht  sich  blosz  noch  hülfloser,  noch 
entehrter  darzustellen,  als  Teilheim  sich  selbst  dünkt,  und  der  brave 
migor,  der  es  für  ehrenpflicht  hielt,  dem reiehen,  geehrten  und  glück- 
lichen frftQlein  von  Barnhelm  ihr  ehrenwort  zurückzugeben,  wird 
sich  dem  armen,  dem  enterbten  und  durch  die  leidenschaft  für  einen 
feind  ihres  Vaterlandes  bei  ihren  landsleuten  entehrten,  nnglttok- 
lichen  fräolein  von  Bamhelm  gegenüber  sofort  an  das  seinige 
gebonden  erachten  und  gegen  eine  weit  in  wafien  seine  Minna  als 
die  seinige  reclamieren. 

Dia  hühere  pflicht,  die  ehre  seiner  braut  wieder  herzustellen, 
ihr  zu  beweisen,  dass  sie  nichts  verloren  hat,  weil  sie  ihren  Tellheim 
noch  hat,  wird  ihn  gegen  die  zweifei,  in  die  seine  eigene  ehre  ge- 
zogen ist,  gleichgültig  machen,  sie  hat  sich  nicht  verrechnet,  wenn 
«r  früher  entschlossen  war  nicht  ans  Berlin  tn  gehen,  bis  der  über 
seine  ehre  entscheidende  sprnch  von  seinem  numarchen  gefHUt  ist, 
und  sollte  er  darüber  im  elende  umkommen,  ist  er  jetzt  bereit,  mit 
Minna  je  eher  je  lieber  auf  und  davon  zu  gehen,  unbekümmert  darum, 
wie  nachteilig  man  ihm  einen  solchen  schritt  auslegen  wird,  jetzt 
ist  es  an  Minna,  die  spröde  zu  qpielen,  und  indem  sie  des  majore  ent- 
aagnng  nachäfiPt,  ihm  zn  zeigen,  wie  unglücklich  oft  die  besten  men- 
Sldien  ihre  mitmenschen  machen,  wenn  sie  grundsätze,  die  an  sich 
ehrenwert  sind,  auf  die  spitze  treiben,  ihre  weibliche  eitelkeit  kann 
sich  dieses  spiel  nicht  versagen  und  musz,  wie  rechtens  ist,  dafür 
büszen.  auch  sie  will  nun  einmal ,  um  ihrem  künftigen  herm  ehe- 
gemahl  zu  zeigen,  dasz  sie  als  Soldatenfrau  wenigstens  so  viel  von 
der  kri^gsknnst  versteht,  dasz  sie  gelernt  hat,  den  üsind  mit  seinen 
eigenen  minen  in  die  luft  zu  sprengen,  die  angenommene  hartnftokig- 
keit  auf  die  spitze  treiben. 

Auch  als  des  m^jors  Schicksal  durch  ein  allerhöchstes  band- 
schreiben  auf  die  günstigste  weise  für  ihn  entwirrt  und  seinet  ehre 
volle  genüge  geschehen  ist,  und  nun  erst  recht,  weigert  sie  sich,  sie» 


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608    Die  politische  bedeutong  von  Lettiags  *  Minna  von  Bamham'. 

ein  verlaufenes  fräulein,  sich  einem  reichen  und  geehrten  manne  zu 
vermählen,  wenn  nun  der  major  sein  früheres  unrecht  nicht  ein- 
sieht! —  Aber  durch  eine  geschickt  von  dem  dichter  angelegte  Ver- 
kettung von  kleinen  umständen  kommt  der  major  auf  den  gedanken, 
Minna  sei  blosz  nach  Berlin  gekommen,  um  mit  ihm  zu  brechen,  und 
—  doch  da  kommt  Minnas  oheim,  nicht  wie  ein  deus  ex  machina, 
bondern  schon  längst  angekündigt  und  erwartet,  der  da^  spiel  Minnas 
notwendig  endigen  und  die  Wahrheit  an  den  tag  bringen  musz.  schon 
die  ankündigung  seines  eintrefFens  durch  die  bedienten  lenkt  das 
spiel  wieder  zu  Minnas  gnnsten;  er,  der  grausame  oheim.  der  an- 
geblich Minna  enterbt  hat,  soll  der  erste  feind  sein,  dem  Teilheim 
beweisen  will,  dasz,  wer  unter  dem  schütze  der  preuszischen  bewaff- 
neten macht  steht,  vor  allen  chikanen  sicher  ist.  aber  Minna  hat 
ßich  den  anblick  seines  ganzen  schönen  herzens  verschafl't;  sie  darf 
ihr  spiel  nicht  bereuen,  und  es  war  nicht  mehr  als  billigkeit  des 
flchicksals,  dasz  dieses  spiel  dem  major  einen  trüben  augenblick 
machte,  da  sein  übertriebener  ernst  ihr  tausend  gemacht  hatte,  sie 
und  Franziska  dürfen  mit  der  festen  Überzeugung  in  die  zukunft 
blicken,  dasz  i^ie  die  glücklichsten  gattinnen  sein  werden,  denn  sie 
haben  sich  der  p  rf  uszischen  ehrenhaftigkeit  anvertraut  und  an- 
getraut, die  wohl,  was  ihr  das  liebste  auf  erden  ist,  durch  starres 
festhalten  an  dem  puncto  der  ehre  und  dem  einmal  für  recht  er- 
kannten, wodurch  Preuszens  herscherhaus  Deutschlands  machtvolle 
Weltstellung  geschaffen  hat,  einmal  bitter  kränken  und  verletzen 
kann,  aber  in  deren  armen  auch  die  ehre,  das  wohl  und  die  macht 
Deutschlands  so  sicher  ruht»  wie  die  sächsische  braut  an  dem  herzen 
des  preuszischen  soldaten. 

Hundert  jähre  waren  verflossen,  seit  Lessing  die  letzte  band 
an  dieses  unsterbliche  werk  gelegt  hatte ,  als  auf  dem  schlachtfelde 
von  Königgrätz ,  wo  auch  die  unterliegende  sächsische  tüchtigkeit 
8ich  blutige  lorbeern  ptiückte,  aber  Deutschlands  genius  den  kränz 
des  Sieges  um  die  stirn  des  würdigen  enkels  des  groszen  Friedrich 
wand,  die  eifersucht  zwischen  Preuszenund  Sachsen,  zwischen  welche 
der  beiden  ländern  angehörige  grosze  deutsche  dichter  einst  als 
tampfwärtel  mit  seiner  *Minna  von  Barnhelm'  den  friedensstab  zu 
werfen  versucht  hatte,  noch  einmal  blutig  zum  austrag  kam.  es  war 
der  letzte  aufflackernde  groll  Tellheims,  dasz  seine  feierlich  vor  gott 
und  menschen  ihm  anverlobte  sächsische  braut  mit  ihm  zu  brechen 
gesonnen  sei,  ihm  den  ring  der  treue  wieder  zurückgebe,  seit  dieser 
zeit  haben  Sachsen  und  Preuszen  für  immer  versöhnt  ihre  bände 
in  einander  gelegt,  und  schon  folgt  ihrem  bunde  ein  geschlecht  un- 
sterblicher namen:  die  siegeaschlachten  von  St.  Privat,  Beanmont 
und  Sedan. 

KOB£ET  BoXBEBaEB. 

•   :  


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F.  Weaener:  lateinisches  elementarbucb.      *  609 


66. 

PR.  P.  WB8ENBB,  LATEINI80BX8  BLSIUBBITARBIJCH.    BRSTBB  TEIL 

(8BXTA).  Leipzig,  B.  O.  Teobner.  187S. 

Trotz  des  heutzutage  stark  geschwollenen  Stromes  der  elemen* 
tarbücherlitteratur  auf  dem  gebiete  des  lateinischen  elementarunter- 
richtes  bietet  sich  hier  immer  noch  ein  feld  dankbaren  Schaffens ; 
ist  ja  doch  noch  manches  zu  thun  übrig,  was  rührige  köpfe  und 
bände  erfordert,  eines  der  neuesten  producte  auf  diesem  gebiete 
ist  dr.  P.  Weseners  lateinisches  elementarbuch,  dessen  erster  teil 
(für  sexta)  in  diesem  jähre  (1878)  bei  Teubner  erschienen  ist.  es 
ISszt  sich  nicht  verkennen,  dasz  das  Übungsbuch  vielen  anderen  ge- 
genüber wesentliche  vorteile  besitzt,  es  zerfällt  in  4  abteilungen : 
A.  Vorbemerkungen.  B.  lateinische  und  'deutsche  beispiele  zur  ein- 
übung  der  formenkbre«  C.  Tocabularium.  D.  yenEeiobiUB  von  eigen- 
xuunen. 

Die  Vorbemerkungen  enthalten  das  prttsens  der  e-conjugation 
nebst  den  zweiten  personen  des  imperativus,  einige  formen  von  esse, 
mehrere  verba  der  e-oonjngation,  ein%e  pwiakeln  und  die  präposi- 
tion  in.  statt  der  a  coigagatioa  ist  ganz  zweckmäszig  aus  dem  vom 
Verfasser  selbst  in  der  vorrede  angebenen  gründe  die  e-conjugation 
gewählt,  *weil  hier  nicht  wie  dort  in  der  In  person  sing,  eine  con- 
tracUon  des  stammvocals  mit  der  endung  stattfindet,  sondern  der 
stamm  in  allen  formen  dem  schüler  deutlich  bemerkbar  ist'. 

Die  hauptstärke  des  buches  liegt  ohne  zweifei  in  der  einrieb- 
tang  des  Tooabnlariiima.  bekanntlidi  ist  die  gründliche  einprä- 
gung  des  Yocabulpmasis  eine  sehr  grosze  cmx  im  lateinischen  eldr 
mentarunterrichte.  mit  weitverbreiteten  Übungsbüchern,  z.b.  denen 
von  OstermanB  Ufid  SpiaeSi  ist  dies  nicht  recht  m()glich  oder  wenig- 
stens mit  sehr  grosieu  Schwierigkeiten  verbunden,  zwar  hat  Oster- 
mann auf  das  erlenm  der  Tocabelii  m  liaaptaugenmerk  gerichtet; 
in  der  Tomde  zur  ersten  anflage  seines  Übungsbuches  sagt  er,  dasz 
er  sich  von  der  zweckmäszigkeit  einer  methodischen  erlemung  d^ 
vocabeln  überzeugt  habe,  das  für  sexta  aasgearbeitete  vocabularium 
schliesze  sich  aufs  engste  an  das  Ubungsbnäi  aa,  indem  die  in  den 
entsprechenden  abschnitten  des  vocabulariums  aufgeführten  yoca- 
beln  in  den  entsprechenden  abschnitten  des  Übungsbuches  zur  An- 
wendung gebracht  seien,  aber  der  anscblusz  seines  vocabulariums 
an  das  Übungsbuch  ist  noch  nicht  eng  genug;  das  gleiche  Ittszt  sich 
von  dem  weitverbreiteten  Übungsbuche  von  Spiess  sagen,  es  ist 
z.  b.  unmöglich,  in  Ostennnuis  vocabularium  die  ca.  140  Wörter 
der  ersten  deolination  zuvor  auswendig  lernen  zu  lassen  und  dann 
mit  übersetzen  zu  beginnen,  weil  ganz  einfach  die  zeit  fehlt,  man 
musz  also  das  memorieren  der  vocabeln  und  die  leotüre  neben  ein- 
ander hergehen  lassen,  da  nun  die  anordnung  des  vocabelstoffes 
innerhalb  der  einzelnen  abschnitte  eine  rein  Kuszerlich  alphabetische 
ist,  wird  die  sofortige  anwendung  und  einübung  der  gelernten  vo- 


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610      *       P.  Wetener:  lalftiuitchiM  elementarbach. 

cabeln  mittelät  der  übongsbeispiele  auf  ein  minimum  beschränkt, 
dazn  kommt  oft  noch,  dasz  der  schUler,  da  doch  nur  ein  teil  der  sätze 
in  Ostermann  bewältigt  werden  kann,  eine  anzahl  vocabeln  nur 
durch  auswendiglemen  in  der  zusammenhanglosen  alphabetischen 
reihe  sich  aneignen  musz.  und  doch  werden  gerade  erst  durch  die 
«infügung  des  wortes  in  das  kleid  eines  satzes  dem  gedächtnisse 
die  statzpnnote  zn  einem  gründlicheren  festhalten  gegeben,  wie 
neuerdings  Perthes  durch  zurückgehen  auf  psychologische  gesetze 
schlagend  gezeigt  und  referent  stets  in  der  praxis  bestätigt  gefun- 
den hat.  um  besagte  misstftüde  zu  yermeiden  und  eine  wirklich 
gründliche  erlemnng  der  vocabeln  zu  ermöglichen ,  ist  es  durchaus 
nötig,  das  vocabelpensum  so  eng  wie  möglich  an  die  lectüre  anzu- 
schlieszen,  was  z.  b.  dadurch  geschieht,  dasz  man  die  betreffenden 
vocabeln  nicht  nur  auf  die  einzelnen  grammatischen  abschnitte  ver- 
teilt, sondern  auch  innerhalb  derselben  auf  die  einzelnen  numerierten 
stücke,  diesen  groszen,  durchaus  nicht  vbl  unterschätzenden  vortiil 
bietet  Weseners  Übungsbuch. 

Die  abteilung  B  (ttbungsbeispiele)  zeichnet  sich  ebenfalls  in 
«inigen  puncten  vor  manchen  anderen  Übungsbüchern  vorteilhaft 
aus.  vor  allem  liefert  sie  ein&che  handliche  sätzchen ,  die  nicht  so 
schwer  sind,  wie  i.  b.  in  Ostermanns  fibnngsbuohe,  dessen  oft  ziem- 
lich lange  sAtze  einen  sextaner  eher  abschrecken  als  anziehen,  so 
hat  referent  von  Sätzen  nachstehenden  umfanges  bei  Wesener  nur 
wenige  entdeckt:  sttlck  65  B  (letzter  satz):  *wir  hätten  in  diesem 
treffen  den  sieg  davon  getragen  nnd  den  feind  in  die  flucht  geschla- 
gen, wenn  nicht  die  bogenschützen  unsem  anführer  getödtet  hätten\ 
jedenfalls  wird  es  dum  lehrer  leicht  möglich  sein,  sämtliche  sätze 
zu  bewältigen  und  durch  dieselben  jede  einzelne  vocabel  wirklich  in 
auooum  et  sanguinem  übennführen.  femer  gefällt  es  dem  wL  sehr, 
dasz  die  geschieht«,  namentlich  die  alte,  nicht  so  sehr  ansge- 
bentet  ist,  wie  in  manchen  anderen  übungabttchem,  deren«verf asser 
möglichste  falle  hiatoriachen  InhaltB  als  einen  yonog  mneehtm  (cf. 
Oatermann  in  seiner  vorrede  zur  ersten  aufläge:  ^die  beispide, 
welche  meist  concreten  inhalts  sind  und  so  viel  als  möglich  der  ge- 
schieh te  entlehnt  wurden  ato*')«  bei  der  leicht  eintretenden  Sterilität 
auf  diesem  felde  iat  schon  eine  mäszige  ansahl  derartiger  beispiele 
nicht  zu  verm^den  und  kann  in  den  kauf  genommen  werden ;  aber 
das  bestreben ;  schon  in  sexta  möglichst  viel  rlawrisfihft  ffiakmng-  in 
den  ttbungabeispielen  au  bieten,  hat  für  den  ref.  immer  euMn  nnan« 
genehmen  beigesdunadc  von  der  schon  von  Herder  angelllhrten  me* 
thode,  eichwälder  in  10  jähren  zu  machen,  um  in  dieser  beziehung 
das  verhältnisz  zwischen  Wesener  und  Ostermann  klar  zu  stellen, 
filhre  ich  folgend«  zahlen  an:  Weseners  Übungsbuch  enthält  von 
ca.  2419  Sätzen  nur  ca.  220  sich  irgondwio  auf  die  alte  geschichte 
beziehende,  während  sich  bei  Ostermann  unter  2429  sätzen  ( —  4 
conj.  incl.)  ca.  771  sätze  besagter  art  finden,  also  Ober  3  mal  so 
viele  ala  bei  Wesener. 


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P.  Weseners  ialeiiuMlifls  elementarbuch.  611 

Neben  diesen  Vorzügen  hat  indessen  ref.  auch  einige  anssfol- 
lungen  sn  machen,  die  der  Verfasser  vielleicht  bei  einer  neaen  anf* 
läge  in  erwägung  zu  ziehen  nidit  yenefamfthen  wird« 

Die  einrichtong  dee  übersetzongsstoffes  ist  zu  sehr  systema- 
iiaoh  und  nicht  geni^  methodisch,  die  absehnitie  desselben  folgen 
im  System  der  grammatik  auf  einander,  was  f&r  ein  tthnngabneli, 
das  in  seita  gebraucht  werden  soll,  gewis  nioht  praktisoh  ist.  die 
eiasigea  ausnahmen  sind:  die  stellnng  der  i-ooigogalioii  vor  die 
oonsonantische  und  die  möglichkeit  der  einttbung  der  a-ooi^ngation 
vor  den  praenominibus  (in  folge  der  teilung  der  'ttbnngssttlelra  über 
die  1  conjugatioh  in  je  2  teile  A  nnd  B,  von  denen  die  mit  A  be- 
zeiehneten  schon  vor  den  pronominibus  dorohgenommen  werden 
können'),  es  folgen  demnach  die  5  decHnationen  mit  den  entspre- 
cheaden  adjectiven  unmittelbar  hinter  einander«  es  ist  aber  duroh- 
anszweekinSazig,  die  o-dedUnation  von  der  ooneonantischen  durch 
«inen  grQsieren  abschnitt  in  tramen,  um  die  songt  notwendig  ein- 
tretende confusion  der  oasnsendungen  su  verhüten,  ee  wire  passend, 
an  dieser  stelle  das  httlfisverb  esse  und  auch  wol  die  erste  ocnyugation 
eingesdioben,  wie  es  z.  b.  im  lateinischen  lesebnche  für  die  sezta  von 
Pertibee  gesdiehen  ist,  dessen  methodische  aaecdnnng  in  der  folge 
der  grammatischen  abechnitte  in  einigen  puncten  jedenlallB  eine 
vorzügliche  ist  die  übungsbeispiele  ttber  die  pronomina  als  den 
Bohwierigeten  teil  dee  sexta^pensums  bitte  tef .  lieber  mehr  am  ende 
des  pMienma  gesehen,  vielleicht  swischen  der  i-  und  consonanti- 
sehen  coi^agation. 

Ea  macht  ferner  das  ttbungsbneh  auf  den  ref.  den  eindmck 
ebies  grammatiBeh  überbürdeten,  swar  hat  der  verf.  nur  die  depo- 
nestta  der  ersten  nadi  sezta  gdegt;  er  hätte  aber  lieber  alle  4  dto- 
ponens-coiyugatioQen  bringen  und  nicht  sonst  dem  armen  sextaner 
za  mannig&äe  kost  bieten  sollen«  hat  der  sextaner  einmal  den 
begriff  dee  deponeni  erflssst,  so  ist  die  hanptschwierigheit  llberwun- 
dsn,  er  hat  ja  sonst  nichts  gremmatisch«neues  hinzuzulemen,  die 
flbxigen  3  deponens-coigugatioBen  bieten  ihm  ja  immer  dieselbe  er- 
seheimmg  und  helfen  dadurch  sie  wesentlich  befestigen,  jedenfalls 
aber  nicht  die  deponentia  zeneisten,  dann  lieber  gans  fort  damit 
nach  qninta!  lu  viel  mannigfaltigkeit  und  dadurch  leicht  verwir- 
rendes hat  der  verf.  durch  anfiiidune  des  nachstehenden  in  das 
sezta-pensum  gebracht:  der  ausnahmen  der  hanptgeschleditaregeln 
(die  feminina  auf  do,  go,  io  kann  man  aus  bekanntem  gründe  nach 
sezta  legen),  der  Unregelmässigkeiten  in  der  casusbüdung,  der  nn- 
regelmteigen  acUeetiva,  der  Umschreibung  der  comparationi  der 
distributiva,  der  pronomina  indefinite;  auch  die  prttpoaitionen  und 
adverbien  werden  besser  vom  sezta-pensumauegesohloasen«  eakann. 
übeihaupt  der  erste  Unterricht  in  der  lateinischen  spräche  nidit 
einfach  genug  sein;  nur  ja  nicht  die  sezta  überbürdet  es  fehlt 
sonst  Ittcht  en  seit  für  die  so  notwendigen  geistigen  mhepunete, 
denn  auch  in  diesem  sinne  bestätigen  sidi  Heäers  werte  (aus  emer 


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612  Zur  pKOgnunmfrage. 

umiK  tohiilredeii):  'wir  haben  einen 
seit'. 

Hier  und  da  eingestreute  kleine,  inhaltlich  sosanunenlifingende 
fibongstttkcke,  die  sehr  zur  förder ung  des  interesses  der  schüler  bei- 
tragen, Termiazt  ref.  ungern,  ein  nomerieren  der  einzelnen  aike 
wurde  die  praktische  brauchbarkeit  des  bucbes  erhöht  haben. 

Im  übrigen  glaubt  ref.  ^  daez  nach  abstellung  dieser  klcini 
mingel  recht  tttchtiges  mit  dem  bnehe  geleistet  werden  kann. 

WnsnMBo&Q.  Hbd». 


67. 

ZUB  PBOORAJfMFBAGE. 


Der  kurze  aufsatz  'wünsche  eines  bibliothekars'  im  7n  hefU  < 
des  Jahrgangs  1878  dieser  Zeitschrift  veranlaszt  mich  zu  einigen  be- 
merkungen,  zu  welchen  ich  mich  um  so  mehr  berechtigt  halte,  als 
ich  seit  1862  ununterbrochen  mit  der  Verwaltung  der  bibliotbek  ; 
unserer  anstaltr  betraut  bin  und  während  dieser  seit  dar  programiih 
Sammlung  grosze  Sorgfalt  zugewandt  habe. 

Jeder  bibiiothekar  wird  gewis  dem  verf.  jenes  aufsatzes  daf&r 
dankbar  sein,  dasz  er  durch  seine  bemerkungen  den  anstosz  zur  be- 
seitigungTon  ftbelständen  gibt,  deren  erwähnung  dem  laienalspedan- 
terie  erscheinen  mag,  die  aber  der  betheiligte  sehr  schmerzlich  em- 
pfindet, dessen  arbeit  durch  die  Vermehrung  der  anstalten  fortwährend 
vergröszert  wird,  so  ist  es  sehr  zu  tadeln ,  dasz  es  noch  immer  tat 
stalten  gibt,  welche  sich  nicht  entschlieszen  könneii,  die  Vorschrift  ii 
betreff  des  formats  genau  zu  beobachten,  dagegen  gehe  ich  in  der 
berücksichtigung  der  beqeumlichkeit  des  bibliothekars  nicht  so  weit, 
zu  verlangen,  dasz  schnlnachrichten  und  abhandlung  nicht  mehr  { 
getrennt  ausgegeben  werden  dürfen,  und  zwar  aus  rücksichten  der 
Sparsamkeit,    von  den  osterprogrammen  1878  verlangt  Teubner  , 
660  stück  abhandlungen  und  nur  405  schnlnachrichten :  durch  tren-  < 
nung  der  beiden  teile  spart  die  anstalt  druck  und  papier  von  24öst&sk 
schnlnachrichten.  anderseits  wird  jede  grtaenB  anstalt  es  für  ver-  i 
schwendung  halten,  jedem  ihrer  schüler  ein  eaempkur  einer  für  ihn  ' 
ganz  unverständlichen  und  daher  ftberflflssigen  abhaadlnng  miini>  i 
geben ,  so  dasz  also  hier  die  trennong  die  erspaoua  einer  groszen 
anzahl  abhandlungen  zur  folge  hat.  endlich  werden  von  auswärts  in 
der  regel  nur  entweder  die  schnlnachrichten  oder  die  abhaadimig 
begehrt,  bei  den  groszen  Unkosten,  welche  der  druck  der  Programme 
den  anstalten  verursacht,  ist  es  gewiss  nur  billige  diese  rücksichten 
walten  zu  lassen,  zumal  da  sie  nur  geringen  einflusz  auf  die  arbeit 
des  bibliothekars  ausüben,  dagegen  stimme  ich  meinem  eoUegen 
durchaus  bei,  wenn  er  von  den  anstalten  verlangt,  daai  sie  in  der 
äuszem  ausstattong  der  programme,  namentlieh  in  dar  anordnong 


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Zar  programin&age.  613 

der  titel  die  Zusammengehörigkeit  der  beiden  teile  leicht  erkennbar 
machen  und  überhaupt  aUes  vermeiden,  was  die  thätigkeit  des 
bibliothekars  erschweren  kann,  in  dieser  beziehung  halte  ich  es  fürs 
zweckmäszigste  an  den  köpf  des  titelblattes  aller  schulnachrichten 
nicht  das  wort  programm  oder  dgl.,  sondern  den  namen  und  den 
ort  der  anstalt  zu  setzen,  die  abhandlung  musz  in  demselben  formate 
erscheinen  j  ihr  titel  soll  ebenfalls  namen  und  ort  der  anstalt  leicht 
erkennbar  enthalten,  doch  so,  dasz  der  unterschied  zwischen  abhand- 
lung und  schulnachrichten  in  die  äugen  springt,  wenn ,  wie  es  ja 
zuweilen  vorkommen  kann,  die  abhandlung  im  bunten  unbedruckten 
umschlage  ausgegeben  wird,  so  soll  der  Umschlag  an  der  gewohnten 
steDe  wenigstens  die  Teubnersche  nummer  tragen,  welche  über- 
haupt nie  auf  dem  titel  fehlen  darf  und  über  alle  Verlegenheiten  hin- 
weghilft, das  Teubnersche  Verzeichnis  dient  selbst  dazu,  um  abhand- 
longen  einreihen  zu  können ,  denen  alle  hinweise  fehlen ,  wovon  in 
dem  angezogenen  aufsatz  beispiele  mitgeteilt  werden,  ich  bin  über- 
zeugt, dasz  alle  angedeuteten  übelstände  längst  gehoben  wären, 
wenn  die  herausgäbe  der  programme  nicht  vom  director  allein, 
sondern  unter  Zuziehung  des  bibliothekars  besorgt  würde. 

In  betreff  der  praktischen  einrichtungen  beim  ordnen,  katalogi- 
sieren und  aufheben  der  programme  und  der  erleichterungen,  die  sich 
der  bibliothekar  verschaffen  kann,  erlaube  ich  mir  auf  meine  abhand- 
lung im  pädagogischen  archiv  1878  s.  188  zu  verweisen,  von 
welcher  ich  übrigens  noch  einige  exemplare  meinen  collegen  zur  Ver- 
fügung stelle,  um  die  ankommenden  programme  in  alphabetische 
Ordnung  (nach  dem  namen  der  städte)  zu  bringen,  kann  ich  folgendes 
verfahren  empfehlen,  durch  welches  es  möglich  wird,  das  ganze  ge- 
sebäft  in  etwa  l^'o  stunden  zu  ende  zu  bringen,  von  sechs  schtilem 
der  obem  classen  erhlilt  jeder  vier  buchstaben  in  alphabetischer 
reihenfolge  nebst  den  betreffenden  platzen  auf  stühlen  oder  tischen 
zugewiesen,  dann  stelle  ich  mich  mit  einem  pack  programme  in  die 
mitte,  rufe  den  anfangsbuchstaben  des  namens  der  stadt  aus  und 
übergebe  dem  betreffenden  schüler  das  programm,  um  es  auf  den 
dafür  bestimmten  platz  zu  legen,  so  liegen  in  kurzer  zeit  alle  pro- 
gramme auf  einem  häufen ,  deren  städtenamen  denselben  anfangs- 
buchstaben bat.  darnach  wird  von  den  schülern  jeder  häufen  erst 
nach  dem  zweiten,  dann  nach  den  folgenden  buchstaben  des  namens 
geordnet,  bei  anstalten  derselben  stadt  entscheidet  die  Teubnersche 
nummer.  ist  bei  einer  abhandlung  der  name  der  stadt  nicht  sofort  zu 
erkennen,  so  wird  sie  einstweilen  bei  seite  gelegt,  um  später  mit 
hilfe  des  Teubncrschen  Verzeichnisses  eingereiht  zu  werden. 

Was  die  am  Schlüsse  des  angefahrten  aufsatzes  aufgestellten 
wünsche  betrifft ,  so  erkläre  ich  mich  mit  3  (mit  ausnähme  der  be- 
merkung  in  klammern),  4,  5  vollkommen  einverstanden,  ebenso  mit 
dem  zwreiten  teile  von  2.  die  übrigen  nummern  erscheinen  mir  un- 
wesentlich oder  unzweckmäszig. 

DÜSSELDOEF.  StAMMGB. 


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1 


I 


614  MaOft  ordmiliobe  hMqptvwiainfiilniig 

FONFTB  OBDEMTUGHB  HAUPTVEBSAMlILTJNa  DES  m 

EINS  VON  LEHRERN  HÖHERER  LEHRANSTALTEN  DEE 

PROVINZ  SCHLESIEN, 


EBtfWffMi  d«i  btahMmn  dmr  inoijllirif«a  limiiptTWiiiiiiin1«B|r  ^ 
^•M  versaminlvair  vagea  der  veränderten  Uge  der  ferien  bereits  am 
18  april  statt,  nachdem  der  Vorsitzende,  director  Müller  (Breslau), 
die  Versammlung  mit  einer  beirrüszung  der  anwesenden  eröffnet  batte^ 
Warden  die  üblichen  forwalituten  erledigt,  und  die  tagesordnimg,  wie 

Ib  der  TorvmMnailiiof  b«eproeWn  war,  •mg^nrnmema, 

1)  CMsenhericht.  eiuAluM  MISS  »ark.  a«fir*b«  18^  mmHu 
bestand  4G5.67  mark. 

2)  Die  nächste  hauptversammlung  findet  während  der  osterferieo 
1879  in  Breslau  statt,  gewühlt  wurden:  als  Vorsitzender:  Schmidt, 
Oberlehrer  ao  der  raalaehole  s.  h.  geiet  (Breslau),  itellTertreter:  director 
If  filier  (Bfatlan),  eaiaenfthfer:  Oberlehrer  Qanbl,  sehrifllihfer:  de 
Thal  heim  (EUiabet^gjoiii.  Breslan).  die  drei  beisltsef  werden  wied«> 
gewählt. 

3)  Mitteilung  über  das  resultat  der  umfragten  in  der  provinz  we^o 
Verlängerung  der  sommerferien.  der  vorstand  hatte  nemlich  an  sämmt- 
lieben  Mherealehramtallen  angefragt,  wie  Tie!  etiflimea  für  füwfwMeat- 
Hche  sommerferien  wären,  um  ev.  bei  dem  königl.  provinzial-sehol- 
collegiiim  zu  petitionieren,  eine  ähnliche  bcßtimmun^,  wie  sie  in  der 
provinz  Brandenburg-  gilt,  zu  erlassen,  da  aber  ein  groszer  teil  gar 
nicht  antwortete,  und  sich  nur  die  geringe  majorität  von  193  (incl.  10 
direetoren^  gegen  151  (iaeL  17  direfliaren)  fttr  oie  rerUngernng  ausge- 
■protthen  halte,  wnrde  die  beabeiehtigte  petitioa  imterlaasen. 

4)  Die  ascensionsfrage.  in  der  vorjährigen  yereammlnng  hatte  dr. 
Nenman  (Breslau)  folgende  thesen  aufgestellt: 

•  1)  Als  ascens ionsfähige  lehrer  höherer  unterrichtsanstalten 
diirfen  nur  solche  lebrer  definitiv  angestellt  werden,  welche  die 
oberlehrerpriiftog  bestandeD  haben. 

2)  Der  uotenchled  iwischen  'Oberlehrer*  nnd  'ordentEekcr 
lehrer'  fällt  weg. 

3)  Sämmtlichen  definitiv  angestellten  wissenschaftlichen  leh- 
rern  höherer  unterrichtsaiistaiten  ist  ein  ascensionsr e  cht  auf  ge- 
setalidiem  wege  lungestahaa. 

4)  Dieset  gründet  deh  anf  das  System  von  alterscnlagen,  die 
in  raten  von  300  mark  zu  dem  anfangsgehalt  von  1800  mark  in 
dreijährigen  fristen  hinaotreten,  bis  der  maximalgehalt  von  4600 
mark  erreicht  ist. 

5)  Die  serviszttlage  für  lehrer  höherer  unterrichtsanstalten 
ist  gleioh  der  der  jnrUten  — 

die  jedoch  wegen  vorgerückter  leit  nicht  mehr  zur  besprechong  ge- 
langten, da  hr.  dr.  Nenman  Qn  nicht  für  nötig  gehalten  hatte,  in 
der  heutigen  Versammlung  zu  erscheinen,  so  erklärte  der  jetzige  referent, 
hr.  dir.  Heine  (Breslau),  in  der  einleitung,  er  sei  eigentlich  nur  cor- 
referent  nnd  nicht  in  der  läge  mit  positiven  Vorschlägen  yorautreten. 
wie  eine  broachüre  Fischers  'über  die  ascensionayerhältniaae  Inder 
provinz  Prenszen'  nachweise,  träten  allerdings  grosze  Ungleichheiten 
zu  tage,  indem  es  lehrer  gebe,  die  schon  nach  dreijähriger  dienstzeit 
die  erste  oberlehrerstelle  bekleideten,  während  andere  nach  löjähriger 
dienstseit  erst  die  erate  ordentliche  lehrerstelle  inne  hätten,  auch  io 
der  conferenz,  welche  im  october  1878  im  ealtuiminisierinm  stattfuid, 
sei  die  sache  anr  spräche  gekommen,  aber  der  referent,  hr.  gek.  ratii 


u  kju,^  cd  by  Google 


des  Tereins  tob  lefarem  höherer  lehranitftlten  d«v  pnmai  Scbleeien.  61  & 

Schräder,  habe  auch  positive  vorschlage  nicht  machen  können,  be- 
sondere Schwierigkeiten  für  eine  gleichmässige  handhabung  dieser  frage 
biete  der  «mttead,  deas  riele  enitaiten  nieht  Tom  stMte  abhängig  seien. 
eingehend  muf  die  Nenmanschen  tbesen  weist  ref.  den  so  oft  herbei- 

gfezogenen  vergleich  mit  den  jaristen  zurück  und  charakterisiert  den 
unterschied  beider  coUegien.  ein  einschub  sei  bei  lehrercoUegien  unter 
umständen  nicht  zu  umgehen ,  mitunter  sogar  wünschenswert,  wenn 
B.  b.  an  einer  anstalt  lauter  lehrer  angesteUt  wXren,  die  anf  ein  und 
derselben  vniversität  ausgebildet  seien,  dann  iSge  die  gefahr  vor,  dasz 
die  ganze  anstalt  einseitig  würde,  und  ein  einschub  aus  einer  fremden 
provinz  würde  ein  befruchtendes  dement  sein  und  neues  leben  in  den 
ganzen  Organismus  bringen,  auch  sei  die  furcht  vor  einer  gewissen 
Stagnation  nicht  gans  abmweisen.  die  oberlehrerprlMüng  genüge  nieht, 
da  sie  sich  nicht  anf  alle  dinge  erstrecken  könne,  die  man  von  einem 
lehrer  fordern  müsse,  die  pädagogische  befähigung  trete  erst  später 
zu  tage,    nach  einigen  jähren  sei  das  zeugnis  oft  von  wenig  wert,  da 


könne,  misbrönehe,  die  Ja  aneh  bei  dem  einschob  Torkommen  könnten* 
könnten  beseitigt  werden,  wenn  der  einschub  nur  dann  stattfinden  dürfte, 
wenn  sich  in  einem  coUegium  keine  persönlichkeit  finde,  die  geeignet 
sei,  den  höliem  platz  auszufüllen,  die  mitunter  dadurch  entstehenden 
härten,  dasz  lehrer,  die  in  den  unteren  und  mittleren  classen  tüchtiges 
leisteten  und  treu  ilire  pfliebt  erffillten,  nieht  geeignet  wttren  in  den 
oberen  dessen  an  nnterriehten,  sollten  durch  luterssnlagen  gemildert 
werden. 

Oberlehrer  Schmidt  (Breslau)  stimmt  im  princip  für  die  Neuman- 
•ehen  tbesen,  aber  er  will  das  ascensionsrecht  nicht  bis  zum  maximal- 
gehalt  aofgedehnt  wissen;  die  über  ein  iMstimmtes  maximalgebalt  (ca. 
4000  markj  überschlesaenden  summen  sollten  zu  persönlichen  Zulagen 
verwendet  werden,  wenn,  wie  es  ja  an  anstalten,  die  blosz  einen 
mathematiker  oder  historiker  usw.  vertragen,  vorkommen  könne,  ein 
einschab  nötig  würde. 

Oberlehrer  Ludwig  (Ifathias-gjm.  Breslau)  wendet  sich  besonders 
gegen  die  ausföhmng  des  ref. ,  dasz  eine  Versumpfung  im  lehrerstande 
eintreten  würde,  wenn  kein  einschub  möglich  wäre,  und  führt  als  bei- 
spiele  die  österreichischen  gjmnasien,  sowie  die  anstalten  in  Kem- 
icheidt  und  Elberfeld  ai^*,  an  denen  das  unbedingte  ascensionsrecht 
ohne  nachteil  fttr  die  geistige  thätigkeit  der  lehrer  durchgeföhrt  sei. 
er  Terlangt  fttr  die  lehrer  eine  ebenso  gesicherte  Stellung,  vde  sie  alle 
übrigen  beamtcn  hätten. 

Dir.  Heine  glaubt,  dasz  Schmidt  mit  ihm  einverstanden  sei.  würde 
^e  alternative  gestellt:  einschub  oder  nicht,  dann  müsse  man  sich  für 
einschub  erklftren;  das  entgegengesetste  sei  eine  socialdemokratische 
tendenz,  schädlich  im  princip;  der  bestehende  zustand  sei  nur  uner- 
^äglich  durch  den  misbrauch,  der  hin  und  wieder  getrieben  worden  sei. 

Oberlehrer  Warschauer  (Breslau)  meint,  es  sei  mitunter  ein  ein- 
schub nötig,  weil  bei  der  anstellung  fehler  gemacht  würden,  man  müsse 
sor  riohtiffen  seit  für  die  rechten  krttfte  sorgen,  wenn  aber  an  einer 
^talt  a.h.  bloss  ein  historiker  oder  ein  Chemiker  angestellt  sei,  dann 
Itpnue  es  vorkommen,  dasz  man  sich  nur  durch  einen  einschub  helfen 
könne,  auszerdem  müste  den  kräften,  die  die  volle  facultas  hätten, 
gelegenheit  gegeben  werden,  sich  in  allen  classen  zu  üben,  damit  sie 
«intretenden  fallo  in  die  lüeke  treten  könnten. 

Dir.  Heine  setzt  die  nachteile  auseinander,  die  ein  solcher  trechsel 
'ler  lehrer  für  die  Schüler  haben  könnte;  man  dttrfe  mit  oberen  olassen 
Qicht  80  experimentieren. 

Warschauer  entgegnet  darauf,  dasz  das  experiment  gewagt  wer- 
den müsse,  weil  man  nur  dadurch  gelegenheit  erhidte,  auf  tuditige 
Jüngere  kr&fte  aufmerksam  su  werden. 


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616 


Fflafle  ordentiiohe  bauptveiMmnihnig 


Rector  Mover  (Freibnrpl:  NeiimAOS  thesen  seien  zu  doctrinär; 
atelleusystem  und  ulterszu lagen  seieo  unvertr&glich  und  nur  dann  mog- 
Ueh,  wenn  «Ue  tobiilM  »t««f  ehoke  wirwi.  kl^oma  conmiiiitB  sonl 
könn«  man  dies  nicht  smnoten.  ob  t»  aber  ftr  4i«  labrer  wnnscheiH- 
wert  sei,  dasz  alle  Anstalten  staateanstalten  worden,  sei  fraglich;  er 
wolle  nur  an  die  ^verfletznngen  im  interesse  des  dienstes'  erinnern. 

Hichter  II  (Breslau)  will  die  debatte  wieder  auf  die  Neaman- 
•dMii  tiiaton  tnrfickfllvra;  Mwk  diM«  toUSMea  flea  rimekiib  nicht 
aas.  anbedingt  sei  der  einschob  SB  verwerfen  aii  befrochtnngsmittlif 
da  er  das  Btrebortnm  befördere,  nr.  2  der  thesen  sei  zn  streichen, 
auch  von  dem  in  these  4  anfgestellten  maximalgehalt  wolle  er  absehen, 
man  müsse  dem  Eufall  steuern,  der  ungerecht  wirke,  eine  alterssnlage 
••I  III  fewIhreD,  eüi  einMbvb  Bfobt  iBOMr  M  TonMidett. 

Oberlthrer  Lftmpe  (Ohlaa)  glanbt,  du«  M  f«l  wira,  wem  der 
Staat  die  commtinen  ,  bei  denen  nicht  immer  der  g«te  wiUe  TOfllUMdMi 
wäre,  zwingen  würfle,  alterszala^en  z\i  g:ewähren. 

Dir.  Heine:  die  commonen  hätten  ihre  krät'te  meist  anfs  äaismte 
•ageetrengt;  neue  laete«  kOanteii  fhneii  nor  dorek  ein  geeett  MfBr> 
legt  werden. 

Münschcr  (Jauer):  ascension  nur  innerhalb  der  anstalt  sei  un- 
gerecht, Hie  müsse  wenigsten»  auf  die  ganze  provins  ausgedehnt  werden. 
Kin  Schlussantrag  wird  angenommen. 

Yof  der  ftbttiiBinmig  erbittet  sieb  dir.  Gnttnann  (Brieg)  dns  wert 
tu  dem  antrage,  bei  den  behOrdea  am  yerwandlung  der  hilfslehrerstellea 

in  ordentliche  zu  petitionieren,  der  jetzige  zustand  sei  den  lehrern 
seibat  und  wegen  des  häutigen  wechseis  besonders  der  anstalt  sehr 
nachteilig,  zwar  könne  einmal  eine  solche  stelle  bei  abnähme  der  £re« 
quent  fiMrüttteig  weidea,  aber  daaa  k9naa  laaa  darek  Tersetsang  dem 
lebrer  in  kilfe  komaeo.  * 

These  1  wird  angeaommea. 

Tkete  2  abgelehnt  (trotsdem  voriges  jähr  dnrck  annabme  der 
Onbraaertchen  thesen  fast  das  gegeateil  beseblossea  wurde). 

These  3  in  folgender  fassung  angenommen: 
sämmtliche   fest  angestellten  wissenschaftlichen   lehrer  höherer 
unterrichtsanstalten  ist  ein  recht  auf  alterszulagen  gesetslich 
snsngestekea. 

These  4  lautet  aagenonuaan: 
die  altemulagen  werden  gewikrt,  bis  ein  maxiaialgekalt  tod 

4000  mark  eriäeht  ist. 

These  6  wird  aDgeaommen. 

Der  antrag  Gnttnianns  wird  angenommen  mit  dem  amendement: 
soweit  es  die  örtlichen  veriiältnisse  gestatten. 

Nach  einer  pause  folgt  öj  der  vertrag  des  oberl.  Fedde  (Bresian) 

über  das  pentathlon. 

Der  vortragende  wies  nach,  dasz  die  alten  uns  zwar  die  ö  kämpfe 
überliefert  haben,  aas  welchen  das  pentatblea  sieb  aasammeaset^ 

nicht  aber  ihre  reihenfolge  and  die  bedingungen,  unter  welchen  der 
sieg  zuerkannt  wurde;  aach  Boeckh,  G.  Hermann,  Philipp  haben  die 
Schwierigkeiten  nicht  gelöst,  er  entwickelte  dann  unter  benutzung  der 
Pinderschen  monographie  and  anwendung  turnerischer  erf abrangen,  dasz 
anerst  gesprangen  wurde,  and  swar  warde  eine  aeek  uabekaaate 
ndnimalleistung  gefordert;  dann  mit  Speeren  in  die  weite  gewor- 
fen wurde,  dasz  dann  die  vier  besten  Speerwerfer  um  die  wette 
liefen,  die  drei  besten  länfer  den  discns  schleuderten  und  end- 
lich die  beiden  tüchtigsten  discuswerfer  am  den  sieg  rangen,  die 
riebtigkeit  wurde  aa  dem  kistoriscken  Itnfkampf  des  Hieroajmns 
nad  Tlsamenes,  sowie  an  dem  mytklsekea  der  Argeaantea  geprüft 


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des  yarauiB  toh  lehzem  höherer  lehra&Btalten  der  pxOTiiu  Schienen.  617 


6)  Antrag  ^68  oberl.  Schmidt:  hinter  dem  ersten  satz  des  §2  der 
Statuten  einsuschieben:  lehrern  der  uachbarprovinzen  ist  der  beitritt  ge« 
stattet. 

HefTorgenilen  wurde  der  oatrag  diireh  den  wnnseh  der  eoUeoen 
'  ans  Bawicz,  sich  nach  anflörang  des  Posener  prorinzialvereins  an  den 
schlesischen  verein  anschlieszen  an  dürfen,  wurde  mit  mehr  als  der 
nötigen  Vs  majorität  angenommen. 

7)  Antrag  Schmidt:  der  y erstand  wird  ermächtigt,  im  namen  dee 
▼ereiBB  bei  dem  nüniiterimn  sn  petitfonieren:  es  möge  verbieten,  dasa 
•efafiler  höherer  nnterrichtsanstalten  za  der  commiBaieBiprüfting  für  den 
einjährig-freiwilligen  dienst  zugelassen  werden. 

Schmidt  begründet  seinen  antrag  damit,  dasz  es  eine  grosse  nn> 
gerechtigkeit  sei,  wenn  es  vorkommen  könne,  dasz  tertianer  einer 
anetalt  dies  examen  bestehen,  während  nntersecnndaner  im  ersten 
Semester  durchfallen,  reep.  noch  ein  semeiler  anf  der  anetalt  bleiben 
mfisten. 

Trotzdem  man  von  anderer  seite  einwendete,  dasz  man  sich  über 
eine  solche  entlastung  nur  freuen  könne,  wurde  der  antrae,  da  jenes 
▼erfahren  eine  unbill^keit  involyiefe  und  den  ruf  der  schule  schädige» 
mit  grosser  majorität  angenommen. 

8)  Badt  (Breslan)  beantragt  mit  rücksicht  anf  die  von  der  hiesig^en 
Stadtverordneten  -  Versammlung  beschlossene  schulgelderhöhung  zu  er- 
klären: die  erhöhang  des  Schulgeldes  an  höheren  schulen  ist  im  inter« 
•eee  derselben  nicht  su  empfehlen,  der  antrag  wird  mit  grosser  mi^o* 
rität  angenommen. 

9)  Dir.  Heine  macht  die  mitteilung,  dasz  die  lebensversichenin^en 
den  lehrem,  ebenso  wie  anderen  beamtenkategorien,  4%  rabatt  bewilli- 
gen wollen,  wenn  sie  sich  die  prämie  vom  gehalt  abziehen  lassen.  — 
I>er  yorstand  wird  «imä^tigt,  die  einleitenden  eehritte  su  tbun. 

Die  Versammlung,  die  durch  die  anwesenheit  der  beiden  provinzial- 
Rchulräthe  berren  geh.  rath  Dillenburger  und  reg^rath  Sommerbrodt 
geehrt  wurde,  war  von  75  mit^Iiedern  besucht. 

Am  tage  vorher  fand  die  alljährliche  generalversammlung  der  ^lehrer- 
watsen-nntersttttsungscasse'  der  provins  Sehlesien  statt  aus  dem  Jahres- 
bericht heben  wir  folgendes  hervor: 

Am  1  april  1877  betrug  die  zahl  der  mitglieder  583;  von  diesen 
starben  5;  3  hinterlieszen  10  unter8tütznng>sberechtigte  kinder;  aus- 
schieden 10,  neu  traten  ein  24;  gegenwärtig  also  292  mitglieder. 

Yertieherte  kinder  am  1  april  1877:  878.  im  ersten  lebensjahre 
Starbeii  4;  schieden  aus  ans  Jahrgang  1857:  5,  in  folge  des  todes  des 
Täters  10;  neu  traten  hinzu  35.  jetzt  versicherte  kinder  364,  und  zwars 
geboren  1867—62:  25,  1863—67:  61,  1868—72:  123,  1872—77:  155. 

133  mitglieder  haben  kein  kind  versichert;  1  iiiud  haben  versichert 
80  mitglieder,  8  kinder  46  mitglieder,  3  kinder  41  mitffUeder,  4  kinder 
10  mitglieder,  5  kinder  12  mitglieder,  8  kinder  1  mit^ied. 

Die  einnähme  betrug  a)  beiträge  3610  mark,  b)  gescbenke  3  mark, 
c)  Zinsen  295.40  mark. 

Ausgaben:  Unterstützungen  900  mark,  porti  usw.  druckkosten  39.30 
mark.  ; 

Ueberschusz  2869.10  mark,  dazu  der  reservefonds  8310.82  mark, 
beetand  jetzt  11179.92  mark  und  ein  S'/tVo  Pfandbrief  über  600  mark. 

Ausgeschieden  sind  seit  gründung  der  casse  1875:  7  bei  ihrer  pen- 
sionierang,  4  bei  ihrem  übertritt  in  andere  lehrerstellungen,  6  gestorben 
(2  ohne  kinder,  4  mit  hinterlassung  von  18  unterstfitsungsbedttrftigen 
hindern).  • 

Kinder  schieden  aus:  8  gestorben,  8  im  21n  lebensjahre,  6  bei  dem 
austritt  des  vaters,  13  bei  dem  tode  des  vaters. 

Der  vorstand  blieb  derselbe. 

Anf  grund  der  gemachten  erfahmngen  sah  sieh  der  yorstand  ge- 
N.  Jahrb.  f.  phiL  «.  p&d.  U.  abt  1878.  hft.  12.  41 

».  k)u,^  jd  by  Google 


618 


Bttudrtiifiiiiff. 


nStifft,  eini^  statutenftndeningen  voriujchlagen,  di«  aach  sagenomaea 
Warden,   die  weientliehetea  Isaien: 

*Wer  sieht  bei  eeiner  deflniliTeB  aaetelhiiif  initfBed  der  eane  g^  i 
worden  ist,  hnt,  wenn  er  tplter  kinder  Tersichem  will,  ein  ärstlichea  ge- 
BundheiUetteet  beisnbring^en  nnd  die  mitgliedsbei träge  von  dem  kalender- 
jähre  geiner  fetten  MUteUnng  mI|  doeh  aieht  über  1876  hinaoa,  nad^- 
sosAhlen.* 

Vm  Jahr»  ISff  wm  toll  Mm  wwnkknmag  voa  kteteB  aiflit » 
IlMif  mIb  ,  wenii  der  Ttlcr  «nt  aneh  Tolleadinf  de»  6ta  lebeovabmi 
der  eatie  beHrtle«  wIlL 

BmiSLA.ü.  Gustav  Ubalab. 


In  dr>m  berichte  über  die  pädegog^sche  section  der  Geraer  philo- 
logen-versammliing  (jahrbücher  für  pftdagogik  1878  heft  11)  ist  nach- 
stehendes SU  berichtigen;  im  übrigen  wird  auf  den  wortlaat  der  dcar 
allohet  ereeheiaeadem  Terbaadhuigea  der  Geraer  pkUologea-veniw 
lang  verwiesen:  0 

8.  661  z.  10  ist  einsnschieben :  'zu  1  betonte  er  nach  verschiedenen 
Seiten  den  wert  der  composition  and  die  notwendigkeit  der  gramnatik 
für  die  lectüre.   aa  2'  (machte  er  folgende  ansfühniagen  usw.). 

e.  661  St— St  iet  aa  ▼«bewefat  'Uhr  demuarbeitea  wird  der 
text  erst  dentsch  dictiert  and  niedergeschrieben  ...  in  prima  wird  i 
der  deutsche  text  während  des  dictierens  sofort  griechisch,  aber 
erst  in  das  anreine  niedergeschrieben  .  .  .  der  schäler  gewinnt  einer- 
seits schlAgfertigkeit,  behält  aber  dann  seit  snm  revidieren  and 
aachdeakea.*  (HB.  die  weile  'aotierl*  aad  'repetierea'  atd  | 
falsch  gehört  and  geben  keiasa  eian.) 

s.  662  z.  10  ist  zn  verbessern:  'denn  sie  stöbern  sonst  leicht  aei&- 
gierig  schon  in  den  fehlem  der  nächsten  sätxe  hemm.' 

s.  662  s.  31  ist  la  verbessern:  'ein  geeignetes  sasammenhängea- 
4es  graiamatiiehee  pearaas*  (■tatt  'aeaeatee*).  I 
s.  662  E.  36  ist  la  Terbessem:  'die  abitaiietttenarbeiftea  Udm 
meist  befriedigend,  zum  teil  gat  aas.' 

s.  663  z.  33  ist  zu  verbessern:  'es  bandelt  sich  in  secunda  haupt-' 
sächlich  am  die  einübung  der  casus  -  und  demnächst  der  modaslebre;' 
4aia  reicht  das  baeh  tob  Graber,  la  prima  das  tsii  SsTffert  mxu:  \ 


99. 

BERICHTIGUNG. 


WiTTSTOOK. 


^  cd  by  Google  i 


Philologische  programme  deutscher  höherer  lehranstalten.  619 


(16.) 

PfilLOLOOISCHE  PBOGBAMME  D£UTSCH£E  HOHBREB 

LBHBANSTALTEN. 

(fortseUuBg.) 


Halle  a.  d.  8.  vereinigte  Halle-Wittenberger  Friedrichs-universität. 
der  index  lectionum  für  das  Wintersemester  1875/1876  enthält  die  von 
Heinrich  Keil  als  rector  der  Universität  gehaltene  kÖnigsgebartstags- 
nde  de  Chrittophori  Cell«rii  «it»  et  stndiis.  8      nMh  einer 
dnleitoBg  Uber  die  gute  gewohnheit,  an  den  Universitäten  patriotisehe 
festtage  des  Vaterlandes  auch  zu  feiern,  kommt  K.  auf  den  gegenwärtigen 
feiertag  zur  ehre  des  erhabenen  kaisers  von  Deutschland,  des  förderers 
von  kunst  und  Wissenschaft  innerhalb  und  ausserhalb  der  grenzen  seines 
feiehs,  und  drlltkt  im  namen  der  oniTenitttt  die  fibliehen  wfinieht  für 
heil  und  woUergehen  des  kaisers  und  königs,  des  engern  nnd  weitem 
Vaterlandes  aus  nebst  dem  gott  für  seinen  bisherigen  reichen  segen  ge- 
bührenden dank,    darnach  findet  er  einen  Übergang  zu  seinem  gegen« 
Stande,  der  darstellnng  des  lehens  und  der  Studien  des  ersten  professors 
elomentiae  der  naiTenitEt  HaUe,  des  Chiistoph  CSellarins,  der  also  des 
jetsigen  ständigen  festrednen  H.  Keil  voigSager  auch  in  dieser  riehtmig 
ist.  er  schildert  zuerst  in  groszen  zügen  das  leben  des  Cell,  vor  seinem 
anfenthalt  in  Halle.    Cell,  ist  geboren  1638  in  Schmalkalden,  als  söhn 
eines  Superintendenten,  seine  Jugend  hei  also  in  die  letzten  Seiten  des 
dreiszigj ährigen  kriegs.  er  widmete  sieh  sehon  von  früh  an  den  wissen- 
schaftlichen Studien  und  Ewar  allseitigen  Stadien,  studierte  in  Jena  und 
GiesBen  sieben  jahrf  classische  und  semitische  philologie,  dann  auch 
mathematik  und  philosopbie,   endlich  theologie.    lectUre  lateinischer 
aatoren  und  ausbildung  des  lat.  stils  war  sein  hauptstreben,  dann  trat 
er  ins  lefaraut,  begann  in  W^Miifoli,  leitete  darauf  naeh  einander  die 
Gymnasien  cn  Weimar,  Zeiti,  Ifersebarg.  von  hier  ward  Cell,  nach 
Halle  berufen  an  die  dort  neu  gegründete  Universität,  nachdem  er  26 
jähre  der  schule  als  lehrer  und  leiter  gedient,   er  nahm  den  ruf  an  und 
widmete  alle  seine  kräfte  und  reichen  kenntnisse  der  Universität,  die 
in  den  ersten  jähren  mit  sekwerea  bedriagnissen  sn  kämpfen  hatte, 
zunächst  hatte  Cell,  seine  reiehen  geeehäfte  bei  der  einrichtung,  dann 
bei  der  einweibung,  die  in  gegenwart  Friedrichs  III  am  1  juni  1694 
vollzogen  ward,   hier  hatte  er  im  namen  des  akadem.  Senats  den  dank 
für  die  gründang  der  Universität  dem  fürsteu  darzubringen.  K.  charakte- 
risiert dio  damalt  gelialtene  rede  Bibar  und  knfipft  daran  eine  knrse 
besprechnng  der  rede,  die  Cell,  bei  der  gratulationsfeier  zur  erbebung 
Brandenburgs  SlUn  konigreich  Preuszen  hielt,    beide  reden  enthalten 
gedanken,  die  man  auch  heute  noch  mit  gleichem  rechte  über  Preuszen 
zu  dessen  lobe  aussprechen  könnte  vgl.  bei  Keil  p.  Y,  wo  dies  auch  ge- 
sagt worden«  weiter  beinrtoht  nnn  K«  dae  doppelt«  amt»  das  Cell,  an  Ter- 
walten  hatte  als  prof.  etoqaentiae  und  historiarum,  nnd  seine  thätigkeit 
in  diesem  zweifachen  amte.   die  professur  der  eloquenz  bezog  sich  auf 
die  römische  litteratur  und  altertümer  und  auf  die  rhetorik,  und  es 
gehörte  da^u  auch  die  lesung  römischer  autoren;  die  andre  professur 
enlreekte  sieb  auf  die  ganze  Weltgeschichte,    andi  ein  ooUeginm 
poUtiomm  Uteramm  oder  elegantioris  literaturae  hielt  Cell,  ab,  in  wel- 
chem zukünftige  lehrer  und  directoren  in  der  ihnen  so  nötigen  metbode 
unterwiesen  wurden,  es  entsprach  dieses  collegiura  also  etwa  unsern 
heutigen  Seminaren,  doch  hatte  Cell.,  freilich  nicht  durch  seine  schuld, 
keinen  besondem  erfolg  bei  diesen  Übungen,  aneh  seine  eollegien  waren 
schleeht  besucht,   der  schleehte  ooUegienbesach  in  den  pbilol.  Vor- 
lesungen seheint  eise  bereehtigte  eifentOmliehkeit  von  Halle,  die  sieh 


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620    Fhilologiache  programme  deuticlier  höiierer  lehcanstalten. 

diese  Universität  seit  ihrer  gründang  m  bewahren  gewoazt.  a&  die 
Mdribigt  TolIen  moditorien  in  Berlin  (bei  Haupt,  Bo^kh,  IflOleiihoff, 
Mommseo,  Kirchboff  und  andern)  und  in  Gottingen  (bei  Saoppe,  Wachs- 
routh,  Müller)  gewöhnt,  erstaunten  wir  jüngst  bei  einem  besuche  in 
Halle  mitten  im  somester  die  vortreflTliche  Vorlesung  von  Dittenbereer 
über  Demostheneä  kranzrede  von  16—20,  die  Vorlesung  von  Keil  über 
die  IUm  Ton  etwa  80  ttadenteB  bemielit  sn  mhnu  wosa  aber  beeodiM 
denn  die  herrea  etodierenden  die  udversitll,  wenn  sie  die  ihnen  gs> 
botenen  vorlcsung^en  nicht  benutzen  wollen?  auszer  seinen  vorlesnogen 
lagen  auf  Cell,  eine  fülle  von  anderen  gescbäften,  obenan  die  der 
akademischen  beredsamkeit,  and  diese  waren  gar  sehr  bedeutend,  dsza 
kam  aneii  die  abfaaiung  der  «niTenititsprograHnie  und  die  aerge  für 
die  oniTenitätsbibliothek,  von  ihm  rühren  anch  die  nniversitätsgesetze 
her.  zum  schlusz  bespricht  K.  des  Cell,  litterariscbe  thätigkeitf  die  sich 
auf  sehr  disparate  gegenstände  der  Wissenschaft  erstreckte,  wir  unter- 
lassen es  aus  maneel  an  räum  hierüber  ins  einselne  au  gehen,  gestorben 
Ist  Oeil.  1707.  eadlieh  fiuat  aoeii  Kell  fai  einem  eeiilnsmnieile  die  gs- 
■ammte  hohe  bedentang  dee  geschilderten  gelehrten  zusammen  und 
kehrt  wieder  zum  anfange  zurück,  die  guten  wünsche  für  könig  nnd 
Vaterland  erneuernd  und  zur  treue  und  liebe  gegen  den  kaiser  und 
könig  ermahnend,  eine  beurteilung  der  vortrefflichen  rede  KeUs,  die 
vna  das  bild  eines  boebverdlenten  maanes  lebendig  rorsei^et  vatä 
ihm  damit  ein  wolverdientes  denkmal  unter  uns  setzt ,  haben  wir  voa 
der  kundigen  meisterhand  K.  Rursians  in  dessen  jahresbericbt  U  1,  41. 

Halls  A.  D.  S.  lateinische  haaptschule.  15  classen.  25  lehrer. -— Ab- 
handlung des  Oberlehrer  Frahnert:  sam  sprach gebranch  des Propertios. 
86  s.  mit  dem  motte:  aalnraa  seqnitnr  senuna  quisqne  avae  ans  Propert. 
lY  8,  SO  (nach  Hanpt  IV  8,  80)  befinat  die  abkaadinng.   sie  erioneit 
an  die  seit  einer  reihe  von  jähren  begonnenen  zusapimenstellangen  über 
den  Sprachgebrauch  einiger  lateinischen  autoren  als  vorarbeiten  für  eine 
wfinsiüienswerte  gesammtsyntaz  und  will  auch  ein  beitrag  sor  fordenutg 
der  absinkt  sein,  indem  sie  den  sprachgebranek  des  Prep,  in  anwenliBf 
des  sapinum,  genandium,  gemndimm  nnd  partieipiam  ÜMtsustellen 
Sachen  will,  nun  gibt  vf.  methode  und  ziel  seiner  arbeit  an,  nicht  ohne 
die  notwendige  begründung  gerade  der  von  ihm  gewählten  weise  der 
anführangen.   er  will  nicht  nur  das  bei  Prop.  vom  gewöhnlichen  eluai-  i 
sehen  gebnmebe  abweiehende  aufführen,  sondern  noch,  was  der  diehter 
mit  der  spraebe  der  classiker  im  gebrauche  d«r  verseiehaeiea  fonsss 
gemein  hat.   zu  bemerken  ist,  dasz  er  die  belegsteilen  nach  der  von 
der  Lachmann-Hauptschen  in  der  Zählung  der  elegien  im  dritten  nod 
vierten  buche  abweichenden  ausgäbe  von  Lncian  Müller  (Leipzig  1870)  > 
anführt,  mit  s.  2  beginnt  die  aafsfthlong  der  einseinen  stellen,  sMit 
deijenigen  fürs  supinnm,  deren  nnr  swei  sind,  dann  deren  IBn  gsnin- 
diom,  das  sich  bei  Prop.  15  male  finden  soll.   Fr.  stellt  die  veiha  so-  , 
sammen,  von  denen  Pr.  das  gerundinm  braucht,  dann  die  formen,  in  wel- 
chen er  es  anwendet,  sowie  die  Verbindungen,  in  welchen  es  erscheint 
daranf  geht  er  zum  gerandivum  über,  das  er  in  57  stellen  bei  Pr.  gs*  i 
fanden  nnd  findet,  dasa  wie  beim  sup.  und  beim  gemndlnm,  im  all-  | 
gemeinen  die  verwendang  dieser  form  bei  Pr,  mit  der  sonst  gewöhn-  | 
lieben  übereinstimmt,  auch  hier  steht  die  person,  die  etwas  thun  soll, 
mit  einer  einzigen  ausnähme,  im  dativ,  auch  hier  hat  die  negierte  form 
nur  die  bedeutung  des  'darf*,   wieder  werden  die  rerba  verseiehsst,  | 
Ton  denen  cemndiTformen  voricommen,  es  folgen  dann  die  belegsteUm- 
mit  8.  4  begumt  Fr.  von  den  partlelpien  an  bandeln,  ihre  sahl  ist  legioo. 
er  citiert  zuerst  die  sämmtlichen  part.  praes.  activi  bei  Prop.  mit  ihres 
belegstellen  s.  6 — 11,  woran  sich  anhangsweise  ein  Verzeichnis  dermis 
der  bedeutung  mit  den  substantivisch  gebrauchten  part.  praes. 
lUinlieken  snbst.  anf  tor»  triz  sehUesBen  s.  11^18.   dann  folffsa  dis 
Partie,  fat  aetivi  e.  t8^U  mit  einem  anbaufa  der  elaUen,  an  dsom 


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Philologiflcbe  programme  deutscher  höherer  lehraostalteu.  621 


tUth  Pirop.  der  sogen,  ooniagftt.  peripfar.  beSieat,  •.  1^15;  daran 
•Älieszen  sich  die  participia  perf.  paia.  s»  16—84,  woran  er  wieder  ein 

Terzeichnis  der  gabst,  häng^,  welche  man  als  ursprüngliche  neutra  von 
part.  perf.  pass.  ansehen  kann,  s.  34 — 36.  —  Offenbar  ist  es  eine  sehr 
fleiszige  arbeit,  die  in  diesem  programme  veröffentlicht  ist,  und  gewis 
hat  die  saaunlnng  der  elellen  dem  rt  vieie  seit  und  mfilie  gekostet» 
ist  die  SMBttlnng  vollständig,  woraufhin  sie  von  den  Propertiusforschern. 
und  den  grammatikem  der  lat.  spräche  zu  prüfen  ist,  so  können  aller- 
dings aus  ihr  unter  vergleichung  mit  Sammlungen  aus  anderen  Schrift- 
stellern resultate  sich  ergeben.  Fr.  hat  sich  begniia^t  nur  seine  samm- 
langen  ronrelegen,  ergebnisse  für  die  benrteilmig  der  Stellung  des  Pr. 
in  der  röm.  litteratur  hinsichtlich  der  Verwendung  gewisser  fonnen  der 
spräche  hat  er  nicht  mitgeteilt,  vielleicht  sucht  er  solche  zu  gewinnen 
and  legt  sie  in  einem  spätem  programme  der  gelehrten  weit  vor. 

Zesbst.  herzogl.  anhält  Frauzisceum.  13  classen.  20  lehrer.  <— 
Abhandlnng  des  gymnasiallehrer  dr.  Fr,  Warmbald:  beitrSge  aar 
EoripideisAen  ethik  I.  20  s.  eine  reeension  der  abbandlangen  ist  ans 
bisher  (26  august  1876)  nicht  bekannt  geworden.  W.  überschreibt  den 
ersten  abschnitt  *'die  familie'  und  behandelt  zunächst  den  seit  den 
Perserkriegen  in  Athen  auf  allen  gebieten  des  geistigen  lebens  all- 
mähliob  und  anfangs  nnmerUüeb  ^getretenen  in  seinen  folgen  fBr 
Athen  (und,  fügen  wb  hinza,  yeranlaszt  dnreh  nnsete  eben  im  gange 
be&ftdliche  beschäftigung  mit  der  gescbichte  des  Untergangs  der  griech. 
freiheit  durch  Philippos  von  Makedonien,  für  ganz  Hellas)  verhängnis- 
vollen d.  i.  den  ruin  herbeiführenden  Umschwung,  das  athenische  volk 
fordert  naek  den  Perserkriegen  die  politisobe  Stellung  die  es  glaubte 
▼erdient  an  baben,  und  snebt  sie  mit  gewalt  za  erringen,  belege  der 
Tolksstimmang  aus  Eur.  werden  angegeben,  den  kämpf  der  parteien 
in  Athen  schildert  W.  im  anschlusse  und  auf  grund  Earipideischer 
stellen,  den  kämpf  der  parteien,  wie  er  zu  des  grossen  Penkles  zeit 
statt  hatte.  Eur.  bekennt  deh  an  den  grundaitsen  der  atheniseben 
dsmokratie  (die  freilich  eine  bessere  war  als  die  dentsohe  von  1848). 
weiter  zeigt  vf.  den  Übergang  der  demokratie  zur  Ochlokratie,  der 
Schwester  der  sogen,  demokratie  von  1848.  Eur.  stellang  zu  dieser 
wirthschaft  wird  von  \V.  aus  einem  fragmente  gekennzeichnet,  weiter 
wird  gezeigt,  wie  auch  auf  socialem  und  religiösem  gebiete  die  beiden 
Parteien  im  kämpfe  ersebeinen,  und  ihr  kämpf  geseieiinett  alles  naeb 
Suripides.  die  göttersagen  und  das  durch  sie  den  gottem  angehängte 
unreine  ward  einer  kritik  unterzogen  von  selten  des  einsichtsvollen 
teils  des  publicums.  Eur.  ist  einer  der  Vertreter  and  der  haupts- 
precher  dieser  kritik  und  W.  zeigt  ihn  uns  üi  dieser  eigenschaft  and 
thitigkeit.  die  kritik,  von  eingeben  anfängen  ausgebend»  ward  immer 
kfibner,  sie  sobritt  bis  zum  sweifel,  ja  der  leugnung  der  exlstenz  der 
vom  Volke  geglaubten  g5tter;  dies  durch  Anaxagoras,  und  anaxagoreische 
lehren  trägt  Eur.  vielfach  vor.  weiter  spricht  W.  von  dem  schaden,  den 
auf  sittUcbem  gebiet  die  philosophie  anrichtete,  die  Wirksamkeit  der 
Sophisten  mit  ihren  alle  sitfeliebkeit  gelUirdenden  lehren  wird  ins  liebt 
gesteUt.  weiter  geht  W.  aar  darstellung  der  solcher  förderang  der 
sittlichen  Verderbnis  und  ihren  nur  zu  schnell  zu  tage  tretenden  folgen 
gegenüber  von  den  patrIoten  Athens  genommenen  Stellung,  verschiedene 
versuche,  dem  verderben  zu  wehren.  Euripides  und  Aristophanes  in 
thätigkeit  gegenfiber  dieser  veideibnis.  W.  hebt  hervor,  dass  audb 
jßur.  nicht  einzelne  tragödien,  sondern  zusammenhängende  tetralogien 
auf  die  bühne  gebracht  habe,  eine  ansieht,  die  doch  wol  manche  an- 
fechtung  finden  wird,  wenn  man  an  die  durch  Sophokles  eingeführte 

Swohnheit  des  öpA^a  irpöc  bp&^a  dtuiviZecOai  denkt.  W.  bekämpft 
B  einselaoffassung  des  Eur.  trag^dien  und  meint  aus  der  seiner 
meinung  nach  von  den  gelehrten  irrtttmli<dier  weise  beliebten  lösung 
der  tragüdlen  aus  ihrem  tetralogischen  ausanunenbaage  die  verschiedenen 


622    Philologische  programme  deutscher  höherer  lehranstalten. 


maA  tfaaiMUr  wMmpradMiidaB  «rtoO«  der  toiebw  Aber  Sur.  ei^lim 
m  können,  wir  furchten«  «r  befindet  sich  hier  auf  einem  irrwe^,  wir 
bezweifeln  tetralog^ische  composition  bei  £ar.  durchaus,  obschon  ja  un- 
lengbar  der  dichter  manche  Stoffe  und  fabeln  in  verschiedenen  dramen 
behandelt  und  swar  nach  yerschiedenen  einzelabteilungen.  alles  bis- 
beris^e  gilt  W.  ale  einleitang,  anf  e.  f  trwibnt  ^er  im  dem  Bor.  ge- 
mnelileB  ynnmthf  m  bnbe  dmh  TtrUndtgraf  einer  leicblfertigeB 
moral  Tiel  mit  sur  demoraUsntion  seiner  seitgenossen  beigetragen, 
diesen  Vorwurf  will  W.  auf  seine  bcrechtigung  untersuchen  durch  eine 
allgemeine  entwicklunpr  seiner  ansichten  Uber  Sittlichkeit  und  eine 
darl  eguug  seiner  ansichten  über  die  familie.  im  al^emeinea  teile 
tagt  er  snerel:  werin  beetehft  nnib  Bor.  dto  iftHieUkel«.  ein  bnnikt 
nnf  der  richtigen  erkennlnie  nnd  anffasenng  der  Stellung  des  meneebm 
SU  den  göttem,  den  nebenmenschen,  den  geschöpfen  niederer  gattun^. 
dies  sucht  W.  als  Eur.  ansieht  zu  erweisen,  zur  rechten  erkenntnis 
und  auffassung  bedarf  es  eines  klaren,  nüchternen,  von  leidenschattea 
nabeheiligten  yerstandea,  es  bedarf  der  cuxppoctjvri ,  wdelie  die  vw- 
biltaisee  rieblig  nnffninl  nnd  der  geweanenen  erkenntnie  gemKn  bw- 
delty  aerolich  fittpflirc»  die  reeble  mitte  wihlend.  den  göttem  gegea- 
fiber  wird  die  CUxppocOvfi,  (der  allgemeine  begriff  der  Sittlichkeit,  zum 
Bpcciellcn  der  €Öc^߀ia,  der  frömmigkeit.  beide  begriffe  erscheinen  neben 
einander  sich  ergänzend,  aber  auch  sjnoDjm  gebraucht.  W.  bespiidit 
die  doppelte  nrt  der  Ineieniag  der  cdc^ßeta,  wie  lie  aieb  aaeli 
dnrüeut.  die  belegsteilen  ane  den  iMgjMien  für  die  einaelnen  sa- 
schauungen  sind  zahlreich  gegeben,  weiter  werden  die  beziehungen 
snm  nächsten  und  die  sich  daraus  er^j^ebenden  pflichten  nach  Eur.  er- 
örtert, der  mensch  musz  sich  stets  gegenwärtig  halten,  daaz  er  ein 
mensch  ist.  das  dv6puiitoc  div  toOt'  {c6t  Kol  ^^vr|C*  d€i  klingt  in  nllsn 
feuerten  nue  £nr,  diehtnngen  wieder«  nneb  eoleben  terbemerknufm 
kemmt  dann  W.  inr  dnreldinng  der  äuszerungen  der  ciU(ppoaVvi)  im  j 
yerhältnisse  zu  den  nebenmenschen,  im  bürg'erlichen  leben,  hier  zeigt 
sieh  die  ctü(ppocuvTi  nach  Eur.  als  cocpia,  dv6pia  oder  6uav6p(a,  öiKaiocuvT] 
nnd  €U>9pocüvi)  im  besondern  als  einzeltugend  d.  i.  als  mäazigkeit  im 
gennme.  dieee  vier  tugenden  werden  nnn  Ten  W.  eingebend  neA* 
gewiesen  als  nneb  £nr.  die  rechte  Sittlichkeit  des  menschen  im  bärger- 
liehen  verkehre  sur  erscheinung  bringend,  dabei  nnterläszt  vf.  nicht,  i 
die  einzelnen  tugenden  ihrem  begriiTe  nach  genauer  zu  bestimmen  und  \ 
nach  ihren  verschiedenen  äuszerungen  zu  charakterisieren,  alles  natüi- 
liob,  wie  es  das  thema  mit  sich  bringt,  in  reicher  belegong  durch  stellen 
an»  Eniv  beionderf  die  tagmente  eind  etnrk  anegebentet,  was  ja  nicht 
verwundern  kann,  da  die  sahlreieben  citate  ane  Enr.  doch  wol  nm 

S rösten  teil  wegen  ihres  ethischen  gehaltes  gemacht  sind  und  gerade 
ie  Sentenzen,  an  denen  Eur.  dramen  bekanntlich  so  reich  sind,  heraas- 
cenommen  haben,  über  die  besprechnng  der  vier  erscheinungsformen 
der  cttfqjpociüvT)  im  bürgerlieben  leben  kommt  die  arbeit  Ton  w.  nicht 
kinaus.  dUselbe  beruht  anf  fleiszigen  Studien  dee  Eur. ,  verständiger 
einsieht  und  tüchtiger  philosophischer  TOfbildung.  wir  glauben  im  inter- 
esse  der  Wissenschaft  den  wonseh  anmepreehen,  daea  W.  die  fort*  1 
eetcong  bald  folgen  lasse.  I 

(fortsetzung  folgt.) 

Babtkmsteih.  H«  K.  BmOESH« 

I 
I 


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IHHALTSVERZEICHNIS 


JUexi:  das  höhere  unterrichtsweBen  in  PjreQBzen.  die  inneren  Wider- 
sprüche in  der  jetzigen  organiBotion  desselben  OBW.  Gütecsloh  1877. 
{Zoeller.)   s.  440. 

Altes  und  neues  in  der  sehnte.  I.  (Fahle.)   s.  1. 

Bender:  grundrisz  der  römischen  litteratargQsohiohte  für  gymnasien. 

Leipzig  1876.   (Benicken,)   s.  535. 
Betiolitigimg.   (Oro$9*r,)  a.  618. 
Bibli«Chak»slflche  wünsche.   {N,)  s.  848. 

Brehme:  grammatik  der  deutschen  spräche  für  obere  classen  dwiteehet 
schalen  in  Ruszland.    Petersburg  1875.    (ffölbe.)    s.  477. 

—  elementargrammatik  der  deutschen  spräche  für  untere  classen 
dttatoctber  flokttlea  in  Rnsiland.  P^tefsborg  1876.   (HÖlbe.)   s.  477. 

Deutsche  gesellchaft,  mitteilungen  derselben  zur  erforschung  vaterlän- 

disoher  spräche  und  altertUmer  in  Leipzig.  VI  band.  Leipzig  1877. 

{TrmOmamn,)  «.  474; 
Bnmika:  leitfaden  für  den  Unterricht  in  der  geogniphi«  ftn  bShaiMti  lehr- 

anstalten.    Bonn  1877.    (0.)    s.  307. 
üuncker:  ans  der  zeit  Friedrichs  des  Gr.  und  Friedjr.  Wilhelms  III  usw. 

Leipzig  1876.    {PrÖMe.)    s.  34. 

Müendt-Seyfferty  bemerkungen  zu  deren  lat^nischer  grammatik.  {Fene^ 

diger,)  s.  23.  88.  '  ^  , 

SrUtoing.    {Koyser.)   8.512.  " 

Erklllrang,  «ntwort  auf  die  TOiige.  (CFed^Ardi.)  s.  Mi. 

IWes:  Job.  Cbfistoph  Von' Held,  ein  lebensbild.  le  u.  26  abteiluug. 
1875  n.  "  1876.  {Eügmer,)  8.  87. 

desenius:  hebräisches  und  cbaldäisches  handwörterbuch.  8e  aufl.,  neu 
beaorbeitet  tob  imUm  nnd  Fblcft.  le  bilfte.  Leipzig  1877.  (SiMuk.y 
8.  33. 

Goldberg,  die  lateinische  schule  daselbst.    (Radtke.)    s.  98.  161. 
Goethe,  zu  zwei  stellen  aus  dessen  werken.    {Sekrwald.)    s.  352, 
Goethe,  zu  dessen  Götz  von  Berlichingen.   {Sprenger,)    s.  407. 
Qoetbe,  fen' dessen  diisbtting  nttd  wibrbelt  \zUgler,)  s.  549. 
Grammatische  flexionen  der  spraebe  nnd  legiseb-xationale  erkUbnuige* 

weise  derselben.   {Hermann,)   s.  519* 
Griechen,  deren  classische  bedeutung.    schulrede.    (Vogel.)    s.  409. 
Griechisches  verbum,  die  einübung  der  coiyugation  desselben.  (Voll' 

brecht.)    s.  569. 

ttabenicht  siehe  Seyfferi. 

äeraeysi  Homerisches  eiementarbuch  zur  einfUhrung  in  die  Homer- 
Teotttre.  Berlin  1876.  (Fbühreeht,)   s.  155. 

Herder  siehe  Suphan, 

Boche:  lateinisches  lesebnch.  le  abteilnng.  für  die  quarta  der  gym- 
nasien  und  die  mittleren  olassen  der  realeobalen.  Leipzig  1871. 
(Ludwig,)    s.  467. 

—  Wörterbuch  zur  ersten  abteilnng  des  lateinischen  lesebuchs  usw. 
(Ltidwig,)   8.  467. 

Boche:  dentsebes  lesebnob  siebe  SekmigtAiirg»  


624 


jntgent:  etjmotogitehet  lehnwörUrbaeh  der  deultelieii  ipraelie.  Bra«h 
Mhwelf  1877.  ( JAUbr.)  «.  408. 

KarUfohole,  die  ehemalige.   {BoUeher.)   s.  17. 

Kti^Mr:  dM  Q.  Hontiiu  Flaeeiis  öden  und  epoden,  tezt  und  übenetBin^ 

gen  mit  erlSaterangen.   Tfibingen  1877.    {Gebhardi.)   b.  385. 
^   Sophokles  Antigoiae,  im  d««tMh0  ubertngMi.  Tähingen  1878. 

{Gebhardi.)    s.  898. 
Kotier:  die  alten  lieder  des  Q.  HoratiiM  Flaeeu  im  nenen  ge wände. 

Wfinbarg  1877.  {QMmM.)  ■.  198. 
KUmcke:  aufgaben  tarn  übersetzen  aus  dem  deutschen  ins  lateuiisehe 

für  ohere  classen.    2e  aufl.    Berlin  1877.    [Gebhardt.)    s.  240. 
—    übuDgen  zum  übersetzen  ans  dem  deutschen  ins  lateinische  für 

nntersecnnda.  Berlin  1877.    {Gebhardi.)   s.  240. 
KlopeliMk,  n  d«MB  1ifi«hi«ihMl.  (£P#iilfiii.)  i.  48. 
Klopttoekiana.   (Bobidii.)  t.  448.  478. 

Krowiayer:  leitfaden  für  den  geschicbtsnnterricht  in  den  oberen  claasen 
der  gymnasien  und  realscholen.    teil  II  und  III.    (Berndt.)    s.  542. 

Kmiat  und  kunsihistorische  bilderbogen  (von  Seemann)  im  gjmn&aium. 
(Menge.)   »,  168. 

Kmnen:  die  deutschen  classiker  erlftntert  und  gewürdigt  usw.  Ir  bd. 
Schillers  Teil.   2r  bd.  SchiUera  Juffraa  woa  OrlMOe.  Kola  1877. 

1878.    (Ruland.)  s. 
Kühner  siehe  Scfwnbom, 

liateinisclier  elementarnnterricht,  methode  desselben  auf  dem  gymnaginm, 

(/n«.)    s.  217.  313. 
Lateinisehe  spreeb*  mid  loliiallillbaiigM  «iif  gnmdlage  dar  laetBre. 

(Schmalz.)   a.  688. 

Lfisings  Minna  von  BarabaUa,  politfieha  badaatang  daiaalbaa.  (^«a- 

berger.)    s.  600. 

Leuekart  und  I\iiizsche:  zoologische  Wandtafeln  zum  gebrauche  &n  uni- 
TaniaieB  nad  seholea.  Cassal  I8V7.  (Ate.)  b.  808. 

Mühlau  siehe  Getenius. 

Mager:  dr.  Georg  Caspar  Haager,  wail,  raetor  des  gyaiaasinms  bei 
8t.  Anaa  In  Augsbarg.  V8ialiagaa  1878.   (Peter.)  s.  96. 

Möller:  Übungsstücke  zum  übersetzen  aus  dem  deutschen  ins  latein.  für 
quarta  und  tertia  der  Gymnasien.  Berlin  1876.  (Voübrecht.)   s.  425. 

Mömnich:  aus  wähl  deutscher  aufsätze  und  reden  ff.  2e  aufl.  mit  einem 
aabaaga,  anfbaltand  ariftvtarnagsa  and  ergänzungen  an  dan  aiaaler- 
f tfiakao.  baailiaita«  van  Plamek.  Haidalbwf  1878.  {Krmk)  s.  808. 

JüKMiete  sieba  Lerndtmi, 

Noataa  lebalastiaaa.  (dia  bfldnag  des  jaagaa  pbüalogaa.)  a.  881. 

Orthographische  conferenz  in  Berlin,  kritische  bemerkungen  zu  deren 
leseblttssan.   (Didolff.)   s.  76.  187.  1T8.  858. 

Peraonalnotisen.   s.  118.  215.  310.  455. 
PImA  siebe  MömdelL 

Ad  popnlnm  Germanicum.   (Koldewey.)   s.  308. 
Programme.    (Benickeru)    s.  166  211.  310.  354.  450.  505.  619. 
Programme  mit  und  ohne  wissenschaftliche  abbandlung.  (Campe.)  8»  408. 
Programmfrage,  zu  derselben.   (Stammer.)   s.  612. 

Religionsunterricht,  zu  demselben  auf  der  stufe  des  obergymnasiaBa. 

über  religion,  Offenbarung,  heil,  schrift.    {Mezger.)    s.  65.  121. 
Religionsunterricht,  behandlung  desselben  in  den  obersten  gymnasial- 

alassan.   OUMer.)   s.  888. 
Rothert:  der  kleine  Lirins.  für  mittlere  gjmnaaialalassaQ.  eiales  bell. 

8e  aafl.  osw.  (i^idip^.)  s.  487. 


.     ^  cd  by  GüO^i 


Inhaltsverzeichniß. 


625 


Schauenburg  nnd  Hocke :  deutsches  lesebuch  für  die  oberclassen  höherer 

schulen.    2e  aufl.    Essen  1874.    {Victor.)    s.  2Qi. 
Schillers  Verhältnis  zum  classischen  altertam.    ein  Vortrag.  (ScMrlitz.) 

Schmarsau}:  Leibniz  und  Schottelius.    Straszburg  1877.    s.  hüL 
Schmelzer:  die  überbürdung  auf  den  höheren  lehranstalten.  Leipzig 
1878.    8.  434. 

Schmidt:  das  grosze  königl.  preuszische  wappen  ff.  mit  histor.  heraldi- 
schen erläuterungen.   Breslau  1877.    {Nasemann.)   s.  210. 

Schönborn:  lateinisches  lesebach  für  die  quinta  höherer  lehranstalten. 
lateinisch- deutsches  und  deutsch -lateinisches  lexikon.  lle  aufl. 
besorgt  von  Kühner.    Berlin  1877.    {Nieländer.)    s.  429. 

Schale,  altes  und  neues  aus  derselben.    {Fahle.)    8.  Ll 

Schule,  die  statistischen  anforderungen  an  dieselbe  usw.  (Eiselen.)  s.  457. 

Schulgeschichten,  speciale,  desiderien  deren  abfassnng  betr.  {Koldewey.) 
8.  52fi. 

Schulrede,   (die  Qriechen  —  das  classische  volk.)    {Vogel.)    s.  409. 
Schulrede,    (die  politische  bedeutung  von  Lessings  Minna  von  Bam- 

helm.)    (Boxberger.)    n.  600. 
Seemanns  kunsthistorische  bilderbogen  s.  kunst. 

Seyffert  und  Habenicht:  palaestra  musarum  etc.    teil  L    der  hexameter 

und  das  distichon.    Halle  1877.    {Straumer.)    s.  äL 
Shakespeare,  zu  dessen  Macbeth.    {Jäger.)    s.  ZSil» 
Statistik  in  der  schule  siehe  schule. 
Statistik  der  Schulbücher  siehe  schulgeschichten. 

Stier:  material  für  den  mittelhochdeutschen  Unterricht  auf  höheren  lehr- 
anstalten usw.    4e  aufl.    Leipzig  1877.    {Zurborg.)    s.  344. 

Suphan:  Herders  sämtliche  werke,  band  L  2^  Berlin  1877.  {Persch- 
mann.)    s.  297. 

VhUle:  der  Römerbrief  in  der  gymnasialprima.  Leipzig  1878.  {Pansch.) 

8.  aaa. 

MJrlichs:  briefe  an  Schiller.    Stuttgart  1877.   {Boxberger.)    s.  644. 

Varnhagen:  systematisches  Verzeichnis  der  auf  die  neueren  sprachen, 
sowie  die  Sprachwissenschaft  überhaupt  bezüglichen  programm- 
abhandlungen,  dissertationen  und  habilitationsschriften  usw.  Leip- 
zig 1877.    {Klustmann.)    s.  346. 

Versammlung,  zweiunddreiszigste,  deutscher  philologen  und  Schulmänner 
in  Wiesbaden  1877.    {Otto.)    s.  f£L  103. 

Versammlung,  dreiunddreiszigste,  deutscher  philologen  und  Schulmänner 
in  Gera  1878.    {Weise.)    s.  485.  549. 

Versammlung,  fünfte,  des  vereine  von  lehrern  höherer  schulen  in  der 
provinz  Schlesien.   (Dzialas.)  s. 

Volek  siehe  Gesenius. 

W^arschauer:  Übungsbuch  zum  übersetzen  aus  dem  deutschen  ins  latein. 
für  quarta  nsw.   Jena  1876.    {VoUbrecht.)    s.  aäL 

—  Übungsbuch  zum  übersetzen  aus  dem  deutschen  ins  latein.  für 
tertia  usw.    Jena  1876.    {Vollbrecht.)    s.  337. 

Weiler:  lateinisches  lesebuch  aus  Livius  für  die  qnarta  der  gjmnasien 
usw.    9e  aufl.    Hildburgbausen  1875.    {Ludwig.)    s.  467. 

—  Wörterbach  zu  dem  lesebuch  aus  Livius.  3e  aofl.  Hildburghaasen 
1872.    {Ludwig.)    s.  467. 

Wesener:  lateinisches  elementarbnch.  erster  teil  (sezta).  Leipzig  1878. 
{Heine.)    8.  609. 


NAMENSVERZEICHNIS 

DU  AH  MMBK  MäXDM  BBniUQm  MITAmBBmUU 


Bbhiouv,  dr.,  ord.  lehrer  am  gyiiuiMiiim  in  Bartenstein.    8.  166.  211. 

310.  354.  460.  506.  535.  619. 
Bbbhdt,  dr.  prof.,  stndiendirector  der  k ad ettenan stall  in  Dresden,  s.  543. 
BoxBBBGxm,  dr.|  oberlelurer,  s.  z.  in  Strehlen  bei  Dresden,  s.  644.  600. 

CAim,  dr.  prof.,  diMCtor  dM  gymnuimmB  ta  Ordfeiiberf.  t.  406. 

DiDOLPF,  dr.,  gymnaUmllehrtr,  s.  s.  Ia  Manaweiler  bei  Düren,  i.  76. 

137.  179.  266. 

Dbialab,  dr.,  oberlebier  am  St.  JohBnneigyinnBBinm  in  BreftUn.  8^614. 

Emslbb,  dr.,  direelttr  der  realichnU  eret«  Ordnung  in  Frmakftnl  aJL 
8.  457. 

Edssbbb,  dr.,  profesBor  am  fymnaaiam  in  Wfirabnrg.    s.  87. 

VämtM,  dr.«  professor  aai  ÜMieBgyBnasium  in  Potea.   s.  1. 
Fuss,  dr.,  obeildirer  am  gymnuiun  in  Barmtii«  t.  917.  818. 

Obbhaboi,  dr. ,  Oberlehrer  am  gymnasinm  in  Meseritz.   8.  199.  240. 
385.  398.  564. 

Q90§9mMf  dr.  prof.,  director  dea  gymnasioms  in  Witts tock.  s.  618. 

Hnn,  dr»,  ord.  Mwer  mb  gymnadnm  ia  WeivealNurf.  609. 
HuM,  dr.,  oberlahrer  aa  der  foHbildoofneliale  ia  Laipaig.  a.  80S* 
Haaiiaav,  dr.,  profeasor  aa  der  oaiTertft&t  Leipaig.  a.  518. 
HoLanur,  dr»,  profeaaor  am  gjmnaaimn  ia  Yerdea.  a.  48.  448.  479. 
HöLsa,  dr.,  in  FafanliBrg,  a.  477. 

Hteaona,  dr.,  pvDfleaaor  am  gywmaaiwnt  Ia  Herford,  a.  17. 

JXaxB,  dr.,  profeaaor  dea  Friedrieli-WiUielBiagTmaaainma  In  Cöln.  8.361. 

KaTSERi  dr.,  profe88or  am  gymaaalara  in  Tübingen,   s.  512. 
Klusbmamn,  dr. ,  ord.  lehrer  am  gymnasium  in  Gera.    s.  346. 
Koldbwby,  dr.,  Oberlehrer  am  gymnasium  in  Wolffenbüttel.  s.  308.  62fi. 
Kbaut,  professor  am  theol.-pbil.  seminar  in  Schönthal.   s.  206. 

Lunwxo,  dr.,  Oberlehrer  am  realgymaaelam  Ia  Elaeaaeli.  8.  467. 


.  K|  ^  cd  by  Google 


MameniTeweichniit  der  mitarbeiter* 


Ifaacn,  dr«,  ord.  lehrer  mm  gymnasinm  in  Eisenaoh.  s.  169. 
HiBOBB,  prof.,  ephoniB  dea  theoL-philol.  seminm  in  SchönfthaL 
s.  66.  181. 

MüLLBBy  dr.,  profeMor  mm  gymnaiitim  in  Göthen,  s.  408, 

Nasemann,  dr.  prof.,  director  des  stadtgymnasinms  in  Halle,    s.  210. 
NiBLiÜNDBAy  Oberlehrer  am  gymnuäium  in  Schneidemühl.   8.  429. 

Otto,  Oberlehrer  mm  gymnasiiim  in  Wieebsden.  e.  60.  108* 

Pansch,  dr. ,  ord.  lehrer  am  gymnasium  in  Rendsburg,    s.  333. 
Pebschmann,  dr.,  Oberlehrer  am  gymnasium  in  Nordhaasen.   s.  297* 
PsTBB,  dr.  prof.,  consistorialrath  in  Jena.    s.  96. 
Pböhle,  dr.,  Oberlehrer  an  der  Luisenitädt.  realechule  erster  Ordnung 
in  Berlin,  s.  84. 

Rabtbb,  dr.,  obeilabror  am  gymnarinia  in  Plan.  a.  98^  161. 
BiBDEB,  dr.,  Oberlehrer  am  gymnaeiimi  In  Qnmbinnen.  a,  880. 
BviiABP,  dr.,  krelaaelmUnapecloB  in  Kempen,  a.  808. 

SoaxBUTB,  dr««  Oberlehrer  am  gymnasium  in  Nordhaoaen.   s.  268. 
SoHMALs,  dr.,  Professor  am  gymnasium  in  Mannheim,  a.  588. 
Sbbbwald,  dr.,  in  Eisenaah.   a.  862. 
Spbbbobb,  dr.,  in  Göttingea.  a.  407. 

Stammeb,  dr. ,  Oberlehrer  an  der  realaehvle  erater  oidnnng  in  ]>aaael- 

dorf.   8.  612. 

Stback,  dr.  prof.,  proreetor  der  königL  realacbule  erater  Ordnung  in 
Berlin,  a.  88. 

8TB41T1IBB,  dr.,  profeaaor  am  gymnasium  in  Chemnita»  a.  81. 

Tbautmanb,  dr.,  privatdocent  an  der  Universität  Leipzig.  8.  474. 

Ybbbdiobb,  dr.,  Oberlehrer  am  gymnasium  in  Spandau,  a.  88.  88. 
ViBTOB,  dr.,  director  der  altatftdi  realaduile  erater  ordnnng  in  Dreaden. 
a.  804. 

YcoBL,  dr.  protf  rector  dea  Nieolaigynmaainma  in  Leipsig.  a.  409. 
VoLLBBBCHT,  dr,,  Oberlehrer  am  gymnaainm  in  Batsebnrg.  a.  186.  887« 
486.  689. 

Wbzsb,  dr.,  ord.  lehrer  am  gymnaainm  in  fiiaenberg.   s.  485. 

ZzBcnLBB,  dr.,  ord.  lehrer  am  gymnaainm  in  Hameln«  a.  549.  • 
ZöLLBB,  dr.,  ord.  lehrer  am  gymnasium  in  Colmar,  a.  440. 
ZuBBOBO,  dr.,  inspeelor  am  pidagogium  in  Zerbst.  s.  844. 

N.   8.  348. 

O.   8.  307.  * 
Der  Verfasser  der  noctes  acholaaticae  *  *  *  g.  861. 


i 


Digitizod  by  Goüßlc 


OETSV£EZ£ICmiIS 

DIE  nr  DIB8BM  9äXDm  BISPKOOHBna  FBOGftAl 


BXKLIV  (Sophieneymn.).    s.  166.       Maebubo.    b.  867. 
—     (Friedrichs -gymn.)   i.  811.  HstniTS.   s.  869. 


—  (crmts  klMldr.)  i. 
EuiM.  ••  460. 

Febibmwaldb.   s.  810. 
OdSLiTS.  t.  86A. 

MAhLM  (aniv.).    8.  619. 

—  (latioa).    8.  620. 


I.  D.  N.   t.  $10. 
Kbovombzv.  605. 

LAMD8BBBO.     8.  865. 


KOSDBAÜSBX.    S.  610. 

Patschkau.    b.  360. 
PosBB  (Friedrich -Wilhelmsgymn.). 
t.  S18. 

PlUBLAV.  0. 


lUwiTSCH.    8.  167. 

SoBAu.  s.  46S. 
Woblau*  m.  608. 

Zebbst.    8.  621. 


.cd 


Google 


Die  unterzeichnete  Yeiiagshandlung  erlaubt  sich  auf  die 
nachstehend  verzeichneten 

Lehr-  und  Hüflsbüoher  für  den  Unterricht  in 

den  neueren  Sprachen, 

Schulausgaben  englischer  und  französischer 
Schriftsteller  mit  Anmerkungen  etc. 

mit  dem  Bemerken  aufmerksam  zu  machen,  dass  Freiexemplare 
für  Lehrer  gern  zu  Diensten  stehen,  wenn  die  EinfCLhrung  eines 

Buches  meines  Verlags  beabsichtigt  wird.  Derartige  Wünsche 
bitte  ich  mir  direct  mitzutheilen, 

Leipzig,  im  März  1879. 

B.  G.  Teubner. 


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Imhaltsäbersickt 


L  EngliselM  Lehr-  und  üebimgBbfloher.  1-^ 

Schulausgaben  englii^cher  Schriftsteller   ^ 

IL  FranicOdidie  Lehr-  «nd  Ueibwigebüeher  9-19 

Schnlanagtben  finmOBiicher  SehzifteteQer   19 

UL  Italieniach   21 

IV.  Spenboh  «i^« 


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I.  Engiiöcli. 

Sitglifii^e  •tinmuittf  fSt  Me  aleteit  ftlaffen,  inllefüitkm  ker 

«eolfd^uten.  SBon  Dr.  Srauj  SWeffcrt,  3)ircftor  ber  S^ealfd^ulc 
ötn  Smingcr  iBreSlau.  Smitt  tjerbeffertc  ^lufJagc.  (VIII  u. 
160  6.)    gr.  8.    1878.    gel).  A  1.50. 

Die  Zeitung  für  das  hühere  Unterrichtswesen  (1874,  Nr.  23) 
urtheilt  wie  folgt  über  dieses  Buch:  „Obschon  dieses  Buch  die  Legion 
der  G^rammatiken,  um  euie  NnmnieT  yeimehrt»  wird  es  doch  iJlen  Fein- 
den einer  imldacen  weitschweifigen,  schillernden  nnd  schidenden  Ans- 
drucksweise  eine  wahre  Freude  bereiten;  denn  alle  diese  Fehler  besitzt 
es  nicht.  Es  ist  im  Lapidarstil  geschrieben,  macht  von  einer  Regel  nicht 
mehr  Aufhebens,  als  sie  werth  ist,  sondern  geht  ihr  mit  möglichster 
ivürze  und  Gelassenheit  zu  Leibe,  nimmt  ihr  aber  auch  nichts  von  ihrer 
Bedeutung  und  stellt  die  gleichartigen  Fälle,  wie  die  Eigenthümlichkeiten 
nnd  Ausnahmen  übersichtlich  nnd^  soweit  es  auf  den  ersten  Blick  zn 
sehen,  Tolkttadig  sosammen.  Die  An^rlicumen  sind  an  den  Stellen, 
wohin  sie  grammatisch  gehören,  sorgfältig  aufgezeichnet,  und  hierin  wie 
in  der  knappen,  factischen  Behandlung  der  englischen  Grammatik  über- 
haupt spiegelt  sich  der  Charakter  dieser  Sprache,  ihre  Kürze  und  ihre 
Wülkürlichkeit  deutlich  ab.  Das  Buch  ist  für  den  auf  dem  Titelblatte  ange- 
gebenen Zweck  in  hohem  Grade  brauchbar,  es  ist  auch  wisBenschaftlich, 
msofem  es  ein  richtigesDenken  befördert  and  denZusanunenhang  der  Regeln 
in  den  ▼eischiedenea  Capiteln  dorch  genaue  Yerweisangen  beaeichnet 

Von  der  Oekonomie  des  Buches  ist  wenig  mehr  zu  sagen,  ak  dass 
es  die  Redetheile  nach  einander  behandelt  und  die  Satzlehre  in  die  Lehre 
vom  Verb  und  von  der  Conjunction  einflicht.  Syntaktisch  sind  aber 
auch  die  übrigen  Capitel  gehalten;  der  etymologische  Theil  wird  vor- 
ausgesetzt und  nur  gelegentlich  wieder  berührt;  doch  fehlt  nicht  eine 
luum  den  Gesetzen  des  AbUtnts  geordnete  Uebersioht  der  starken  Con- 
jogationeii.  Die  Ihteijectionean  fehlen  ^  ein  Tortheilhaftar  Mangel,  da 
ne  in  das  Wörterbuch  gehören. 

Im  Anhange  wird  ein  ausführliches  Verzeichniss  von  Verben  und 
Adjectiven  gegeben,  deren  Verbindung  mit  PiÄpositionen  vom  Deutschen 
abweicht."  In  ähnlicher  Weise  sprechen  sich  alle  übrigen  Beurthei- 
limgen  aus.  —  Im  Anschluss  an  die  Grammatik  erschien: 

Uelittttg§(it^  itm  tteterfe^rn  in  baS  @ttgltfi|e  im  ttnfil^Itt|  m 

bie  engtif(^e  (ßxammaüt  für  bte  oberen  Staffen  bon  Dr.  gfrans 

SDleffert.   (IV  n.  192  ®.)   gr.  8.   1874.   ge^.  JL 

Das  üebimgsbQch  entUlt,  wie  schon  der  Titel  besagt,  in  engem 
AnschlnsB  an  die  „Ghrammatik  für  die  oberen  Klassen''  von  demselben 
Verfasser  in  seinem  ersten  Theile  einzelne  syntaktische  Uebungsbeispiele 
vorwiegend  historischen  Inhalts,  die  sich  nicht  auf  einzelne  Paragraphen 
der  Grammatik  der  Reihe  nach,  sondern  auf  gunze  Kapitel  derselben 
beziehen,  um  dadurch  einer  mechanischen  Auwendung  der  Regeln  von 
Seiten  des  Schülers  vorzubeugen  xmd  denselben  vielmehr  zn  selbstthätigem 
Nachdenken  anznregen.  Gläehteitig  ist  bei  den  für  si»fttere  Kapitel  der 
Grammatik  gegebenen  üebungebeispielett  anf  Repetition  früherer  Ab- 
schnitte fortwährend  Bedacht  genommen.  —  An  die  einzelnen  Beispiele 
«chliessen  sich  theils  kürzere,  theils  längere  zusammenhängende 
üebungsstücke  geschichtlichen  Inhalts,  in  denen  die  auf  Anwendung 

grammatischer  Regeln,  sowie  eigenthümlicher  Phrasen  und  Anglicismen 
ezüglichen  Stellen  fortlaufend  durch  gesperrten  Druck  hervorgehoben 


9 


1.  l:lxigUdch. 


sind,  um  die  Aufmerksamkeit  und  dts  Nachdenken  der  Schüler  bei 
jedem  Schritte  wach  zu  halten. 

Vocabtln  sind  deshalb  spärlicher  als  in  anderen  Uebunesbücheru 
angegeben,  weil  das  vorliegende  für  die  oberen  Klaseen  besommt  ist 
und  Oer  Sohfller  aaf  dieaer  Stofe  bereifti  Aber  einen  gewiesen  Weit-  imd 
PhrnenichMi  gebieUt. 

•Inmterliit  ker  m%li\^tm  ClPri^e  fit  Snfinger  im  Br. 

9taii|  SRcffcrt.  (Vin  u.  210  6.)  gr.  8.  1876.  gc^.  A  2.— 

Dieses  Klementarbuch  bildet  eine  vorbereitende  Stufe  für  des 
VerftMeert  ,,engliscbe  Ommme;^  fttr  die  oberen  Khuseii'*. 

Die  Aufgabe  des  englischen  wie  überhaupt  des  fremdsprachlichen 
Unterrichts  auf  der  Sohule  scheint  dem  Verfasser  nicht  darin  zu  liegen, 
dass  der  Schüler,  um  möglichst  schnell  zu  einer  gewissen  Fertigkeit  in 
der  practischeu  Anwendung  der  Sprache  zu  gelangen,  von  vornherein  mit 
einer  ermüdenden  Mas^e  von  Vocabelu  überschüttet  werde,  die  sich  nicht 
über  den  Kreil  des  alltäglichen  Lebens  erheben,  und  ihm  die  Elemente 
der  Qrammafcik  und  die  Eigenthfimliehkeiten  der  Sprache,  in  deren 
Erkenntnis.^  doch  der  Hauptwerth  des  sprachlichen  Unterrichts  zu  suchen 
ist,  zerstückelt  und  eindruckslos  überliefert  werden.  Vielmehr  hält  es 
der  Verfas**er  für  nothwendig,  den  Schüler  möglichst  bald  innerhalb  der 
Grenzen  seiner  Fassungsgabe  eine  Uebersicht  der  Grundzüge  des  ge- 
sammten  Baues  der  Sprache  gewinnen  zu  lassen,  was  für  den  SchtÜer 
bei  der  englischen  Sprache  nm  so  weniger  tcbwiaig  und  deeto  anregen- 
der ist,  als  er  nach  den  bestehenden  Schuleinrichtnngen  vor  Beginn  des 
englischen  Unterrichts  bereits  die  formalen  Elemente  wenigstens  einer 
fremden  Sprache  kennen  gelernt  hat. 

Dieses  Ziel  wird  am  besten  dadurch  erreicht,  dass  man  den 
Schüler  bald  in  den  Stand  setzt,  ganze  Sätze  zu  übersehen  und  selbat- 
■tSa^g  ra  bilden.  Deshalb  bat  rerfiueer  sogleich  an  die  ^itee  des 
ereten^apitels  eine  verhältnissmftssig  g^^osse  Masse  von  formalem  Lehr- 
stoff gestellt,  d»  n  jedoch  bei  der  geringen  Mannigfaltigkeit  der  Formen 
der  Schüler  ohn**  alle  Schwierigkeit  bewältigen  kann.  Aus  demselben 
Grunde  itst  sogleich  darauf  —  abweichend  von  der  Einrichtung  der  ver- 
breitetsten  Lehrbücher  — ,  weil  doch  eben  das  Verbum  der  Nerv  des 
SatM  iet,  die  ToUetindige  Conjuffation  det  tekwadieii  Verbs,  sowie  das 
HanpMoUicbete  von  der  en^iaraen  Wortstellung  graeben.  Denselben 
GrundsfttEen  entspricht  die  Anordnong  der  gaaieii  Formenlehre.  Die 
Präpositionen  und  Conjunctionen  sind  nicht  zusammengestellt,  weil  sie 
für  den  Anfänger  zunäch?*t  blosse  Vocabeln  und  allmählich  zu  lernen 
sind,  und  die  Lehre  von  ihrer  Anwendung  in  die  Syntax  gehört.  Die 
Interjectionen  gehören  überhaupt  in  das  WOrterbuch. 

Bei  den  LeeettOeken  bat  VeiliMaer  ee  yerimeden,  den  Schifler 
durch  iidialtöloäe  und  triviale  einzelne  Sätzchen  tu  ermüden.  Es  kam 
darauf  an,  das  Interesse  des  Schülers  dadurch  zu  erwecken  und  seine 
Phantasie  dadurch  anzuregen,  dass  er  von  vornherein  in  zusammen- 
hängende Lesestücke  interessanten  Inhalts,  in  denen  sich  englische  An- 
schaaungs-  und  Denkweise  ausspricht,  eingeführt  würde.  Diesem  Zweck 
entsprechend  hat  der  Verfiueer  dne  fi^rtfuifende  Beibenfolffe  Ton  Ab- 
schnitten aus  Dickens'  A  Child's  History  of  England  gewählt,  die,  an- 
ziehend durch  ihren  Lihalt  und  geschmackvoll  m  der  Form,  selbst  dem 
Anfänger  an  der  Hand  des  Lehrers  durchaus  keine  stilistischen  Schwienig- 
keiten  bieten. 

Die  Exercitien  sind  theüs  zusammenhängenden  Inhalts  und  schüessen 
sich  an  den  Stoff  des  jedesmal  TOrhergeheaden  Leseetfleks  an,  das 
auch  das  sprachliche  Material  dam  geUerart  hat»  tfaeils  beetehen  sie  ans 


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I.  Englisch. 


einzelnen  Sätzen.  Sie  sind  jedoch  durchweg  so  angelegt,  dass  der  Schüler 
cur  bewussten  Anwendung  der  einzuübenden  Formen  gebracht  wird. 

An  die  Formenlehre  schlieast  sich  eine  Zusammenstellung  einiger 
der  wichtigsten  syntactischen  Regeln  mit  zugehörigen  Uebnngsstücken, 
die  den  Schüler  auf  die  systematische  Behandlung  der  Syntax  vor* 
bereiten  und  ihn  die  bei  der  Leetfire  häuhger  Torkommenden  Sprach- 
ersdieiiiüiigen  yemtehen  lehren. 

Die«  iem  Elementarbuch  angehängten  LesestOcke  bieten  zoaanunen 
mit  dem  syntactischen  Anhang  und  d«n  zugehörigen  Exercitien  —  zumal 
bei  fortwährend  nothwendiger  Repetition  der  Formenlehre  —  ausreichen- 
den  Stoff  für  den  Curaus  eines  zweiten  Jahres. 

tt(emente  ber  cngUf^eit  $ormeitIe|te  für  Anfänger.   9tti^  einet 

aujJfü^rlid^en  ^arftellunt3  bct  eitgUfd^en  Uu^^pxaä)^.  fßon  Dr. 
Srans  äfteffect  (42  @.)   gv.  8.   1875.   cati  «4(  —  .60. 

In  diesem  Heftchen  ist  der  in  dem  „Elementarbuch  der  eng- 
lischen Sprache"  auf  die  einzelnen  Kapitel  vertheilte  grammatische 

Lehrstoff  nach  den  Redetheilen  geordnet.  Zunächst  soll  dasselbe  dem 
Anfänger  zur  Repetition  und  zum  Nachschlagen  dienen;  es  wird  jedoch 
auch  demjenigen  Lehrer,  welchem  eine  tabellarische  Zusammenstellung 
der  Elemente  der  Formenlehre  in  den  Händen  der  Schüler  als  Grund- 
lage für  den  Unterricht  genügt,  willkommen  sein. 

Die  Präpositionen  und  Conjunctionen  sind  nicht  behandelt,  weil 
sie  Ton  dem  Anfänger  nur  als  Yocabeln  zn  lernen  sind;  denn  die  Lehre 
TOn  ihrem  Gebrauch  gehört  in  die  Syntax. 

Die  Lehr-  und  Uebungsbücher  der  englischen  Sprache 
von  Meffert  haben  bereits  in  zahlreichen  Schulen  Eingang 
gefunden  und  erfreuen  sich  einer  stets  steigenden  Verbreit  ung. 

Elnglisolie  Schulgrammatik  von  W.  Vietor.  I.  Theil:  Formen- 
lehre,   rVIII  u.  40  S)    gr.  8.    1879.    cart.  Jf— .75. 

Die  Schulgrammatik,  deren  ersten  Theil  diese  „Formenlehre" 
bildet,  will  in  möglichst  knapper  und  übersichtlicher  Form  die  in  der 
englischen  Sprache  wirkenden  Kräfte  und  Gesetze  znr  Ansohaunng  und 
som  Yersttnamss  bringen.  Der  Text  gibt  nnr  die  Gmndzüge;  Bemer- 
kuDgen  und  Noten  wollen  auch  dem  Bedürfniss  der  obersten  Stufe  ge- 
nügen. Die  Sache  selbst  ist  überall  als  das  Wesentliche  hervorgehoben, 
der  Name  oder  das  Zeichen  als  nebensächlich  ihr  untergeordnet.  Auf 
das  Auswendiglernen  und  das  Einüben  an  einzelnen  Sätzen  berechnete 
Regeln  und  Ausnahmen  sind  vermieden.  Die  Befestigung  des  in  der 
Griunmatik  Gebotenen  denkt  sich  der  Verf.  einer  Behandlung  des  Lese- 
stoffes überlaraen,  ine  sie  in  den  von  der  88.  PhilologenTersammlnng 
so  beiläufig  aufgenommenen  Eckstein'schen  Thesen  über  den  lateinischen 
Elementarunterricht  empfohlen  ist.  Für  die  Elementarstufe  geeignete 
Lese-  und  T^ebungsstücke  wird  ein,  demnächst  erscheinendes  und  sich  an 
die  „Formenlehre"  anschliessendes  „Elementarbuch"  enthalten,  in  dem 
die  seither,  wie  es  scheint,  bei  uns  fast  unbenutzt  gebliebene  englische 
Jogendschriftenlitteratur  in  erster  Linie  Berücksichtigung  finden  soll. 

Die  Lantlefare  geht  nicht  yon  den  Baohitaben,  sondern  den  Lanten 
selbst  ans  nnd  gibt  im  steten  Hinblick  auf  den  praktischen  Zweck  des 
Buches  —  insbesondere  mit  Berücksichtigong  deutscher  dialektischer 
Eigenthümlichkeiten  und  der  oft  „grauenvollen"  Schulausspracho  des 
Englischen  (Anglia  I,  S.  598)  —  eine  Darstellung  der  Laute  auf  Grund 
der  neuen  lautphysiologischen  Forschungen  (vgl.  auch  Anglia  1,  S.  587  ff., 
Englische  Studien  II,  S.  226  f.).  Für  jeden  Laut  wird  möglichst 
un  An8(dilo88  an  wissenschaftliohe  Fachschnften  ein  bestimmteB  Zeidien  . 

1 


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4 


adoptirt  ninl  (He  Aassprache  liacinier  tlurchrrehend  in  dieser  phonetischen 
rm^chrift  bf /.»'ichnet.  Auf  die  Dar.steliung-  der  Lante  folcrt  ein»-  Ueber- 
bicht  der  in  der  jeUigen  Orthographie  gebräuchliciiileu  Bezeichnungen 
•owio  dtt^enigen  dtt  iB  dso  ntttfetn  iiaMvnr  SdhalwütliiUlclier  in- 
ffewandten  Walker'schen  Systems.  AaMpncheregeln  im  gewöhnlichen 
Sinne  enih&lt  die  Lsatlehre  nicht,  dagegen  eine  Znaammenaiellnng  der 
gonat  meistens  an  verschiedenen  Stellen  der  Flexionslehre  wiederholt 
aufg»  lüiirten  orthographischen  Regeln  (über  den  Abtall  des  stummen  e 
vor  ilexionssilben  n.  d^U).  l>en  Anhang  bildet  ein  Paragraph  über  die 
LmAwuwebMiang  (Enghtoli  imd  HoclMlMtwih). 

Di«  Flezionslehre  hai  der  Verf.  moh  d«ii  GnmddttMn  der  UM- 
sehen  Grawmafcik  aber  mit  Zngrandlegmig  des  hentigen  Spndistandes 
dantußtellen  gesncht.  So  tritt  z.  B.  yon  als  regelmllaeigee  Ffirworfc  d«f 
2.  Person  Sing,  thon  als  ältere  Nebenform  auf  etc. 

8ti|lif^e  (^(tmentargrammattf  »elfl  Srfrs  unb  ttelnngsflttifeit. 
Son  Dr.  dlaul^,  Obnle^m.  (XYI  il  394  @.)  gr.  8.  187a 
ge^.  2.40. 

Diese  neue  englische  Grammatik  hat  in  der  kurzen  Zeit  seit  ihrem  Er- 
pchfinen  1  »ereits  allgemeine  Anerkennung  und  vielfache  Einf  üliniDg  gefunden. 
MW  Jjc'urtheilnngen  stimmen  darin  üVjerein,  dass  sie  eiiit-u  wesent- 
lichen Fortijchritt  ilireu  /.ahlreicheu  Voigiingem  gegenüber  begründet  i 

Die  P&dagog.  Beyae,  1871,  enihBtt  8. 878  fol^nde  Beur£ahmg: 

„Nachdem  ich  die  Englische  Elementar-GrammftÜk  ^n  Dr.  Claiiis 
(Leipsig,  1B70)  seit  einem  ualben  Jahre  bei  meinem  Unterrichte  am 
hienigen  College  gebraucht  habe,  halte  ich  es  für  meine  Pflicht,  dieselbe 
allen  Collegen  aufs  wärmste  zu  empfehlen.   Wenn  in  den  letzten  Jahren, 
und  mit  Kecht,  viele  Stimmen  laut  geworden  sind,  weiche  mit  Ent- 
schiedenheit jede  seichte,  obeifl&chfiche  Behandlnng  der  modeinen 
Spradien  immer  mehr  ans  der  Sdrale  za  Terbaimeii  suchen  nnd  die- 
selben auf  wissenschaftlicher  Basis  aafabaaeii  "bestrebt  sind,  bo  trägt 
dieses  Buch  solchen  Anfordenmgen  in  hervorragender  Weise  Rechnnng 
und  leistet  zur  Erreichung  jener  Ziele  vortretFliche  Dienste.    Der  Zweck 
des  Lehrbuchs  ist  zunächst,  deu  Schülern  eine  möglichst  gründliche  und 
anschauliche  Kenntniss  der  \\  ortlehre  zu  geben.   Der  Verfasser  ist  be* 
mflht  gewesen,  nnd  mit  glitekliehcm  Befolge,  übenll  die  FknenilioinDeii 
aufs  genaueste  nnd  klarste  darzulegen  und  den  SdAlem,  weit  l&ber  deii 
Kreis  dieser  Stufe  hinaus,  die  lebendiijste  Anregung  zu  geben.  "Wir 
heben  hier  besonders  die  eingehende .  klare  Behandlung  des  Verbs  her- 
vor.   Der  Formenlehre  schliesst  i?ieh  der  zweit«,  praktische  Theil  an. 
Sein  Inhalt  bietet  eine  so  grosse  Fülle  von  gehaltvollen  Gedanken,  eine 
BUtthenlese  des  SehOnsten  mid  Sdelstea,  entnommen  ms  Sfaakeipeaie 
nnd  anderen  Dichtem,  wie  aus  dem  Schatz  der  Bibel  und  SprQchwörter, 
dass  ich  kein  Buch  ihm  in  dieser  Beziehung  an  die  Seite  zn  stellen 
wösste.    Es  ist  gewiss  tief  zu  beklagen,  dass  m  den  meisten  Elementar- 
Lehrbüchem  der  neueren  Sprachen  die  Üebungssätze,  ihrem  Inhalte  nach 
gewogen,  dem  Schüler  nur  „magere  Weide"  gewähren,  während  die  ana- 
logen Lehztiücber  der  Wassiscthwi  Spsaehen  mm  eiaerala  Ton  Seatenno 
«iTezftnsserlioher,  den  SehtUer  diiueh  das  Leben  begleitender  Weisheit 
enthalten.   Der  Yecfiuiser  hat  hier  gezeigt,  welchen  geistigen  Gehalt 
auch  neuere  Sprachen  zu  verleihen  im  Stan<le  sind. 

Die  deutschen  Uebmigsstücke,  die  fast  ohne  Ausnahme  ein  charakte- 
ristisches Gepräge  tragen,  führen  eine  Menge  von  Idiotismen  zum  Be- 
wnsstseln.  Es  sind  jäer  Uebnng  drei  mit  A,  B,  C  bezeicfanete  Ab- 
sohniHe  Eqgetheilt.  Dieselben  enthalten  theils  dnadne  Sitee,  theils 
ganze  snsammenhBngende  Stfloke.   Die  Ansahl  letaterer  betcftgt  allein 


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I.  Englisch, 


78  Nummern.  Den  Schlnss  bildet  ein  Lesebnch,  bestehend  ans  50  Stücken, 
theils  in  gebundener,  theils  in  ungebundener  Rede.  Audi  sie  tragen 
nicht  wenig  dazu  bei,  das,  was  ich  als  den  jugendlich-frischen,  poesie- 
vollen Hauch  des  Ganzen  bezeichnen  möchte,  zu  ergänzen  und  zum  Ab- 
schluBB  EU  bringen.  Gegen  die  beiden  letzten  Erzählungen  von  Lamb 
habe  ich  in  etiniitiflchBr  Beadehung  einige  Bedenken.  Auch  durfte  tieh, 
bei  einer  2.  Auflage,  ein  Wörterbuch  als  nützlich  empfehlen. 

Noch  einmal,  möge  diesem  Werke  die  in  so  hohem  Maasse  Ter- 
diente  Anerkennung  und  Verbreitung  allseitig  zu  Theil  werden." 

Berlin.  Dr.  Paetz,  Lehrer  au  der  Friedr.-Werd.  Gewerbeschule. 

Gleich  günstige  Beurtheilung  hat  das  Buch  gefunden  in  der  all- 
emeinen Literaturzeitung,  1871,  No.  19,  Literarisches  Central- 
latt,  1871,  No.  18,  Nene  Jahrbücher  fflr  Philologie,  1871, 
IL  Heft,  Zeitsehrift  für  die  Inierestea  des  Bealschnlwesens, 
1878,  0tc.  Die  zuletzt  erwBhnte  Rezension  schlicsst  mit  folgendem  Satze: 
„Unseres  Erachtens  würde  das  Buch  nicht  nur  für  die  beiden 
Tertien,  sondern  auch  für  die  üntersecunda  der  Realschule  ausreichen. 
Ein  nochmaliges  Lob  ist  für  das  Buch  nach  dem  bereits  Gesagten  wohl 
nicht  mehr  VQnnüthen;  es  ist  mustergültig,  und  wir  haben  dem 
Verfaeeer  zu  seinem  Werk,  das  wir  smr  Einfdlirung  nicht 
dringend  genug  empfehlen  können,  nnr  Yon  Berxen  Glück 
und  Erfolg  sn  wünschen.'* 

Systematlcal  Vocabülary  and  Guide  to  English  Conversation. 

51nleitunö  jum  Qn^\\\6)'<Bpxtä)tn  öcrmittelft  einer  baö  Serneu 

unb  S3e^aUen  erleic^ternben  Slnorbnutig  ber  SBörtcr  unb  Sfleben^s 

arten,  mit  befonberer  SBerüdfid^ttgung  ber  @t)nont)mif  be§  neueren 

8pra(?^gebrauc^e».   gür  Sd;uleu  unb  jum  ^riüatgebraud^.  S8on 

^.  S5aue^;  £et)rer  ber  englifc^en  (Bpxa6)t  in  (Slberfelb.  SSierte 

üerbeffcrtc  Sluflage.  (XII  u.  311  ©.)  8.  1877.  ge^.  A  1.80. 

Ein  in  vielen  Lehranstalten  bereits  eingeführtes  Schulbuch,  welches 
nach  der  Methode  von  Ploetz  bearbeitet  ist  und  dessen  „Vocabulaire 
^ystematique  et  Guide  de  conversation  firan9aise"  sich  genau  anschliesst. 

tMitUMtu  vm  tkierfe^eii  iiU  tan  Seiitf#fit  in»  <iii|U{#e  füt 

tbttt  ftfttfftit  f^ti^tttx  Smt      fL  SSctntt.  Ctftct 

Z^ett  [in  stoei  $eften:  L  Xe^  (VI  u.  128  &.),  XL.  ^tUpatationtn 

(116  ©.)]•  fl^-      Ißßö-  9^^>- 
 S3or(erettenber  %^t\\  yax  ^ti^tixiXm  ber  Formenlehre 

^omie  5ur  (Stnübung  ber  tüic^tigften  Siegeln  ber  S^ntaj  unb 
Sßortfolge.    (VIII  u.  239  @.)    gr.  8.    1870.    ge^.  A  2.10. 

Die  allgemeine  Literaturzeituug,  1871,  No.  21,  sa^t  übe;f 
diese  Materialien: 

„Zu  möglichst  vielseitiger  Uebong  in  der  englischen  Ausdmcke- 
wase  wnrde  hier  in  weehaebider  Beihenfolge  das  VerwdiiedenartigBte 
/usammengestellt:  iwiflehan  Erefthlungen  von  Oh.  Schmidt,  Sagen  und 
Märchen  von  Grimm  stehen  geschichtliche  Abhandhmgen  von  Flögel, 
Schiller,  Funk,  Menzel,  .1.  v.  Müller,  Archenholz,  liaumer  und  natur- 

feschichtliche  von  Lenz,  »Schubert,  Hebel  etc.  Die  als  Ucbungnstücke 
enützten  Aufsätze,  deren  Vei-fasser  nicht  immer  genannt  sind,  wurden 
keineswegs  in  gewohnter  Weise  Är  die  Anglisinmg  zugestutzt,  sondern 
völlig  unvei^dert  aufgenommen,  damit  der  SdhiQer  die  Unterschiede  im 
Stile  der  beiden  Sprachen  mQguchst  schiyrf  ansgeprOgt  vor  ndn  sehe. 

1* 


6 


I.  Englisch. 


Zu  seiner  T'nterstiitznnfif  stehen  vor  jedem  Uebunpsstücke  von  No.  1— M 
fast  alle  darin  vorkommenden  enpligchen  Wörter,  während  diese  für  die 
folgenden  Nummern  (bis  45)  nur  noch  in  soweit  vorgesetzt  wurden,  ak 
M  tiir  YeMItaaß  tob  VMgnSen  in  der  Wthl  der  eng^iscliai  Audiikike 
erforderlich  scfaieiL  Noch  spuMkiiier  tritt  die  leadka]dsche  ffiMe  in  den 
■piteni  Nnmineni  ein.'  Auf  die  gnaaiiuifcischen  Regeln^  deren  Kenntniss 
im  ganzen  vorausgesetzt  wird,  verweisen  zahlreiche  Zitate,  welche  aber 
g^'pen  dan  Knde  ebenfalls  immer  seltener  werden.  Wir  srlauben,  dass 
dad  zweckmudtiig  eingerichtete  Buch  unter  der  Leitung  tüchtiger  Lebrer 
recht  gute  Dienste  leisten  wird." 

Srttantita.   (^int  pxaU\\^iif^toxti\S^t  Hnlettuiig  lum  Uthtx\t^tn 

in^  (Snglijdje  mit  örammütijc^cn  unb  ftinon^mifc^en  "^Inmerhingcn 
üon  Dr.  ®.  ^atp,  ^rofcffor  am  O^mnajium  ßutin.  dritc? 
Ȋnb(^cn.    (  VIII  u.  224  @.)    gr.  8.    1878.    gc^.  JC  2.70. 

—         SmiM  ©anbeten  für  ohcce  dtafitiL    (VI  u.  246  6,) 

gc  8.    1879.    ge^.  JC  2.70. 

Da;;  vorliegende  Uebungsbuch  ist  nicht  für  solche  Lehranstalten 
beistimmt,  welche  bei  beschränkter  Stundenzahl  auf  akademische  Studien 
vorbereiten  wollen,  sondern  für  diejeni^zren,  die  wie  höhere  Töchter- und 
KeaUchulcu  au  die  Leistungen  ihrer  Zöglinge  grössere  Ansprüche  machen 
wolkn  und  miiaeeB.  Et  eoU  ühiigMie  ftuMtm  luoht  ▼oangweiie 
praktischen  Zwecken  dienen,  sondern  will  vielmehr  unter  Ein^lhniDg 
in  die  heutige  Schriftsprache  und  das  Leben  ond  Treäien  des  englischoi 
Volkes  eine  Palästra  des  Geistes  werden  und  seinerseits  zur  harmo- 
nischen Ausbildung  alier  Geisteskräfte  des  Schülers  beitragen.  Diese 
Arbeit  vollzieht  sich  hier  mit  Rücksicht  auf  die  Forderung  der  Kon- 
zentration des  Unterrichts  an  Stollen,  welche  aus  englischen  Elanäen 
entlehnt  mid  so  gewBhH  sind,  daes  sie  m  einem  Spiegelbild  der  Kite 
dea  englischen  Volkes  werden. 

In  der  Auswahl  der  Stoffe  ist  nicht  allein  auf  klassisches  Englisch 
und  st^'listische  Abrimdung  der  Darstell iini^en  Rücksicht  genommen, 
sondern  versucht  wordt-n,  überall  das  sittlich  erziehende  Element,  welches 
in  der  Anschauung  englischen  Lebens  und  in  der  Beschäftigung  mit  der 
Gesehicfale  dea  en^isehen  Tolkea  liegt,  auf  daa  OeuiaMt  der  ZO^ia^ 
wirken  za  lausen,  ohne  irgend  einem  äaabensbekenntnisse  durch  schroffe 
Darstellungen  und  Reflexionen  zu  nahe  an  treten.  Es  ist  fem  er,  ohne 
einseitig  nur  alles  das  hervorzuheben ,  was  im  englischen  Volke  edel, 
gross  und  schön  ist,  versucht  worden  in  Anekdoten,  Briefen,  Schilde- 


treten  an  lassen,  welehe  finglftndem,  Wallieeni,  ächotten  und  hrea  flu 
eigenthümliches  Gepiftge  ff  eben.  Die  Darstellungen  beziehen  sich  weniger 
auf  das  politische  und  inaostrielle  Leben  des  Volkes  als  auf  sein  soziales 

und  religiöses  Sein,  sie  zeigen  uns  den  Engländer  in  Schule  und  Kirche, 
in  der  Stadt  und  auf  dem  Lande,  in  der  Heimat  und  in  der  Fremde,  vai 
Kismeer  und  in  Indien,  in  Sa«e  und  Geschichte,  in  Gegenwart  und  Ver- 
gangenheit, am  stillen  Heeicn  nnd  im  geschäftigen  "nreiben,  u.  s.  w.; 
sie  begleiten  uns  im  gesdiiehtlichen  Abw^hnifcte  dnzdi  die  bedentimgi' 
Tollsten  Ereignisse  bis  zur  Gegenwart  n.  s.  w. 

Beim  Gebranche  dieses  Uebungsbnchea  wird  TOrausgesetzt ,  dass 
die  englische  Grammatik  in  ihren  Grundzügen  dem  Schüler  bekannt  ist 
und  dass  er  die  ersten  Schwierigkeiten  beim  Uebersetzen  zusammenhaog 
loser  8&tie  fiberwunden  hat.  Bei  idiomatischen  Wendungen  und  da, 
wo  der  Schüler  bei  dem  mangelhaftan  Znslnade  nnaeier  Lexika  von 
seinem  Standpunkte  ans  nnsicher  sein  kann,  treten  die  Anmerkungen 


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I.  Kugliach. 


7 


helfend  ein.  Ein  Yerzeichniss  der  Quellen,  ans  denen  die  Stoffe  ent- 
nommen sind,  wird  von  der  Verlagsbuchhandlung  an  Lehrer  gratis  geliefert. 

ttnglanti.  0raftifc^e  ttnlettuiig  jnm  Uederfel^eit  aul  hm  ^eutfi|cit 

inj»  (Sitglifc^e  mit  gratnmatifc^en  unb  f^non^mifc^en  2(nmer!ungen 
t)on  Dr.      ^atp,  ^rofeffor  am  (^^mnafütm  p  (iutin.  SSierte 
oerbeffecte  Sluftage.   (XII  vl  359  @.)    gr.  8,  1878. 
Jt  2 . 60,  gebunben      3 .  — 
(FrOher  Verlag  der  Haade-  vl  Spener'scben  BachliandliiBg  in  Berlin.) 

SngjÜBOheB  LeBebnch  fGr*  höhere  Lehranstalten.    In  drei 
Stufen.  Von  Kael  Eaisbb,  Birector  der  höheren  Töchtersehule 
für  Mittel-  n.  Ober-Barmen.   Erster  Theü:  Unterstnfe.  (X 
212  S.)   gr.  8.  1877.  geh.      1.60.  Zweiter  TheU:  Mittel- 
sttife.   (X  u.  313  S.)    gr.  8.    1877.   geh.  JC  2.40.  Dritter 

Theil:  Oberstufe.  (X  u.  436  S.)   gr.  8.   1877.   geh.  3.20. 

Die  bisher  erBchieneneiL  englischen  Lesebficher  leiden  mehr  oder 
weniger  an  folgenden  Mängeln:  sie  enthalten  Stücke  der  verschiedensten 
Art,  welche  sich  entweder  für  das  reifere  Alter,  in  welchem  die  eng- 
lische Leetüre  an  unsern  Schulen  betrieben  wird,  nicht  mehr  eij^rnen 
(kleine  Erzählungen,  Anekdoten  n.  dgl.  m.),  oder  welche  den  Schülern 
allerlei  gemeinnützige  Kenntnisse  zuiühren  sollen  und  dieselben  wegen 
der  foocienen  Form,  in  der  sie  sudi  darbieten,  nicht  «nsnregen  yermögen ; 
sie  bringen  —  und  zwar  selbst  solche,  die  för  die  oberen  Klassen  be- 
stimmt sind  —  fast  ausschliesslich  knrse  Bruchstücke  von  einer  grossen 
Zahl  Autoren  und  arten  somit  in  Sammelwerke  für  literaturgeschicht- 
lichen Unterricht  aus,  obgleich  sie  grossentheils  auch  dazu  wenig  geeignet 
sind,  da  sie  sich  nicht  bis  zu  den  Meisterwerken  der  englischen 
Literatur  erheben;  sie  ordnen  den  Stoff  nicht  nach  der  Schwierigkeit  des 
Verstftndnisses  an,  sondern  nach  der  Zeitfolge  der  Verfasser  oder 
nach  Inhalt  und  Form  der  Lesestücke  (Ersfthlongen,  Geschichte,  Briefe, 
Reden,  Gedichte  u.  s.  w.)  und  überlassen  es  somit  gänzlich  dem  Lehrer, 
für  eine  dem  Standpunkte  der  Schüler  angemessene  Folge  der  Stücke 
zu  sorgen;  sie  halten  in  den  etwa  beigefügten  Anmerkungen  nicht  das 
rechte  Maass,  indem  sie  bald  auch  solche  Erklärungen  bringen,  welche 
s^bst  in  kleineren  Werterbfichem  ond  in  Etementar-Gramniatiken  zu 
finden  sind,  bald  aber  über  schwere  Stellen  hinweggehen  und  nament- 
lich über  manche  sachliche  Schwierigkeiten  in  Zweifel  lassen. 

Die  Erwägung  dieser  üebelstände  hat  zu  der  Abfassung  des  oben 
angekündigten  Lesebuches  geführt.  Ueber  den  dem  Werke  za  Grunde 
liegenden  Plan  erlauben  wir  uns  Folgendes  mitzutheilen: 

L  Der  Lesestoff  ist  in  solchem  Umfange  bemessen,  dass 
er  selbst  für  diejenigen  Anstalten  ausreicht,  auf  welchen  das  Englische 
6 — 6  Jahre  betrieben  wird,  und  dass  der  Lehrer  besonders  mit  Rück- 
sicht auf  nicht  versetzte  Schüler,  von  einem  Schuljahre  com  andeiB  eine 
angemessene  Abwechselung  eintreten  lassen  kann. 

11.  Bei  der  Auswahl  des  Stofies  ist  keineswegs  darauf  abgezielt 
worden,  dass  eine  möglichst  vollständige  üebersicht  der  englischen 
liiterator  gegeben  werde;  Tielmehr  sind  viele  Schriftsteller,  cBe  sich  in 
den  gangbaren  Lesebflcbetn  vettretm  finden,  gänzlich  bei  Seite  ge- 
lassen, während  andere  wegen  ihres  höheren  Werthes  für  die  Schul- 
jugend um  so  stärker  herangezogen  sind.  —  Nicht  Mittelwaare, 
sondern  nur  Musterhaftes;  nicht  von  recht  vielen  Schrift- 
stellern ein  wenig,  sondern  von  wenigen  Schriftstellern  recht 
Tiel!  —  das  war  gleichsam  das  dem  Verfasser  stets  vorschwebende 


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8 


1.  EngÜAch, 


LoMingswori.  —  Es  siiid  daher  auch  selbst  grOwere  Stücke  ToUstftndig 

oder  doch  nnr  mit  unwesentlichen  Kürzungen  aufgenommen  worden,  ' 
und  wenn  aus  einem  Werke  wegen  seines  Umfanges  nur  Bruchstücke 
rait«,'etlieilt  werden  konnten,  so  ist  doch  darauf  gesehen  wordeu,  da«; 
dieselben  ein  in  sich  abgeschlossenes  grösseres  Ganze  bilden,  resp.  mit 
eiimnder  in  ZwwmiTnwdtang  gelnaelit  werden.  Andi  dUifle  du  Werk 
wobl  iosofem  dee  BeilUla  einnelitsToIleT  Schniminnw  gewiae  tm^  tk 
61  der  Poesie  neben  der  Proea  ihr  volles  Recht  zntheil  "werden 

III.  Für  die  Anordnung  des  Stoffes  ist  keine  andere  Regel  mass- 
gebend gewesen  als  die :  allmähl.  Fortschreiten  vomLeichten  zum  Schwerst:! 

IV.  Um  da.<?  ^'e^ständni8  8  des  gebotenen  Materials  zu  sicheni. 
sind  Randbemerkungen  beigegeben  worden,  jedoch  nur  in  solchem 
Umfiuafl;  dass  Lexikon  nnd  Granunfttik  nicht  entibenrlieh  gemaeht  werden. 

y.  üeber  die  betveffenden  Sefanfteteller  werden  am  Schlüsse  jedes 
Theiles  kurze  biographische  Notizen  gegeben;  auch  wird  die  Ober- 
stufo eine  nach  d«'n  \'erfassem  geordnete  Uebersicht  s&mmtUcher 
in  das  Werk  aufgenommener  Stücke  bringen. 

A  Book  of  Gems  being  a  selection  in  verse  and  prose  from 

ihe  most  celebrated  English  authors.  By  Elizabeth  Richabdsoü.  . 

2.  edit.   (XIV  u.  160  S.)  kl.  8.   UE  1.80.  In  eleg.  Miniato-  \ 

einband  mit  Groldaehnitt  JC  2.70. 

Eine  Sammlung  englischer  Gedichte  und  kleiner  Prosastücke,  ^iie 
sich  ihrer  eleganten  Ansstattong  wegen  vorzagsweiBe  m  Geschenken  eignet.  ^ 

New  poeket  diotionary  englisli  and  german.  —  Neuestee 
TaBchan-Wdrterbaoh,  deutsch  xl  englisch.  Von  Dr.  F.  £.  Feller. 
24.  Auflage.  2  BSadehoL  (L  Bdchn.  II  o.  M4  S.  IL  fiiidiD. 
n,  425  XL  48  S.)  82.  1876.  geh.  UK  2.25,  einzeb  jedes 
BSnddien  Jt  1.35,  geb.  in  1  Band  JC  3.  —  ,  geb.  in  2 
Bttnden  mit  Etui  JC  3.75. 

Schulausgaben 

englischor  Schriftsteller  mit  deutschen  Auiiierkuiigeü. 

A  Chrietmas  Carol  in  Prose.  Being  a  ghost  story  of  Christinas. 
By  Ch.  Dickens.  Für  den  Scholgebranch  erklärt  von  L.  Biechel 
KANN.  2.  Aufl.  (Vnia.  106  S.)  gr.  8.  1873.  geh.  120. 

The  BiTala,  a  oonMdy  in  fiva  Acta.  ByB.B.SlL«ridan«  Für  den 

Schulgebranch  erklSrt  rm  L.  RiBoaBLMAmr.   (YII  u.  130  8.) 

gr.  8.     18G5.    geh.  Ji  1  .20. 
The  School   for  Scandal,  a  comedy  by  R.  B.  Sherldsn. 

Accent.  und  mit  grammatischen  und  erläuternden  Anmerkungen. 

von  R.  F.  Ch.  Wagner,  ri  90  8.)  8.  geh.  A  —.80.  ' 
 dasselbe.   Mit  Einleitung  und  Erläuterungen  von 

0.  DicKMAMM.  (XXXII  u.  106  S,;  gr.  Ö.  1873.  geh.  A  iM 
JuUua  Caesar  by  William  Siiakeapeare.    Für  den  Schol- 
gebranch erklärt  von  L.  BiEORELicAinf.   (VII  n.  123  S.)  gr*  ^• 

1867.    geh.  ^1.20. 
Bldhaxd  IL  by  Traiiam  Shakaspaase.  Tür  den  SobiOgebraiicli 

erklftrtT.L.BtBOHBi.icAHN.  (Ynn.l60S.)gr.8. 1869.g«riLUKl.^  1 


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II.  Französisch. 


9 


[AOY»et]i  by  William  Shakespeare.    Brkl&rt  von  Wilhelm 

Waomeri    (L  u.  1;16  S.)    gr.  8.    1872.    geh.  ^  1 . 80. 
lomeo   and  Jtiliet.    A  Tragedy  by  William  Shakespeare. 

Mit  Sprache  und  Sachen  erläuternden  Anmerkungen.    Von  Dr. 

Eduard  Winter.    (VI  u.  219  S.)    gr.  12.    geh.  JL  1.50. 
riie  Merchant  of  Venice,  by  William  Shaketpeare.  Für  d.  Schul- 

gebraiich  erklärt  von  L.  Exechelmaun,  (XX  u.  118  S.j   gr.  8. 

1876.    geh.  Jt.  1;80. 
Duke   liConmouth*s  Rebellion.    A  chapter  from  Macaulay's 

History  of  England.    Für  die  Oberklassen  höherer  Schulen 

bearbeitet  von  H.  A«  Webmeb.   (IV  u.  95  S.)   gr.  8.  1870« 

geb.  JL  — .90. 

IThe  Iisdy  of  the  Lake.    A  poem  in  eix  Oantoa  by  Sir 

Walter  Scott    Herausgegeben  von  Wilhelm  Wagneb.  (IV 
n.  204  8.)    gr.  8.    1876.    geh.  «^2.40. 
The    Viear  of  Wakelleld,  a  tale  by  Oliver  0oldsmith. 

Herausgegeben  und  erläutert  von  R.  Wilcke,  Oberlehrer  am 
kgl.  Gymnasium  und  der  höheren  Bürgerschule  zu  Hamm. 
(VI  u.  240  S.)  gr.  8.  1878.  geh.  A  2.70. 
The  Spring  by  James  Thomson.  Für  den  Sohnlgebrauch 
erklärt  von  H.  A.  Werner,  Oberlehrer  an  der  Grossherz. 
Realschule  zu  Schwerin.  (VIII  u.  54  S.)  gr.  8.  1879. 
geh.  JL  —  .  75. 

iCaoaiilay,  Thomas  Babington,  History  of  Sngland  from  the 
aecession  of  Charles  I.  to  the  restoration.  Ein  Abschnitt 
ans  dem  ersten  Capitel  toh  Macaula/s  Geschiehtswerk.  Für 
die  oberen  Klassen  höherer  Scholen  erklfttfc  von  E.  C.  Soswalbach, 
Oberklirer  an  der  Bealschnle  L  0.  zn  Sprotten.  (IV  n.  91  S.) 
gr.  8.    geb.  «41  1. — 


II.  Französisch. 

9tan}Sflf4e  etalgvtaiiiMttl  mtt  tteinttB^ßiMeit.  8oa  Otte  Ciate. 

gr.  8.  1872.  ge^.  Untere  Stufe  (X  ii.  123  6.)  1 . 20, 
SWiftlere  Stufe  (II  u.  120  @.)  JL  —.90,  D6ere  Stufe  (IV 
tt.  188  ©.)  JL\.  20. 

Diese  Grammatik  ist  aus  dem  Bestreben  hervorgegangen,  die  An- 
foidenmgen  wissenschaftlicher  Behandlmig  und  Anordnung  des  Stoffs 
mit  denen  der  Pnzis  des  Unterrichts  mOgUchst  za  Tereinen,  edn  Ziel, 
das  trotz  der  grossen  Zahl  französischer  Grammatiken  oodi  noch 
immer  nicht  erreicht  ist,  und  auf  dessen  Erreichung  deshalb  immer  weiter 
iungearbeitet  -werden  muss.  Der  Lehrstoff  ist  in  drei  stufen  getheilt, 
den  unteren,  mittleren  und  oberen  Klassen  höherer  Lehranstalten,  be- 
sonders der  Gymnasien,  entsprechend.  In  der  unteren  Stufe  verbot 
^dleidings  die  Rücksicht  auf  die  dem  französischen  Unterrichte  meist 
laapp  zugemesseiie  Znt^  auf  die  Lehxer,  denen  dieser  Unteixieht  flber- 


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II.  Französisch. 


tragen  zn  werden  pflegt  und  andere  Umstände  ein  völliges  Abweichen 
Ton  der  ^lötz'^^ehen  Methode,  die  das  ünterrichtsmaterial  dem  Anfänger 
gleichsam  brockenweise  überliefert.  So  wurde  wenigstens  gestrebt,  den 
Schüler  in  dem,  was  ihm  geboten  wird,  möglichst  heimisch  zn  machen. 
Das  Vocabelquantum  ist  ein  möglichst  geringes,  aber  sorgfaltig  aosge- 
wfthlt.  DU  Exkniiiiig  der  regefanftaageii  ConjugatioMii  iit,  »o  lebr  es 
anging,  leicht  gemacht  und  indem  der  Schüler  bia  gegen  Ende  det 
iweitoi  ünterricht^jahrea  mir  einfache  Sätze  zn  übenetsen  erhält,  wird 
es  mögliGh  »ein,  ihn  in  den  betreffenden  Stellungsregeln  recht  fest  zu 
machen  —  Bei  der  Erweiterung  der  Formenlehre,  die  der  mittleren 
Stufe  zufällt,  wurde  weniger  auf  Mittheüung  aller  seltenen  AnsnahnK^n 
als  darauf  gesehen,  die  in  der  Formenlehre  liegenden  bildenden  Eiemenk 
cur  Geltnng  su  bringen.  Die  uoregelinftBsigen  Vetba  sind  in  dner  de& 
Resultaten  der  neueren  Forschimgen  entsprechenden  Anordnung  darge- 
stellt. —  Was  endlioh  die  obere  Stufe,  die  Syntax  betrifft,  so  handelte 
es  sich  danun,  weder  in  den  Schematismus  zn  verfallen,  den  eine  Be- 
handhmj^'  des  Gegenstands  nach  der  Reihenfolge  der  Redetheile  mit  sich 
bringt,  noch  durch  Eiotheilung  der  Syntax  nach  den  Theilen  des  Satzes  die 
Behandlung  derselben  Sprachform ,  etwa  des  Infinitivs,  in  viele  Theile 
Sil  serreissen  und  über  das  Game  iq  lerstreneo.  Deshalb  wnrde  in 
Wesentlichen  die  Eintheilnng  der  Mätsner'scheii  Gfammaük  b«folg[t  und 
gestrebt,  dem  Schüler  bei  möglichster  Kürze  einen  klazen  Einblick  in 
den  Bau  <b  s  französischen  Satzes  and  die  Functionen  der  eiiuelBA 
Wortformen  in  demselben  zu  geben. 

Parallel  dem  grammatischen  Theile,  sich  Paragraph  für  Paragrapb 
an  denselben  anschliessend,  läuft  eine  Sammlung  von  Uebungsbeispieleiit 
fraosOnschen  nnd  deutschen,  grOsstentheils  einMine  S&tae,  die  m  den- 
selben Orade,  in  dem  der  Schüler  weiter  in  die  granunatischen  Fcnoes 
eindringt,  auch  inhaltsreicher  werden. 

Den  zugehörigen  Vocabelverzeichnissen  ist  eine  Sammlung  der 
häufigsten  mit  den  unregelmässigen  Verben  etymologisch  verwandten 
Wörter  und  der  für  den  Schüler  wichtigsten  Synonymen  beigefügt  worden. 

net^obijf^c  9tmmiU  htt  franjoflji^rit  <S|ira^e«  3tt  stuet  Surfrn. 
äRit  Bugntnbelegitttg  beft  Satetntjc^en  bcorbeitet  imb  »it  Uebniji^ 
anfgoben  berfel^cti  bon  Dr.  Otto  Siebe.  (Stementariiirfn^. 
(Vm  lt.  III  6.)  0r.  8.  1874.  ge^.  1.20.  fittetttr 
Sutfttd.   (VI  lt.  164  6.)    gr.  8.    1876.   ge^.  «^1.80. 

Der  Verfasser  geht  bei  der  Anlage  dieses  Schulbuches  Toa  der 
Ueberzeugung  aus,  diass  das  Latein  an  denjenigen  Lehranstalten,  in 

deten  Plane  diese  Sprache  einen  wesentlichen  Platz  einnimmti  sor  Grund- 
lage des  sprachlichen  Unterrichts  überhaupt  und  besonders  zn  der  des 
Französischen  gemacht  werden  müsse.  Es  ist  demgemäss  der  Stoff 
überall  möglichst  in  Verbindung  mit  dem  bereits  im  lateinischen  Unter- 
richte Behandelten  gebracht,  die  Regeln  sind  mit  den  in  der  lateinischen 
Sprache  giltigen  verglichen,  die  Worte  den  lateinischen  Stämmen  gegen- 
über gestellt.  Allein  es  wird  diese  SpraohTerffleiofaimg  in  den  durch  dea 
practischen  Nnteen  gezogenen  Schranken  gehalten,  so  dass  der  für  Quinta 
und  Quarta  bestimmte  Elementarcursus  nur  so  viel  Sprachvergleichendes 
bietet,  als  zur  Unterstützung  des  Gedächtnisses  dient  und  als  zum  Ver- 
ständniss  einer  zu  entwickelnden  Form  förderlich  ist  oder  das,  was  ganz 
von  selbst  dem  kindlichen  Geiste  des  Schülers  sich  aufdrängt.  —  Anderer- 
seits aber  soll  der  Unterricht  in  der  fraiuOsischen  Sjprache  anch  rflek* 
wirkend  denjenigen  im  Lateinischen  nnterstfllaen.  Nieht  war  dass  man- 
ches Torkomniende  lateimsehe  Wort  im  Oedlehtniss  des  Sdifileis  nieder 


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II.  Französisch. 


11 


aufgefrischt  wird,  besonders  das  Verständniss  des  Satzes,  seiner  Theile, 
seines  Baues  soll  dem  Schüler  für  seine  lateinischen  Kenntnisse  Nutzen 
bringen.  Dieses  Verständniss  des  Satzbaues  ist  ebenso  unentbehrlich 
für  das  Lateinische,  als  auch  geeignet,  am  klaren,  einfachen  und  strengen 
firansöflischen  Satse  erworben  zn  werden.  Demgem&ss  schliesst  sidi  die 
ganze  Anordnung  des  Buches  dem  allmählichen  Aufbaue  des  Satzes  an, 
behandelt  zuerst  die  Theile  des  einfachen  Satzes  nnd  entwickelt  später 
aus  diesen  die  Nebensätze,  durchweg  die  Aufgabe  festhaltend,  dem 
Schüler  genaue  und  sichere  Xenntniss  des  Satzbaues  zu  vermitteln. 

Dieses  sind  die  zwei  Uauptpriucipien  der  Anlage  des  Buches. 
Kebenbei  ist  meht  aasser  Acht  geuuisen  worden,  dara  die  zn  behandelnde 
Spxache  bei  allem  historischen  Interesse,  das  sie  bietet,  doch  eine  lebende 
Sprache  ist  und  dass  das  Erlernen  derselben  deshalb  die  spätere  prakti- 
sche Handhabung  vorbereiten  muss.  So  sind  die  Stoffe  der  Uebungs- 
beispiele  allen  Gebieten  des  Wissens  und  Sprechens  entnommen  und  der 
Wortschatz  wurde  aus  allen  Abtheilungen  eines  vollständigen  Vocabulars 
ausgewählt.  Immer  aber  behielt  der  Verfasser  die  beiden  pädagogischen 
Gnmdsätze  fest  im  Auge,  einmal  den  Schfiler  zum  selbständiiiren  Denken 
anzuleiten,  sodann  mÖ^iehste  Beschränkung  des  Materials  mit  möglichst 
gründlicher  Durchdringung  des  Beschränkten  zu  verbinden. 

Bei  der  Bearbeitung  des  zweiten  Heftes  ist  der  Verfasser  den 
Grrundsätzen  treu  geblieben,  welche  ihn  bei  der  Anlage  des  ersten  ge- 
leitet haben.  ' 

Seiner  Mdnnng  nach  sollen  an  Lehranstalten,  an  denen  die*  Sprache 
Hanptbildungsmittel  ist,  alle  sprachlichen  Disciplinen  gemeinsam  an  der 
^grammatischen  Ausbildung  des  Zöglings  sich  betheiligen.  Demgemäss 
ist  die  Lehre  vom  einfachen  Satze,  welche  im  ersten  Hefte  vorwiegt,  in 
diesem  zweiten  Hefte  zum  Satzgefüge  weitergeführt  in  dem  Maasse  als 
die  zu  behandelnden  Theile  der  Formenlehre  (z.  B.  einzelne  unregelmässige 
Verben  oder  die  Cox^nnctionen)  eine  Anwendung  znaammengesetzter 
Sfttie  erforderten  und  in  dem  Maasse  als  die  vorgeschrittene  Imtwicke- 
lung  des  Zöglings  ein  Verständniss  dafür  ermöglicht.  Schliesst  sich  in  ^ 
diesem  Punkte  das  Schulbuch  der  allgemeinen  Lehrthätigkeit  auf  sprach- 
lichem Gebiete  an,  so  sucht  es  noch  nähere  Fühlung  dadurch  zu  ge- 
winnen, dass  es  die  Behandlung  der  französischen  Formenlehre  thunlichst 
in  Besiehnng  zur  lateinischen  Sprache  setzt.  Es  kann  nicht  genug  be- 
tont werden,  dass  eine  wesentliche  Erspamiss  an  Zeit  und  Mühe  dem 
Lehrenden  wie  dem  Lernenden  beim  Unterricht  im  Französischen  ans 
der  Berücksichtigung  der  lateinischen  Grundlagen  erwächst  und  ganz 
von  selbst  bieten  sich  dabei  gelegentlich  Seitenblicke  auf  die  bei  der 
Entwicklung  der  Sprache  thätigen  Gesetze,  w^odurch  das  Interesse  am 
Stoffe  wesentUeh  gdördert  wird.  Kein  Gebiet  der  französischen  Formen- 
lehre ist  hierfülr  michtbarer  als  das  Kapitel  der  nnregehidtoBigen  Yerba 
und  da  dasselbe  der  Hauptinhalt  des  vorliegenden  Heftes  ist,  so  wurde 
dieser  Gesichtspunkt  hierm  soweit  tlmnlichst  festgehalten.  Freilich  galt 
es  hierbei  Maass  zu  halten,  um  nicht  das  Endziel  aus  dem  Auge  zu  ver- 
lieren. Daher  beschränkte  sich  der  Verfasser  darauf,  das  Lateinische 
nur  insoweit  herbeizuziehen,  als  ein  praktischer  Yortheil,  eine  Erleichte- 
rung des  Lernens  su  erwajrten  war.  Eüne  ähnliche  Besohränkunff  wurde 
hinsichtlich  der  Menge  des  Stoffes  geftbt.  Vereinzelte  Unregeunässig- 
keiten,  seltene  Formen  und  dergleichen  wurden  bei  Seite  gelassen,  da, 
es  doch  offenbar  zweckmässiger  ist,  nur  Hauptsächliches  zu  bieten,  dieses 
aber  durch  häufige  Anwendung  und  durch  öftere  Uebung  geläufig  zu 
machen,  als  den  Stoff  vollständig  mit  allen  Einzelheiten  zu  erschöpfen, 
ohne  die  Möglichkeit  zu  haben,  letztere  grOndHch  zu  Tenurbeiten.  Naeh 
diesem  Grundsätze  wurde  auch  die  Wahl  der  Yocabeln  geregelt,  welche 


12  U.  Franzöaiach. 


tum  LezMi  voigoichrieben  sind.    Ihre  Zahl  ist  möglichst  beschrSakfc, 

die  wenigen  aber  Bind  möglichst  oft  verwendet;  bei  den  nnre^elmäsf^igen 
Verl)en  sind  die  von  Verbalstammen  ab^-eleiteteu  Wörter  bevorzugt, 
nifht  nur  um  dem  Gedächtniss  leichtere  Arbeit  zu  yerschafien,  sind  sie 
doch  auch  die  häuhgdten  der  Sprache. 

An  die  Uebenelnmgflaafgabeii^  welclM  mm  guten  Tkeü  aas  Ter- 
acfaiedenen  Clniaikem  gepammelt  wurden,  schliessen  sich  in  den  meistes 
Pan^caphen  nwininenhängende  Uebnngsstücke,  welche  dem  Boden  der 
Praxis  entstammen.  Eh  pind  zumeist  Bearbeit untren  bekannter  LesestofiFe; 
sie  sind  aii.«i  einer  \'erbindnnf?  dos  ßrammatischen  Unterrichts  mit  der 
Lettürf  hervorgepun^jen  imd  so  f^ehalten,  dass  sie  möglichst  "viele  vorher 
beliaudcite  iiegeln  repetitionsweise  in  Anwendung  bringen.  Die  zur  An 
schttoong  der  Regeln  beiflcgebenen  Beispide  bestehen  mm  Theü  in 
eineelnen  SMsen,  som  Theu  aber  sind  es  znsammenhängende  IieBceift^ 
die  6nnge  Male  swar  immer  auch  die  betreffende  Kegel  enthalt^n^  w^ehe 
aber  nebenbei  in  die  Leetüre  einführen  sollen,  damit  nach  Beendignnir 
des  in  dienern  Ciirsns  gebotenen  Stoffes  an  einen  .'Schriftsteller  heran- 
getreten werden  kann.  Mit  Rücksicht  darauf  wurde,  um  eine  Vorübung 
im  Präpariren  zu  ermöglichen,  ein  Wörterrerzeichniss  beigegeben,  welchem 
die  in  den  Beispielen  Torkeimnfmdiei  WOiter  enfliftlt 

Die  Grammatik  ist  in  den  Gymnasien  zn  Chemnitz, 
Dresden-Neustadt,  Altenbnrg  n.  a.  0.  eingeffthrt  and  hat  siek 
flberall.Torzfiglich  bewährt. 

Die  Gnmdaüge  der  fransöslaeheu  Grammatik«  Xln  Hüfiibiuih 

zur  Repetition  und  Orientirung  für  SchtQer.  Von  Dr.  Elotzsch, 
Direetor  der  Realschule  m  Borna.  (XV  u.  180  S.)  gr.  8.  1876. 
geh.  Jt  1 . 80.  [  Das  hierzu  gehünge  Lesebuch  erschien  im 
Verlage  der  We idinann'schen  Buchhandhmg  in  Berlin.] 

l>ieseH  Buch  trägt  zwar  tlie  Bestimmung  in  sich,  ein  Schulbuch 
y.u  werden;  jedoch  soll  es  keineswe«?«  ein  grammatischer  Leitfaden  für 
den  französischen  Unterricht  in  der  Schule  sein.  Denn  die  Sprache  soll 
nicht  ans  den  Regeln,  sondern  die  Begeln  ntaen  aos  der  Sprache  er- 
lernt werden.  Der  VerfiMser  hat  sich  deshalb  beim  Unterricht  in  der 
iranaOsischen  Sprache  nicht  damit  befreunden  können,  sich  dem  Scherns 
der  zumeist  in  Schulen  eingeführten  französischen  Grammatiken  und 
Tiehrbücher  anzuschliessen;  er  w*ill  nicht,  dass  die  Schüler  aus  der 
(irammatik  die  Sprache  zu  lernen  beginnen  und  an  dem  Gängelbaude 
derselben  paragraphenweise  fortschreiten;  vielmehr  verlangt  er,  allem 
firemdsiaraoliliclMn  Unterrieht  solle  tod  Anfimg  an  ein  gutes  Lesebnch, 
ein  Antor  sa  Grunde  gelegt  werden.  Das  solle  der  Leit&den  sein,  ao 
welchem  die  fiohfiler,  geführt  und  unterstutzt  durch  die  sichere  Band 
des  Lehrers,  sich  in  das  Gebiet  der  fremden  Sprache  hineinbegeben  müssen. 

In  dor  \'orrede  zu  den  „Grundzügen  der  französischen  Grammatik" 
spricht  sich  Dr.  Klotzsch  ausführlich  über  seine  Methode  des  fremd- 
Hprachlichen  Unterrichts  im  Allgemeinen  aus  und  weist  mit  R^cht  dar- 
auf hhiy  dass  das  Interesse  am  Inhalt  der  S^psache  den  Ansgangspimkt 
für  den  Untemeht  in  der  fremden  Sprache  bilden  müsse.  Den  Zweck 
seines  Torgenannten  Baches  kennzeichnet  er  aber  dadurch,  dass  er  sag[t, 
dasselbe  soll  einerseits  dem  Schüler  für  die  Sprachgesetze,  für  die 
Regeln  und  für  <lie  grammatischen  Bemerkungen,  die  bei  der  Leetüre 
des  Autors  gewonnen  worden  sind,  zur  Repetition  und  zur  Orienturung 
dienen f  und  andererseits  dem  Lehrer  das  zeitraubende  Dictiren  der 
geftmdenen  Begeln,  sowie  namentiidi .  der  Schemato  für  Dedination. 
Condfigation  ete.  ersparen. 


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IL  Fianzösiflcli. 


13 


Voosbulaixe  fraa9aUi  fSt  Me  ktei  rtcten  Clmiiftfiiinaffeit. 

Son  Dr.     ^aebide,  $rofeffor  an  ber  ftgt.  SanbeSfd^ute  $forta. 

(VI  lt.  120  ®.)   fit.  8.    1879.    gc^.  A  1.60. 

Wenn  sofaom  ein  Blick  auf  den  starken  Gebxaiioh  ym  Vokabularien 
fdr  den  laieiaisehen  und  grieeliitdlisn  Uatemcht  auf  den  Gedanken 

führen  konnte,  «ich  emes  Vooabolaire'anch  für  den  französischen  Unter* 
rieht  zu  bedienen,  so  erschien  ein  solches  Hilfsmittel  für  das  Französische 
um  so  nothwendiger,  als  hier  erfahrungsmässig  die  geringe  Wortkenntniss 
der  Schüler  einen  der  empfindlichsten  Mängel  ihres  Wissens  bildet. 
Allerdings  bietet  ja  die  Grammatik  und  noch  mehr  die  Lektüre  dem 
Schfiler  Gelegenheit  sich  leidHebe  Wortkenntmsse  m  erwerben;  allein 
in  der  Regel  werden  die  Vokabeln,  die  nur  eben  für  die  eine  Lektion 
gelernt  sind,  aach  schnell  wieder  yeigessen.  Es  scheint  aber  durchaus 
nöthig,  den  Schüler,  unabhängig  von  der  wechselnden  und  auch  ihrem 
Umfange  nacli  meistens  ziemlich  dürftigen  Lektüre,  in  den  Besitz  eines 
festen  Wortschatzes  zu  setzen,  auf  dessen  Verwerthung  der  Lehrer  in 
jeder  Elasae  deher  reebnen  kann.  Und  diM  Ittest  sich  itteh  der  Meinung 
des  Verfassers  am  besten  dadurch  erreichen,  dass  die  Schfiler,  neben 
der  Lektüre  und  Grammatik,  ein  den  Gynsnasialz wecken  entsprechendes 
Vocabulaire  gebrauchen.  —  Dass  das  in  seiner  Art  vorzügliche  Voca- 
bulaire  von  Ploetz  doch  den  Bedürfniesen  des  französischen  Gymnasial- 
unterrichts sich  nicht  anpasst,  bedarf  keiner  weiteren  Auueinander- 
eetznng.  Nach  dem  vom  Verf.  in  dem  angezeigten  Buche  verfolgten 
Plane  soll  der  8<^filer,  soweit  es  die  praktischen  Zwecke  der  Stmole 
räthlich  erscheinen  lassen,  möglichsi  sngleich  alle  wichtigen  su  einem 
Wortstamme  gehörigen  Ableitungen  und  Zusammensetzungen  kennen 
lernen;  er  soll  z.  B.  mit  traliir  zug'leich  trahism  und  traitre,  mit  nnpire 
zugleich  etnpereur^  imperatric<\  impericU^  mit  voie  zugleich  voyage,  voyageur^ 
envoyer  etc.  lernen.  Dass  dadurch  dem  Schüler  die  Erlernung  einer 
^prOsseren  Zahl  von  Wörtern  eiieiditert  wird,  glaubt  der  Verf.  ans  semem 
eigenen  Unterricht,  in  dem  er  die  bezeichnete  Methode  schon  länger, 
und  zwar  mit  lebhafter  Anregung  der  Schüler,  angewendet  hat,  ver- 
sichern zu  können.  Allerdings  gehört  zur  erfolgreichen  Verwerthung 
dieser  Methode  die  Vorbedingung,  dass  der  Schüler  schon  eine  einiger- 
massen  sichere  und  umfangreiche  Kenntniss  des  lateinischen  Wort- 
echatzes  besitse.  Darum  kum  das  angezeigte  Bach,  auch  abgesehen 
von  andern  Gründen,  die  es  nicht  räthlich  erscheinen  lassen,  einem 
Quintaner  oder  Quartaner  schon  ein  besonderes  Vokabelbuch  in  die 
Hände  zu  geben,  nach  des  Verfassers  Ueberzeugung  erst  von  der  Tertia 
eines  Gymnasiums  an  mit  Erfolg  benutzt  werden.  Durch  verschiedenen 
Druck  sind  die  wichtigeren  Wörter  von  den  selteneren  und  schwierigeren 
gesondert  so,  dass  eine  Vertheilung  des  gesammten  Stofibs  aaf  die  ein- 
aedain  IQasMii  ihmI  ▲bthsfloogen  ohne  grosse  Mühe  ermöglicht  ist  und 
das  auf  der  vorhergehenden  Stufe  Erlernte  in  den  folgenden  seine  Er- 
gänzung und  Vervollständigung  findet.  -  Schliesslich  sei  noch  bemerkt, 
dass  der  Verf.  weit  entfernt  davon  gewesen  ist,  das  etymologische  Wissen, 
das  ja  im  Ganzen  nicht  der  Schule  angehört,  in  den  Vordergrund  treten 
an  lassen,  und  aoelihler  geglaubt  hat,  oftmals  die  praktischen  Rücksichten 
der  Sehlde  den  wissenschaftlichen  Fordemngen  vcwsiehen  an  müssen. 

ttcBunggfc^uIe  jum  JJronjöfif^JsS^jrcj^cn.  ßcii^tc  (fjcrciticn  in 
fraiiäijfijc^er  ©pradjc  jum  ^x^ä^tn.  S5on  ®.  öan  ^ee^.  (IV 
u.  159  ©.)    8.    186y.  96^.^:1.50. 

In  diesem  Büchlein  wird  fQr  den  französischen  Unterricht  ein 

neues  ^^smittel  geboten,  welches  darin  besteht,  dass  es  leichte  Erzäh- 


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14 


langen  gibt,  welche  niclrt  übersetzt,  sondern  wiedererzählt  werden  sollen. 
Dem  Texte  der  Krzilhlimgen  auf  der  rechteu  Seite  des  Buches  steht  auf 
der  linken  Seite  ein  Vocabularium  gegenüber,  welches  nicht  alpha- 
betisch, sondern  in  (b'r>»'n»en  Reihenfolge  geordnet  ist,  in  welcher  die 
Aasdrückti  in  der  betr.  Erzählung  vorkommen.  Vermöge  dieser  An- 
leiftmig  loU  mm  die  Enlhlimg  von  dem  Sohtler  ludit  wMKch  fSbet- 
aelife,  tondem  mfladlieh.  niedeigtigebqn  woden. 
Oanaafto«  ponr  aerrür  k  l^dtode  de  la  wmwmuMxm  tmu^ain 
i  l'usage  des  commen^ants  par  0.  van  Hees.  Troisidme 

Edition.   (IV  tt.  192  8.)   8.    1874.   geh.  JK  1.20. 
Das  vorliegende  Bflchlein  ist  fttr  Kinder  beatünmty  welche  tot 
oder  neben  dem  grammatischen  üntendeht  im  FianaOsischen  auf  ange- 
nehme und  leichte  Weise  französisch  sprechen  lernen  sollen.  Dasselbe 

hat  sich  in  zahlreichen  Lehranstalten  als  durchaus  praktisch  bewährt. 

Stff^iiie  für  ^te  tran^öfif^e  (Bonner jatton.  Hudiaa^l  iti^itt  nnl 

unter^attcnbcr  Xf)catcrftücfc  jum  Ucbcrfc|cn  ou^  bcm  2)cutf(^cn 
ins  Sransöfifcfic  öon  (If)arIcS  «ranbon.  I.  X^cit.  [9Sorfd)uIe.] 
4.  Sluflagc.  (VI  u,  193  @.)  8.  1878.  gc^.  ^  1 . 50.  IL  X^U.  [3»eite 
«orjc^ule.]  2.  SluflofiC.  (IV  u.  268  ©.)  8.  1868.  gci  Jt2.25, 
Die  fhmaönsche  KomOdie  bildet  das  beale  Mittel  zur  Hebung  in 
der  Conversation.    Der  Heransgeber  hat  daher  eine  Anzahl  ursprünghcb 
französischer  Theaterstücke  in«  Deutische  übersetzt,  nm  sie  ins  Franzö- 
sische zurück  Überbetzen  zu  lassen,  und  dies  durch  zweckmässige  An- 
merkungen erleichtert.    Selbstverständlich  ist  bei  der  deutschen  Ueber- 
eeisang  aUea  milerdrfioki  wordezi,  wae  für  die  Jugend  aar  irgend  hätte 
anatötsig  sein  können.  Dnrch  vielfache  Einführung  in  Schtdian  ist  der 
Werth  und  der  Nutzen  dieser  Uebungabäoher  bereits  aUgmein  anerkam^ 
Der  Inhalt  der  beiden  Bändchen  isst  folgender: 
I.  Bündchen:  Da8  Huhn.    Lustspiel  in  einem  Akt.  —  Der  Rasende. 
Lll^t^piei  in  einem  Akt.  —  Die  Spieler.    Drama  in  einem  Akt.  — 
Diu  Jagdpartie  Heinrichs  IV.     Lustspiel  in  zwei  Akten.  — 
Die  Verschwenderin  oder  das  Verm&ehtniss.  Drama  in  einem 
Akt  — ^  Vaterliebe.    Drama  in  einem  Akt  —  Zwei  Worte  oder 
eine  Nacht  im  Walde.    Drama  in  einem  Akt.  —  Der  Taube 
oder  das  überfüllte  Gasthaus.    Lustspiel  in  einem  Akt. 
II.  Bändchen:  Die  beiden  Pagen.     Drama  in  zwei  Akten.  —  Der 
Launenhafte  oder  wie  man   sich  bettet  so  schläft  man. 
Dramatisches  Sprichwort  in  einem  Akt. — Die  kleinen  Leiden  des 
mensohlichen  Lebens.  Lnstspiel  in  einem  Akt  —  Johann  oder 
die  Frflchte  der  Erziehung.    Lustspiel  in  drei  Abtheflnngen.  — 
Er  geht  auf's  Land.   Lustspiel  in  dni  Akten. 

gftiijifif^e  (Bthi^U  ^nm  Kttlmeitbiglmtfit,  {ltifniiita^i|  fttrla^ 

fftr  \eäfi  Sk^ulja^re  unb  mit  etl&utetnbett  SCnmeirfungen  tiecs 
fe^n  bon  ttaxl  ftaifev,  Strettor  ber  l^^txta  Zd<l^tetf(^ttle 
Satmen.  (vm  n.  144  6.)   8.   1872.   ge^.  1.20. 

An  französischen  Gedichtsammlungen  ist  kein  Mangel,  wohl  aber 
an  solchen,  die  den  Bedür&iissen  der  Schule  entsprechen.  Denn  es  ge- 
mx^t  keineswegs,  Altes  und  Neues,  Gutes  imd  Mittelmässiges ,  Leichtes 
und  Schweres  aus  dem  Schatze  der  Literatur  zusammenzutragen,  sondern 
fflr  ein  Schulbuch  darf  nur  das  Beste  und  von  diesem  nur  das  fär 
Kinder  durchaus  Geeignete  auagewählt  werden,  zumal  wenn  es  sich  um 
Memoxuaioff  handelt;  auch  mnsa  das  so  gesiehiete  and  anf  das 
richtige  Maass  beschränkte  Material  nach  der  Sohwiejigkeit 


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II.  Französifloh. 


15 


des  Verständnisses  stufenweise  geordnet  und  auf  die  ganie 
Schulzeit  vertheilt  werden.  Nach  diesen  Grundsätzen  ist  die  vor- 
liegende Sammlung  bearbeitet.  Ausführlicher  hat  sich  der  Verfasser  in 
seiner  Abhandlung  „über  das  Auswendiglernen  deutscher,  französischer 
und  englischer  Gedichte'*  aasgesprochen,  welche  durch  alle  Buchhand- 
lungen gratis  zu  beziehen  ist. 

Po^sies  fran9si8eB  propres  h  dtre  apprlses  par  coeur  dans 

les   6coles  allemandes,  choisies   et  arrangt-es  par  EshusiüS. 

8.    1871.    Premiere  partie.    (IV  u.  152  S.)    relie  A  1.20. 

Seconde  partie.    (VIII  ii.  244  S.)    reli6  A  1 . 80. 

Der  Verfiasser,  Oberlehrer  an  der  Kealschule  1.  Ordnung  in  Halber- 
stadt, widmet  unter  den  obigen  Titel  den  dentedbien  Schulen  eine 
Sammlung  ron  en&hlenden  und  beschreibenden  ftanaOsischen  Qedkhten, 
welche  neben  den  yorhandenen  prosaischen  Lesestoffen  und  grösseren 
dramatischen,  epischen  und  didaktischen  Dichtungen  eine  reichhaltige 
Auswahl  für  Deklamationsübungen  bieten,  die  nicht  nur  den  grammati- 
kalischen und  lexikalischen  Sprachschatz  des  Schülers  befestigen  und  er- 
weitem, sondern  in  den  fremden  Formen  zugleich  seinen  Geist  und  sein 
Gemüth  bilden  und  ihn  frühzeitiff  in  die  ansiindische  Literatur  einführen. 
Ffir  den  letzteren  Zweck  sind  die  hervonragenden  Dichter  des  17.  nnd 
des  19.  Jahrhunderts  besonders  berflcksichtigt  und  jedem  Bande  bio- 
graphische Notisen  beigegeben. 

Le  Urxe  des  demoiBellefl,   IBin  framöfliaolies  Leaebuoh  für 

IfSdchensclinleii  mit  einem  yoUstSndigen  Wörterbucbe  von 

H.  Babbieux.  6.  n.  7,  Anfl.  gr.  8«  L  CurBiis.  7.  Aufl.*  (VI 

XL.  SO  S.)  geh.  1876,       --.75.  IL  Cnrsiis.  a.  Aufl.  (YIU 

u.  306  8.)    geh.    1873.        2  .35. 

La  wenigen  Jahren  sind  von  diesem  Lesebnehe  seehs  starke  Anf- 
lagen  nöthig  geworden,  ffewiss  der  beste  Beweis  fdr  seine  praktische 
Brauchbarkeit.    In  der  That  wird  es  kaum  ein  anderes  französisches 

Lesebuch  geben,  welches  eine  für  die  weibliche  Jugend  so  interessante 
und  durchaus  zweckmässige  Auswahl  von  Lesestücken  darböte,  als  das 
vorliegende.  Dasselbe  .  ist  daher  auch  fast  in  allen  bedeutenderen 
Mädchenschulen  Deutschlands  znr  Einführung  gelangt. 

ttebungSBu^  für  bcn  fran^oftf^en  llnterriii^t  in  ben  unteren 

Staffen  ^öf)erer  fic^)ranftaltcn,  fowie  für  ben  (SJebrauc^  tion  £e^rer= 
©eminarien,  Sülittelfd^ulen  u.S3ürgerjd)ulen.  SSon  Dr.Sbm.gronf e, 
©^mnafialle^rer  in  Söcntl^cn  D.s@.  (IV  u,  144  @.)  gr.  8. 
1876.  gel^eftet  JC  i .  80. 

%tMimiit% '  UttuntStnii  für  bie  ntittleren  AlaKnt  |S|em 
Sk^rrniptttoi  twn  Dr.  Sbm.  fSxanU,  ®\)mm\xa^U^)ttt  in  Oeut^en 
C.*6.   (VIII  u.  166  ®.)    ^x.  8,    1877.    ge:^.  J[  2.— 
I.  Wenn  gegenw&rtig  der  französische  Unterricht  anf  höheren  Lehr- 
'anstalten,  bei  aller  BerücKsichtigung  des  formell  Grammatischen,  doch 
TOrzugsweise  den  Zweck  verfolgt,  die  Schüler  möglichst  rasch  zum  Ver- 
ständniss  französischer  Schriftsteller  vorzubereiten  und  nach  und  nach 
zu  einem  tieferen  Eindringen  in  den  Geist  der  französischen  Sprache 
nnd  Litteratur  zu  befähigen,  so  dürfte  die  Hauptaufgabe  des  grade  in 
■^esem  Lebrfache  so  wichtigen  Anfangsunterrichtes^  neben  der  gründ- 
lichen Einflbong  der  regehnftssi^en  Formenlehre,  wohl  eine  angemessene 
Vorbereitimg  rar  die  Lectiire  sein. 


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II.  Französisch. 


Ein  unter  diesem  Gesichtspunkte  gearbeitetes  Uebungabuch  für 
die  unteren  Khissen  höherer  Lehranstalten  wird,  trotz  der  bedeutenden 
Leistungen  aal'  diesem  Gebiete,  nicht  gerade  als  überflüssig  ert-chemeiL 
WdiiigBtenä  glaubte  der  Verf.  den  Versuch  wagen  zu  dürfen,  durch  eine 
sorgfiitige  Auswahl  und  sweckm&stige  Yertheilnng  dee  gramimligcben 
Stoffes,  durch  ratehet  und  systematiiches  Fostsehreiten  vom  Leiditenn 
zum  Schwereren,  endlich  durch  Unterordnung  alles  Kebensächlichen  unter 
das  ins  Auge  gt^fasste  Hauptziel  dem  Lehrer  seine  schwierige  Arbeit^ 
wenn  auch  nur  um  ein  Kleines,  erleichtem  zu  helfen. 

Nach  einer  kurzen  Einb'itung,  welche  das  Wichtigste  über  die 
Atissprache,  fenu  r  Leseübnngen  und  einige  grammatische  Vorbemerknogen 
enth^t,  vdrd  in  der  ersten  Abtheilung  (§§  1 — 18)  die  Flexion  der  Nomina 
und  zugleich  die  Coigugation  der  Hilfszeitwörter  avoir  und  etre  be- 
hftBdelt,  wobei  die  Lehre  TOB  den  Artikdn  gebflhreiidemassen  ni  dn 
Vordergmiid  tritt» 

hl  der  sweilen  Abth.  (§§  19->3l)  wird  die  regelmässige  Con- 
jngation  pin^otibt  und  swar  derart,  dais  immar  dae  Verwandt«  n- 
sammen/L^estellt  wird. 

Die  dritte  Abth.  (§§  32 — 46)  befasst  sich  mit  den  schwierigeren 
CoiBgugatioDBformen,  mit  den  Pronominen  und  den  orthographiickei 
Eigeaflilimllehkeilen  gewiner  Yeiben. 

Der  Vorbereitong  für  die  Leetüre  dient  voraahmlicli  die  tmiIi 
Abth.  (§§  47—61),  welche  in  aller  Kürze  die  Lehre  TOn  den  übnge& 
Wortarten,  sowio  von  den  Länder-  und  Stildtenamen  und  der  Apposition 
behandelt;  <lie  letzten  beiden  Pai-a<^raphen  fassen  zusammen,  was  vom 
Gebrauche  der  Infinitive  und  Participien  zum  Verstandniss  eines  leichterta 
Schriftstellers  nothwendig  zu  sein  scheint. 

Jeder  Abtheilung  ist  eine  Cei\jugatioaata>belle  angehängt,  der 
ersten  die  von  avoir  und  §tre,  der  zweiten  die  der  regelmässigen  Zeit* 
Wörter  im  Activ,  der  dritten  die  der  passiven  und  reflexiven  Formen, 
die  vierte  beschlies^^t  eine  Tabelle  mit  den  Grundformen  YOn  ^6  Jisofig 
vorkommenden  iinrc^'t-lniässigen  Verben. 

Als  geeignet<'8  Material  zu  Satzzerlegungen  sowie  als  Prüfstein 
für  die  gewonnene  Fertigkeit  im  Uebersetzen  mögen  die  zusanunenhüDgen- 
den  LeMstOeke  am  Ende  angesehen  werden. 

In  dem  WOrterreneieäiiiss  stehen  die  fm  den  teuönsohflD 
deutschen  Uebungsstüoken  yorkommenden  Vocabehi  nadi  Paragraphen 
geordnet;  Wiederholungen  sind  dabei  möglichst  yermiedeiL 

Die  Anordnung  der  Üebungsbeispiele  in  den  einzelnen  ParagnHJfc» 
ist  der  Art,  dass  in  den  deutschen  Stücken  keine  Schwierigkeiten  vor- 
kommen, deren  Bewältigung  nicht  in  den  darüber  stehenden  frsDi 
Stück t'ii  gelehrt  wäre,  bei  der  Wahl  der  Uebungssätze  dagegen  ist  die 
Rücksicht  auf  einen  anregenden  oder  belehrenden  Inhalt  nicht  die  letzte 
gewesen. 

n.  Dae  ^!7ebungabudi  f&r  die  mittleren  ElasMtt"  ist  bestimmt,  dne 

Fortsetzung  und  Ergänsung  des  üebungsbuches  für  die  unteren  Klassen 
höherer  Lehranstalten  zu  bilden.  Es  soll,  wie  dieses,  einerseits  daza 
dienen,  dem  Scliüler  für  den  späteren  h^ystematiHchen  Unterricht  in  d^r 
Grammatik  die  unentbehrliche  formale  Grundlage  zu  verschaffen,  zugleicli 
aber  auch  ihn  mit  demjenigen  Erscheinungen  der  Syntax  bekannt  macken, 
deren  —  wenn  auch  nur  elementare  —  Kenntnisa  bei  der  Leetüre  fican* 
zösischer  Schriftsteller  vorausgesetsEt  werden  mnss. 

Dem  eben  boMichneten  Doppelsweoke  entspricht  die  Anozdann? 
und  Einrichtung  dieses  Uebungsbucnes,  dessen  erste  fi&lfte  die  Wieder- 
holung und  Erweiterung  der  Formenlehre,  insbesoDdere  aber  die 


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n.  Französisch. 


• 

17 


übnng  der  nnregelmässigen  Zeitwörter  zum  Gegenstande  hat,  während 
im  zweiten  Theile  die  wichtigsten  Regeln  über  den  Gebrauch  der  Nomina 
und  Verba  durch  geeignete  Beispiele  zur  Anschauung  gebracht  werden. 

Die  Uebungsbeispiele  des  ersten  Theiles,  sowie  die  den  Beschluss 
desselben  bildenden  Uebersetznngsstücke  sind  sämmtlich  deutsche,  weil 
ntnr  solche  zxa  raschen  und  sicheren  Einfibnng  der  nnregelmässigen 
Nominal-  und  Verbalfornion  geeignet  zu  sein  schienen.  Dem  zweiten 
Theile  dagegen  durften  französische  Beispiele  um  so  weniprer  fehlen,  als 
in  ihm  die  Aufgabe  gelöst  wefden  soll,  durch  Gruppen  gleichartiger 
Mustersütze,  ohne  vorangeschickte  grammatische  Erläuterung,  die  wich- 
tigsten syntaktischen  Spracherscheinungen  derart  zu  chiirakterisiren,  dass 
der  Schmer  Ton  ihnen  eine  znnftchsfc  ansreichende  praktische  Kenntniss, 
wenn  auch  noch  keine  theoretische  Erkenntuiss  gewinnt. 

Eine  bestimmte  Grammatik  ist  dem  üebnngsbuche  nicht  zu  Grunde 
gelegt  worden;  aber  die  Einrichtung,  dass  jeder  Paragraph  als  Ueber- 
schriit  eine  genaue  Inhaltsangabe  trägt,  wird  den  Gebrauch  des  Buches 
neben  jeder  Schulgrammatik  ermöglichen. 

Anf  die  Form  nnd  den  Inhaft  des  Uebersetsmigsinateriab  ist  eine 
möglichst  grosse  Sorgfalt  verwandt  worden.  Die  französischen  Beispiele 
sind  fiEust  ohne  Ausnahme  den  klassischen  Autoren  oder  dodi  anexkamit. 
guten,  vornehmlich  historischen  Schriftstellern  entnommen  und  in  ihrer 
äusseren  Gestalt,  soweit  es  anging,  abgerundet  worden.  Bei  der  Fassung 
der  deutschen  Beispiele,  welche  grösstentheils  denselben  Quellen  ange- 
hOien^  hat  die  Anwendung  einiger  Zeichen,  welche  den  Text  kaum 
merUich  nnterbrechen,  genügt,  nm  fiberall  da,  wo  es  nOthig  schien, 
ffinweicningen  anf  eine  verschiedenartige  Wiedergabe  in  dem  fremden 
Idiom  anznbringen.  ohne  deswegen  der  natnrgemässen  Aosdmcksweise 
der  Muttersprache  Gewalt  anzuthun. 

Bei  der  Zusammenstellung  des  nach  Paragraphen  geordneten 
WOrterverzeichniases  ist  das  regehnässige  Memoriren  der  in  den  Uebungs- 
stficken  ▼orkommenden  Yocabeln  als  eine  nicht  za  umgehende  Noth- 
wendigkeit  voransgesetzt  worden. 

UebungSfiufl  3um  UeÜerfe^en  au§  bem  ^eut|(^ett  ins  $ran)o{tfi|e 

t)on  Dr.  |)erm.  SGBen^et,  ^irector  am  (5Jt)mnaftum    ^cut^en  D.^©. 

uttb  Dr.  @b.  Sranfc,  6Jt)mnafiaüe()rcr        S3eutJ|en  D.s®. 

(IX  u.  204  (5.)    gr.  8.    1875.    ge^.  A  2.40. 

Seit  längerer  Zeit  mit  dem  friinzösischen  Unterricht  ^n  den  oberen 
a>sen  betraut,  haben  die  Verfasser  sich  der  Wahrnehmung  nicht  ver- 
schliesaen  können,  dass  ein  Uebungsbuch,  welches,  im  Anschluss  an  eine 
bewftbxte  nnd  Terbreitete  Sobnlgrammatik  sich  die  Anfsabe  stellt,  die 
Regeln  der  fhuisOflischen  Syntax  durch  eine  Reihe  soigfutig  ausgewähl- 
ter Beispiele  und  zusammenhängender  Stücke  einzuüb^^  anf  eine  fretmd- 
liche  Aufnahme  von  Seiten  der  Fachgenossen  rechnen  darf.  Abgesehen 
davon,  dass  ein  häufigerer  Wechsel  in  <len  zur  Einübung  des  gramma- 
tischen Lehrstoffes  bestinmiten  Büchern  wünschenswerth  erscheinen  muss, 
iit  auch  die  2ahl  deijasiffen  Mcher»  welche  Ihrem  Zwecke  völlig  ent- 
sprechend eingerichtet  sind,  eine  noch  immer  sehr  beschränkte  zn  nennen. 
Denn  wfthrend  einige  Verfasser  ihr  werthvolles  Material  aixf  eine  Weise 
ftliordnen,  durch  die  dem  Lehrer  seine  Aufgabe  eher  erschwert  als  er- 
leichtert wird,  lassen  wol  andere  ein  festes  Princip  in  der  Aufeinander- 
folge der  Beispiele  nicht  vermissen,  beeinträchtigen  diesen  Vorzug  aber 
dadurch,  dass  tde  dieselben  ssum  grossen  Theile  ans  einer  Sphäre  ent> 
nehmen,  die  tief  nnter  dem  geistigen  Standpunkt  der  SohiUer,  für  die 
sie  berechnet  sind,  steht    Beide  Mftngel  smd  so  viel  als  möglich  in 


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18 


II.  Französisch. 


diesem  üebung^slnich  vermieden.  In  der  Anorcbiung  der  Reg-eln  schlössen 
sich  die  Verfsisser  eng  an  die  , .Französische  Schultjrammatik  von  Dr 
Heinrich  Knebel"  (13.  Aufl.  Koblenz  1873)  an,  einem  Werke,  dessen 
nicht  ffenng  zu  schätsendes  Yerdieut  dann  berteht,  dus  es  die  geistige 
Thlti^rait  der  Lernenden  in  hohem  Grade  in  Anspraeh  m  nehmen  Ter- 
lieht  Qod  aich  in  dieser  Beziehung  würdig  den  Grammatiken  der  alt^n 
Sprachen  anreiht.  Indem  sie  diese  Grammatik  zu  Grunde  legten,  be 
obachteten  die  Verfasser  das  Verfahren,  dass  jeder  einzelne  Paragraph 
und,  wenn  dieser  zu  umfangreich  erschien,  kleinere  Abtheilnngen  des- 
selben  mit  Sätzen  zur  Einübung  der  in  demselben  enthalteneu  Begeln 
yersehen  und  jedem  Abschnitt  eine  LihalMbexsieht  gegeben  wude, 
durch  die  die  Öenuteung  dieses  TJebungshuches  auch  in  den  AnstaMen 
ermöglicht  wird,  in  welchen  die  KnebeFsche  Grammatik  nicht  ein- 
geführt ist.  Was  den  Inhalt  der  Beispiele  betrifft,  so  ist  es  das  Bestreben 
gewesen,  nur  solche  zu  geben,  die  ein  abgeschlossenes  Ganze  bilden  und 
durch  ihren  fast  durchweg  belehrenden  Inhalt  dem  Schüler  auch  einen 
liiKl  uugs 8 to ff  zuführen,  der  in  ähnlichen  Sammlungen  nur  za  oft  ver- 
misst  wird.  Von  der  praktischen  Tenrendbarkeit  eines  grossen  Theiles 
dieses  gesammelten  üebnngsmaterials  haben  sich  die  YerfEMser  bereits 
durch  seine  Vcrwcrthung  im  Unterricht  zu  überzeugen  Gelegenheit  gehabt 
Am  Schlüsse  eines  jeden  grösseren,  selbständigen  Abschnitte? 
sind  längere  Sätze  und  zusammenhängende  umfangreiche  Stücke,  in 
denen  die  in  demselben  enthaltenen  Regeln  eine  stete  Berücksichtigimg 
ünden  und  die  sich  daher  Yorzugsweise  zu  schriftlichen  Uebongen  odei 


IRatenalictt  junt  ttcberfe^ett  au8  bem  Seutfi^en  inS  ^ronsipf^ 

für  bie  oberen  ftlaffen  ^5^ev  @d^uten.  ißon  Dr.  Sb.  ^ot%Ux, 

Cttbrcctor  am  (B^naflttiii  su  Snmbenbiitg  a.  ^.    L  Z^: 

Das  Wtert^ttm.  (vn  it.  282  6.)  gr.8.  1872.  ge^.  ^  2.40. 

Diese  Kateiialien  unterscheiden  sich  von  fihnHehen  Uebungsbüchem 
▼omehmlich  dadurch,  dass  durch  dieselben  ein  ernsteres  und  tieferes 

Stu<lium  der  französisdien  Sprache  bezweckt  werdan  sqU,  damit  £e 
Schüler  der  oberen  Klassen  zur  Erkenntniss  gelangen,  dass  die  franzö- 
sische Sprache  eine  höhere  Achtung  verdient,  als  ihr  besonders 
Gymnasien  zugestanden  wird.  WennErleich  der  Stoff  in  diesen  Mate- 
rialien nur  ein  rein  historischer  ist  und  zwar  in  diesem  ersten  Bändcheu 
aus  dem  Alterihum  entnommen  (in  einem  zweiten  und  dritten  Bändcheu 
soll  das  Mittelalter  und  die  Neuzeit  auf  Ähnliche  Weise  behandelt  werden), 
80  ist  er  doch  so  mannigfaltig  an  Inhalt  und  Form,  dass  er  ein  leb- 
haftes Interesse  der  Schüler  oljerer  Klassen  erwecken  wird.  Allerdings 
tritt  der  gesellschaftliche  Ton,  die  Anleitung  zu  einem  oberflächhchen 
Plappern  des  Französischen,  als  der  hohen  Aufgabe  der  Gymnasien 
nicht  anKemessen,  in  den  Hintergrund;  dasegen  sollen  die  Schüler  der 
oberen  Küssen  höherer  Schulen  durch  diese  Materialien  an  eigene  Thätig- 
keit  gewöhnt  und  durch  gründliche  Vorbeseitong  su  einer  grOsseoi 
Sichemeit  in  der  Sprache,  die  einen  so  bedeutenden  Einfioss  auf  die 
allgemeine  Geistesbewegung  gehabt  hat  und  noch  hat,  hingeführt  werden 
Zugleich  beabsichtigt  der  Verfasser,  dass  die  Schüler  hierdurch  Gelegen- 
heit erhalten,  die  Hauptmomente  aus  der  alten  (ieschicht^  zu  repetieren 
und  dm'ch  freie  Vorträge  lebendig  zu  machen.  Ist  hier  ein  fester  Grund 
gelegt,  so  wird  sich  die  Umgangssprache  leichter  und  erfol^eicher  as- 
eignen  lassen.  Das  oberflächliche  rlappem  fiOhrt  leicht  su  einer  Ober- 
fl&chlichheit  des  Charakters,  das  ernstere  Stadium  einer  Sprache  sidiert 
daror  und  ist  darum  von  einem  unberechenbaren  sittlichen  Werthe. 


II.  Franzdakch. 


cnbioiz  de  eontes  povr  la  jenneflae  par  H.  O.  Andonen, 

tradnii  par  Ohablbs  Beakdok.   Aveo  beaueoup  d'illustratioiis 

daiiB  le  torie  et  neiif  grands  sigets  tir^s  k  part  Tiroisidme 

6diüon.    (Vm  xl  819  8.)    8.    1875.   eari  A  B.76. 

'Für  die  in  der  französischen  Sprache  schon  mehr  vorgeschrittenen 
Schüler  and  Schüleniineii  mOchte  es  kaTon  eine  sweekmftsBigere  ond 
intexessantere  Lektflre  geben,  ale  diese  Yortreffliohen  Mttrchen  Andenens. 

Sigifimond  Hustig  ou  le  naufrage  du  pacifique.  Nouveau 

Robinson  par  le  Capitaine  Marryat.    Traduit  par  Charles 

Brandon.    Troisidme  edition.     Avec  94  gravures.     (VUI  u. 

325  S.)    8.    1876.    reli6  JC  4:.bO. 

Der  bekannte  Marryat'scbe  Robinson  —  in  Eng"land  und  Deutsch- 
land  in  vielen  Auflagen  verbreitet  —  wird  hier  den  Unterrichtsanstalten 
in  einer  vortrefflichen  französischen  Uebersetzung  als  ein  französisches 
LeBebach  dazgeboten^  welches  bereite  in  eahlreicben  Scholen  Eingang 
gefimden  hat; 

Nonrean  diotionnalre  de  poohe  firan9ai8  et  allemand.  Keneatee 

Taschenwörterbuch,  französisch  und  deutsch.  Von  Dr.  P.  E. 
Feller.  31.  Aufl.  2.  Bändchen.  (I.  Bd.  II  u.  381  S.  II.  Bd. 
II,  306  u.  47  S.)  32.  1877.  geh.  in  1  Band  A  1.50, 
einzeln  jedes  Bändchen  JC  1 .  — ,  geb.  in  1  Band  JL  2 . 25,  geb. 

2  Bändchen  mit  Etui       3 . — 

Ifenestes  Taschen -Wörterbuoh,  deutsch,  engliaoh  und  fran- 
zösisch. Von  Dr.  F.  E.  Peller.  3  Bändchen.  (l.  Bd.  IV 
u.  376  S.  II.  Bd.  IV  u.  510  S.  lU  Bd.  IV  u.  454  S.)  Neunzehnte 
Auflage.   32.  1876.  geh.  jeder  Band  ä  «4Ü  1 . 20;  s&mmtliche 

3  Bande  in  engL  Leinwand  gebunden  und  in  Etui  JL  6,10. 

Schulausgabeu 
franz^ysischer  Schriftsteller  mit  deutschen  Anmerkungen. 

Iie  passage  de  la  B^rözina  par  le  comte  de  Sägur,  oder 
XL  Buch  aus  Sögur's  histoire  de  Napoleon  .et  de  la  grande 
arm^e  pendant  Tannöe  1812.  Mit  einer  ISnleitung,  saohlichett 
und  sprachlichen  Anmerkungen,  einem  Anhange  und  einer 
Eiarte  herausgegeben  von  F.  G.  Sotwaxjiach,  Oberlehrer  an 
der  Bealschule  L  Ordnung  zu  Sprottau.  (IV  u.  189  8.) 
gr.  8.    1873.    geh.  .^1.60. 

Xies  femmes  savantes,  comödie  de  Molidre.  Mit  einer  Einleitung 

und  erläuternden  Anmerkungen  herausgegeben  von  Dr.  C.  Th. 
LioN.    (IV  u.  144  S.)    gr.  8.    1872.    geh.  A  1.35. 

Iie  Tartnfe,  oomödie  de  Moli^.  Mit  einer  Einleitung  nnd 
erläuternden  Anmerkungen  herausgegeben  von  Dr.  C.  Th.  LIon. 
(IV  u.  182  S.)    gr.  8.    1871.    geh.  JL  2.2b. 


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20  FranzösisclL 


Ii»  Bovzgeoie  gentUhoauM ,  ratödia  de  Xöli&n«  Texte 
reyu  et  aoeompagnö  dt  nonibireiisei  remarques  en  fran^ais,  en 
aUenaad  et  en  anglais,  par  A.  Kobul,  Dr.  en  pbiloeophie 

et  professeur  de  fraiK^is  an  College  Saint-Thoinas  ä  Leipsic. 
(VI  u.  84  S.)    gr.  8.    1877.    geh.  JC  1.— 

Le  Misanthrope,  comMie  de  Moli^«  Hit  einer  Einleitniig 
und  erklttrenden  Anmerkungen  herani^geben  von  C.  Th.  JAoVj 
Dr.  phü.,  Rector  der  höheren  Bfligerschnle  zu  Langensalza» 
(144  S.)    gr.  8.    1877.    geh.  1.80. 

Kaoine^s  Athalie.  Mit  Emleitiing  und  deutschem  Commentar 
von  Adolf  Laum.  (IV  u.  96  S.)  gr.  8.   1876.  geh.  1.20. 

  Andromaque.  Mit  deataehem  Oommentar  und  Ein- 
leitung von  Adolf  Laün.  (IVn.86S.)  gr.8.  1877.  geh.UCl.20. 

 Mithridate.   Mit  deutsohem  Commentar  und  Einleitung 

von  Adolf  Laün.  (IV  u.  83  S.)  gr.  8.  1878.  geh.  JLl,— 

Ausgewählte  Lieder  dee  J.  P.  de  Böranger.    Für  den  Sohnl- 

gebraiich  erklärt  von  Dr.  G.  Völcker,  Gymnasiallehrer  in 
Prenzlau.    (IV  u.  92  S.)    gr.  8.    1877.    geh.  A  —.90. 

Avagewililte  oraiaona  flmdbree  dee  J.  B*  Boamelu   Mr  den 

Schnlgebranoh  erklttrt  von  Dr.  G.  YQlcjsbsl  (115  Sw)   gr.  a 

1877.  geh.  1.20. 

Oonsid^rations  sur  les  oauses  de  la  giandenr  des  BomaiBS 
et  de  leur  d^adence.  Par  Montesquieu.  Für  den  Schulge- 
branch  erUftrt  von  W.  Wendler.  (IV  n.  172  S.)  gr.  8.  1871. 
geh.  JH  1 . 50. 

Ausgewählte  Dramen  von  Corneille.    Für  die  oberen  Klassen 

höherer  Lehranstalten  herausgegeben  von  Dr.  K.  Brunnemann, 
Director  der  Realschule  1.  Ordnung  zu  Elbinir  I.  Band. 
Le  Cid.    (VI  u.  68  S.)    gr.  8.    1877.    geh.  JLl.— 

  IL  Bend*    Horaoe.    (XV  u.  75  8.)    gr.  8.  1877. 

geh.      — .90. 

Le  Tene  d'ean,  on  les  effete  et  les  eanses.  Oomödie  de 
SoBiBB.  Ißt  einer  Einleitung  und  erklärenden  Anmerkungen 
herausgegeben TonERBSSHBB.  (87  3.)  gr.8.  1878.  geh. «4(1.— 

Les  arts  et  les  scienoes  dans  le  siöcle  de  Louis  XTV.  Voltaire's 
y,le  si^Ie  de  Louis  XIV entnonunen.  Ffir  den  Schulgebrauch 
heransgege'ben  und  mit  Anmerkungen  versehen  von  Fb.  Xat. 
Seidl,  Kgl.  Spraeblefarer  an  der  Eealscinile  und  am  Egl 
Studienseminar  In  Neuburg  a.  D.-    (VI  n.  40  B.)     gr.  8. 

1878.  geh.  Jt  —.60. 


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III.  Italienisoh.  —  IV.  Spanisch.  21 


Histoire  de  la  revolution  fran^aise  depuis  1789  jusqu'en  1814. 

Par  M.  MiGNET.  Herausgegeben  und  mit  sprachlichen,  sachlichen 
und  geschichtlichen  Anmerkungen  versehen  von  A.  Kqrell, 
Oberlehrer  am  Thomas-Oymnasium  in  Leipzig.  I.  Band:  In- 
troduction  et  Assemblee  Constituante.  (VIII  u.  119  S.) 
gr.  8.    1877.    geh.  JCl.öO. 

Aa  eoin  du  feu  par  Bmile  SouTestre.   Hexaiugegeben  imd 

mit  Anmerktuigen  yeneben  yon  Dr.  0.  Schulze,  ord.  Lehrer 
an  der  Bealsehule  L  0.  ssn  Gera.  L  BSmdehen.  Mit  zwei 
Anhängen.   (VI  tu  80  S.)   gr.  8.  1879.   geh.  1.— 


III.  ItaUemsch. 

.  Dizionario  italiano-tedesoo  e  tedesco-italiano.    CompOBto  Bul 

migliori  dizionarii  ed  arricchito  dei  termini  proprii  del  commercio  e 
deir  industria.  —  ^'^anbtüijrterbu  ber  itatienijdjen  unb 
beutjd^en  ©pracfie.  58on  Dr.  g.  Seiler.  ^a(^  ben  beften 
Dueüen  mit  S3erürf)id)ti(^un9  ber  faiifmännifc^en  u.  tec^nifd^en  Zmnu 
notogte  bearbeitet.  2  i^eite  in  1  S3anbe.  4.  Slufl.  (I.  ^beil  IV 
u.  418  6.  IL  X^eil  IV  u.  686  (©.)    8.    1873.    ge^.  <^  5.— 

üTuoTO  diBionario  portatile  italiano-tedesoo,  tedeseo-italiano. 

Arriechito  d'una  gran  qnantitä  di  Yocaboli  relativi  al  commercio, 
alle  strade  ferrate  e  ai  yapori.  —  Neues  Taschenwörterbuch 
der  italienischen  und  deutschen  Sprache  für  Reisende  und 
zum  Schulgebrauch.  Von  Dr.  P.  B.  Fbllbr.  Mit  Berücksichtigung 

der  gesammten  kaufmännischen  Terminologie,  sowie  der  neuesten 
Ausdrtlcke  in  Bezug  auf  Eisenbahnen,  Dampf  böte  u.  s.  w. 
2  Bändchen.  17.  Aufl.  32.  1876.  geh.  in  1  Bd.  Ji^  2 . 25.  geb. 
in  engl.  Leinw.  in  1  Bd.  Jt  3 .  — ,  in  2  Bdn.  mit  Etui  JCS  .7o. 
Einzeln  jedes  Bändchen  geh.  a  JC  1.35.  Vol.  I.  Italiano-tedesco. 
(n  u.  532  S.)  VoL  n.  Deutsch-itaüenisch.  {11  u.  409  S.) 


IV.  Spanisch. 

^ueyo  dioeionario  de  las  lengoas  OasteUana  y  Alemana  el 

mas  completo  que  se  ha  publicado  hasta  el  dia.  Compüesto 
segun  las  i&ltimas  ediciones  de  los  dicdonarios  de  Don  Vicente 
Saly4,  Blanc,  Rosa,  Sedcendorff,  el  gran  diccionario  nadonal 
de  Dominguez,  y  multitad  de  monografias  te  toda  suerte  j 
compendioB  especiales  de  ciencias,  artes,  industria  y  commercio 
publicados  en  Espana  y  America.  Quinta  edicion  emendada  y 
aumentada.  3^eue[te^  u.  üoUftdnbiäite^  ©panijc^  =  S)eut jdje» 


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22 


vttb  1^futfc^:@pant{(^e9  l^anbMdtterbuc^.  ^on  $ 

ilrf 0 jjij.  aJiit  ^öenu^unfl  ber ©örterbütbcr öon @aba,  93Ianc, 
Secfenborff,  X^omingue^  u.  einer  grofjcn  ^2üi^qI)(  oon  S^Jecialfd 
oder  2lrt  nod)  bem  jc^igeu  Sta^^c  ber  Sittcratur  unb  m 
IPiibcrcr  9iücffid)t  auf  !äBi)leujd)aitcn,  fünfte,  Snbuftric  u.  4 
bearb.  5.  öerb.  u.  ücrm.  5hifl.  2  iöbc.  8.  1874.  gel).  1 
©iiijelu:  1.  S3anb.  ©paiüfc^^^cutic^.  (XII  u.  1132  8. )  JC^ 
U.  lOanb.    2)eutid)^<Spamic^.   i,vm  u.  794  8.)  4.i 


NiMTO  dtooloiiwlo  porÜtUd«  Im  limgnu  OufeellHia  y  Alei 

el  mas  oompleto  quo  se  ba  pnblkado  liatte  el  dia.  9laiefte0  iL  j 
Xafd^eittodvterbitc^  b.  f))ani)(^en  iLbeutfc^en  @)>rac^e.l 
3.^oo(^'9(rfof)Q.  9ta4  feinem  grd^eten ^onbiviHrterbttc^e  h 

2  ©änbc  I.  ©anb:  @pani)c^=3)eiitf(^.  (Vin  u.  696  8.)  II.  S 
2)eutjc^^£paiiijd^.  ^Vlllu.ö263.)  3.2lufL  16.  1877.  c[e^. ,^4 


Druck  von  B.  G.  Tenbner  in  Lt^psif. 


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ZWEITE  ABTELLITNG  (118b  BAND). 


Seite 

63.  Die  einübung  der  conjugation  des  griechischen  verbums 

in  der  schule,    von  W.  Vollbrecht  in  Ratzeburg  ....  569  587 

64.  Die  lateinischen  Sprech-  und  schreibübungen  auf  grundlage 

der  lectüre.    von  J.  H.  Schmalz  in  Mannheim   588—600 

65.  Die  politische  bedeutung  von  Lessings  'Minna  von  Barn- 
helni'.    preuszische  schulrede  an  kaisers  geburtstag,  den 

22n  märz  1876,  gehalten  von  Ä.  Boxberger   600—608 

66.  P.  Wesener:  lateinisches  eleraentarbuch.     Ir  teil  (sexta) 
(Leipzig  1878).    angez.  von  Heine  in  Weissenburg  .    .    .  609 — 612 

67.  Zur  prograramfrage.    von  Stammer  in  Düsseldorf     .    .    .  612—613 

68.  Fünfte  ordentliche  hauptversammlung  des  Vereins  von  lehrern 
höherer  lehranstalten  der  provinz  Schlesien,  von  G.  Dzialas 

in  Breslau  .    .    .    .    ,   614—618 

69.  Berichtigung,    von  R,  Grosser  in  Wittstock   618 

(16.)  Philologische  programme  deutscher  höherer  lehranstalten. 

von  H.  K.  Benicken  in  Bartenstein  (Fortsetzung)  ....  619—622 

Inhaltsverzeichnis   623—625 

Namensverzeichnis  der  an  diesem  bände  betheiligten  mit- 

arbeiter   626—627 

Ortsverzeichnisder  in  diesem  bände  besprochenen  programme  628 


Den  Herren  Lehrern 


an  Gymnasien,  Pro^ymnasien  und  Realschulen  wird 

für  das  nächste  Sehulsemester 

der  ausgedehnt«  Schulbücher- Verlag  von  B.  G.  Tenbner  in  Leipzig 
zu  geneigter  Beachtung  empfohlen  und  zwar: 

I.  Textausg^aben  der  g^riechlschen  und  lateinischen  Klassiker. 

[Bibliotheca  scriptorum  Graeconim  et  Komanorum  Teubneriana.] 

Diese  Sammlang  tod  Textau«Kab«n,  welche  überall,  wo  humaniitifche  Stadien  ge- 
trieben werden,  fast  ausechlieitalich  im  Gebrauch  ist,  wird  ununterbrochen  forttreietxt 
und  fortwahrend  durch  neue  verbe»»erte  Auflagen  immer  grösserer  Vollkommenheit  ent- 
gegengefuhrt.  Et  sind  darin  alle  Autoren,  welche  fQr  den  Schulgebrauch  nur  irgend  io 
Krage  kommen  kr»nnen,  bereits  erschienen  und  durch  auaaerordentlich  niedriRe  Preise 
auch  unbemittelten  Schülern  lugftnglich  gemacht.  Wo  aber,  wie  dies  in  zahlreicheo 
Lehranstalten  schon  geschieht,  der  Gleichmiissigkeit  wegen  auuchliesslich  nur  diese 
Ausgaben  in  den  Händen  der  SchUler  während  des  rnterrichta  geduldet  werden  »ollen, 
da  erleichtert  dies  der  Verleger  gern  durch  Lieferung  einer  Anzahl  Ton  Freiexemplares 
für  arme  Schaler  oder  die  etwa  bestehende  Bibliotheca  pauporum. 

H.  B.  G.  Teubnera  Schulausgaben  griechischer  und  lateinischer 
Klassiker  mit  deutschen  erklärenden  Anmerkungen. 

Bekanntlich  icichnen  sich  dioae  Schulausgaben  dadurch  aus,  da«8  sie,  aus  der  Praxis 
des  Schulunterrichts  hervorgegangen,  Tor  allem  das  Bedürfniss  der  Schale  ins  Ange 
fassen,  ohne  dabei  die  Ansprüche  der  Wissenschaft  unberücksichtigt  au  lassen.  Die  in 
der  Sammlung  noch  fehlenden  wenigen  Schul  •  Autoreu  werden  in  kürsester  Fritt  er- 
scheinen. Die  fortwährend  ni'^thigen  neuen  Auflagen  beweisen,  dass  auch  die««  Xueqiab«a 
sich  der  allgemeinsten  Anerkennung  zu  erfreuen  haben.  Freiexemplare  für  Lehrer  stehen 
bei  beabsichtigter  Einfuhrung  oder  Empfehlung  gern  lu  Diensten. 

m.  Bibliotheca  Qraeca,  curant.  Fr.  Jacobs  et  V.  Ch.  Fr.  Rost. 
Ausgaben  griechischer  Klassiker  mit  lateinischen  An- 
merkungen. 

Vielfältig  werden  diese  Ausgaben  für  d«n  Unterricht  in  den  oberen  Klassen  den 
Ausgaben  mit  deutschen  Anmerkungen  vorgezogen,  wie  denn  c.  B.  von  Enri«^ides  ed. 
Pflugk  et  Klotz,  Plato  od.  Stallbaum,  Sophocles  ed.  Wunder,  Thucj  aes  ed. 
Poppo,  u.  A.  einzelne  Bände  erst  neuerdings  in  neuen  Auflagen  erschienen  sind. 

rv.  Lehr-  und  Hilfsbücher  für  den  gesammten  Unterricht 
an  Gymnasien  und  anderen  höheren  Schulen. 

Die  Verlagshandluug  strebt  auch  auf  diesem  (lebiet«  nach  mc^glichster  YoUstftndig- 
keit,  um  durch  gediegene  neue  Lehr-  und  Hilfsbücher  für  alle  Disziplinen  der 
Unterrichts  die  Fortschritte  der  Wissenschaft  der  Schule  zugänglich  zu  machen.  Verlagi- 
antrüge  gediegener  Arbeiten  auf  diesem  Gebiete  werden  ihr  vorzugsweise  wiUkomm«n  sein, 
selbst  dann,  wenn  der  betreffende  Unterrichtsgegenstand  bereits  durch 
ein  Lehrbuch  im  Teubner'schen  Verlage  vertreten  ist. 

In  allen  Buchhandlungen  ist  gratis  zu  haben: 

Schulkatalog 

der  Verlagsbuchh&ndlun«  von  B.  G.  Teubner  in  LieipEig, 

welcher  eine  Zusammenstellung  der  Ausgaben  griechischer  und 
lateinischer  Klassiker,  sowie  der  Lehr-^  und  Hilfsbücher  für 
den  Unterricht  aus  dem  Teubner'schen  Verlage  enthält,  soweit  die- 
selben an  den  Gymnasien,  Progjmnasien,  Real-  und  anderen  höheren 
Schulen  Deutschlands  gebraucht  werden.  Ein  TollstAndiges  Yer- 
zeichuiss  des  gesammten  philologischen,  sowie  des  mathematischen 
Verlags  von  B.  G.  Teubner  steht  ebenfalls  gratis  zu  Diensten. 


Bestellungen  auf  Bücher  meines  Verlags  bitte  ich  nicht  direkt 
an  mich,  sondern  an  eine  Sortimentsbuchhandlung  zu  richten  da  ich 
mich  mit  dem  Verkauf  von  Büchern  ans  Publikum  durchaus  nicht  be- 
fassen, sondern  dieselben  nur  an  Buchhandlungen  liefern  kann. 

B.  G.  Teubner. 


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^  >^ oogle 


This  book  should  be  returned  to  die 
Library  on  or  before  die  last  date  stamped 
below. 

A  fine  of  five  cents  a  day  is  incurred  by 
retaining  it  beyond  die  specified  time. 

Please  retum  prompdy. 


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